Neo Alcatraz von Kami_Sanageyama (Band 1) ================================================================================ Kapitel 1: Jason Blackwood -------------------------- Jason Blackwood Jason Blackwood, weiße Haare und grüne Augen, langweilte sich zu Tode. Das war nichts Neues mehr. Ihm gefiel nicht, wie lange die Lehrer die Schüler warten ließen. Und das am letzten, großen Schultag in der SP-Mittelschule, die letzte große Prüfung für die Klasse 9e! Jason legte sich auf seine Arme und seufzte leise. Bis hier etwas geschehen würde, würde die Welt untergehen. Und selbst dann würde es, was auch immer es war, auf sich warten lassen. Und man durfte hier nicht einmal schlafen! Man könnte sich ja eventuell die Langeweile vertreiben! Wenn wenigstens Caro oder Ethan schon da wären. Die Tür ging auf und ein Junge, etwa in Jasons Alter, betrat den Raum. Wobei man das eher stolpern nennen sollte. Er riss ruckartig die Tür auf, rannte in den Raum und fiel über seine eigenen Füße der Länge nach hin. Ja, das war Ethan. Tollpatschig, immer gut drauf und mit tiefblauen Augen. Jason musste bei seinem täglichen Auftritt immer lächeln. Sooft am Stück zu spät zu kommen und dann dieser Auftritt... So was hebt immer die Laune. „Guten Morgen“, grüßte Ethan strahlend, während er zu Jasons Fensterplatz kam und sich auf den Stuhl vor ihm fallen ließ. „Morgen Eth.“ „Bereit für den großen Test?“ Jason runzelte verwundert die Stirn. „War das eine rhetorische Frage oder bist du echt so dumm? Natürlich…nicht! Ich kenn nicht einmal das Thema!“ „Tja, ich auch nicht.“ Ethan strahlte nun Richtung Tür. Nichts passierte. Er wurde nervös und drehte sich zu Jason um. „Sag mal“, begann er, „weißt du, ob Caro krank ist?“ Jason zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Wie, du wolltest von ihr abschreiben?“ „Natürlich! Ich hab sie bezahlt, damit sie mich lässt!“ Jason war völlig irritiert. „Wie, du auch?“, fragte er dann und schaute nun auch zur Tür, dann auf die Uhr und wieder zu Tür. Schon zehn Minuten zu spät. Mist! Was, wenn sie den Unpünktlichkeits-Rekord von Ethan brechen wollte? Dann würde sie die ganze Woche nicht kommen! Und dann war es zu spät! Jason schaute zu Ethan. Der war wohl zum selben Punkt gelangt. Beide schauten einander völlig entsetzt an. „Was machen wir, wenn sie das wirklich tut?“, brüllte Ethan geflüstert. Er hatte Panik. „Dann sind wir tot, verdammt!“, brüllte Jason im selben Ton und mit derselben Lautstärke zurück. Das konnte heiter werden! Nächstes Jahr sollte er doch auf die Oberschule! Wie sollte das gehen, wenn er diesen Test jetzt verhauen würde? Dann roch er etwas. Ruckartig drehte Jason sich um! Es war Caro. Sie benutzte jeden Tag ihr einzigartiges Parfüm, so unauffällig, wenn man es nicht kannte und wenn man es kannte, dann konnte man es auf hundert Meilen riechen. „Caro!“, schrien Jason und Ethan gleichzeitig. Caro hatte lange dunkle Haare, war immer pünktlich, wusste immer alles, hatte super Manieren und… ein Kindsgesicht. Nur vom Gesicht her sah sie aus wie eine achtjährige. Früher tat sie das auch am Rest. Doch heute war sie ganz klar fünfzehn. Nur ihr Gesicht schien das nicht mitbekommen zu haben. Dafür hatte sie ein sehr schönes, im Hintergrund sadistisches Lächeln. Und das nutzte sie jetzt! „Hi, Jungs!“, grüßte sie und ließ sich auf den Stuhl neben Jason fallen. „Wo warst du?“ „Wir haben uns Sorgen gemacht!“ Caro lächelte nur. „Ihr wollt von mir abschreiben. Und habt brav dafür bezahlt.“ Sie hielt ihren Geldbeutel hoch. Er hatte mal ein Froschgesicht. Doch wegen seiner Fülle könnte es genauso gut ein Affe sein. „Nun, leider ist der Kurs gestiegen“, führ Caro fort, „und glaubt mir, mit ein wenig Taschengeld komm ihr da nicht weit!“ Ihr machte das augenscheinlich unglaublichen Spaß! Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Das konnte man sehen. Und Jason ganz besonders! „Was soll das?“, rief er verzweifelt aus. „Das war mein gesamtes Geld! Plus Zinsen, weil ich darauf bestanden habe, dass du neben mir sitzt!“ Ethan sah ihn verwundert an. „Wo hast du so viel Geld her? Ich konnte mir nur die Spicker von ihr leisten!“ Jason sah Ethan an. Er wusste, er hatte es nicht böse gemeint oder mit Absicht gemacht. Er hatte Jason an seine Eltern erinnert. Seine Mutter war seit fünf, sein Vater seit zehn Jahren verschwunden. Sie hätten ihn ohne Zweifel auf die Prüfung vorbereitet. Doch in seinen fünf Jahren im Waisenhaus hatte er gerade genug Geld bekommen, um von Caro abschreiben zu dürfen. Bei dem Gedanken an seine Eltern wurde sein Blick düster. Doch Caro wechselte schnell das Thema. „Das war ein Witz, Jungs!“ Sie strahlte die beiden an. „Aber dafür müsst ihr mal mit mir ausgehen und ein Eis ausgeben. Sonst lasse ich den Kurs ins Unendliche steigern!“ Jasons Blick hellte sich auf. Dann starrte er sie geschockt an. Ethan ebenfalls. „Wir sollen mit dir ausgehen? Dann lieber Kurssteigerung!“ Und schon hatten sich beide eine gefangen. Jason knallte gegen das Fenster, Ethan hing noch halb auf dem Stuhl. Und Caro sah die beiden wütend an. „Das hört sich so an, als wäre das eine Strafe, mit mir auszugehen!“ „Ist es doch auch!“, verteidigte sich Ethan. Dann klatschte es wieder und er hielt sich die Wange. Er saß nicht mehr halb sondern gar nicht mehr auf dem Stuhl, sondern wimmerte am Boden. Seine Schlägerin hatte die Hand noch hochgehalten, bereit um wieder zuzuschlagen. Dann drehte Caro sich zu Jason um. „Willst du seinen Weg gehen?“, fragte sie mit einem düsteren Unterton. Die Hand schien sich schon zu freuen, etwas schlagen zu dürfen. Jason schüttelte den Kopf. „N-Nein, i-ist schon gut.“ Schützend hob er die Hände und versuchte ein Lächeln. Caros Kindergesicht hellte sich auf. „Dann ist ja gut“, meinte sie und setzte sich wieder. Ethan erhob sich und setzte sich ebenfalls wieder auf seinen Stuhl. Er rieb sich noch die Wange. Caro lachte, Jason lachte und nach einer kurzen Weile lachte Ethan mit. Jason fand, dass es ewig so weiter gehen könnte. Niemanden würde es stören. Doch Jason wusste, dass es nicht ewig sein würde. Darum genoss er die Zeit, die er mit den anderen hatte umso mehr. Sie würden für immer Freunde bleiben, dass stand fest. Jason war kein leichtgläubiger Idiot, der so was einfach nur denkt, weil er Hoffnung hat. Nein, er wusste es einfach. Es war eine Freundschaft, die bis zum Tod gehen würde. Doch weder er noch die anderen hatten sich bisher ausgemalt, wann das sein würde. Das konnten sie auch nicht, der Lehrer kam rein. Er tat, als wäre er superpünktlich und teilte allen die Bögen aus. Jason freute sich, er hatte Caro zum Abschreiben. Doch als er sich zu ihr umdrehte, so er ihr irritiertes Gesicht. Sie drehte es ihm zu und zuckte verzweifelt mit den Schultern. Jason erstarrte. Caro hatte keine Ahnung, was sie machen sollte! Das war sein Ende! Wie sollte er den jetzt eine Taschengelderhöhung rechtfertigen, wenn er den wichtigsten Test verhauen würde? Dann schaute er auf die Fragen. Er kannte die Antwort. Auf die, auf die nächste, auf der ganzen Seite. Er konnte alles! Als Caro sah, dass er ohne Sorgen die Lösungen ankreuzte, schielte sie manchmal zu ihm rüber. Mit einer Geste gab er ihr zu verstehen: „Nur gegen Bezahlung.“ Caro schaute ihn finster an, lächelte dann aber, nickte und schrieb ab. Jason löste jede Frage einfach. Dabei hatte nichts getan um es zu schaffen. Es war ein schönes Gefühl, mal alles zu wissen und nicht auf Abschreiben angewiesen zu sein! Der einzige, der arm dran war, war Ethan. Der konnte sich nicht einfach nach hinten drehen, um bei Jason abzuschreiben. Bei Caro schon gar nicht! Als er es doch versuchte, hörte Jack einen leisen Schmerzensschrei und schaute hoch. Ethan wurde an einem Ohr vom Lehrer ganz nach vorne gesetzt. Jason musste leise lachen und machte sich wieder an die Prüfung. Er war so in seine Prüfung vertieft, dass er nicht auf seine neunundzwanzig Mitschüler achtete. Oder gar auf die maskierte Gestallt in dem blutgetränkten Umhang, welcher sich bedrohlich langsam dem Fenster im zweiten Stock der Klasse nährte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)