Der Feuerkönig von LynethNightmare (Hao Asakura x OC) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Hao schüttelte sich, um die Gedanken an das Alte loszuwerden und blickte zu der knienden Kaori hinab. Sie wirkte so zerbrechlich in diesem Augenblick. Doch dieses Mal hatte er alles richtig gemacht. Sie musste ihm folgen und würde sich ihm nicht in den Weg stellen, solange er Ruka in seiner Hand hatte musste er Kaori nicht töten. Er bedeutete seinen Gefährten, dass die Versammlung abgeschlossen war und alle wandten sich wieder ihrem Weg zu, aus dem sie gekommen waren, bis auf Kanna. Sie rührte sich nicht von der Stelle. Mit einem eleganten Sprung hechtete Hao von seinem erhobenen Platz herunter direkt vor das Schamanenmädchen, welches immer noch schwer atmend am Boden kauerte. Grinsend ging der Onmyoji vor ihr in die Hocke. „Willkommen im Team, kleine Kaori.“ Ihr Blick war kalt, als er auf den seinen traf. „Glaube nicht, dass ich dir bedingungslos folgen werde. Sei dir nicht zu sicher.“, knurrte sie und stemmte sich hoch. Opacho half ihr sich aufrecht hinzustellen, während sein Blick zwischen Hao und Kaori hin und her glitt. „Du weißt, was mit Ruka geschieht, solltest du dich nicht an unsere Abmachung halten.“, bemerkte Hao kühl und wandte sich von dem störrischen Mädchen ab. Sie würde sich noch erinnern. Früher, oder später. Ich sah, wie Kanna auf ihren Meister zuschritt, doch dieser umging sie geschickt und verschwand lautlos von der Lichtung, wo vor kurzem noch die Versammlung stattgefunden hatte. Ruka hatte sich zusammen mit dem Feuergeist ebenfalls in Luft aufgelöst. Ich war nichts ohne sie, das musste ich mir in diesem Moment, mehr als jemals sonst eingestehen. „Geht’s dir nicht gut, Kaori-chan?“, weckte mich die kindliche Stimme Opachos aus meinen finsteren Gedanken. Ich versuchte ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. „Es geht schon wieder, danke für deine Hilfe.“, gab ich resigniert zurück. „Du solltest dich noch ausruhen. In wenigen Tagen brechen wir nach Dobie Village auf. Da solltest du fit sein.“, meinte der Junge munter und führte mich von der Lichtung, auf der noch immer Kanna, wie vom Donner gerührt stand und mir einen abgrundtief hasserfüllten Blick hinterher warf. Vielleicht hätte ich mich mehr auf meine Fähigkeiten als Medium konzentrieren sollen, statt auf die Macht als Schamane. Ich hatte zwar erfahren, dass Ayume ein mächtiges Medium gewesen war, doch sie hatte Hao damit auch nicht besiegt, aber immerhin war sie in der Lage gewesen sich auch ohne Ruka zu helfen, ich hingegen war komplett hilflos. Hao war erst einige Zeit nach Ayumes Tod von einem Asakura getötet worden und somit wurde sein Plan Schamanenkönig zu werden zerschlagen. Ich lag in meinem Futon und starrte an die Decke. Was konnte ich nur tun? Sollte ich mich einfach meinem Schicksal fügen? Nein, das war nicht meine Art. Ich konnte nicht tatenlos zusehen, wie Hao versucht die Welt zu vernichten. Ich musste mich erinnern, aber wie? Ich konnte Yo nicht all die Arbeit ganz alleine machen lassen. Meine Gedanken fuhren Karussell. So hatte es keinen Sinn, langsam schloss ich die Augen und versuchte das zu verdrängen, was heute geschehen war. Irgendwann nach langer Zeit fiel ich endlich in einen unruhigen, von Alpträumen geplagten, Schlaf. Er saß wieder auf dem üblichen Felsen, direkt vor dem Gesicht des schwarzen Sees, welcher ruhig in seinem Bett schlummerte. Sein Blick war zum Mond gerichtet, als er bereits die Schritte einer Person vernahm. Er musste sich nicht herumdrehen um am Zögern zu erahnen, um wen es sich handelte. Ein etwas genervter Seufzer entkam seinen Lippen, jedoch dachte er nicht daran seinen Blick vom Schein des Vollmondes zu nehmen, auch nicht, als sie direkt neben ihm zum stehen kam. „Meister Hao?“, durchdrang ihre Stimme die wohlige Stille der Nacht. „Kanna?“, reagierte er schlicht. „Seid ihr euch sicher? Sie könnte unseren gesamten Plan gefährden. Wie sagt man doch: Wenn man mit dem Feuer spielt, passiert es leicht, dass man sich die Finger verbrennt.“, flüsterte Kanna, aus Angst er könnte unangemessen auf ihren unerwünschten Ratschlag reagieren. Stattdessen zeichnete sich ein freundliches Lächeln auf seinen Lippen ab. „Wer mit dem Feuer spielt also, hm? Ich denke ich habe das Feuer unter Kontrolle. Mach dir keine unnötigen Sorgen über Dinge, die dich nicht betreffen.“ Sie blickte ihn immer noch etwas irritiert an. „Siehst du den Mond? Er versteckt seine Schönheit stets hinter dem Licht der Sonne, doch nimmt man die Sonne weg, so verliert auch er seine Schönheit. Es ist spät. Wir brechen Morgen früh nach Dobie Village auf. Gute Nacht, Kanna.“ Damit ließ er das völlig verwirrte Mädchen alleine zurück. Als ich am Morgen aufwachte, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als die sengende Hitze auf meinem Körper und Ruka an meiner Seite, so, als wenn nie etwas geschehen wäre. Doch ich erwachte in meinem Futon im Versteck des mächtigen Onmyoji, der noch immer die arme Ruka in Gefangenschaft hat. Ich seufzte schwer, als sich ein Gesicht in mein Blickfeld schob und ich fürchterlich erschrak. „Alles gut, Kaori-chan? Hast du noch Schmerzen?“, fragte Opacho besorgt, als ich mich bereits aufrichtete. „Nein, alles ist in Ordnung.“, meinte ich schnell. „Der Meister sagt, dass wir in wenigen Stunden aufbrechen werden. Ich habe dir einen Tee gemacht.“, plauderte der Junge freudig und reichte mir die Tasse mit dem dampfenden Inhalt. „Vielen Dank.“, gab ich höflich zurück und pustete in das Getränk. Opacho sah mir vergnügt zu, wie ich meinen Tee trank und stellte mich einige persönliche Fragen, die ich so gut, wie möglich, zu umgehen versuchte. Plötzlich klopfte es an der Türe und schon schoss der Kleine hoch und eilte sich, um aufzumachen. „Wir reisen ab. Wir treffen uns in der Lichtung.“, drang eine dunkle unbekannte Stimme ins Zimmer herein. „Sieh zu, dass sich unser Gast beeilt. Wir haben nicht ewig Zeit.“, fügte der Fremde noch hinzu, ehe sich die Schritte wieder entfernten. Ich runzelte die Stirn, stand aber bereits auf. Mir blieb nichts anderes, als mit Hao nach Dobie Village zu reisen. Von Weitem sah ich sie bereits, wie sie aus dem Cottage kam. Der grüne Kimono passte ihr, wie angegossen und ihre fliederfarbenen Haare waren wie immer offen und lockig. Ihre Augen strahlten regelrecht. Alles an ihr wirkte mehr, wie ein kleines Schulmädchen, statt einer erfahrenen Schamanin mit Macht. Dennoch, wenn sie kämpfte, so hatte ich es auch gespürt, als sie gegen ihre Feindin verlor, besaß sie eine unheimliche Aura, die alles um sie herum ummantelte. Vielleicht hatte der Meister recht, sie war stark, doch was sollte geschehen, wenn sie sich gegen uns wendete? Wer weiß, ob sie ohne ihren Schutzgeist so wehrlos ist, wie sie uns glauben machen will? Schließlich soll sie ja ein Millenniummedium sein, auch wenn ich von dieser Art ihrer Fähigkeiten noch nichts gesehen habe, so heißt es nicht, dass sie diese nicht besitzt und gegen uns verwendet. Warum lässt der Meister sie trotzdem so nahe an sich heran? Was wiegt ihn so in Sicherheit? Ich werde sie nicht aus den Augen lassen. Ich werde nicht zusehen, wie sie Meister Hao vernichtet. „Kanna? Was ist los? Du wirkst so angespannt.“, wandte sich Mari direkt zu mir. Ich hatte unterbewusst die Hände zu Fäusten geballt. „Mir ist nicht behaglich, wenn diese Kaori in unserer Nähe ist.“, ihren Namen spuckte ich geradezu heraus. „Hast du Angst, dass sie dir die Stellung bei Meister Hao streitig macht?“, witzelte Mathilda. „Hör auf so einen Unfug zu reden. Sie ist stark. Ihr habt nicht gesehen, was ich sah.“, fauchte ich aufgebracht. „Schon gut. Du musst nicht gleich so sauer werden. Das war nur ein Witz.“, versuchte sich meine Freundin zu verteidigen. „Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich habe einfach die bedenken, dass unser Meister das alles ein wenig unterschätzt. Schließlich soll unser Plan nicht scheitern.“, gab ich zu verstehen. „Was soll sie schon tun? Ihr Schutzgeist ist in unseren Händen. Auch, wenn sie es schaffen würde, ihn zu befreien, so steht sie immer noch alleine gegen dreizehn mächtige Schamanen. Das schafft sie nicht.“, meinte Marion gelassen, wie es ihre Art war und zupfte die Haare ihrer Puppe Chucky zurecht. „Ja, du hast Recht. Ich mache mir vielleicht umsonst solche Sorgen.“, brachte ich hervor. Warum konnte mich nicht mal jemand ernst nehmen, wenn ich meine Bedenken äußerte? Zusammen mit Opacho kam ich auf die Lichtung und erneut waren viele Blicke auf mich gerichtet. Seufzend fuhr ich mir mit der rechten Hand durch das Deckhaar und folgte stumm dem kleinen Jungen, der mal wieder direkt auf seinen Meister zusteuerte. „Ich sehe wir sind komplett.“, bemerkte Hao erfreut und ließ seinen Blick nochmal durch seine Gefährten streifen, ehe er sich in Bewegung setzte. „Wie weit ist es bis nach Dobie Village?“, hakte Opacho nach. „In zwei Tagen sind wir da.“, gab Hao schlicht zurück. In der Gegenwart seiner engsten Vertrauten wirkte er längst nicht so kalt und abweisend, wie zu fremden Schamanen. Man könnte denken, er sei ein ganz normaler Turnierteilnehmer. Jedoch wusste ich es besser. Meine Augen suchten die Umgebung ab, ob sich vielleicht irgendwo Ruka befand, aber vermutlich hatte sie Hao zusammen mit seinem Feuergeist in die Geisterwelt verbannt, sodass ich sie nicht erreichen konnte. Gerade, als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte fiel es mir, wie Schuppen von den Augen. Hao beherrschte immer noch das Lesen der Gedanken. Schnell baute ich meine Geistermauer auf, hinter der ich weitere Denkvorgänge von mir verbergen konnte. „Ruka ist wohlauf. Ich soll dir Grüße bestellen.“, drang seine Stimme zu mir nach hinten. Ich senkte schnell den Blick zu Boden. Der einzige Weg, wie ich jemals aus dieser misslichen Lage kommen würde, wäre mich an meine Mediumsfähigkeiten zu erinnern. Aber wie? Vielleicht war mein Medaillon der Schlüssel zu all dem, aber auch wenn ich es stundenlange betrachtete, so löste es keinerlei Erinnerungen in mir aus. Vermutlich ging ich die Sache völlig falsch an. Wenn ich die Visionen steuern könnte und in Haos vergangenes Leben blicken könnte, so würde ich eventuell auch Erinnerungen an Ayume bekommen und somit vielleicht einen Schritt näher an das Geheimnis ihrer Macht kommen. Doch wie sollte ich das nur anstellen? Ohne Ruka wusste ich nicht einmal, wie ich die Fähigkeit der Weitsicht richtig benutzen konnte. Es war komplett aussichtslos. Erst spät in der Nacht, als meine Beine schon streikten und meine Augen schon müde klimperten hielt Hao die Gruppe an. „Wir schlagen hier ein Nachtlager auf.“, herrschte seine Stimme durch seine Gefährten, die sich alle daran machten ihr Reisebett auf dem Boden auszubreiten. Ich blickte mich kurz um und sah eine Stelle etwas ab der Gruppe im Schatten des Felsens dahinter. Eilig machte ich mich auf den Weg dorthin und schlug mein Lager auf. Abseits, so hatte ich alles im Auge. Ich traute niemandem auch nur ansatzweise über den Weg. Ich konnte froh sein, wenn ich den morgigen Tag erleben durfte. Angeschlagen, einsam und verzweifelt ließ ich mich auf die harte Unterlage fallen. Leider hatten wir im Training die Lektion, was mache ich, wenn ich von einem verrücken Schamanen entführt werde, ausgelassen. Mein Blick fiel in die Sterne, die, wie immer, funkelnd auf die Erde herab blickten und stumm die Leidensgeschichte der Welt verkündeten. So viele Wünsche gingen nächtlich zu ihnen empor. So viele Hoffnungen erreichten sie und doch waren sie stumm. Flashback: „Ha! Ich hab eine gesehen.“, jubelte Yo außer sich vor Freude. „Dann darfst du dir etwas wünschen.“, gab Kaori ruhig zurück, wandte jedoch ihren Blick nicht vom nächtlichen Himmel ab. Kopf an Kopf lagen die beiden jungen Kinder rücklings im feuchten Gras und blickten in die Sterne. „Ich wünsche mir, dass du Schamanenkönigin wirst.“, verkündete Yo freudig. „Scht. Das darfst du doch gar nicht laut sagen.“, maßregelte ihn seine Freundin. „Aber warum nicht, der Wunsch betrifft doch dich?“, gab er verdutzt zurück. „Es heißt, dass man Wünsche nur stumm äußern soll. Brüllt man ihn hinaus verliert sich die Stimme bevor man den Stern erreicht. Aber stumm lesen sie ihn aus deinem Herzen, wenn er denn auch von dort kommt. Außerdem ist dein Wunsch doof. Wünsch dir doch was Ordentliches.“ Yos Grinsen wurde breiter, als er zu seiner Freundin blickte. „Der war nicht doof. Und er kam von Herzen.“, bemerkte er. Kaori sah ihn nun auch an. „Weißt du, ich habe gar keine Lust auf diesen Königquatsch. Ich würde lieber ein richtiger Rockstar werden.“ Nun schmunzelte das junge Mädchen. „Fängt das wieder an?“, gab sie amüsiert zurück. „Du kannst doch singen? Du wirst Königin und singst in meiner Rockband, dann werde ich berühmt.“, lachte Yo und warf sich wieder zurück ins Gras. „Dein Plan hat nur einen Haken.“, meinte Kaori schlicht. „Welcher wäre?“ „Ich will auch nicht Königin werden.“ Bei dem Satz begannen beide schallend zu lachen. „Dann machen wir Anna zur Königin. Sie ist jetzt schon eine Herrscherin.“, schmunzelte Yo. „Hast du ihr nicht versprochen sie zu heiraten und sie zur Schamanenkönigin zu machen?“, feixte ich. „Achja.“, brummte der Junge und runzelte die Stirn. „Dann werde doch ich König und du meine Beraterin.“ „Damit kann ich leben.“, stimmte Kaori zu. Wieder verfielen die Beiden in Schweigen. Es war nicht unangenehm, es war beruhigend. „Stimmt es, egal wo man ist, dass man immer denselben Himmel sieht?“, meinte Yo plötzlich ganz überraschend. „Das sagt man zumindest so. Papa meinte immer: ‚Kaori, das Einzige, was sich nie verändern wird ist der Himmel unter dem wir leben, merk dir das.‘“, den letzten Satz versuchte sie in der Stimme ihres Vaters nach zu ahmen. Yo lachte wieder laut auf. „Mein Großvater meinte zu mir nur: ‚Ein Holzkopf, wie du, wird niemals den Weg eines Schamanen gehen.‘“ Nun setzte sich Kaori auf und blickte zu ihrem Freund hinunter. „Ich glaube an dich, du Holzkopf. Du wirst deinen Weg schon gehen.“ Yo erhob sich ebenfalls und setzte sich an ihre Seite. „Nicht ohne meine Freunde. Du kommst mit mir. Alleine geh ich nicht mal vor die Türe.“, grinste er. „Egal wo ich bin, egal wo du bist. Wenn wir uns auch mal nicht sehen, wir blicken doch in denselben Himmel.“, philosophierte das Mädchen lächelnd. „Richtig. Und irgendwann treffen wir uns wieder. Du kannst sowieso nicht ohne mich.“, witzelte Yo, was ihm einen leichten Schlag auf den Oberarm einbrachte. „Ich geh nach Hause, bevor mein Meister merkt, dass ich wieder raus geschlichen bin.“, schon begab sich Kaori auf den Weg nach Hause. „Hey.“, johlte Yo ihr hinterher. Sie warf einen leichten Blick über ihre Schulter, als er sie schon stürmisch umarmte. „Heute bist du eher der Holzkopf. Gute Nacht Kaori-chan.“, lachte er, löste sich und rannte in die andere Richtung davon, das breite Grinsen zierte immer noch sein Gesicht. „Ach Yo.“, entkam es leise meinen Lippen. Vielleicht blickte er gerade ebenfalls zum Sternenhimmel und bemerkte, dass ich in der Klemme stecke. Wunschdenken. Ich seufzte wieder. „Fernab der Gruppe, hm? Ein guter Ort, um alles im Überblick zu haben.“, schreckte mich eine raue Stimme hoch. Über mir auf dem Felsen saß Hao, welcher seinen Blick in die Ferne gerichtet hatte. Ich schenkte ihm einen bösen Blick, den er nicht mal wahrnahm, ehe ich mich mit dem Rücken zum Felsen drehte und die Augen schloss. Vielleicht würde er verschwinden, wenn ich ihn ignoriere. „Du kennst also Yo? Das trifft sich sehr gut, denn er wird es sein, der mir zum Thron verhilft.“, redete Hao einfach weiter, ungeachtet davon, dass ich versuchte ihn zu ignorieren. Doch bei diesem Satz wurde ich hellhörig und setzte mich auf. „Das wird er niemals tun.“, gab ich ruhig zurück. „Kleine Kaori, du musst noch viel lernen. Menschen sind nicht, wie sie scheinen. Die Welt ist nicht, was sie einst war.“, gab er amüsiert zurück. „In manchen Menschen kann man sich nicht täuschen.“, widersprach ich kurzerhand. „Man kann sich in jedem täuschen. Nicht jeder ist, wie er sich gibt. Verräter wird jeder, man muss nur den richtigen Preis nennen.“ Sein Lächeln wirkte verspottend. Ich verzog mein Gesicht. „Das ist nicht wahr.“, fauchte ich. „Dein Preis war Ruka und nun sieh dich an. Inmitten meiner Gruppe. Ein Mitglied meiner Gefolgschaft. Ein Verräter.“, warf er mir an den Kopf und ich musste mir eingestehen, dass er Recht hatte. „Das ist Erpressung, kein Verrat.“, meinte ich nur noch halblaut. „Was ist der Unterschied? Niemand weiß, was ich in der Hand habe, dass du tust, was ich sage. Wer wird dir Glauben schenken, wenn er dich mit mir sieht? Yo? Niemals.“ Ich verkrampfte mich unter jedem seiner Worte mehr. „Du kennst Yo nicht.“, fauchte ich. „Und du wirst bitter enttäuscht werden, wenn du weiterhin an die Freundschaft glaubst. Freundschaft ist bedeutungslos, wenn es sich um Macht dreht. Freundschaft ist eine kleine Kerze, die vom Sturm des Verrats ausgeblasen wird. Sie vergeht. Eine welke Blume, die kein Wasser findet. So stirbt sie und wird vergessen, als hätte es sie nie gegeben.“, redete er einfach weiter. Was wusste er schon von Freundschaft? Seine Diener waren ihm nur treu, weil er Macht besaß, keinen anderen Grund gab es dafür. „Richtig, liebste Kaori. Macht ist der Schlüssel zu Loyalität. Freundschaft kann diese Treue nicht aufbringen. Das Band, welches Freunde zusammenhält ist spröde. Das Band der Loyalität hingegen ist unzerreißbar, denn es wächst aus der Angst.“ Ich hatte mal wieder meine geistige Barrikade vernachlässigt, aber das war mir in dieser Situation egal. Ich brodelte vor Wut, über sein verdrehtes Denken und seiner Standhaftigkeit, vor allem aber wegen der Überzeugung, mit der er seine Anschauung vertrat. „Freudschaft ist ein Band aufgebaut auf Vertrauen, Liebe und Hilfe. Es wächst mit jedem Jahr, dass es hinter sich bringt. Es wächst mit jeder Herausforderung, die man ihm stellt und irgendwann hat es die Macht das Band der Macht zu zerreißen, weil es nichts Stärkeres gibt, als der Zusammenhalt von Menschen, die sich bedingungslos vertrauen und sich wertschätzen.“, gab ich bemüht ruhig zurück. „Das alles sind Emotionen. Sie schwächen den Geist und machen einen angreifbar. Dein stärkstes Band ist jedoch trotzdem anfällig und zerstörbar. Mit Verrat.“ Wer hatte ihn nur so verletzt, dass er das so skrupellos sagen konnte. „Die Welt und ihre Menschen. Menschen, denen ich mein Leben in die Hände gelegt hätte.“, beantwortete er meine stumm gestellte Frage. „Machtlosigkeit.“, gab ich flüsternd von mir. „Hm?“, hakte er nach. „Machtlosigkeit zerstört dein Band der Macht, lässt die Angst verfliegen und kehrt Loyalität zu Verachtung.“, warf ich ihm an den Kopf. Ein ernsthaft amüsiertes Lächeln umspielte seine Züge. „So steuerbar sind die Menschen. Tugenden, wie ewige Freundschaft, bedingungslose Liebe, aufopferungsvolle Hilfe und endloser Zusammenhalt sind nur noch Blätter im Wind. Der Einzige, dem man noch Vertrauen schenken kann, ist man selbst.“, schloss Hao das Thema. Es blieb nichts mehr zu sagen. Ich senkte den Blick, grübelnd über das, was er mir gerade verraten hatte. „Jedoch steigt der Preis, steigt auch die Stufe des Verrates. Wieso wirst du nicht meine Schamanenkönigin?“, dieses Mal war seine Stimme nur noch ein gefährliches Flüstern. Erschrocken fuhr ich hoch, er stand direkt neben mir. Ein lautes Klatschen erfüllte die stille Umgebung und ließ einige auf ihren Nachtlagern hochfahren. Nur kurz war das bösartige Grinsen von seinem Gesicht gewichen, doch schnell hatte er sich wieder gefangen, griff nach meiner Hand und bog sie mir auf den Rücken. Schmerzhaft knickte ich etwas ein. „Urteile nicht zu schnell, kleine Kaori.“, hauchte er noch, ehe er von mir abließ und davon schritt. Der Schock stand mir noch ins Gesicht geschrieben, an Schlaf war nicht mehr zu denken, so schlüpfte ich eilig in meine Schuhe und verschwand hinter dem Felsen direkt in den Wald. Ich lief so schnell, wie meine Beine mich trugen, ehe ich keuchend, an einem Baum gelehnt inne hielt. Hilflos glitt ich an der glatten Rinde zu Boden und zog die Knie eng an meinen Körper. Ich konnte nicht fliehen, solange Ruka noch bei ihm war. Verzweifelt umschloss meine Hand den Anhänger meines Medaillons, hoffend, dass es mir vielleicht die Macht verleihen könnte, mich aus dieser Situation zu befreien, doch es lag stumm und kalt in meiner Hand. Wie immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)