Vanishing Hope von YharnamSunrise ================================================================================ Kapitel 9: Immer vorwärts Schritt um Schritt... ----------------------------------------------- Der Regen prasselte auf die umliegenden Hausdächer hernieder und weckte die junge Frau, die in ihrem Bett lag und langsam aus der Welt der Träume wieder ins reelle Leben überging. Sarayas Augen öffneten sich und blickten verschlafen in Richtung des Fensters, nur um gleich darauf den grauen Himmel und den Regen ausfindig zu machen. Oh nein, jetzt regnete es auch noch. Sie seufzte genervt und wandte dem Fenster demonstrativ den Rücken zu – der Regen war jetzt echt das Letzte, was sie sehen wollte. Sie hasste Regen und schlechtes Wetter – Sonnenschein und Hitze waren ihr da tausendmal lieber. Kurz seufzte sie und gähnte einmal ausgiebig, ehe sie die Augen wieder schloss. Gedanklich beschloss sie, noch fünf Minuten liegen zu bleiben und sich dann langsam zu erheben – das machte sie immer so, eine Art 'Aufsteh-Ritual'. Ihrer Meinung nach war das ein ganz angenehmer Start in den Tag und sie praktizierte das jetzt auch schon eine ganze Weile so. Schneller als es ihr lieb war riss sie jedoch wieder die Augen auf – ein extrem lauter Donnerschlag meinte, sie erschrecken zu müssen. Schreckhaft wie sie war setzte sie sich sofort ruckartig auf. "Verdammter Donner! Muss es jetzt unbedingt schon um diese Uhrzeit gewittern?", grummelte sie erbost und stand widerwillig auf - bei diesem Lärm konnte man ja nicht schlafen. Schweigend trat sie ans Fenster und starrte nach draußen. Der Himmel war grau, es war dunkel und nur das Zucken der Blitze erhellte für kurze Zeit die Außenwelt. Nachdenklich verfolgte sie einen Regentropfen, welcher sich gerade seinen Weg an ihrem Zimmerfenster gen Fensterbrett suchte. Gestern war es zur Aussprache mit ihrem Bruder gekommen, endlich. Lange Zeit hatten sie sich beide schweigend gegenüber gesessen, ehe das Gezanke losgehen konnte. Shin machte ihr Vorwürfe, gewaltige Vorwürfe, die man nicht einfach abtun konnte und die sie irgendwo trafen. Er machte ihr Vorwürfe dafür, dass sie nicht einfach ihr eigenes Ding machte und sich von einer Adligen ihr gesamtes Leben vorschreiben ließ. Er konnte und er wollte es einfach nicht verstehen und nachvollziehen, warum sie das Alles hier tat. Erst als sie ihm erzählte, dass sie schon immer von einem derartigen Leben träumte, wurde er einsichtiger. Gut, an die Einsicht, die er nun gezeigt hatte, musste sie erst in einem einstündigen Gespräch appellieren, dennoch zeigte er sie am Ende ihres Gesprächs. Lange, sehr lange dauerte es, bis sie sich auf etwas einigten – er akzeptierte ihr Leben und ließe sich im Gegenzug zum Shinigami ausbilden. Wenn er seine Ausbildung dann absolviert hätte würden sie sich zu zweit ein gemeinsames Leben aufbauen, völlig unabhängig, völlig frei. Diese Aussicht, dieses Ziel, hatte ihn besänftigt und er hatte ihren Worten Glauben geschenkt, weil sie ihr Wort immer hielt. Jetzt stellte sie sich die Frage, ob das Alles so seine Richtigkeit hatte. Konnte sie wirklich eines Tages hier die Reißleine ziehen und sich einfach von Dannen machen? Konnte sie einfach gehen und ihren Job hinschmeißen, als ob nie etwas gewesen wäre. Sicherlich nicht. Das Leben war kein Wunschkonzert und eine derartige Berufung konnte man nicht allzu leicht aufgeben. Das wühlte sie irgendwo auf, machte sie nervös und führte letztendlich sogar dazu, dass ihr schlecht wurde. Mit einem nachdenklichen, fast schon verzweifelten Gesichtsausdruck blickte sie nach draußen und hörte nicht, wie Jemand die Türe zu ihrem Zimmer öffnete. Sanjo klopfte an der Zimmertür der neuen Dienerin und trat ein, ohne auf ein Herein zu warten. Die blonde Frau stand am Fenster und hatte ihm den Rücken zugewandt. "Ohayo!", sprach er sie an und riss sie somit aus ihren Gedanken. Erschrocken drehte sich die junge Frau nun zu dem großen Mann um und blickte ihm verwundert entgegen. Wie war er denn jetzt in ihr Zimmer gekommen? Sie hatte die Tür ja gar nicht gehört. "Ohayo", grüßte sie und schenkte ihm ein etwas gequält wirkendes Lächeln, was ihm sofort auffiel. "Was ist los? Ist Alles in Ordnung? Lass mich raten – es ist wegen deinem Bruder?", fragte er sie und sah sie fragend an. Saraya blickte mindestens genauso fragend zurück, vermutete sie doch nicht, dass sie so leicht zu durchschauen war. "Ist das so offensichtlich?", wollte sie nun von ihrem Gegenüber wissen, welches nickte und auf sie zukam. "Nun ja, nachdem ich gestern euren Streit mitbekommen habe dachte ich mir, dass es daran liegen muss.", meinte er und sah sie besorgt an. "Wie? Du hast unseren Streit mitbekommen?", fragte sie ihn, während sie ihren Blick nicht von ihm abwandte. "Ja. Aber mach dir keine Sorgen, Keiner der Anderen hat Etwas mitbekommen.", versicherte er ihr und wusste, was er als nächstes zu tun hatte – er müsste sie aufmuntern. "Weißt du, das soll jetzt nicht besserwisserisch klingen aber im Leben ist nicht immer Alles so einfach. Ich kann dich echt verstehen, dass du erzürnt bist oder warst und nun nachdenklich gestimmt bist – ginge mir in deiner Situation bestimmt auch nicht anders. Ich weiß ich darf mir kein Urteil darüber bilden und ja, ich weiß auch, dass ich eurem Streit nicht beigewohnt habe und dahingehend auch nicht weiß, worüber ihr euch so gestritten habt. Doch lass dir Eines gesagt sein: Egal wie aussichtslos für dich eine Situation sein mag, es findet sich immer eine Lösung. Das kann zwar dauern, doch glaub mir, Alles wird gut.", sagte er und schenkte ihr ein Lächeln, während er ihr behutsam eine Hand auf die Schulter legte. Saraya konnte nicht anders, sie musste das Lächeln des Anderen einfach erwidern. "Danke, Sanjo.", sagte sie, während sie mit ihren Händen nach seiner anderen Hand griff und diese dankbar drückte. Sanjo lächelte sie immer noch an, ehe er wieder seine Worte an sie richtete: "Immer gerne. Wenn du Jemanden zum Reden brauchst, bin ich gerne für dich da. Aber ich lass dich jetzt mal alleine. Mein eigentlicher Grund, warum ich hierher gekommen bin ist, weil ich dir mitteilen wollte, dass unsere Herrin heute erst wieder ab zehn Uhr hier im Hause ist – solange haben wir frei.", sagte er und wandte sich dann zum Gehen. Saraya nickte ihm nochmals dankbar zu und die Beiden verabschiedeten sich voneinander. Sanjo ging nach draußen und schloss die Türe hinter sich. Das war ja angenehm – heute bis zehn Uhr frei zu haben war auf jeden Fall nicht verkehrt und es freute sie. So konnte man einen guten Start in den Tag bezeichnen. Trotzdem störte sie sich an dem Wetter. Schweigend wandte sie sich wieder dem Fenster zu und atmete einmal tief durch, während sie kurz die Augen schloss, um sie gleich darauf wieder zu öffnen. Sie war Dank Sanjos Worten nun wieder zuversichtlich gestimmt und wusste, dass sie ihr Wort halten würde. Ohja, das würde sie tun und dann würde sie sich gemeinsam mit ihrem Bruder eine neue Zukunft aufbauen. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht und sie machte sich daran, sich langsam anzuziehen und für den heutigen Tag vorzubereiten. Shin lag noch immer in seinem Bett – sonderlich viel Lust hatte er nicht, bei diesem Wetter aufzustehen, geschweige denn überhaupt einen Fuß vor die Türe zu setzen. Es gewitterte in einer Tour und Hagelkörner prasselten auch noch wie wild auf die Hausdächer hernieder. Vor lauter Hagel sah es draußen schon fast so aus, als ob der Winter verfrüht eingebrochen wäre, dabei war es noch Sommer. Widerwillig stand nun auch Shin auf – er musste zur Akademie. Gestern erst hatte er sich mit seiner Schwester ausgesprochen und ihr versichert, dass er die schulische Ausbildung fortführen würde und er hielt normalerweise sein Wort, zumindest seiner Schwester gegenüber. Kurzerhand zog er sich um und machte sich daran, Etwas zu frühstücken. Als er sein Mahl beendet hatte ging er nach draußen in die Nässe. Es sah wirklich aus, als wäre der Winter frühzeitig eingebrochen. Etwas verwundert und staunend blieb er erstmal stehen und musterte seine nun weiße Umwelt. Irgendwo sah es ja schon schön aus, wie die Hagelkörner den sonst so dreckigen, braunen Boden verdeckten und auch die Hausdächer nicht außen vor ließen. Doch Shin hatte jetzt keine Zeit dafür, die Natur zu bewundern – er musste zur Schule und das schnell. Einerseits war er mal wieder spät dran – Pünktlichkeit war zwar eine Tugend aber nicht seine Stärke, andererseits wollte er nicht länger in dieser Nässe umherirren, daher war dies ein weiterer Ansporn, schnellstmöglich gen Seireitei zu eilen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er endlich an und steuerte auf die Akademie zu, als auf einmal Jemand seinen Namen rief. Die Stimme kam ihm bekannt vor und als er sich umdrehte konnte er seinen Mitschüler erkennen, welcher zugleich sein Banknachbar war und gerade auf ihn zukam. Wie war gleich noch mal sein Name? Kurz kam er ins Grübeln, ehe ihm der Name wieder einfiel – der Andere hieß Sei, ja genau Sei hieß er. "Ohayo Sei!", grüßte er seinen Klassenkameraden und lächelte ihn an, was bei dem Anderen zu einem Erwidern seines Lächelns führte. "Du hast dir meinen Namen gemerkt.", stellte Sei mit leiser, schüchterner Stimme fest und lächelte verlegen. Stimmt, der Andere war ja ein etwas Schüchternerer. Neugierig musterte Sei sein Gegenüber, wobei ihm die Freude darüber, dass sich Shin seinen Namen gemerkt hatte, ins Gesicht geschrieben stand. Für eine kurze Zeit starrten die Beiden sich schweigend an, als Shin das Wort ergriff: "Lass uns reingehen.", schlug er vor, was bei dem Anderen zu einem zustimmenden Nicken führte. Langsam liefen die beiden Klassenkameraden durch die Gänge und machten sich dann daran, schnellstmöglich ins Klassenzimmer zu gelangen. Dort setzten sie sich in die letzte Reihe auf ihre Plätze und schwiegen sich an, als auf einmal Ukiya-Sensei das Zimmer betrat. Sofort wurde es in dem großen Klassenzimmer mucksmäuschenstill und die Augen der Schüler richteten sich gebannt auf ihren Konrektor. "Ohayo!", grüßte er sie und legte seine Tasche auf das Pult, ehe er nach seinen Unterlagen kramte. Heute hätten sie das Vergnügen, ihren Konrektor in den ersten beiden Schulstunden in Aufbau- und Organisationslehre zu haben. Dieses Fach war immens trocken, stellte jedoch DAS zentrale Prüfungsfach dar, wie die Lehrer es stets zu sagen pflegten. Das Fach war ja auch wichtig, beinhaltete es doch viele wichtige Inhalte, wie z. B. die Lehren über den Aufbau der Gotei 13, der Seireitei generell und auch Rukongai. Natürlich war dieses Fach wichtig, das sah auch Shin ein. Trotzdem mochte er die Theorie nicht sonderlich gut leiden. Er hasste Theorieunterricht über Alles und wäre am Liebsten schreiend aus dem Zimmer gerannt, nur konnte er sich ebendies nicht erlauben. Also ertrug er eben diese beiden Stunden, viel eher durchlitt er sie. Sei stierte die ganze Zeit zu ihm, als ob er Irgendetwas im Gesicht hätte, was Shin ziemlich nervte. Dazu kam auch noch, dass ihn der Lehrer wohl auf dem Kieker hatte und dahingehend in einer Tour versuchte, ihm eins reinzudrücken. Shin nervte der Lehrer immens. Dass Sei ihn auch noch die ganze Zeit so anstierte nervte ihn mindestens genauso stark, dass es ansprechen musste. "Willst du ein Bild von mir oder was glotzt du so?", fragte er genervt, was bei Sei zu großer Verunsicherung und einem neuen Anflug von Schüchternheit führte. "Nein, nein. I-ich wollte dich nicht verärg-", setzte er gerade an, als die zornige Stimme des Lehrers ertönte. "SEI! Ruhe! Sonst Nichts zum Unterricht beitragen aber mit dem Banknachbarn schwätzen – so geht das hier nicht, verstanden?! Beteilige dich am Unterricht oder verhalte dich ruhig!", schimpfte der Lehrer, was bei Sei dazu führte, dass dieser leicht errötete und seine weißen Augen auf die Tischplatte richtete. "H-hai, U-ki-ya-Sensei.", stammelte er, während Shin unbeeindruckt nach vorne zum Lehrer blickte. Eigentlich dachte Shin, dass der Lehrer ihn jetzt auch noch blöd anmachen würde aber dem war nicht so – ganz im Gegenteil, er setzte seinen Unterricht einfach fort. Endlich läutete die Schulglocke und kündigte die wohlverdiente Pause an. Pünktlich zur Pause war auch der Himmel wieder aufgebrochen und das graue Regenwetter strahlendem Sonnenschein gewichen. Erleichtert seufzte Shin auf, als der Konrektor den Raum verließ. "Endlich sind wir diesen Spinner los!", sagte er erleichtert und grinste Sei an, der das Lächeln erwiderte. "Ja, der Lehrer hat ja wohl nicht alle Latten am Zaun.", murrte Sei und die Beiden begannen zu lachen, ehe sie nach draußen gingen und langsam durch die Gänge liefen. "Entschuldige bitte nochmal wegen vorhin aber ich war ein bisschen genervt von dem Lehrer und mag es nicht, wenn man mich die ganze Zeit anstarrt.", entschuldigte sich Shin bei seinem Kameraden, der dies einfach nur mit einer Handbewegung abtat. "Ist schon in Ordnung. Ich muss mich bei dir entschuldigen - das war unhöflich von mir.", entschuldigte er sich nun und lächelte verlegen, ehe sie das Thema komplett vom Tisch kehreten und ihre viertelstündige Pause ruhig und gelassen zusammen verbrachten. Vielleicht hatte sich Shin das letzte Mal in seinem Gegenüber getäuscht, doch mochte er Sei irgendwie. Er war nett, lustig und zwar etwas schüchtern, doch das störte Shin nicht. Die Beiden unterhielten sich noch etwas, ehe ein weiteres Läuten der Schulglocke die nächste Schulstunde ankündigte. "Oh Schande, welches Fach haben wir überhaupt?", fragte Sei sein Gegenüber ratlos, welches ihm mindestens genauso ratlos entgegen starrte. "Gute Frage – nächste Frage.", sagte Shin und sah sich suchend auf dem Schulhof um – irgendwo mussten hier doch noch Klassenkameraden von ihnen sein, oder? Shin machte einen jungen Mann ausfindig, dessen grüne Haare aus der Menge hervor stachen – das war ein Klassenkamerad von ihnen und er lief gerade mit einer größeren Gruppe Schüler in Richtung eines Dojos. Scheinbar hatten sie jetzt eine Kampfstunde, höchstwahrscheinlich Zanjutsu, Hoho oder Hakuda. Schnell schlossen sie sich der Gruppe ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler an, die nun allesamt den Dojo betrat. Ein finster dreinblickender Hayaki-Sensei stand inmitten des Dojos und erfasste alle seine Schüler mit seinem grimmigen Blick. "Habt ihr schon mal auf die Uhr geschaut? Ihr seid alle fünf Minuten zu spät!", beklagte er sich und echauffierte sich über ganze fünf Minuten, die die Klasse zu spät zum Unterricht erschienen war. Der Grünhaarige, den sie vorhin schon gesehen hatten und an dem sie sich orientiert hatten, drehte sich zu einem anderen Schüler um und brachte einen frechen Kommentar an: "Wenns weiter Nichts ist.", meinte er nur und bezweckte damit, dass sich die halbe Klasse über diesen Kommentar amüsierte. "Dreistigkeit siegt.", sagte ein anderer Schüler, während der Lehrer immer noch finster dreinblickte. "RUHE!", rief er und bedeutete den Schülern, einen Halbkreis um ihn herum zu bilden. Erstmal wartete er, bis endlich Ruhe unter den Schülern eingekehrt war. Erst als wirklich Alle schwiegen begann er zu sprechen: "So, wir machen jetzt zwei Stunden lang Zanjutsu. Zanjutsu ist eine der vier zentralen Kampftechniken der Shinigami, aber das müsstet ihr ja mittlerweile schon im Theorieunterricht gelernt haben. Beim Zanjutsu geht es darum, zu lernen, wie man mit einem Zanpakuto, mit dem eigenen Zanpakuto, umgeht. Dazu zählt der Schwertkampf an und für sich aber auch das Erlernen von Shikai und ggf. auch Bankai, wenn Jemand derart begabt sein sollte und dies schon vor seiner Zeit in einem der 13. Bantais schaffen sollte, was ich bei eurer Gruppe aber eher für unwahrscheinlich halte.", erklärte der Lehrer und drückte seinen Schülern noch schön Eins rein – das war nicht nur mies, es zeigte wie ungern der Lehrer seine Schüler leiden mochte. Gebannt folgten Alle seinen Worten, wobei sie sich über die letzten zwei Sätze merklich ärgerten. Warum unterschätzte der Lehrer sie nur Alle dermaßen stark? Er wusste doch noch gar nicht, wie sie kämpfen konnten! Viele Schüler grübelten darüber nach, wie das gehen konnte und wussten nicht, dass es keine Sache von wenigen Minuten war, Shikai oder gar Bankai zu erlernen – dafür waren sie dann doch noch etwas zu jung und zu unerfahren. Dass es völlig utopisch war, während der Akademiezeit Jemanden ein Bankai beherrschen zu sehen, ahnten sie nicht. Das war bisher auch noch nie vorgekommen. Der Lehrer räusperte sich kurz und ging dann zu einer Kiste hinter sich, aus der er ein Zanpakuto herausholte. "Das hier ist ein Zanpakuto. Ein Zanpakuto ist ein Katana, in welchem ein Schwertgeist wohnt. Dieser Schwertgeist haust wie gesagt in diesem Katana und entwickelt sich anhand der Seele seines ihn führenden Shinigamis weiter. Der Schwertgeist ist jedoch noch kein ausgeprägter Geist, ganz im Gegenteil. Viel eher handelt es sich bei den Geistern in den Katana um 'Asauchi', einer Rohform von Schwertgeistern. Erst durch ihren Shinigami wandeln sich diese Asauchi in richtige Schwertgeister, wenn sich ihre Seelen mit der ihres führenden Shinigamis vereinen. Habt ihr das Alle verstanden oder soll ich es noch mal erklären?", fragte der Lehrer sicherheitshalber und sah seine Schüler prüfend an, die ihm zunickten. "Gut. Wie ihr euch sicherlich denken könnt wollen wir euch so früh wie möglich an den richtigen Umgang mit Zanpakutos heranführen, dahingehend händige ich euch jetzt gleich auch eure Zanpakutos aus. Behandelt sie mit Ehre, Respekt und vor allem Anerkennung. Gemeinsam mit eurem Schwertgeist bildet ihr eine Einheit, ein Team. Eure Schwertgeister werden euch überall hin begleiten und euch stets zur Seite stehen. Sie stehen euch jedoch nur zur Seite, wenn ihr sie ordentlich behandelt, seid euch dessen stets bewusst aber habt keine Angst vor ihnen. Auch wenn sie Geister sind, sind sie euch gut gesinnt und wollen euch nichts Böses. Denkt immer daran, so wie man in den Wald hinein schreit, so kommt es wieder zurück – Dasselbe gilt für eure Schwertgeister.", sagte der Lehrer und sah seine Schüler an, unter denen Einige verschreckt dreinblickten und Andere keinerlei Anstalten machten, auch nur irgendwie ängstlich zu wirken. "Nun gut, dann verteile ich die jetzt mal.", sagte er und zeigte auf die Kiste, die die zukünftigen Zanpakutos enthielt. "Ach und noch was - Keiner zieht hier ohne meine Zustimmung blank, verstanden?", fragte er und wartete das zustimmende Nicken der Klasse ab, ehe er schnell auf die Kiste zuging und damit begann, die Katanas an seine Schüler zu verteilen, die neugierig ihre neuen Waffen musterten. Auch Sei und Shin musterten ihre Zanpakutos neugierig. Das Katana von Shin hatte einen türkisfarbenen Griff und war mit roten Bändern verziert. Sanft zog Shin – entgegen der Anweisung des Lehrers – das Schwert aus der Scheide, stets darauf bedacht, sein Handeln vor dem Lehrer geheim zu halten. Langsam strich er mit seiner Hand über die Klinge, welche leicht gebogen war und schön glänzte. Schweigend und nachdenklich starrte er auf das Schwert hinab, als ihn die Stimme des Lehrers aus seinen Gedanken riss. "SHIN! WAS habe ich vorhin gesagt?! Ihr sollt verdammt noch mal nicht blank ziehen!", schrie der Lehrer verärgert, was dazu führte, dass Shin das Schwert schnell wieder in die Scheide steckte und sich entschuldigend vor dem Lehrer verbeugte. "Entschuldigt, Hayaki-Sensei!", sagte er, was den Lehrer zufriedenstellte. Der Lehrer führte nun seinen Unterricht fort und ließ Shin in Ruhe, welcher sichtlich glücklich darüber war. Die Doppelstunde verging wie im Flug, ebenso wie der ganze Tag und schon war die Schule aus. Sei lud Shin zu sich zum Essen ein und bestand darauf, dass dieser sein Angebot annahm. Shin bedankte sich für das Angebot und nahm es tatsächlich an. Gemeinsam machten sich die beiden Schüler auf den Weg in den 35. Bezirk von Rukongai, in dem der schüchterne Blonde wohnte. Die Familie besaß ein kleines aber feines Häuschen, welches sogar aus Stein erbaut war. Shin staunte nicht schlecht, als er das Steinhaus sah. Es sah schön aus und war sogar weiß gestrichen. Sei bedeutete seinem Schulkameraden, ihm nach innen zu folgen und stellte ihn seinen Eltern vor. Anders als bei sich Zuhause sah es hier schön, ordentlich und nobel zugleich aus. Hier schien Alles perfekt – das Zuhause war perfekt, zu Essen hatte die Familie auch mehr als genug und Sei hatte Eines, was Shin niemals wieder haben würde: er hatte eine intakte, allem Anschein nach funktionierende Familie. Die Familie war gläubig, was Shin nicht war - das erkannte er an einem Kreuz, welches an der Wand neben dem Esstisch hing. Die Gruppe setzte sich zu Tisch, auf welchem sich allerlei Köstlichkeiten befanden - Geldnöte schien die Familie seines Klassenkameraden offensichtlich nicht zu haben. "Lasst uns kurz ein Tischgebet sprechen.", sagte die Mutter und faltete die Hände - die Familie sprach also Tischgebete. Sei und sein Vater taten es ihr nach. Nur Shin hielt sich aus Alledem heraus und machte keinerlei Anstalten, die Hände zu falten. "Betest du nicht mit uns?", fragte der Vater und sah ihn prüfend an. "Nein. Ich bin nicht gläubig.", entgegnete Shin, als wäre es das Normalste auf der Welt. Viele Personen waren gläubig, er war es nicht. Der Glaube brachte ihm seine verlorene Familie auch nicht mehr zurück, geschweige denn glaubte Shin nicht an eine höhere Macht. "Bitte was bist du?!", fragte die Mutter entsetzt und verunsicherte damit Sei, der sie nun ebenfalls unsicher anstarrte. Dass Shin nicht gläubig war wusste er nicht. "Sei, das hast du uns aber nicht gesagt!", beklagte sie sich und sah empört zu Shin, der ihr ausdruckslos entgegen starrte. Wie konnte ein Mensch nur ungläubig sein? "Sind deine Eltern auch nicht gläubig?", fragte der Vater nun den großen Blonden, der mindestens einen Kopf größer als er selber war. "Ja.", sagte er einfach und verschwieg ihnen, dass er schon lange keine Eltern mehr hatte. Er hatte keine Lust darauf, der Familie hier zu erzählen, warum er ganz alleine lebte und wie es dazu kam, dass seine Eltern schon vor längerer Zeit das Zeitliche gesegnet hatten. "Das ist ja merkwürdig aber egal. Verhalte dich bitte ruhig, wenn wir beten, ja?", bat der Vater und sah zu Shin, der ihm nur kurz zunickte. Das war schon Alles ziemlich neu hier für ihn und so ungewohnt, dass er sich fast schon unwohl fühlte. Auch diese gespielte, aufgesetzte Höflichkeit mochte Shin nicht so richtig leiden. Der Vater hatte ganz bestimmt ein Problem damit, dass er nicht gläubig war, ebenso wie die Mutter, die das ziemlich offen Kund tat. Doch taten jetzt auf einmal Alle so, als ob sie das akzeptieren würden. Als die Familie fertig mit dem Beten war aßen sie gemeinsam etwas und die Eltern befragten die beiden Schüler über ihre Akademiezeit. Sei blühte in der Gegenwart seiner Eltern völlig auf und machte sich daran, den heutigen Tag genau zu schildern. Schweigend saß Shin daneben und sagte so wenig, wie möglich, ehe langsam die Abenddämmerung einsetzte. "Mutter, Vater? Darf Shin heute bei mir übernachten? Draußen ist es ja schon dunkel und er wohnt im 79. Bezirk.", fragte Sei und sah seine Eltern bittend an, die sein Anliegen gewährten. Dass der Andere aus solch einem weit entfernten Bezirk stammte machte sie etwas stutzig - solche Leute hatten sie normalerweise nicht oft hier zu Gast. "Danke für das Angebot Sei, aber ich muss noch etwas erledigen, was ich ganz vergessen habe.", redete sich Shin aus seiner misslichen Lage heraus und machte sich daran, aufzustehen und sich von seinen Gastgebern zu verabschieden. "Oh, das ist aber schade.", sagte die Mutter, während sie ihn Alle zur Türe begleiteten. "Komm uns bald wieder besuchen.", sagte sie, als Shin sich kurz vor ihnen verbeugte, ihnen für den Abend und die Verpflegung dankte und dann endgültig ging. Ihre gespielte Höflichkeit konnte sich die Mutter seines Kameraden auch sparen – diese Heuchelei mochte Shin garnicht leiden. Anstatt dass er dort noch eine Minute länger geblieben wäre oder gar dort übernachtet hätte, machte er sich nun daran, im Dunkeln heim zu laufen. Irgendwann kam er in seinem heimischen Bezirk an und betrat sein Haus, um sich kurz darauf an das Fenster zu setzen, welches zum Garten hinauszeigte. Vorsichtig nahm er sein Zanpakuto zur Hand und zog es aus der Scheide, ehe er wieder behutsam mit der Hand über die Klinge fuhr, welche das von draußen hereinfallende Mondlicht reflektierte. Kurz drangen die grausamen Bilder von jener Nacht wieder zu Shin durch – das Mondlicht rief ihm diese schrecklichen Bilder wieder ins Gedächtnis. Der blonde Mann schloss nun jedoch die Augen und legte seine Stirn an die kühle Klinge, die er senkrecht hielt und versuchte so, die Bilder zu verdrängen. Anstatt dass er die furchtbaren Bilder längst vergangener Tage auf sich einströmen ließ wandte er seine Gedanken nun seinem Zanpakuto zu, dessen kühle Klinge er noch immer an seiner Stirn verspürte. Das war also sein Zanpakuto, mit ihm würde er zusammenarbeiten und noch viel erleben. Mit ihm würde er sich auseinandersetzen müssen, es sollte er respektieren. Kurz fragte er sich, wie das wohl wäre, mit seinem eigenen Schwertgeist zu interagieren. Irgendwo konnte er sich das noch nicht so richtig vorstellen. Hatte der Schwertgeist dann auch eine materielle Form? Konnte er ihn sehen? Konnte er zu ihm sprechen? Natürlich konnte er all das - das hatte Shin damals schon einmal von einer Erzählung eines Shinigamis aufgeschnappt. Nichtsdestotrotz konnte er sich in diesem Moment nicht vorstellen, dass so etwas wirklich möglich war. Dass die Zeit für ihn noch früher als gedacht kommen würde, in der er seinen Zanpakutogeist kennen lernen sollte, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)