Die etwas andere Cinderella-Story von Lunata79 ================================================================================ Kapitel 1: Ein schwarzer Liebesbrief? ------------------------------------- Kapitel 1: Ein schwarzer Liebesbrief? - Seto´s POV – Ich sitze hier im Mathematikunterricht und kann es kaum erwarten, bis es zur ersten Pause klingelt. Dieser minderbemittelte Lehrer wiederholt wiedermal, für die Dummköpfe unter den Schülern, den Schulstoff der letzten Stunde. Warum kann ich nicht in irgendein Meeting müssen? Dummerweise hat es sich leider nicht so ergeben. Jetzt muss ich den Unterricht leider über mich ergehen lassen. >DRRRIIIINNNG!!!> Na, endlich. Ich packe meine Sachen zusammen und verlasse das Klassenzimmer, während ich jeden ignoriere, um meinen Spind aufzusuchen und die Schulsachen für das nächste Fach zu holen. Mit stolzen Schritten begebe ich mich zu den Spinden und als ich meinen öffne, fallen, wie jedes Mal, tonnenweise Liebesbriefe heraus. Aber Moment, … da befindet sich ein schwarzer Umschlag unter den Liebesbriefen, der besonders heraussticht. Ich hebe ihn auf und betrachte ihn einen Augenblick skeptisch, mit gerunzelter Stirn, ehe ich ihn doch öffne. Meine Neugier lässt es nicht zu, dass ich ihn ignoriere. Also hole ich den zweiseitigen Brief heraus und beginne ihn zu lesen: „Lieber Seto, in erster Linie nehme ich an, dass du mich nicht kennst, da wir nicht in dieselbe Klasse gehen. Aber das ist nebensächlich, denn es ist ohnehin egal, weil wir uns niemals mehr über den Weg laufen werden. Warum ich dir diesen Brief schreibe, ist ein Grund, der um einiges weitreichender ist. Meine Stiefmutter und ihre zwei Töchter machen mir leider mein Leben zur Hölle, weshalb ich es einfach nicht mehr ertragen kann, weil ich niemanden sonst habe, der mich tröstet und in die Arme nimmt. Daher werde ich mir mein Leben nehmen. Es ist aber so, dass ich mich in dich verliebt habe, was ich dir unbedingt noch mitteilen wollte, ehe ich meinem Leben ein Ende bereite. Wenn du denkst, dass ich dich nicht kenne, um einen Grund zu haben, in dich verliebt zu sein, dann irrst du dich. Ich kenne mich mit der Psychologie etwas aus und habe dich durchschaut. Deine ganzen Reaktionen und dein Verhalten bauen darauf auf, nicht verletzt zu werden. Ich kenne mich damit recht gut aus. Die Angst beherrscht uns. Jeder Mensch hat sie inne. Angst verletzt zu werden, Verlassensängste, Angst vor Gewalt und viele mehr. In deinem Fall tendiere ich auf Angst nicht respektiert zu werden, Schwäche zu zeigen und angreifbar zu sein. Du bist schließlich noch ein Teenager, der bereits Firmenleiter ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht leicht ist, sich bei anderen Firmenleitern durchzusetzen. Und das tust du, indem du diese kalte Maske aufsetzt, um respektiert zu werden. Von Seiten einiger Schüler, aus deiner Klasse, habe ich mitbekommen, dass du mit deinem kleinen Bruder viel freundlicher umgehst, was der Grund ist, wie ich zu diesem Schluss komme. Du versuchst dich unangreifbar zu machen, jedoch ist dein kleiner Bruder deine Schwäche, den du nicht immer zu schützen vermagst. Aber du gibst dennoch immer dein Bestes, denn er ist dein Ein und Alles, was ich gut nachvollziehen kann, denn er ist ja auch dein einziges Familienmitglied, dass du noch hast. Ebenso bist du sehr gebildet, auf welches Niveau ich nie heran kommen werde. Und ebenso, wie du, bin ich eine Einserschülerin. Aber ich schweife ab. Ich habe mich auf jeden Fall in dich verliebt und mir ist klar, dass dich das keinen Deut interessiert. Ich bin eben nur eine von vielen. Ich weiß noch nicht mal, ob du meinen Brief überhaupt liest oder ihn mit den anderen gleich wegwirfst. Aber das ist mir egal, denn so kann ich immerhin diese Welt mit gutem Gewissen verlassen. Soll ich dir was verraten? Ich komme mir vor, wie in Cinderella. Nur habe ich keine Ahnung, wer in meinem Fall den Prinz darstellt. Gibt es für mich überhaupt ein Happy-End? Nein, ich denke nicht. Denn, wenn ich diese Welt verlassen habe, wird es mich nicht mehr interessieren. Da ich nicht weiß, ob du meinen Brief liest oder nicht, und ich auch sicher bin, dass mich keiner aufhalten wird, was ich sehr bedauerlich finde, werde ich es dennoch noch einmal, nach der Schule auf dem Schuldach überdenken, ob ich es wirklich tun soll. Ich erwarte zwar nicht, dass du mich aufsuchst, um mir mein Vorhaben auszureden, allerdings stirbt die Hoffnung doch immer zuletzt. Auf jeden Fall werde ich nicht wieder nach Hause zurückgehen. Das habe ich für mich bereits beschlossen. Ich habe sämtliche meiner Sparbücher mitgenommen, auch wenn ich sie sicher nicht mehr brauchen werde, aber meiner Stiefmutter lasse ich sie bestimmt nicht. In der Hinsicht war mein Vater ein kluger Mann. Die Passwörter hat er ihr nämlich nicht verraten, denn nur ich sollte auf sie Zugriff haben, ab dem Zeitpunkt, wo ich alt genug dafür bin, weshalb ich einen eigenen Treuhänder besitze, den mir mein Vater laut Testament zur Seite gestellt hat. Um ehrlich zu sein, kannst du dir mein Leben, genau wie in Cinderella vorstellen, denn genauso sieht es aus. Nur eben ohne Prinz. Ich hätte im Mittelalter geboren werden sollen, da hätte ich größere Chancen auf einen Prinz gehabt, aber das ist nun alles egal. Ich würde dir nur raten, mich nicht aufzusuchen, da es keinen Sinn macht, mich kennen zu lernen, nur um mich dann nie wieder zu sehen. Zudem würde ich es nicht verkraften, dich nun zu sehen, weil ich es dann vielleicht nicht übers Herz bringe. Ich muss es tun. Ich muss meinem Leben ein Ende setzen, um in Frieden sterben zu können. Denn ich ertrage diese psychische Folter meiner Stiefmutter und meinen zwei Stiefschwestern einfach nicht mehr. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Auch wenn ich mich immer daran festgehalten habe, dich wenigstens Tag für Tag sehen zu können. Jetzt hilft es einfach nicht mehr. Darum sage ich dir jetzt wohl lieber „Lebe wohl und es hat mich gefreut, dich immer aus der Ferne betrachten zu dürfen.“ Eine dich liebende Verehrerin“ Entsetzen und Überraschung, sowie Verwirrtheit überzieht meine Mimik. Allerdings fasse ich mich wieder recht schnell und die gewohnte kühle Maske ist wieder aufgesetzt. Ich habe keine Ahnung, was ich von diesem Brief halten soll, dennoch berührt er mich zutiefst. Dummerweise sind meine Neugier und mein Interesse geweckt. Wer wohl hinter dieser Verehrerin steckt, die sich selbst als Cinderella sieht? Ein Grinsen legt sich auf meine Lippen, dass ich schnell wieder unterdrücke und mich in die Schulkantine begebe, um mir einen Kaffee zu gönnen, während ich den Brief wieder in den schwarzen Umschlag zurückstecke und in meiner Manteltasche verschwinden lasse. *** Nach Schulschluss packe ich meine Sachen zusammen und verlasse flott die Klasse. Etwas unsicher marschiere ich die Treppen nach oben auf das Schuldach. Vor der Tür zum Dach halte ich inne, während meine Hand bereits auf der Klinke ruht. Ich atme tief durch und drücke sie herunter, um die Tür zu öffnen. Ich lasse meinen Blick schweifen und mein Atem stockt. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. „Wunderschön.“ ist das einzige Wort, das mir durch den Kopf schießt. - Verehrerin POV - Erschrocken drehe ich mich um, als ich die Tür zum Dach geräuschvoll ins Schloss knallen höre. Mein Blick fängt sofort den von Seto Kaiba ein und mein Herz schlägt um einige Takte schneller. Er ist ja doch gekommen. Ist das Zufall oder hat er meinen Brief gelesen? Dummerweise bin ich nicht in der Lage meinen Blick von seinen Augen zu lösen. Ich bin zu gefesselt von seinen wunderschönen blauen Augen. Eine ganze Weile starren wir uns einfach nur in die Augen – ohne Probleme seinem durchbohrenden Blick standzuhalten. Nach zwei Minuten löse ich dann doch meinen Blick, um meinen Kopf verlegen ganz abzuwenden. Warum tut er mir das an? Jetzt fällt es mir doch noch schwerer, ihn zurückzulassen, weswegen ich ihm doch nicht begegnen wollte. Warum ist er hier? Ich drehe meinen Kopf zu ihm zurück und mustere ihn. Da entdecke ich meinen schwarzen Briefumschlag in seiner Hand, den er anscheinend, während ich mich abgewandt hatte, aus seiner Manteltasche geholt hat. Also ist er wegen meinem Brief hier? Meine Augen weiten sich entsetzt. Will er mich an meinem Vorhaben hindern? Aber warum sollte er das tun wollen? Er kennt mich doch gar nicht. Und so sollte es auch bleiben. Mein Herz beginnt zu rasen, als er auf mich zukommt. „Deiner Reaktion entnehme ich, dass das dein Brief ist.“ Seto hält meinen schwarzen Briefumschlag in die Höhe. Ich hingegen gebe keine weitere Reaktion von mir, denn es war eine Feststellung, die zutrifft. „Wieso bist du hier? … Wenn du den Brief gelesen hast, sollte dir doch klar sein, dass du nicht herkommen solltest.“ „Reine Neugier.“ Er zuckt nur mit den Schultern. „Und was erhoffst du dir davon?“ „Ich wollte wissen, hinter wem dieser Brief steckt.“ „Das weißt du nun, also kannst du wieder gehen.“ „Ich bedaure zutiefst, aber ich will erst Antworten.“ Ich sehe ihn verwundert an, seufze, wende mich ab und nehme auf einer naheliegenden Sitzbank, die eine schöne Aussicht auf den Schulhof gibt, Platz. Er folgt mir und setzt sich neben mich. Dass er es bedauert, nehme ich ihm allerdings nicht ab, aber er soll seine Antworten gerne bekommen, wenn es ihn glücklich macht. „Also, … was willst du wissen?“ „Alles. Von Anfang an.“ Ich lasse meine Schultern absacken. Na, toll. Das kann lange dauern. Aber es soll mir recht sein. Die Schule ist immerhin zu Ende und ich hatte ohnehin nicht vor, nach Hause zurück zu gehen. Ich seufze. „Na, schön. … Mein Vater hat vor fünf Jahren, nachdem meine Mutter starb, wieder geheiratet. Er war Geschäftsmann, wie du. Nur ist er bereits vor zwei Jahren ebenfalls verstorben. Meine Stiefmutter hat sich alles rechtswidrig angeeignet und behandelt mich nun wie Dreck. Und um das zu rechtfertigen, muss ich mich in Lumpen stecken, um entsprechend auszusehen. Die beiden Töchter wissen leider nicht, was ihre Mutter mit mir macht. Sie denken, ich wäre eine Magd oder Angestellte eben. Und dementsprechend behandeln sie mich auch. … Deswegen auch der Vergleich mit Cinderella.“ „Und wer ist nun der Prinz?“ „Du?“ Eine feingeschwungene Augenbraue wird angehoben. „Naja, … du bist gekommen, obwohl du es nicht tun solltest. Wir unterhalten uns miteinander. Und meine Stiefschwestern stehen auch auf dich. … Aber mal ehrlich. Welches Mädchen steht nicht auf dich, auch wenn nicht unbedingt ehrbare Absichten dahinter stecken.“ Seine Mundwinkel zucken verdächtig, bis sich seine Lippen doch zu einem Lächeln verziehen. „Wenn du mir schon deine wertvolle Zeit opferst, weiß ich wenigstens, wem ich meine Habseligkeiten überlasse. Ich hab bereits alles geräumt und am Bahnhof in ein Schließfach gesperrt. Nimm den Schlüssel und tu damit, was du für richtig hältst. Für meine Sparbücher hab ich bereits die Passwörter hinzugefügt und eine Eigentumsübertragung dagelassen.“ Ich warte darauf, dass er seine Hand ausstreckt, damit ich ihm den Schließfachschlüssel in die Hand drücken kann. Als ich ihm den Schlüssel in die Hand lege, berühre ich seine Hand unbeabsichtigt und seine zweite Hand legt sich auf meine. Sofort beginne ich zu zittern und seine Augen weiten sich. „Behalt ihn.“ Er legt seine Hände nun auf meine Wangen und streicht mir die Tränen weg, die nun darüber laufen. Ich reiße mich wieder zusammen und meine Tränen versiegen kurzzeitig. Dennoch zieht er mich in seine Arme und umarmt mich, was mich doch sehr irritiert und noch mehr verwirrt. Wärme, Sicherheit und Geborgenheit umgibt mich. Das, was ich mir schon solange gewünscht, aber nie erhalten habe. Ich erwidere die Umarmung und beginne abermals zu weinen. Doch diesmal weiß ich, dass da jemand ist, der mich auffängt, wenn ich mich fallen lasse. Und ich drücke mich ganz fest an ihn, um den Schmerz im Keim zu ersticken, während ich meine Hände in seinen Mantel kralle. Im nächstem Moment wird mir klar, dass er bisher noch nie jemanden so nah an sich ran gelassen hat. Aber warum gerade jetzt? Warum bei mir? Ist er vielleicht wirklich mein Prinz? So, wie ich es zuvor gesagt habe? „Verrätst du mir deinen Namen?“ „Yumi Matoshi.“ Antworte ich mit zittriger Stimme. „Matoshi? Der Name ist mir geläufig. … Ich erinnere mich an deinen Vater. Allerdings wusste ich nicht, dass er eine Tochter hat.“ „Ist doch egal. Er wollte mich eben beschützt wissen. Nicht anders, als bei dir mit deinem Bruder.“ „Da hast du vermutlich Recht. Geht´s wieder?“ Ich nicke stumm, was er an seiner Halsbeuge zu spüren scheint, weil er mich sanft von sich drückt. „Willst du dir wirklich das Leben nehmen? Ich fände es schade um dich.“ Er schließt, scheinbar mitgenommen, seine Augen und öffnet sie danach wieder, um mir in die Augen zu sehen. Bilde ich mir das nur ein, oder wirken seine Augen eine Spur wärmer, als wie er das Schuldach betreten hat? Nein, das bilde ich mir nicht nur ein. Sie sind auch eine Spur dunkler als sonst. Bei diesem Gedanken stiehlt sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. „Ich glaube, diesen Gedanken habe ich bereits liegen gelassen, weil du nicht gehen wolltest. Auch wenn ich das Gefühl habe, es dennoch tun zu müssen. Ich kann nicht mehr zurück. Ich würde daran zerbrechen, wenn ich noch länger dorthin zurück muss.“ „Du hast doch vorhin gemeint, ich wäre der Prinz in deiner Geschichte. Wenn du es schaffst, mich davon zu überzeugen, dass es wirklich so ist, dann … hm … Ich weiß was. … Was hältst du davon, wenn ich dich bei mir aufnehme? … Aber erst musst du mich überzeugen.“ „Davon sollten aber meine Stiefmutter und meine Stiefschwestern nichts mitbekommen, weil meine Stiefmutter sehr gerissen ist, und sicher Wege findet, um mich daran zu hindern.“ „Das ist ganz dir überlassen, wie du es anstellst.“ „Aber wie soll ich das denn anstellen? Ich weiß ja nicht, was ich da tun muss?“ Er grinst mich schulterzuckend an und erhebt sich. „Ich denke, es ist alles gesagt. Ich werde dann jetzt gehen. Ich hoffe, wir sehen uns morgen wieder.“ Er macht sich auf den Weg zur Tür, die vom Dach wieder ins Schulgebäude führt. „Seto?“ In seiner Bewegung innehaltend, dreht er sich halb, mit gehobener Augenbraue, zu mir um. „Danke.“ Nun umspielt ein kleines Lächeln seine Lippen, ehe er das Dach verlässt. Kapitel 2: Der verlorene Schuh ------------------------------ Kapitel 2: Der verlorene Schuh - Yumi´s POV - Am nächsten Tag, in der ersten Pause, beobachte ich zufällig, wie sich meine zwei Stiefschwestern aufdringlich an Seto hängen und ihn volltexten, während sie ihn auf den Schulhof begleiten. Mich wundert echt, dass sie von ihm nicht Reißaus nehmen, obwohl er sie mit seinen Blicken zu erdolchen versucht. Scheinbar sind sie versucht, seinen Blicken auszuweichen. Ein Glück, dass sie mich in meinen normalen Kleidern nicht erkennen. Sie kennen mich schließlich nur in den Lumpen, die ich gezwungen bin, zuhause zu tragen. Ich fasse es immer noch nicht, dass ich gestern tatsächlich wieder nach Hause gegangen bin. Dennoch ist mir keine Idee gekommen, wie ich Seto davon überzeugen könnte, mein Prinz zu sein. Glaubt er denn wirklich daran, dass ich Cinderella sein könnte? Oder will er mir nur die Möglichkeit gestatten, es zu sein? Hmm, … verstehe einer einen Seto Kaiba. Jetzt wird mir der Anblick aber schon zu viel, weil ich es nicht lassen kann, ihnen zu folgen. Eifersucht macht sich allmählich in mir breit. Ich verziehe wütend mein Gesicht, bis mir eine böse Idee kommt, die Seto unter Umständen nicht gefallen könnte. Aber gegen die zwei allemal ankommt, sie zu verscheuchen. Zumindest für den Moment. Daher schreite ich nun auf ihn zu. „Seto!“ Ich winke ihm scheinheilig zu, als er mir seinen Kopf zudreht. Bei ihm angekommen, schließe ich ihn offenherzig in meine Arme und lege sanft meine Lippen auf seine. Ich spüre, wie er sich anspannt und versteift. Wenn er nicht mitmacht, verziehen sich die zwei nie. Komm schon, Seto, spiel mit und erwidere. Ich spüre, wie seine Arme freigelassen werden und kann mir den entsetzten Gesichtsausdruck meiner Stiefschwestern nur zu gut vorstellen. Nun bemerke ich auch, dass Seto seine Arme um mich schließt und den Kuss zu erwidern beginnt. Er übernimmt die Kontrolle über den Kuss und ich lasse mich in den Kuss fallen. Wunderbare Gefühle durchströmen meinen Körper und das Bauchkribbeln, das ich immer habe, sobald ich ihn auch nur erblicke, wird immer stärker spürbar. Unbewusst öffne ich leicht meine Lippenpaare, als ich auch schon eine Zunge dazwischen vernehme. Ich lasse ihn gewähren und sogar zu, dass er den Kuss vertieft. Meine Hand wandert in seinen Nacken und ich spiele mit seinen Nackenhärchen, was ihn in den Kuss seufzen lässt. Ich glaube, sogar zu spüren, wie wir mehrere Blicke auf uns ziehen. Wir befinden uns hier ja auch mitten auf den Treppen, die in den Schulhof führen. Erst als ich merke, dass mir langsam die Luft ausgeht, löst Seto seine Lippen von mir und ich ringe nach Sauerstoff, während ich ihm gebannt in die Augen blicke. Auch er keucht etwas, um Luft in seine Lungen zu bekommen. Er räuspert sich verlegen, mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen und drückt mich nun ganz von sich, da ich meine Hände noch an seinem Rücken liegen hatte. „Tut mir leid, diese Aktion, aber ich konnte nicht zulassen, dass sich meine zwei Stiefschwestern noch weiter so an dir festklammern.“ „Wieso wundert mich das nicht … und warum haben dich die beiden nicht erkannt?“ „Ich hab dir doch erzählt, dass die beiden keine Ahnung haben, was ihre Mutter verbricht. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie mich noch nie normal gesehen haben, da ich doch nur zuhause in Lumpen herumlaufe.“ „Bist du denn nie auf die Idee gekommen, ihnen davon zu erzählen?“ „Was würde es bringen? Ihr Charakter ist genauso mies, wie der ihrer Mutter. Und das Beste daran ist, dass sie dir gar nicht so unähnlich ist, so wie du zu Fremden bist.“ Er öffnet bereits den Mund, um etwas zu erwidern, doch entkommt ihm nur ein: „Äh, …“ und verstummt wieder. Ich lächle ihn lieb an und meine Wangen beginnen zu brennen. Als ihm scheinbar meine Worte klarwerden, färben sich auch seine Wangen wieder etwas ins Rötliche. Er hat anscheinend meine Anspielung verstanden. Seto ist nicht mehr so kalt, wie anfangs, zu mir. Nachdem ich bemerke, dass Seto sich umsieht, tue ich es ihm nach und stelle fest, dass ich mit bösen, sowie wutverzerrten und eifersüchtigen Blicken taxiert werde. Mir wird unwohl und blicke beschämt gen Boden. Was die Schüler jetzt wohl von mir halten mögen? Besonders, da sie Zeugen wurden, dass mich Seto Kaiba nicht von sich gestoßen hat, sondern auf den Kuss eingegangen ist. Oh, Hilfe, ich will weiterleben. … Häh? Habe ich das gerade wirklich gedacht? … Ja, verdammt. Gerade, weil es so gut mit Seto läuft und ich das Gefühl habe, eine reelle Chance zu besitzen, ihn für mich zu beanspruchen. „Die Pause ist gleich um.“ wirft er in das Schweigen, das uns umhüllt. „Mhm.“ „Man sieht sich.“ Ohne uns noch eines weiteren Blickes zu versehen, wenden wir uns gegenseitig ab und ich gehe in meine Klasse zurück. *** Am nächsten Morgen, als ich das Schulgebäude, vor Unterrichtsbeginn, betrete, vernehme ich an jeder Ecke in jedem Flur Gruppen von Schülern, die zu tuscheln scheinen. Als ich jedoch ihre Wege kreuze, verstummen sie prompt, was mich zu dem Schluss bringt, dass über mich geredet wird. Beim Vorbeigehen atme ich jedes Mal tief ein und aus, bis ich in meine Klasse komme. Dort werde ich von einigen Schülerinnen schief angesehen, was mein Unbehagen steigert. Nachdem es endlich zur ersten Pause geläutet hat, mache ich mich sofort auf die Suche nach Seto. Ich muss mit ihm sprechen. Denn wir sind ja nicht zusammen, sodass dieses Getuschel gerechtfertigt wäre. Sie sollen alle aufhören, hinter meinem Rücken, über mich zu reden. Ich kann so was überhaupt nicht leiden. So marschiere ich sämtliche Flure ab, bis ich ihn einsam und verlassen in einer Klasse sitzen sehe. Vermutlich seine Klasse. „Seto.“ „Yumi?“ Er klingt müde und erschöpft. „Seto, du siehst echt schlimm aus. Was ist denn passiert?“ Er seufzt und schließt die Augen. „Ist ok. Du musst mir nicht antworten, wenn du nicht willst. Kann ich dir vielleicht was Gutes tun?“ fahre ich einfach fort. Seine Augen öffnen sich halbmast und eine Augenbraue zuckt schwach nach oben, da sie scheinbar nicht oben bleiben will. Besorgt hockerl ich mich neben ihn, streiche über seine Stirn, über seine Augen und seine Wangen. Danach erhebe ich mich leicht, setze meine Lippen sanft an seine Stirn, sowie auf die Augen, Wangen und zu guter Letzt auch auf seine Lippen. Diesmal erwidert er sofort die Lippenberührung und ich beginne seinen Nacken etwas zu massieren, während er meinen Nacken packt und mich näher zu sich zieht. Er leckt mit seiner Zunge über meine Lippen, ich gewähre ihm Einlass und er intensiviert den Kuss, während ich die Massage zu seinen Schultern ausweite. Meine Gedanken rasen mit meinem Herzschlag mit, bis mir in den Sinn kommt, was er gemeint haben könnte, mit ‚ überzeuge mich, dass ich dein Prinz bin‘. Meinte er vielleicht, ob ich es schaffe, dass er sich in mich verliebt? Vielleicht, … ich weiß es wirklich nicht. Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob ich wirklich Cinderella darstelle. Aber diese Ähnlichkeiten sind schon auffällig. Seto rückt den Stuhl, auf dem er sitzt, ein Stück zurück und zieht mich auf seinen Schoß. Mir ist es im ersten Moment etwas unangenehm, ihm gar so nah zu sein. Aber dieses Gefühl legt sich langsam und ich genieße es, ihm so nah sein zu dürfen. Bevor uns die Luft ausgeht, lösen wir uns voneinander und Seto ist auch einiges entspannter durch meine Massage. Er wirkt nun auch nicht mehr so müde, wie zuvor. „Geht´s dir besser?“ frage ich, mit einem kleinen Lächeln. „Ja, danke. … Warum bist du eigentlich gekommen?“ Ich ziehe meinen Kopf ein und blicke verlegen zu Boden, ehe ich nuschle: „Es ist mir etwas unangenehm, dass wir scheinbar Gesprächsthema Nummer eins sind. Überallhin folgen mir böse und wütende Blicke und überall wird über uns getuschelt. Ich hoffe, dass es bei den Blicken und dem Getuschel bleibt, denn ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte.“ „Ist das so schlimm für dich? Das geht auch wieder vorbei, dann werden sie es akzeptiert haben.“ Ruckartig blicke ich ihm verwundert in die Augen. „Nein, gar nicht. … Du willst sie im Glauben lassen, wir wären zusammen?“ „Warum denn nicht? Ist das denn nicht dein Ziel?“ Mit offenem Mund starre ich ihn an und er lächelt mich einfach nur an. Ein Lächeln, das man auch in seinen Augen sehen kann. Wunderschön. Ich bin ganz verzückt, sodass ich sein Lächeln nur erwidern kann. In diesem Moment tauchen plötzlich in der Tür zwei Mädchen auf, die sofort schreien: „Runter von Kaiba!“ Sie stürmen auf mich zu – ich bin viel zu perplex, um sofort zu reagieren - und ziehen mich von seinem Schoß, sodass ich mit meinem Hintern auf dem Boden lande. „Hey, was soll das?“ beschwere ich mich dann. Doch unvorhergesehen stürzen sie sich auf mich, um mir sichtlich wehzutun. Sie reißen an meinen Haaren, an meiner Kleidung und Seto kann das nur fassungslos mitansehen, denn er scheint es nicht zu wagen, sich zu rühren. Obwohl ich mich wehre, schaffe ich es nicht, zu verhindern, dass ich zum Schluss, nachdem sie von mir ablassen, so auszusehen, wie ich zuhause für gewöhnlich aussehe. „Du!“ Ihr Entsetzen steht in ihren Gesichtern geschrieben. „Du hast kein Recht, dich Kaiba an den Hals zu werfen, du Stück Scheiße. Du kommst jetzt sofort mit nach Hause.“ Ich werde an den Haaren von beiden mitgezogen, aber schaffe es noch, Seto einen leidenden Blick zuzuwerfen. Er hat sich bereits erhoben und will mir nacheilen, doch meine Stiefschwestern zerren mich unnachgiebig mit sich, durch den Flur. Durch einen dummen Zufall verliere ich in diesem Augenblick meinen rechten Schuh. Ich blinzle und komme mir allmählich wirklich vor, wie in Cinderella. Wenn das so weitergeht, hege ich bald keinen Zweifel mehr. Aber, auch, wenn ich meinen Schuh verloren habe, bezweifle ich, dass es ihm helfen wird, mich so zu finden. Da das hier das reale Leben ist, wird sich das nicht spielen. Ich kann nur hoffen, dass Seto einen Weg findet, mir zu helfen. - Seto´s POV – Das darf doch nicht wahr sein? Was war das denn jetzt? „Yumi!“ Mein Herz setzt für einen Moment aus. Meine Gesichtszüge sind entgleist und mir steht der Schock ins Gesicht geschrieben. Ich versuche die beiden verrückten Mädchen aufzuhalten, doch ich verliere sie aus den Augen. „Verdammt! Ich weiß doch nicht, wo ich dich finden kann. Ich kann nur hoffen, dass du morgen wieder in die Schule kommst.“ Mein Gang verlangsamt sich, bis mein Blick auf einen Schuh trifft. Skeptisch hebe ich eine Augenbraue und dann breche ich in Gelächter aus. Yumi hat ihren Schuh verloren. Ich fasse es nicht. Sie scheint wirklich das Märchen zu leben. Ich hebe den Schuh auf und betrachte ihn. Es handelt sich hierbei um einen üblichen, allerdings recht hübschen, Damenschuh. Wenn ich dem Märchen glauben schenke, müsste ich jetzt eine Ankündigung machen, die in etwa lautet, wie: „Alle Mädchen, im Alter von 17 Jahren, die auf die Domino-High gehen, sollen in meiner Villa antanzen und den Schuh anprobieren.“ Hm. Das könnte trotzdem problematisch sein. Wie soll Yumi ihnen entkommen? Ich muss herausfinden, wo sie wohnt. Vielleicht kennt sie ja jemand. Und der Schuh ist leider mein einziger Hinweis. Da sollte sich doch sicher jemand finden lassen. Und beim Schuhladen fange ich am besten an. *** Am nächsten Tag in der Schule, in der ersten Pause, in der Yumi gewöhnlich kommt, um mich zu besuchen, bleibt sie allerdings fern. Ich mache mir Sorgen um sie. Und ich muss zugeben, dass ich sie auf unerklärliche Art und Weise vermisse. Ich befürchte, dass ich mich bereits an sie zu sehr gewöhnt habe, obwohl wir uns noch gar nicht so lange persönlich kennen. Ach, verdammt. Wo bist du, Yumi? Die Recherchen haben leider zu nichts gebracht. Was soll ich nur tun? … Hmmm, … Ich glaube, ich habe eine bessere Idee. Ich könnte ihren zwei Stiefschwestern doch schöne Augen machen, bis sie mich mit zu sich nach Hause nehmen. Dann könnte ich Yumi da herausholen. Entschlossen erhebe ich mich von meinem Sitzplatz und gehe den Flur entlang, Ausschau haltend nach den beiden verrückten Mädchen, die hier auch auf die Schule gehen. Unauffällig sehe ich durch die Mädchen, als ich den Schulhof erreiche und stolziere auf meinen Platz zu. Wenn sie mich erblicken, dürften sie von selbst auf mich zukommen. Wie erwartet tänzeln die Beiden auf mich zu und setzen sich dreist jeweils eine neben mich. Jede von ihnen vereinnahmt einen Arm, sodass ich mich nicht mehr rühren kann. Ich weiß jetzt schon, dass ich diese beiden Mädchen abgrundtief verabscheue. Aber sie sind leider meine einzige Möglichkeit, Yumi zu finden. Also versuche ich mit ihnen Kontakt aufzunehmen und verbeiße mir dabei jegliche Beleidigungen, die mir auf der Zunge liegen. Ganz im Gegenteil versuche ich übertrieben freundlich zu wirken. „Was beschert mir das Vergnügen zu solch hübschen jungen Damen?“ Sie kichern. Irgh, wie ekelhaft. Was tut man nicht alles, um glücklich zu werden. … Häh? … Ist dem so? … Kann ich mit Yumi wirklich glücklich werden? … Ich atme tief durch und seufze. Sie hat es scheinbar geschafft. Nicht nur, dass ich ihr zuliebe das Märchen nachahme, jetzt habe ich mich auch noch ernsthaft in sie verliebt. Toll. Echt ganz toll. … Wie allerdings soll ich nun vorgehen? Eins steht aber fest. Ich darf unter keinen Umständen Yumi erwähnen. „Darf ich nach euren Namen fragen?“ fahre ich also fort. „Ich bin Shiela.“ kommt von links. „Und ich heiße Aisha.“ kommt von rechts. „Freut mich, euch kennen zu lernen. Ich nehme nicht an, dass ich mich euch extra vorstellen muss.“ „Nein, nicht nötig. Wir wissen, wer du bist.“ erklärt Aisha kichernd. „Schön.“ Und schon weiß ich nicht mehr, was ich mit denen reden soll. Mit Yumi war alles irgendwie leichter. Sie hat einfach drauf los geredet und ich habe dann meinen Senf dazu gegeben. Wie soll ich den beiden, bitte, schöne Augen machen? Sie sind abstoßend und einfach nur widerlich. Aber Yumi ist es allemal wert, wenn ich diese Prozedur auf mich nehme. Kapitel 3: Abendessen in der Höhle der Löwin -------------------------------------------- Kapitel 3: Abendessen in der Höhle der Löwin - Seto´s POV - Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber Aisha und Shiela – Warum habe ich mir überhaupt ihre Namen gemerkt? Ach, ja. Ich muss sie ja von mir überzeugen. – haben mich zum Abendessen, zu ihnen nach Hause eingeladen. Ob sie überhaupt noch einen Gedanken an Yumi verschwendet haben? Oder sie sind einfach nur strohdumm. Sie haben mir auf jeden Fall ihre Adresse aufgeschrieben, wo ich gegen 18 Uhr erscheinen soll. Und ja, ich werde dorthin gehen, um die Lage unter die Lupe zu nehmen. Es könnte nämlich sein, dass ich Yumi suchen muss. Sie hat mir ja erklärt, dass ihre Stiefmutter eine sehr gerissene Frau ist, da muss ich mit allem rechnen. Aber ich bin nicht weniger gerissen. Ich werde die Frau schon durchschauen, mit meiner überragenden Menschenkenntnis. Und mein Bauchgefühl hat mich auch noch nie enttäuscht. Ich werde mich ganz auf mein Gefühl verlassen, und wenn es notwendig sein sollte, auch improvisieren. Aber mein Plan sollte eigentlich keine Fehler aufweisen. So sitze ich im Arbeitszimmer meiner Villa und sinniere über das Abendessen, das demnächst stattfinden soll. 16.30 Uhr. Ich sollte mich jetzt allmählich fertig machen. Ich erhebe mich aus meinem Bürostuhl und begebe mich in mein Schlafzimmer. Dort entkleide ich mich, gehe ins Badezimmer und genehmige mir eine entspannende Dusche. Nach ausgiebigem Waschgang trockne ich mich mit dem bereitgelegten Handtuch ab und kehre ins Schlafzimmer zurück. Ich durchforste meinen Kleiderschrank nach etwas nicht so übertrieben schicken Sachen und entscheide mich für eine schwarze Stoffhose und ein weißes Hemd, das ich sodann ankleide. In der Küche angekommen, genehmige ich mir noch eine Tasse schwarzen Kaffee, als Mokuba herein schneit. „Seto, was hast du denn vor? Ich hab dich noch nie so legere gesehen.“ „Bin zum Abendessen eingeladen, bei so zwei Mädchen, um ein drittes zu sehen.“ „Äh, … ich versteh nicht ganz.“ „Nicht so wichtig. … Wenn sich alles geklärt hat, erzähle ich dir alles.“ „Na, gut. Ich mach dann Hausaufgaben und bin danach in meinem Zimmer Videospielen. Wann kommst du denn wieder?“ „Es wird sicher nicht so spät. Ich werde nur so zwei Stunden dort bleiben.“ „Ach, so. Ich finde es übrigens toll, dass du mal eine Zeit lang nicht nur an die Firma denkst, sondern ausgehst und mal an dich denkst. Und bring eine Freundin mit.“ grinst er schelmisch. „Mokuba. Ich denke, das hat echt noch Zeit. Dräng mich doch nicht. Ich arbeite doch eh schon daran.“ „Das ist ja toll. Ich hoffe, dass du dein Glück findest. Und dass sie dich auch glücklich macht.“ „Ganz bestimmt.“ murmle ich in meinen nicht vorhandenen Bart. „Also bis später. Ich mache mich dann jetzt auf den Weg.“ füge ich noch an. „Ja, viel Spaß.“ Ich verdrehe meine Augen und trinke die Kaffeetasse aus. Danach gehe ich in die Empfangshalle und ziehe mir dazu passende schwarze Schuhe und einen schwarzen Mantel an, was mein Outfit komplettiert. Keine Minute später habe ich die Villa verlassen und steige in meinen dunkelblauen Rolles Royce. Vor dem Haus, in einer gar nicht so schlechten Gegend, halte ich und parke den Wagen. Das muss es sein. Von außen sieht das Haus sogar recht neu aus. Mit dem kleinen Vorgarten wirkt das Grundstück recht sympathisch, auf dem mehrere kleine Blumenbeete gepflanzt sind. Wirklich hübsch hier. Dann bin ich mal gespannt, wie es drinnen aussieht. Ich nähere mich der Haustür und klingle. Nach wenigen Sekunden höre ich Gestolpere und die Stimmen der zwei Mädchen, wie sie sich darum streiten, wer von ihnen nun die Türe öffnet. Dann höre ich IHRE Stimme, wie sie fragt, ob sie stattdessen die Türe öffnen soll. Danach vernehme ich eine herrische Frauenstimme, die IHR anweist, in ihr Zimmer zu gehen, da sie vornehmen Besuch erwarten und sie nicht anwesend zu sein hat. Meine Augenbrauen ziehen sich wütend zusammen. Die haben echt kein Benehmen. Mir wird die Tür von der Hausherrin geöffnet, die mich plötzlich mit schleimiger Stimme bittet, einzutreten und mir wird extremst übel. Ich leiste ihr Folge und betrete das Haus, während ich mich umsehe. Nicht luxuriös, aber dennoch geschmackvoll eingerichtet. Nachdem ich mich meiner Schuhe und meinem Mantel entledigt habe, werde ich in einen Essraum geleitet, wo mir freundlichst ein Platz angeboten wird. Wenn das so weitergeht, muss ich mich echt übergeben. Ich hasse solche schleimigen Individuen. „Meine Töchter ziehen sich noch um. Sie werden schon bald zu uns stoßen. Wollen Sie in der Zwischenzeit vielleicht etwas trinken?“ „Was haben Sie denn da?“ „Orangensaft, Apfelsaft und sämtliche Teesorten.“ „Wie sieht´s aus mit Kaffee?“ „Ähm, … sicher doch. … Yumi!!! Kaffee!!!“ brüllt sie den letzten Teil. „Ich eile, Mutter.“ kommt vom Obergeschoss etwas leiser zurück. Unverkennbar Yumi´s Stimme. Danach vernehme ich Schritte, die in den Keller zu eilen scheinen. Ich verziehe angewidert mein Gesicht, fasse mich aber sofort wieder. Ich muss mit Yumi reden, um sie hier rauszuholen. Daher sollte ich mir überlegen, wie ich ihre Stiefmutter ablenke. „Kann ich Ihnen ein Glas Wasser zum Kaffee anbieten, Mr. Kaiba?“ „Ja, bitte.“ Jetzt bin ich doch durstig geworden. Die Frau macht sich auch sofort daran, mir ein Glas mit Wasser zu überreichen. Mir muss irgendetwas einfallen. Warum fällt mir nichts ein? Ich kenne diese Leute leider zu wenig, um sie einschätzen zu können. Warum flieht Yumi nicht einfach? Ist es wegen dem Märchen? Liegt ihr wirklich so viel daran? Hm, … Wenn dem so ist, müsste ich eigentlich einen Ball geben. … Keine schlechte Idee. … Vielleicht als Ablenkungsmanöver? … Oder sollte ich wirklich ihren Schuh als Ausrede verwenden? Ich mache einen Schluck aus dem Glas mit Wasser. Ich höre Kettengerassel, das sich dem Essraum nähert. „Mutter, der Kaffee.“ höre ich Yumi´s Stimme an der Tür zum Essraum. Ich wende meinen Blick zu ihr und stocke. Selbst, wenn sie so zerlumpt aussieht, strahlt sie eine Schönheit aus, die einfach bemerkenswert ist. „Seto.“ formt sie mit ihren Lippen, als ihre Stiefmutter auf sie zukommt und ihr den Kaffee abnimmt. Erst jetzt stelle ich fest, dass Yumi einen Kettenring um den Hals trägt, dessen Kette irgendwo in den Flur führt. Ach, deshalb kann sie nicht fliehen. Sie wurde angekettet. Welch Grausamkeit. Dennoch strahlt sie mich überglücklich an. Sie scheint sich echt zu freuen, mich zu sehen. Ihre Stiefmutter geht zur Kaffeemaschine und bereitet den Kaffee für mich vor, als ich Stimmengewirr vernehme. „Hey, Miststück, verschwinde auf dein Zimmer. Du hast hier nichts verloren.“ kommt von Shiela und ich würde mich am liebsten übergeben. Wie kann man dieses wundervolle Mädchen nur dermaßen beschimpfen und misshandeln. Ich sollte die Frau dem Jugendamt melden, da Yumi noch minderjährig ist. … Ja, das wäre eine Idee. Ich sollte aber dennoch vorher mit ihr reden, ob sie das überhaupt will. Da betreten die zwei Hyänen, auch Mädchen genannt – dass sich sie so schimpfen, ist schon eine Beleidigung - auch schon den Essraum und schreiten auf mich zu. „Guten Abend, Kaiba. Schön, dass du unserer Einladung gefolgt bist.“ verbeugen sie sich höflich. Na, wenigstens jemand hat Anstand in diesem Haus. Ich allerdings nicke nur, zur Begrüßung. Kurz darauf werde ich auch schon gefragt, wie ich den Kaffee denn gern hätte. „Schwarz, bitte.“ Und kurze Zeit später habe ich eine dampfende Tasse Kaffee vor mir stehen. Ich nehme sie in die Hand, puste gegen den Dampf und probiere einen Schluck. Naja, er schmeckt annehmbar. Die beiden Mädchen machen sich derweil im offenen Küchenbereich zu schaffen. Wahrscheinlich kümmern sie sich um das Abendessen. Ob sie kochen können? Allerdings fällt mir gerade ein, wie ich unauffällig ein Gespräch mit Yumi suchen kann. „Verzeihen Sie, aber wo finde ich denn, bitte, die Toilette?“ „Im Obergeschoß, rechte Seite, zweite Tür rechts.“ Danach vernehme ich ein Getuschel. Zum Glück habe ich sehr gute Ohren. „Aber, Mama. Dieses Klo ist doch gegenüber von Yumi´s Zimmer.“ wirft Aisha ein. „Das weiß doch Mr. Kaiba nicht.“ „Wie du meinst.“ kommt daraufhin von Shiela und Aisha zuckt nur mit den Schultern. Gut zu wissen. Ich erhebe mich also und entschuldige mich. Danach mache ich mich auf den Weg nach oben. Vor dem angeblichen Zimmer von Yumi bleibe ich stehen. Die Tür ist einen Spalt geöffnet auf Grund der Kette, an die Yumi gelegt ist. Wie ich vorhin auch feststellen durfte, nimmt die Kette ihren Ursprung direkt vor dem Treppenabsatz im Erdgeschoß. Und sie ist vermutlich gerade so lang, dass sie jeden Bereich im Haus betreten kann. Wenn ich dem Märchen Glauben schenke, dann macht Yumi für gewöhnlich den gesamten Haushalt. Was bedeutet, dass ich nur hoffen kann, dass das Abendessen genießbar ist. Ich schiebe die Tür ganz auf und werfe einen Blick ins Zimmer. Yumi liegt auf ihrem Bett und starrt an die Zimmerdecke. „Ist dir langweilig?“ frage ich in die Stille. „Seto!“ Sie springt vom Bett auf und fällt mir um den Hals. Ich schließe sie in eine Umarmung und streiche ihr beruhigend über den Rücken. „Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du mich heute in der Pause nicht besuchen gekommen bist.“ „Tut mir leid. Meine Stiefmutter hat mir fortan verboten, in die Schule zu gehen. Sie wusste ja nicht einmal, dass ich zur Schule ging. Sie hätte es mir ja auch niemals erlaubt, dass ich mich bilde. Ihre Töchter sind nämlich strohdumm und ihre Noten in der Schule sind gerade mal etwas akzeptabel. Sie duldet nicht, dass ich besser bin, als ihre Töchter. Dabei sind sie einfach nur zu faul.“ Das erklärt natürlich ihre Dummheit, mich zu ihnen eingeladen zu haben. „Das ist wirklich grausam. Jedem Mensch sollte eigentlich die Bildung zu teil werden dürfen. … Aber mal zu etwas anderem. Wie stellst du dir vor, wie ich dich retten soll?“ Wir lösen die Umarmung und ich betrachte mir die Kette, um Yumi´s Hals. „Hättest du etwas dagegen, wenn ich das Jugendamt verständige?“ frage ich sie. „Würde ich dann nicht in ein Heim kommen? Oder zu Pflegeeltern?“ „Wenn du willst, kann ich das so regeln, dass du anschließend bei mir bleiben darfst.“ „Das würdest du für mich tun?“ Ich nicke zur Bestätigung und wieder fällt sie mir um den Hals. Zugegeben, es freut mich wirklich, wenn sie mir um den Hals fällt. Es fühlt sich schön an, sie bei mir zu wissen. „Dann werde ich gleich morgen jemanden vom Jugendamt kommen lassen. Ich werde ihm auch raten, drei Polizisten mitzunehmen. … Hast du deine Sachen denn noch am Bahnhof gelagert?“ „Mhm.“ bestätigt sie mir. „Gut. … Ich sollte jetzt wieder nach unten gehen. Offiziell bin ich auf der Toilette.“ „Ja, das ist immer eine gute Ausrede, wenn man wo hin will, wenn es sonst niemand wissen soll. … Holst du mich morgen ab? … Oder treffen wir uns am Bahnhof.“ „Ich komme dich abholen und deine Sachen lasse ich vom Bahnhof abholen.“ „Hier hast du den Schlüssel vom Schließfach. … Und danke.“ „Keine Ursache.“ Und ich nehme den Schließfachschlüssel entgegen. Sie löst sich etwas von mir und lächelt mich glücklich an. Ich kann einfach nicht anders und küsse sie. Sie erwidert den Kuss und drückt sich noch näher an mich. Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, diesen schwarzen Umschlag geöffnet zu haben. Ich hätte nie gedacht, dass ich zu meinen Lebzeiten in ein Märchen gezogen werde, auch wenn es sich hierbei um die Realität handelt. Und Yumi ist einfach nur wundervoll. Zweifelsohne hätte ich es zutiefst bereut, wenn sie sich das Leben genommen hätte. Wir lösen uns voneinander, ich nicke ihr zum Abschied und mache mich wieder auf den Weg nach unten. Nachdem ich mich wieder im Essraum auf meinem zugewiesenen Platz gesetzt habe, trinke ich meine Tasse Kaffee aus, da sie bereits bis zur Trinktemperatur ausgekühlt ist. Wenig später wird mir auch das Essen serviert und die beiden Hyänen setzen sich jeweils neben mich. Sie säuseln mich voll und ihre Mutter lächelt zufrieden. Ich hoffe wirklich, dass ich die Beiden morgen nicht länger ertragen muss. Ich kriege sonst echt noch die Krise. Nach dem Essen wird abgeräumt und das Geschirr, scheinbar nur für Yumi, einfach neben der Spüle aufgestapelt, neben den Töpfen, mit denen gekocht worden ist. Das Essen hat zwar nicht ungenießbar geschmeckt, aber dennoch bevorzuge ich es, zuhause zu Essen, wo ich mir sicher sein kann, dass das Essen wirklich schmeckt. Einige Zeit später bin ich dann endlich erlöst, verabschiede mich höflich und mache mich auf, zu meinem Rolles Royce. Endlich kann ich wieder nach Hause fahren. Und endlich weiß ich, was ich tun kann, um Yumi aus dem Irrenhaus zu holen. Ich starte den Wagen und fahre nach Hause. Noch unterwegs rufe ich beim Jugendamt an und regle alles. Zuhause angekommen suche ich sofort Mokuba auf und erkläre ihm, dass wir morgen eine neue Mitbewohnerin haben werden. Auch erkläre ich ihm nun die ganze Situation, die ich ihm vor meinem Aufbruch noch verschwiegen habe. Mokuba freut sich natürlich total für mich, dass ich jetzt eine Freundin habe. Ich verdrehe nur meine Augen und mache ihm klar, dass dem noch nicht so ist, aber ich vorhabe, Yumi zu fragen. Mokuba´s Augen funkeln erfreut. Danach begebe ich mich auch gleich zu Bett. Der Tag ist recht anstrengend gewesen, obwohl ich nur zu einem Abendessen gefahren bin. Aber das hat eindeutig an denen gelegen, bei denen ich war. Einfach nur grauenhaft. Und nie wieder tue ich mir so etwas an. Kapitel 4: Happy End -------------------- Kapitel 4: Happy End - Yumi´s POV – Es ist Samstag, ich putze gerade die Küche sauber, nach dem Frühstück, als es an der Tür läutet. „Ich gehe schon.“ rufe ich und eile an die Tür, während ich meine Kette schwer nachziehe. Aber mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt. Gestern hatte ich ja auch keine Probleme, Seto damit zu umarmen. Nachdem ich die Tür geöffnet habe, werde ich von einem geschockten und entsetzten Blick getroffen und ich senke beschämt meinen Blick. Das ist der Mann vom Jugendamt. Das weiß ich daher, weil drei uniformierte Leute hinter ihm stehen, die eindeutig von der Polizei sind. Die Polizisten sehen sich gezwungen einzugreifen und schreiten ins Haus, an mir vorbei, um das Haus zu durchsuchen. Kurze Zeit später höre ich Geschrei und Gepolter und wenige Augenblicke danach kommt wieder ein Polizist zu mir – ich habe es nicht gewagt, mich vom Fleck zu rühren und stehe daher immer noch an der geöffneten Haustür - und schließt die Kette an meinem Hals auf, die er mir auch vom Hals löst. Danach erblicke ich einen Polizist, der Mutter voranschiebt, die anscheinend mit Handschellen festgenommen wurde. Und meine Stiefschwestern werden vom dritten Polizisten ebenfalls nach draußen geführt. Der Jugendamt Beamte nimmt meine Stiefschwestern mit sich und setzt sie in seinen Wagen, bedankt sich bei den Polizisten und fährt bereits davon. Der Polizist, der meine Stiefmutter anschiebt, setzt sie in den Polizeiwagen und ein anderer teilt mir mit: „Miss Matoshi, Ihre Stiefmutter wird in Gewahrsam genommen. Da sie daher nicht auf ihre Töchter aufpassen kann, werden diese in der Zwischenzeit in Pflegefamilien kommen, bis ihre Mutter wieder aus dem Gefängnis kommt. Das kann allerdings bis zu zwei Jahre dauern. … Es wurde entschieden, dass der Grundbesitz auf Sie übergeht. Da Sie allerdings zu Mr. Kaiba ziehen werden, wird der Grundbesitz verkauft und das Geld wird Ihnen überwiesen. … Mr. Kaiba wird Sie demnächst abholen kommen. Nehmen Sie alles mit, was Sie glauben, noch zu benötigen, denn später gibt es für Sie keine Möglichkeit mehr dazu.“ Ich nicke dankend und die Polizisten fahren mit meiner Stiefmutter davon. Mir fallen ein Stein vom Herzen und eine ganz schwere Last von den Schultern. Ich bin frei! Endlich frei! Ich kehre sofort ins Haus zurück und durchforste die Zimmer von meinen Stiefschwestern, sowie das Zimmer meiner Stiefmutter. Jeglichen Schmuck packe ich in eine Tasche, sowie andere Wertsachen, die meine Stiefmutter ohne mein Geld gar nicht hätte. Danach schließe ich das Haus ab und warte im Vorgarten auf Seto. Dieser lässt auch nicht lange auf sich warten. Er kommt gerade mit seinem Rolles Royce angefahren und parkt direkt vor dem Hauseingang. „Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit, Miss Matoshi?“ werde ich lächelnd gefragt, nachdem er seine Fensterscheibe nach unten wandern gelassen hat. Ich grinse ihn glücklich an. „Da sage ich bestimmt nicht nein, Mr. Kaiba. Danke, dass Sie gekommen sind.“ „Das mache ich doch gerne. Aber sagen Sie, wollen Sie eigentlich mit mir zusammen sein?“ Ich mache große Augen. „Ist das dein Ernst?“ Er nickt nur. „Ja. Sicher, will ich mit dir zusammen sein.“ „Gut. Dann komm, steig´ ein und lass´ uns nach Hause fahren.“ Stimmt. Ich habe jetzt ein neues Zuhause. Ab jetzt darf ich bei Seto wohnen. Mit seinem kleinen Bruder Mokuba zusammen. Sofort marschiere ich auf den Rolles Royce zu und nehme auf dem Beifahrersitz Platz. Nachdem ich mich angeschnallt habe, küsse ich ihn ausgiebig zum Dank und danach fährt Seto los. Auf, in ein neues, besseres Leben, mit Seto Kaiba! ~ Ende ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)