Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 24: Pinke Einhörner --------------------------- „Tai!“, rief Kari und fiel ihrem Bruder in die Arme. Er drückte sie fest an sich und sie beide genossen diesen Augenblick des Wiedersehens. „Schön, dass du wieder mit mir redest“, meinte er etwas spöttisch, als sie sich voneinander gelöst hatten. „Wenn du eben so blöd bist“, murmelte Kari und umarmte dann Mimi, die ein wenig blass aussah. Die beiden gingen in Tais altes Zimmer, um ihre Sachen abzustellen, und kamen dann ins Wohnzimmer, wo Kari und ihre Eltern mit einem frisch gebackenen Obstkuchen schon auf sie warteten. Kari fragte sich, ob sie die Bombe gleich platzen lassen wollten, oder planten, es ihren Eltern erst morgen zu sagen. Oder vielleicht sogar erst Sonntag, damit sie sich anschließend schnell aus dem Staub machen konnten. Yuuko hatte jedem eine Tasse Tee gekocht und nun saßen sie gemeinsam hier und tauschten belanglose Neuigkeiten aus. Kari mischte sich nicht weiter in das Gespräch ein, sondern lauschte nur und nippte hin und wieder an ihrem Tee. Plötzlich merkte sie, wie sich die Stimmung veränderte. Tai schien nervös zu werden, wechselte ständig Blicke mit Mimi und rutschte auf seinem Stuhl herum. „Mama, Papa, wir sind eigentlich hier, weil wir euch etwas erzählen müssen“, sagte er schließlich so schnell, dass sich seine Stimme fast überschlug dabei. Für einige Sekunden schwiegen Susumu und Yuuko und sahen sich irritiert an. „Heiratet ihr etwa doch nicht?“, fragte Susumu schließlich. „Doch“, antwortete Tai stirnrunzelnd. „Aber es gibt da noch... ein anderes kleines Problem.“ Susumu schien nicht zu verstehen, worauf Tai hinaus wollte, doch Yuuko hob eine Augenbraue und fasste sich an die Stirn. Sie schien es schon zu wissen. „Wir werden Eltern“, sagte Tai schließlich und sah dabei Mimi an. Als er sich wieder seinen Eltern zuwandte, wirkte er etwas hilflos, als hätte er Angst, sie würden ihn aus dem Haus jagen. „Ich bin im dritten Monat schwanger“, fügte Mimi zur genaueren Erklärung hinzu für den Fall, dass die Yagamis es nicht verstanden haben sollten. Kari fing ihren Blick auf und lächelte aufmunternd, doch Mimi hatte kein Lächeln übrig. Susumu machte große Augen und schien zu überlegen, wie er reagieren sollte, während Yuuko das Gesicht in den Händen vergrub. „Ich hab's geahnt“, nuschelte sie in ihre Hände. „Siehst du? Ich hab's dir ja gleich gesagt“, hörte Kari Mimi flüstern. „Ach, so schlimm ist das doch nicht. Kinder sind doch toll“, sagte Kari in einem Versuch, beide Seiten aufzumuntern. „Tja“, Susumu kratzte sich ratlos am Hinterkopf, „jetzt kann man eh nichts mehr dagegen machen, nicht wahr?“ Er lächelte schief und sah damit Tai unglaublich ähnlich. Yuuko musterte Tai und Mimi eindringlich. „Taichi Yagami, was ist nur los mit dir in letzter Zeit?“ Tai zuckte hilflos mit den Schultern und machte ein betretenes Gesicht. „Es tut uns echt Leid. Da ist was... schief gelaufen“, murmelte Mimi, als Tai keine Anstalten machte, irgendetwas zu sagen. „Ganz offensichtlich“, erwiderte Yuuko sarkastisch. Dann wandte sie sich an Susumu und sah ihn hilflos an. „Irgendeiner von uns hat einen schlechten Einfluss auf die beiden. Und ich habe ganz stark dich im Verdacht.“ „Was? Mich?“, erwiderte Susumu empört. „Ich war doch der Ruhepol in dieser Familie. Du bist diejenige, die immer aufbraust.“ „Eben. Du warst einfach zu locker“, sagte Yuuko entschieden. „Wieso denn wir beide? Kari hat doch gar nichts gemacht“, fragte Tai verwirrt. Offenbar hatten seine Eltern nun selbst ihn von dem eigentlichen Problem abgelenkt. Auch Mimi machte ein irritiertes Gesicht. „Nein, sie hat sich nur komplett betrunken, ist mit einem Typen nach Hause gegangen und hat ihren Eltern kein Wort gesagt“, sagte Yuuko sarkastisch mit einem scharfen Blick auf Kari und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sowas war normalerweise nur Tai zuzutrauen.“ Kari seufzte und stützte den Kopf auf der Hand ab. Wahrscheinlich würde ihre Mutter ihr das noch ewig nachtragen. „Du hast was?“ Vollkommen fassungslos starrte Tai sie an. „Ich hab's dir doch schon erzählt, aber du wolltest mir ja nicht glauben“, antwortete Kari genervt. „Jemand aus meiner Klasse hat eine ziemlich bescheuerte Wette über mich abgeschlossen und so kam eins zum anderen.“ Ihre Mutter schnaubte verächtlich. Tai hingegen sprang auf und warf dabei fast seinen Stuhl um. „Wer ist dieser Pisser? Ich polier' ihm die Fresse!“, rief er und starrte Kari an, die die Stirn runzelte. „Tai! Sie kann dich hören!“, sagte Mimi vorwurfsvoll und hielt sich den Bauch, als könnte sie das Baby damit vor seinen Worten schützen. „Soll er auch, damit er gleich weiß, wie man mit solchen Wichsern umgeht!“, blaffte Tai. „Ruhe! Hier poliert niemand irgendwem irgendwas!“, rief Yuuko dazwischen. „Und das Baby versteht nicht, was hier geredet wird. Keine Angst, Mimi.“ „Er und sie? Werden es Zwillinge?“, fragte Susumu entsetzt und lenkte somit wieder von Shinji ab. Kari warf ihm einen dankbaren Blick zu und auch Mimi schien zufrieden mit dem Themenwechsel. „Nein. Tai denkt nur, es wird ein Junge und ich denke, es wird ein Mädchen“, erklärte Mimi und tätschelte ihren Bauch. Yuuko musterte sie und Tai einige Sekunden lang, dann stand sie auf und nutzte den Aspekt, dass Tai ebenfalls schon stand. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und schloss ihn in die Arme. „Ich habe ja noch gar nicht gratuliert. Also herzlichen Glückwunsch, auch wenn ihr noch ein wenig hättet warten können“, sagte sie und ließ ihn wieder los. Anschließend umarmte sie auch Mimi. Susumu tat es ihr nun gleich und Kari lächelte. Auch sie umarmte ihren Bruder und beglückwünschte ihn. Mit Mimi hatte sie ja schon vor einem Monat darüber gesprochen. Es war schon dunkel, als Tai und Kari nebeneinander auf dem Klettergerüst hockten und in den Himmel starrten. Auf diesem Spielplatz hatten sie als Kinder so viel Zeit verbracht. Kari konnte sich noch genau daran erinnern, wie sehr sich Tai manchmal geärgert hatte, wenn Yuuko ihn mit seiner fünfjährigen Schwester zum Spielen geschickt hatte. Er hatte immer viel lieber mit den anderen Jungs Fußball spielen wollen anstatt mit ihr Sandkuchen zu backen und aufzupassen, dass sie nicht vom Klettergerüst fiel. Jetzt, zwölf Jahre später, kam ihr der ganze Spielplatz auf einmal unheimlich klein vor. „Habt ihr es schon Mimis Eltern erzählt?“, fragte sie in die Stille hinein. „Nein, sonst säße ich jetzt nicht hier“, antwortete Tai trocken. Kari sah ihn verständnislos an. „Naja, dann wärst du schon bei meiner Beerdigung gewesen“, erklärte Tai schulterzuckend, als wäre es völlig selbstverständlich. „Glaubst du, Mimis Vater wird sehr sauer sein?“, fragte Kari, obwohl sie die Antwort schon kannte. „Sauer ist gar kein Ausdruck. Wahrscheinlich wird nichts mehr von mir übrig sein, wenn er mit mir fertig ist“, murmelte Tai. „Vielleicht freut er sich ja auch über einen Enkel“, meinte Kari vorsichtig. „Ja!“, sagte Tai enthusiastisch. „Vielleicht holt uns auch gleich ein pinkes Einhorn ab und fliegt uns nach Hause, dann müssen wir nicht laufen.“ Kari verpasste ihm einen Schubs, sodass er sich festhalten musste, um nicht vom Klettergerüst zu fallen. „Du bist doof.“ „Jetzt erzähl' du mir lieber mal, was dich geritten hat, dich zu betrinken und mit einem Typen nach Hause zu gehen, der dich anscheinend nur flachlegen wollte“, sagte Tai und sah sie ernst an. „Ich... ich wollte einfach nicht mehr für alle so ein unschuldiges, nettes Mädchen sein, sondern zeigen, dass ich auch anders sein kann“, murmelte Kari und wandte den Blick von ihm ab. „Nämlich eine Schlampe?“, hakte Tai nach und hob eine Augenbraue. Kari schnappte nach Luft. Sie konnte nichts erwidern, zu geschockt war sie von seinen Worten. Hatte er sie gerade wirklich als Schlampe bezeichnet? Verletzt drehte sie den Kopf weg, sodass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Bist du wirklich lieber das Mädchen, das sich leicht abfüllen und abschleppen lässt als das, das unschuldig und liebenswert ist?“, fragte er verständnislos. „Kari, jeder mag dich, weil du so bist, wie du nun mal bist. Du bist fürsorglich, hast für jeden ein offenes Ohr, bist hilfsbereit und außerdem noch niedlich. Was ist denn so schlecht daran? Warum willst du lieber die Partyschlampe sein?“ „Will ich ja gar nicht“, nuschelte Kari. Tai stieß ein genervtes Seufzen aus. „Was willst du dann?“ Kari antwortete nicht, sondern sah immer noch angestrengt weg. Versöhnlich legte Tai einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. „Du solltest nicht so viel auf das geben, was andere denken und sagen. Bleib, wie du bist, denn dann mögen dich andere Menschen sowieso am meisten.“ „Es ist mir ja gar nicht wichtig, was andere denken“, murrte Kari und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das halte ich für ein Gerücht“, meinte Tai und ließ sie wieder los. „Ach und wie läuft's eigentlich mit T.K.? Redet ihr endlich wieder miteinander?“ „Ja, wir reden miteinander“, antwortete Kari. „Es läuft ganz gut. Vielleicht freunden wir uns wieder an.“ „Wurde ja auch Zeit. Du warst ja lange genug nachtragend“, kommentierte Tai grinsend. „Ich würde dich ja gern mal in meiner Situation sehen, du Großmaul“, antwortete Kari schnippisch. „Da fällt mir ein, ich habe letztens Matt gesehen. Er war mit seiner Band auf unserem Frühlingsball.“ Tai zog die Augenbrauen hoch. „Achso?“ „Ja. Er hat versucht, mit T.K. zu reden und sie haben sich draußen gestritten“, erklärte Kari. „Hast du gar keine Ahnung, weshalb sie so zerstritten sind?“ „Hm.“ Tai schien zu überlegen, denn er machte sein Denkergesicht. „Nein, wirklich keinen Plan. Wie gesagt, ich habe nicht mehr viel Kontakt zu ihm. Du kannst doch T.K. fragen, wenn ihr jetzt wieder einen auf beste Freunde macht.“ „Erstens machen wir nicht 'einen auf beste Freunde' und zweitens habe ich ihn schon gefragt“, antwortete Kari genervt. „Und er wollte es dir nicht sagen?“, hakte Tai nach. „Nein“, sagte Kari. Tai grinste sie schelmisch an, sodass Kari die Stirn runzelte. „Dann musst du halt mal deinen kaum vorhandenen Charme spielen lassen und ihn ausquetschen. Klimper' ein bisschen mit den Wimpern und benutz' deine Kleine-Mädchen-Stimme, dann redet er von ganz allein.“ „Du bist so bescheuert“, stöhnte Kari und verpasste ihm einen erneuten Schubs. Diesmal konnte er sich nicht mehr festhalten und sprang vom Klettergerüst. „Außerdem interessiert es mich dann auch wieder nicht so sehr, dass ich zu solch albernen Mitteln greifen muss.“ Tai stemmte die Hände in die Hüften und sah zu ihr hoch. „Das glaube ich dir irgendwie nicht.“ „Glaub, was du willst“, antwortete Kari schnippisch und ließ sich seine Hand reichen, sodass sie ebenfalls vom Klettergerüst herunterspringen konnte. „Wenn ich dann erst mal in Russland bin, ist mir das sowieso alles egal.“ „Was willst du denn in Russland?“, fragte Tai argwöhnisch. Langsam setzten sie sich in Bewegung und steuerten den Weg nach Hause an. „Da gehe ich vielleicht nach der Schule hin, um eine professionelle Tänzerin zu werden“, antwortete Kari selbstbewusst und reckte das Kinn. „Achso“, sagte Tai in einem Tonfall, der Kari vermuten ließ, er hatte das schon lange gewusst. „Wenn es weiter nichts ist. Habe ich dir schon erzählt, dass ich morgen nach Barcelona fliege, um Profifußballer zu werden?“ Kari blieb stehen und starrte ihn entgeistert an. „Kannst du mich vielleicht einmal ernst nehmen, Tai? Gott, ich hasse es, dass mich hier jeder nur verarschen will! Ein Grund mehr, abzuhauen!“ Er hob abwehrend die Hände. „Schon gut, komm wieder runter. Ähm... wie kamst du denn auf diese Idee?“ „Meine Trainerin meinte, ich solle mal darüber nachdenken, mich für eine dieser Schulen zu bewerben. Sie denkt, ich hätte das Zeug dazu. Und ich dachte, warum eigentlich nicht?“, antwortete Kari und ging weiter. Tai erwiderte eine Weile nichts, bis sie schließlich zu Hause ankamen. „Jetzt hat uns doch kein pinkes Einhorn nach Hause geflogen“, stellte er nüchtern fest und schloss die Wohnungstür auf. „Vielleicht nächstes Mal“, meinte Kari. Sie wollte direkt in ihr Zimmer weitergehen, doch er hielt sie noch einmal auf. „Kari?“ Schon die Hand auf die Türklinke legend drehte sie sich noch einmal um. „Du machst schon das Richtige.“ Er lächelte flüchtig und ging dann in sein Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)