Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 21: Der vierte Brief ---------------------------- Mit einer Tasse Tee hatte Kari sich in ihr Zimmer verzogen und kramte nun in der untersten Schreibtischschublade nach den Briefen. Da sie sich heute recht gut mit T.K. verstanden hatte, hatte sie kurzerhand beschlossen, einen weiteren Brief zu lesen. Drei waren schon offen, übrig blieben noch zwei. Sie nahm den in die Hand, den sie an ihrem sechzehnten Geburtstag erhalten hatte. Erneut wunderte sie sich darüber, dass T.K. so hartnäckig geblieben war und ihr immer weiter Briefe geschrieben hatte, obwohl ihre Antworten ausgeblieben waren. Vorsichtig öffnete sie den Umschlag und nahm zwei Bögen Papier heraus. Hallo Kari, alles Liebe zu deinem 16. Geburtstag! Ich wünsche dir viele Geschenke, Spaß in der Schule und eine tolle Party. Jetzt hast du die Sweet Sixteen erreicht. Sagt man doch so, oder? Ich hoffe, du machst in den kommenden Monaten ein paar Sachen, die man mit sechzehn angeblich so macht: erster Alkoholabsturz, erstes Mal, rauchen, kiffen, klauen, küssen, von zu Hause abhauen... Drei Dinge davon hab ich auch schon gemacht, seit ich 16 bin. Du kannst selber raten, welche. Vielleicht kennst du mich ja noch gut genug, um sie herauszukriegen. Ich hoffe, es geht dir in Tokio gut und dein Leben ist schön. Meins hier ist ganz okay. Zur Zeit ist ziemlich viel los. Seit letztem Schuljahr bin ich auf dem Lycée und in diesem Jahr habe ich mich für den literarischen Zweig entschieden. Das heißt, ich musste im Sommer schon wissen, was ich ungefähr später mal machen möchte, um nächstes Jahr das Bac im richtigen Zweig zu machen. Hier schließt man die Schule nämlich mit Prüfungen ab, muss dafür aber keine Aufnahmeprüfungen an Unis ablegen, weißt du? Ist alles ein bisschen anders als in Japan. Jedenfalls glaube ich, dass ich mal Schriftsteller werden oder für eine Zeitung arbeiten will. Hoffentlich bekomme ich im Bac gute Noten. Weißt du schon, was du nach der Schule machen willst? Möchtest du immer noch Kindergärtnerin werden? Vielleicht könnte ich dann irgendwann in hundert Jahren meine Kinder zu dir in den Kindergarten schicken. Das wäre doch irgendwie witzig. Also, ich hoffe, es geht dir gut und du feierst ein bisschen. Natürlich habe ich dir auch wieder ein klitzekleines Geschenk mitgeschickt. Liebe Grüße T.K. Kari faltete die Bögen fein säuberlich wieder zusammen und steckte sie zurück in den Umschlag. Stattdessen holte sie nun T.K.s Geschenk heraus. Es handelte sich um ein Foto und ein paar der Schokoladenbonbons, die sie immer so mochte. Das Foto war ziemlich alt und zeigte sie und T.K. im Alter von sechs oder sieben Jahren. Sie grinsten beide in die Kamera und entblößten dabei stolz einige Zahnlücken. Zu dieser Zeit war Kari noch größer als T.K. gewesen, doch irgendwann in der fünften oder sechsten Klasse hatte er sie überholt und heute überragte er sie um einen Kopf. Gut, dass Menschen auch irgendwann aufhörten zu wachsen. Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Das Display verriet ihr, dass es Tai war, der anrief. „Hey Tai“, sagte sie, als sie dranging. „Hi Kari“, erwiderte er und klang ein wenig erschöpft. „Wie geht’s dir?“ „Gut“, antwortete Kari ausweichend. Sie konnte Tai unmöglich von dem ganzen Desaster des letzten Wochenendes erzählen. Vermutlich würde er Shinji umbringen und Matt und T.K. gleich dazu, weil sie sie nicht aufgehalten hatten. Vielleicht konnte sie ihm diese Geschichte irgendwann einmal erzählen, wenn Gras darüber gewachsen war, doch jetzt nicht. „Und dir?“ „Es geht drunter und drüber“, seufzte er. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich werde Vater und außerdem werde ich im September heiraten.“ „Oh!“, rief Kari. „Also hat Mimis Vater der Hochzeit nun doch zugestimmt?“ „Ja, gestern haben wir uns mit ihren Eltern getroffen und dann hat er uns gesagt, dass wir seinen Segen haben“, antwortete Tai. „Wie schön. Dann kommen ja hoffentlich bald Einladungen ins Haus geflattert“, sagte Kari grinsend. „Und ich kann mir mal ein neues Kleid kaufen.“ „Du hast doch schon ein Kleid“, entgegnete Tai trocken. „Ich brauche ein neues“, meinte Kari nur. „Wollt ihr eine große Party? Oder eher eine kleine familiäre Feier?“ „Also wenn ich schon heirate, dann will ich eine Party mit vielen Leuten. Ich hatte mir gedacht, wir könnten die ganze alte Gruppe einladen“, antwortete er nachdenklich. „Was meinst du dazu?“ „Finde ich super. Ich habe viele schon ewig nicht mehr gesehen. Bei Izzy, Joe und Sora ist es schon drei Jahre her, glaube ich. Und Cody und Yolei habe ich auch schon seit einer Weile nicht mehr gesehen“, antwortete Kari. „Hoffentlich können auch alle kommen“, meinte Tai. „Warum sagst du eigentlich nichts dazu, dass ich Vater werde? Ich dachte, das wäre die umwerfendere Nachricht von beiden.“ „Weil ich es schon weiß“, antwortete Kari gelassen. „Mimi hat es mir letzte Woche erzählt, aber ich durfte es dir nicht sagen.“ Tai stieß ein genervtes Stöhnen aus. „Diese Frau. Schön, dass ich es überhaupt erfahren durfte, bevor der Kleine auf der Welt ist.“ „Der Kleine? Woher willst du wissen, dass es ein Junge wird?“, fragte Kari verwirrt. „Ich glaube, ich kann nur Jungs zeugen“, antwortete Tai entschieden und Kari musste lachen. „In ein paar Monaten werden wir ja sehen, was du zeugen kannst und was nicht“, sagte sie kichernd. „Freust du dich denn?“ „Hm“, machte er nachdenklich. „Zuerst war ich geschockt und Mimi dachte schon, ich würde sie jetzt verlassen. Aber ich freue mich, klar. Immerhin ist ein kleiner Tai unterwegs.“ „Du spinnst doch“, sagte Kari kopfschüttelnd. „Habt ihr es Mimis Eltern schon erzählt?“ „Nee. Wir überlegen, ob wir es ihnen erst nach der Hochzeit sagen“, murmelte Tai mürrisch. „Sonst wird das wahrscheinlich doch nichts.“ „Aber... wenn ihr erst im September heiratet, sieht man doch sicher schon was“, gab Kari zu bedenken. „Wäre es nicht besser, ihnen das vorher irgendwie zu verklickern? Ändern können sie es doch so oder so nicht, ob es ihnen nun gefällt oder nicht.“ Tai seufzte und Kari konnte sich gut den Blick vorstellen, den er gerade hatte. „Wir werden sehen, wie wir das machen. Einfach wird es nicht.“ „Und wann willst du es unseren Eltern sagen?“, fragte Kari nach einigen Sekunden des Schweigens. „Puh, keine Ahnung. Lieber möglichst bald, dann habe ich es hinter mir“, antwortete er ein wenig hilflos. „Ja, mach es schnell, dann sind sie wenigstens auf mich nicht mehr sauer“, meinte Kari scherzhaft. „Was? Wieso sind sie denn sauer auf dich?“, fragte Tai verwirrt und Kari gab sich innerlich eine Ohrfeige. Nun war es ihr doch herausgerutscht. „Ach, nur so. Hab' ein bisschen Mist gebaut“, antwortete sie ausweichend. „Aber ist nicht der Rede wert. Alles okay.“ „Nein, nicht okay. Was hast du gemacht? Los, raus mit der Sprache“, forderte er. „Nein, ich will mit dir nicht darüber reden, okay?“ „Nanu, was soll denn das schon sein. Du warst doch immer das Vorzeigekind von uns beiden, was sollst du schon groß ausgefressen haben?“, meinte Tai spöttisch und Kari ärgerte sich ein wenig über seinen Tonfall. „Ich habe mich auf dem Frühlingsball abfüllen und abschleppen lassen, okay?“, blaffte sie. „Was?“ Tai lachte. „Nein, jetzt mal ehrlich. Was hast du gemacht?“ „Bist du blöd? Warum glaubst du mir das nicht?“, fragte sie und wurde langsam wirklich wütend. Tai gehörte auch zu den Leuten, die sie für dieses kleine, schüchterne, liebe Mädchen von nebenan hielten, das nie jemandem auffiel. „Weil ich dich kenne. Nun sag' schon, was du gemacht hast“, sagte er ruhig. „Ach, weißt du was? Vergiss es einfach“, fauchte sie und legte auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)