How to be ... von Sherlockfreak ================================================================================ Kapitel 7: FORTHCOMING ---------------------- “Do or do not, there is no try.” - Yoda, Empire Strikes Back   Als John am nächsten Morgen nach Hause kam, fand er etwas vor, was er nicht erwartet hätte. Eigentlich hatte er gedacht, dass alle friedlich schlafen würden, sogar Jaina. Da hatte John angenommen, dass sie nicht bei Jim schlafen würde. Nun, das hatte sie auch nicht getan. Aber offensichtlich war letzte Nacht etwas passiert, was höchst merkwürdig gewesen sein musste.  Der – immer noch leicht angeschlagene – Sherlock saß wach, aber offensichtlich todmüde im Sessel, während Jaina und Jim am Sofa nächtigten. Von Cathy war bis jetzt noch nichts zu sehen. Doch es war klar ersichtlich, dass die beiden Leute am Sofa letzten Abend einiges intus gehabt hatten, also wollte sich der Arzt nicht vorstellen, wie seine Berufsgenossin aussah.  „Sherlock, was ist hier passiert?“, wollte er dann leise wissen, obwohl John wusste, dass er selbst schnell ins Bett musste. Es war eine anstrengende Schicht gewesen, mit gefühlten zwanzig Herzinfarkten und bestimmt tausend Notoperationen. Was war nur los auf Londons Straßen?!  Der Befragte schüttelte nur mit dem Kopf und deutete in die Küche. Johns Blick folgte dem ausgestreckten Finger. Auf dem Küchentisch lag Cathy. Und das so friedlich und entspannt, als ob sie im Bett liegen würde. John schaute wieder auf Jaina und Jim. Sie lag auf dem Bauch an der Wand, zur Hälfte zugedeckt, während Jim ein Bein über ihre gelegt hatte und bis auf dieses eine Bein ganz zugedeckt war. Beide hatten kein Kissen. „Das erklärt noch gar nichts“, erwiderte John leicht grumpfelig.  „John, ich hoffe, Küsse bedeuten noch etwas anderes als Liebe“, brachte Sherlock da heraus. Er klang so rau, als ob jemand mit einem Sägefräser seine Stimmbänder bearbeitet hätte.  Verwundert schaute der Arzt den Detektiv an, schüttelte den Kopf und ging in die Küche. Wahrscheinlich konnte Cathy ihm mehr erklären als alle anderen. „Natürlich Sherlock. Sie können alles bedeuten. Küsse sind wie Sprechen, nur ausdrucksstärker. Wenn ich Sarah vermisse, sage ich ihr das nicht nur, sondern ich küsse sie lang, dann weiß sie das besser. Und wenn ich mich freue, weil Jaina aufgeräumt hat, dann küsse ich sie auf die Wange und sie weiß, dass ich mich freue. So läuft das“, erklärte er dann gemäßigt. Manche Menschen, natürlich, sahen einen Kuss einfach als Liebesbeweis, aber John hielt es lieber so, dass jedes Verhalten eine andere Bedeutung hatte. Wieso sollte er andere zum Beispiel nicht umarmen können? Nur, weil Umarmung mit richtig-viel-mögen-und-gleich-anfassen-wollen verbunden war?  „Cathy? Bist du wach?“  „Hmmm… nein.“  „Na gut, dann wecke ich erst Jaina und Jim auf“, beschloss John daraufhin und tigerte wieder ins Wohnzimmer. Er wollte sicherstellen, dass alle wach waren, wenn er ins Bett ging.    „Oh heilige Jungfrau“, stöhnte Jaina als sie am Wohnzimmertisch saß, vor ihr eine Tasse Kaffee, neben ihr Jim und ihr gegenüber eine verschlafene Cathy. „Was ist gestern Nacht passiert?!“  „Das kann ich dir genau sagen“, gähnte Jim und trank einen großen Schluck schwarzen Kaffee.    Jaina und James kommen gut gelaunt an Sherlocks Wohnung an, obwohl beider Füße schmerzen lachen sie ausgelassen. In der kristallklaren Nacht klingt es fast als würden zwei aufeinander abgestimmte Glocken klingen. Zumindest kommt es Jaina so vor, die inzwischen so angesäuselt ist, dass sie auch das Bellen eines Hundes romantisch finden würde. Jim – oder jetzt auch James – an ihrer Seite hat mindestens genauso viel intus wie sie und das liegt nur daran, dass der Wein so gut war in dem Hotel und dass man gar nicht merkt, wie viel man trinkt, bis man nach außen geht und es einem vorkommt, als verschwimme die Welt und man tauche in eine neue, magischere ein. Die beiden betreten die Wohnung, in der es fein nach frisch aufgebrühtem Tee duftet und die Wärme umfängt beide mit offenen Armen. Sofort legen sie die leichten Mäntel ab und streifen sich die Schuhe von den Füßen; Jaina ist dabei sehr erfreut über die Tatsache, dass Jim sich hier schon heimisch fühlt.  „Jaina! Jim!“, werden sie von einer überdrehten Cathy begrüßt. Sie stürmt auf beide zu und fällt erst Jaina um den Hals. Dann Jim.  „Cathy, was ist los?“, will die Mathedozentin wissen. Sie weiß schon allein an der Haltung ihrer Freundin, dass etwas großartiges passiert ist. Allerdings hat sie keine Vorstellung, was. Doch, hab ich. Verwundert schaut Jaina Cathy an. Ja, tatsächlich hat sie eine ganz konkrete Vorstellung davon, was vermutlich geschehen ist. Dennoch formten sich die Gedanken nicht ganz zu Ende, zum einen wegen dem Alkohol – sie nimmt sich vor, ihn in nächster Zeit nicht mehr anzurühren – und wegen Jim, der neben ihr so unverschämt gut riecht. Und zum anderen ist Jaina sehr müde und sehr geschafft.  „Sie hat das erste Rätsel gelöst“, ertönt da Sherlocks volle Stimme. Bis jetzt hat er sich in einem Sessel versteckt gehalten, doch offensichtlich hält er es jetzt für angebracht, etwas zu sagen. Jaina findet, mit Alkohol im Blut hört sich Sherlock noch besser an als sonst – fast so gut wie James. Dann realisiert sie, was er gesagt hat.  „Du hast was?!“, ruft sie und umarmt Cathy, die ganz rot im Gesicht vor Freude ist.  „Das Rätsel gelöst! Ganz alleine!“, freut diese sich ganz offen, springt in die Küche und kruscht herum. Währenddessen lassen sich Jaina und Jim auf das Sofa nieder. Sie streckt die Beine aus.  „So schön wie heute Abend war es schon lange nicht mehr“, grinst sie James an. Dieser lockert nur ganz cool seine Krawatte und grinst zurück. Seine Augen glänzen sehr von der Aufregung, die das Tanzen, der Spaß verursacht haben.  „Mit Sherlock hab ich schon um die Wette getrunken!“, verkündet da Cathy und tänzelt elegant in das Wohnzimmer, in der einen Hand hat sie zwei Schnapsgläser, in der anderen eine riesige Flasche Bourbon, der eine wunderschöne Farbe hat. Jaina weiß nicht so genau, ob sie das gut finden soll. „Er hat verloren und ich kann sogar noch sprechen!“, beschwert sich die Ärztin und knallt alles auf den Tisch. Erst jetzt fällt Jaina auf, dass an Cathys Unterhemd ein Ärmel fehlt. Wie das passiert ist, will sie gar nicht wissen, aber sie hat eine Ahnung.  „Ich habe nicht verloren, ich habe dich gewinnen lassen“, ranzt Sherlock, steht auf und verschwindet selbst in die Küche. Cathy tätschelt übermütig seinen Hintern im Vorbeigehen.  „Cathy!“ Entsetzt schaut Jaina ihre Freundin an. Was ist denn in diese gefahren? Jim sieht derweil – das kann Jaina erkennen – sehr amüsiert aus und öffnet zwei Knöpfe seines Hemdes.  „Was? Selbst Schuld wenn er sowas behauptet“, grinst die Angesprochene nur und die Mathematikerin wundert sich nicht zum ersten Mal, warum sie sich nicht öfter betranken. Das scheint wesentlich mehr Spaß zu machen als trockene und schlechte Hausaufgaben zu korrigieren.  „Also! Auf die Logik!“, ruft da schon Jainas beste Freundin, schenkt die Schnapsgläser voll mit dem Bourbon und schiebt sie Jaina und Jim hin. „Auf ex!“  Gehorsam kippen sie sich den Stoff runter.  Nur um danach in höllisches Gehuste auszubrechen.  „Was ist das denn für ein Gesöff?“, keucht James atemlos. Sein Gesicht ist gerötet und er sieht aus, als habe er soeben eine lebendige Ratte verspeist. Jaina hustet derweil und wischt sich eine Träne aus dem Auge. So etwas widerlich bitteres und brennendes hat sie noch nie getrunken.  „Bourbon aus Rumänien. Sehr billig“, erklärt Sherlock, kommt aus der Küche zurück – bewaffnet mit noch zwei Flaschen, Jaina vermutet Rum oder ähnliches, und zwei Schnapsgläsern. „Cathy und ich trinken mit.“    „Oh Himmel, will ich das alles erfahren?“, jammerte Cathy, trank ihren schwarzen Tee und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich Leute betatsche, wenn ich angetrunken bin.“  „Ich kann nicht glauben, dass ich bei sowas überhaupt mitmache“, stimmte Jaina in das Jammern ein, umklammerte ihre Tasse und schämte sich. „Wird es noch schlimmer?“  „Du willst wissen, ob es schlimmer ist, wenn ihr beide vollkommen betrunken seid oder wenn ihr nur angesäuselt seid? Ich glaube, das kannst du dir selber denken“, lachte Jim leise. John hatte sich inzwischen hingesetzt und wartete darauf, dass der Mathedozent, der ihm irgendwie immer noch suspekt war, weitererzählte. „Okay, okay! Passt auf!“, Jaina ringt um Atem, während die drei Leute um sie herum noch ausgiebig lachen. „Ich weiß einen guten! Was ist ein Ehepaar in Säure?“  Ratlose, heitere und leicht gerötete Gesichter blicken sie an.  „Ich sag’s euch“, gibt Jaina sofort nach, woraufhin Cathy schon zu kichern anfängt. Von den anfangs drei Flaschen ist noch eine übrig. „Cathy, ich hab doch noch gar nicht gesagt!“  „Du bist so süß!“, kichert ihre Freundin. Jaina übergeht die Bemerkung geflissentlich.  „Jedenfalls… ein Ehepaar in Säure iiiist: eine gelöste Bindung!“ Sie lacht schamlos los. James stimmt grölend ein, während Sherlock, inzwischen eindeutig heiterer, sich zu einem leisen Prusten verleiten lässt. Jaina weiß aus Erfahrung, dass schlechte Chemiewitze bei Betrunkenen sehr oft ziehen, vor allem bei Singles. Aber das weiß sie im Moment nicht so klar, gerade erzählt sie einfach jeden Witz, den sie kennt. Sie ist sich bewusst, dass sie mehr als angetrunken ist, aber das ist okay, denn das sind sie alle und solange sie sorglos sein können, ist es erlaubt.  „Jaina! Saugeil!“, kreischt Cathy, gießt allen das Glas voll und kippt ihres als erstes auf ex. Jaina weiß nicht genau, seit wann ihre Freundin so trinkfreudig und –fest ist, so betrunken sind beide auf einmal noch nie gewesen.  „Yeah!“, stimmt James mit ein, trinkt sein Glas leer und hebt es in die Höhe. „Nur die Harten kommen in den Garten! Nochns!“  Ich glaube, das bedeutet Noch eines, sinniert Jaina, doch schon sind die Gedanken wieder unklar. Nicht ganz. Sie weiß, sie fängt an zu denken, aber mitten im Satz, mitten im Gedanken, geht es verloren und sie fängt wo ganz anders wieder an, anzusetzen. Das ist das schlimme am Alkohol.  Sofort ist Sherlock zur Stelle und füllt Jims Glas. Sherlock selbst nimmt stehend einen großen Schluck aus der nun halb vollen Flasche, was von Jaina und Cathy mit erheitertem Fangekreische begleitet wird. Mutig ist, wer dieses eklige Zeug so runterbekommt, denk Jaina. Jim legt den Arm um sie und reibt ihre Schulter.  „Naja, so schlimm ist das doch gar nicht“, befand Jaina und strich sich die Haare aus der Stirn. Sherlock und Cathy sahen sie entsetzt an, was sie nicht ganz verstand.  „Nicht schlimm?“, wiederholte Cathy schockiert. „Also ich finde es schon bedenklich, was ich alles so betrunken mache! Hey – hat es mir wenigstens gefallen?“ Sie schob die Frage an Jim gleich nach. Dieser nickte nur schelmisch.  „Also ich finde es auch nicht gut, dass sie sich einfach so an mir vergeht!“ Sherlock wirkte entsetzt.  John fand das schon gut. Schon allein aus Schadenfreude.  „Ach, red nicht! Dir hat das bestimmt auch gefallen!“, grinste Cathy schwach.  „Stimmt. Später dann“, erwiderte James ernst. Sofort verging ihr das Lachen.  Was John nicht gut fand war, dass alle vier so aussahen, als würden sie dasselbe gleich nochmal machen, weil es offensichtlich doch witzig gewesen war. Obwohl er den Witz von Jaina so nüchtern nicht richtig lustig fand. Laaangweilig!, denkt sich Jaina. Sie hat Flaschendrehen schon lange nicht mehr gespielt, aber sie weiß, wie das eigentlich läuft. Und sie ist angetrunken genug, um sich einzugestehen, dass sie nicht nur Ringelpietz spielen will, sondern Ringelpietz mit Anfassen.  „Laangweilig!“, ruft Jim und deutet auf Sherlock. „Junge, wir sind betrunken! Nutz das aus!“  Fragend schaut Sherlock James an. „Dann“, fängt er an und lehnt sich vor. Jaina sieht, wie Cathy die Gläser unauffällig nachfüllt. „Mach einen Vorschlag“, beendet Sherlock den Satz. Die Flasche liegt schon, aber das interessiert niemanden.  „Du drehst nochmal und auf wen die Flasche zeigt, der muss dich ans Ohr beißen“, bestimmt Jim, sogar mit ziemlich klarer Sprache. Jaina und Cathy finden den Vorschlag gut.  Sherlock schüttelt den Kopf über soviel Unreifheit, stimmt aber zu. Er dreht die Flasche nochmal, diesmal mit wesentlich weniger Elan. Sie zeigt auf Jim.  „Faaiiil“, lacht Cathy und klopft auf den Boden, während Jaina nicht weiß, ob sie es heiß oder abtörnend finden soll, dass ihr Date plötzlich den Soziopathen anmachen muss. Doch als sie beobachtet, was Jim mit Sherlocks Ohr macht, entscheidet sie sich für heiß. Die Nacht ist noch lang und wer weiß, wie lange die vier das Spiel wirklich durchziehen können.  „Ich bin dran!“, freut sich Jim, packt die Flasche und schaut die anderen freudestrahlend an. Sherlock sieht etwas schockiert aus. „Wen die Flasche trifft, der muss“, fängt er an, bricht dann aber in eine Alkoholbedingte Lachsalve aus. „Der muss… Sherlock auf den Mund küssen!“  Wahnsinnig lustig, schießt es Jaina sarkastisch durch den Kopf. Endlich geht’s los!    „Okay! Und hier unterbrechen wir!“  Erstaunte Blicke flogen Cathy zu, die genervt die Hände auf Schulterhöhe hob, die Finger weit gespreizt und mit den Handflächen zum Tisch – eine Geste unterdrückter Aggression bei ihr – und tief einatmete. „Das ist ja grauenhaft! Ich will gar nicht wissen, wie tief ich gesunken bin gestern Nacht und mit wem oder nicht“, fuhr sie gereizt fort und stand auf.  „Und was willst du dagegen tun?“, wollte John müde wissen. Er hatte keine Lust auf so ein Theater, aber es interessierte ihn schon, was diese unreifen Würstchen so alles getrieben hatten.  „Auf Arbeit gehen“, zischte Cathy die Antwort, drehte sich schwungvoll um, strauchelte bedenklich aber schaffte es dennoch, zielstrebig ins Badezimmer zu verschwinden.  „Oh nein! Na toll! Cathy!“ Sofort sprang Jaina auf, taumelte selbst ein wenig, kam aber dann zum festen Stand. Eilig ging sie zur Badezimmertür. „Cathy! Was ist los?“  „Jim, wie kommt es, dass Sie sich noch an alles erinnern?“, wollte John derweil wissen. Sherlock war auch seltsam still geworden.  „Naja, ich bin vielleicht ein bisschen mehr gewöhnt als die anderen“, schlug Gefragter vor und grinste vage. „Im Großen und Ganzen geht die Sache so aus, dass Sherlock sich nicht mehr traut, an Cathy vorbeizugehen, vor allem vor ihr. Sie misstraut ihm wenn sie hinter ihm steht oder sitzt und Jaina und ich mussten uns ein anderes Eck zum Schlafen suchen.“  „Aber wieso auf dem Küchentisch?“  „Weit genug weg für Sherlock, vom Sessel aus ein perfekter Platz zum Beobachten“, klärte Jim John auf.  „Warte. Sherlock. Hast du das arme Mädchen gezwungen, auf dem Tisch zu schlafen? Ohne Decke? Ohne Kissen? So vollkommen betrunken?!“ Entsetzt schaute er seinen einzigen Freund an. Dieser zuckte nur mit den Schultern und schaute weg.  „Wenn sie sich zwingen lässt.“  „Sherlock! Sie ist vor nicht mal zwei Tagen entführt worden und jetzt darf sie nicht mal in einem sicheren Bett schlafen?! Du solltest dich übrigens um sie kümmern!“, entfuhr es John wütend. Er war enttäuscht ohne Ende, dass Sherlock nicht mal in der Lage war, auf einen einzigen Menschen für ein paar Stunden Acht zu geben. Er war nicht nur enttäuscht, er war zutiefst erschüttert.  „Pah! Als würden mich so ein paar blaue Flecken von der Arbeit abhalten!“, giftete Cathy vor sich hin, als sie in ihrem Büro im Scotland Yard saß und die zwei verschiedenen Zettel betrachtete. Den einen konnte sie jetzt getrost zur Seite legen, der zweite musste entschlüsselt werden. Auf dem neueren Zettel befand sich auch ein Drudel. Es bestand aus einem geraden Strich, der in der Mitte von einem Kreis, der einen kleinen Durchmesser von etwa zwei Zentimetern hatte, unterbrochen war. Sie hatte die Wahl: Drudel oder den toten Mann untersuchen, der auf ihrem Tisch lag. Seit gestern. Wieso kümmerte sich da keiner drum, wenn sie mal nicht konnte? „Na, da weiß ich doch gleich, wie mein Tag besser wird.“  Entschieden stand Cathy auf und zog sich ihren weißen Kittel an, einen Mundschutz und Latexhandschuhe. „Molly, rüberkommen!“  „Miss Romeck?“ Sofort war die knuffige Pathologin da.  „Ach, nenn mich einfach Cathy. Möchtest du mir vielleicht Gesellschaft leisen, während ich diesen armen toten Kerl auseinandernehme?“ Sie drückte Molly schon die Knochenzange in die Hände. „Aber sicher willst du das. Also, auf geht’s.“  „O-okay.“    „Weißt du, Sherlock, ich könnte dir gerade voll eins auf die Nuss geben!“, motzte Jaina den reglosen Mann im Sessel an. Er sah nicht sehr gut aus im Moment, sehr abgespannt und müde, aber es war ihr egal. Jaina war nicht blind. Auch wenn sie in letzter Zeit unverschämt viel Spaß mit James hatte – harmlosen, schönen Spaß, wie ihn Freunde haben – sie sah doch, was mit ihrer Freundin los war. Und so dauerwütend hatte sie Cathy noch nie erlebt. Das könnte genau zwei Ursachen haben. Die erste war: Cathy ist noch in John verliebt und ist genervt, weil er es nicht sieht. Die zweite – und die machte Jaina wirklich mehr Sorgen – Möglichkeit war die, dass Cathy ein Auge auf Sherlock geworfen hatte. Und da sie Absagen zwar eigentlich gut abkonnte, aber mit der Zeit unglaublich jähzornig und verletzlich wurde, hatte Sherlock ihr offensichtlich wehgetan. „Du bist so bescheuert wie ein Korb Brot!“  Sauer packte Jaina ihre Handtasche, pfefferte alles wichtige hinein und stürmte zur Tür. Dann drehte sie sich nochmal um. „Nein, dümmer! Hoffentlich wirst du glücklich damit, für immer allein zu sein, begleitet von einem Freund, der dich hoffentlich wegen einer Frau verlassen wird! Mal sehen, was du dann machst, wenn du merkst, dass sich keiner mehr um dich und deine Genialität kümmert!“, keifte sie ihren letzten, vernichtenden Schlag und knallte dann die Tür hinter sich zu. Zurück blieben drei Männer, die nicht wussten, wie man mit Furien umging.  „Molly, weißt du, wie lange Chan noch Urlaub hat?“, wollte Cathy wissen, während sie nebenbei im Mikroskop Spreißel und Haare untersuchte, die eindeutig dem Opfer zugefügt worden waren. Molly machte in der Zeit das, was sie auch gut konnte. Kleidung untersuchen. Auf Spuren. Der Mann lag entkleidet herum, aber auf dem Bauch, da am Rücken interessante Einstiche waren.  „Ich glaub‘ bis nächste Woche Mittwoch. Er ist doch jetzt weggeflogen“, schätzte Molly.  „Äh – weggeflogen? Wohin denn?“ Das hatte er ihr nicht erzählt. Und das fand sie nicht gut.  „Mir gegenüber hat er was von Thailand erzählt. Zu seinen Großeltern.“  „Schön. Schön. Ich könnte kotzen“, murmelte Cathy in sich hinein. Thailand! Da konnte sie ihn nicht mal von seinem Urlaub abziehen wenn sie es wollte. Das war nicht gut.  „Bitte was?“  „Nichts. Ich könnte kotzen.“  „Wegen was denn?“, wollte Molly interessiert wissen. Da erst sah sie, dass ihre Vorgesetzte wirklich schlecht aussah. Der riesige blaue Fleck, leicht rötlich unterlaufene Augen – und jetzt sah es auch noch so aus, als würde diese junge Frau, die Molly manchmal sehr gefühlskalt vorkam, gleich losweinen müssen!  „Molly, kennst du das; du siehst jemanden und bist sofort hin und weg und dann tut dir diese dubiose Person nur weh und – oh!“ Mitten im Satz brach Cathy ab und stand auf, sofort hatte sie die kühle Fassade wieder im Gesicht. „Die DNA von dem Haar, das du vorhin gefunden hast ist endlich fertig.“  „Cathy! Komm raus aus dem Labor, wir haben Sachen zu erledigen!“  „Jaina, was machst du denn hier?“ Verwundert schaute die Rechtsmedizinerin von ihrer Arbeit auf. Ihre Freundin sah sehr aufgewühlt aus und Cathy wusste nicht genau, wie sie darauf reagieren sollte.  „Du hast das Rätsel gelöst und deswegen werden wir uns jetzt um diese Sache kümmern!“  „Jaina, du weißt genau, dass Greg mich einen Kopf kürzer macht – okay, los. Gehen wir. Molly, du schmeißt den Laden hier schon. Und streich Chan seine letzten beiden Tage, aber ruf ihn auch an. Ich komm heute nicht mehr.“  „Aber er ist doch in Thailand…?“  „Yeah? Und?“  „Naja… also… ich hab seine Nummer nicht.“ Molly sah sehr verwirrt aus.  „Stimmt. Dann sprech ihm auf den AB, dass er gleich nach der Landung seinen thailändisch gegarten Hintern hierher schwingen soll. Jetlag oder nicht.“  Gerade als sich Cathy die Handschuhe auszog und den Mundschutz in den Müll schmiss, wurde die Tür aufgestoßen und Anderson, ein Beamter bei der Spurensicherung mit dunklem Haar, heller Haut und einer flachen Nase, schaute herein. Keiner konnte ihn leiden außer Sally Donovan, aber da die beiden was am Laufen hatten, zählte das nicht.  „Miss Romeck, ich störe ungern, aber-“, fing er an, wurde aber von Cathy unterbrochen.  „Halten Sie den Rand, Anderson. Ich bin nicht mehr auf Arbeit“, erklärte sie ihm eisig.  „Aber DI Lestrade-…“  „Ja, der kann sich einen schönen Feierabend machen. Sie sind hier in der falschen Adresse, Anderson. Na los, verschwinden Sie, belästigen Sie andere mit Ihrer verbalen Diarrhoe“, scheuchte die Rechtsmedizinerin weiter, während Jaina ihr grinsend nachging. Dieser aufdringliche Schleimer hatte es schon so richtig verdient. Und jedes Mal, wenn sie ein Gespräch zwischen den beiden mitbekam, dann mobbte Cathy diese Person einfach aus dem Raum – innerhalb zweier Minuten. Irgendwann, da war sich Jaina sicher, würde Anderson ein zivilrechtliches Verfahren gegen ihre beste Freundin einleiten.    Keine halbe Stunde später befanden sich die beiden jungen Frauen auf dem Außengelände des Scotland Yard und beratschlagten, was als erstes zu tun sei. Cathy hatte beide Zettel dabei und las sie übersetzt vor.  „Also, der erste ist: Hier ist die Zahl. Und der zweite heißt: Unter dem Kaktus. Irgendwie ist das vollkommen sinnfrei. Zumindest macht der zweite Zettel keinerlei Sinn“, meinte Cathy und rieb sich die Stirn.  „Stimmt. Aber egal. Ich hab über dieses Bildchen nachgedacht und ich hab eine Idee.“  „Echt?“  „Klar. Du hast ja schon rausgefunden, dass es sich wohl um eine Kirchenglocke handelt. Und ich denke, er wird nicht irgendeine Kirchenglocke ausgewählt haben, wenn er so ein Rätsel startet, sondern etwas Besonderes. Etwas so offensichtliches, dass wir es übersehen würden.“  „Okay, ich weiß was du meinst.“  „Der Big Ben.“  Bevor die beiden den Abstecher zu der Touristenattraktion begannen, wollten sie sich allerdings noch etwas anderes anziehen. Cathy wollte sich auch duschen, sowie Jaina; beide fühlten sich nach dieser durchzechten Nacht etwas angeranzt. Und was half da besser als eine Dusche, schöne Kleidung und aufgefrischte Schminke?  „Also ich weiß nicht. Wie sollen wir am Big Ben irgendwas brauchbares finden?“ Jaina stand neben Cathy, die die Frage gestellt hatte, schick wie immer. Die Rechtsmedizinerin trug jetzt eine modisch kurze Latzhose, darunter ein knappes T-Shirt  „Keine Ahnung, vielleicht ist es ja im Glockenturm“, schlug die Designerin vor. Sie hoffte, dass sie beide da nicht hochsteigen mussten. Sie hatte sich für braune Shorts und ein weißes Top entschieden, dazu trug sie schwarze Turnschuhe.   „Irgendwie würde ich mich dem nicht so ganz gewachsen fühlen.“  „Ja, nee, so eine Klettertour wär jetzt auch nicht das Richtige für mich.“ Beide sahen sich den hohen Turm misstrauisch an. Es schlug gerade ein Uhr und der tiefe Glockenton lies die Luft vibrieren.  „Aber wenn die Zahl direkt an der Glocke dran ist?“, gab Jaina nachdenklich von sich.  „Dann gibt es einen Denkmalschänder unter uns“, stellte Cathy trocken fest. „Ich denke nicht, dass es direkt an der Glocke ist. Eher an einer Turmwand. Wieso sollte sich der Mörder für sowas in Lebensgefahr bringen, wenn er dabei das Risiko hat, etwas unvollendetes zurückzulassen?“  „Meinst du?“  „Naja, meistens stehen diese Leute doch darauf, etwas ganz zu machen. Halbe Sachen finden die nicht so cool“, erwiderte Cathy und schaute Jaina an. „Wollen wir mal außenrum laufen?“  „Klar. Bevor wir uns einen Ast klettern“, stimmte die Mathedozentin zu und lief dann neben ihrer Freundin her zum großen Glockenturm hin, was um diese Uhrzeit eine wirkliche Herausforderung war, da Touristen und dubiose Mandelhändler den Weg versperrten. Sie hätten besser die U-Bahn genommen, denn die vielen Menschen auf der Westminster-Bridge machten Jaina und Cathy nur nervös.  „Oh Mann, jedes Mal ist hier so viel los!“, beschwerte sich Cathy auch schon und wich einer chinesischen Reisegruppe aus, die Jaina und sie trennte.  „Vielleicht sollten wir uns – ich weiß nicht…“, fing Jaina an, doch die Medizinerin wedelte mit der Hand.  „Wir sollten gar nichts! Die sollten nicht immer zu den Sightseeing-Sachen gehen. Man sollte für eine bestimmte Zeit im Jahr Einreiseverbot machen oder Touristengefängnisse!“  „Bitte?“, entfuhr es der Modedesignerin, doch sie konnte nicht umhin als zu schmunzeln. Etwas Ruhe hier in der Stadt würde bestimmt nicht schaden, da hatte Cathy eindeutig recht.  „Du weißt schon, die ganzen Im-Weg-Steher einsperren!“, erklärte die Kupferhaarige grinsend und stemmte die Hände in die Hüfte, um den Big Ben aus dieser Entfernung zu betrachten. „Ich kann immer noch nichts sehen.“  „Ich auch nicht“, bestätigte Jaina, stellte sich neben Cathy und schaute sich um. „Vielleicht ist es auch nur in der Nähe.“  „Definiere Nähe“, forderte Cathy ihre Freundin auf.  „Einhundert Meter?“, schlug Jaina vor und schaute auf die Themse herunter, die trüb und verschmutzt träge im Flussbett lag und sich kaum zu bewegen schien. Manchmal wünschte sich Jaina zurück in ihr Heimatdorf, da gab es einen kleinen Bach, der war immer klar und lebendig.  „Das kann ich gerade noch vertreten.“ Damit stiefelte Cathy los, Jaina musste über so viel offene Faulheit grinsen und setzte sich ebenfalls in Bewegung.  „Es tut mir leid, aber ich sehe einfach absolut nichts! Nada!“ Cathy verschränkte die Arme hinterm Kopf und schaute sich um. Sie stand mit Jaina an der U-Bahn Station Westminster und blickte nach oben zum Glockenturm, die Sonne blendete sie.  „Nicht nur du“, meinte Jaina leicht enttäuscht und holte ihr Handy raus. Sie hatte eine SMS bekommen und beschloss, da sich die Suche nun ausdehnen würde, dass sie noch schnell darauf antworten wollte. Hi Jaina, ich hoffe, ich habe dich nicht vergrault heute Morgen Ich würde mich bald gerne wieder mit dir treffen xoxo Jim  „Jaina? Hörst du mir zu?“  „Ja bitte?“  „Ich sagte: Ist dir dieser komische Penner in dem leuchtgelben T-Shirt auch aufgefallen?“ Genervt seufzte Cathy und starrte auf Jainas Handy. „Mit Jim kannst du doch später auch noch flirten!“  „Les nicht meine SMSen!“, entrüstete sich Jaina und schaute sich um, um den Penner in Gelb zu entdecken.  „Nicht da hinten“, korrigierte die Rechtsmedizinerin. „Direkt neben dem Big Ben.“ Sie deutete mit dem Finger dahin.  „Hübscher Ring“, bemerkte Jaina und musterte das Schmuckstück, das aus einem hauchdünnen goldenen Ring und einer daran hingearbeiteten Flamme bestand. „Wo hast du den her?“  „Ich glaube, das war auf demSchwarzmarkt“, meinte Cathy und schaute ihn an. „Aber jetzt musst du auf das T-Shirt gucken.“  „Okay, ich schau!“  Cathy beobachtete genau, wie Jaina den verdächtigen, verranzten Mann betrachtete und stellte zufrieden fest, dass ihrer Freundin auch das auffiel, was ihr aufgefallen war. Dieser verwahrloste Obdachlose trug ein T-Shirt von Gucci und lief ständig hin und her, immer in der gleichen Bahn, sodass jeder die Zahl, die auf gelben Untergrund gedruckt war, sehen konnte.  „Neun. Eine riesige Neun“, hauchte Jaina und lehnte sich gegen den Pfeiler des Gebäudes hinter sich.  „Und zwei sind schon tot“, sagte Cathy langsam und holte ihr Handy heraus. Sie tippte eine Nummer ein, doch bevor sie auf den grünen Knopf drückte, tippte sie Jaina an die Schulter. „Glaubst du, du kannst hingehen und ihn fragen, wieso er so herumläuft?“  „Ja – klar. Klar. Sorry“, meinte die Brünette schnell und versuchte die Tatsache, dass noch sieben Menschen sterben sollten, zu verdrängen. Noch nie hatte sie bei Ermittlungen mitgemacht und jetzt dabei zu sein war nicht gerade das, was Jaina als Zuckerschlecken empfand. Viel eher hatte sie die Erkenntniss getroffen, dass man wahllos morden konnte, ohne dass einem jemand so schnell auf die Schliche kam. Der Gedanke war beängstigend und Jaina war kurz sehr schockiert gewesen.  „Dankeschön.“ Cathy drehte sich weg und hörte dann das stete Tuten einer freien Leitung.  „DI Lestrade. Wer ist dran?“  „Hi Greg. Ich bin’s, Cathy.“ Sie schaute zu Jaina, die über die Straße joggte als gerade kein Auto fuhr und sie keine Angst haben musste, überfahren zu werden. „Ich glaube, wir haben ein großes Problem.“  „Hallo, Mister“, keuchte Jaina, als sie unbeschadet über die Straße gekommen war. Das war jedes Mal voll der Nervenkitzel und sie wusste, warum sie hier keinen Führerschein gemacht hatte. Der Verkehr in Deutschland war ja schon gräßlich, aber hier würde sie jeden Tag wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden. Der Obdachlose sah von Nahem sogar noch schäbiger aus. Er hatte eingefallene, bleiche Haut, dunkle Augen und wirres Haar, das zwischen Nebelgrau und Hellbraun schwankte. Tiefe Falten und deutliche Tränensäcke prägten das Gesicht, das zudem von einer sehr großen Nase dominiert wurde.  „Mister, entschuldigen Sie!“ Jaina wollte ihn nicht anfassen, deswegen stellte sie sich nonchalant neben ihn.  Da erst reagierte er und hörte auf zu laufen. „Entschuldigung, aber ich beobachte Sie schon seit einer Stunde. Wieso laufen Sie denn ständig hin und her?“, erkundigte sie sich, ganz die besorgte Passantin.  „Ich weiß nicht. Man hat mir Geld dafür gegeben, dieses Shirt zu tragen und damit hier herumzulaufen. Seit zwei Tagen mache ich das schon und ich wurde für die restliche Woche noch bezahlt.“ Er begann wieder, auf und ab zu gehen,    Jaina folgte ihm geflissentlich.  „Und wer hat Sie bezahlt soetwas zu tun?“, wollte sie wissen.  „Sorry, Lady, aber wieso sind Sie so neugierig?“, erwiderte der Penner etwas unwirsch.  „Entschuldigung, ich wollte nicht aufdringlich wirken“, sagte Jaina schnell. „Ich dachte mir nur, dass das ein etwas sinnloser Job ist.“ Aber Anschweigen ist für dich auch keine Möglichkeit, mein Lieber. Aus dir bringe ich schon noch das heraus, was ich hören will, dachte sie entschlossen. Unverdrossen lief sie dem Kerl hinterher und kümmerte sich nicht um die Blicke, die ihr die anderen Passanten zuwarfen. „Würden Sie mir etwas mehr verraten, wenn ich Ihr Gehalt  aufstocken würde?“  „Um wieviel würde es sich denn handeln?“, hinterfragte der alte Mann schamlos, ohne Jaina anzusehen.  Diese verzog ihr hübsches Gesicht zu einer missgünstigen Grimasse und kalkulierte, wieviel für jemanden wie ihn viel wäre.  „Hundert Pfund für den Namen.“  „In Ordnung“, stimmte der Penner zu, drehte sich zu Jaina um und hielt die Hand auf. „Erst das Geld, dann die Information.“  „Wehe, Sie versuchen mich zu betrügen“, warnte sie und kramte aus ihrem Geldbeutel zwei fünfzig Pfund Scheine hervor. Diese überreichte sie ihm, was er mit einem breiten, zahnlückenreichen Grinsen bedachte.  „Dankeschön, Miss. Gott segne Sie, Miss“, sagte er dann hastig und drehte sich schnell um.  „Der Name“, erinnerte sie ihn eisig.  „Oh, Namen gibt es viele“, wich der Penner aus. „Leider kann ich Ihnen keinen nennen, denn mir wurde auch keiner genannt.“ Sie hörte ihn lachen und ihre Geduld wich langsam einer wachsenden Wut. Sie packte den Obdachlosen am T-Shirtkragen und zog ihn mit einer strengen Bewegung zu sich hin.  „Der Name – oder ich nehme mir mein Geld zurück!“, zischte sie.  „Aber Miss, ich habe Ihnen doch nichts getan!“, winselte er plötzlich sehr laut, sodass sich Touristen und Passanten nach den beiden umdrehten. Jaina war sich der Situation bewusst, dass sie gerade wie eine böse Schlägertante rüberkam, doch hundert Pfund waren ihr das wert.  „Sie haben mich bestohlen!“, beschwerte sie sich lauthals und ballte eine Hand zur Faust.  „Aber nein! Ich stehle nicht! Bitte, tun Sie mir ni-“ Doch Jainas Faust hatte ihn schon an der Wange getroffen und der Obdachlose taumelte entsetzt und verstört zurück. Er hielt sich die Schlagstelle und starrte Jaina schockiert an. Diese sah ihn belehrend an und zuckte hochmütig und affektiert mit den Schultern.  „Das war die hundert Pfund annähernd wert“, befand sie und beschloss, zu Cathy zurückzukehren. Dies wurde misstrauisch von vielen Augenpaaren beobachtet.  „Mhm“, machte Cathy, als Jaina wieder zurückkam. Sie bedeutete ihrer Freundin, dass sie gleich zuhören würde. „Und weiter sind die Ermittlungen nicht? Irgendwelche Zusammenhänge zwischen den Opfern, die nichts mit der Pathologie zu tun haben? Wohnort oder so?“  Da das Gespräch doch noch zu dauern schien, entschied sich Jaina, Jim zurückzuschreiben. Sie las seine SMS noch einmal durch und wunderte sich – nicht zu ersten Mal – was sie an ihm so besonders fand. Er war ganz gewiss kein Model, aber er hatte Stil. Reichte das wohl schon, um Eindruck bei ihr zu machen? War das genug, um sie ins Teenageralter zurückzukatapultieren? Jaina schüttelte den Kopf und verbannte diese Gedanken. Es waren doch nur Treffen. Hey Jim, Klar würde ich dich gerne wiedersehen Bald ist der Uniball! Jaina  „Okay, dankeschön. Bis bald“, verabschiedete sich Cathy und legte auf. Dann schaute sie Jaina an. „Die haben nicht mal die Cäsar-Scheibe erkannt“, gab sie dann von sich.  „Ich hab den Penner zusammengeschlagen“, erwiderte Jaina in Ermangelung einer passenderen Erwiderung. Aber auch das hatte einen guten Effekt, Cathy schnappte nach Luft und nickte dann. „Er wollte keinen Namen verraten, aber er wird dafür bezahlt, die ganze Woche so herumzulaufen.“  „Aha. Das ist ja interessant.“ Cathy steckte ihr Handy elegant in die Hosentasche und sah sich um. „Tja, hier werden wir nichts mehr finden. Die Zahl haben wir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)