Athan aer! von Silver-Wolf ================================================================================ Kapitel 1: Athan aer! --------------------- Athan aer Wie ein Lied, ein Lied, welches von Hoffnungslosigkeit sprach, klang das Prasseln des Regens in Thranduils Ohren. Der König stand allein unter einer Weide in den Gärten seines Palastes. Kein Vogel sang, kein Tier war zu sehen und die Blumen ließen allesamt die Köpfe hängen. Ein Regentropfen fiel auf die Hand des Elben und vermischte sich mit einer Träne. Glasklar wie ein Diamant rollte sie über seine schlanke Hand und topfte hinunter ins nasse Gras, wo sie für immer verschwand. Der König hatte den Kopf gesenkt und einige nasse, helle Haarsträhnen verdeckten sein, von Trauer und Hoffnungslosigkeit gezeichnetes und tränennasses Gesicht. Monate waren vergangen, als er das letzte Mal gelächelt hatte, es war der Tag, an dem er seinen Sohn das letzte Mal sah, bevor Dieser nach Imladris aufbrach. Nie wieder sah man Thranduil seitdem mit froher, gar vergnügter Mine, denn Legolas war nicht zurückgekehrt. Die Boten, die den Prinzen begleitet hatten, kamen allein zurück, nur mit einer Botschaft Elronds, die den König vor Sorge fast verrückt werden ließ. Sein Sohn war auf dem Weg nach Mordor, denn der Eine Ring war gefunden worden. So begann für Thranduil das Warten und Bangen auf eine Rückkehr seines Sohnes. Tag um Tag schwanden die lodernden Flammen der Hoffnung in Thranduils Herzen, bis nur noch ein Funke die erstickende Dunkelheit, die sich immer weiter in ihm ausbreitete, durchbrach. Oft wanderte der König allein umher, die besorgten, gar mitleidigen Blicke seines Volkes ignorierend. Sie wussten nichts, überhaupt nichts über diesen Verlust, der ein immer tieferes Loch in seine Seele fraß. Sie wussten nicht, wie viel Legolas im bedeutete. Thranduil fürchtete die dunklen Stunden der Nacht, in der die schrecklichen Albträume zurückkehrten. Nicht selten war er aufgewacht, nassgeschwitzt und in sein Kissen tropften nicht selten heimliche Tränen. Nichts hatte er je mehr gewollt, als seinem Sohn jegliches Leid zu ersparen und jetzt war er auf dem Weg in ein Land, aus dem er vielleicht nicht wiederkehren würde. Bei diesem Gedanken schlug Thranduil mit der Faust an die raue Rinde der Weide. Der Schmerz, der durch seine Hand schoss, überdeckte kurz den pochenden, nagenden Schmerz in seiner Seele und der Elb schloss die Augen. Erinnerungen schlugen über ihn herein, wie eine Flutwelle des Glücks und schmerzlicher Sehnsucht zugleich. Es waren Erinnerungen über Legolas. Wieder sahen ihn zwei große, eisblaue Augen an, wie damals, als er seinen Sohn das erste Mal im Arm gehalten hatte. Der Kleine hatte ihn damals, und er tat es immer noch, über den Verlust seiner Gemahlin hinweggeholfen. Er hörte wieder das glockenhelle Lachen seines Sohnes, als der Kleine mit den blonden Haarsträhnen seines Vaters spielte und er fühlte wieder Legolas‘ kleine Hände in seinen, als er ihm das Bogenschießen lehrte. Dann sah Thranduil Legolas so, wie er mittlerweile geworden war. Ein großer, schöner Elb, der stark und tapfer genug war, auf eigenen Beinen zu stehen und bereit war, um seine Heimat und um die zu kämpfen, die er liebte. Da lächelte der König leicht unter Tränen, denn selbst in Zeiten der Trauer war es Legolas, der ihn wieder aufmunterte und ihm sagte, alles würde gut werden. Aber würde es auch diesmal so sein? Thranduil holte tief Luft, ehe er unter dem Baum hervortrat und in seine Gemächer zurückkehrte. Oh Eru, dachte er. Er muss einfach zurückkehren! Lautlos schwangen die Holztore auf und Thranduil lauschte auf die immer lauter werdenden Schritte. Da bog eine Torwachte, gefolgt von einem Boten auf. Ihre Minen waren ausdruckslos, doch las der König Unsicherheit in ihnen. Sie verbeugten sich tief vor ihm. „Mein König…“ Schon als der Bote zu sprechen begann, breitete sich Kälte in seinem Herzen aus. Thranduil erhob sich und lief die wenigen Stufen zu seinem Thron herab, sodass er etwa zwei Meter von dem Boten und der Wache entfernt stand. „Wir… haben soeben eine… eine Nachricht von Elrond erhalten…“ Der junge Elb brach ab und holte tief und zitternd Luft, doch sprach er nicht weiter. Thranduil war wie gelähmt vor Angst und die nächsten Worte konnte er nur flüstern. „Sagt es mir.“ Der Bote sah auf. Eine Träne löste sich aus seinem Augenlid und fiel auf den hellbraunen Stoff seiner Tunika. Um Thranduil drehte sich alles. Nein, das war ein furchtbarer Albtraum! Das konnte, das durfte nicht geschehen sein. „Sprich!“, seine Stimme schwankte und versagte schließlich. Auch die Wache hatte den Kopf gesenkt und dem Jüngeren eine Hand auf die Schulter gelegt. Wie sehr wünschte sich Thranduil, dass ihm in diesem Moment auch jemand eine Hand auf die Schulter legte? „Euer Sohn, mein Herr… Er… er ist gefallen.“ Wie tausend Schwertstiche bohrten sich diese geflüsterten Worte in Thranduils Seele. In seinem Kopf hallte nur ein Wort wider: Gefallen. Thranduil wusste nicht, wie lange er dagestanden hatte, ehe seine Beine unter ihm nachgaben und er zusammenbrach. Wie in Zeitlupe nahm er wahr, dass der Bote und die Wache versuchten, ihn zu stützen. Doch Thranduil schlug ihre Hände weg und schließlich ließen sie ihn allein. Er lag einfach nur da, die Stirn auf den kalten Boden gedrückt und versuchte, die Wahrheit zu begreifen: Sein Sohn war tot. Schließlich sah er auf. Betäubt von dem Schmerz und der Trauer, sah er verschwommen etwas vor ihm auf dem Boden liegen. Thranduil streckte die Hand danach aus und umfasste ein kühles Etwas. Er sah es genauer an und erkannte den Kristall, den er seinem Sohn vor langer Zeit geschenkt hatte. Weiß schien er dem König entgegen und er sah die vertrauten grünen Sprenkel, die den Kristall durchzogen. Mit zitternden Fingern strich Thranduil über das Schmuckstück, das an einem dünnen Lederband hing. „Oh, Legolas!“, flüsterte er betäubt und schloss die Hand um den Stein. Schwankend kam Thranduil auf die Füße und machte sich auf den Weg in seinen Palastgarten. Wie in Trance setzte er einen Fuß vor den Anderen, den Kristall fest in seiner Hand, wie einen Rettungsanker. Bald roch der König den vertrauten Duft der Blumen, konnte ihm aber keine Schönheit abgewinnen. Nicht heute und an keinem Tag, der folgen würde. Zielstrebig lief Thranduil zu der Weide, unter der er vor ein paar Tagen im Regen gestanden hatte. Wo er noch Hoffnung hatte. Der Stamm fühlte sich stark und standhaft an, als der König sich dagegen lehnte, seine Stirn an das raue Holz gelehnt. So stand er eine Weile zitternd da, bis ihm endlich die erlösenden Tränen über die Wangen liefen, Tränen, die er so lange zurückgehalten hatte. Lautlos waren sie, bis Thranduil schließlich mit einem lauten Schrei, voller Schmerz und Trauer, auf die Knie fiel und heftige Schluchzer seinen sonst so starken Körper erbeben ließen. Immer wieder rief er nur ein einziges Wort, dass mit jedem Schrei verzweifelter wurde: Nein!!! Seine Finger krallten sich in das weiche Gras, als würde er sich daran festhalten wollen. Schmerz war das Einzige, was in Thranduil zu diesem Zeitpunkt existierte. Alles was seinem Leben einen Sinn gegeben hatte, war ihm genommen worden. Nie, niemals würde er wieder Frieden finden. Er wollte einfach nur fort von hier. Fort von dem Schmerz, der ihn so übermannte und schwächte. Lieber würde er mit seinem Sohn in Mandos Hallen ziehen, als hier langsam und qualvoll zu verenden. Bald gingen die Tränen aus, doch der König harrte weiter an derselben Stelle aus. Lange saß er dort, nichts konnte ihn trösten. Jahre vergingen, Jahrhunderte und schließlich verließ sein Geist den Körper, über den er so lange Gewalt hatte. Schön und anmutig wie ein Windhauch schwebte er empor, in den Himmel und zurück blieb nur eine ausgezehrte Hülle, von der Trauer und dem Schmerz zerfressen. Da war er zurückgekehrt. Der allnächtliche Albtraum, der ihn noch wahnsinnig machen würde. Thranduil strich sich einige schweißnasse Haarsträhnen aus dem Gesicht und stand auf. Mit zitternden Beinen lief er zu einer Steinschale mit klarem Wasser und spritzte sich die Tränen aus dem Gesicht. Einen Moment verharrte er, sich mit den Händen auf die Schale stützend und seine Gedanken schweiften wieder ab zu Legolas. „Oh, ion nîn. Wo bist du bloß?“, flüsterte er. Der König hoffte so sehr, dass die Valar ihm gnädig waren und über seinen Sohn wachten, ihn vielleicht zu ihm nach Hause geleiteten. Thranduil lief wieder zurück und setzte sich auf den Bettrand, das Gesicht in den Händen verborgen. Plötzlich klopfte es an der Tür zu seinem Gemach. Rasch warf Thranduil sich einen Mantel über und öffnete die Tür. Eine Wache stand davor und verneigte sich, ehe er sprach. „Ihr habt Besuch, mein König.“ Thranduil runzelte die Stirn. „Zu dieser Stunde? Wahrlich?“ „Jawohl!“, meinte die Wache, „Darf ich ihn rufen lassen?“ Thranduil seufzte. Mitten in der Nacht wollte ihn jemand sprechen. Lange war es her, dass dies schon einmal geschehen war. „Natürlich, wenn es so dringlich ist.“ Die Wache verneigte sich und eilte davon. Der König schloss leise die Tür und tauschte seine Schlaftunika gegen eine vorzeigbare und zog wieder den Mantel darüber. Bald darauf klopfte es und Thranduil rief: „Herein!“, während er seine Blätterkrone zurechtrückte. „Seid gegrüßt! Welcher Anlass führte Euch so…?“ Als er sich umdrehte, um seinem Gast höflich gegenüberzustehen, erstarrte er mitten in seinem üblichen Wortschwall. Eisblaue, strahlende Augen blickten ihm entgegen und erfüllten ihn mit einer solchen Freude, dass er ein paar Schritte zurücktaumelte und eine Hand auf seinen Mund presste. Helle Haarsträhnen umrahmten das schöne, durch vergangenes Leid gezeichnete Gesicht und die fein geschwungenen Lippen lächelten ihm strahlend entgegen. Der Anblick des Elben trieben Thranduil Tränen des Glücks in die Augen und Schritt für Schritt lief er auf ihn zu, bis nur noch Zentimeter die Beiden trennte. Auch dem Jüngeren standen nun Tränen in den Augen und schließlich zog Thranduil ihn in seine Arme und beiden liefen Tränen über die Wangen, als sie sich einfach nur festhielten. „Ada…“ Dieses eine Wort, geflüstert von dem Elben in Mittelerde, der Thranduil alles bedeutete, ließ ihn lachen, so voller Glück. „Legolas, ion nîn. Du bist zu mir zurückgekehrt!“, meinte Thranduil glücklich und sie lösten sich aus der Umarmung. Legolas strich seinem Vater über die Wange. „Ja, ada, ich bin zurückgekehrt.“ Der König legte seine Hand über die seines Sohnes und die Beiden lächelten sich an. Das Glück, welches Thranduil in diesem Moment durchströmte, war unbeschreiblich. Die vergangenen Wochen der Trauer waren wie weggeblasen, so froh war er über die Heimkehr seines Sohnes. Der König küsste seinen Sohn auf die Stirn und sie umarmten sich erneut. „Es tut mir so leid, ada. Du musst umgekommen sein vor Sorge, die letzten Monate!“, rief Legolas besorgt, „Ich wollte dir das nicht antun, ich hätte diese Reise nicht antreten dürfen, es tut mir so leid!“ Thranduil sah auf, legte ihm die Hand an die Wange und schüttelte den Kopf. „Nein. Du hast getan, was du für richtig hieltest!“ Legolas lächelte schwach. „Dennoch wollte ich dir nie so einen Schmerz zufügen, ada.“ Thranduil erwiderte das Lächeln, allerdings um einiges strahlender. „Tu mir nur einen Gefallen. Verlass mich nie wieder!“ Sein Sohn lächelte und nickte. „Ich werde für immer bei dir bleiben!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)