Eine Nacht, Die Mein Leben Veränderte von laleo ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7 Anfangs war alles ganz merkwürdig, so, als würden alle Töne wie durch einen Berg von Watte zu mir durchdringen, so dumpf und weit entfernt. Je wacher ich allerdings wurde, umso deutlicher konnte ich alles hören und letztendlich konnte ich die Stimmen, die sprachen, unterscheiden und auch verstehen. Schließlich war ich ganz wach und bekam nur irgendwie meine Augen nicht auf. Meine Eltern und Nick waren in meiner Nähe und unterhielten sich leise und auch in besorgtem Tonfall miteinander. Ich hörte als erstes meine Mutter sprechen: „Hör doch auf, Nikolas, das konnte doch keiner ahnen, dass diese Frau ein so verdrehtes Gehirn hat. Jetzt beruhige dich doch, die Ärzte haben doch gemeint, Tino ist über den Berg. Es dauert nicht mehr lange, dann wacht er richtig auf. Der Doktor hat doch gemeint, dass es bald soweit sein müsste.“ An ihrem Tonfall erkannte ich, dass sie Nick voll und ganz als meinen Freund akzeptiert hatte. Als mein Vater sprach, lag auch in seiner Stimme nur Akzeptanz und keinerlei Vorwurf. „Nikolas, du konntest doch nicht in die Zukunft schauen und schon gar nicht in den Kopf dieser Frau. Du musst dir darüber im Klaren sein, sie wird dich nicht in Ruhe lassen. Hol dir eine richterliche Verfügung, damit die Polizei gegen sie vorgehen kann, sollte sie mit einer relativ geringen Strafe davonkommen.“ Von Nick hörte ich keine Antwort, fühlte ein Streicheln über meine Hand und ich bemühte mich verzweifelt, endlich meine Augen aufzumachen, zu zeigen, dass ich ihnen zuhörte. Irgendwie musste ich ziemlich lange geschlafen haben, denn sie fühlten sich total verklebt an. Nikolas sprach aber unerwartet direkt neben mir. „Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn Valentin etwas zugestoßen wäre. Sie hat schon Tom auf dem Gewissen und ich in gewisser Weise auch. Aber Tom hat mir nicht genügend vertraut, was Valentin jedoch tut. Hoffentlich vertraut er mir auch weiterhin...“ Am Ende waren seine Worte ganz leise geworden und so versuchte ich noch einmal meine Augenlider auseinander zu zwingen, was mir auch einen Spaltbreit gelang. Mein Blick war erst noch etwas verschwommen, klärte sich allerdings schnell, je weiter ich meine Augen aufbekam. Ich suchte nach Nikolas´ Hand, was sich ein wenig mühsam gestaltete. Das brachte ihn und meine Eltern dazu, sich zu mir umzudrehen. „Du bist ja wach!“ „Der Junge ist aufgewacht.“ „Tino, geht es dir gut?“ Alle drei sprachen auf einmal auf mich ein und ich klammerte mich an Nicks Hand, hielt sie fest und versuchte alle anzugrinsen, um zu zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen sollten. Das hätte ich wohl besser bleiben lassen sollen, denn meine Mutter schrie auf: „Schau doch, Gregor, er hat Schmerzen. Ruf schnell nach der Schwester, damit sie ihm was gibt.“ Mein Versuch, mich bei ihnen hörbar zu machen, scheiterte an der Hektik meiner Mutter, an Nikolas´ Schnelligkeit, der neben meinen Kopf griff und schon auf den Knopf für die Schwester gedrückt hatte, und meinem Vater, der schon mit eiligen Schritten fast an der Tür war und gerade die Hand nach ihr ausstreckte, um sie zu öffnen, als diese auch schon aufgerissen wurde. Die Schwester musste sich in der Nähe meines Zimmers aufgehalten haben, so schnell, wie sie bei uns war. „Ja, bitte? Wie kann ich helfen?“ Die freundlich aussehende Schwester trat vollends ins Zimmer, ließ das kleine rote Licht an einem Apparat neben dem Türrahmen erlöschen, das wohl durch das Drücken des Schwesternknopfes aufgeleuchtet war. Dann erkannte sie, dass ich wach war, kam auf mein Bett zu, griff nach meinem Puls und wandte sich an meine Eltern. „Bitte, lassen sie den Patienten noch ein wenig ruhen. Er hat alles gut überstanden und wird noch ein wenig benommen sein. Ich werde gleich den Arzt rufen, der nach Herrn von der Hofe schaut. Der Doktor kann ihnen anschließend mitteilen, wie es ihm geht.“ Sie strich dabei meine Decke zurecht, drehte sich wieder mir zu und fragte mich, ob ich Durst hätte, was ich bestätigte. Die Schwester meinte, sie käme gleich mit etwas für mich zu trinken und verließ das Zimmer wieder. Meine Mutter war aber schon wieder geschäftig geworden und sprach auf meinen Vater ein. „Gregor, geh schnell eine Flasche Saft holen oder besser gleich mehrere und bring auch gleich noch Obst mit. Dass wir das aber auch vergessen konnten. Beeil dich damit, Tino mag doch nicht so gerne Wasser pur trinken.“ Nikolas´ leicht amüsierten, aber auch erleichterten Blick konnte ich gerade noch erkennen, bevor er sich ein wenig von mir wegdrehte, was mich tatsächlich leicht erröten ließ. Kopfschüttelnd machte sich mein Vater auf den Weg, genau wissend, dass es völlig zwecklos war, meiner Mutter im Augenblick Wiederworte zu geben. Er schickte ein leichtes, bedauerndes Grinsen zu mir hinüber und eilte aus dem Zimmer, um ihren Auftrag auszuführen. Bestimmt war er gerade sehr froh darüber, aus ihrer Nähe zu kommen, bevor sie noch mehr sagen konnte. Manchmal war sie wirklich wie eine Glucke und behandelte mich, als wäre ich noch ein Baby. Unerwartet klopfte es an der Tür und der Arzt trat auf einmal ins Zimmer. Die Schwester, die ihm folgte, bat Nick und meine Mutter, für eine Untersuchung einen Moment den Raum zu verlassen, und stellte eine Flasche Wasser auf meinen Nachtschrank. Meine Mutter allerdings zögerte und sagte nachdrücklich, dass sie bei mir bleiben würde, was ich auch mit einem Nicken begrüßte. Sie würde sich doch nur unnötige Sorgen machen, wenn sie vor der Türe warten müsste. Ganz kurz sah der Doktor in meine Augen, hörte mich mit dem Stethoskop ab, dann drehte er sich uns beiden zu. „Junger Mann, Sie haben wirklich sehr viel Glück gehabt. Sie werden in der nächsten Zeit nicht unerhebliche Schmerzen an Ihrem Arm und in ihrer Brust haben, darum zögern Sie nicht, sich bei den Schwestern bemerkbar zu machen, wenn sie Ihnen zu viel werden. Wenn Sie später die Toilette aufsuchen müssen, rufen Sie bitte nach der Schwester oder einem Pfleger. Sie werden Ihnen behilflich sein, dorthin zu kommen. Ein paar Tage werden Sie wohl bei uns bleiben müssen, fürchte ich. Ich möchte Sie bitten, Ihren Arm noch nicht übermäßig viel zu belasten und auch sonst keine großen Kraftakte zu vollziehen.“ Der Arzt schmunzelte ein wenig. „Ich weiß, wie ungeduldig junge Leute sind, wenn sie einmal krank sind. Aber glauben Sie mir, mit langsamen Bewegungen kann man auch gesund werden. Man muss nichts überstürzen. Und so schlimm ist es nicht, bei uns im Krankenhaus zu liegen, auch wenn die Leute das im Allgemeinen glauben.“ Ich nickte leicht und versuchte, bei seiner Untersuchung nicht zu sehr zu stöhnen, als er mich bat, mich alleine aufzusetzen. Mein Arm tat doch sehr weh und auch meine Brust und mein Bauch schmerzten dabei. Ein paar Worte wurden noch zwischen meiner Mutter und dem Doktor gewechselt, dann verließen er und die Schwester uns und gleich darauf kam Nick wieder herein. Mutter brach sofort wie ein kleiner Mini-Tornado über mich herein. Mein Kopfkissen wurde aufgeschüttelt und mir „richtig“ in den Nacken gestopft, meine Decke hoch gehoben und noch einmal glatter gestrichen, als die Schwester es gemacht hatte, die Dinge auf dem neben mir stehenden fahrbaren Nachtschränkchen, das Telefon, ein Glas und die Flasche mit Wasser wurden ganz nah an mein Bett geschoben. Immer wieder streichelte sie über meine Wangen, gab mir einen Kuss, egal, wie sehr ich auch versuchte, ihr auszuweichen. Es war mir schon sehr peinlich, von meiner Mutter so verhätschelt zu werden, besonders, weil doch Nikolas noch neben meinem Bett stand und sich das Ganze in aller Ruhe anschaute. Über sein Gesicht huschte immer wieder ein Schmunzeln, wenn er sah, wie vergeblich meine Versuche waren, meiner Mutter und ihrem Streicheln und Küssen zu entkommen. Endlich war alles zu ihrer Zufriedenheit getan und sie gab Ruhe, setzte sich auf den mir am nächsten stehenden Stuhl, rückte ihn noch dichter an mein Bett und griff sich meine Hand, die sie danach auch nicht mehr los ließ. Nikolas hockte sich auf meine Bettkante und strich mir nur einmal zärtlich über die Wange, fuhr anschließend mit den Fingerspitzen zart über meinen verletzten Arm. Als ich die Decke ein wenig nach unten schob und an mir heruntersah, fiel mein Blick auf die anderen mit Verbandzeug verklebten Stellen auf meiner Brust und erst jetzt erinnerte ich mich wieder daran, was passiert war. „Ich würde sehr gerne wissen, wie es darunter aussieht und was Lisa überhaupt mit mir angestellt hat.“ Das waren bestimmt nicht die nettesten ersten Worte, die sie von mir erwartet hatten, aber dafür ehrlich. Meine Mutter holte tief Luft und ich machte mich schon auf ein paar Worte über meine Unhöflichkeit von ihr gefasst, doch Nikolas hob einfach meine Decke noch ein Stück an und meinte: „Damit wirst du keinen Schönheitswettbewerb gewinnen können und sicherlich bleiben ein paar Narben zurück. Du hast verdammt viel Glück gehabt, denn Lisa hatte deine Oberarmarterie getroffen. Anne und Marvin haben dir gemeinsam alles abgedrückt, was abzudrücken war. Der Notarzt meinte, sie hätten dir das Leben gerettet.“ Nikolas setzte sich auf den zweiten Stuhl an meinem Bett und hielt meine Hand fest in seiner. Seine Stimme klang belegt, als er anfing zu erzählen: „Sie hat noch ein paar Stiche auf dich abgegeben, aber nicht sehr tief, alles nur oberflächlich. Es sah schlimmer aus, als es am Ende war und sie hat keine deiner inneren Organe verletzt. Nur dein Arm, der war weit aufgeschnitten und wird bestimmt noch länger brauchen um zu heilen, weil sie dich an dem operieren mussten. Du siehst ja, wie lang der Verband ist. Ganz ehrlich, sie hat da wirklich fies an dir herumgesäbelt und der Arzt hat erzählt, dein Leben stand auf Messers Schneide.“ Mir lief ein Schauer über den Rücken. Fast wäre ich nicht mehr hier gewesen, hätte ich meine Eltern, hätte Nikolas verloren. Mein Erschrecken stand mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn meine Mutter beugte sich vor und drückte ihre Hand an meine Wange, streichelte darüber und flüsterte leise: „Du hast noch einmal viel Glück gehabt. Bei dir müssen die Schutzengel Überstunden gemacht haben. Wir können so unendlich froh darüber sein, das Nikolas Freunde hat, die sich ein wenig auskennen. Sonst wärst du nicht mehr bei uns.“ Ein leises Schluchzen entkam ihr, das sie sofort wieder unterdrückte. Ich hatte es aber doch gehört. Meine Hand fuhr automatisch zu ihrem Gesicht, zog es zu mir hinüber und küsste sie. Wieder beruhigt und darum bemüht, ihre Fassung wieder zu gewinnen, trat sie ans Fenster. Nikolas, den ich anblickte, nickte und erzählte: „Das war alles ein großes Durcheinander, nachdem Lisa sich auf dich gestürzt und dann auf dich eingestochen hatte. Sie warf sich dann noch mal auf mich und wollte mich wohl auch erstechen, doch Leif schnappte sich Lisa, nachdem sie von dir abgelassen hatte und auf mich zukam. Danach schmiss sich Riko gegen sie, wobei die drei umfielen. Damit sie keinem mehr etwas antun konnte, setzte sich Riko anschließend auf sie und rammte das Messer tief in den Boden. Leif hielt sie weiter fest. Maike schrie herum und schnauzte die Leute an, die auf einmal hinter den Büschen auftauchten.“ Leise warf ich ein: „Du hast Lisa geschlagen, das habe ich noch gesehen.“ Verlegenheitsröte stieg in Nicks Gesicht. „Ich gebe zu, es war das erste Mal, dass ich so aus der Haut gefahren bin, und ich bin wahrlich nicht stolz darauf, eine Frau geschlagen zu haben. Als ich sah, wie sie auf dich losging und auf dich einstach, da rastete bei mir was aus. Meine ganze Ausbildung war dahin, mein normales Denken. Kurz darauf schämte ich mich sehr für die Ohrfeige, aber so war es einfach. Ich kam da gar nicht gegen an.“ Nikolas verstummte, sein Gesicht etwas von mir abgewandt. „Das ist doch nur natürlich. Wenn irgendeiner auf meine Frau oder auf Tino eingestochen hätte und ich wäre dabei gewesen, da hätte mich das auch nicht gestört, dass man Frauen für gewöhnlich nicht schlägt. Sie hätte meine Liebsten angegriffen und darauf reagiert man einfach, auch wenn man nicht das Gesetz in die eigenen Hände nehmen soll. Du hast dich aber rechtzeitig wieder unter Kontrolle bekommen, hast aufgehört, hast nicht auf sie eingeprügelt, sie nicht zusammengeschlagen oder sie ansonsten verletzt. Ich denke, eine einzige Ohrfeige war in dem besonderen Augenblick gerechtfertigt.“ Keiner von uns hatte mitbekommen, dass mein Vater wieder zurückgekommen war. Seine Stimme, seine Worte waren es, die Nick beruhigten. Ich fasste einfach nach seiner Hand und hielt sie fest in meiner. „Gregor, hast du alles bekommen?“ fragte gleich darauf meine Mutter, wie um von Nick abzulenken. Mein Vater packte seine Plastiktüte aus und stellte mehrere Flaschen mit verschiedenen Obstsäften hin, die meine Mutter gleich, bis auf die Flasche mit Apfelsaft unten in den Nachtschrank einräumte. Dazu kamen noch eine Schale mit gemischtem Obst, mehrere Zeitschriften, die ich gerne las und er versprach mir, beim nächsten Besuch meinen Nintendo-DS mitzubringen, damit ich mich ablenken könnte. Ganz zum Schluss legte er noch eine Tafel mit Cappuccino-Schokolade auf das Schränkchen und grinste mich unverhohlen an, denn wir wussten beide, was jetzt kommen würde. „Der Junge soll nicht so viel Süßes essen, Gregor. Nimm die Schokolade wieder an dich, die kann er zu Hause haben.“ Wir brachen alle in schallendes Lachen aus, denn in Hinsicht auf Süßigkeiten war meine Mutter fast schon manisch. Nichts, aber auch gar nichts sollte zwischen sie und ihre Ernährung gelangen. Schon gar keine süßen Dinge, von denen sie nicht genau wusste, was sie enthielten. Natürlich machten mein Vater und ich uns immer wieder einen Spaß daraus, trotz allem ab und an gemeinsam eine Tafel Schokolade oder ein paar Pralinen zu kaufen und zusammen zu naschen. „Tja, Nikolas, du gewöhnst dich am besten gleich daran. In unserem Haus sind süße Sachen ziemlich verpönt, wenn sie meine Frau nicht selbst herstellt. Meine Frau achtet sehr auf gesunde und ausgewogene Ernährung. Wenn mich nicht alles täuscht, wird sie für Valentin jeden Mittag sein Essen kochen und es ihm hierher ins Krankenhaus bringen. Oder ich werde es ihm bringen müssen. Sie kennt da keine Gnade“, feixte mein Vater. Schnell trat meine Mutter neben meinen Vater und „schlug“ nach ihm, traf ihn am Arm, weil er sich über ihre Angewohnheit, alles über die gesunden Lebensmittel, die in unseren Mägen landeten, lustig machte. Sie selbst spöttelte aber auch. „Stimmt. Wer weiß, was sie dem armen Jungen in sein Essen schmuggeln. Bestimmt etwas, damit die Patienten nicht die Schwestern anmachen können. Gut, in diesem Fall die Pfleger, aber das bleibt sich gleich. Jedenfalls möchte ich, dass Tino schnell wieder gesund wird und ich will wissen, was er in seinen Magen bekommt. Das geht nur, wenn ich selbst für ihn koche. Ergo, ich fahre mittags hierher und bringe es ihm. Ist doch ganz einfach“, dann griente sie uns alle an und zusammen lachten wir ein wenig. Der Besuch meiner Eltern dauerte danach auch nicht mehr lange, dann ließen sie Nikolas und mich alleine. Der setzte sich auf meine Bettkante, nahm mich in seine Arme und flüsterte mir ins Ohr: „Ich bin so froh, dass du noch lebst. Valentin, ich liebe dich so sehr. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich dich verloren hätte.“ Ich konnte nur nicken. Sprechen war mir gerade nicht möglich, meine Kehle war wie zugeschnürt. Nach einem Moment aber meinte ich mit belegter und gepresster Stimme: „Ich dich auch, Nick. Ich bin auch unheimlich glücklich, noch immer bei dir zu sein. Und darüber, dass Lisa es nicht geschafft hat, mich umzubringen.“ Nick drückte mich vorsichtig an sich und hielt mich nur einfach fest umschlungen. Wir saßen noch lange so beieinander, bis ich in seinen Armen einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)