Fünf von Jo_chan (Der schwere Weg) ================================================================================ Kapitel 4: Verhandlung - Maybe I can live on -------------------------------------------- Der aufgerauchte Zigarettenstummel flog in den Gulli zu seinen Füßen. Aoi reckte das Gesicht dem Himmel ein wenig entgegen und atmete tief durch. Hier an dieser Stelle, war es passiert. Er betrachtete die Straße und hatte fast das Gefühl er könnte Ruki dort liegen sehen. Ruki war alleine gestorben und sie waren alle nicht dabei gewesen. Ob er Angst gehabt hatte? Ob er sehr lange gelitten hatte, bevor sein Atem nicht mehr seine Lippen überwunden hatten? Der Gitarrist wandte den Blick ab und sah die Straße entlang. Tief in seinem Inneren wünschte sich Aoi, das er dabei gewesen wäre. Damit Ruki nicht hätte alleine sein müssen in diesem Moment. In dem Moment in dem er gestorben war. Anfangs hatte er nicht daran glauben wollen das der Kleinere wirklich nicht mehr da war, dann war er schrecklich wütend gewesen und schlussendlich hatte er seinen Kühlschrank leer gefressen, seinen Biervorrat weg gesoffen und jetzt stand er hier und betrachtete diese Stelle. Diese sehr besondere Stelle. Noch immer lagen Blumen hier und Kerzen standen am Gehwegrand und mahnten vor der Unvorsichtigkeit mit der man auf der Welt konfrontiert wurde. Wie automatisch griff er in seine Tasche und zündete sich eine weitere Zigarette an. Der Lärm der Autos ging vollkommen an ihm vorbei, genauso wie die schnatternden Menschen um ihn herum. Sobald die Autos stehen blieben, liefen die Leute los, nur Aoi nicht. Er stand einfach hier und dachte nach… Über das Leben, über sich, über den Tod… Vor allem über Rukis Tod. Sie hatten nicht genug Zeit gehabt. Es gab doch soviel was Aoi dem Kleineren gerne noch gesagt hätte, vieles wofür er sich gerne noch entschuldigt hätte. „Es tut mir Leid.“, murmelte er ohne darüber nachzudenken das er mehr mit sich selber sprach, als mit einem anderen Menschen. Aber vielleicht konnte er auch weiter leben? Ohne das er ein schlechtes Gewissen haben musste? Wahrscheinlich hätte Ruki nicht gewollt das sie sich alle verhielten wie Marionetten die nicht mehr auf ihrem Leben klar kamen. Es waren doch schon sechs Monate. Sechs Monate in denen auch Aoi getrauert und geweint hatte, in denen er versucht hatte mit seinem neuen ‚Leben’ fertig zu werden. Da war keine Musik mehr, da war kein Lachen, keine Freude mehr… Bis heute. Sollte es denn wirklich so weiter gehen? Sollte das Alles sein, was Aoi noch haben sollte? Vorsichtig trat er einen Schritt näher an die Gehwegkante heran und schaute auf den Betonboden. Wenn das alles war, was für ihn übrig war, wollte er dann so weiter leben? „Nein…“, murmelte er und trat wieder zurück. Das war kein Ausweg, keine Lösung. Er hatte selber so oft gesagt, dass da immer noch ein Morgen kommen würde, es konnte nicht einfach so vorbei sein. In Rukis Fall, war das anders gewesen, aber Rukis Tod war tragisch und unvorbereitet gekommen. Sie waren doch alle soweit wirklich zufrieden und glücklich gewesen, auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere, ihrer Glanzzeiten. Sicher, sie waren auch mal müde und ausgelaugt gewesen, sie waren wütend aufeinander gewesen, aber sie waren doch Freunde, eine Familie. Und in einer Familie stritt man auch. Aoi war kein einfacher Mensch, manchmal war er sogar regelrecht schwierig, es gab eben Dinge die sich niemals ändern würden, auch das nicht. Und dennoch… So hätte es nicht enden müssen, nicht sollen! Aoi wollte die Zeit zurück drehen, eine Zeitmaschine bauen, zurück reisen und einfach alles ändern, vielleicht hätte er Ruki dann ja retten können? Vielleicht wären sie dann jetzt noch alle zusammen, gemeinsam auf dem Weg ihres Erfolges?! Vielleicht, vielleicht, vielleicht… „Alles nur Hirngespinste und Wunschdenken!“, fluchte er leise und kniff die Augen zusammen. Es gab keine Zeitmaschine, für Ruki gab es keine späte Rettung mehr und all diese ‚Vielleicht’, halfen weder Aoi noch den Anderen. Es half einfach Niemanden. Er schaute zurück auf die Blumen und die Kerzen. Eine der Kerzen zitterte im Wind und Aoi trat etwas näher an diese heran. Bevor er sich versah nahm er die Kerze in die Hand und stellte sie so, dass sie vor dem Wind geschützt wurde. „Du wirst nicht einfach ausgehen, wag es dich ja nicht!“, knurrte er das flackernde Licht an und blieb einen Moment einfach in seiner hockenden Position. Die Sonne kam wieder ein Stück weiter raus und Aoi hob den Kopf wieder mehr an. Die wärmenden Strahlen taten einfach gut und Aoi rieb leicht die Hände aneinander. Sechs Monate… Zwei Wochen… Ein Tag und 18 Stunden… So lang war es schon her und ‚vielleicht’ gab es ja doch eine Möglichkeit einfach weiter zu leben, sich der Sonne entgegen zu strecken und den Toten ihre Ruhe zu gönnen. Wie sonst sollte Ruki in Frieden ruhen, wenn sie so sehr an seiner Seele zerrten und sich wünschten er wäre noch da? Als Aoi sich wieder erhoben hatte und los ging, flackerte die kleine Kerze noch immer sanft im Wind, aber sie brannte, stark und unnachgiebig, mit ein wenig Hoffnung auf ein Leben, das vielleicht trotz allem weiter gehen konnte. Tbc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)