Zum Inhalt der Seite

The Destiny of Darkness

Das Schicksal der welt steht auf dem Spiel
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Neuzugang

Später schloss ich meine Augen, genoss den Fahrtwind, der mir ins Gesicht blies. Die ganze Zeit dachte ich, ich sei in der Hölle gelandet. Niemanden zu kennen war das geringste Übel, doch noch in einem unbekannten Land, dass ging mir zu weit. Doch selbst wenn ich jetzt anfangen sollte, mich gegen eine Reise aufzulehnen, ich selbst konnte doch nichts tun, nicht einmal etwas an meiner bisherigen Situation zu verändern.

„Please be careful!“, warnte mich der Kapitän schon zum zehnten Mal daran, mich nicht zu weit über die Reling zu lehnen, sonst würde ich eine Bekanntschaft mit dem Meerwasser machen. Darauf hatte ich wenig Lust, doch wenigstens ging mir das kühle Nass weniger auf die Nerven, als dieser alte Kahn hier!

Schließlich stöhnte ich und ging einen weiteren Schritt nach hinten, bis ich in der Mitte des Schiffes stand. Wirklich genießen konnte man es nicht, doch ich wartete, bis sich der alte Mann in seine Kabine zurück gezogen hatte, damit ich wieder meiner Tätigkeit nachgehen konnte.

„Der Käpt´n hat recht, wenn du dich zu weit raus lehnst, ertrinkst du uns noch!“, eine warnende Stimme neben mir.

„Wenn ich noch ne zweite Mutter brauche, melde ich mich zuerst bei dir, okay?“, genervt machte ich ihn an. Ich hatte weniger Lust noch mit jemanden zu streiten, nur weil ich nicht sogfältig jede Regel einhielt, wer tat das schon?

Statt mich anzuschnauzen, lachte die Person und kam etwas näher, überrascht wand ich meinen Kopf nach rechts, um mir die Gestalt genau in Augenschien zu nehmen. Er handelte sich um einen Jungen, gut gebaut und ebenso gut aussehend. Wäre ich hier nicht wegen anderen Gründen hier, würde ich glatt anfangen, hier rum zu flirten.

„Hallo, ich bin Luke.“, begrüßte er mich freundlich. Eigentlich war das unfair. Schließlich wollte er mich doch nur davor warnen und ich schnauzte ihn gleich an.

„Hi, Luke, nett dich kennen zu lernen.“, meinte ich nur und konzentrierte mich aber wieder dem Wind zu. Er verhieß Freiheit, ein einmaliges Gefühl. Trotzdem hing mir das ganze hier zum Hals raus.

„Es ist schön, nicht?“, sagte Luke mir, doch eigentlich meinte er es zu sich selbst.

„Ja.“, sagte ich nur dazu und schloss wieder die Augen.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte er nach ein paar Schweigeminuten. Erwartungsvoll schaute er in meine türkisblauen Augen, ich in seine scheinbar endlos grauen.

„Jaz.“

„Jaz? Das ist doch dein Spitzname, oder?“, Scheiße, warum musste er danach fragen?

„Mein eigentlicher Name wäre Jazmin Talisha. Aber wehe du nennst mich jemals so, dann bist du der erste, der schwimmen lernt!“, genervt knurrte ich ihn an. Ich hasste es zutiefst, wenn man mich nach meinem Namen fragte, denn er ähnelte meiner Familie so sehr, dass ich ihn verabscheute.

Wieder ließ er seine Lachte hören. Nahm er mich etwa nicht ernst?

„In Ordnung, Jaz. Freut mich ebenfalls.“, antwortete er auf meine direkten Worte. „Aber du scheinst dich weniger zu freuen, hier zu sein, als bei dir daheim im Bett, oder?“

„Ist das so offensichtlich?“, Ironie verlieh meinen Worten mehr Überzeugungskraft. Ich hatte ebenso viel Lust, mit dem Kerl mich noch zu unterhalten, als wären wie alte Freunde, die sich seit Jahren nicht gesehen hatten.

„Gut schon okay, wenn du wieder besser gelaunt bist, dann halte mich auf dem Laufenden.“, forderte er mich auf und hob die Hand zum Abschied. Einen kurzen Blick riskierte ich noch, als ich ihm nachsah, doch er schaute nicht zurück. Seine kleinen Kräusellocken schwangen immer mit seinem Gang mit und fielen dabei manchmal auf die breiten Schultern. Okay, Merksatz, wenn wieder der Gute-Laune-Pegel auf 10 stand, holte ich ihn mir, dabei war ich gefasst.

Doch jetzt war weder die Lust noch sonst etwas in der Lage, meine Gefühle ins positive zu schleudern. Nicht nachdem, was meine Eltern angeblich so gutes für mich hatten.

Gerade, als ich den Gedanken imaginär ausgesprochen hatte, tauchten auch schon wieder die Bilder des vergangenen Abends in meinem Kopf auf.

„Es ist doch besser so.“-„Wir wollen nur das Beste!“-„Wir lieben dich doch!“ Ach, es war doch zum Kotzen, selbst mein gesunder Menschenverstand spielte verrückt. Einerseits meinten sie es doch nur gut. Meine nette Seite unterstütze auch die These, doch meine andere „böse“ Seite hasste sie dafür. Immer noch. Auch in Zukunft.

Ich schwelgte in Erinnerungen, dabei halfen Wind und Wetter, die miese Stimmung zu unterstützen.
 

„Hey, Talisha, schau mal, was ich für dich habe.“, meinte sie zu mir, als sie mir eine Karte überreichte. Sie schmückten niedliche Bildchen und Aufkleber. Verziert mit Herzen und sonst noch was. Mit einer Schnörkelschrift konnte ich meinen Namen entziffern.

Ich nahm die Karte entgegen, ruhig und dennoch etwas aufgeregt, schließlich war es mein Geburtstag. Langsam öffnete ich sie. Meine Mutter war schier aus dem Häuschen, als ich einen Hundeaufkleber abriss und das rosa Papier sah. Ja, dass Papier musste sie besorgt haben, ich hasste diese Verniedlichungen. Dass wusste sie aber nicht, ich hatte auch noch nie darüber mit ihr gesprochen.

„Los mach sie auf!“, verrückt sprang sie auf und ab, lief nervös um mich herum. Anscheinend freute sie sich mehr darüber, wie ich, denn als ich die ersten Worte las, brannte insgeheim schon die Wut aus. Zeigen wollte ich sie nicht, nicht, dass sie enttäuscht war, obwohl sie sich doch so viel Mühe gegeben hatte.

Liebe Talisha,

alles Gute wünschen dir, deine Eltern.

Schon der erste Satz machte mich sauer. Meine Eltern? Das aufgebrauste und verwöhnte Arschloch meinte also, ich sei seine Tochter?

Zu deinem 17. Geburtstag schenken wir dir etwas ganz besonderes. Eine kleine Reise. Dein Bus wird nächste Woche dich hier abholen und du verbringst eine tolle Woche auf einem großen Schiff auf dem Meer. Ist das nicht toll?

Dein Daddy und deine Mummy

Ein einziger Vorteil schlug dabei für mich raus. Ich musste mir die Visage von diesem Kerl nicht mehr antun, und das für eine tolle ganze Woche. Doch das war es schon. Vielleicht wusste sie es nicht, aber ich kam mir vor, als ob sie nur sich das für mich geleistet haben, damit ich abgeschoben bin. Einfach weg, der letzte Fleck auf dem perfekt geputzten Glas, das noch weg musste, dann war alles perfekt. Selbst meine abrupte Traurigkeit und Wut, die sich binnen Sekunden in mir gebildet hatten, wüteten in mir, brannten darauf, frei zu kommen. Meine jahrelangen Selbstbeherrschungskünste hatte ich es zu verdanken, dass ich nicht lauthals losschrie.

„Und, wie findest du es?“, fragte der hochgewachsene Mann mit einem freundlichen Lächeln. Ich verstellte mich auf gute Tochter und lächelte ebenso freundlich zurück. Er stand hinter meiner Mutter, hielt sie an den Schultern fest und strahlte sie an. Am liebsten hätte ich ihn zum Mond geschickt, nebenbei meine Mutter dazu.

„Toll, wirklich, ich freu mich schon darauf.“, meinte ich. Meine Muskeln bekamen Krämpfe von diesem verstellten Lächeln, dass mehr einem Grinsen glich. Jeder Vollpfosten hätte gemerkt, dass ich weder mich über das Geschenk, noch über die jetzige Situation. Natürlich freute ich mich, dass beide an mich dachten, ebenso dachten sie, dass ich mich darüber freuen würde, wenn sie ihr Geld für mich aus dem Fenster rausschmissen, anstatt es nicht für dich selbst zu verwenden. Sicherlich, sie sagten und zeigten es nicht, aber wenn man jahrelang Spion spielte und ihre Gespräche anhörten, merkte man es deutlich. Jetzt kam ich mir gerade so vor, als ob ich der letzte Sperrmüll wäre, den sie noch zu entsorgen hatten, damit ihr Familienglück vollständig war. Denn meine Mutter war schwanger im achten Monat.

„Schön, denn wir haben entschieden, dass wir doch dich überraschen wollen, dass du anstatt einer Woche, ganze drei bleiben darfst.“, meinte der Mann noch zu mir.

„Warum jetzt auf einmal drei? Auf der Karte steht doch nur eine.“, fragte ich mit zerknirschten Zähnen.

„Wir haben in Erfahrung gekriegt, dass es in der Nähe noch ein Camp gibt, in das in Schiffsinsassen gehen. Man kann entweder nur die Schiffsfahrt oder das Camp genießen, wir wollten natürlich das Beste für dich und hielten es für das Beste, wenn du bei beiden Reisen dabei wärst.“, sagte meine Mutter völlig außer sich.

Okay, jetzt war ich sauer, aber wirklich.

Doch anstatt mir etwas anmerken zu lassen, blieb ich ruhig. Was hätte es mir gebracht, jetzt einen Aufstand zu veranstalten? Ich wurde sowieso abgeschoben, also konnte ich es hinnehmen und einfach gehen.

Wieder grinste er mit seiner Hackfresse, meinte, mich glücklich zu machen.
 

Letzten Endes stand ich also hier auf dem ältesten Boot, sah den Möwen beim Fliegen zu, bis mir langweilig wurde und ich dann entschied, mich in meine Kabine zu verziehen, damit mir niemand mehr auf die Nerven gehen konnte. Als ich meine Armbanduhr anschaute, wurde mir bewusst, dass ich bereits eine halbe Stunde zu spät war. Das Abendessen hatte bereits begonnen, doch ich hatte weder Hunger, noch Lust mich mit anderen Jugendlichen auseinander zu setzen.

Eine kleine Lucke, die als Fenster meiner Kabine diente, ermöglichte es mir, mich mit etwas Gymnastik hindurch zu quetschen. Unten angekommen hörte ich laute Stimmen, die immer näher kamen. Stöhnend kam mir die Idee, mich einfach schlafend zu stellen, doch dazu wurde es zu spät, als sich die Tür öffnete und zwei Mädchen erschienen. Die eine wirkte jetzt schon eingebildet. Ihre strohblonden langen Locken hingen ihr im Gesicht, als sie die Hand nahm und mit einer was weiß ich noch eingebildeteren Bewegung nach hinten schwang. Auch ihre Figur hatte was für sich. Genau, was man unter einem Model verstand, nichts desto trotz passten selbst ihre braunen Augen zu ihrem Aussehen.

Die andere ging nervös hinter ihr her. Ihre kurze Struppelfrisur passte einfach nicht zu dem anderen Mädchen. Gerade noch kräuselten sich ihre braunen Locken, bis sich ihre blauen Augen ebenso nervös umsahen, ob nicht andere sie beobachteten.

Beide schienen mich noch nicht bemerkt zu haben, auch gut so, denn Miss Eingebildet hatte anschneidend eine dringende Angelegenheit zu klären. Ihr süßes Köpfchen ganz rot, ihre Finger immer hin und her schwingend, was auch immer das zu bedeuten hatte, es sah nach Spaß aus.

„Los, Vivi. Sag schon, hat sich diese Schlampe an ihn rangemacht? Sie hat ihn mit Sicherheit so vollgelabert, dass er einfach gehen musste, damit er mich sehen kann. Los, sag es Vivi! Ich bin doch viel besser als diese hochgetragene Schnepfe!“, ganz hysterisch lief die Blonde auf und ab, bis sie stehen blieb und sich wieder irgendwelche Locken hinter der Schulter schmiss.

„Also, äh, weißt du, Diana. Ich weiß nicht wirklich, äh, von was du redest. Deswegen…“, die Schüchterne, die anscheinend Vivi oder so hieß, redete so leise und nuschelte, dass sie beinahe als Bauchredner auftreten konnte. Man sah kaum ihre Lippen auseinander gehen.

„Was?“, wie im Film tat sie ihre Hand vor den Mund, aber doch nicht auf die Lippen, das würde ja ihren Lippenstift verschmieren, sah dabei mehr aus, als ob sie etwas zwischen den Zähnen hatte und das Etwas verstecken wollte, als es einer erschrockenen Geste glich.

„Du weißt, ich bin nicht gerade in Stimmung, also solltest du mir mehr Zeit widmen, schließlich habe ich dafür gesorgt, dass du hier überhaupt auf dem Schiff bist. Du solltest mit mehr dankbar sein, Vivi!“, meinte sie sattdessen und drehte sich schwungvoll um. Ihr lackierten Fingernägel sah sie für einen Moment an, als sie ihre Genossin anwies, einige Sachen für sie aus ihrer Mega dicken Tasche zu holen, dabei war die andere an ihrer makellosen Hüfte.

„Ich geh jetzt, du wirst hier sein und erst wenn ich dich rufe, wirst du kommen, verstanden?“, Befehle über Befehle wurden der Kleinen an den Kopf geschmissen, die nichts anderes tat, als sie anzunehmen und stumm zu nicken. Danach verschwand Diana im Bad und drehte das warme Wasser auf. Da wir nur bedingt Heißwasser zur Verfügung hatten, musste man sparsam damit umgehen, doch damit wusste die reiche Tusse nicht umzugehen.

Stöhnend wandte sich das Mädchen weg und ließ sich auf das Bett fallen. Traurig schaute sie dem Boden zu, wie er vor sich hin vegetierte. Ihre Augen geschlossen fasste sie sich ins Haar und schloss ihre Ohren, damit sie anscheinend nichts mehr von den Befehlen hörte.

Doch plötzlich fiel sie vom Bett. Ihr kleiner Kopf krachte gegen den Holzboden. Das wurde mir erst bewusst, als ich den dumpfen Aufprall hörte. Erschrocken fuhr ich hoch und sah mich um. Ebenfalls konnte ich Vivi nirgends mehr ausfindig machen.

Langsam schritt ich um das Bett herum, als ich ihre Gestalt auf dem Boden fand. Leblos lag sie da. Ihre Hände noch an ihre Ohren gelegt, ihre Augen weit geöffnet, als ob sie einen Alptraum hätte. Es glich einem Horrorfilm, einer Begegnung mit einer grusligen Gestalt. Doch kaum wollte ich sie berühren, zuckte sie zusammen und schloss ihre Augen langsam. Abrupt öffnete sie sie wieder und schaute mich an. Ihre blauen Pupillen fixierten mich und schienen mich in ihren Bann zu ziehen. Ich konnte nicht von ihnen weichen, stattdessen schaute ich sie genauso an. Fragte mich innerlich was hier jetzt gespielt wird, was jetzt mit Vivi war.

„Hey, alles klar?“, brachte ich nach gefühlten Stunden aus mir heraus. Doch anstatt zu antworten, stütze sie sich an dem Bett ab und stand auf. Immer noch hielt sie mich im Blick, ohne je einen Augenblick wegzugucken.

„Ja, alles okay, naja, s´geht…“, meinte sie leise und ihre Augen suchten sich endlich einen anderen Punkt zum fixieren. Doch aus dem Augenwinkel beobachteten sie mich immer noch. Ich dagegen wurde neugierig und untersuchte sie. Nein, keine Pillen oder ähnlichen Medikamente in Sicht, Es konnte sich ja um einen Anfall handeln, aber dazu war das zu abgedreht.

„Hast…Hast du etwa das gesehen?“, fragte sich mich hastig, während ihre Hände ebenso nervös an ihren rosa Rüschen berührte. Etwa sollte ich das nicht sehen.

„So in etwa...“, meinte ich nur dazu und fragte nicht weiter. Ich wollte nicht durch einen solchen Vorfall Ärger bekommen und auch nicht zufällig Freundschaften schließen, nur weil ich jetzt ein kleines Geheimnis kannte, dass niemand sonst hatte erfahren dürfen.

„Oh…“, sie wurde rot im Gesicht. Anscheinend zu peinlich. „ Ich würde dich gerne um etwas bitten.“, sagte sie.

„Ach ja..meinst du, dass dieser Vorfall nie geschehen ist. Und das unter uns bleibt?“, vorherzusehen war das ja.

„Ja, bitte. „, meinte sie nur. Doch bevor ich weitere Argumente aufzählen konnte, blieben meine Fragen unbeantwortet, da sich wieder Diana meldete, sie bräuchte ihr Shampoo aus ihrer Megadicken Tasche.

„Also gut, ich wünsche dir noch gute Tage hier. Ach ja, ich bin Vivienne, naja, eher Vivi. Bis dann.“, sie verabschiedete sie und ließ mich allein stehen.

Anstatt mir auch noch darüber Gedanken zu machen, ließ ich sie ihre Arbeit machen und ging aus der Kabine.

Meine Füße trugen mich über den langen Flur, bis ich in einem kleinen Versammlungsraum war. Jeder war noch beim Essen, also konnte ich hier (wieder einmal) in Ruhe nachdenken und einfach nichts tun. Mein Leistungssport. Gemütlich ließ ich mich auf den Sessel fallen und schloss die Augen. Was war das grad eben für eine Aktion?

Vielleicht Herzkrank oder so. Was interessierte es mich? Eigentlich kein bisschen. Niemand interessierte sich für mich, meine Probleme sind jedem egal. Also kümmere ich mich nicht um andere.

Stöhnend öffnete ich die Augen und sah den Raum an. Holzbalken und alles möglich, was man für eine Reise auf hoher See braucht waren hier anzutreffen.

Doch bevor ich mir noch weitere Gedanken machen konnte, schlief ich ein.

Gefühle...

Ich konnte nicht wirklich wieder einschlafen, als ich erwachte. Ich wollte nicht in meine Kabine gehen, denn auf eine Schnepfe und ihrer Gehilfin hatte ich nun keine Lust. Die anderen Schiffsinsassen waren vermutlich schon mit ihrem Mahl fertig, denn ich hörte Stimme im Flur. Lautes Lachen ertönte, als ich eine Gestalt in der Tür fand. Seine blonden Haare fielen ihm schwer auf die Schultern. Leichte Tropfen hingen ihm noch im Haar. Er hatte anscheinend geduscht. und frische Sachen angezogen. Das T-Shirt betonte jede einzelne Muskelfaser. Sein Sixpack war hinreißend.

„Na, wen haben wir denn da?“, meinte er in belustigter Tonlage. Cool und entspannt kam er Schritt für Schritt zu mir rüber. Doch je näher er mir kam, desto angespannter wurde ich. Körperkontakt konnte ich noch nie leiden. Sie erinnerte mich nur daran, wie ich nie solche Wärme in meiner familiären Umgebung wahrnehmen konnte.

„Was willst du?“, entgegnete ich stattdessen. Immer noch gereizt antwortete ich ihm. Wenn auch nicht mit Absicht konnte ich mir aber so nervige Personen vom Leibe halten. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Luke schien es nicht zu merken, dass ich keine Lust auf Reden hatte und auch nicht in Stimmung war, mit ihm einen auf heiter zu machen.

„Naja, man hatte dich beim Abendessen vermisst. Schade, es gab Pizza.“, sagte er. Einen Meter vor mir blieb er stehen und schaute mir in meine Augen.

„Ich hatte keinen Hunger. Und jetzt geh bitte…“, sagte ich nur. Leise murmelte ich die Worte vor mich hin. Ich konnte die Reise immer noch nicht wirklich verarbeiten. Als meine Mutter mich vorgestern abgeliefert hatte, stand ich einfach mit meinem kleinen Koffer auf der Straße und schaute mich um. Wie ein Paket, das bestellt, aber nicht abgeholt wurde.

„Du warst auch gestern nicht beim Essen. Die Betreuer meinen es liege an ihnen. Und machen sich Sorgen. Ist etwas?“, fragte er vorsichtig. Eigentlich war es ja süß, dass er sich um mich kümmerte. Dennoch, es war zu viel des Guten.

„Nein, vergiss es einfach. Es ist nichts, was für dich von Bedeutung wäre, okay?“, meinte ich.

Leise wisperte Luke: „Als ob du das beurteilen könntest.“

Böse funkelte ich ihn an. Solle er doch einfach von irgendjemand genervt werden und mir nicht weiter auf den Zeiger gehen.

Als ob mein Wunsch erhört wurde, ertönte ein grelles Schreien im Flur. Beide zuckten exakt zur selben Zeit zusammen und schauten auch gleichzeitig in dieselbe Richtung.

Stöhnend wandte sich Luke von mir ab und meinte leise zu mir: „Wenn was ist, melde dich einfach, okay?“ Dann verschwand er schnurstracks Richtung des Schreis und ließ mich meiner Ruhe.

Ich konnte ohne große Anstrengung schon herausfinden, um wen es sich im Gang handelte. Diana schrie förmlich durch das gesamte Schiff, um an Luke zu kommen. Kein Zweifel, die Schnepfe hatte in der Kabine von ihm geredet und wollte nicht, dass ich mich an ihn ranschmiss. Ich hatte auch kein großes Interesse daran, Verbindungen zu pflegen oder neu welche entstehen zu lassen.

Das Sofa wurde allmählich ungemütlich, sodass ich mich entschied, weiterhin an Deck zu schmorren um dort auch die Zeit totzuschlagen.

Ich musste schmunzeln. Totschlagen, ja darauf hatte ich jetzt wirklich Lust. Nur dass das passende Gesicht dazu fehlte, was mir das alles erst hier eingebrockt hatte. In Gedanken ging ich meine wahrscheinliche Ankunft durch. Noch bevor meine Mutter mich grüßend in den Arm nehmen würde, würde ich ihr erst einen Arschtritt und danach einen Auf-nimmer-wiedersehen-Schlag aus meinem Leben entfernen. Das einzig Gute an der Sache war, dass ich nicht mehr für die nächsten Wochen darum kümmern müsste, dass mich jemand abschob. Ich tat es einfach selber.

Kaum war ich an Deck angekommen, hing jemand anderes an meinem Stammplatz.

„Hey, ich war hier zuerst, also verpiss dich!“, meinte ich mit genervten Stimme.

„Davon wüsste ich…“; flüsterte dieser jemand. Sein Kapuzenmantel verschleierte mir sein Gesicht, doch ich konnte durch das Raue aus seiner Stimme davon ausgehen, dass es ein Junge war.

Er schaute mich nicht an, auch wirkte er nicht gereizt, nachdem ich ihn angepfiffen hatte. Er blickte weiterhin dem Sonnenuntergang entgegen. Die Möwen kreisten über unseren Köpfen, der Wind rauschte vorbei.

Seufzend gab ich auf, als er sich selbst nach Minuten nicht bewegte. Ruhig und gelassen lehnte er sich ans Geländer und schien zu…warten.

Ebenso wie er versuchte ich meine innere Ruhe zu finden, in dem ich ziellos etwas fixierte und darauf drauf sah, bis mir schwindelig wurde. Ich verstand weder wie man stundenlang so fasziniert auf einen Fleck starren noch solch eine innere Ruhe haben konnte. Doch mein Verstand war gerader nicht in der Lage, eine solche Frage mit logischen Antworten zu füllen.

Doch irgendwie brachte mich diese Geste zur Ruhe. Ich selbst begriff nicht, wie ich das schaffte. Einfach nichts tun, einfach…ruhig sein.

„Genauso..“, meinte mein Nebenmann. Ich beachtete ihn gar nicht, sondern konzentrierte mich weiterhin auf den Punkt, den ich gefühlte Stunden schon im Visier hatte.

„Danke…“, nuschelte ich ihm zu. Wir verstanden uns irgendwie. Ich erinnerte mich immer wieder an Geschehnisse bei mir Daheim. Wie meine Mutter und ich noch aneinander geraten sind, weil ich nicht ihren Willen folgte oder ihre Meinung teilte. Leise lächelte ich. Damals waren wir noch zu zweit in unserer Wohnung gewesen, niemand störte unser Familienglück. Meine Mum war gestresst von der Arbeit, ich wegen meiner zu vielen Freizeit. Wir gerieten oft zusammen und zickten uns wegen Nichtigkeiten an, doch ich liebte sie. Ihr Lachen steckte mich an, als wir merkten, dass unsere Zankerei kein sinnvolles Ende fand, sodass sie einfach aus dem Nichts eine Freude entwickelte und darüber lachte. Und ich lachte mit.

Der Wind strich mir ein paar Strähnen ins Gesicht, ich blies sie weg. Schweigend verharrte ich in dieser Position, entspannt lauschte ich dem Wellenrauschen.

„Es ist Zeit…“, sagte mein Nebenmann. Ich blickte ihn an und fragte mich, für was wohl Zeit war?

„…deine Bestimmung zu finden, Talisha.“, meinte er. Ich blinzelte. Woher kannte er meinen Namen? Ein Geistesblitz kam mir. Luke.

„Nein, er hat ihn mir nicht verraten…“

Immer unheimlicher wurde er mir. Ich wich einige Schritte zurück und sah ihn an. Seine Kapuze verdeckte sein Gesicht. Doch er war groß und breit gebaut. Allerdings nicht so sehr wie Luke.

„Vergleich mich nicht mit ihm! Ich mag ihn nicht besonders…“, mahnte er mich.

Er wandte sich an mich. Langsam, als ob die Zeit stehen geblieben wäre, drehte er sich in meine Richtung. Seine Augen kamen zum Vorschein. Dieses dunkle Braun, dass in ein Schwarz überging, fixierten mich eindringlich. Wut konnte man erkennen, mit etwas anderem…Trauer?

Ich machte immer größere Augen, doch wich nicht weiter zurück. Ich empfand zum ersten Mal wirklich Mitleid. Ich wusste nicht warum, einfach so. Verdammtes Herz, hör doch auch, solche schwachen Gefühle konnte ich mir nicht erlauben.

„Mitleid?“, er lachte leise. Seine raue Stimme kitzelte mich an meiner Haut. Es verursachte eine Gänsehaut. Ich rieb sie mir weg, doch so einfach verschwand sie nicht. Mein Härchen standen senkrecht, mir wurde auf einmal kalt. Ich trat weitere Schritte zurück, doch ich stieß an einen Mast.

„Aufpassen...“, er lachte weiter in sich hinein. „Keine Angst, ich tu die nichts. Ist schon lange her, dass jemand so über mich gedacht hatte. Mitleid..“, er schüttelte den Kopf. „..ist kein schwaches Gefühl, Talisha.“

„Woher kennt du meinen Namen?“; fragte ich ihn, aufgebracht, wusste nicht, was ich nun tun sollte. Dieser Mensch kannte mich nicht, ich kannte ihn nicht, woher wusste also, wie ich fühlte, empfand?

„Das liegt an meiner Gabe.“, erzählte er. „Ach ja, ich bin Jason Rock.“ Er lächelte zum ersten Mal freundlich. Naja, freundlich war in diesem Thema relativ. Seine weißen Zähne standen in einem krassen Kontrast zu seiner dunklen Haut. Der dunkle Teint, der eher vermuten ließ, dass er aus dem Süden stammte, passte allerdings gut zu seinen großen schwarzen Augen. Sein Gesicht zeigte sich durch eine Narbe am rechten Auge. Deutlich erkennbar.

„Die hab ich bei einem Kampf bekommen“, meinte er meine nicht gestellte Frage. Seine Hand wanderte automatisch zu ihr. Jason strich sich seine Strähne wieder über das Auge, damit man sie nicht sehen konnte. Mir war noch nicht wirklich aufgefallen, dass er überhaupt braune Haare hatte, denn seine Kapuze hatte alles verdeckt.

„Kannst du etwa Gedankenlesen?“, fragte ich etwas zögerlich. So etwas gab doch nicht! Nein, was fragte ich da?

„Du bist amüsant, das muss ich schon sagen. Naja, du bist für mich ein offenes Buch, deine Mimik und Gestik ist einfach leicht zu deuten. Ich bin kein Gedankenleser.“, erklärte er mir. Warum habe ich dann Gedacht, dass er Gedanken lesen konnte. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Dieser Tag war zu viel für mich. Erschöpft lehnte ich mich an den Mast und blies genervt eine hängende Strähne weg.

„Aber woher kanntest du dann meinen Namen?“, fragte ich ihn. Anhand Gestik oder Mimik konnte man jedenfalls nicht herausfinden, wie man hieß, oder doch?

„Am Abendessen fragte man nach dir. Ich hatte dich davor noch nicht gesehen, also kannst nur du es gewesen sein. Oder“, er lächelte. Man könnte fast meinen es amüsierte ihn, dass ich nicht eins und eins zusammengezählt hatte.

„So könnte man es auch sagen…“, Jason grinste inzwischen breiter.

Empört darüber ließ ich ihn einfach am Deck stehen und ging in die Kabine zurück.
 

„Was für ein verrückter Tag.“, meinte ich zu mir selbst. Ich hatte eigentlich keine wirkliche Ahnung, warum mich dieser Tag extremer schlauchte als andere. Seit meiner Mutter diesen Schnösel geheiratete hatte, wollte ich jeden Tag nur so schnell wie möglich zu Ende führen, fühlte mich nach jedem einzelnen ausgelaugt.

Mit Hilfe meiner Gefühlsachterbahn stieß ich mal wütend, mal teilweise fröhlich die Tür auf, die zu meiner Kabine führte. Diana und Vivi waren nirgends anzutreffen. Doch mich interessierte es weniger, welche Leute sich hier aufhielten, mich interessierte es mehr, was ich bei Jason gespürt hatte.

Meine Gefühle zu verbergen, dass konnte ich schon seit Kindheitstagen, dennoch spürte ich etwas neues. Ein vertrautes und dennoch fremdes Gefühl. Was dies zu bedeuten hatte, darauf beschloss ich morgen eine Antwort zu finden.

Ich legte mich auf mein Bett. Es war gemütlich. Ich kuschelte mich in die warme Decke ein. Meine Gedanken kreisten immer mehr um Jason. Ich hatte das Gefühl, dass er mehr von mir wusste, als ich. Schließlich hatte er mich binnen Sekunden anhand meiner Gestik und Mimik entlarvt. Ich ich Idiotin dachte er könne Gedanken lesen.

Schnaubend schüttelte ich den Kopf und drehte mich zur Seite. Meine Augenlieder wurden schwerer. Ohne dass ich es wollte, schlief ich dennoch ein.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück