Glowing in the dark von Jilienemily ================================================================================ Kapitel 6: Holding my breath ---------------------------- Katniss Nur am Rande nahm ich wahr wie mich jemand aufhob und in mein Bett trug. Cinna war da, schälte mich gemeinsam mit Hazelle aus meinem zerstörten Traumkleid und meinen Stiefeln. Ich rollte mich nur in Unterwäsche sofort zu einer Kugel und zog mir die Decke bis an die Nasenspitze. Wann würde dieser Alptraum aufhören? Wie oft konnte ich noch verletzt werden, wie oft würde mir Peeta noch das Herz brechen? Ich konnte doch jetzt schon nur noch mit Mühe und Not meinen Verstand zusammen halten. Cinna saß auf meiner Bettkante und strich mir sacht die Strähnen aus der Stirn. Er sagte nichts, saß einfach nur da und liebkoste mich auf so beruhigende, vertraute Art und Weise, das ich tatsächlich irgendwann einschlief. Natürlich hatte ich Alpträume. Grauenhafte, verstörende Alpträume in denen ein blondes Wesen mir Peeta wegnahm. Aber anders als sonst erlaubte mein Verstand mir nicht aufzuwachen. Ich schrak nicht schreiend auf, ich war an meinen Traum gefesselt. War gezwungen mir anzusehen wie sie ihn umgarnte, ihn immer weiter von mir fort zog. Wir saßen an den Kopfenden einer langen Tafel. Ich war an meinen Stuhl gefesselt, der einem Thron glich und Peeta saß mir mit leerem Blick gegenüber. Uns trennten sicher an die drei Meter. Die Tafel war festlich gedeckt, aber alles war vertrocknet und tot, von Staub und Spinnweben bedeckt. In der Mitte stand was einmal unser Hochzeitskuchen war. Als ich an mir herab sah, stellte ich fest das ich eines von Cinnas Brautkleider trug. Das schlichteste, das Kleid von dem ich wusste dass er es nur für mich gemacht hatte. Ich zerrte an den rauen Seilen die meine Arme und Beine in Position hielten. Sie schlich geisterhaft blass und überirdisch schön um ihn herum, ihre Porzellanhände strichen über Peetas Schultern, seinen Hals und seine Wange. Langsam begann Efeu an seinem Thron hinauf zu ranken. Er schlang sich um Peetas Arme und seinen Körper. Der Saal um mich herum wurde zum Urwald und der Efeu umschloss Peeta immer dichter. Ich schrie und kämpfte, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich musste ihn retten, ich musste ihn befreien. Sie durfte ihn mir nicht wegnehmen, wie sollte ich ohne ihn leben? Blanke Panik ergriff mich und ich wehrte mich nach Leibeskräften, aber ich hatte keine Chance gegen die dicken Seile. Und bald war von Peeta nichts mehr zu sehen außer seinem blassen Gesicht mit den leeren Augen. Tränen nahmen mir die Sicht und ich zerrte bis meine Handgelenke blutig waren. Ich schrie seinen Namen, doch sie stand hinter ihm und hielt ihm mit ihren gespenstisch weißen Händen die Ohren zu. Sie lächelte mich mit scharfen Zähnen an. Peeta wurde Teil des Djungels. Aber es war kein wirklicher Urwald, es war mein Wald. Mein geliebter Wald der ihn unter sich begrub. Sie setzte sich auf seinen Schoß, lehnte sich vor und küsste ihn. Ich wurde von meinem Schluchzen geschüttelt, bekam kaum noch Luft. Es tat so entsetzlich weh es mit ansehen zu müssen. Als sie sich von ihm löste sahen seine milchigen, toten Augen mich an. Nichts von dem schönen blau war mehr darin zu erkennen. Seine Lippen waren schwarz verfärbt. Ich wollte ihn so sehr berühren, wollte all ihr Gift von seinen Lippen küssen. Langsam öffneten sich Peetas Lippen und ein Schwarm schwarzer, glänzender Käfer ergoss sich aus seinem Mund. Ich fuhr mit einem gellenden Schrei auf. Draußen schien die Sonne und Cinna saß mit besorgter Miene neben mir. Ich zitterte, mein Herz raste und ich jappste nach Luft. „Endlich bist du wach. Ich konnte dich nicht wecken, es war als hättest du dich an deinen Traum geklammert. Es tut mir so leid Kleines.“ Er streichelte mir hilflos über die glühende Wange. Bebend sog ich tief die frische Luft in meine brennenden Lungen. Meine Tage waren erneut erfüllt von Sehnsucht, Alpträumen und Einsamkeit. Cinna hatte eines der ehemaligen Victors Häuser bezogen und besuchte mich oft. Doch ich weigerte mich das Bett zu verlassen. Ich wollte mich miserabel fühlen. Ich wollte endlich ausleben was ich all die Jahre runter geschluckt hatte. Es war der Regen vor meinem Fenster der mich aus meiner Starre löste. Ich erhob mich vom Bett und öffnete beide Fenster weit. Draußen strömte der Regen prasselnd und in dicken Tropfen vom Himmel. Der Himmel war tief grau verhangen. Er hatte die Farbe von Gales Augen wenn er wütend war. Ich lehnte mich an den Fensterrahmen und sah dem Regen zu. Langsam streckte ich die Hand aus und spreizte die Finger. Das Wasser perlte von meiner weißen Haut ab, es folgte den Linien die blass und kaum noch erkennbar den Verlauf meiner Brandnarben verrieten. Ich erinnerte mich kaum noch an meine zerstörte, von Brandwunden übersäte Haut. Cinna hatte mir jeden Tag geholfen meinen Körper mit der speziellen Creme aus dem Capitol einzukremen. Ich sah aus wie die Porzellanpuppe aus meinem Traum. Vielleicht hatte ich mich selbst gesehen? Leichenblass, geisterhaft und giftig. Vielleicht war ich es die Peeta umbrachte und vergiftete. Ich musterte meine feinziselierte weiße Hand an der der Regen so unnatürlich abperlte. Waren es meine Hände die sich um seinen Hals legten? Bebend atmete ich die angenehm kühle Luft ein. Es roch herrlich nach feuchter Erde, Wald und Regen. Es musste der erste Regen seit über einem Monat sein. Ich zog meine Hand zurück ins Zimmer und beobachtete wie die Tropfen von meiner Haut perlten. Meine Augen verengten sich leicht. War es die Erkenntnis das ich es war die ihn umbrachte? Der Himmel in der Farbe von Gales Augen? Ich wusste es nicht, aber je länger ich den Tropfen beim herab perlen zusah, desto wütender wurde ich. Ich war lange nicht wütend gewesen. Es gab niemanden auf den ich hätte wütend sein können. Doch jetzt war ich wütend. Auf Peeta. Auf Gale. Auf meine Mutter und Haymitch, selbst auf Cinna und besonders auf Prim. Ich war auf sie alle wütend. Zum ersten Mal seit Monaten spürte ich Entschlossenheit. Ich marschierte ins Bad, griff zur Schere und schnitt meine langen Haare auf die Hälfte ab. Dann flocht ich sie zu meinem Zopf und betrachtete mich im Spiegel. Meine Fingerspitzen strichen über meine Wange, meinen Hals, fuhren über die feinen Linien. Seidenweiche Haut bedeckte was noch vor Wochen ein Mosaik aus rotem, wundem Fleisch gewesen war. And may the odds be ever in your favor. Dachte ich sarkastisch und wurde auf Effie wütend. Effie, die all die Jahre lächelnd her gekommen war um uns wie Lämmer zur Schlachtbank zu führen. Sie war es die Prims Namen gezogen hatte und auch wenn sie sich gut um uns gekümmert hatte, hätte sie Prims Namen nicht gezogen dann wäre ich noch vollständig. Peeta wäre in der Arena umgekommen, ich hätte nie von seinen Gefühlen erfahren und Gale hätte sich nie fragen müssen ob es eine Zukunft für uns gab. Mühsam atmete ich gegen meine Wut an, musste mich mit beiden Händen am Waschbecken abstützen. Nie zuvor war mir der Gedanke gekommen das ich es nach wie vor Wert sein könnte am Leben zu sein. Das es immer noch einen Menschen gab für den ich stark sein musste. Mich. Ich sah mir in die Augen, suchte nach etwas woran ich mich festhalten konnte. Ich war doch immer noch ich. Kaputt und zerstört und hässlich wie ich war. Das unscheinbare Ding aus Distrikt 12 das ihre Zeit lieber im Wald verbrachte und keine Freunde hatte. Was hatte sich daran schon geändert? Was war so erstrebenswert an einer Zukunft mit Peeta? Keuchend musste ich einen Arm um meine Brust schlingen. Ich wusste was daran erstrebenswert war. Wieder durchfuhr mich diese irrationale Sehnsucht nach ihm. Zitternd lehnte ich die Stirn an den Spiegel. Mein Atem bildete eine weiße Patina auf dem glatten Glas. Es war im Haus wärmer als draußen. Ich musste hier raus. Cinna lag die ganze Zeit richtig. Ich musste es aus eigener Kraft aus meinem Versteck schaffen. Denn nichts anderes war dieses Haus. Mein zu groß geratener Kleiderschrank in dem ich mich verkriechen konnte. Aber so wollte ich nicht weiter leben. Ich brauchte Dr. Aurelius nicht um mir zu erklären dass ich es nur alleine schaffen konnte. Ich ignorierte noch immer seine Anrufe. Jedenfalls die meisten. Was leicht war, da ich das Telefon ausgestöpselt hatte. Haymitch steckte es zwar regelmäßig wieder ein mit der Ermahnung dass das zu meinen Auflagen gehörte, aber wen interessierte das? Ich stieß mich vom Waschbecken ab und richtete mich auf und zwang meine Lippen zu einem Lächeln. Resigniert ließ ich meine Mundwinkel wieder sinken. Wem wollte ich was vormachen? Ich war nicht das lächelnde, giggelnde Mädchen aus dem Fernsehen. Ich war der verbrannte Mockingjay. Ich bin Katniss Everdeen, das Mädchen dass Panem zu Fall gebracht hat. Mein Blick verdunkelte sich, meine Miene wurde ernster, härter. Ich hatte mein Leben lang ums Überleben gekämpft. Wenn ich mich weiter in meinem Loch vergrub wäre all das umsonst. Mit gestrafften Schultern ging ich zurück in mein Zimmer und wühlte so lange durch meine Sachen bis ich eine einfache Hose und ein T-Shirt fand. Das war ich. Keine flatternden Kleider. Keine offenen Haare. Mit routinierten Handgriffen schnürte ich meine Jagdstiefel und zog die Alte Jacke meines Vaters vom Haken an der Garderobe. Einen Moment hielt ich vor der Tür inne, meine Hand schwebte über dem Türgriff. Nur meine Fingerspitzen zitterten. Meine Mundwinkel hoben sich zu einem grimmigen Lächeln. Noch immer konnte ich die Wut in meiner Brust spüren. Ich musste ihr Luft machen, sonst würde ich zerbersten. Fest umfasste ich den Türgriff, riss die Tür auf und knallte sie Schwungvoll hinter mir zu. Ohne zu zögern trat ich in den dichten Regen und ein helles Lachen perlte über meine Lippen. Ich schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ließ den Regen meine Tränenspuren und die letzten Wochen einfach fort waschen. Es war warmer Sommerregen, weich und dicht. Als ich die Augen öffnete sah ich zu Peetas Haus. Ich konnte ihn in der hell erleuchteten Küche sehen, er schien zu backen. Langsam ging ich mit festen Schritten auf sein Haus zu, nur um mitten auf der Straße zu erstarren. Peeta war nicht alleine. Zwei schlanke Arme schoben sich von hinten um ihn und er hob lächelnd die Hand, die voller Glasur war. Ich sah nicht weiter hin. Die Wut auf ihn und uns und das ganze kranke Gebilde das unsere Beziehung war brodelte in meiner Brust und ich musste einen Wutschrei unterdrücken. Ich drehte mich auf dem Absatz um und begann zu rennen. Ich flog durch den Regen, niemand hielt mich auf. Das Loch im Zaun war noch immer offen und ich zwängte mich mühelos hindurch. Endlich war ich frei. Die Schrecken meines letzten Ausfluges in den Wald hatte ich nicht vergessen, doch es war heller Tag und im Moment jagten mich andere Geister. Meine Füße folgten dem Weg den ich im Schlaf gefunden hätte. Hoch zu Gales und meinem Treffpunkt. Ich lief immer schneller bis ich schließlich klatschnass und schwer atmend auf unserer Anhöhe ankam. Natürlich war er nicht hier. Ich war Mutterseelenallein. Und so begann ich zu schreien. Ich schrie sie alle an. Ich schrie Prim an weil sie mich verlassen hatte, schrie meine Mutter und meinen Vater dafür an das auch sie mich verlassen hatten als ich sie am nötigsten gebraucht hätte. Ich brüllte mir die Seele aus dem Leib. Jeden Vorwurf, jede Frage, alles was ich ihnen wie würde vorwerfen oder sagen können schrie ich in den Regen. Und dann schrie ich Peeta an. Peeta der es irgendwie geschafft hatte dass ich ihn liebte, dass ich ihn wie Luft zum Atmen brauchte und der mich jetzt verließ. Dabei lief ich auf dem Hochplateau auf und ab, gestikulierte und diskutierte mit dem Wind, dem prasselnden Regen und dem Donnergrollen. Ein Sommergewitter zog auf. Schließlich blieb nur Gale. Ich war inzwischen nass bis auf die Haut, durchgefroren und meine Lippen waren kalt und blau. Aber das war egal. Mit ihm war ich noch lange nicht fertig. Er der mich einfach verlassen hatte obwohl er mich liebte. Weil er mich liebte. Mein bester Freund der mich meiner Verzweiflung und meinen Alpträumen überlassen hatte. Wütend ballte ich die kalten Hände zu Fäusten. „Du bist nicht hier! DU SOLLTEST HIER SEIN! DU BIST MEIN BESTER FREUND VERDAMMT! ICH BRAUCHE DICH UND DU HAST MICH ALLEINE GELASSEN! DU HAST ES VERSPROCHEN! DU HAST GESCHWOREN MICH NICHT ALLEIN ZU LASSEN! WO BIST DU?!“ brüllte ich in den Wind. „Hier.“ sagte Gale und trat zwischen den letzten Bäumen hervor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)