Ein Meer voller Geschichten von Yalene (One Piece Drabbles) ================================================================================ Kapitel 7: Liebe ---------------- „Der Mensch ist Mensch, er soll nichts tun ohne Vernunft, ohne Liebe.“ Johann Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827), Schweizer Pädagoge und Sozialreformer ~ Vivi stand im frühen Morgenlicht auf den Palastmauern und sah hinunter. Die Spuren des Bürgerkriegs waren noch immer sichtbar. Zu dieser Stunde war außer ihr und ein paar Wachen von der Nachtpatrouille niemand auf. Alles war ruhig und friedlich. Die junge Prinzessin starrte hinunter in die Stadt, und bei ihrem Anblick kamen unwillkommene Erinnerungen. Feuer, Schreie, das manische Lachen eines Mannes, der gerade dabei war, einen anderen zu erschlagen… Es war alles so grausam gewesen. Und wofür? Weil ein größenwahnsinniger Pirat ohne Achtung vor dem Leben hinter einer Waffe her war. Sie erschauderte, als sie sich an ihre eigene Ohnmacht gegenüber diesem Mann erinnerte. All die Wut, die Verzweiflung und ein unbändiger Hass, den sie sich selbst nie zugetraut hatte. Als Kind eines Königs und von klein auf zu Diplomatie erzogen war es für sie ein neues Konzept, Hass zu empfinden. Sie hatte in ihrem Leben immer nur Liebe und Freundschaft erfahren, obwohl sie natürlich wusste, dass es Menschen mit bösen Absichten gab. Ihr Vater und auch Igaram waren immer stets darauf bedacht gewesen, sie nicht der Naivität anheim fallen zu lassen. Für Vivi war das Leben, egal von wem, immer eins der höchsten Güter gewesen. Denn wenn jemand stirbt, dann gibt es immer auch jemanden, der um ihn trauert. Doch Sir Crocodile hatte etwas in ihr verändert. Er hatte ihr diese Sichtweise genommen, denn für einige Zeit, tief im Kellergewölbe seines Casinos, ihre Freunde in einem Käfig gefangen und ihr gegenüber dieser Leben verachtende Pirat, der selbstgefällig seinen Plan vor ihr ausbreitete… für einen Moment hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als ihn sterben zu sehen. Vielleicht sogar, es selbst herbei zu führen. Ihr Blick wanderte von zerstörten Gebäuden hinüber zu bereits reparierten und ihre Stimmung wurde ein wenig besser. Sie erinnerte sich an das lange Gespräch unter vier Augen mit ihrem Vater, als sie ihm von den letzten Jahren erzählte – ihm alles erzählte, was sie und Igaram getan hatten und vor allem, wie sie sich dabei gefühlt hatte. Er hatte ihr geduldig zugehört, nur zwischendurch einige Fragen gestellt. Am Ende hatten sie in Schweigen dagesessen, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Dann hatte er angefangen zu reden. Er erzählte ihr von seinen Zweifeln, von seinen Befürchtungen und Ängsten, während sie weg war und er die Entwicklung im eigenen Land mit ansehen musste und kaum etwas unternehmen konnte, als die Sache ruhig zu halten. Er berichtete ihr von seiner Sorge um Cohza, als dieser wütend zu ihm kam und er ihm keinen Trost spenden konnte. Er hatte schon immer eine Schwäche für die Entschlossenheit des jungen Mannes gehabt und hatte befürchtet, dass diese letztendlich zu Schaden führen könnte. Doch er hatte niemals am Herz des Mannes gezweifelt. Am Ende gab er seiner Tochter noch einen Rat. „Hass ist ein starkes Gefühl, Vivi. Er gibt uns Stärke, aber macht uns zugleich blind gegenüber der Realität. Er verzerrt unsere Sicht der Dinge und lässt uns unüberlegt werden. Es war vielleicht wichtig für dich, dass du ihn erfahren hast und deine Verwirrung darüber ehrt dich. Ein guter Herrscher zu sein heißt nicht nur, sein Volk über sich selbst zu stellen, sondern auch Verständnis für diejenigen aufbringen zu können, die anders denken als man selbst. Und viele Menschen – zu viele – empfinden Hass. Diesem kann man nicht mit guten Worten beikommen, sondern nur mit Liebe und Vernunft. Das garantiert kein gutes Ende, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Für Vivi war ihr Vater einer der weisesten Männer, die sie jemals kennen gelernt hat. Daher versuchte sie, ihre Gefühle für Sir Crocodile zu bändigen, diesen negativen mit positiven zu begegnen. Sie konnte ihm nicht verzeihen, konnte nicht vergeben. Aber er hatte seine Strafe erhalten, ihm war alles genommen worden, was ihm teuer war und was er angestrebt hatte. All seine Pläne lagen in Schutt und Asche. Das musste ihr reichen. Sie dachte an ihre Kameraden auf hoher See, die mittlerweile einem neuen Abenteuer entgegen strebten. Keiner von ihnen lebte im Gestern. Nicht einer. Sie nahmen jeden Tag als neue Herausforderung und strebten nur nach dem Höchsten. Vivi wollte sich daran ein Beispiel nehmen. Die Vergangenheit war genau das, vergangen. Sie wollte sie und die damit verbundenen Gefühle hinter sich lassen. Sie würde niemals vergessen, aber sie wollte ihren Alltag lieber mit Freude und Liebe als mit Hass und Traurigkeit füllen. Vivi blinzelte der aufsteigenden Sonne entgegen und lächelte. Es tat ihr gut, den Tag so zu beginnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)