Ach, du süßes Internatsleben von Leto ================================================================================ Kapitel 12 Bakura schlug das Herz bis zum Hals. Er war allein auf dem Weg zu Ryou, doch im Krankenhaus würde er nicht mit Ryou allein sein, sondern dessen Vater treffen. Er wusste nicht, ob Ryou von ihm erzählt hatte und was. Bakura hatte Angst vor dem Treffen. Er hatte Ryous Vater bisher erst einmal kurz gesehen, doch er konnte sich kaum erinnern, wie er aussah. Wie würde er auf ihn reagieren? Was sollte er ihm sagen, wenn er fragte, was passiert war? Es war das erste Mal, dass er sich nicht beeilte. Er hätte nicht kommen müssen, doch sein Inneres zwang ihn sich Ryous Vater zu stellen. Nervös öffnete er die Tür zum Krankenzimmer und blieb im Türrahmen stehen. Ein Mann saß auf dem Stuhl, auf dem Bakura für gewöhnlich saß, und hielt Ryous Hand in beiden Händen. Er hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Ryous Vater trug eine Brille und hatte seine blauen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Als Bakura die Tür schloss sah er auf. Die braunen Augen erinnerten Bakura sofort an Ryou. „Oh hallo.“ Er klang müde. „Bist du ein Freund von Ryou?“ „Ich bin Bakura“, wich Bakura der Frage aus. Ryous Vater lächelte ihn an. „Ryou hat mir von dir erzählt und die Schwester hat mir gesagt, dass du fast täglich hier bist. Ich freue mich, dich kennenzulernen.“ Bakura konnte seine Überraschung nicht verbergen. „Ryou hat von mir erzählt?“ „Natürlich, er hat immer sehr bewundernd von dir gesprochen.“ Er sah seinen Sohn an. „Ryou war schon als Kind sehr zurückhaltend gewesen, aber seit er dich kennt, ist er so selbstbewusst geworden.“ Bakura konnte nicht glauben, was er hörte. Er sah zu Ryou. Trotz allem was Mariku und er ihm angetan hatten, hatte er trotzdem nur gut über sie gesprochen? Bakura fühlte sich noch schlechter als zuvor. Er zuckte zusammen, als Ryous Vater seine Hand nahm. „Ich danke dir, Bakura, dass du für meinen Ryou da bist.“ Bakura starrte ihn einfach nur an. Er wusste nicht, was er erwidern sollte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. „Ich bin froh“, er ließ Bakuras Hand los, „dass er so gute Freunde gefunden hat.“ Ryous Vater seufzte und strich seinem Sohn über die Wange. „Ich war nie ein guter Vater. Nicht, seit seine Mutter gestorben ist.“ Überrascht öffnete Bakura den Mund. Er hatte nicht gewusst, dass Ryous Mutter tot war. Jetzt machte es ihn traurig, dass er so wenig über Ryou wusste. „Ich war immer nur unterwegs und bin vor all der Trauer davongelaufen und dabei hab ich nicht an Ryou gedacht. Ich will nicht wissen, was er durchgemacht hat.“ Er zog Ryous Ärmel leicht nach oben und strich über die, inzwischen verheilten, Schnittwunden. „Ich war blind für seine Gefühle. Es würde mich nicht wundern, wenn Ryou mich verachten würde. Es ist alles meine Schuld.“ „Nein“, widersprach Bakura. Es klang krächzend und er räusperte sich. „Er… er liebt Sie sicher sehr. Ryou ist nicht so.“ Ryous Vater lächelte traurig. „Ich wünschte, ich könnte davon auch so überzeugt sein wie du.“ Er strich Ryou über den Kopf. „Er ist alles was ich noch habe, aber manchmal fällt es mir schwer ihn überhaupt anzusehen. Er sieht seiner Mutter so ähnlich.“ Er holte seine Brieftasche hervor und zog ein Bild heraus. „Hier, das ist meine kleine Wüstenblume.“ Er zeigte Bakura das Foto einer jungen Frau, die ein himmelblaues Kleid trug, welches ihre blauen Augen perfekt betonte. Ihr weißes Haar reichte ihr bis in die Kniekehlen. Ryou war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. „Sie ist immer noch die schönste Frau, die ich je gesehen habe.“ „Sie ist wirklich wunderschön“, stimmte Bakura zu, konnte in ihr aber nur Ryou sehen. Ryous Vater lächelte das Bild an und steckte es dann seufzend weg. „Kannst du mir sagen, wie es passiert ist? Der Arzt hat mir gesagt es sei ein Fenstersturz gewesen.“ Bakura schluckte. Das war die Frage, vor der er die ganze Zeit Angst gehabt hatte. Er wich dem Blick des Mannes aus. Bakura schaffte es nicht zu antworten. „War es ein Unfall, oder…?“ „Nein!“, erwiderte Bakura und schüttelte den Kopf. Er ahnte, wie der Satz weitergegangen wäre. „Es war ein Unfall. Ich… ich wollte das nicht. Es ist alles meine Schuld.“ Die Worte sprudelten aus ihm heraus und er sank auf die Knie. Seine Stirn berührte seine Handrücken, als er seinen Oberkörper nach vorne beugte. „Er ist wegen mir gefallen. Wir haben gestritten und ich hab ihn gepackt und er wollte sich losreißen und dann ist er gestolpert und aus dem Fenster gefallen. Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld.“ Er konnte die Tränen nicht zurückhalten. „Steh auf, mein Junge. Ich geb dir keine Schuld und Ryou wird das sicher auch nicht tun.“ Bakura wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und setzte sich wieder. Seinen Blick hielt er gesenkt. „Er hätte sterben können, nur wegen mir“, flüsterte Bakura. „Aber das ist er nicht und das ist alles was zählt. Du warst immer ein guter Freund für ihn.“ „Nein!“ Bakura stand wieder auf und begann auf und ab zu gehen. „Nein, das war ich nicht. Ich war nie sein Freund. Ich hab ihn gemobbt, jedes Mal. Ich war ein Arschloch, ein richtiger Dreckskerl.“ Er weinte wieder. Diesmal aus Wut über sich selbst. „Und trotzdem…“ Er wurde leiser und blieb stehen. „…trotzdem…“ Doch Bakura konnte weder zu Ende sprechen, noch konnte Ryous Vater etwas dazu sagen, denn Ryou rührte sich. Bakura wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und rannte zum Bett. Er und Ryous Vater starrten abwartend und mit angehaltenem Atem aufs Bett. Ryou stöhnte leise und seine Finger zuckten. Er öffnete den Mund und atmete rasselnd ein. Für einen Moment dachte Bakura Ryou würde keine Luft bekommen, doch gleich darauf normalisierte sich seine Atmung wieder. Langsam öffnete er die Augen. „Ryou.“ Sein Vater stand auf und beugte sich über ihn. Ryou blinzelte einige Male und brauchte eine Weile um zu sich zu kommen. „Papa?“, fragte er leise. Seine Stimme war dünn und krächzend. „Ich bin hier, mein Junge.“ Er nahm seine Hand. „Papa.“ Tränen sammeln sich in seinen Augen. „Papa.“ „Ich bin so froh.“ Er streichelte seinem Sohn über die Wange. Ryou wollte sich aufsetzen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Er geriet in Panik. „Ganz ruhig, du bist im Krankenhaus. Beruhig dich. Es ist alles gut.“ „Warum?“ „Du bist aus dem Fenster gestürzt.“ Ryou starrte an die Decke. „Ich kann mich nicht erinnern“, flüsterte er und schloss seine Augen. Bakura hielt sich zurück. Er hatte einen Kloß im Hals. Ein ganzer Felsbrocken fiel ihm vom Herzen, aber es war noch ein ganzer Berg, der ihn belastete. „Ich hol einen Arzt, okay? Ich bin gleich wieder da.“ Er sprach leise mit seinem Sohn. „Nein“, wimmerte Ryou. „Lass mich nicht allein.“ „Du bist nicht allein. Bakura ist hier.“ Er nahm Bakura am Arm und zog ihn in Ryous Blickfeld. Bakura war immer noch nicht in der Lage etwas zu sagen. „Bakura.“ Das Lächeln, das Ryou ihm schenkte, zerriss ihm fast das Herz. Vorsichtig nahm er Ryous Hand, während sein Vater das Zimmer verließ. „Es tut mir so leid“, flüsterte Bakura und sank auf die Knie. „Ich weiß nicht, wie ich das wieder gut machen soll.“ „Bakura, ich weiß nicht wovon du redest.“ Er drückte leicht seine Hand. „Ich weiß nicht, warum ich hier bin.“ „An was erinnerst du dich noch?“ Doch bevor Ryou antworten konnte, kamen der Arzt und eine Schwester. Bakura trat zurück. Nervös spielte er mit dem Saum seines Pullovers. Als Ryous Vater ihn nach draußen winkte, zögerte Bakura kurz, er warf einen Blick zu Ryou, atmete tief durch und ging dann zu Ryous Vater. Dieser sah ihn ernst an. „Was du mir erzählt hast, hat mich sehr überrascht. Ryou wirkte immer so glücklich, wenn er von dir gesprochen hat.“ Bakura senkte den Blick. „Und es fällt mir immer noch schwer, dass zu glauben, was du mir erzählt hast, besonders nachdem ich sein Lächeln gesehen habe, nachdem ich dich erwähnt habe.“ Er legte Bakura die Hand auf die Schulter. „Ich weiß nicht, was zwischen euch wirklich vorgefallen ist, aber ich weiß, dass mein Sohn in dir einen Freund sieht und damit recht hat. Wärst du wirklich so ein… schlechter Mensch, dann wärst du nicht bei ihm gewesen in dieser schweren Zeit.“ „Ich… ich will mich ändern. Ich will sein Freund sein… wenn er das noch will.“ Ryous Vater klopfte ihm auf die Schulter und lächelte ihn aufmunternd an. In diesem Moment trat der Arzt zu ihnen. „Seine motorischen Fähigkeiten sind noch eingeschränkt, aber das war zu erwarten nach seinen Verletzungen. Es wird noch einige Zeit dauern bis er sein Bein wieder normal belasten kann. Er hat noch ein großes Stück Arbeit vor sich, aber das Schlimmste ist überstanden. Seine Erinnerungen beschränken sich nur auf die Zeit vor dem Unfall, aber es wird nicht lange dauern bis er sich wieder an alles erinnert. Ansonsten geht’s ihm gut.“ „Vielen Dank.“ Sie schüttelten sich die Hände und Ryous Vater und Bakura kehrten zu Ryou zurück. Dieser saß inzwischen aufrecht und hatte wieder an Farbe im Gesicht gewonnen. „Wie fühlst du dich?“, fragte sein Vater und setzte sich wieder neben das Bett. „An sich ganz gut, aber meine Beine fühlen sich echt seltsam an. Ganz kribbelig.“ Er sah zu Bakura. „Erzählst du mir was passiert ist?“ „Ähm…“ Bakura kratzte sich an der Wange. „An was erinnerst du dich denn noch?“ „Wir haben uns unterhalten und dann“, er zuckte mit den Schultern, „danach ist alles ganz verschwommen.“ Und Bakura erzählte. Es war das erste Mal seit dem Vorfall, dass er alles ganz genau erzählte und dabei nichts ausließ. „Es ist meine Schuld. Wenn ich dich nur nicht festgehalten hätte.“ Er ließ den Kopf hängen. „Ach was“, widersprach Ryou. „Das war nur… eine Verkettung unglücklicher Umstände.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du Schuld hast, dann ich auch.“ Ryou sah zu seinem Vater. „Ich freu mich dich zu sehen.“ „Die Umstände hätten besser sein können.“ Er strich Ryou über den Kopf. „Ich bin jetzt auf jeden Fall für dich da solange du mich brauchst.“ „Und die Arbeit?“ Sein Vater schüttelte den Kopf. „Unwichtig. Brauchst du irgendwas?“ „Was zu essen wär toll.“ Vater und Sohn lachten. „Ich hol dir was.“ Als Ryous Vater weg war, rückte Bakura etwas näher. „Es tut mir leid.“ „Ich geb dir keine Schuld“, widersprach Ryou sofort. „Es ist nicht nur das. Es geht um das, was ich dir angetan habe. Alles. Die Gemeinheiten, das Mobbing und die letzten Wochen. Ich hab dich behandelt wie Dreck. Ich weiß nicht, ob ich das je wieder gut machen kann. Ich muss dir viel erklären, aber ein anderes Mal. Es ist eine lange Geschichte und du bist erst aufgewacht.“ Ryou nickte. „Wie machen sich Malik und Mariku? Kratzen sie sich immer noch die Augen aus?“ „Ich glaub, sie haben was miteinander“, äußerte Bakura eine Vermutung, die er schon länger hatte. „Das überrascht mich nicht. Bei den Schlagabtauschen, die sie sich liefern und dem dadurch angestauten Frust geht’s bei ihnen sicher ganz schön ab.“ „So genau will ich’s gar nicht wissen.“ Sie lachten. Als Ryous Vater zurückkam, betrachtete Ryou seine Mahlzeit eher skeptisch, aber sein Hunger war groß genau, dass er sie doch ohne zu murren verschlang. „Lass das, Mariku.“ Malik schob Mariku von sich. „Gefällt’s dir nicht?“ Malik antwortete nichts, weshalb Mariku ihn erneut von hinten umarmte und platzierte erst einen Kuss auf Maliks Ohrläppchen, bevor er sich seinen Hals hinunter arbeitete. „Ich mach weiter, bis du mich aufhältst“, murmelte Mariku und saugte leicht an der Haut. „Mach mir bloß keinen Knutschfleck!“ Malik entwand sich aus der Umarmung und strich sich über den Hals. „Wollen wir rausgehen?“, fragte Mariku und sah zum Fenster. Der Himmel war klar und es war sonnig. „Zu kalt“, antwortete Malik. „Außerdem artet das nur wieder zu einer Schneeballschlacht aus.“ „Und was machen wir stattdessen?“ Mariku legte einen Arm um Maliks Hüfte und zog ihn zu sich. „Zurück ins Bett?“ „Ich muss noch Hausaufgaben machen.“ Mariku verdrehte die Augen. „Hausaufgaben? Ist das dein ernst?“ Er legte seine Stirn auf Maliks. „Da weiß ich was Schöneres.“ „Wir müssen das morgen abgeben.“ „Aber der Tag ist noch lang. Wir haben später noch Zeit.“ „Wir? Du willst doch nur wieder bei mir abschreiben.“ „Ein bisschen vielleicht.“ Mariku grinste. „Also, was ist jetzt?“ „Wir können auch später noch rumknutschen.“ „Aber dann ist Bakura wieder da oder ist es dir egal, wenn er uns sieht?“ Malik hatte Mariku davon überzeugen können, dass ihre Irgendwie-Beziehung erst einmal ein Geheimnis zwischen ihnen blieb. Er wollte nicht, dass jeder sofort wusste, das etwas zwischen ihnen lief, denn so wie er Mariku kannte würde dieser keinen Hehl daraus machen. Malik seufzte. „Du lässt nicht locker, hm?“ „Niemals.“ „Na gut.“ Er setzte sich aufs Bett. „Aber nur ein bisschen.“ Zufrieden gesellte sich Mariku zu ihm. Er war glücklich, dass er Malik jetzt immer küssen konnte, wenn er wollte, zumindest dann, wenn niemand in der Nähe war. Und er tat es oft. Auch wenn sich Malik anfangs immer zierte genoss er es letztendlich doch und ließ sogar zu, dass Mariku ihn streichelte. Zumindest am Bauch und an den Seiten. Doch Mariku fiel es immer schwerer sich zu zügeln. Er wollte mehr. Er krallte seine Finger ins Bettlaken um das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. Mariku wusste, was es bedeutete, wenn das Zittern begann und sein Körper und Verstand sich gegen ihn stellten. Er sollte sich von Malik fernhalten, zu Maliks und seinem eigenen Schutz, aber er konnte es nicht. „Was ist los?“ Malik war nicht entgangen, dass Mariku nicht bei der Sache war. „Was soll sein?“ „Du wirkst… abwesend.“ „Ich glaube nicht, dass du den Grund dafür wissen willst.“ Mariku grinste und Malik verdrehte die Augen. „Ich kann’s mir schon denken.“ Er setzte sich auf. „Jetzt Hausaufgaben.“ „Nein.“ Mariku drückte ihn wieder zurück auf die Matratze. „Nur noch ein bisschen.“ Malik seufzte. Auch wenn er die Küsse genoss, war es ihm lieber, wenn sie nicht so lange dauerten, denn dann fingen sie an ihn anzumachen. Sobald er auch nur den Anflug einer Erregung bemerkte, hörte er meistens auf. Das Letzte was er gebrauchen konnte war, dass Mariku mitbekam, dass er einen Ständer hatte. Trotzdem erwiderte er Marikus Kuss und legte die Arme um ihn. Er spürte das Kribbeln in seinem Bauch, als Mariku über sein Shirt strich und anschließend seine Hand unter den Stoff schob. Federleicht streichelten die Finger über Maliks Haut und lösten eine Gänsehaut aus. Marikus Hand wanderte höher, nur langsam damit Malik genug Zeit hatte ihn aufzuhalten, doch er tat es nicht. Neugierde hatte Malik gepackt. Er fand es immer noch aufregend, wenn Mariku ihn berührte. Malik keuchte in den Kuss, als Mariku begann seine Brustwarzen zu reizen. Ihre Lippen trennten sich voneinander und Mariku hielt inne. „Macht dich das an?“ Malik erwiderte nichts, sondern drehte den Kopf zur Seite. Mariku ließ seinen Blick über Maliks Körper gleiten und legte anschließend seine Hand auf seinen Oberschenkel. Langsam strich er daran entlang. Natürlich entging ihm der gespannte Stoff von Maliks Hose nicht. Es ließ sein Herz schneller schlagen. Seine Hand wanderte höher, doch Malik packte ihn am Handgelenk und zog die Hand weg. „Lass das!“ Er zog sein Shirt wieder nach unten und setzte sich an den Bettrand. „Ich mach jetzt meine Hausaufgaben.“ „Malik, komm schon. Du bist hart, sag mir nicht, dass du nicht weitermachen willst.“ „Wir sehen uns später“, murmelte Malik nur als Antwort und verließ das Zimmer. „Malik!“ Seufzend sank Mariku aufs Bett zurück. Er starrte an die Decke. Wieso war es nur so schwierig mit Malik? Es machte ihn an, wenn sie sich küssten, wenn er ihn anfasste und trotzdem wehrte er sich vehement gegen den nächsten Schritt. Er wollte ihm doch nicht wehtun. Selbst wenn Malik es geheim halten wollte, wäre es für ihn in Ordnung. Es war doch für ihn auch nicht leicht. Malik fuhr sich mit den Fingern in die Haare. Er konnte das nicht. Er konnte einfach nicht. Auch wenn sein Körper kribbelte und sein Herz raste jedes Mal, wenn er an Mariku dachte, so konnte er einfach nicht mit ihm zusammen sein. Es ging nicht. Sein Verstand sträubte sich gegen Mariku und sagte ihm, dass es falsch war, auch wenn sein Körper ihn längst betrogen hatte. Einmal mehr wünschte sich Malik zu Hause zu sein. Als Bakura abends zurück ins Internat kam, umarmte er Mariku überschwänglich. „Hey, hey, was ist denn los?“, fragte Mariku verwundert. „Er ist wach“, erzählte Bakura freudestrahlend. „Ryou ist endlich aufgewacht.“ „Das ist ja fantastisch! Wie fühlt er sich? Ist alles in Ordnung?“ „Ja, er kann sich nicht mehr an den Vorfall erinnern, aber der Arzt meint die Erinnerung wird zurückkommen. Und er braucht Krankengymnastik für sein Bein, aber es wird alles wieder gut. Ich bin so froh.“ Er setzte sich auf Marikus Bett. „Und zwischen euch? Ist da auch alles in Ordnung?“ „Ich hab noch nicht mit ihm geredet. Sein Vater ist da und ich wollte ihn nicht gleich überfordern. Außerdem“, Bakura senkte den Blick und die Stimme, „ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll.“ Mariku setzte sich neben ihn. „Erzähl ihm alles. Erzähl ihm deine Geschichte.“ „Alles, hm?“ „Erst dann wird er dich verstehen können. Er hat’s verdient es zu erfahren.“ „Ja, du hast recht.“ Er lächelte Mariku an und umarmte ihn erneut. „Ich bin so froh, dass du mein Freund bist.“ „Immer.“ „Oh, ich muss es Malik auch noch sagen.“ Er sprang auf und eilte aus dem Zimmer. Malik erschrak, als Bakura die Tür regelrecht aufriss. „Er ist wach!“, sagte Bakura, als er noch gar nicht richtig im Zimmer war. „Was?“ „Ryou ist heute aufgewacht!“ „Das ist toll.“ Doch Malik konnte sich nicht so freuen, wie er wollte. Die Sache mit Mariku lag ihm immer noch schwer im Magen. Er hatte noch immer keine Lösung gefunden. „Wann kommt er wieder?“ „Oh, das weiß ich nicht, aber es wird sicher noch eine Weile dauern. Er ist ja noch nicht fit.“ „Aber er wird wieder ganz gesund?“ Bakura nickte. „Dann sollten wir ihn bald besuchen.“ „Ja, er hat sowieso nach dir und Mariku gefragt.“ Malik zog die Augenbrauen nach oben. „Hat er?“ Bakura fing an zu grinsen. „Er wollte wissen, ob ihr euch immer noch die Augen auskratzt.“ Malik lachte, auch wenn ihm nicht danach zumute war. Es wäre einfacher, wenn sie sich immer noch streiten würden. Viel einfacher. Doch Bakura bemerkte es nicht, dass Malik nicht so ausgelassen war, wie er tat. Er dachte nur an Ryou und wer konnte ihm das schon verübeln? Es vergingen einige Tage bis Bakura bereit dazu war mit Ryou zu sprechen. Es hatte sich auch zuvor keine Gelegenheit ergeben. Ryous Vater war immer da gewesen und dann auch noch Malik und Mariku. Sie hatten keine Minute für sich gehabt. „Wo ist dein Vater?“, fragte Bakura, als er Ryous Krankzimmer betrat. Krücken lehnten an der Wand neben dem Bett. Ryou hatte bereits mit seiner Krankengymnastik begonnen, denn er wollte keine Zeit verlieren und so schnell wie möglich ins Internat zurück. Auch seine Erinnerung war schon wieder fast vollständig zurückgekehrt. „Ach, ich hab ihn weggeschickt. Es ist echt anstrengend ihn jeden Tag hierzuhaben.“ „Ich bin auch jeden Tag hier.“ „Ja, deine Fresse geht mir inzwischen auch schon auf die Nerven“, erklärte Ryou grinsend. „Ah, das trifft mich.“ Bakura fasste sich lachend an die Brust. „Aber wenn du mir einen Kuss gibt’s, dann seh ich dich gleich viel lieber.“ Bakura beugte sich über Ryou und gab ihm einen kurzen Kuss. „Ja, der war ganz okay.“ Er strich Bakura über die Wange. Inzwischen konnte er sich wieder an ihren Streit erinnern. „Ryou“, Bakura nahm die Hand seines Freundes und sah ihn ernst an, „es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen will oder besser, etwas dass ich dir erzählen möchte. Es ist wichtig, dass du alles erfährst.“ Ryou drückte seine Hand. „Bitte unterbrich mich nicht. Ich denke nicht, dass ich in der Lage bin, es ein zweites Mal zu erzählen.“ Bakura atmete noch einmal tief durch bevor er begann seine dunkle Vergangenheit offen zu legen: Zitternd lag der junge Bakura auf dem Bett. Seine Wangen waren feucht von den Tränen, die er vor kurzem noch vergossen hatte. Sein Unterleib schmerzte immer noch, aber es wurde langsam leichter. Wieder war ein Freier gegangen und Bakura hoffte, dass es der Letzte für heute war. Mehr würde er heute einfach nicht durchstehen, aber darauf wurde sowieso keine Rücksicht genommen. Selbst nach dieser langen Zeit, er wusste nicht einmal wie lange er jetzt schon bei IHM war, konnte er immer noch nicht verstehen, was mit ihm passierte. Wieso tat ER ihm das an? Er war doch immer brav gewesen und hatte getan was ER von ihm verlangt hatte. Wieso nur? Womit hatte er all das verdient? Er war doch nur ein kleiner Junge. An seine Eltern konnte er sich nicht erinnern, er war fast noch ein Baby gewesen als sie gestorben waren. In der Verwandtschaft war er nur herumgereicht worden. Niemand wollte ihn haben, sodass er am Ende in einem Waisenhaus gelandet war. Selbst dort hatte er nirgends Anschluss gefunden. Er war immer allein gewesen. Bis ER kam. ER gab ihm ein Zuhause und die Liebe, die er sonst nirgends bekommen hatte. Zumindest hatte er damals noch geglaubt, dass es Liebe sei. Es war schön bei IHM. Endlich schenkte ihm jemand Aufmerksamkeit, kümmerte sich um ihn und spiele mit ihm, doch nach wenigen Monaten schon begann ER sich seltsam zu verhalten. Die sanften kleinen Küsse, die Bakura so gemocht hatte, wurden brutal und grob. ER wollte immer mehr und ER nahm sich einfach was ER wollte. Bakura konnte sich nicht wehren. Es gab niemanden, der sich für ihn interessierte. Niemand kümmerte sich um seine Gefühle. Bakura konnte die Situation in der er sich befand nicht begreifen. Konnte denn niemand sehen, dass er litt? Empfand denn niemand auch nur einen Funken Mitleid? Er war doch noch schwach und klein, er hatte keine Chance sich zu wehren. Er musste alles stumm ertragen. Bakura hatte auf Hilfe gehofft. Irgendwann musste es doch jemandem auffallen, dass er nicht mehr zur Schule kam, doch niemand kam um ihn zu retten. Wie früher kümmerte sich niemand um ihn. Als sich die Tür öffnete zuckte Bakura zusammen und begann leicht zu zittern, weil er Angst hatte, dass es schon wieder ein Freier war, doch es war nur ER. „Heute gibt es etwas ganz Besonderes, weil du die ganze Woche so brav warst.“ Bakura sagte nichts dazu. ER stellte den Teller auf den Tisch und ging dann zu Bakura. ER streichelte ihm über den Kopf. „Du bist mein ganzer Stolz“, flüsterte ER. „Iss auf, ich hole es später wieder ab.“ ER tätschelte seinen Kopf und verließ dann das kleine Zimmer. Bakura war nicht hungrig. Seit Wochen zwang er das Essen hinunter und teilweise fiel es ihm schwer, das Essen bei sich zu behalten. Er hatte darüber nachgedacht einfach nichts mehr zu essen und zu sterben, aber das machte IHN wütend. Bakura wollte nicht wieder geschlagen werden. Schwankend stand Bakura vom Bett auf. Seine Knie waren weich wie Pudding und es war nicht leicht für ihn das Gleichgewicht zu halten. Der Geruch von gebratenem Fleisch ließ ihm das Wasser im Mund zusammen laufen. Oh ja, ER war wirklich zufrieden mit ihm diese Woche. Es passierte nur selten, dass er so feines Essen bekam. Meist waren seine Mahlzeiten sehr trocken und nur noch lauwarm, wenn nicht schon ganz kalt. Fleisch war seine Belohnung, wenn er IHM besonders viel Geld gebracht hatte. Mit plötzlichem Heißhunger machte er sich über das Fleisch her. Als Bakura fertig war, fühlte er sich so gut wie schon lange nicht mehr. Es war lecker gewesen. Als er das Besteck zurücklegen wollte hielt er inne. Er starrte auf das Messer in seiner Hand und schluckte. Es war ein richtiges Messer und es war scharf. Normalerweise bekam er höchstens Plastikmesser. Bakuras Griff wurde fester und sein Herz begann zu rasen. Ein Messer. Ein scharfes Messer. Seine Hand begann zu zittern. Minutenlang starrte er es an, dann ließ er die Hand, in der er das Messer hielt, sinken und wartete. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und mit jeder Minuten, die verstrich wurde es schlimmer. Tausend Gedanken jagten ihm durch den Kopf. Tausendmal benutzte er das Messer gegen IHN. Als die Tür sich erneut öffnete, begann er fast zu weinen. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Hat es dir geschmeckt?“ ER beugte sich zu Bakura um ihn zu küssen, doch darauf hatte dieser nur gewartet. Die Verzweiflung gab ihm Kraft, als er das Messer in den Hals seines Peinigers rammte. Erschrocken weiteten sich SEINE Augen. ER öffnete den Mund, doch kein Laut kam heraus. ER stolperte zurück, dabei wurde das Messer, welches Bakura immer noch krampfhaft umklammert hielt, aus der Haut gezogen. Blut sprudelte aus der Wunde. ER fiel zu Boden und blieb dort zuckend liegend. Weinend fiel Bakura auf die Knie. Er schrie, während er das Messer immer wieder in SEINEN Körper stach. Wie oft er am Ende zugestochen hatte, konnte niemand mehr sagen. Nur langsam erwachte Bakura aus seinem Wahn. Kraftlos ließ er das Messer fallen. Ungläubig starrte er auf den toten Körper neben ihm. Aus unzähligen Wunden rann das Blut, sodass Bakura schon in einer Pfütze saß. Sein weißes Haar und seine Haut waren mit Blut verschmiert. Plötzlich begann er zu zittern. Was hatte er getan? Er hatte IHN umgebracht! Er legte die Arme um sich selbst. Was sollte er jetzt tun? Er hatte doch sonst niemanden. Langsam kam Bakura auf die Beine. Jetzt war er doch wieder ganz allein. Was sollte er nur tun? Er hinterließ blutige Fußspuren, als er auf die Tür zuging. Zögernd öffnete er sie. Wie sollte er es denn alleine schaffen? Als er das Zimmer verlassen hatte, begann Bakura zu laufen. Er wusste nicht wohin er laufen sollte, doch er musste weg. Weg von diesem Ort. Weg von dem Messer Weg von dem Blut. Weg von dem Toten. „Irgendwann hat mich die Polizei aufgegabelt. Ich weiß nicht mehr viel von dem was danach passiert ist. Es ist alles ziemlich verschwommen. Später hab ich dann erfahren, dass ich nicht der einzige Junge war. Es gab noch ein paar, denen es wie mir ergangen ist. Die meisten sind jetzt tot. Selbstmord. Haben es nicht mehr ausgehalten. Die ganzen Erinnerungen. Diese panische Angst, wenn dich jemand anfasst. Hat sie innerlich aufgefressen. Da helfen auch diese ganzen Psychologen nichts. Die glauben, sie verstehen den Schmerz, dieses Gefühl, wenn deine Seele, dein ICH, Stück für Stück zerstört wird, wenn man nicht mehr ist als nur ein Stück Fleisch. Ware, die zum Verkauf angeboten wird.“ Bakura schnaubte. „Die wissen gar nichts. Ich hab’s am Ende nur geschafft, weil Mariku für mich da war. Er hat mir gezeigt, dass es sich lohnt zu leben. Ohne ihn wär ich jetzt genauso tot wie die anderen.“ Ryous Tränen tropften auf die Decke. Die Gleichgültigkeit, mit der Bakura seine Geschichte erzählt hatte, erschreckte ihn, doch der Inhalt war noch viel schlimmer. Nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen hätte er gedacht, dass Bakura so eine grausame Kindheit gehabt hatte. Kein Wunder, dass es ihm so schwer fiel seine Gefühle zu zeigen. Bakura wischte ihm die Tränen weg. „Ich hoffe, es ist okay für dich, dass dich ein Mörder liebt.“ Ryou warf sich Bakura in die Arme und vergrub schluchzend sein Gesicht in dessen Pullover. Er ignorierte es, dass sein Körper schmerzhaft protestierte. Er wollte Bakura nah sein und ihn festhalten. „Du bist kein Mörder! Du bist Bakura! Du bist mein Freund!“ „Ryou“, flüsterte Bakura und legte ihm die Hand auf den Hinterkopf. „Es tut mir leid, dass du es so schwer mit mir hast.“ Doch Ryou schüttelte heftig den Kopf. „Nein, mir tut es leid.“ Er setzte sich wieder vernünftig hin und rieb sich die Augen. „Ich hab dich doch regelrecht gedrängt, dabei…“ Er fing wieder an zu weinen. „Ryou bitte, beruhig dich.“ Er beugte sich nach vorne und umarmte Ryou. „Es ist lange her.“ „Es ist so schrecklich.“ „Ja, das ist es, aber danach ist alles besser geworden. Ich hab Mariku kennen gelernt und dann dich, auch wenn ich echt scheiße zu dir war.“ „Schon okay“, murmelte Ryou. Wieder wischte er sich die Tränen aus den Augen. „Nein, ich mach das wieder gut.“ Er nahm Ryous Hand und küsste erst seine Handfläche und anschließend die Haut über der Pulsschlagader. „Zumindest sind wir jetzt für immer verbunden.“ Ryou sah ihn verwirrt an. „Mein Blut fließt durch deine Venen.“ Er küsste Ryous Lippen sanft. „Du hast mir dein Blut gespendet?“, fragte Ryou leise nach dem Kuss. Bakura nickte nur und küsste ihn erneut. Als sich plötzlich die Tür öffnete, ließ sich Bakura so schnell auf seinen Stuhl zurückfallen, dass er fast umgekippt wäre. Gerade noch so konnte er das Gleichgewicht halten. „Daaaaad“, murrte Ryou. „Du bist schon wieder da?“ „Bin ich zu früh? Das tut mir leid.“ Er zog einen Stuhl ans Bett. „Ich hab deine Lieblingsgummibärchen mitgebracht.“ „Ich bin keine fünf mehr!“ „Also willst du sie nicht?“ „Doch!“ Er nahm seinem Vater die Tüte ab und öffnete sie sogleich. Er bot Bakura welche an, doch dieser schüttelte den Kopf. „Es muss langsam wieder zurück.“ „Oh schon?“ Ryou sah ihn traurig an. „Ich komm ja wieder.“ „Das will ich auch hoffen. Ich weiß, wo du schläfst!“ Lachend verabschiedeten sie sich voneinander. Bakura fühlte sich erleichtert. Er war froh, dass Ryou endlich seine ganze Geschichte kannte. Er hatte Angst gehabt, dass Ryou ihn abstoßend finden würde. Noch dazu hatte er einen Menschen getötet. Bakura hielt inne. Mensch. Bakura ließ sich die Bezeichnung durch den Kopf gehen, während er in den Bus einstieg. War ER überhaupt noch ein Mensch gewesen? Verdienten Personen wie ER die Bezeichnung Mensch überhaupt? Personen, die Mädchen und Jungen zu so etwas zwangen, waren diese noch menschlich? Oder waren es Monster? Was bedeutete es Mensch zu sein? Und ab wann verlor man seine Menschlichkeit? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)