Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 5: Menschen ändern sich ------------------------------- „Kari? Hey, Kari!“ „Was?“ Erschrocken fuhr Kari hoch. Yuuko stand vor ihrem Bett und hatte sie behutsam wachgerüttelt. „Ich dachte nur, ich wecke dich lieber, falls du dich noch umziehen willst, oder so. Natsuko und T.K. kommen in einer Stunde.“ Kari riss die Augen auf und wandte den Blick auf den Wecker auf ihrem Nachttisch. Kurz nach sechs. Sie hatte allen Ernstes über vier Stunden geschlafen. Dabei kam es ihr so vor, als hätte sie eben erst die Augen geschlossen. „Oh, ich... äh...“, stammelte Kari und rieb sich die Schläfe. „Geht's dir nicht gut?“ Yuuko sah sie besorgt an. „Doch, aber...“ Mist. Jetzt konnte sie sich doch nicht mehr verkrümeln und behaupten, sie hätte das gemeinsame Abendessen vergessen. Ihrer Mutter die Wahrheit sagen wollte sie erst recht nicht. Dann hätte sie nur noch einmal alles erzählen müssen. „Schon gut. Ich helfe dir beim Kochen.“ „Prima. Vielleicht muss ich mich dann ja nicht mit meinem Essen blamieren.“ Yuuko grinste und sie gingen gemeinsam in die Küche, wo schon alles zum Kochen vorbereitet war. Kari machte sich daran, Gemüse zu schneiden und dachte währenddessen bang an den herannahenden Besuch. Dabei keimte plötzlich eine Frage in ihr auf, die sie sich noch nie gestellt hatte in den letzten fünf Jahren. „Sag mal, Mama...“, fing sie zögerlich an. „Hm?“, machte Yuuko, als Kari nicht weitersprach. „Hast du damals eigentlich gewusst, dass T.K. und seine Mutter nach Frankreich ziehen?“ Yuuko warf Kari einen Seitenblick zu. „Naja, ich habe es erst kurz vorher erfahren“, antwortete sie langsam. „Sie hatte mir zwar von Jean erzählt und dass sie überlegt, zu ihm zu ziehen, aber dass sie es wirklich tut, hat sie mir erst wenige Tage vorher erzählt.“ „Jean?“, fragte Kari verwundert. Diesen Namen hörte sie zum ersten Mal. „Ja“, sagte Yuuko und sah sie fragend an. „Hat T.K. dir denn nicht von ihm erzählt?“ „Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte Kari zögernd. „Das war ihr Freund. Wegen ihm ist sie nach Frankreich gegangen“, erklärte Yuuko. „Und jetzt... sind sie nicht mehr zusammen?“ „Nein“, antwortete Yuuko und sah Kari verblüfft an. „Sag mal, worüber haben T.K. und du all die Jahre geredet? Hat er dir das nie erzählt?“ „Nein.“ Nicht mal den Grund für sein Weggehen hatte T.K. ihr also vor fünf Jahren verraten. Das konnte Kari kaum glauben. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Habt ihr denn überhaupt mal miteinander geredet, seit er wieder hier ist?“, fragte Yuuko. „Anscheinend habt ihr ja einiges nachzuholen. Naja, damit könnt ihr heute Abend ja anfangen. Ihr verkrümelt euch ja bestimmt eh nach dem Essen, weil euch das Gequatsche eurer alten Mütter langweilt.“ Sie zwinkerte ihr fröhlich zu und schien Karis Verblüffung nur darauf zu schieben, dass sie nichts von Natsukos Freund wusste. „Warst du eigentlich sauer auf sie, dass sie dir nicht eher gesagt hat, dass sie wegzieht?“, fragte Kari nach einer Weile. Wieder warf Yuuko ihr einen verwunderten Blick zu. „Am Anfang vielleicht ein bisschen. Zumindest finde ich, sie hätte es mir eher sagen können. Aber sie ist doch meine Freundin und wir konnten ja Kontakt halten“, antwortete sie unbekümmert. „Sie wird schon ihre Gründe gehabt haben, warum sie es nicht früher erzählt hat.“ Kari stimmte diese Antwort nachdenklich. Ihrer Mutter war es also ähnlich ergangen und doch hatte sie eine völlig andere Art, mit dieser Situation umzugehen als Kari selbst. Sie freute sich einfach, dass Natsuko wieder da war und verschwendete keinen Gedanken an die Vergangenheit. Die Freundschaft war für sie wie immer, es gab keine Unterschiede, wohingegen es für Kari kein Zurück mehr gab und sie alles als zerstört betrachtete. „Kari, deckst du schon mal den Tisch, bitte?“ „Klar“, sagte Kari. Während sie Teller und Besteck auf dem Esstisch verteilte, tauchte auch Susumu Yagami auf. Er wirkte müde. Im Vorbeigehen drückte er Kari einen Kuss auf die Stirn und blieb bei Yuuko stehen. „Alles in Ordnung?“, fragte diese und sah ihren Mann besorgt an. „Ja, war nur ein bisschen stressig heute“, seufzte Susumu. „Gut, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast. Natsuko und T.K. müssten auch jeden Moment kommen“, antwortete Yuuko nun wieder gut gelaunt. Kari musste ein Seufzen unterdrücken. Nun war es definitiv zu spät, noch die Biege zu machen. Diesen Abend würde sie jetzt durchstehen müssen, aber sie musste ja nur zum Essen bleiben. In dieser Zeit brauchte sie ja nicht mit ihm zu reden. Und hinterher konnte sie einfach behaupten, sie hätte noch mit der Schule zu tun und sich in ihr Zimmer verdrücken. In diesem Augenblick ertönte die Türklingel. „Machst du bitte auf, Kari?“, rief ihre Mutter ihr zu, die gerade in einer Pfanne rührte, die den Duft nach Angebranntem verströmte. Widerwillig ging Kari zur Tür und legte die Hand auf die Klinke, doch bevor sie sie öffnete, setzte sie ein möglichst ungezwungenes Lächeln auf. „Hallo“, begrüßte sie T.K. und seine Mutter. Dabei fiel ihr als Erstes auf, dass T.K. seine Mutter mittlerweile ein ganzes Stück überragte, doch sie achtete darauf, ihm nicht in die Augen zu schauen. „Hallo, Kari“, sagte Natsuko fröhlich und lächelte breit. „Kommt rein.“ Kari trat einen Schritt zur Seite und hielt die Tür auf. Die beiden Gäste gingen an ihr vorbei in die Wohnung und Kari nahm T.K.s Duft wahr. Sie hatte keine Ahnung, was genau so an ihm roch. Ein Deo? Ein Parfüm? Das Waschmittel? Seine Haut? Zumindest musste sie zugeben, dass der Geruch mehr als angenehm war. Unschlüssig blieb sie stehen und schloss die Tür. Yuuko begrüßte die beiden überschwänglich und fing sofort an, mit Natsuko zu plaudern. Über das Wetter, die Geschehnisse des heutigen Tages, die Arbeit. Susumu kümmerte sich darum, dass alle ein Glas Wasser bekamen. Und Kari stand immer noch verloren an der Eingangstür. Langsam, um nicht aufzufallen, schritt sie hinüber zum Esstisch und setzte sich auf den freien Platz neben T.K. „Hach, ich freue mich auf echtes japanisches Essen“, sagte Natsuko gerade. „Alle sagen immer, das Essen in Frankreich ist so gut, aber das kann ich nicht bestätigen.“ Kari konnte sich nicht vorstellen, dass das französische Essen schlechter war als das ihrer Mutter, aber sie verkniff sich einen Kommentar. „Wirklich? Also ich hätte Lust, das französische Essen mal kennen zu lernen“, meinte Yuuko und stellte die Pfanne, die immer noch unangenehmen Geruch verbreitete, auf dem Tisch ab. „Das kannst du gerne haben. Ich lade euch gern das nächste Mal ein und koche französisch“, erwiderte Natsuko zwinkernd. „Au ja, das klingt super. Für Susumu ist das nichts, oder? Aber Kari gefällt's bestimmt“, sagte Yuuko, während sie Essen auf die fünf Teller verteilte. Susumu schüttelte den Kopf und Kari zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern. „Mensch, Kari, du bist so still“, stellte Natsuko fest und musterte sie. „Ich... ähm... hab nur nichts zu erzählen“, stammelte Kari und begann schnell zu essen. Nach den ersten paar Bissen konnte sie nicht anders, als das Gesicht zu verziehen. Röstaroma war gar kein Ausdruck mehr für den Geschmack des Essens und versalzen war es auch noch. Unauffällig ließ Kari den Blick über die anderen am Esstisch wandern. Ihr Vater ließ sich schon lange nichts mehr anmerken und aß, als wäre es ein ganz normales Essen. War es ja irgendwie auch für die Verhältnisse ihrer Mutter. Natsuko allerdings aß recht langsam und und auch T.K. schlang nicht gerade. „Ich glaube, ein bisschen weniger Salz hätte es auch getan, oder?“, meinte Yuuko und lächelte entschuldigend in die Runde. Kari musste plötzlich kichern, sodass alle anderen sie ansahen. „Entschuldige, aber du sagst es so, als würde es sonst immer schmecken.“ Sie kicherte weiter, während Yuuko sie nur verstört ansah und schließlich seufzte. Nun grinste auch Natsuko. „Ach Yuuko, mach dir nichts draus.“ „Der Hunger treibt's rein“, murmelte Susumu und Kari prustete wieder los. Natsuko war anzusehen, dass sie sich ein Lachen verkniff. Wie T.K.s Gesicht aussah, konnte Kari nicht sehen, da sie noch immer vermied, ihn anzuschauen. Insofern war es gut, das er neben ihr saß. „Ihr seid mir schöne Gäste, alle miteinander“, nuschelte Yuuko, doch wie Kari sie kannte, war sie nicht ernsthaft gekränkt. „Sei nicht traurig. T.K. hat mich, als wir neu in Frankreich waren, auch ständig mit Matt verglichen und ich musste mir anhören, dass Matt dieses und jenes besser kocht als ich, stimmt's?“ Natsuko zwinkerte T.K. zu, der nur unschuldig nickte. „Man gewöhnt sich eben an alles“, sagte er scherzhaft. „Selbst an das schlechte Essen der eigenen Mutter, was?“ Sie gab ihm einen Klaps gegen die Schulter. Yuuko kicherte und aß ihren Teller leer. Dann wandte sie sich wieder an Natsuko. „Wie geht’s Matt denn eigentlich?“ „Gut“, antwortete diese. „Er ist gerade von seiner Tour durch Europa zurück.“ „Europa.“ Susumu pfiff anerkennend. „Ja. Seit letztem Jahr ist er nur noch unterwegs.“ Ihr Blick wurde wehmütig. Yuuko beobachtete sie einige Sekunden, dann stand sie auf und begann, den Tisch abzuräumen. „Kari, ihr beiden wollt doch bestimmt nicht hören, was eure Mütter so Langweiliges zu bereden haben. Geht doch in dein Zimmer“, sagte sie. „Das ist eine prima Idee. Ich werde mich auch verziehen. Die Kollegen treffen sich alle noch in einer Bar“, erklärte Susumu. „Jaja, das ist okay. Geht nur alle, dann können wir hier in Ruhe unsere Frauengespräche führen“, meinte Yuuko und wedelte mit den Händen. Susumu gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er seine Schuhe anzog, seine Jacke schnappte und aus der Wohnung verschwand. „Na los, ergreift schon die Flucht“, sagte Yuuko nun zu Kari und T.K. und nickte mit dem Kopf in Richtung Karis Zimmer. „Mama, das ist wirklich nicht nötig, ich...“ „Ach, keine Widerrede.“ Sie lächelte und nahm Kari den Teller aus der Hand, den sie gerade zum Geschirrspüler hatte bringen wollen. Oh nein. Was sollte sie denn jetzt machen? Sie wollte nicht mit T.K. in ihr Zimmer gehen. Tatsächlich fielen ihr im Augenblick nur sehr wenige Dinge ein, die sie noch weniger gern tun würde. Langsam wandte sie sich um und ging voraus in ihr Zimmer. Sie hörte, wie T.K. ihr folgte. Lustlos stieß sie die Tür auf, ging hinein und ließ sich auf ihrem Schreibtischstuhl fallen. T.K. schloss leise die Zimmertür, blieb mitten im Zimmer stehen und sah sich um. „Hat sich ganz schön verändert, seit ich das letzte Mal hier war“, stellte er nüchtern fest. Kari zog die Augenbrauen hoch. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie befanden sich allein in ihrem Zimmer und er tat so, als wäre nie etwas gewesen. Er betrachtete die Fotocollagen, die an der Wand hingen und die Kari in stundenlanger Arbeit liebevoll gebastelt hatte. „Wie geht’s Tai so? Er studiert doch jetzt schon im fünften Semester, oder?“, fragte T.K. und drehte sich zu ihr um. „Gut“, antwortete Kari monoton. Hatte sie bisher geglaubt, die Funkstille zwischen ihr und T.K. wäre am schlimmste, musste sie dies nun revidieren. Dieses gezwungen belanglose, völlig unpersönliche Plaudern war noch schlimmer, zumindest mit dem Hintergedanken, dass sie einmal beste Freunde waren. Am liebsten würde sie ihn sofort bitten, zu gehen, um allein für sich zu sein. T.K. wandte sich wieder um und betrachtete weiter ihr Zimmer, bis er bei ihrem Bett ankam und sich darauf niederließ. Er sah ihr direkt in die Augen, bis sie den Blick abwandte, doch sie wusste nicht, wo sie hinschauen und womit sie sich beschäftigen sollte. „Geht's dir wieder besser?“, fragte er nach einer Weile. „Im Vergleich zu wann?“, rutschte es aus Kari heraus. „Heute Mittag“, antwortete T.K. trocken. Wieder sahen sie sich in die Augen, bis Kari wieder diejenige war, die den Blick abwandte. Mit zitternden Händen ordnete sie einen Stapel Papier auf ihrem Schreibtisch und hörte, dass T.K. sich vom Bett erhob. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er sich neben ihr aufbaute und auf sie herabsah. „Vielleicht sollten wir jetzt mal reden“, sagte er langsam. „Es gibt nichts zu reden“, erwiderte Kari knapp. „Dann würdest du mich nicht ignorieren“, entgegnete er. „Mein Gott!“, rief Kari und sprang auf. „Was willst du denn jetzt genau bereden? Glaubst du, wir setzen uns jetzt fünf Minuten zusammen, plaudern über die letzten fünf Jahre und dann ist alles vergeben und vergessen?“ „Kari...“ „Nix Kari! Du sagst mir, deiner angeblich besten Freundin, einen Tag vorher Bescheid, bevor du für immer aus meinem Leben verschwindest! Oder zumindest glaubte ich, es war für immer. Und dann tauchst du auf, ohne, dass ich davon irgendwas weiß und denkst, nach einem Gespräch, das uns mehr oder weniger aufgezwungen wird, ist alles wieder in Ordnung?“ Sie schnappte nach Luft. Tränen brannten in ihren Augen. T.K. stand nur da und sah sie fest an. „Und weißt du was? Vorhin habe ich durch meine Mutter den Grund erfahren, weshalb ihr nach Frankreich gezogen seid. Nicht mal das konntest du mir sagen.“ Sie ließ sich zurück auf ihren Stuhl sinken und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Verzweifelt versuchte sie, die Tränen zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Ihre Handflächen waren bereits nass. T.K. ging vor ihr in die Hocke. „Du hast die Briefe also nicht gelesen?“, fragte er leise. „Du bist für mich vor fünf Jahren gestorben, Takeru“, antwortete sie erstickt. T.K. nickte, stand auf und ging zur Tür. „Du hast dich verändert, Hikari“, sagte er noch und verließ dann das Zimmer. Verdutzt und mit nassen Augen starrte Kari auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. Was meinte er denn damit auf einmal? Natürlich verändert sich ein Mensch innerhalb von fünf Jahren. Wieso überraschte ihn das? Eine Weile saß Kari einfach nur da, ohne sich zu bewegen und versuchte, das soeben stattgefundene Gespräch zu verarbeiten. Anscheinend war irgendeine Sicherung in ihr durchgebrannt, anders konnte sie sich ihren Ausbruch nicht erklären. Sie bereute es, ihm das alles gesagt zu haben. Am liebsten hätte sie gar nicht mit ihm geredet und ihn einfach ein Jahr lang ignoriert, doch ihre Mütter hatten ja die prima Idee, ein gemeinsames Essen zu veranstalten. Und anscheinend sollten noch weitere folgen. Es klopfte an der Tür und fast im selben Moment wurde sie geöffnet und der Kopf ihrer Mutter erschien im Türrahmen. Ihr Blick wechselte von neugierig zu entsetzt zu besorgt. „Mein Gott, Kari, was ist denn los?“ Sie kam auf sie zu und ging vor ihr in die Hocke, wie es auch wenige Minuten vor ihr T.K. getan hatte. Kari antwortete nicht, sondern wischte sich nur mit den Händen über die feuchten Wangen. Natsuko erschien nun im Türrahmen und auch ihr Blick wechselte von neugierig zu erschrocken. „Was hat er gemacht? Der kann sich warm anziehen!“, rief sie drohend und stemmte die Hände in die Hüften. „Was ist los?“, fragte Yuuko noch einmal, ohne den Blick von Kari abzuwenden. „Mama, wir... ich...“ Was sollte sie jetzt sagen? Wenn sie ihnen die wirkliche Geschichte erzählte, würde Natsuko vermutlich nach Hause stürmen und T.K. zur Schnecke machen. Das wollte sie nicht, sie konnte sich selbst verteidigen. „Habt ihr euch gestritten?“, fragte Yuuko, eine Augenbraue in die Höhe gezogen. „Ja... ja! Es war meine Schuld. Ich hab überreagiert und ihn beleidigt und dann... ist er gegangen“, log Kari schnell. „Oh“, machte Natsuko und ließ die Arme sinken. „Du und überreagieren?“ Ungläubig schüttelte Yuuko den Kopf. „Ja, ist halt so... aus mir herausgerutscht. War dumm. Gleich morgen entschuldige ich mich bei ihm. Macht euch keinen Kopf, ja?“ Ratlos sahen die beiden Frauen sich an. „Na gut, wenn du meinst“, sagte Yuuko unschlüssig. „Aber sag mir Bescheid, wenn du doch mal jemanden brauchst, der ihm das Leben zur Hölle macht“, sagte Natsuko noch und zwinkerte ihr zu. Kari lächelte zurück und die beiden Frauen verließen das Zimmer. Sofort schnappte Kari sich ihr Handy und ließ sich aufs Bett fallen. Hastig suchte sie Tais Nummer heraus und drückte auf den grünen Knopf. „Ja?“, meldete sich die müde Stimme ihres Bruders. Im Hintergrund war alles still. „Nanu, bist du gar nicht unterwegs? Es ist Freitag Abend“, sagte Kari verwundert. „Nee, kein Bock auf nichts. Stress mit Mimi“, nuschelte er. „Ist sie etwa immer noch sauer?“ „Frag nicht.“ Er stöhnte genervt. „Was gibt’s bei dir?“ „T.K. und seine Mutter waren bis eben hier zum Abendessen. Ich war mit T.K. allein in meinem Zimmer“, erklärte Kari kurz. „Oh“, machte Tai. „Du klingt nicht gerade glücklich. Hast du geheult?“ „Ja. Ich hab ihn angeschrien. Er meinte, wir sollten mal reden und da bin ich sauer geworden.“ „Warum?“ Er klang verdutzt. „Na weil er dachte, wir könnten jetzt mal eben schnell alles klären und dann ist's wieder gut.“ „Das dachte er bestimmt nicht.“ „Jedenfalls hab ich ihn fast schon angeschrien. Alles ist wieder hochgekommen.“ Tai schwieg einige Sekunden. Dann sagte er nüchtern: „Kari, ihr solltet euch einfach mal in Ruhe aussprechen.“ „Was soll das bringen?“, fragte sie aufgebracht. „Es macht nicht rückgängig, dass er vor fünf Jahren einfach abgehauen ist.“ „Aber Reden macht es auch nicht schlimmer“, antwortete er bestimmt. „Gib ihm doch mal 'ne Chance. Ist er dir das nicht wert als dein ehemals bester Freund?“ „Sag mal, verstehst du mich denn gar nicht? ER hat MICH sitzenlassen, nicht umgedreht.“ „Aber das ist fünf Jahre her. Meinst du nicht, er bereut es vielleicht? Menschen ändern sich.“ Ja, das hatte sie heute auch schon festgestellt. Menschen ändern sich. Nun verstand sie nicht mal mehr ihr eigener Bruder. „Weißt du was, Tai? Vergiss es einfach.“ Ohne ein Abschiedswort legte sie auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)