Ein Haus voller Geschichten von Yalene (Fairy Tail Drabbles) ================================================================================ Kapitel 1: Tagundnachtgleiche ----------------------------- „Reisender, sieh dich vor in der Dunkelheit des Jahres zu wandeln. Wandere in dem hellen Schein der […] Tagundnachtgleiche.“ Margaret Abigail Walker (1915-1998), US-amerikanische Schriftstellerin, Dichterin und Hochschullehrerin     ~   Ihre Bücher boten Levy normalerweise immer eine Welt des Ausgleiches. Egal was für Probleme sie hatte, wie frustriert sie auch sein mochte, Bücher waren für Levy eine Heimat. Sie zeigten ihr Welten, in denen Helden Abenteuer bestanden, egal ob sie Mann oder Frau waren. Sie stellten sich mit Mut im Herzen jeder Gefahr. Manchmal war es für Levy schwierig, einige Passagen zu lesen. Das waren die Momente, wo die Helden sehr zu leiden hatten, wo ihnen himmelschreiende Ungerechtigkeit widerfuhr, in denen Bösewichte als die strahlenden Gewinner dargestellt wurden. Bis zu jenem Vorfall war es ihr auch immer egal gewesen, wo sie gelesen hat. Sei es in der Gilde, zu Hause, im Park, in einem Straßenimbiss, während dem Laufen… Es spielte keine Rolle. Das war gar nicht so lange her, jedoch hat niemand behauptet, schlimme Ereignisse könnten nicht innerhalb kurzer Zeit möglich sein.   Nun konnte Levy nicht mehr im Park lesen, bei dem großen Baum. Auch in der Gilde fiel es ihr schwer, wenn er da war. Gajeel… Sie hatte nicht erwartet, dass der Meister ihn einladen würde. Nach allem, was passiert war, hatte sie eher damit gerechnet, dass Makarov selbst den jungen Burschen aufsuchen würde, um ihm eine Lektion zu erteilen. Doch der Meister von Fairy Tail hatte sich anders entschieden und Levy stellte seine Weisheit nicht in Frage. Gajeel einzuladen bedeutete auch, dass Makarov Levy zutraute, mit dem Geschehenen fertig zu werden. Und an diesen Glauben hielt sie sich fest. Es war nicht einfach, ihren Peiniger in der Gilde zu sehen. Die allgemeine Feindseligkeit ihm gegenüber machte es auch nicht einfacher.   Aber Levy würde nicht an Makarov zweifeln. Auch wenn sie in Gegenwart des Drachentöters kaum Atmen konnte, würde sie ihn nicht scheuen, wenn sie es verhindern konnte. Das war ihre Prüfung, ihr Moment der Wahrheit. Sie hatte jedoch nicht vermutet, dass sich jener Moment so lange hinziehen würde.   Jet und Droy waren da eine andere Geschichte. Sie wollten ihm keine Chance geben. Sie wollten Vergeltung – für Levy und auch sich selbst. Deshalb kam es zu der Konfrontation. Levy wollte dies alles nicht. Sie hatte sich damit abgefunden, dass Gajeel in der Gilde war, zumindest gedanklich. Ein Kampf zwischen den dreien konnte nicht gut enden, zumal Levy nicht naiv genug war zu glauben, dass ihre beiden Freunde gegen den Drachentöter bestehen konnten. Deshalb stand sie hinter dem Baum, während Jet und Droy Gajeel konfrontierten, und versuchte vergeblich, den Konflikt noch abzuwenden. Dass dies misslang überraschte sie nicht sonderlich. Auch wenn Levy sich schwor, dass sie ihn akzeptieren würde, hatte der Körper sein eigenes Gedächtnis und dem konnte sie in ihrem schwachen Zustand selbst mit ihrem scharfen Verstand nichts entgegensetzen.   Durch die aufkommende Panik hindurch fühlte sie, dass irgendwas nicht richtig war. Levys Gedanken rasten, als sie ihren beiden besten Freunden zusah, wie sie Gajeel attackierten. Sie hatte seine Stärke nicht falsch eingeschätzt, das wusste sie. Dennoch griff er nicht an. Diese Erkenntnis war der erste Sonnenstrahl am Horizont, auch wenn Levy das noch nicht wirklich bewusst wahrnahm. Es war der erste Zweifel, der ihr von Angst verzerrtes Bild von dem Drachentöter erschütterte.   Laxus konnte und wollte sich bei dieser Angelegenheit nicht raushalten. Nicht für Levy, nicht für seine Gildenkameraden wollte er Vergeltung. Ihm ging es nur um sein Ansehen als Mitglied einer Gilde, die so offensichtlich zum Gespött gemacht wurde. Es war nicht verwunderlich, dass er in den Kampf eingriff. Und dann passierte alles so unglaublich schnell. Der Blitz, Levys vor Entsetzen erstarrter Körper, unfähig dem auszuweichen – und Gajeel, der sich schützend vor sie stellte. So schnell wie es geschah war es auch schon wieder vorbei. Keine Erklärungen, warum, weshalb, wieso er es getan hatte. Selbst Laxus hatte dies aus dem Konzept gebracht.   Und als Levys Körper sich von dem Schock erholt hatte, schien ihr Verstand wie vom Schlag getroffen an zu arbeiten. In Sekunden füllte sich ihr Kopf mit Fragen, mit möglichen Antworten, mit Vermutungen, mit Unsicherheiten und dem Wunsch, Gajeel würde sich umdrehen, sich erklären und die Verwirrung lösen, in die er sie innerhalb von Sekunden versetzt hatte. Fassungslos starrte sie der wankenden Gestalt hinterher. Er hatte die Schläge eingesteckt, ohne Vergeltung zu üben. Was er nicht mit Worten fertig bringen konnte, hatte er durch Taten versucht zu erreichen. Eine Entschuldigung von ihm hätte ihm niemand geglaubt. Wie entschuldigt man sich auch für die Zerstörung einer Gilde und den bewussten Angriff auf mehrere Personen? Ein Angriff, der ihm Spaß bereitet hatte. Also büßte er mit seinem Körper. Gajeel ließ die Gewalt über sich ergehen. Mehr noch als das, er beschützte Levy. Bewusst, unbewusst, mit Hintergedanken oder aus einem Impuls heraus – Levy hatte nicht die geringste Ahnung.   Doch der Zweifel, der vorher schon gekeimt war, blühte nun vollends auf. Und während sie dem verletzten Drachentöter hinterher sah – wegen ihr verletzt – spürte Levy, wie sich die Angst löste. Sie verschwand nicht von einem Augenblick zum nächsten, aber sie löste sich. Sie lüftete sich wie ein Schleier über der Welt und was Levy vorher noch Dunkel und unheimlich vorkam, wirkte auf einmal nicht mehr so bedrohlich. Das Licht, eigentlich immer da gewesen und nur von ihrer Angst vertrieben, schien Levy wieder in sich aufzunehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)