Engelstränen von xXmusic-loveXx (Ich gehöre euch) ================================================================================ Kapitel 7: ... Wie immer ... ---------------------------- Als ich am Dienstag wieder in die Schule komme, scheint alles wie immer. Eva erzählt etwas, Layla nickt nur und fügt mit ihrer viel zu tiefen Stimme einige Dinge hinzu, Christy steht daneben und weiß nicht, was sie tun soll. Den Einzigen, den ich nicht entdecken kann, ist Marcel. Ich wusste zwar schon, dass er heute nicht kommen würde, dennoch ist es sehr komisch und ungewohnt. Ich gehe in die Ecke, wo sich meine Clique immer aufhält und begrüße sie mit einem „Hi.“ „Hi“, antwortet Eva, wozu sie kurz ihre Erzählung unterbrechen muss. „Morgen“, brummt Layla und sieht mich kurz an. Einen Moment zu lang, ein Moment, der mir sagt, dass sie es weiß. Der Rest des Morgens läuft erstaunlich gut ab. Eva redet, Layla grinst dazu und ich lache. Das geht so lange, bis die Schulglocke wieder erklingt. Layla und ich laufen gemeinsam zum Klassenraum, der natürlich viel zu weit oben liegt. Wobei ich natürlich zugeben muss, dass Eva noch ärmer dran ist. Sport in der ersten Stunde zu haben ist wirklich eine Qual. Da bin ich mit Deutsch schon besser dran. Auf dem Flur ist es erstaunlich ruhig. Obwohl alle laut über irgendwelches belangloses Zeug quatschen und labern (Layla und mich eingeschlossen) herrscht über allem eine gewisse unsichtbare Ordnung. Sie fällt mir nie auf, denn Marcel zerstört sie immer. Auch im Unterricht ist es nicht besser. Marcel sitzt direkt vor mir, und er ist so riesig, dass ich mich immer recken und strecken muss um zu sehen, was auf der Tafel steht. Heute ist der Platz vor mir leer und ich kann auf die zerfledderten Hefte und Bücher und Zettel sehen, die unter seinem Tisch fast herausfallen. Als die Deutschlehrerin fragt, wo Marcel heute sei, antworte ich artig, dass er wegen Magenbeschwerden zu Hause bleiben muss. Und das ist noch nicht einmal gelogen. Layla zieht ihren Block aus ihrer Tasche und kritzelt etwas da drauf. Ich starre weiterhin nach vorne, wo die Lehrerin gerade die Anwesenheit überprüft. Layla schubst den Block zu mir rüber, sodass ich sehen kann, was sie geschrieben hat. «Du weißt, was wirklich mit ihm los ist, oder?» Ich liebe ihre direkte Art. Schnell krame ich mein Mäppchen hervor und hole meinen Bleistift raus. Dann schreibe ich zurück. «Ja. Hat er es dir erzählt?» «Ja.» «Selbstmord.» «Du warst dabei oder?» «Indirekt, er hat mir eine SMS geschickt. Mama hat sofort den Krankenwagen gerufen, als ich es ihr erzählt habe.» «Die Magenbeschwerden waren eine Lüge?» «Nee, sein Magen wurde ausgepumpt. Donnerstag oder Freitag wird er wiederkommen.» In der Klasse wird gerade irgendetwas über Väter geredet. Ich habe dieses blöde Buch noch immer nicht komplett gelesen. Layla schreibt nichts. Also kritzele ich noch schnell etwas dazu. «Tut gut zu wissen, dass ich da nicht allein bin. Ich meine, dass ich mit dir darüber reden könnte.» Layla liest, und dann schleicht sich dieses Lächeln auf ihr Gesicht. Dieses Lächeln, welches so voll von Schwermut wiegt, mir aber dennoch Mut machen soll. Sie stößt mich dabei immer leicht in die Seite, wonach ich ihr ebenfalls kurz auf die Schulter klopfe. Die Stunde geht zu Ende, die Pause beginnt. Layla und ich gehen in die Bibliothek, wo wir uns wie immer mit Eva und Christy treffen. Manchmal kommt auch Marie dazu und normalerweise sitzt Marcel in der Sitzecke. Normalerweise. Wenn er mal nicht gerade mit einer Magenvergiftung im Krankenhaus liegt. Ansonsten geschieht nichts Außergewöhnliches. Eva und Layla erzählen etwas Witziges, die Bibliothekarin sagt, dass wir zum Quatschen nicht in die Bibliothek kommen sollen, wir bleiben dennoch. „Der Tod ist schon ein armes Schwein“, grinst Eva gerade, „Manche Leute sind einfach zu blöd, um sich umzubringen.“ „Wie Marcel“, wäre es mir fast herausgerutscht. Zum Glück nur fast. Stattdessen lache ich einfach darüber. Denn wäre ich gerade nicht in einer solchen Situation, würde ich darüber auch herzlich lachen können. So wie immer. Manchmal wünschte ich mir, es wäre wie früher. … Wie früher … Auch den Rest der Woche mache ich nichts Besonderes. Es ist eine Woche wie jede andere, abgesehen davon, dass Marcel fehlt. Auch auf meine gefühlt hundert SMS antwortet er nicht. Wurde ihm verboten, mit mir Kontakt zu haben? Verstehen könnte ich es. Wenn er sich umbringen wollte, weil ich ihn hasse und weil er weg von mir soll, bin ich wahrscheinlich wirklich kein guter Einfluss für ihn. Ich muss ihn ohnehin noch mal danach fragen, was er meinte mit ‚ich soll auf eine andere Schule‘. So weit am Ende des Schuljahres macht das doch keinen Sinn? Vielleicht bezog sich das auf das nächste Schuljahr. Aber ich weiß auch nicht, ob ich wirklich viel dagegen hätte, wenn er dann weg wäre… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)