Arms von Lady_Emily ================================================================================ Kapitel 1: I Never Thought That You ----------------------------------- Mein Name ist Ken Takaheshi. An meiner Schule bin ich eher sowas wie ein Außenseiter. Unsportlich, unscheinbar, unbekannt. Zumindest denke ich das. Wenn ich Mr. Kon über Ionen und Moleküle reden höre, muss ich immer darüber nachdenken, ob er früher beliebt war. Er wirkt auf jeden Fall sehr selbstbewusst. Und nett. Wenn er einen Schüler etwas fragt, tut er das immer mit einem Lächeln. Ab und an mit einem Stirnrunzeln, wenn jemand zum wiederholten Male immer noch nicht antwortet. Er ist sympathisch. Und sieht gut aus. Ich mag ihn. Wahrscheinlich bin ich schwul. Ich hab versucht mit meinem besten Freund Tomida darüber zu reden, aber der hat nur gelacht und mich als 'verrückt' bezeichnet. Bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, klingelte es zur Pause. Bingo. Schnell packte ich alle meine Sachen in meine Tasche und machte mich eiligen Schrittes raus aus dem Raum. Tomida und mein Ceasar Salad warteten in der Cafeteria auf mich. Da ich gleich danach zum Sportunterricht flitzen musste, ging ich noch schnell zu meinen Spind und holte meine Sporttasche. Gerade als ich einen Teil meiner Bücher weg legen wollte, wurde ich angerempelt. Meine Sachen fielen auf den Boden und ich wurde unsanft gegen andere Spinde gestoßen. „Ups“, höhnte eine mir bekannte Stimme. „Sehr witzig, Yamata.“ „Hat der kleine Junge sich weh getan?“, spottete mein blonder Gegenüber. Yamata Matidoto war DER Typ an der Schule. Sportler, Musterschüler, Mädchenschwarm. Arschloch. „Halt die Klappe und geh weiter“, war meine einzige Erwiderung, während ich mich nieder kniete und versuchte, meine Unterlagen wieder einzusammeln ohne einen ignoranten Fußabdruck auf meinen japanisch Aufsatz zu bekommen. „Aber ich sehe dich so gerne vor mir auf dem Boden kriechen.“ Aus einem mir unerfindlichen Grund scheint dieser Typ ein besonderes (und für mich ausgesprochen ungesundes) Interesse an mir entwickelt zu haben. „Such dir ein Hobby“, kommentierte ich und stopfte so viel wie möglich in mein Schließfach. Obwohl ich ihm den Rücken zugewandt hatte, konnte ich spüren, wie er mich immer noch anstarrte. Was ist das nur mit den großen Sportlern, dass sie immer jemanden brauchen, auf den sie herumhacken können? Ist das nicht viel zu viel Klischeé? „Ich hab doch schon ein Hobby: zu sehen wie du Hurensohn einer Prostituierten dich durchs Leben schleichst.“ Und genau da liegt das Problem. Mein wunder Punkt. Meine Mutter. Ich liebe meine Mutter. Wer tut das bitte nicht?! Dadurch ergab sich für mich nur eine logische Konsequenz: ich verpasste Yamata einen gepflegten, rechten Haken. Und da Yamata ein beliebter, sportlicher Mädchenschwarm war, ergab sich für ihn auch nur eine logische Konsequenz: zurückschlagen. Als mein Kopf zum ersten Mal auf den Boden aufschlug, bereute ich meine Entscheidung. Dann hörte ich die Stimme eines Engels. Sozusagen. Ein ziemlich wütender Engel, um genau zu sein. Ich öffnete meine Augen und sah Mr. Kon. Keine schlechte Aussicht, wenn ich das noch hinzufügen darf. „Steh auf“, sagte er und zog mich am Arm hoch. „Dich seh ich nachher beim Nachsitzen“, setzte er noch hinzu und zeigte auf Yamata. „Und du“, er sah zu mir, seine Hand immer noch auf meinem Arm, „so sehr man auch getriezt wird, man schlägt niemanden.“ Er sah mich nachdenklich an. Anscheinend überlegte er, ob er mir ebenfalls Nachsitzen aufdrücken sollte. Dann seufzte er und ließ mich los. „Geh zum Konrektor.“ Mit einer letzten Handbewegung verscheuchte er die Menge und verschwand dann wieder in seinen Klassenraum. Scheiße. Ich schloss noch einmal kurz meine Augen, um mich zu sammeln. Scheiße. Der Konrektor unserer Schule ist berüchtigt und gefürchtet. Undzwar nicht gerade für seine blumigen Grüße. Seufzend nahm ich meine Tasche und machte mich langsam auf den Weg. Die Verwaltungsbüros liegen alle im Südteil der Schule und damit irgendwie etwas abgeschirmt vom normalen Schulbetrieb. Wahrscheinlich damit sich niemand direkt vor der Tür des Direktors prügelt und er den Schüler dann sofort rausschmeißen müsste. Um jetzt rausgeschmissen zu werden, muss man erst durch das Büro des Konrektors. Die Pforte zur Hölle sozusagen. Ich musste schwer schlucken, als ich letztendlich vor der Bürotür stand. 'Kai Hiwatari – Konrektor' Furchteinflössend. Ich klopfte nervös. „Komm rein“, tönte eine dunkle Stimme von drin. „Hallo Mr. Hiwatari“, sagte ich lediglich, als ich den Raum betrat und mich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch gleiten ließ. Der Konrektor sah nicht einmal auf. Seit einiger Zeit trägt er eine Brille, die ihm nun schief auf der Nase saß, während er ein Formular ausfüllte. „Habe ich dir erlaubt dich hinzusetzen?“ „Oh“, mir wurde mulmig. „Nein, tut mir leid. Soll ich noch einmal aufstehen?“ Ein strafender Blick traf mich. Dann wandte er sich wieder seinem Papier zu. „Also, was ist da zwischen dir und Yamata Matidoto passiert?“ Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Woher zum Teufel wusste er das schon?! Gab es irgendwo eine kleine Eule wie bei Harry Potter, die dem Direktorat immer kleine Nachrichten darüber bringt, was in der Schule vor sich geht? Vielleicht sollte ich mir als Ziel setzen, bis zu meinem Abschluss herauszufinden, wie die Lehrer Nachrichten an die Verwaltung überbringen. „Ich warte“, riss mich Mr. Hiwatari aus meinem Gedanken. Er sah immer noch nicht auf. „Er hat meine Mutter beleidigt.“ „Ist dir das Wort 'Selbstbeherrschung' ein Begriff?“ „Durchaus.“ „Dann solltest du dir etwas mehr davon zulegen.“ Er setzte schwungvoll seine Unterschrift auf das Ende des Blattes und sah zum ersten Mal mit voller Aufmerksamkeit auf. „Bekomm ich Nachsitzen?“ Nachdenklich nahm Mr. Hiwatari seine Brille ab und sah mich an. „Beim nächsten Mal“, sagte er schließlich knapp und nahm sich einen Notizzettel. Er schrieb kurz etwas daauf und gab mir das neongrüne Stück Papier. „Melde dich beim Beratungslehrer.“ Na toll. Ich werd rumgereicht. Seufzend nahm ich den Zettel entgegen, stand auf und ging. „Immer schön sauber bleiben“, rief er mir noch hinterher. Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, sah ich schnell auf den Zettel. 'B4 – 2616' Was sollte das bitteschön heißen? Kopfschüttelnd ging ich drei Türen weiter und klopfte. „Immer herein“, erscholl eine Stimme von drinnen. Ich öffnete die Tür und war mir ziemlich sicher, dass ich diesmal nicht fragen musste, ob ich mich setzen darf. „Hallo Ken“, sagte Mr. Mizuhara und lächelte mich an. Hier war alles gleich viel freundlicher als nebenan. Wäre auch blöd, wenn nicht, immerhin ist das hier das Beratungsbüro. Außerdem mag ich Mr. Mizuhara. Er ist genauso nett wie Mr. Kon. Ab und an kann man die beiden beobachten, wie sie sich auf der anderen Seite der Straße eine Zigarette teilen. Sehr menschlich, wie ich finde. Schade, dass er kein reuglärer Lehrer ist. Manchmal übernimmt er zwar Vertretungsstunden, aber eigentlich ist er nur als Vertrauenslehrer angestellt. Wir haben noch eine andere Beratungslehrerin, Mrs. Kahihama, aber die ist ausgesprochen unbeliebt, weil sie sich vor dem fünften Kaffee für keinen ihrer Schüler erwärmen kann. Es geht das Gerücht um, dass sie mal einen Schüler ihrem geliebten Kaffee über den Kopf geschüttet hat, als er morgens zu ihr kam und sich über seine Liebesprobleme auslassen wollte. „Hallo Ken“, grüßte ich meinen dreijährigen Namensvetter, der auf dem Boden neben dem Schreibtisch hockte und mich mit großen Augen ansah, die obligatorische Ketchup Flasche in der Hand. Dieses Kind ist wohl das größte Rätsel an unserer Schule. Immer mal wieder ist er in Mr. Mizuharas Büro, wahrscheinlich damit dieser auf ihn aufpassen kann. Aber ob es sein eigener Sohn ist? Wie immer sah ich ihn prüfend an. Es ist auf jeden Fall kein komplett japanisches Kind, irgendjemand mit westlichen Genen hat da mitgemischt. Könnte eigentlich also schon sein, dass es zu Mr. Mizuhara gehört. Aber irgendwie hatte ich immer die Vorstellung, dass Mr. Mizuharas Kinder strohblond, sommersprossig und mit einem breitem Lächeln und nicht mit einer Ketchup Flasche durch die Gegen laufen würden. Aus einem mir unerfindlichen Grund gibt es übrigens das ungeschrieben Gesetz an unserer Schule, dass niemand fragt, was es mit dem kleinen Ken auf sich hat. Absolut niemand. „Also Ken“, fing Mr. Mizuhara an, bekam damit wieder meine Aufmerksamkeit und streckte seine Hand aus. Wortlos reichte ich ihm den neongrünen Notizzettel. Er nahm ihn ebenfalls kommentarlos und warf einen kurzen Blick darauf. „Prügelei auf dem Schulflur mit Yamata Matidoto“, stellte er fest, packte den Zettel weg und sah mich an. Wie zur Hölle?! Ich machte mir gedanklich eine Notiz, wirklich das System der Informationsübertragung dieser Schule zu überprüfen. „Hast du dir sehr weh getan? Das gibt bald ein schönes blaues Auge.“ Und dafür liebe ich Mr. Mizuhara. Keine Anschuldigungen, keine Bestrafungen, nur eine besorgte Frage, wie es einem so geht. „Geht schon.“ „Geh zur Schulkrankenschwester wenn es schlimmer wird.“ „Ist gut.“ Es herrschte einen Moment Stille. „Möchtest du darüber reden?“ „Es gibt nicht viel zu reden. Yamata hat mich geschubst und meine Mutter beleidigt. Dann hab ich zugeschlagen.“ „Nicht gerade die ideale Lösung.“ „Hab ich nie behauptet.“ „Wir machen uns Sorgen um dich.“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „Wer ist wir?“ „Das Rekorat. Deine Lehrer. Ich.“ Während er das sagte, drehte er sich einmal in seinen Schreibtischstuhl und suchte in dem Aktenschrank hinter sich nach meiner Akte. „Das wirkte bisher nicht so.“ „Was denkst du warum Mr. Hiwatari dich hierher geschickt hat?“ Diesmal zog er die Augenbraue hoch. „Er wirkte nicht besonders besorgt.“ Seufzend legte Mr. Mizuhara meine Akte auf den Tisch, öffnete sie jedoch nicht. „Wie geht es deiner Mutter?“ Ich versteifte mich kurz. Keine Ahnung wieso. Immerhin war ich eine zeit lang regelmäßig bei Mr. Mizuhara, um über meine Mutter und mein zu Hause zu reden. Nicht wie ne Therapie oder so. Einfach nur um mal darüber zu reden. Dampf ablassen und so. „Gut“, antwortete ich schließlich. Er sah mich weiter nachdenklich an. „Ich muss das in deine Akte schreiben.“ „Ok.“ „Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“ Ich überlegte. „Nee, danke, passt schon.“ „In Ordnung“, sagte er und schlug letztendlich doch noch meine Akte auf. „Melde dich morgen früh nochmal bei mir.“ Schwermütig stand ich auf. „Muss ich?“ „Ich würde mich freuen. Und jetzt ab zu deinem Sportunterricht.“ „Na gut. Tschüß little Ken“, ich winkte meinem kleinen Namensvetter zu und er winkte mit seiner leeren Ketchup Flasche zurück. Merkwürdiges Kind. Als ich draußen war, warf ich einen Blick auf die Uhr. Mistekiste, wenn ich mich nicht beeilte, würde ich zu spät kommen. Mit schnellen Schritten machte ich mich auf den Weg zur Turnhalle. Tomida wartete vor der Tür auf mich. „Alter, du machst Sachen“, war seine schlichte Begrüßung. „Nettes Veilchen“, schob er dann noch hinterher. „Danke man“, erwiderte ich nur und zusammen betraten wir die Umkleidekabine. Wir waren eine der letzten und beeilten und dementsprechend. Gerade noch rechtzeitig nahmen wir in der Turnhalle aufstellung. „Guten Morgen!“, rief unser Lehrer fröhlich. „Guten Morgen Mr. Kinomiya“, erscholl unsere Antwort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)