Painful Sunlights von Lina_Kudo (Schmerzhafte Sonnenstrahlen (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 2: Abschied ------------------- Kapitel 2: FAREWELL Abschied Wieder ist es ein strahlender, sonniger Tag. Die Vögel zwitschern angeregt, sind zurückgekehrt von ihrer Reise in den Süden. Fröhlich sitzen sie auf den Ästen der Bäume, die inzwischen Blätter bekommen haben. Sie strahlen ein sattes Grün aus. Grün – die Farbe der Hoffnung. Wieder einmal gibt die Natur eine friedliche Atmosphäre. Eine Atmosphäre, die mein Inneres nicht wiedergeben kann. Eine Atmosphäre, die nicht im Geringsten zu dieser Versammlung passt. Alle sind gekommen. Alle Polizeipräsidenten, Kommissare und Inspektoren, mit denen wir in der Vergangenheit mehr oder weniger Bekanntschaft gemacht haben. Die Beamten vom FBI. Heiji und Kazuha. Deren Eltern. Sonoko, ihre gesamte Familie und auch Makoto. Der Professor und die Kinder. Ohne Conan. Meine Mutter und mein Vater. Und auch … deine Eltern. Yusaku und Yukiko Kudo. Sie sind von den Staaten angereist. Das ist auch das Mindeste, was sie tun können. Schließlich wollen auch sie … ihrem Sohn die letzte Ehre erweisen. Mit apathischem Blick starre ich auf den Sarg, der vor uns liegt. Er ist groß und besitzt ein klares Weiß. Weiß wie die Unschuld. Weiß wie die unbefleckte Wahrheit. Wie … passend. Wunderschön ist es verziert worden mit verschiedensten Blumen. Ein Bild des Friedens. Doch für mich ist das kein Trost. In keinster Weise. Ich habe den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren. Nichts auf dieser Welt kann mich noch trösten. Keine wertvollen Dinge. Keine aufmunternden Worte. Keine liebevollen Gesten. Nichts. Gar nichts. In mir ist es trist und dunkel. Nichts hat sich geändert, seit mich die Nachricht über dein Ableben ereilt hat. Ich weiß nicht, wie lange ich bereits in diesem Zustand bin. Es ist, als würde ich nur noch dahinvegetieren. Dahinvegetieren und auf meinen eigenen Tod warten. Ich sehe keinen Sinn mehr. Keinen Sinn mehr, zu leben. Doch momentan fehlt mir sogar die Kraft zu sterben. Meinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Eine Hand drückt meine. Ich bekomme es nur schemenhaft mit. Stück für Stück drehe ich mein Gesicht zur Seite. Sehe direkt in die blauen Augen. Die blauen Augen, die die gleiche Farbe aufweisen wie deine Augen. Augen, die sich abermals mit Tränen füllen. Die Augen von Yukiko Kudo. »Es tut mir so leid, Ran. Ich weiß, wie schwer es für dich sein muss. Auch wir haben unseren einzigen Sohn verloren. Aber bitte … Verzeih ihm. Verzeih ihm, was er dir angetan hat. Damit er seinen Frieden findet. Denn glaub mir: Dich hat er mehr geliebt als alles andere auf dieser Welt.« Normalerweise wäre ich knallrot geworden. Wäre aufgesprungen vor Freude und Glück. Doch in Anbetracht der Situation … reichen diese Worte nicht einmal für einen schwachen Trost. Im Gegenteil: In mir keimt Reue auf. Grenzenlose Reue. Ich kann dir nicht verzeihen. Es gibt nichts, was ich dir verzeihen muss. Du hast nichts getan; dir rein gar nichts zu Schulden kommen lassen. Diejenige, die um Vergebung bitten sollte, bin ich. Ich und sonst niemand. Doch meine Entschuldigung wird dich niemals mehr erreichen. Es war viel zu spät. Ich schließe meine Augen und denke unwillkürlich an deine letzten Worte zurück. Sichtlich niedergeschlagen erhob sich Shinichi und ging schweren Schrittes durch Rans Zimmer. Er blieb direkt vor der Tür stehen, legte seine Hand auf die Klinke und verharrte in dieser Position. Er rührte sich nicht vom Fleck. Ran stand noch vor ihrem Bett und hatte die Arme um sich gelegt. Mit aller Kraft versuchte sie, ihre Fassung zu wahren und sah ungeduldig zu ihm rüber, wie er sich nicht von der Stelle bewegte. Warum ging er nicht endlich? Sie wollte nicht ein weiteres Mal vor ihm in Tränen ausbrechen. Sie wollte nicht mehr schwach sein. Sie wollte das einfach nicht mehr! Warum konnte er nicht endlich gehen und sie in Frieden lassen? Der Detektiv drehte seinen Kopf leicht zur Seite, sah sie aber nicht an. »Ich komme zurück. Ich werde zurückkommen und dich zurückerobern. Und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde, bevor ich sterbe. Verlass dich drauf.« Das waren deine letzten Worte gewesen, bevor du aus meiner Zimmertür gegangen und somit aus meinem Leben verschwunden bist. Für immer … Wieder hast du ein Versprechen nicht halten können. Du bist gestorben, bevor du zu mir zurückkehren konntest. Doch ich kann dir keinen Vorwurf machen. Ich habe nicht das Privileg dazu. Und ich möchte es auch gar nicht. Mit zitternder Hand eine weiße Rose haltend, stehe ich nun direkt vor deinem Sarg. Nun bin ich an der Reihe, dir ›Lebe wohl‹ zu sagen. Zum zweiten Mal. Es ist mein letzter Wunsch an dich gewesen. Dass du verschwinden sollst aus meinem Leben. Aber ich habe es nie so gemeint. Nie auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Aber das wirst du nun niemals erfahren. Ich werde nie mehr die Chance dazu haben, es dir zu erklären. Du bist mit dem falschen Wissen, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben wollte, von dieser Welt gegangen. Diese Erkenntnis trifft mich plötzlich wie ein Schlag. Nein … ich schaffe das nicht. Ich kann mich nicht von dir verabschieden. Unmöglich. Achtlos lasse ich die Rose fallen. Mir dreht sich der Magen um. Vor mir verschwimmt alles. Alles wird schwarz. Ich sacke zusammen. Ignoriere den Schmerz meiner Beine, der durch den Aufprall am harten Asphalt verursacht worden ist. Verzweifelt lege ich meine Arme auf den Sarg. »Du bist nicht tot. Du bist nicht tot! Komm zurück! Komm zu mir zurück! Du hast es mir versprochen, Shinichi!« Ich winsele kreischend und schlage meinen Kopf hart gegen den Sarg. Tränen verlassen unaufhaltsam meine Augenwinkel. Es ist mir egal. Egal, was die Anwesenden von mir denken. Egal, wenn sie mich für verrückt oder wahnsinnig halten. Total egal! Nichts macht mehr einen Sinn auf dieser gottverdammten Welt! Eine Welt, auf der du nicht mehr existiert, ist keine Welt. Es ist meine persönliche Hölle. Mein Untergang. Ich spüre, wie mehrere Hände mich umschlingen und mich von dir wegzerren wollen. Ich kralle mich verzweifelt an den Sarg fest. Ich möchte nicht gehen. Warum wollen sie mich von dir wegziehen? Ich will bei dir bleiben! Warum können sie das nicht verstehen? Dichte Stimmen dringen in meine Ohren, doch ich verstehe die gesprochenen Worte nicht. Ich will sie auch gar nicht verstehen. Es sind doch immer dieselben Worte, die ich schon seit geraumer Zeit höre. Immer dieses Beileid. Diese leeren Tröstungen. Sie alle sind nutzlos. Überflüssig. Denn sie werden dich mir auch nicht mehr zurückgeben. Nichts wird dich mir zurückgeben können. Meine Kraft verlässt mich. Ich habe nicht mehr die Energie, mich noch länger zu wehren. Wann habe ich das letzte Mal richtig Energie geschöpft? Wann habe ich das letzte Mal richtig bewusst etwas zu mir genommen? Ohne dass mich jemand dazu gezwungen hat, das Essen herunterzuwürgen? Ich habe immer nur das Nötigste gegessen und getrunken, um am Leben erhalten zu bleiben. Aber eigentlich möchte ich das gar nicht mehr. Am Leben bleiben. Seit deinem Tod hat der Begriff ›Leben‹ für mich eine ganz andere Bedeutung. ›Leben‹ setze ich nun mit ›Tortur‹, ›Schmerz‹, ›Leid‹ und ›Qual‹ gleich. Mehr ist es nicht mehr wert. Deswegen habe ich mich bereits entschieden. Ich werde dir folgen. Schon sehr bald. Auch, wenn ich ganz genau weiß, dass du das nicht wollen würdest. Ich habe keine andere Wahl. Ohne dich ist ein Leben für mich undenkbar. Ich spüre nur noch, wie Paps mich in seine Arme nimmt. Wo normalerweise Wärme gewesen wäre, finde ich nur Frost. Mein Herz und meine Seele haben ihre Türen für immer versiegelt. Nie wieder wird ein positives Gefühl wieder in mich eindringen können. Ich bin unfähig, herzerwärmende Gefühle zu empfangen. Erschöpft schaue ich hoch und erkenne … dich. »Shinichi …« Das ist das erste Wort gewesen, was ich gesprochen habe, seit ich von deinem Tod erfahren habe. Das erste Wort seit einer ganzen Woche. Sofort spüre ich, wie ich wacher werde; wie ich aus meinem tranceartigen Zustand aufwache. Du stehst da; in einem schwarzen Anzug. Oder … kann das sein? Wie kannst du auf deiner eigenen Beerdigung sein? Das ist doch unmöglich. Meine Sinne sind so vernebelt, dass ich überhaupt nicht mehr deuten kann, ob du das bist oder nicht. Die mir irgendwie so bekannte Gestalt geht auf mich zu und sieht mich mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck an. Er beugt sich zu mir runter. Mein Herz bleibt stehen. Du bist es nicht. Wie könntest du das auch sein … Mit trauriger Miene sieht mich der Fremde an, während er vorsichtig seine Hand auf meine Schulter legt. »Ich bin Kaito. Es tut mir so leid.« Tief hole ich Luft und schließe meine Augen. Nun bin ich mittlerweile schon so geschwächt, dass ich mich nicht einmal mehr auf meine Sinne verlassen kann. Sie haben mich mitsamt meiner Seele mit dir verlassen. Trotzdem … sitzt der Schock tief. Vorher diesen kurzen Moment der Hoffnung zu erleben und dann … wieder auf dem harten Boden der Realität zu landen, fühlt sich wie ein Schlag in die Magengrube an. Mir wird schlecht. Ich kann nicht mehr. Meine Kraft in den Beinen lässt nach; ich sacke zusammen und lasse mich einfach fallen. Zu fallen ist immer schwer. Doch immer und immer wieder fallen zu müssen in ein immer tiefer werdendes Loch … das zerstört früher oder später selbst die mächtigste Seele. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)