Das Mädchen, in das ich seit der siebten Klasse verliebt bin, ist Mitglied in einem geheimen Okkultclub von LaurorTheMighty ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Seitdem Inga Jungblut in der siebten Klasse zum ersten Mal den Raum des Lateinkurses betreten hatte, war ich in sie verliebt. Ihr nordischer Typ, ihr helles Haar, ihre blauen Augen, ihr freundliches Lächeln, all das zog mich sofort in ihren Bann. Ich konnte spüren, wie mein Herz für einen Moment aussetzte, als wolle es mir sagen: "Da ist sie! Dies ist die Liebe deines Lebens! Schnapp sie dir, sonst wirst du nie mehr glücklich sein!" Doch das Glück war mir nicht hold. Da sie immer pünktlich mit dem Klingeln kam und pünktlich mit dem Klingeln wieder ging, hatte ich kaum eine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen und andere gemeinsame Kurse hatten wir nicht. In den Pausen war sie immer von einer Gruppe Mädchen umgeben, die laut schnatterten und es mir unmöglich machten, auf sie zuzugehen. So verging das Schuljahr ohne dass ich es geschafft hatte, auch nur einen vernünftigen Satz mit Inga Jungblut ausgetauscht zu haben. In der achten Klasse wurde es noch schlimmer: unsere Lateinkurse wurden neu gemischt und prompt wurde Inga in einen anderen Kurs verfrachtet und mir auch diese wenigen Stunden, die ich mit ihr verbringen konnte, genommen. In der neunten Klasse dann, als alle auf die Oberstufe hinarbeiteten, sagte einer meiner Freunde zu mir: "Hey, Mann, solltest du nicht mal aufhören, dieses Jungblut-Mädchen in den Pausen immer zu beobachten? Ein paar ihrer Freundinnen haben mit mir geredet und mir gesagt, dass sie dein Verhalten echt gruselig finden. Ich mein, ich weiß, dass du auf sie stehst und alles, aber wenn du sie bloß wie ein Stalker angaffst, wird aus euch nie was werden." Ich folgte seinem Rat und vertrieb mir fortan mit meinen Kumpels die Pausenzeit, wenn ich Inga noch sah, dann zufällig auf dem Gang oder im Hof, doch angesichts dessen, was ihre Freundinnen von mir dachten, wagte ich mich nicht, länger als ein paar Sekunden hinzugucken. Das einzige, was mir auffiel, war, dass sie sich von Monat zu Monat veränderte, ihr Lächeln wurde schwächer und wich irgendwann einer ausdruckslosen Maske, ihre Haare waren nach den Weihnachtsferien mit einem Mal raspelkurz und auch schien sie kaum noch was mit ihren Freundinnen zu tun zu haben. "In letzter Zeit schwänzt sie wohl echt oft die Schule", informierte mich mein bester Freund Jonathan, der mir Anfang des Jahres die Nachricht von Ingas Freundinnen überbracht hatte. "Keiner weiß, was los ist, niemandem will sie was sagen. Auch die Lehrer machen sich schon Sorgen, früher hat sie nur Einsen geschrieben, jetzt ist ihre Versetzung gefährdet." Bis zu den Sommerferien sah ich Inga Jungblut immer seltener und als endlich die letzte Schulwoche anbrach, glaubte ich, meine Gefühle für sie nach drei Jahren überwunden zu haben. In den Ferien verbrachte ich zwei Wochen mit meiner Familie auf Korsika, die restliche Zeit traf ich mich mit Freunden zum Fußballspielen, Grillen, rumhängen am See oder zum gemeinsamen Videospiele- und Filmmarathon. Was auch immer wir taten, uns wurde nie langweilig und die Wochen vergingen wie im Flug. Als die Ferien schließlich endeten, hatte ich schon lange nicht mehr an die vermeintliche Liebe meines Lebens gedacht. "Na, bist du bereit für dein Leben als Quasierwachsener?", Jonathan schlug mir mit einer solchen Wucht auf den Rücken, dass es mir die komplette Luft aus den Lungen trieb. Er war energiegeladen wie immer und ich war schon nach zwei Sekunden von seinem Verhalten genervt. "Quasierwachsener ist gar kein Wort. Und so viel ändert sich jetzt auch nicht, nur weil wir in der Zehnten sind", gab ich zurück als wir den Hügel erklommen, auf dem unser Gymnasium stand. "Mann, Köppi, sei doch nicht immer so ernst!", tadelte Jonathan. Er wusste ganz genau, wie sehr ich den Spitznamen "Köppi" hasste, der an meinen Nachnamen Köppering angelehnt war, und verwendete ihn immer, wenn er mich ärgern wollte. "Mein Name ist Hannes", sagte ich nüchtern ohne ihn anzusehen. "Hannes Wilbor Achim Melchior Immanuel Köppi!", er kniff in meine Wangen und zog sie auseinander. "Lächel für mich!" Ich machte mir nicht die Mühe, ihn zu korrigieren, dass ich keine fünf Vornamen hatte und mein Familienname ganz sicher nicht diese Ausgeburt einer Abkürzung war. Ich befreite mich lediglich aus seinem Griff und setzte meinen Weg zur Schule fort. Jonathan und ich kannten uns seit dem Kindergarten. Wir hatten die selbe Grundschule besucht und waren auch auf dem Theodor-Fontane-Gymnasium Klassenkameraden gewesen. Er wusste alles über mich und ich wusste alles über ihn. Und obwohl wir schon ewig beste Freunde waren, hatte ich in der Regel mehrmals am Tag das Bedürfnis, ihm den Kopf abzureißen. Er hatte unbändige Locken, große braune Augen und immer ein breites Grinsen im Gesicht, das nichts trüben konnte. Er war ein Klassenclown, von der Sorte, die jeder mochte. Um seine offene Art beneidete ich ihn manchmal, denn im Gegensatz zu ihm fiel es mir oft schwer, mit anderen zu reden. Obwohl ich beinahe 1,90 Meter groß war, mit breiten Schultern und ziemlich muskulös, und (wie Jonathan zu sagen pflegte) ein "kantiges männliches Gesicht" hatte, das "die Frauen dahinschmelzen lässt", war ich eher jemand, der das Leben von außerhalb beobachtete. Manch einer würde mich vielleicht als Mitläufer bezeichnen, doch die Wahrheit war, dass ich einfach nur unnötigen Ärger vermeiden wollte. Um dies zu erreichen, war es das beste, sich aus Angelegenheiten rauszuhalten, die mich nichts angingen, und möglichst neutral zu bleiben, wenn ich doch mit reingezogen wurde. "Woran denkst du grade?", fragte Jonathan, der mich wieder eingeholt hatte. "An nichts besonderes", sagte ich und sah zum Himmel. "Heute ist gutes Wetter." "Heute ist gutes Wetter?", er hob eine Augenbraue. "Sind wir über dieses Konversationsstadium nicht schon hinaus, seitdem ich dir in der Maikäfergruppe deinen Power Ranger geklaut hab?" "Was ist falsch daran, übers Wetter zu reden?" "Nun ja... es ist nicht falsch, aber...", er kratzte sich an der Stirn. "Die Sonne scheint, es sind über zwanzig Grad und es weht eine milde Brise, das ist doch der perfekte Start in unser Leben als Quasierwachsene." Jonathan blieb stehen und sah mich ungläubig an, dann schüttelte er den Kopf und murmelte: "Du bist mir echt einer." Bevor der Unterricht beginnen konnte, wurden zunächst unsere Stundenpläne ausgeteilt. Dazu versammelte sich die ganze Zehnte Stufe in der Aula, wo unser Stufenleiter uns zuerst eine Menge über die bevorstehenden drei Jahre erzählte und uns dann dem Alphabet nach aufrief, damit wir unsere Stundenpläne abholten. Jonathans Nachname war Albrecht, somit war er einer der ersten, der aufstand. "Ich warte draußen auf dich", grinste er und trottete zum Rednerpult. Ich schätzte, dass noch etwa fünfzig Schüler vor mir dran waren und lehnte mich zurück. (Die Aula war erst wenige Jahre alt und die Sitze megabequem.) Warum musste einer nach dem anderen nach Vorne kommen? Diese Methode war viel zu zeitintensiv, hatte keinen wirklichen Sinn und brachte nur Chaos in den Saal. Ich musterte unseren Stufenleiter, Herrn Spich, er war jung und motiviert, händigte jeden Stundenplan eigenhändig aus und gab allen noch ein paar Worte mit auf den Weg. Ich war mir nicht sicher, ob ich sein Verhalten bemerkenswert oder einfach nur irritierend fand. Als er beim Buchstaben J angekommen war, raffte ich mich auf und quetschte mich an ungefähr zehnmillionen Beinpaaren vorbei, um irgendwie aus dem Gang zu kommen. Natürlich musstest du unbedingt in der Mitte sitzen, Jonathan!, dachte ich als ich erschöpft das Ende erreicht hatte. "Jungblut", sagte Herr Spich und augenblicklich fuhr mein Kopf herum. Das Mädchen, in das ich einst verliebt gewesen war und das ich in den letzten zwei Monaten fast völlig vergessen hatte, schritt erhobenen Hauptes auf unseren Stufenleiter zu. Ihr Haar war noch immer kurz, doch bedeckte es zumindest wieder ihre Stirn. Sie lächelte nicht, guckte jedoch auch nicht so grimmig wie im letzten Halbjahr. Ausdruckslos nahm sie ihren Stundenplan entgegen, wechselte ein paar Worte mit dem Lehrer und nickte ihm dann zu. Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich um und sah mir direkt in die Augen! Mein Herz setzte aus. Ich vergass, zu atmen. Ich konnte nur starren. Obwohl ich größer war als die meisten Menschen, fühlte ich mich plötzlich winzig. "Wie hätte ich dich jemals vergessen können...?", hauchte ich ohne den Blick von ihr abzuwenden. Natürlich konnte sie mich nicht hören, doch ich hätte schwören können, dass just in diesem Moment ein Lächeln über ihr Gesicht huschte. Das gleiche Lächeln, das mich bereits damals im Lateinkurs so verzaubert hatte. Dann war alles wieder vorbei, Inga Jungblut brach den Blickkontakt und hatte wenige Sekunden später die Aula verlassen. Ich fühlte mich wie vom LKW überfahren. Ich war so baff, ich nahm kaum noch wahr wie mein Name aufgerufen wurde, ich meinen Stundenplan abholte und Herr Spich mir alles gute für die Oberstufe wünschte. All das schien grade so nebensächlich! In meinem Kopf gab es nur noch Inga und ihr Lächeln. Beinahe hätte ich auch vergessen, dass Jonathan vor der Aula auf mich wartete. Als ich wortlos an ihm vorbeiging, packte er mich am Arm. "Hallo? Erde an Hannes!", er wedelte mit seinem Stundenplan vor meinem Gesicht rum. "Ah. Tschuldigung", ich sah ihn an. "Alles okay?", fragte er. "Mhhhmmmm", und wie alles okay war. "Ist das ein "Ja" oder ein "Ich bin grad auf echt krassen Drogen"?" "Ein Ja", sagte ich geistesabwesend. Kurzerhand klatschte sein Zettel in mein Gesicht. "Aua!", endlich gelang es mir wieder, mich auf ihn zu konzentrieren. "Ich hab sie gesehen." "Sie...?", wunderte sich Jonathan, dann weiteten sich seine Augen als er verstand. "Inga Jungblut." "Sie hat mich auch gesehen. Wir haben einen Blick ausgetauscht. Sie ist so großartig, wie konnte ich jemals auf die Idee kommen, dass sie doch nicht die Richtige für mich ist?", ich klang wie ein Typ aus einem Schnulzenroman und ekelte mich innerlich selbst ein wenig. Aber ich konnte nicht anders. Die Gefühle, die ich so lange auf Eis gelegt hatte, kamen grade alle wieder hoch. "Wow", staunte Jonathan. "Und ich dachte, du hättest sie endlich überwunden." "Das hab ich auch gedacht", gestand ich. "Aber sie hat eine Macht über mich! Ich kann mich ihr nicht entziehen. Und grade... hat sie mich angelächelt. Sie hat das schönste Lächeln der Welt." "Uh...", er verdrehte die Augen. "Du laberst echt widerliches Zeug, wenn du verknallt bist. Bist du dir sicher, dass sie dich angelächelt hat und nicht irgendwen in deiner Nähe? Ganz davon ab, bist du sicher, dass sie überhaupt gelächelt hat? Soweit ich weiß, hat sie genau das nämlich seit Beginn des Jahres nicht mehr gemacht." Seine Einwände prallten an mir ab wie eine Taube an einer Felswand. "Ich bin mir hundertprozentig sicher! Du wirst schon sehen, dies ist das Jahr, in dem ich mit Inga Jungblut zusammenkomme!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)