Herrin des Feuers von Yurelia (Neuanfang 2014) ================================================================================ Prolog: Aufregung am Morgen --------------------------- Es rumste und ein nigelnagelneuer Wecker rutschte in seine Einzelteile zerlegt an einer Wand herunter. Der Aufprall hatte ihn schrottreif gemacht. »Ahhh, verdammt, verdammt, verdammt!«, fluchte wütend eine weibliche Stimme. »Sie bringt mich um!« Die Quelle der Stimme zog sich hektisch an und raste in die Küche, um sich schnell einen Apfel zu greifen – als "Frühstück to go". Im nächsten Moment war sie aus der Tür gestürmt und rannte zur Bahn. Natürlich fuhr ihr diese dann auch noch vor der Nase davon. »Verfluchte Scheiße!«, fluchte sie mit vollem Mund und verschluckte sich fast an ihrem Apfel. Es war ihr egal, dass sich die Leute nach ihr umdrehten. Sie war wütend und aus genau diesem Grund konnte sie auch nicht dummrumstehen und auf die nächste Bahn warten. Sie warf den halb aufgegessenen Apfel in den nächsten Mülleimer, drehte sich um und rannte die Treppen wieder nach oben. Nun würde sie erst einmal zwei Stationen zu Fuß laufen. Dadurch würde sie sowieso keine Zeit verlieren, da die Bahn erst eintreffen würde, wenn sie die zwei Stationen geschafft hatte. Das wusste sie ganz genau, da ihr diese morgendliche Situation nicht fremd war. Leider. Typisch. Warum musstest du auch auf ihre Bitte eingehen, Yuna? Sie weiß doch, dass du eine anstrengende Woche hinter dir hattest und ein nachdrückliches Nein hätte sie sicherlich akzeptiert., dachte sie und seufzte tief. Ein Glück hatte sie im letzten Moment, bevor sie ihre Wohnung verlassen hatte, noch nach ihrer Handtasche an der Garderobe gegriffen. Jetzt kramte sie in dieser auf der Suche nach ihrem Handy. Ein paar Sekunden später fand sie es und prüfte den Akku. Noch fast voll. Es zahlte sich doch aus, dass sie noch eines der alten Klapphandys besaß und kein neumodisches Smartphone, was man jeden Tag aufladen musste… So oft, wie sie verschlief und hektisch losstürmen musste, wäre das auch keine gute Alternative für sie. Sie wählte die Nummer ihrer besten Freundin. Nach dem ersten Klingeln ging diese ran und Yuna merkte sofort am Tonfall ihrer Freundin, dass diese bereits ziemlich genervt war. »Wo bleibst du denn, Yuna?!«, fauchte es aus dem Handy und Yuna hielt es instinktiv ein Stück weit von ihrem Ohr entfernt. »Ayumi…«, begann Yuna beschwichtigend, doch sie wurde sofort von ihrer nun wütenden Freundin unterbrochen. »Du hast gesagt, du bist um 9 Uhr hier! Jetzt ist es bereits viertel nach!« Nun brach sich Yunas Zorn Bahn. Nein. So war das doch gar nicht gewesen! »Verdammt, nein! Die Uhrzeit ist auf deinem Mist gewachsen! Ich habe nur eingewilligt!« Sie hörte ein Seufzen am anderen Ende der Leitung. »Du hättest auch Nein sagen können, Yu-chan.« Das alte Lied. Ja, sie hatte Recht. Mal wieder hatte sie sich überrollen lassen… »Schon…«, lenkte Yuna ein und nun war es an ihr zu seufzen. »Aber du weißt auch ganz genau, dass ich gerade erst zu Hause und dementsprechend erledigt gewesen bin. Du weißt, dass ich dann oft nicht die Kraft habe, zu widersprechen.« »Oh«, machte Ayumi. »Stimmt. Das hatte ich nicht bedacht. Ich war so … aufgeregt…« Yuna verdrehte die Augen. »Ja, DAS war nicht zu überhören gewesen.« »Komm einfach schnell her, ja?« »Jaja, ich bin ja schon unterwegs…«, maulte Yuna und verdrehte erneut die Augen. Sie verabschiedeten sich und legten auf. Yuna hing ihren Gedanken nach, als sie die von ihr angepeilte U-Bahn-Station erreichte. Sie war zwar noch ein wenig maulig, aufgrund des versauten Morgens, aber sie grübelte jetzt das erste Mal richtig darüber nach, was Ayumi entdeckt haben mochte. Es gehörte nicht viel dazu, ihre Freundin in helle Aufregung zu versetzen. Erst vor zwei Wochen hatte sie Yuna ganz wuschig gemacht, weil sich der Abfall in ihrem Mülleimer plötzlich bewegte. Ayumi war der festen Überzeugung gewesen, sie hätte irgendein unentdecktes Wesen in ihrem Mülleimer entdeckt. Als Yuna sich den Eimer näher anschaute, stellte sie jedoch fest, dass es nur Ayumis Hamster war, der sich offenbar verirrt hatte, da Ayumi mal wieder vergessen hatte, die Käfigtür zu schließen. Irgendwann würde er noch versehentlich im Staubsauger landen, wenn Ayumi nicht aufpasste. Ihre Gedanken wurden unterbrochen als die U-Bahn einfuhr. Die Türen der Bahn öffneten sich und Yuna stieg ein. Wie immer um diese Uhrzeit in Tokyo war es zum Brechen voll. Ihre Gereiztheit wollte gerade wieder zurückkehren, da spürte sie es. Schon wieder. Das kam in letzter Zeit viel zu oft vor. Das Gefühl, beobachtet zu werden. Und diesmal hielt es länger an als sonst. Ein Zeichen dafür, dass Yuna sich das nicht nur einbildete. Ein weiteres Zeichen dafür, dass die Person im gleichen Waggon saß. Yuna versuchte sich nichts anmerken zu lassen und an etwas anderes zu denken. Aber es war vergebens. Ihr Herz hatte vor Angst bereits angefangen schneller zu schlagen und es klopfte so laut, dass es bestimmt jeder hören musste. Minuten verstrichen. Stationen kamen und gingen. Die Bahn wurde leerer, als sie sich dem Stadtrand näherte. Irgendwann konnte Yuna sich einen Sitzplatz sichern. Aber das Gefühl war noch da. Die Person war nicht ausgestiegen. Yuna sah aus dem Fenster und versuchte die rasenden Gedanken in ihrem Kopf zu stoppen. Natürlich vergebens. Kein Wunder, nie zuvor war das Gefühl so nah, so echt, so präsent gewesen. Und sie musste wieder an den dunklen Schatten denken, den sie glaubte, Anfang letzter Woche gesehen zu haben… Sie gab es auf, aus dem Fenster zu sehen. Verstohlen blickte sie sich um. Wenn sie tatsächlich verfolgt wurde, musste sie wissen von wem. Der Waggon war nicht besonders voll. Nur eine Handvoll Leute saßen in ihm. Inklusive Yuna. Jeden einzelnen Fahrgast blickte sie prüfend an. Als sie beim letzten ankam, blitzten grüne Augen auf und eine dunkle Gestalt schaute schnell aus dem Fenster. Die Bewegung war so schnell gewesen, dass sie im nächsten Moment überlegte, ob sie wirklich stattgefunden hatte. Verwirrt konnte sie einfach nur glotzen. Und was sie sah, beunruhigte sie. Verwuscheltes, schwarzes Haar, dunkle Kleidung… Offenbar ein junger Mann, nicht viel älter als sie… Er konnte es gewesen sein. Der Schatten… Plötzlich bewegte er sich, was Yuna aufschreckte und sie wieder aus dem Fenster gucken ließ. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er nur seine Sitzposition verändert hatte. Ein Glück. Er hatte keine Anstalten gemacht zu ihr herüber zu kommen. Sie atmete erleichtert aus und betrachtete die Bäume, die am Fenster vorbeihuschten. Sie musste fast da sein … Mit einem Schlag stellte sie fest, dass das Gefühl verschwunden war. Sie blickte wieder auf, schaute sich um. Keiner der Fahrgäste hatte den Waggon verlassen. Das wäre sowieso vollkommen unmöglich gewesen, da sie seitdem an keiner Station gehalten hatten. Wieder schaute sie zu der dunklen Gestalt. Seine Position hatte sich nicht verändert… Warte, war das auf seinem Gesicht etwa ein leichtes Grinsen? Doch im nächsten Moment verschwand es wieder, so schnell, dass sie dachte, es nie gesehen zu haben. Sie starrte ihn an. Ihr Gefühl sagte ihr, dass er ihr Verfolger war. Ganz sicher. Aber sie hatte keine Beweise. Also konnte sie auch nicht zur Polizei gehen. Sie schreckte hoch, als die Bahn die Station erreichte, an der Yuna aussteigen musste. Auf dem Bahnsteig schaute sie sich noch einmal um. Die dunkle Gestalt war sitzen geblieben. Er war ihr diesmal nicht gefolgt… Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken an ihren offensichtlichen Verfolger vorerst abzuschütteln. Vorerst. Natürlich würde sie Ayumi davon erzählen müssen. Ayumi. Schnell fokussierte sie ihre Gedanken wieder auf ihre Freundin und setzte sich in Bewegung. Fünf Minuten später stand sie vor Ayumis Haustür und klingelte. In den Sekunden, in denen sie wartete, dass sich die Tür öffnete, stellte sie fest, dass Ayumis Mutter schon wieder neue Blumen gepflanzt hatte. Wenn das so weiter ging, würde der Vorgarten bald ein Urwald sein… Mit einem Ruck öffnete sich die Tür und Yuna schaute in Ayumis amüsiert blitzende Augen. Offensichtlich hatte sie sich wieder beruhigt und machte sich nun darüber lustig, dass Yuna wieder verschlafen hatte. Finster schaute sie ihre Freundin an. »Wie geht es deinem Wecker?«, fragte Ayumi und ihr Grinsen wurde breiter. »Das weißt du doch«, knurrte Yuna, ging an Ayumi vorbei und hing ihre Jacke an der Garderobe auf. »Wieder 50 Ryō in den Sand gesetzt? Wenn du so weiter machst, wirst du noch arm dabei!« Yuna verdrehte nur die Augen und erwiderte auf den gewohnten Spott ihrer Freundin ausnahmsweise nichts. Ihre Gedanken kehrten zu ihrer Begegnung mit ihrem Verfolger in der Bahn zurück und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Ayumi merkte dies sofort, nahm sie an die Hand und schleifte sie treppaufwärts in ihr Zimmer. »Was ist los?«, fragte Ayumi nachdem sie die Zimmertür geschlossen hatte. »Nichts… Ich… Ich weiß nicht…«, antwortete Yuna und sah auf einmal total verunsichert und hilflos aus. Prüfend schaute Ayumi ihre Freundin an und wartete ab. Nach einigen Minuten erzählte Yuna ihr von der Begegnung in der Bahn und dass sie nun ganz sicher wusste, dass sie verfolgt wurde. Nachdem sie geendet hatte, schwiegen die Freundinnen. Ayumi ließ sich auf ihr Bett plumpsen und schaute ihre Freundin nachdenklich an. »Sah er wenigstens gut aus?«, fragte Ayumi dann plötzlich. Die Frage war so absurd, dass Yuna gegen ihren Willen lachen musste. Sie ließ sich neben ihre Freundin aufs Bett fallen und grinste sie an. »Ja, irgendwie schon«, antwortete sie schließlich. »Na siehst du. Dann kann er auch keine bösen Absichten haben«, gab Ayumi prompt zurück. Diese Bemerkung war genauso absurd wie Ayumis Frage und so typisch für ihre Freundin, dass Yuna automatisch die Augen verdrehte. »Was denn?«, wollte Ayumi wissen. »Verbrecher sehen immer böse aus!« »Das ist naiver Quatsch und das weißt du!«, gab Yuna etwas energischer zurück, als sie beabsichtigte. »Was wirst du nun tun?« »Keine Ahnung. Ich bin für Ideen offen.« »Du könntest ihn in eine Falle locken und dann stellen und ihn direkt fragen, was er von dir will?«, schlug Ayumi vor. »Ja, am besten in einem verlassenen Stadtteil abends allein im Dunkeln und dann auch noch in einer einsamen Gasse«, schnaubte Yuna. »Bist du bekloppt? Natürlich am helllichten Tag und nicht allein!«, schnaubte nun Ayumi und sah ihre Freundin entsetzt an. »Natürlich helfe ich dir. Das ist doch Ehrensache!« »Danke. Aber könnten wir vorerst das Thema wechseln? Sag mir lieber, weswegen ich hierher hetzen musste.« Sofort kehrte die Aufregung in Ayumis Stimme zurück. »Komm mit, ich zeig's dir!« Sie sprang auf, huschte zur Zimmertür, öffnete sie und steuerte die Dachbodentreppe an. Yuna hatte Mühe ihr zu folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)