Seconds Of Sorrow (Teil 2) von Lina_Kudo (Sekunden des Leids (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 3: Secret Sorrow ------------------------ Kapitel 3: SECRET SORROW Versteckter Schmerz Geschockt starrte Ai ihr Gegenüber an. Unfähig, sich zu bewegen geschweige denn etwas zu sagen. Es stand außer Frage, wen Ran damit gemeint hatte. Es brachte nichts, sich dumm zu stellen und sie danach zu fragen. Genauso dumm war es, sich rauszureden. Leugnen war zwecklos. Sie würde sich dadurch nur noch mehr blamieren und erst recht verraten. Dieses Mädchen hatte sie schlicht und ergreifend durchschaut. Und deswegen brachte sie nur eine Frage heraus, die sie in diesem Moment am meisten beschäftigte. »W– Woher …« Nach wie vor lag auf Rans Lippen ein Lächeln. Kein eingefrorenes oder gar falsches, sondern ein wahrhaftig aufrichtiges Lächeln. Als wäre es das Offensichtlichste auf der Welt, erklärte sie mit heiterem Ton: »Deine Augen. Deine Augen verraten alles. Die Art, wie du ihn immer wieder verstohlen ansiehst. Um ehrlich zu sein, ist mir das schon länger aufgefallen. Allerdings habe ich mir nie viel dabei gedacht, da ihr für mich ja lange Zeit Kinder wart. Aus diesem Grund habe ich es nie so ernst aufgefasst. Aber nun, da ich ja weiß, dass du eigentlich bereits eine junge Frau bist … Da war für mich die Sache klar.« Ai schwieg. Was sollte sie dazu auch Großartiges sagen? Sie hatte schließlich Recht. In allen Punkten. Was hatte sie auch anderes von der Auserwählten eines der größten Detektive aller Zeiten erwartet? Genauso schnell, wie Shinichi die Lösung für einen Fall parat hatte, kam Ran hinter den wahren Emotionen eines Menschen dank ihres enormen Einfühlungsvermögens. Missmutig über diese Erkenntnis konnte sie nur spöttisch grinsen. Witzig wäre es nun gewesen, wenn sie sie nun als ernsthafte Bedrohung ansehen und sie bitten würde, sich von ihrem Shinichi fernzuhalten. Doch das Grinsen schwand mit einem Mal wieder, als ihr Gesprächspartner wieder mit einer neuen Bombe ansetzte. »Ich kann dich besser verstehen als jeder andere.« Lächelnd sah sie verträumt zur Decke herauf. »Ich kenne den Charme, den er unbewusst versprüht. In seiner Nähe fühlt sich jedes Mädchen so beschützt und geborgen. In seinen Augen kommt man sich so vor, als wäre man die einzige Frau auf dieser ganzen Welt. Es ist fast unmöglich, sich nicht in ihn zu verlieben. Er ist einfach … perfekt«, begann sie von ihrem Sandkastenfreund zu schwärmen. »Nicht nur er.« Verblüfft klärte sich Rans Blick und sie sah wieder zu dem kleinen Mädchen, das nun direkt vor ihr stand – ihre Hände hinter ihrem Rücken ineinander verschränkt und sie milde angrinsend. Die Karatemeisterin verstand nicht, worauf sie hinauswollte und fragte deshalb vorsichtig nach. Zu ihrer eigenen Verwunderung stand sie ihr ohne zu zögern Rede und Antwort: »Du bist mindestens genauso perfekt wie er. Ihr seid wirklich wie füreinander gemacht. Gegen dich habe ich nie auch nur den Hauch einer Chance gehabt. Selbst, wenn ich alles gegeben hätte. Selbst, wenn ich um seine Gunst gekämpft hätte mit allen Mitteln. Gegen dich hätte ich immer verloren. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich deswegen insgeheim beneide. Darum, dass du für immer sein Herz hast und er einzig und allein dir für alle Zeiten hoffnungslos verfallen ist. Denn einer Aussage von dir kann ich nicht zustimmen: Er sieht nicht jedes Mädchen so an, als wäre es das einzige Mädchen auf dieser Welt – sondern nur dich.« Schlagartig wurde ihr klar, was sie gerade getan hatte. Entgeistert riss die Rotblonde weit ihre Augen auf und starrte einen unbestimmten Punkt in der Luft an. Hatte sie diese Gedanken wirklich ausgesprochen? Die Gedanken, die sie sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal selbst eingestanden hatte? Hatte sie das Gefühl des Neides ausgerechnet der Person gestanden, für den sie ihn am stärksten empfand? Und hatte sie damit wirklich ihre Gefühle für Shinichi indirekt bestätigt? Was war nur in sie gefahren? Seit wann … redete sie, ohne zu überlegen? Sein wann verhielt sie sich so fahrlässig? Etwas verlegen fuhr sich die Braunhaarige durch die Haare, strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, während sie nach den richtigen Worten suchte. Sie hegte in der Tat keinerlei Konkurrenzgefühle gegen Ai. Das lag aber nicht daran, weil sie Ais Ansichten vertrat und in allen Punkten mit ihr einer Meinung war. Im Gegenteil: Sie war sich nie sicher, ob sie Shinichi wirklich verdiente und ob sie ihn wirklich für immer an sich binden konnte. Diese Gewissheit würde sie wohl nie haben; zu schön war einfach diese Vorstellung. Viel zu schön, um der Wahrheit zu entsprechen. Dieses Konkurrenzdenken kam in ihr allein aufgrund ihres von Natur aus friedlichen Gemüts nicht auf. Sie wusste jedoch immer noch nicht, was sie konkret darauf sagen sollte. Gerade, als sie glaubte, dass ihr etwas Passendes eingefallen war, kam Ai ihr zuvor: »Du hast ein viel zu großes Herz. Du bist viel zu gut für diese Welt. Genau wie …« Abrupt hielt sie inne und sah entsetzt zu ihren Füßen hinab. Was wollte sie gerade sagen? War sie wirklich kurz davor gewesen, das Gesprächsthema anzuschneiden, welches sie am allermeisten versuchte zu vermeiden, weil es ihr jedes Mal auf’s Neueste einen unerträglichen Stich ins Herz versetzte? Und das auch noch ausgerechnet bei Ran? Ihre Nähe. Diese Nähe machte sie wahnsinnig; ließ sie nicht mehr klar denken. Sie fühlte sich … wohl. Und die negativen Gefühle, die auf sie einstürzten – jedes Mal, wenn sie sich in Rans Nähe befand – wurden alle von ihr selbst ausgelöst. Als eigener, selbstständiger Schutzmechanismus vor den warmen Gefühlen, die dabei waren, ihre Eiswand zu durchbrechen und in ihr durchzudringen. Den warmen Gefühlen, die Ran unweigerlich in ihr auslöste, ohne überhaupt irgendetwas bewusst dafür zu tun. Ran sah ihr inneres Chaos. Die wilde Entschlossenheit, dem stillen, einsamen Leiden dieses Mädchens endlich ein Ende zu bereiten, ergriff sie. Und dazu gehörte auch, offen über dieses Leid zu sprechen. Auch, wenn es ihr schwerfallen würde. Auch, wenn sie damit womöglich viel zu viel von ihr verlangte. Auch, wenn sie damit eine unsichtbare Grenze überschritt. »… wie Akemi?« Ihre Frage war nicht mehr als ein Hauchen, doch Ai traf dieses eine Wort mit solch einer gewaltigen Wucht, dass sie Probleme bekam, sich überhaupt auf den Beinen zu halten. Akemi. Und in diesem Moment sah sie sie. Akemi. Ihre große Schwester. In Ran. Sie schreckte auf, als sie ein leises Schluchzen vernahm und drehte ihren Kopf zu Ran. Diese kämpfte mit den Tränen. Ran hatte einfach ein viel zu großes Herz. Darin hatte ausnahmslos jeder Platz. Sogar sie, obwohl sie es gar nicht verdient hatte … »Sie war ein wunderbarer Mensch. Sie hat immer sofort gespürt, wenn es mir nicht gut ging. Sie war immer für mich da. Sie … war mein Ein und Alles. Die Einzige, der ich vertraute. Nach dem Tod unserer Eltern war sie meine ganze Familie. Doch ich … ich werde niemals mehr in ihre Augen sehen können. Nie wieder werde ich die Chance haben, ihre Wärme zu spüren; ihre liebevollen Neckereien über mich ergehen zu lassen … Nie wieder.« Inzwischen hatten sich auch bei Ai die Tränen in den Augen gebildet, die ihre Wangen benetzten. Ihre zarten Schultern zitterten vor Anspannung und Aufgewühltheit. Das war das erste Mal, wo sie sich so … gehen ließ. Wo sie so offen über ihre Gefühle sprach. Über ihren Schmerz. Über ihren Kummer. Und das vor ihrer Konk– nein. Sie hatte sie noch nie als Konkurrentin gesehen. Schließlich hatte sie nie auch nur mit dem Gedanken gespielt, sich zwischen die beiden zu drängen. Denn da konnte sie nur verlieren. Daran bestand kein Zweifel. Nicht einmal der geringste. Plötzlich durchströmte sie eine weitere gigantische Woge der Wärme. So fremd, und doch so vertraut … Akemi … »Es ist in Ordnung.« Ran drückte Ai ganz nah an sich heran. »Lass es raus.« In diesem Moment brach die Mauer, die Ai seit dem Tod ihrer Schwester mühsam aufgebaut hatte. Die Mauer, die sie davor bewahrt hatte, wirklich wahrhaftig … zu trauern. Davor, sich dem Tod ihrer geliebten Schwester wirklich entgegenzustellen. Davor, ihren Tod … wirklich zu akzeptieren. All die Trauer, die sie all die Zeit versucht hatte zu verdrängen, fiel erbarmungslos wie eine gigantische Welle über sie ein. Sie verlor jeglichen Halt und wurde gnadenlos weggespült. Und doch wurde sie liebevoll aufgefangen. Von der liebsten Person dieser Welt. Von einem wahren Engel. Mit einem lauten Schluchzer krallte sie sich an Ran, drückte ihr Gesicht gegen ihr Schulterblatt und begann, hemmungslos zu weinen. »Schwester …« Leise machte Conan die Tür auf, nachdem er kurz geklopft hatte. Ran bemerkte dies und sah kurz unauffällig zu ihm hoch, schüttelte langsam ihren Kopf und bedeutete ihm, noch nicht reinzukommen – in ihren Armen weiterhin die kleine Ai tröstend undihr sanft immer wieder über den Rücken streichelnd. Conan erfasste die Situation schnell, nickte mit einem mitfühlenden Lächeln und schloss die Tür noch leiser, als er sie aufgemacht hatte. Anschließend drehte er sich um und sah wissend zum Professor hoch, der nur fragend und verständnislos dreinschaute. »Es sieht fast so aus, als würde sich Ai endlich vollkommen jemandem öffnen.« Er schloss seine Augen, doch sein warmes Lächeln auf den Lippen blieb. »Wenn nicht ihr, dann niemandem.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)