Cross Brothers von Luna_Fenris (Blutsbande) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- ...Einhundert... Sechzig. Eins; Zwei, Drei... Das ergab zusammen 163. Ich stand dem 163-sten Killer in diesem Jahr gegenüber und das war eine ziemlich traurige Bilanz. Selbst für mich. Es war mitten in der Nacht und den Glockenschlägen nach, hatte es gerade zur Geisterstunde geläutet. Die Stunde des Showdowns für den bösen Mann, der mir an den Kragen wollte. Er hatte sein Gesicht hinter einem schwarzen Tuch verborgen und trug gewöhnliche Jeans sowie eine Cordjacke. Am auffälligsten an seiner Erscheinung, war das lange Stück Holz in seiner Hand. Es wirkte wie eine Szenerie eines Krimis. Den Tatort hatte der Attentäter sicherlich bewusst gewählt um die Dramatik meines Todes zu verfeinern, denn wir standen auf einem Friedhof, zur bereits erwähnten Geisterstunde. Der Vorhang hatte sich gehoben und nun sollte das dramatische Stück beginnen. Innerlich lachte ich laut, doch seinem schlechten Skript folgend, blickte ich ernst drein. Dieses lange Stück Holz war ein sogenannter Pfahl, und etwas derartiges war mir schon lange nicht mehr unter die Augen gekommen. Ich beschloss, das Schweigen zu brechen, welches sich wie ein bleierner Vorhang über uns gelegt hatte. Mein Gott, ich vermisste die dramatische Hintergrundmusik! „Beeindruckend, dass du mich verfolgen konntest.“ entgegnete ich mit gespielter Überraschung, denn der Typ war mir schon seit einer Woche auf den Fersen. Optimistisch hatte ich daran geglaubt, er würde aufgeben. Doch hier bewies sich, dass Optimismus oftmals fernab jeglicher Realität lag. Duftwellen von Schweiß kribbelten in meiner Nase, sodass ich einen Schritt zurückging. Ich sah, dass die Angst den Körper des Mannes komplett versteinerte. Er war sich seiner Sache überhaupt nicht sicher. Doch wie passte das zu meiner Krimi-Theorie? Ein Mörder, der sich vor dem Opfer fürchtete, stellte eine schlechte Figur dar. So konnte er nicht das absolut Böse verkörpern. Vielleicht trieb ihn der Wahnsinn? Wahnsinn schien bei den Menschen an der Tagesordnung zu stehen. Ich verstand diese Existenzen immer weniger, obwohl ich unter ihnen lebte. Das mag alles recht merkwürdig klingen und ich fühle mich verpflichtete ein Wort der Erklärung zu bieten. Tatsächlich distanzierte man Wesen wie mich von den Menschen. Es gab nur eine Nahrung, die uns alles gab, was wir brauchten. Eine Nahrung, die mich mit Kraft erfüllte. Ich ernährte mich von Blut. Und Menschenblut zählte zu den Dom Perignon unter dem Angebot. Außerdem waren meine Sinne weitaus schärfer als die eines Menschen. Meine Augen erfassten jedes kleinste Detail über mehrere hundert Meter und mein Gehör konnte Laute vernehmen, die ein Mensch niemals wahrnehmen konnte. Doch all das war abhängig vom Blut. Ohne ausreichende Blutmenge in mir, brachte mir die tollste Anatomie nichts. Leider hielten die Menschen Kreaturen wie mich für Monster, obwohl ich diese Beleidigung genauso gut zurück schleudern konnte. Schließlich sollte ich diese Nacht das Opfer von einem Menschen werden, den ich in meinem Leben zuvor noch nicht gesehen hatte. „Dies ist deine letzte Nacht!“ zischte er auf einmal und mir wurde bewusst, dass er anscheinend von seinen Worten fest überzeugt war. Wie war das noch mal mit dem Optimismus? Doch ich hatte keine Zeit mich über ihn lustig zu machen, denn er rannte plötzlich los und riss dabei das Holzstück in seiner Faust in die Lüfte. „Sinnlos.“ murmelte ich und griff nach dem Pfahl. Erschrocken blickte mich der Mensch an. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ihm überlegen sein könnte. Ich revidiere. Das war schon längst kein Optimismus mehr, sondern Größenwahn! „Es ist noch nicht vorbei, Vampir!“ knurrte der hundsgemeine Pfähler und schlug mit der anderen Faust entschlossen in meinen Bauch, der Pfahl flog aus meiner Hand und rollte über den Boden, wo er mit der Dunkelheit verschmolz. Damit hatte ich wiederum nicht gerechnet und so lockerte ich überrascht meinen Griff und stöhnte auf. Netter Schlag. Zumindest schien er kein Schwächling zu sein. Dennoch war sein Plan zum Scheitern verurteilt. Vampir, oder auch Blutsauger schien tatsächlich die treffende Bezeichnung für meine Existenz zu sein. Ich trank Blut, vorwiegend menschliches und ich lebte schon weitaus länger als es die Natur den Menschen vor schrieb. Allerdings schlief ich nicht in Särgen und meistens hielt ich mich tagsüber unter den Menschen auf, als gehörte ich zu ihnen. Weihwasser stellte für mich eine ebenso große Bedrohung dar, wie Knoblauch, nämlich gar keine. Zusätzlich zu den außerordentlichen Sinnesorganen, besaß ich eine übernatürlich schnelle Selbstheilung und somit wird der Holzpfahl zu nichts mehr als einem Zahnstocher. Ihre einzige Gefahr bestand darin, dass sie ins Herz gerammt wurden und solch eine Verletzung erschwerte die Selbstheilung ungemein, konnte sie sogar ganz stoppen, bis der Pfahl entfernt wird. Wurde ein Pfahl nicht entfernt konnte man tatsächlich an dem hohen Blutverlust sterben, denn ohne Wundheilung und ohne frisches Blut, war selbst ein Vampir aufgeschmissen. Vielleicht stammen daher die Legenden vom gepfählten Vampir? Kehren wir zurück zum Todes sehnsüchtigen Menschen. Er stolperte von mir zurück und sah sich fiebrig um, ob in der Nähe etwas Waffenähnliches lag, womit er mich abermals bedrohen könnte. Ich fing mich schnell von dem Schlag, denn Schmerzen war ich gewohnt. „Das bringt doch nichts.“ meckerte ich, als der Kerl den Boden nach Stöckern absuchte. „Halt’s Maul!“ blaffte er zurück und mir entfuhr ein gelangweilter Seufzer. „Aber wenn ich dir doch sage, dass es sinnlos ist? Nachher heulst du mir vor, was für ein Untier ich bin. Auch wenn ich es Notwehr nenne.“ plapperte ich weiter und ging auf ihn zu. Ich meinte es ernst. Wenn der Typ von mir besiegt wurde, dann hätte ich gleich eine ganze Horde von denen am Hals, denn ich bezweifelte, dass er seine Dummheit zugeben würde. „Bleib stehen!“ schrie er panisch und stolperte ungelenk zurück. „Warum? Hast du Angst?“ Ich bleckte meine Fänge und sah mit blitzenden Augen, wie er über einen Grabstein stolperte und auf den Boden knallte. Doch was tat ich nun mit ihm? Töten konnte und wollte ich ihn nicht. Schließlich würde eine Leiche zu viel Aufmerksamkeit erregen und irgendwie war er mir ans Herz gewachsen. Schließlich hatte er mich eine Woche lang verfolgt. „Weißt du, das mit dem Pfahl... Es ist ja nicht deine Schuld. Du hast dich wahrscheinlich auf die Legenden und Ammenmärchen verlassen.“ begann ich und ging in die Hocke, sodass wir auf Augenhöhe miteinander waren. Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine kleine Falte, was mir bedeutete, dass ich richtig lag. „Doch ein Pfahl bleibt ein Stück Holz. Das ist ein Kratzer für Kreaturen wie mich.“ Es sei denn man traf das Herz richtig. „Was willst du jetzt tun? Du schindest Zeit!“ erwiderte mein neuer Schatten zischend und mir verging der Humor. Er hatte recht, denn mir war unklar, wie ich mich seiner wieder entledigen konnte. „Sag du’s mir? Soll ich dich töten?“ fragte ich und grinste ihn an. In diesem Moment genoss ich meine Macht über ihn. „Sinnlos!“ entgegnete er und sah mir entschlossen in die Augen. Sein Selbstbewusstsein war neu aufgeflammt und er hatte abermals recht. Ich mochte das irgendwie. Warum konnte ich solche Typen nicht in einer Bar bei einem Bier kennen lernen? Musste ich immer das Monster sein? „Mach es mir nicht so schwer!“ brabbelte ich widerwillig und packte ihn fest am Kopf. Mir blieb nur noch eine Möglichkeit und dafür entschuldigte ich mich lieber vorher. „Tut mir echt Leid, Mann. Ich wünschte du würdest nicht versuchen mich umzubringen.“ Mit meiner geballten Faust schlug ich ihm ins Gesicht, sodass er das Bewusstsein verlor und ein paar Zähne. Als Blutsauger sollte ich auch in der Lage sein, meine Spuren zu verwischen und auch dafür besaß ich besondere Fähigkeiten. Das Gedächtnislöschen. Hierbei löscht man aber nicht wirklich irgendwelche Eindrücke oder Erinnerungen. Ich kann lediglich das, was ich in den Köpfen meiner Opfer vorfinde versiegeln. Ich sollte es können... In all der Zeit, in denen ich es mit solchen über motivierten Typen oder redseligen Frauen zu tun hatte, war das Gedächtnislöschen für mich ein anderes Kaliber. Sprich: Ich versagte hier auf ganzer Linie. Meistens sorgte ich für eine dauerhafte geistige Behinderung oder ich vernichtete alles im Kopf. Doch vielleicht war das Schicksal heute auf meiner Seite? Schließlich hätte ich den Mann genauso gut töten können! Also murmelte ich fremdsprachige Wörter und ich spürte augenblicklich, dass meine Handfläche glühte. Mein Arm kribbelte. Dieser Vorgang erforderte meine volle Konzentration und so hielt ich meine Augen fest geschlossen. Doch das Schicksal wollte mir auch heute nicht zur Seite stehen. Plötzlich vernahm ich ein widerliches Röcheln und mir stieg ein abartiger Verwesungsgeruch in die Nase. Mir war schon beim Betreten dieses Ortes klar gewesen, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Abgesehen von meinem Verfolger. Angewidert von dem Gestank öffnete ich meine Augen und bemerkte nur noch einen Schatten der zwischen den Gräbern vorbei huschte. Es zog den Verwesungsgeruch mit sich und zurück, blieb nur ein Hauch Gestank und gedämpfte röchelnde Laute vergingen in der Dunkelheit. Ich hatte meinen Sinnen kaum getraut und ich benötigte einen Moment ehe ich begriff, was ich gerade erlebt hatte. Es gab auf dieser Welt nichts, was schneller als ein Vampir sein konnte und dieses Ding hatte sich so schnell bewegt, dass ich es kaum wahrnahm. Erschrocken ließ ich den Jäger los. Seinen Geist hatte ich nun sicherlich völlig zerstört, nachdem sich meine Konzentration im Nichts aufgelöst hatte. Ich fand keine Erklärung für dieses Ding und suchte deshalb nach dem Ort, wo ich seinen Schatten sah. Plötzlich versanken meine Füße in aufgewühlter Erde, soweit ich es erkennen konnte. Verwirrt sah ich mich um und mir stieg der Verwesungsgeruch ein weiteres Mal in die Nase. Ich schnupperte mich voran und schließlich endete die Geruchsspur an einem Grab. Doch es war kein gewöhnliches Grab. Die Leiche ragte aus dem aufgewühlten Boden. Anscheinend war jemand der Meinung, dass der Verstorbene nicht tot genug war, denn man hatte mehrmals auf die Leiche eingestochen und seltsamerweise sickerte frisches Blut aus dem Toten. Der Tote schien zum größten Teil selbst als Nahrung gedient zu haben, denn ihm fehlte ein Arm und der andere war bereits angeknabbert. Es war mitten in der Nacht und den Glockenschlägen nach, schien sich die Stunde der Dämonen zu nähern. Die Stille legte sich wie ein bleierner Vorhang über dem heiligen Ort des Todes und kein Windhauch wollte mir den Geruch aus der Nase wehen. Ich hielt mir die Hand vor dem Mund und wandte mich ab. Der Ekel schüttelte mich und mir wurde kalt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)