Der Winter, der nicht Frühling werden wollte von Himbeerkeks (Joey x Mai & Joey x Kaiba) ================================================================================ Kapitel 1: Der Winter, der nicht Frühling werden wollte ------------------------------------------------------- Es war wieder einer dieser Tage, der hundert Gründe gegen sich hatte, aber nicht einen einzigen für sich. Der Kalender erklärte heute den Frühlingsanfang ... Aber dieser Meinung war auch nur der Kalender. Die Realität erzählte die Geschichte einen stürmischen Winters, der es nicht schaffte, ein Frühling zu werden. Nachts schneite es noch oft und Tagsüber sprach man von Glück und Hitze, wenn das Thermometer zehn Grad erreichte. Es war also alles, nur nicht schön und nicht warm. Ich lag mürrisch in einem Bett von 08/15 Hotels und blickte auf die Digitaluhr die an der Wand mit gegenüber hing. Es war vier Uhr morgens und dennoch konnte ich nicht schlafen. Schlecht gelaunt murrte ich noch Mal und drehte mich dann auf die Seite ... Wärme suchend, denn das tobende Gewitter vor dem Fenster ließ mich frieren. Ich zog Mai an mich, die nur kurz ihre Augen öffnete und mich verschlafen anschaute. „Mann, Joey, du solltest echt mal etwas gegen deinen katastrophalen Schlafrhythmus machen“, sagte sie, legte ihren Kopf trotzdem auf meine Brust und schlief auch gleich wieder ein. Ich grinste, wissend, dass sie sich sowieso später nicht mehr daran erinnern würde. Wärme suchend drückte ich sie noch ein Stück fester an mich und genoss ihre Körperwärme. Zufrieden seufzte ich auf. Ich schloss meine Augen und dämmerte leicht weg. Wie lange war ich nicht mehr in Domino City gewesen? Sicher schon zwei Jahre ... Ja, zwei Jahre ist es her, seit dem ich die Schule beendet habe und studieren gegangen bin. Wie es dazu kommt, dass ich studiere? Ich habe mich bei allen möglichen Universitäten beworben und von allen eine Absage bekommen oder bin durch den Test gefallen und dann kam Mai eines Tages nachhause und hielt mir einen Zettel entgegen von einer Universität für Grafikdesign, die mich angenommen hatte. Ich hatte mich dort nie beworben und Mai meinte nur: „Der Professor schuldete mir noch was.“ Ach ja, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich zu der Zeit mit Mai bereits ein Jahr zusammen war. Wie die Zeit doch verrinnt. Ich und sie, das Traumpaar der Traumpaare, der Prinz und die Prinzessin, das perfekte Paar waren wir nun schon drei Jahre … Drei Jahre … Ich konnte es selber kaum glauben. Ja, natürlich hatten wir gute Zeiten, aber ... Schon lange war unsere Beziehung in ihrem Winter angelangt. In der Zeit des Stillsitzen, wo sich nichts bewegt. Wir standen vor einer wundervollen Zukunft, aber alles hatte sich geändert … Durch eine unerwartete Bewegung öffnete ich erschrocken die Augen und erblickte Mai, die aus dem Bett gestiegen war und benommen ins Bad tapste. Ich legte mich auf die Seite und schaute in die offene Badetür, wo Mai ihre Zähne putze und sich auszog, um zu duschen. Stumm beobachtete ich ihr treiben. „Sag mal, Joey, hast du schon Yugi, Tea und Trsitan angerufen und Bescheid gegeben, dass wir angekommen sind?“, rief sie mir zu. „Ja, habe ich. Yugi und Tea haben uns angeboten bei ihnen zu übernachten, aber ich habe abgelehnt“, sagte ich und stand nun auch auf. Kurz schweifte mein Blick auf die Uhr. Es war kurz vor acht Uhr. Früher hätte ich um diese Uhrzeit noch geschlafen, aber Mai war Frühaufsteherin und mir blieb nichts anderes übrig, als es ihr gleich zu tun … „Ja, ja, ist gut. War ja klar, dass uns die Beiden einladen“, sie stieg wieder aus der Dusche. Ich beobachte sie im Spiegelbild. Ja, Mai sah immer noch aus wie früher. War immer noch die hübsche Blondine mit der kurvigen Figur. Nun war ich dran mit dem Duschen. Ich zog mich aus, während Mai nun zum Spiegel trat und anfing sich zu schminken. Ich drehte das Wasser auf und freute mich über die erfrischende Kälte, die mich zwar leicht zum zittern brachte, aber auch gleichzeitig alle Müdigkeit von mir wusch. Im Gegenteil zu Mai dusche ich kalt. Sie stand so eher auf brühend heiße Brühe. „Wann treffen wir uns mit ihnen?“, fragte Mai. „Heute Abend, beim Frühlingsfest“, ich nahm das Duschgel. „Frühlingsfest? Meinst das, was die Kaiba Coparation jedes Jahr macht?“, fragte sie und eyelinete ihre Augen. „Ja“, ich nickte zur Bestätigung, kam mir aber dumm vor, weil sie es ja nicht sah. „Ach so“, sie verzog ihr Gesicht und machte sich Wimperntusche auf die Wimpern. Als sie mit ihrem Make-up fertig war, betrachtete sie ihr Werk im Spiegel und zwinkerte sich zu. Das machte sie immer. „Dann haben wir ja Zeit. Wie wär’s, wir gehen einfach mal in die Stadt und schauen uns an, was die Zeit aus dieser Stadt gemacht hat?“, sie lachte und drehte sich zu mir um. Ich stieg gerade aus der Dusche und schaute sie verdutzt an. „Klar, warum nicht“, ich lächelte ihr zu, denn ich freute mich natürlich, meine alte Heimat wieder zu sehen. „Weißt du, ich habe das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben“, rief Mai heiter und rannte von Schaufenster zu Schaufenster. Nachdenklich lief ich ihr hinterher. Sie war also der Meinung, nichts hätte sich geändert, doch so war es nicht, aber das sah sie nicht, denn sie sah nicht das, wie ich sie sah. Es waren andere Menschen. Andere Gesichter. Gesichter die ich nicht kannte. Und ich war ein anderer. Nichts war wie damals, denn damals war ich noch ein Schüler, kannte jeden. Die Stadt war damals ein offenes Buch für mich … Ich seufzte. „Joey? Schatz? Hast du was?“, auf einmal stand Mai neben mir und blickte mich besorgt an. „Nein, nein, alles okay, ich schwelge nur in Erinnerung“, trotzdem seufzte ich nochmals, „schau mal, Mai, da ist unser Café.“ „Ah! Lass uns reingehen“, und noch ehe ich antworten konnte, saß sie bereit an einem Tisch und ich trottete ihr hinterher. „Weißt du noch“, Mais Blick wurde Sehnsüchtig, „damals?“ Ich nickte. Ich wusste, was sie meinte. Sie meinte die Zeit, als wir noch der Traum des anderen waren. Wir beide lebten schon eine Weile aneinander vorbei … als Freunde. Eine Beziehung war es schon lange nicht mehr und wir beide wussten das, aber es war so schwer sich voneinander zu trennen, denn man hatte sich aneinander gewöhnt und wir stritten uns auch nie, also warum sollten wir uns trennen? Viel zu viele Hoffnungen lagen auf uns, denn wir passten doch so perfekt zusammen! Ein Kellner kam zu uns. Schaute erst mich und dann Mai an. Sie setzte sich gleich lasziv in Pose und lächelte den für meinen Geschmack zu jungen Kellner an. Ja, sie hat irgendwann wieder angefangen zu flirten und ja, mir war es egal. „Was darf ich den Herrschaften bringen?“, dabei blickte der Kellner Mai eindringlich an. „Ich will einen Erdbeershake“, seufzte ich ein wenig genervt darüber und schaute auf die Straße. „Bring mir einen 'Sex on the Beach'“, dabei betonte Mai das Wort „Sex“ besonders auffällig. Der Kellner nickte und verschwand, ohne meine Bestellung zu notieren, noch mich eines Blickes zu würdigen. „Weißt du, Mai“, ich schaute weiter auf die Straße, „bei aller Liebe, mach es, wenn ich nicht dabei bin.“ Mai lächelte nur vor sich hin, als würde sie meine Worte gar nicht nachvollziehen können. Ja, so sah ein Tag bei uns aus. Eigentlich war es traurig, oder nicht? Vielleicht … Aber suchen wir unser Schicksal nicht selber aus? „Einen Kaffee, schwarz, ohne Zucker, ohne Milch“, eine tiefe Männerstimme drang mir ins Ohr, die mir schrecklich bekannt vorkam. Ich drehte mich um und erkannte den Besitzer der Stimme sofort. „Kaiba“, hauchte ich und schaute den jungen Mann an, der, mit dem Rücken zu mir gewannt, neben mir saß. Kaiba drehte sich zu mir um. Stumm fing er an mich von den Füßen bis zum Kopf zu mustern. Als sein Blick endlich auf meinen stieß, stockte mir kurz der Atem. Das waren Kaibas kalten, wunderschönen saphierblauen Augen mich ein wenig geschockt anstarrten. „Köter“, zischte er. „Wie ich sehe, hat sich bei dir seit meinem Umzug viel getan. Du arbeitest anscheinend nicht mehr durchweg“, ich lachte auf. Ja, es hatte sie viel geändert. Kaiba arbeitete schneiend nicht jede freie Sekunde. Kaiba lehnte sich ein wenig zur Seite und ich sah seinen aufgeklappten Laptop auf dem Tisch vor ihm. Mein Lachen erstarb. „Oh, ich seh schon, es hat sich doch nichts geändert“, ich seufzte. „Und du? Du bist umgezogen? Davon habe ich nichts mitbekommen“, und damit drehte sich Kaiba wieder um. „Wie du hast nicht mitbekommen, dass ich weg war? Das müsste dir doch aufgefallen sein“, ich tippte wie ein gestörter auf Kaibas Schulter. „Es wäre mir sicher aufgefallen, wenn du mich interessiert hättest. Tust du aber nicht!“, Kaiba hatte sich für den Satz nicht mehr die Mühe gegeben sich umzudrehen. Hysterisch sprang ich auf und setzte mich zu ihm an den Tisch. „Hör mir mal zu“, fing ich an. „Siehst du nicht, dass ich arbeite“, unterbrach mich Kaiba, machte sich jedoch auch hier nicht die Mühe mir in die Augen zu schauen. „So what? Weißt du nicht, damals… Als wir noch zur Schule gingen. Damals, als wir uns immer gestritten hatten …“, seufzte ich nostalgisch. Kaiba blickte von seinem Laptop auf. „Ja“, auch er seufzte kurz, dann schüttelte er den Kopf und blickte wieder auf seinen Laptop. „Hast du nicht einmal an mich gedacht?“, enttäuscht schaute ich auf den Laptop, den ich am liebsten vom Tisch auf die Straße geworfen hätte. Ich wusste, dass Kaiba mich nicht mochte, wer wusste es nicht? Aber sind Feindschaften nicht auch etwas Besonderes? Denkt man nicht hin und wieder an den jemanden? Hat man denn gar kein Interesse an den anderem? Ich für meinen Teil hatte immer einen besonderen Platz für Kaiba. Ich hatte im Fernsehen oft Berichte über den großen Seto Kaiba angeschaut und an ihn gedacht … Ich wusste wohl mehr von Kaiba, als sich hätte jemals vorstellen konnten, und er? Er dachte nie an mich? Ich schreckte auf, als ich auf einmal einen Stuhl rücken hörte und plötzlich saß Mai neben uns. Zweideutig schaute sie zu Kaiba und ich könnte schwören, ihr Dekolletee wäre ein Stück tiefer als normal. „Hallo Kaiba“, sie lächelte und versuchte dabei unschuldig dreinzuschauen. Kaiba schaute kurz auf, blickte kalt zu Mai, schaute wieder zu mir und sagte: „Es könnte möglich sein, dass ich unter Umständen an dich gedacht habe, aber sage mir, was bringt mir das? Sage mir, ist es nicht egal?“ Erblickte noch mal kalt zu Mai und schnaufte verächtlich. Der Kellner kam und brachte Kaibas Kaffee, den dieser mit einem Schluck leer trank, drückte dem Kellner das Geld in die Hände, nickte mir noch kurz zu und ging dann. Stumm blickte ich ihm hinterher. „Was ist denn mit dem los?“, Mais Stimme war ein wenig verbittert. Anscheinend konnte sie nicht glauben, dass Kaiba ihre Reize nicht zu schätzen wusste. Ich beachtete sie nicht weiter und auch nicht meinen Erdbeershake, der kurze Zeit später gebracht wurde. „Mann, Joey, du siehst gut aus“, sagte Tea, nachdem wir uns umarmt hatten und sie mich ausgiebig betrachtet hatte, „Mai tut dir wirklich gut.“ Sie grinste breit und ich erwiderte es. „Ja“, sagte ich und zog Mai an mich heran, „was würde ich nur ohne sie tun.“ Wir küssten uns innig, doch innerlich ließ es mich kalt. Anders als die unsere Zuschauer welche vor Rührungen zerflossen. „Hey Alta! Du sieht jedenfalls aus wie ein gestandener Mann“, begrüßte mich Tristan mit einem Schulterschlag. „Na ja, irgendwann muss auch ich erwachsen werden“, ich lächelte Tristan zu. Yugi und ich begrüßten und schweigend, aber am herzlichsten, denn wir wussten, dass es für unsere Gefühle sowieso keine richtige Begrüßung gab. „Ich habe dich vermisst“, sagte ich stumm mit meinen Blicken und er antworte mit einem nicken: „Ich dich auch.“ Und in dieser Sekunde waren wir nicht nur die alten Schulfreunde sondern Seelenverwandte. „Na los, lasst uns das hier unsicher machen“, schrie Tea und hackte sich bei Mai ein. Tristan, Yugi und ich schlenderten in einem großen Abstand hinter ihnen her. Wir hatten uns mit den anderen am Eingang des Frühlingsfest verabredet. „Na, altes Haus, sag mir, wie läuft es bei dir?“, sagte Tristan, schaute mich dabei aber nicht an. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, dass es ihn interessierte, sondern er fragte aus Höflichkeit und höflichkeitshalber antwortete ich: „Jupp, alles super.“ Mai und Tea waren schon lange in der Masse verschwunden, trotzdem hatte ich den Blick auf Mai gerichtet, zumindest vermutete ich, dass sie da war. „Und was gibt's neues?“, fragte ich, als die Stille zwischen uns zu erdrückend wurde. „Na ja, alles wie immer eigentlich. Wir vermissen dich hier. Weißt du, ohne dich fehlt hier einfach ein Streithuhn“, sagte Yugi und grinste ganz breit. „Oh ja, deine Streitereien mit Kaiba sind legendär. Stell dir vor, letztens bei einem Interview wurde Kaiba sogar auf dich angesprochen“, Tristan lachte laut auf. Ich stutze. „Wie? Angesprochen?“, meine Augen schauten misstrauisch zwischen Yugi und Tristan hin und her. „Na ja, da war so ein Reporter und er hatte halt mit Kaiba ein Interview. War alles ganz normal und dann fragte er, mit einer ganz ernsten Miene: ‚Was ist aus Joey Wheeler geworden?’ Du hättest Kaibas Miene sehen sollen. Der gleich mit kalter Stimme antwortete: ‚Ich kenne keinen Joey Wheeler!’“, dabei äffte Tristan Kaibas Stimme nach, „und der Reporter so: ‚Doch, doch. Das war ihr Klassenkamerad, dem sie mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben als irgendjemand anderen.’ Das war echt so geil. Kaiba ist komplett ausgerastet und hat ihn dann rauswerfen lassen und am nächsten Tag waren die lokalen Zeitungen hier voll damit.“ Yugi und Tristan lachten laut auf und ich klinkte mein ein. Kaiba wollte wohl nicht auf ihn angesprochen werden. Es erstaunte ihn ein wenig. Was mich aber am meisten erstaunte war die Tatsache, dass die Medien meinen Namen kannten. „Aber es wurde ja noch viel lustiger“, nun fing an Yugi an zu erzählen und wischte sich kichernd ein paar Lachtränen aus dem Gesicht, „nach dem jeder Kaiba auf dich ansprach und Kaiba jeden rauswarf oder Sender verließ oder sonst was, geschah es, dass Gerüchte auf die Welt gesetzt wurden. Und auf einmal warst du und Kaiba das geheime Traumpaar“, Yugi und Tristan fingen wieder an laut zu lachen, doch mir war das Lachen im Hals stecken geblieben, doch das merkten die Beiden zum Glück nicht, „also ging das weiter. Und das Beste war: Kaiba gab ein Interview, wo er nur Fragen über dich beantwortete.“ Verdutzt blickte ich zu Yugi und Tristan und auf einmal kramte Yugi aus einer seiner Jackentaschen einen recht abgenutzten Zeitungsartikel heraus und reichte ihn mir. „Ich habe gedacht, ich hebe ihn mal für dich auf. Ich war mir ziemlich sicher, dass der dich sicher interessieren würde und ich wette, du lachst dich auch tot, genauso wie Tristan und ich es gemacht hatten“, und ich nahm den Artikel an mich und faltete ihn auseinander. „Der Jungunternehmer und der reichste Mann von Domino City, Seto Kaiba, möchte mit den Gerüchten über ihn und den uns unbekannten Joey Wheeler aufräumen, die schon seit Längerem um die Beiden im Umlauf sind“, fing ich an zu lesen, als mir auch schon der Artikel wieder aus der Hand gerissen wird. „Ich les dir einfach die besten Stellen vor“, rief Tristan und sein Zeigefinger der rechten Hand schwirrte auf dem Artikel herum. „Ach ja, hier: Der Redakteur: Wie war Ihr Verhältnis zu Joey Wheeler? Seto Kaiba: Schlecht. Er und ich waren in einer Klasse und haben uns immer nur gestritten. Der Redakteur: Und warum heißt es von Mitschülern und -schülerinnen, dass Sie ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben, wie sonst niemanden? Seto Kaiba: Es ist leicht jemanden mehr Aufmerksamkeit zu schenken, wenn man sich streitet und man sonst niemanden beachtet. Oder das hier ist auch geil: Der Redakteur: Wo ist Joey Wheeler zurzeit? Seto Kaiba: Soweit ich weiß in Tokio. Der Redakteur: Was macht er da? Seto Kaiba: Er studiert. Ich habe gehört Grafikdesign. Der Redakteur: Aha, und wissen Sie von seiner Freundin? Seto Kaiba: *stille*“, Tristan lachte auf, „ja, hier steht wirklich ‚Stille’. Auf jeden Fall Seto Kaiba: *stille* Freundin? Nein. Ist das nicht zu geil. Ach les es dir selber durch. Das ist so Hammer“, Tristan und Yugi lachten wieder von vollem Herzen. Ich seufzte nur und nahm den Artikel zu mir. Kurz überflog ich ihn und danach packte ich ihn in die Innentasche von meiner Jacke. Kaiba hatte gelogen. Er wusste sehr wohl, dass ich weg war und dass ich studiere. Aber warum log er mich an? Unerwartet fing es an zu Regen. In den letzten Monaten hatte es nur geschneit. Und so versuchten Tristan, Yugi und ich unter einem der vielen bunten Stände Unterschlupf zu finden, die komplett überfüllt waren, vor weiten Schutzsuchenden. Das war uns aber auch egal und so setzten wir uns durch, auch wenn es hieß, dass wie unsere Ellbogen benutzen mussten. Gutgelaunt führten wir unsere Männergespräche fort, denn von Mai und Tea war schon lange keine Spur mehr zu hören, geschweige denn zu sehen. Wir redeten, als hätte sich zwischen uns nie was geändert und es gab so viel zu erzählen, jetzt wo das Eis gebrochen war. „Ey, Mann“, unterbrach Tristan unser angeregtes Gespräch über das Battle-City-Tunier, „ich muss mal für kleine Rabauken.“ Er blickte sich suchend um. „Ja ich auch, ich hätte nicht so viel Cola trinken sollen“, jammerte nun Yugi, der von Tristan anscheinend an seiner Blase erinnert hatte. Verdutzt blickte ich beide an. „Äh, wenn ihr wollt, dann geht nur, ich bleibe hier im trocknen und warte auf euch“, ich winkte den beiden hinterher, während sie zwischen den pitschnassen Ständen verschwanden. Ich seufzte laut auf, als sich auf einmal jemand hinter mir laut räusperte. Erschrocken drehte ich mich um. „Kaiba“, flüsterte ich mit tonloser Stimme zu meinem Gegenüber, der kaum eine Handbreite von mir entfernt stand. „Es erstaunt mich, dass du dich immer noch so gut mit dem Kindergarten verstehst.“ „Und mich erstaunt, dass du hier bist. Musst du nicht arbeiten“, ich hatte meine Fassung wieder gewonnen. „Ich? Natürlich, aber ich habe immer noch einen Bruder, der es liebt auf solche Festrivalitäten zu gehen“, er hob resignierend seine Schultern. Ich musterte ihn stumm. Er hatte sich kaum geändert. Er war immer noch schlank und immer noch brünett und er hatte immer noch diese blauen Augen. Ja, so sah der Kaiba aus, denn ich kannte. Vielleicht hatten seine schon damals sehr erwachsenen Gesichtszüge ein wenig mehr Reife bekommen. Kaiba und ich konnten uns nach außen hin nicht ausstehen, doch von meiner Seite aus hasste ich ihn nicht, nein… eher so das Gegenteil, doch er war Kaiba. Er war Millionär, Firmenchef, berühmt und … ich? War ein Köter von der Straße, der sich eine Zeitlang sein Essen zusammen klauen musste … Die einzige Gemeinsamkeit die wir hatten, war unser Geschlecht und das war auch gleich das nächste Problem. Noch ehe ich mir hätte Hoffnung machen können, war es schon allein deswegen längst gescheitert. „Sag mal, Kaiba“, ich schaute von ihm weg, auf die Straße wo sich Wasser sammelte und sich Pfützen bildeten. Ich betrachtete die Regentropfen, die dort ihr einsames Spiel spielten.„Warum hast du mich angelogen?“ Ich spürte seinen Blick auf in meinem Rücken, aber ich ließ mich davon nicht beirren. Ich betrachtete weiter meine tanzenden Regentropfen. „Ich? Wann habe ich dich belogen? Ich mache mir nicht die Mühe, irgendwelche Köter zu belügen“, er rümpfte die Nase. „Hör auf damit“, hauchte ich und griff in meine Innentasche der Jacke und zog den sehr mitgenommen Zeitungsartikel raus. Verwundert musterte er den Zettel und griff auch kurz danach, um ihn mir dann entgegenzuschleudern, was ihm aber nicht gelang, weil es ja nur Papier war und so zwei Zentimeter von ihm entfernt auf den noch trocknen Boden viel. Ich hatte mich, beim überreichen des Artikels, umgedreht und schaute ihn an. „Was wolltest du denn hören? Waren ‚wir’ nicht schon verspielt? Was sollte ich denn sagen? Sagen, dass ich weiß, wo du warst? Sagen, dass ich weiß, was du machst? Sagen, dass ich mehr erhofft habe?“, er hob seinen Kopf und schaute hoch zu den pechschwarzen Wolken. Ich schaute sein Profil an, was mir so bekannt war, doch dieses mal, war es nicht der kalte Kaiba, diesmal war es ein Kaiba, der sehnsüchtig war. Ja, vielleicht auch ein wenig melancholisch und wehmütig. Ich ließ meinen Blick ebenfalls auf den Wolken ruhen. „Aber? Was …?“, er hatte mich aus der Fassung gebracht und sprachlos dazu. So lange wie ich ihn kannte, so lange war ich es vor ihm nie. „Sie kommen“, sagte er und trat näher zu mir. Ich schaute ihn fragend an und folgte dann seinen Blick, um zu sehen, das Yugi und Tristan wiederkamen. „Beim Feuerwerk auf dem Hügel“, sagte er noch laut genug, damit ich es hören konnte und mit einem verächtlichen Blick fügte er noch hinzu, „Kindergarten“, und verschwand auch schon im Regen. „Dieser Geldsack meint wohl auch, er wäre so viel besser als ich“, sagte Tristan, als er bei mir unter dem Stand war. „Mhm“, stimmte ich ihm desinteressiert zu, „sagt mal, gibt es heute ein Feuerwerk?“, ich schaute Kaiba immer noch nach, auch wenn er schon längst in der Dämmerung und dem Regen verschwunden war. „Das Feuerwerk? Das sollte so gegen dreiundzwanzig Uhr sein, aber wenn es weiter so regnet, dann fällt es wohl wortwörtlich ins Wasser“, und Tristan lachte laut auf, „verstehst, Regen und ins Wasser fallen“. Wieder nickte ich nur desinteressiert mit dem Kopf. „Ja, ja, Wasser fallen, schon klar“, murmelte ich, „und wie viel Uhr haben wir?“ Ich blickte zu Yugi, weil Tristan noch nicht ansprechbar war. „Uhr? Na ja, halb neun“, Yugi schaute länger auf seine Uhr als nötig. Ich nickte stumm, doch ab den Moment warf ich immer verstohlene Blicke auf seine Uhr. Und als es dann nach Zehn war und von Mai und Tea immer noch keine Spur zu sehen war, setzte ich mein „ich-habe-nun-vor-jemanden-flach-zu-legen“-grinsen auf und Tristan und Yugi nickend wissend zu. „Schon gut, Alta, geh ruhig“, Tristan grinste schelmisch und Yugi lief rot an und blickte in meine entgegengesetzte Richtung. Ich verabschiedete mich von ihnen mit einem Handeschlag und während die Beide glaubten, dass ich nach Mai suchen würde, begab ich mich auf den Hügel. Es regnete noch immer, aber die Wolken fingen an sich zu lichten. Es war noch nicht halb elf, als ich auf dem Hügel eine mir bekannte Silhouette erkannte. Meine Schritte wurden langsamer, bis ich ganz stehen blieb. Der Regen hatte aufgehört und ich stand keine drei Schritt von Kaiba entfernt, der total durchnässt war und seine Haare hingen schlaff herunter und klebten an seinem Gesicht. „Ich wusste nicht, ob du kommst“, sagte er, blickte aber wieder nicht zu mir. „Du schuldest mir eine Erklärung“, erwiderte ich. „Ich? Ich schulde keinem Köter irgendwas“, er pfiff verächtlich. „Ach? Und was dann? Was machen wir hier?“, ich war sauer. „Wir? Was glaubst du denn, was ich hier mache?“, sagte Kaiba, während ich mich ihm näherte und kaum eine Armbreite uns voneinander trennte. Ich blickte in den Himmel und ich könnte schwören, dass die restlichen Wolken sind bald komplett verziehen würden. Es war dunkel und der Mond schimmerte durch die großen Wolkenlücken durch und erhellte einzelne Stellen, aber dieser kleine Hügel bekam keine Strahlen ab. Man sah vom Hügel gut das Treiben des Frühlingsfestes, dass sich nach dem Regen wieder stark gefüllt hatte. „Ist es nicht interessant“, fing Kaiba an, „wie voll das Frühlingsfest ist?“ „Es ist nichts erstaunliches daran, es gibt Saufkram und Musik und der Eintritt ist kostenlos“, ich zuckte mit den Schultern, „aber lenk mich nicht ab. Was machen wir hier, wenn du mir nichts zu sagen hast?“ Kaiba wendete seinen Blick gegen den Himmel. „Es gibt nicht viel zu sagen. Da warst du, da war ich und du gingst und ich blieb. Du kehrst zurück und auf einmal ist alles, wie es war. Es lässt sich nicht ändern, doch eine Sache ist anders, sie ist da“, er macht eine Pause, in der er kurz verächtlich schnaufte und dann fortfuhr, „ich dachte, du dachtest wie ich, doch das war wohl ein Fehler“, er verstummte ohne seine Miene zu verziehen. „Was willst du mir damit sagen?“, fragte ich vorsichtig, als er nach einigen Minuten nicht weiter sprach. „Ich will sagen …? Ich weiß es nicht … Ich will nicht, dass du wieder gehst und vielleicht tauchst du wieder auf, einfach so, und dann zerwühlst du mein Leben, so wie jetzt, einfach nur mit deiner Anwesenheit zerbrichst alles, was ich aufbaue, als du wieder verschwunden bist … ich …“, er drehte sich um. „Ich weiß …“, flüsterte ich, blickte ihm fest in die Augen, hob meine Hand und legte meinen rechten Zeigefinger auf seinen Mund, „ich weiß, was du meinst, aber sprich nicht weiter, das passt nicht zu dir.“ Ich lachte und auch Kaiba gewann sich in ein kurzes Muskelzucken ab. Hätte Kaiba gelächelt, hätte es nicht zu ihm gepasst. „Und nun?“, flüsterte ich, blickte an ihm vorbei in den Himmel, wo keine Wolke mehr zu sehen war, „was bringt uns das jetzt?“ Kaiba lachte kurz auf. „Nichts! Weißt du warum?“, er drehte sich um und blickte wieder auf das Frühlingsfest unter uns. „Weil es für uns keine Zukunft gibt“, gab ich zurück. „Wow, Hunde können ja doch denken“, seufzte er und ich knurrte zur Bestätigung. „Sicher ist es besser so, wie es ist, aber …“, fing Kaiba an. „… wenn es nicht so wehtun würde, wenn nicht die Sehnsucht da wäre“, beendete ich. Ich hob meine Hand und legte sie auf Kaibas Brust. „Ich wollte schon immer wissen, wie sich dein Herzschlag anfühlt“, es wurde still. Kaiba erhob seine Hand und legte diese auf meine Brust. Wir sagten nichts, wir rührten uns nicht, aber in diesem Moment fasste ich einen Entschluss. „Kaiba?“, meine Stimme war gebrochen. Er murrte nur zur Antwort. „Ich ziehe zurück. Hierher“, er riss seine Augen auf, die er vor ein paar Minuten geschlossen hatte und schaute mich entsetzt an. Ich wusste warum. „Nein, ich erwarte nichts von dir“, ich nahm meine Hand von ihm und blickte hinauf in den Himmel. Das Feuerwerk begann. „Ja, du hast schon Recht“, Mai saß auf dem Bett vom Hotelzimmer. Ich blickte sie erleichtern an. „Ich mein, uns ist beiden klar, dass es schon lange nicht mehr das ist, was es war“, sie lachte kurz auf. „Ja, genau und ich finde, wir sollten uns einfach nicht mehr belagern“, ich schaute traurig zu ihr. Sie jedoch holte nur einen Spiegel aus ihrer Handtasche, die neben ihr auf dem Bett lag, und musterte ihr Gesicht mit der perfekten Schminke. „Ja, aber, du musst der Arsch sein. Ich werde allen sagen, dass du mich betrogen hast, damit keine Fragen kommen“, sie kicherte und ich schaute sie verwirrt an. Dann winkte ich nur ab und sagte: „Mach doch was du willst, wenn was ist, hast ja meine Handynummer.“ Ich ergriff meine Tasche, die mit den Sachen aus dem Hotel gepackt war und ging auf die Zimmertür zu. Ich öffnete die Tür, ging durch sie durch und blickte kurz zu Mai zurück, die mich nicht weiter beachtete. „Sag mal Mai, wie kamst du an den Uniplatz?“, fragte ich. „Jemand hatte bei mir Schulden wegen alter Tagen“, antwortete sie mir und drehte sich wieder zu mir. „Ich werde dich vermissen“, fügte sie noch leise hinzu. „Ich dich auch“, sagte ich und machte die Tür hinter mir zu. Stumm liefen mir ein paar Tränen die Augen herab. Aus Beziehungen werden keine Freundschaften. Ich hatte Mai unwiderruflich verloren, dass wusste sie und dass wusste ich. Auch wenn ich sie nicht mehr liebte, waren sie und ich durch so viel gegangen, dass uns wohl mehr verbunden hatte als eine zweifelhafte Liebe. Und doch ließ ich das alles hinter mir, nur wegen einer zweifelhaften, nicht existent Beziehung. Eine Beziehung, die auf „zufälligen“ treffen in Cafés und „überraschenden“ Begegnungen im Park basierten. Für eine Beziehung, die wohl nie bekannt werden würde. Ich seufzte. Ich verließ das Hotel und die Sonnenstrahlen kitzelten meine Nase, sodass ich niesen musste. Ja, nun hatte der Frühling begonnen, nicht nur im Kalender, nein, auch im Wetter, in meinem Herzen, in meinen Gefühlen und in meinem Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)