Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 27: Freunde küsst man nicht ----------------------------------- Es fühlte sich fast an, als hätte Kari in Davis einen Leidensgenossen gefunden. Seit einem Monat waren Nana und Ken nun schon zusammen und hatten Davis und Kari fast schon abgeschrieben. Für Kari war das nicht so schlimm, sie konnte Nana sogar ein wenig verstehen. Sie war eben total verknallt und es war ja nicht so, als hätte sie gar keine Zeit mehr für Kari. Aber Davis hatte es ein wenig schwerer. Schon den ganzen Abend hockten sie zu zweit auf Davis' Bett, sahen sich Horrorfilme an und tranken viel zu süßen Fruchtwein, der ihnen allmählich zu Kopf stieg. „Mann, wie kann man so dämlich sein“, regte Davis sich auf und machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung des Fernsehbildschirms. „Haben die noch nie Horrorfilme geguckt? Die wissen doch: Wer allein irgendwo nachsehen geht, stirbt.“ „Ich versteh's auch nicht“, meinte Kari kopfschüttelnd und nippte an ihrem Weinglas. „Eigentlich haben sie es gar nicht verdient, den Film zu überleben.“ „Das finde ich auch“, stimmte Davis ihr zu und hielt ihr sein Glas entgegen. Sie stießen klirrend an und tranken noch einen Schluck. Wenig mitleidvoll beobachteten sie, wie eine junge Frau brutal von einem vermummten Mann mit einer Sense abgeschlachtet wurde. Schauerliche Musik, viel Geschrei und massenhaft dunkelrotes Kunstblut sollten den Gruseleffekt noch verstärken, aber Kari konnte diesen Film einfach nicht ernst nehmen. „Ob Ken und Nana wohl auch gerade Horrorfilme schauen?“, fragte Davis sarkastisch. Kari biss sich auf die Unterlippe. Ja, Ken und Nana hatten jetzt gerade ein Date. Und was für eines. Als Nana Kari davon erzählt hatte, war sie sich sicher gewesen, dass sie heute ihr erstes Mal erleben würde. Sie hatten sich nämlich für einen DVD-Abend verabredet, aber mit einem sehr seltsamen Unterton, wie Nana berichtet hatte. Deshalb hatte sie Kari in der Schule gestern mit ihrer Aufregung total verrückt gemacht und den ganzen Tag von nichts Anderem geredet. Aber das alles sagte Kari Davis natürlich nicht. „Keine Ahnung. Vielleicht“, antwortete sie ausweichend. „Ich habe übrigens letzte Woche meine Bewerbungen abgeschickt“, fügte sie hinzu, um möglichst schnell das Thema zu wechseln. „Oh, achso? Und wohin?“, fragte Davis überrascht. „Nach New York, Moskau, Paris und London“, antwortete Kari. Davis hob die Augenbrauen und nickte anerkennend. „Das ist ziemlich cool.“ „Ja, mal sehen. Wenn ich in Frage komme, kommen kurz nach den Sommerferien die Talentscouts in die Schule“, erklärte Kari und ihre Gedanken wanderten wieder zu einem eventuellen Auftritt, den sie hinlegen konnte. Und bei dem alles schief ging, was nur schief gehen konnte. „Ich drücke dir die Daumen, dass du in Frage kommst“, meinte Davis und sah sie ernst an. „Ich glaube, du schaffst das. Du bist so gut.“ „Ach was, so gut bin ich nicht“, murmelte Kari verlegen und fuhr sich durch die Haare. „Na klar. Und wenn sie in die Schule kommen, werde ich auf jeden Fall zugucken und dich anfeuern“, versprach er grinsend. „Das ist schön. Da habe ich ja wenigstens einen“, kicherte Kari und stellte sich vor, wie sie Davis' Geschrei aus dem Zuschauerraum heraushörte. „Nicht nur einen. T.K. kommt doch garantiert auch“, meinte Davis und zuckte schelmisch mit den Augenbrauen. „Ach, hör doch auf“, murmelte sie und stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite. „Was denn? Ist doch wahr. Man sieht euch auffällig oft zusammen in letzter Zeit“, entgegnete Davis und sah sie vielsagend an. „Das könnte daran liegen, dass wir nebeneinander sitzen, du Blitzbirne“, antwortete Kari und verdrehte die Augen. „Oder es liegt daran, dass er auf dich steht“, meinte Davis überzeugt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Oh Mann, doch nicht die Nächste!“ Er hatte sich wieder dem Fernseher zugewandt, wo nun eine andere junge Frau nach ihrer bereits toten Freundin suchte. Unterdessen war Kari rot angelaufen. „Jetzt erzähl doch keine Mist. Er steht nicht auf mich. Ich glaube, er steht eher auf Aya.“ „Aya?“ Davis warf ihr einen schiefen Blick zu. „Kein Typ, der noch ganz sauber ist, steht auf Aya. Echt, Kari. Die ist zwar hübsch, aber so dermaßen falsch und außerdem schickimicki. Glaub mir, das kann kein Kerl ernst nehmen.“ „Ach nein? Das sieht mir aber ganz anders aus“, erwiderte Kari und ignorierte das Geschrei der Frau im Film, die gerade ihre aufgeschlitzte Freundin entdeckt hatte. „Naja, es gibt sicher ein paar, die sie gern flachlegen würden, aber niemand würde eine Beziehung mit ihr wollen. Auch nicht T.K.“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Na schön, dann will er sie halt nicht. Aber da gibt es trotzdem noch diese Isabelle“, erwiderte Kari eine Spur zu heftig. Davis sah sie verwirrt an. „Was denn für eine Isabelle?“ „Ach, so eine, die ihm Herzchen bei Facebook schreibt und mit ihm auf ein paar Fotos drauf ist“, antwortete Kari abwinkend. Für einige Sekunden sah Davis sie nur sprachlos an. Dann fragte er: „Sag mal, stalkst du ihn?“ Verblüfft erwiderte Kari seinen Blick. „Was? Nein! Ich habe nur seine Fotos auf Facebook angeschaut. Das kann man ja wohl kaum als Stalken bezeichnen.“ Davis lachte, die Frau im Film weinte. „Wie du meinst“, meinte er schließlich schulterzuckend. „Ich glaube trotzdem, dass er auf dich steht.“ Kari seufzte und widersprach ihm nicht mehr. Zumindest nicht laut. Es hatte ja doch keinen Sinn. Doch sie wusste, dass T.K. definitiv nicht auf sie stand. Sie hatte ja auch nichts weiter zu bieten. Ein dünnes, unauffälliges, schüchternes Mädchen war sie. Und er? Er war das genaue Gegenteil. Deshalb passte er eigentlich perfekt zu Aya. „Glaubst du, das mit Ken und Nana ist was Ernstes?“, fragte Davis nach einer Weile. Kari sah ihn an und bemerkte, dass er deprimiert aussah. „Soll ich ehrlich sein?“ „Ja.“ „Kann schon sein.“ Er kaute auf seiner Unterlippe herum und starrte zum Fernseher. Kari war sich aber nicht sicher, ob er überhaupt etwas von dem mitbekam, was da passierte. „Vielleicht... ist das ja nur eine kurze Phase von dir“, meinte sie schulterzuckend. „Fängst du schon wieder damit an?“, stöhnte er genervt. „Nein, nein, ich meine, manchmal passiert sowas doch. Dass man sich einfach in jemanden verknallt und irgendwann geht das wieder weg. Weißt du noch, als ich vor zwei Jahren in diesen Kuro verknallt war? Das hat auch irgendwann einfach wieder aufgehört“, erklärte Kari schnell und hob abwehrend die Hände. „Der Typ war ja auch seltsam“, meinte Davis trocken. „Ken ist auch manchmal seltsam“, erwiderte Kari trotzig. „Ist er nicht“, murrte Davis. „Das willst du bloß nicht sehen, weil du so verliebt bist“, sagte Kari bestimmt. „Hast du eigentlich überhaupt schon mal ein Mädchen geküsst?“ „Nein.“ „Siehst du? Woher willst du dann wissen, dass du keine Mädchen magst? Vielleicht geht es dir dann ganz anders.“ Er seufzte, stellte sein Weinglas weg und drehte sich zu ihr. „Dann versuch's doch. Küss mich und dann kann ich dir sagen, dass das nichts für mich ist.“ „Ich soll dich küssen?“, fragte Kari entgeistert. „Warum nicht? Du hast angefangen damit. Und immerhin war ich in der fünften Klasse total verschossen in dich. Wenn ich also wirklich insgeheim doch auf Mädchen stehe, bei wem soll ich es dann merken, wenn nicht bei dir?“ Er sah sie auffordernd an. Kari öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie war sprachlos. Sie sollte ihn küssen? Einfach so? Aber sie waren doch so gut befreundet. „Jetzt guck nicht so, sondern mach endlich“, forderte Davis genervt. „Wir wollten uns doch noch 'Halloween' reinziehen.“ „Na gut, auf deine Verantwortung“, gab Kari schließlich nach. Sie drehte sich, sodass sie nun vor ihm kniete, beugte sich vor und legte ihre Lippen auf seine. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Ahnung, wie man richtig küsste. Sie tat einfach intuitiv das, von dem sie dachte, das müsste sie tun, wenn sie jemanden küsste. Nach ein paar Sekunden war alles schon wieder vorbei. Unsicher sah sie Davis an. „Und?“ Er runzelte die Stirn und schien zu überlegen. „Nichts. Ich habe nichts gemerkt. Hat sich irgendwie falsch angefühlt.“ „Ja, war komisch“, stimmte Kari zu. „Und du kannst nicht küssen“, fügte Davis hinzu. „Was?“, rief Kari empört. „Na hör mal! Vielleicht kannst du ja auch nicht küssen. Immerhin gehören immer zwei dazu.“ Er lachte und wandte sich wieder dem Fernseher zu. „War doch nur ein Witz.“ Auch Kari setzte sich nun wieder so hin, dass sie sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnen konnte. „Ich glaube, ich kann wirklich nicht küssen.“ „T.K. kann es dir ja beibringen.“ „Boah, Davis!“ Sie verpasste ihm einen Schlag mit dem Kissen. Der Film ging zu Ende und Davis legte Halloween ein. Der Anfang war recht einschläfernd und langatmig, weshalb Kari mit ihren Gedanken schnell abdriftete und sich nicht mehr auf den Film konzentrierte. Zögerlich wandte sie sich an Davis. „Sag mal, wie lang soll das jetzt eigentlich mit euch so gehen? Mit dir und Ken, meine ich“, fragte sie. „Ich weiß nicht. Bis wir mit der Schule fertig sind?“ Kari seufzte. „Sag ihm doch einfach, was los ist. Ich bin sicher, er versteht das und ihr findet irgendeinen Weg.“ „Was soll es denn deiner Meinung nach für einen Weg geben? Wie sollen wir da beide heil herauskommen? Wenn ich ihm das jetzt sage und er mich nicht komisch findet, dann wird er Nana trotzdem nicht wegen mir verlassen.“ „Da wäre ich mir gar nicht mal so sicher.“ Verständnislos sah Davis sie an. „Naja, ich meine, du bist sein bester Freund. Schon seit einigen Jahren. Ich könnte mir vorstellen, dass es ihm wichtiger ist, mit dir befreundet als mit Nana zusammen zu sein“, erklärte Kari sachlich. Davis ließ resigniert den Kopf hängen. „Ich möchte aber nicht sein Glück für meins zerstören. Und wie soll das außerdem weitergehen? Er kann ja schlecht wegen mir für den Rest seines Lebens Single bleiben.“ „Du solltest trotzdem mit ihm reden“, beharrte Kari. „Das ist einfach eine wichtige Sache, die du ihm nicht verschweigen solltest. Er ist ganz schön deprimiert, weil du ihm aus dem Weg gehst.“ „Wenn das mal alles so einfach wäre“, murmelte Davis und nippte an seinem Wein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)