Deep Love von Lelu ================================================================================ Kapitel 2: Die Wahrheit und ein Abschied ---------------------------------------- „…zu sich“, erklang eine Stimme. Sie war gedämpft, als hätte jemand Sakura eine Decke über den Kopf gezogen. Erst nach einiger Zeit verstand sie die Stimme deutlicher und konnte auch die Augen öffnen. Als erstes sah sie eine Krankenschwester, welche sich über sie beugte und mit einer kleinen Lampe ihre Pupillenreflexe testete. Dann wandte sei den Kopf und sah Kakashi, der sie mit einer Mischung aus Sorge und Erleichterung musterte. „Was ist denn los?“, wollte Sakura wissen und war überrascht, wie seltsam rau ihre Stimme klang. „Weißt du es denn nicht mehr?“, stellte Kakashi die Gegenfrage. Sakura schüttelte den Kopf, was zu einem kleinen Schwindelanfall führte. Sie erinnerte sich an gar nichts. Fragend sah sie wieder zu ihrem Sensei. Der wollte gerade etwas sagen, als die Schwester ihm ins Wort fiel. „Das kann warten, Kakashi. Sie braucht jetzt keine Aufregung, dass wäre Gift für ihre Genesung.“ „Verstehe“, Kakashi nickte und warf Sakura einen entschuldigenden Blick zu. Die Schwester nahm Kakashi kurz bei Seite und sagte etwas zu ihm, das Sakura nicht verstand und verließ schließlich das Zimmer. Kakashi kam zu ihr und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett. „Wie geht es dir?“, fragte er. Erst jetzt fiel Sakura auf, wie ihr Sensei angezogen war. Anstatt seiner üblichen schwarzen oder blauen Hosen, dem passenden Oberteil und der grünen Jonin-Weste, trug er schwarze Jogginghosen und ein weißes T-Shirt, sowie seine Maske (wie hätte es auch anders sein können?). Alles sah ziemlich mitgenommen aus, hatte Löcher, war schmutzig und der linke Ärmel seines Shirts fehlte. „Wie siehst du denn aus?“, wollte Sakura wissen. Eigentlich hatte sie lachen wollen, doch sie brach sofort in einen Hustenanfall aus und sog kurz darauf schmerzhaft die Luft ein. Ihre Rippen brannten höllisch und sie konnte den rechten Arm nicht an den Mund heben. Ein kurzer Blick nach unten zeigte ihr, dass er eingegipst war. „Hier.“ Kakashi hielt ihr ein Glas Wasser hin, welches Sakura dankbar annahm. Nach zwei Schlucken stellte sie es auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett ab. „Danke“, sie lächelte matt. „Sensei…Was ist passiert?“ Während sie die Frage stellte, sah sie auf ihren Arm hinab und schlug schließlich die Bettdecke zurück, um festzustellen dass auch ihr linkes Bein eingegipst war. „Die Schwester sagte…“ „Ich weiß. Aber ich wüsste trotzdem gerne, warum mein Arm und Bein gebrochen sind und weshalb meine Rippen wehtun, als hätte mir jemand ein Messer dazwischen gerammt. Kakashi schwieg und vermied es sie anzusehen. Sakura hatte den Eindruck, dass er nach Worten suchte, um alles zu erklären. Schließlich hob er den Blick und sah sie mit ernster Mine an. „Einer der ´Wölfe´ hat das Dorf angegriffen. Er hat einige Häuser in die Luft gejagt. Das, in dem du die Wohnung gemietet hast, war auch dabei. Du hattest Glück. Eine Druckwelle hatte dich zwischen zwei größere Trümmerteile geschleudert, so wurdest du nicht zerquetscht“, erklärte er. Kakashi kam absichtlich nicht von sich aus auf ihre Eltern zu sprechen. Er würde es Sakura überlassen, nach ihnen zu fragen. Er konnte fast schon sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. „Was…was ist mit meinen Eltern? Sie waren bei mir, wollten mich zurück nach Hause holen…“ Als wüsste sie die Antwort auf ihre Frage schon, sammelten sich Tränen in ihren Augen. „Es…tut mir leid. Du hast als einzige die Explosion überlebt.“ Sakura starrte ihren Sensei an, dann schüttelte sie heftig den Kopf. „Nein…“, hauchte sie. Das konnte nicht sein, ihre Eltern mussten leben. Sie musste sich doch noch bei ihnen entschuldigen und ihnen noch so viel sagen. Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen und ihr ganzer Körper zitterte. Sie hatte die Arme um den Leib geschlungen. Immer wieder wurde ihr Weinen und Wimmern von Schluchzen unterbrochen. Das Kakashi sie in die Arme nahm, spürte sie schon gar nicht mehr. Etwas zerriss in ihr und ihre Trauer machte sich mit einem einzigen, verzweifelten Schrei Luft. Doch plötzlich erstarb ihr Schrei und sie sackte kraftlos in Kakashis Armen zusammen. „Das war unverantwortlich von dir!“ Tsunades Faust landete krachend auf der Tischplatte. Kakashi zuckte zusammen, ließ aber sonst keine Regung zu. „Sakura war erst aus einer viertägigen Ohnmacht erwacht und du hast nichts Besseres zu tun, als ihr zu erzählen, dass ihre Eltern gestorben sind.“ „Es hätte keinen Unterschied gemacht, es ihr einen oder zwei Tage später zu sagen“, entgegnete der Jonin. Tsunade sah ihn wütend an, doch dann seufzte sie und nickte. „Vermutlich hast du recht. Egal wie oder wann, die Nachricht vom Tod der eigenen Eltern, dürfte jeden in die Verzweiflung stürzen. Wir müssen nur aufpassen, dass Sakura aus dieser wieder herausfindet. Ich möchte, dass du dich um sie kümmerst, Kakashi. Du bist der einzige, dem sie vorbehaltlos vertraut.“ Dieser nickte. Hätte Tsunade ihn nicht gefragt, hätte er das von sich aus vorgeschlagen. Sakura lebte nicht, sie existierte einfach nur noch. Sie schlief, wenn man es ihr sagte, aß und trank, wenn sie dazu aufgefordert wurde und ließ Kommentarlos jede Untersuchung über sich ergehen. Sie redete nicht ein Wort. Von außen sah es so aus, als wäre sie in einer Art Trance. In ihrem Inneren allerdings war das ganz anders. Ihr inneres war ein einziges schwarzes Loch aus Trauer, Verzweiflung und Wut. Sie war daran schuld, dass ihre Eltern starben. Wäre sie nicht zu Hause ausgezogen, wären sie alle nicht an diesem Ort gewesen und sie würden noch leben. Warum hatte sie nicht auf ihren Vater gehört? Eine Karriere als Medizin-Ninja war super. Warum hatte sie darauf bestanden weiter mit Kakashi zu trainieren? Sie würde nie wieder kämpfen, nie wieder. „Sakura, du hast ja schon wieder nichts gegessen“, erklang plötzlich eine Stimme neben ihr. Sie wandte den Kopf und ihren Sensei an. Dieser lächelte aufmunternd und deutete auf das Tablett, welches auf dem Tisch neben ihrem Bett stand. Nein, sie hatte nichts gegessen. Niemand hatte ihr gesagt, sie müsse essen. „Wie geht es dir heute?“ Wie ging es ihr? Sie konnte es nicht sagen, sie wusste es nicht. Ihre Gefühle konnte sie nicht ausdrücken, denn wie sollte das gehen, etwas Unfassbares in Worte zu fassen? Ohne eine Antwort zu geben sah sie zurück auf ihre Bettdecke. Kakashi beeindruckte das nicht. Seit er ihr von ihren Eltern berichtet hatte, hatte sie nicht ein Wort mehr geredet. Dafür redete er umso mehr. Die Ärzte sagte, es wäre gut, wenn sie jemandem zuhören konnte und dieser jemand sie auch etwas aufmunterte. „Oh, waren Ino und Tenten schon hier?“, fragte er, als er die Grußkarten und einen Blumenstrauß auf der Fensterbank erblickte. „Sie haben mir gestern gesagt, dass sie herkommen wollten.“ Kurz blickte Sakura auf und sah ihn aus diesen leeren Augen an, dann senkte sie den Blick wieder. Immerhin hatte sie auf die Namen reagiert. „Die Schwester hat mir gesagt, dass sie morgen den Gips an deinem Arm abmachen wollen. Dein Bein sieht auch schon ganz gut aus, aber der Bruch ist noch nicht ganz verheilt. Aber am längsten werden wohl deine Rippen brauchen. Da fällt mir ein…ich hab dir ja noch etwas mitgebracht.“ Aus einer Einkaufstasche, welche Kakashi mitgebracht hatte, holte er eine Tafel Schokolade und zeigte sie Sakura. Sie reagierte nicht darauf. Seufzend packte er die Schokolade auf, brach ein Stückchen ab und hielt es Sakura hin. „Mund auf.“ Erst jetzt reagierte sie. Sie öffnete stumm den Mund und schloss ihn wieder, als Kakashi das Stück Schokolade hineingelegt hatte. „Komm, du musst kauen. Du weißt doch wie das geht, hm.“ Er lächelte, als Sakura kaute und schließlich auch schluckte. Dann hockte er sich zu ihr auf das Bett und nahm den Teller, vom Mittagessen in die Hand. Es war noch warm, also konnte sie es auch noch essen. Er fütterte sie, erzählte ihr dabei was in den letzten Tagen geschehen war, richtete ihr Grüße aus, erzählte über das Wetter und alles andere, was ihm einfiel. Er beschwerte sich sogar darüber, das Tsunade ihm wieder diese nervigen Berichte aufdrückte. Sie hörte zu, aß und schwieg. So lief es jeden Tag, fast zwei Wochen lang. Mit der Zeit kam nur noch Kakashi zu Besuch. Die anderen wussten nicht, was sie tun sollten, wenn sie bei Sakura waren. Nach den zwei Wochen beschlossen die Ärzte, dass es besser für sie war, wenn sie aus dem Hospital heraus kam. „Was willst du anziehen?“, wollte Kakashi wissen, als er sie abholen kam, auch wenn er wusste, dass er keine Antwort bekommen würde. Er suchte ihr etwas Bequemes aus, eine Jogginghose und ein Oberteil. Er legte die Kleider auf ihr Bett und ging zur Tür. „Zieh das an, ja?“ Mit diesen Worten ging er hinaus. Draußen lehnte er sich gegen die Wand, neben der Tür und wartete. Was sollte er jetzt mit ihr machen? Er hatte schon ein Gästezimmer bei sich zu Hause eingerichtet. Aber sollte er Sakura gleich von einem stickigen Zimmer ins andere bringen? Kakashi schüttelte den Kopf. Er würde erst noch etwas mit ihr spazieren gehen. Immerhin war ihr Bein mittlerweile auch soweit verheilt, das sie wieder laufen konnte und sogar musste, um die Muskeln wieder aufzubauen. Nach zehn Minuten betrat er das Zimmer wieder. Sakura saß, fertig angezogen, auf der Bettkante und sah zu Boden. Kakashi packte ihre Kleider in eine Sporttasche und hängte sich diese über die Schulter. „Na komm, wir gehen spazieren und dann…zu mir“, meinte er und hielt ihr eine Hand hin. Sie griff zu und ließ sich von ihm aus dem Hospital führen. Eine ganze Weile liefen sie ziellos durch die Straßen. Kakashi hatte ihre Hand mittlerweile losgelassen, behielt sie aber genau im Blick. Plötzlich blieb Sakura stehen und sah ihren Sensei an. Dieser glaubte einen Funken Leben in ihren Augen zu erkennen und lächelte. „Ich…will sie sehen“, murmelte Sakura. Ihre Stimme war nur ein Krächzen, da sie so lange nicht gesprochen hatte. Er freute sich endlich wieder ihre Stimme zu hören, aber was sie wollte hielt er nicht wirklich für das Beste. „Glaubst du, dass das jetzt das Richtige ist?“, fragte Kakashi vorsichtig. „Bitte.“ Dann hüllte Sakura sich wieder in Schweigen. Kakashi nickte. Wenn es Wunsch war, dann würde er sie zu dem Grab ihrer Eltern bringen. Die Beerdigung war vier Tage nach ihrem Tod gewesen, zu diesem Zeitpunkt hatte Sakura noch ohnmächtig im Hospital gelegen. Da sie dieses heute zum ersten Mal verließ, hatte sie das Grab noch nicht besuchen können. Sie gingen langsam und ließen sich Zeit. Kakashi hatte sogar den Eindruck, dass sich Sakuras Schritte verlangsamten, ja näher sie dem Friedhof kamen. Doch schließlich standen sie vor dem Grab ihrer Eltern. Sakura starrte es an, ohne sich zu rühren. So standen sie da, Kakashi konnte nicht sagen, wie lange, und sahen auf den Grabstein hinab. „Weißt du“, sagte Sakura plötzlich. „Das letzte, was ich zu meinem Vater sagte war, dass er mich in Ruhe lassen und gehen soll und meiner Mutter habe ich vorgeworfen, dass sie nie Zeit für mich hat.“ Sie sah Kakashi an und der bemerkte erst jetzt, das Tränen über ihre Wangen liefen. Er zögerte einen Moment, doch schließlich nahm er sie in die Arme und strich ihr beruhigend über den Kopf. „Ich bin mir sicher sie wissen, dass du sie liebst und vermisst. Und außerdem, wenn du ihnen etwas sagen möchtest, dann tu es einfach. Sie sind immer bei dir“, erklärte er in sanftem Tonfall. Sakura blieb noch einen Moment ruhig stehen, dann machte sie sich von ihm los und kniete sich vor das Grab. „Es tut mir leid“, flüsterte sie und grub die Finger in die Erde. „Es tut mir so leid.“ Tränen fielen auf ihre Hände und den Boden und sie wiederholte die Worte immer wieder. Kakashi ließ ihr Zeit. Er sagte nichts zu ihr und rührte sich nicht, bis Sakura von selbst aufstand und sich zu ihm umwandte. „Gehn wir heim?“, fragte sie. In ihrer Stimme war schon wieder etwas Lebendiges zu hören und auch ihr Blick klärte sich. Kakashi nickte und sie gingen zu ihm nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)