Immortal von Ami-Li ================================================================================ Prolog Es gibt Kreaturen, die ernähren sich von anderen Lebewesen... Es gibt Kreaturen, die ernähren sich nur vom Blut anderer... Es gibt Kreaturen, die die Fantasie aus unseren Köpfen saugen... Es gibt Kreaturen, die in Märchen erscheinen... ... doch... ... gibt es sie wirklich? Sind sie wirklich real? Was ist schon real? Was irreal? Reicht unsere Vorstellungskraft nicht einmal mehr soweit, dass wir uns nicht denken können, dass es so etwas wie Vampire wirklich geben könnte? Müssen alle Geschöpfe der Nacht böse sein? Sind alle Geschöpfe des Lichts gut? Wer steht in Extremsituationen auf unserer Seite? Wer ist unser Feind? Werden wir jemals die Wahrheit aufdecken können? Was ist schon real... Was irreal... Die Nacht brach herein und mit ihr alles Übel. War es aber wirklich so? War die Nacht nicht an sich etwas wunderschönes? Die Sterne, die am Firmament leuchten. Der sichelförmige Mond, der manchmal orange-golden am Himmel glänzt. Die kleinen Glühwürmchen, die am Flussufer umhertanzen, wie Federn im Wind. War denn alles nur böse? Alles nur dunkel und schwarz? Aber in dieser Nacht erblickte eine Kreatur das Licht der Welt, die niemals hätte erwachen dürfen. Nie hätte sie den Weg auf diesen friedlichen Planeten finden dürfen. Nie... Denn dieses Geschöpf schlief weder, noch brauchte es Nahrung. Oder vielleicht doch? Konnte eine Kreatur, egal wie finster, egal wie wunderbar. Konnte eine solche Kreatur überleben ohne zu fressen? Ohne zu morden? Nein, würden viele antworten, vielleicht auch alle. Doch jetzt bewies der Herr uns das Gegenteil, das absolute. Die Kreatur, die geboren wurde, war unsterblich. Sie würde auf ewig existieren, ohne dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt werden konnte. Doch... sie hatte einen Schwachpunkt. Die Aarchilisverse sozusagen. Das Geschöpf konnte nur einmal in seinem ganzen ewigen Leben wirklich richtig lieben. Wer war nun unsterblich? Die auf immer und ewig weiter existierende Seele der Menschen, der Sterblichen oder die grauenhafteste Kreatur, die je geschaffen wurde? Ging man der Wahrheit dieser Kreatur auf den Grund so entdeckte man irgendwann, nach endlosem Übersetzen und Suchen, nach endlosen Befragungen und Rätseln... Man entdeckte, dass diese Kreatur in Wahrheit etwas Heiliges war. Das Heiligste was die Welt je gesehen hatte. Ein... *** Sie öffnete langsam die Augen. Langsam... War sie immer noch im Paradies? Nein, sie meinte nicht den Garten Eden. Sie meinte auch nicht das Paradies der Hölle. Alles was für sie ein Paradies darstellte, war er. Doch ihre Liebe wurde nicht geduldet, in keinster Weise. Beide Seiten hatten sich darauf geeinigt. Es war eine Sünde, aber diese Sünde war ihr alle Qualen der Welt wert. Nie hätte jemand dieses Band zwischen ihnen durchschneiden können... Doch die Folgen sollten verheerend sein. Zögernd richtete sie sich auf. Ihre feinen Haare fielen an ihr herab. Fast weiß waren sie schon, aber das kam nicht vom Alter, nein. Es waren Engelshaare. Die schönsten, die man sich vorstellen konnte. Sie lächelte, als sie nach rechts schaute. Er, ihr Paradies, lag noch da. Schlief. Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Ihnen ging es gut, auch wenn sie in der Hölle gewesen wären. Sein leicht braungebrannter Körper bewegte sich etwas. Sie unterschieden sich in jeder Hinsicht und doch hatten die beiden so viel gemeinsam. Es kam nicht darauf an, wie man aussah, es kam darauf an, den anderen zu kennen. Zu wissen, was er im nächsten Moment sagen würde. Zu wissen, was er dachte. Zu wissen, welche kleinen Eigenarten er hatte. Das war wirklich wichtig. Das entschied alles und auch wieder nichts. Sanft fuhr sie mit ihren Fingern über den Rücken ihres Liebhabers. Er war mehr als das. Selbst Gott hätte sich vor dieser unerschütterlichen Liebe verneigt. Er hätte es noch nicht einmal gewagt sie anzufassen, sie zu bestrafen oder auseinander zubringen. Auch Satan hätte davor Respekt gehabt, aber sie wussten es nicht. Sie wussten nichts von der Liebe der beiden. Trotzdem würde sie wirklich nichts und niemand auseinander bringen können. Jedoch... Eine Strafe war unumgänglich. Nie wieder sollten sie sich treffen. Wie Wega und Altar. Nie wieder sollten sie dem anderen nahe sein können. Nie wieder den anderen berühren, küssen... Sie schüttelte den Kopf, beugte sich etwas zu ihm herunter und küsste ihn leicht auf die Stirn. Er schlug seine Augen auf. Sie waren grün. So grün wie Wiesen im Sonnenlicht. Wieder lächelte sie und fing an, leise vor sich hin zu summen. Die zarteste Stimme die jemals an ein Ohr gedrungen war, würde bald verstimmen. Der Fluch der Seiten war nahe. Man konnte es regelrecht riechen. Anfassen... Doch das bemerkten die beiden noch nicht. Zart berührte er ihre Wange. "Karui...", flüsterte er. Der Engel hörte auf zu summen und blickte seinen Gegenüber fragend an. Die Zeit verstrich. Keiner sagte etwas. Sie sahen sich nur in die Augen und konnten somit die Gedanken des anderen lesen. Sie wussten, was der andere dachte... "Ich werde dich immer beschützen. Immer bei dir bleiben.", sagte er dann. Karui nickte und legte ihre Hand auf die seine. "Ich weiß." *** In jener verhängnisvollen Nacht wurden sie getrennt. Mächte und Gewalten stiegen vom Himmel um den einen Engel, der das Schicksal der ganzen Menschheit, der ganzen Existenz entscheiden konnte, zu holen. Sie würden nicht eher aufgeben bis sie ihn, den Einen, hätten. Lebendig oder... tot... Doch konnte man ein unsterbliches Wesen töten? Wenn ja, wie? Man nahm ihm alles, was ihm lieb und teuer war, für das er sein Leben, sein Glück, seine Seele gegeben hätte. Ein zum Dämon werdender Engel... Noch grausamer als die Höllenwesen konnten eben diese Engel, diese Mächte und Gewalten sein. Niemand, wirklich niemand war grausamer als Gott selbst. Und niemand war gütiger und liebevoller als der Herr... Ein einziger Widerspruch. Doch dieses widersprüchliche ist unsere Welt. Menschen wollen leben, töten sich aber gegenseitig. Als nun die Engelschöre hinab stiegen, in das Reich, das sie sonst nie betreten hätten, da erbebte die Erde, die Luft und das Wasser. Flutwellen, Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tornados waren noch das mindeste Problem. Alle sieben Plagen, die einst über Ägypten ausbrachen, ließen sich nun auf dem blauen Planeten nieder. Hätten die Menschen Gott und die Natur von Anfang an respektiert, so wäre der Herr noch einmal gnädig gewesen und hätte nur mit aller Kraft versucht den Engel zu finden. Er hatte aber kein Mitleid mehr mit seiner missratenen Schöpfung. Auch die beiden bemerkten die Katastrophen. Tief unten... in der Höhle... in ihrer Höhle. Seidig-weiße Schlieren umgaben Karui. Zwei Sekunden später trug sie ein milchfarbenes wunderschönes Kleid, das mit silbernen Fäden durchzogen war. "Ich muss gehen. Wenn sie mich hier finden..." Schon war er an sie heran getreten und legte ihr die Hand auf den Mund. "Es ist mir egal. Ich werde jede Strafe über mich ergehen lassen, aber der Gedanke, dich verlieren zu können..." Er sprach nicht weiter sondern blickte ernst zur Tür. Sie vibrierte. "Nicht nur der Herr sucht dich... mich...", er atmete tief ein und aus, wandte sich wieder dem Engel zu, "... uns." Sie nickte. Über ihre Wangen glitten perlenartige Streifen. Sanft strich der Braungebrannte ihr über die Wange und wischte die Engelstränen weg. "Mach dir keine Sorgen. Gott liebt dich mehr als alles andere. Er kann dich nicht leiden sehe, geschweige denn töten. Er wird immer über dich wachen, genau wie ich." Er schloss seine starken Arme um den schlanken Körper. Karui lehnte sich an ihn. "Ich mache mir... nur Sorgen um dich. Was wird dein Herr mit dir machen?" Er sagte nichts, sondern breitete seine fledermausartigen Flügel aus. "Egal. Es wird Zeit, dass wir von hier verschwinden!", drängte er und löste sich schweren Herzens von seinem Engel. "Ich liebe dich, Maryuu. Hörst du? Ich werde dich immer lieben! Auch wenn ich sterben sollte, wird meine Seele immer bei dir sein, denn die kann mir keiner nehmen!", sagte Karui ernst. Maryuu wusste das. Er lächelte und küsste sie... Ein letztes Mal... Silence Gerade als die beiden zu Tür gehen wollten, wurde diese aufgestoßen. Engel, Mächte, Gewalten, Herrschaften, Fürstentümer, Cherubim, Seraphim, Throne, ja sogar Erzengel kamen herein. Hinter ihnen drängten sich die verschiedensten Arten von Dämonen und dunklen Wächtern herein. Alle hatten einen kalten Blick und starrten die zwei an. Aus Karuis Gesicht war jegliche Farbe gewichen, auch Maryuus Gesichtszüge entglitten vollkommen. Dann machten sie einen zuerst kleinen, dann größeren Gang frei und in die Höhle traten die zwei höchsten Wesen, die es gab. Teufel und Gott schritten gleichermaßen nebeneinander her. Beide schauten ihre Schützlinge ernst an. Die anderen Wesen bildeten einen Kreis um die zwei "Verräter", als der Herr des Himmels und der, der Unterwelt stehen blieben. "Ihr habt den Zorn der Götter erweckt.", grollte die Stimme des Teufels. Mutig trat Maryuu vor seine Freundin und blickte seinem Meister fest in die Augen. "Das ist mir egal! Ich liebe sie. Mein Leben ist mir nicht wichtiger. Auch habe ich keine Angst vor eurer Bestrafung! Was immer es auch ist, ich werde es auf mich nehmen!" Satan kniff die Augen zusammen. "Das mögen wahre Worte sein", mischte sich Gott ein, "aber ihr wisst, das es verboten ist und deswegen werde ich, werden wir uns eine geeignete Strafe ausdenken." "Ich war noch nie mit dir einverstanden! Jeder regelt das auf seine Weise!", bestimmte der Teufel und sah wieder den Dämon an, der vor ihm mit seinen schwarzen fledermausähnlichen Flügeln stand und ihn aus seinen grünen Augen böse anblickte. Um einen Krieg zwischen Himmel und Hölle, der in einem reinen Chaos ausgeartet wäre, zu verhindern, stimmte Gott ein, nahm den Engel auf seine Hand und blickte noch einmal auf Maryuu. "Lasst mich los, Herr!", schrie Karui. Sie versuchte sich aus dessen Griff zu befreien. Vergebens. War es denn so unmöglich, so abwegig einen Dämon zu lieben? "Wartet!", sagte Satan und grinste hämisch. "Bevor ihr verschwindet und nie mehr mein Reich betretet, soll sie noch wissen, was mit ihrem Liebsten passiert. Ich verwandle ihn in einen Defra!" Er lachte und auch seine Anhänger brachen in schallendes Gelächter aus, das sich böser nicht hätte anhören können. "Nein! Nein! Das könnt ihr nicht machen!", rief Karui aufgebracht. Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen. Alles war nur noch verschwommen um sie herum. "Bitte! Ich gebe euch meine Flügel, aber lasst ihn!", bat sie. Doch es half nichts. Der Herr brachte sie kopfschüttelnd weg. Ihm folgten die neun Engelschöre, geordnet und machten ein betretenes Gesicht. Einige kleine Engel verstanden das Schauspiel nicht. Das Tor zur Unterwelt verschloss sich wieder und Gott und seine Engel, Cherubim, Seraphim und all die anderen stiegen auf in den Himmel. Karui saß währenddessen schluchzend in der großen Hand des Herrn. Wie konnte der Teufel nur so grausam sein? Nicht einmal ihm hätte sie es zugetraut, dass er so etwas grausames tun würde. Die goldenschimmernde Pforte wurde geöffnet. Sofort verteilten sich die Chöre wieder auf ihre Positionen. Der Herr ging auf einen aus Wolken erbauten Palast zu. Die Halle schimmerte in den unendlichen Farben des Regenbogens. Alles war hell und freundlich. Er setzte Karui auf eine kleine weiße Blüte und lächelte traurig. "Du weißt, das du etwas verbotenes getan hast.", begann er. In seiner Stimme schwang tiefe Trauer mit. Der Engel nickte nur geistesabwesend. "Karui, ich möchte, dass du mir genau zuhörst und alles mitbekommst, deswegen sieh mich bitte an." Der Engel hob den Kopf. Seine Augen waren bereits rot, immer neue Tränen rannen über seine Wangen. "Sagt mir, Herr, werde ich ihn jemals wiedersehen?", wollte sie mit tränenerstickter Stimme wissen. Das mächtigste Wesen des Himmels schwieg. Es schwieg und bewegte sich keinen Millimeter. Karui hatte Angst vor seiner Antwort. Evil Die bösartigen Kreaturen des Unterreichs standen lauernd vor der Höhle. Nur noch der Meister höchstpersönlich und der Drachendämon waren drin. Jeder schubste sich gegenseitig weg, um am Eingang zu lauschen. Vergebens. Währenddessen lief der Teufel auf und ab, grinste den Dämon hämisch an, der nur da saß und ausdruckslos vor sich hin starrte. Er würde bald ein Defra werden und nichts konnte ihn dann noch retten. Natürlich war es grausam! Aber er hatte dieses Schicksal nun einmal zu tragen, ob es ihm gefiel oder nicht. "Bist du nun bereit deine Strafe an zu nehmen?", durchbrach Satan die Stille. Seine Stimme troff förmlich vor Boshaftigkeit. Er blieb stehen und stemmte die Fäuste in die Hüfte. "Und wenn nicht?", flüsterte Maryuu. Sein Meister starrte ihn entgeistert an. Der Dämon hob den Kopf, seine Augen funkelten vor Zorn. "Und wenn nicht?", wiederholte er lauter. Das Echo hallte durch die Höhle. Der Teufel schaute ihn erstaunt an. Wie konnte dieser kleine Wurm es wagen ihn, das mächtigste Wesen der Welt, ach was! Des U-N-I-V-E-R-S-U-M-S. Wie konnte er es also wagen ihn so anzuschreien? Er legte wieder sein kühles Gesicht auf, trat einen Schritt näher an den mickrigen Dämon heran und grinste. "Dann wird es für mich noch schöner!", sagte Satan und schnippte mit dem Finger. Die Erde bebte und Felsen brachen heraus wie Berge. Sie spießten Maryuu förmlich auf, doch er tat seinem Herrn nicht den Gefallen zu schreien. Blut quoll aus seinem Körper und tropfte lautlos zu Boden. Die Spitzen des Gesteins hatten sich teilweise ganz durch seinen Leib. Die riesige Gestalt bewegte sich auf ihn zu, hielt seine beiden Hände über ihn und murmelte etwas. Maryuu merkte wie er... sich veränderte. Erst schüttelte es ihn vor Kälte und Krämpfen, dann wurde ihm warm, nein richtig heiß. Er bekam Fieber und Schüttelfrost und dann dachte er jemand würde ihm seine Eingeweide herausreißen. Doch er schrie nicht. Er würde nicht einmal den Mund aufmachen und wenn er sich die Zunge abbeißen musste. Der Teufel hatte keine Zeit zu grinsen oder sich an dem schmerzverzerrtem Gesicht des Dämons zu weiden. Er konzentrierte sich nur auf seinen Sing-Sang, eine Formel, die Dämonen und andere Geschöpfe in die grauenhafteste Kreatur verwandelten, die es je gegeben hatte... In einen Defra. Ein düsterer Schimmer begann sich auf Maryuu breit zu machen. Es war als würden tausend Nadeln auf ihn einstechen, ihn mit aller Kraft auseinander reißen wollen. Immer noch nicht machte er den Mund auf. Langsam, ganz langsam veränderte sich seine Körperform. Nicht nur sichtlich... Seine Aura wurde auch total anders. Eiskalte Hände rissen ihm Stück für Stück die Flügel aus, brachen ihm die Knochen und würgten ihn eine Weile. Aus dieser Lage konnte er sich nicht mehr befreien. Er hatte schon Glück wenn er danach wieder aufstehen und halbwegs aufrecht gehen konnte. Diese "Zeremonie" sollte ewig andauern. Es forderte die ganze mentale Kraft des Satans. Nun wusste der Dämon, was es hieß in der Hölle zu leben. Doch viel schlimmer war es für ihn, dass er von seinem Engel getrennt war. Melody Karui sah auf. Der Herr lächelte milde. Ein trauriger Ausdruck machte sich in seinen Augen breit. Er trat an ein Fenster, das mit einem milchigen Schleier bedeckt war. "Antwortet Herr!", bat sie. Ihre Stimme war klar. Keine einzige Träne rann mehr über ihre lieblichen Wangen. "Das weiß ich nicht.", erwiderte Gott. Er drehte sich wieder zu dem Engel um. Sie saß da und starrte schweigend vor sich hin. Ihr weißes Gewand war so perfekt an ihren Körper angepasst. Wäre Gott nicht Gott gewesen, er hätte diesen Engel geliebt, sie geraubt und hätte sie nie wieder hergegeben. "Ist das meine Strafe?", fragte sie leise. Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. "Du weißt, dass du etwas verbotenes begangen hast.", fing er wieder an. "Aber ich möchte dir jetzt auch erklären, weshalb ich dieses Gesetz aufgestellt habe." Er seufzte leise und versuchte ein freundliches Lächeln aufzusetzen. "Satan ist grausam. Es macht ihm Spaß Menschen leiden zu sehen. Auch seine eigenen." "Seine eigenen?" "Dämonen, Engel und all die anderen Geschöpfe die in der Unterwelt oder auch hier im Himmel leben, waren einmal Menschen, Karui. Du auch. Vielleicht erinnerst du dich nicht mehr daran, aber du warst einer der ersten Menschen. Geboren von einer Mutter, die schöner nicht hätte sein können. Gezeugt von einem Vater, der mutig war wie kein zweiter." Seine Traurigkeit legte sich. Endlich konnte er jemanden all die Dinge erzählen, die ihn schon seit so langer Zeit belasteten. "Ich habe euch verboten Dämonen zu lieben, weil ich wusste was passieren würde." Er ließ sich wieder auf den Stuhl nieder und atmete tief ein. Karui schaute ihn entgeistert an. "Ja, ich wusste es, aber ich konnte es euch auch nicht sagen." Eine Weile sagte er gar nichts. "Der Teufel und ich... Wir waren einmal eine Person. Deswegen kenne ich ihn so gut. Mit der Zeit hat er sein Aussehen verändert und ich ebenfalls. Keiner von uns beiden ist das reine Böse oder das reine Gute. Jeder hat seine negativen und positiven Eigenschaften. Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß, Karui. Das müsstest du am besten wissen." "Wieso erzählt ihr mir das alles, Herr?", fragte der Engel. Er schaute seinen Gegenüber immer noch an. "Ich möchte, dass du mich... und auch ihn, verstehst." Gott lächelte wieder weise. "Du weißt, was ein Defra ist, nicht?" Karui nickte. Wieder merkte sie wie heiße brennende Tränen in ihre Augen stiegen. "Es ist ein Wesen, das immer wieder geboren wird. Das immer wieder ein nahezu ewiges Leben leben muss ohne jemals wirklich etwas zu empfinden. Eine missgestaltete Kreatur, die niemals das Tageslicht hätte erblicken dürfen und doch gibt es sie. Jedes Wesen hat ein Recht zu leben, zu existieren." Der Herr stand auf und sah noch einmal auf den Engel herab. "Deine Strafe wird sein, ein Mensch zu werden. Du wirst immer wieder wiedergeboren werden. Von nun an besitzt du eine unsterbliche Seele und hast kein Recht mehr im Himmel zu sein.", sagte er streng, streckte seine Hand aus und ballte sie zur Faust. Ein leises Glockenspiel erklang. Es war wunderschön. Karuis Flügel lösten sich langsam in kleine Lichtpunkte auf. Wider Erwarten tat es nicht weh. Ihr Gegenüber zog seine Faust zu sich zurück. Damit waren ihre Engelsflügel verschwunden und Karui fiel durch die Wolken auf die Erde. Nichts hatte Gott mehr getroffen als sein Liebstes zu verbannen. Doch er wusste, dass nicht er es war, der den Platz in ihrem Herzen eingenommen hatte. Noch während Karui fiel lächelte sie und blickte starr auf die weiße, schaumige Wolkendecke. Ihre Kleider lösten sich von ihr und Schritt für Schritt verwandelte sie sich in ein Kind zurück, in eine körperlose Form des Lebens. "Ihr habt etwas vergessen, Herr.", sagte sie noch ehe sie ankam. "Er kann nur einmal lieben und diese Liebe wird ewig dauern." Karui lächelte als sie von der Erde verschlungen wurde. Shadow Währenddessen war die Umwandlung von Maryuu abgeschlossen. Sein fast lebloser Körper lag auf dem felsigen Boden. Satan stand vor ihm und keuchte. Er wurde doch alt... Ging das überhaupt? Schließlich war er unsterblich! Oder war er das überhaupt? Er hatte es noch nie darauf ankommen lassen und hatte auch keine Lust darauf. Nur einer konnte ihm diese Frage beantworten. Der Teufel war zu stolz diesen Jemand zu fragen, geschweige denn zu ihm zu gehen. Es war nur noch eins zu tun. Dem Dämon vor ihm etwas mehr Leben zurückzugeben. Er stellte sich wieder aufrecht hin und blickte Maryuu ausdruckslos an. Sollte er ihn nicht einfach sterben lassen? Es wäre viel einfacher gewesen, aber dann kam ihm wieder die Folter, die sein "Opfer" erleiden musste, wenn er einmal zum Defra geworden war. Hämisch grinste Satan, nahm eine Hand hoch und schüttete schwarzes Pulver auf seine Handfläche. Die Substanz glitzerte etwas und roch unangenehm. Er blies es vorsichtig in Maryuus Richtung. Der staub legte sich über ihn. Der Dämon wurde von Krämpfen geschüttelt und schrie auf. Wahrscheinlich bekam er es gar nicht mit, denn seine Seele wurde tief eingeschlossen... Nach endlos scheinenden Minuten setzte sich Maryuu auf. Er wirkte geistesabwesend und starrte eine Weile nur vor sich hin. Zitternd betrachtete er seine Hände. Sie waren noch mit Blut beschmiert. Seinem Blut. Er fasste sich an die Stirn und atmete tief durch. Was hatte dieses grausame Wesen nur mit ihm gemacht?! Er war wieder voll bei Bewusstsein. Nichts drehte sich mehr, alles schien klar und deutlich vor ihm. Er war immer noch er, aber ein Teil von ihm verweilte in den finstersten Ecken seines Selbst. Satan stand vor ihm, grinste abfällig oder schaute ihn einfach nur ernst an. Die Fäuste in die Hüfte gestemmt, stand er einfach nur da. Er wusste nicht recht, was er jetzt mit diesem missratenen Dämon anstellen sollte. Maryuu war wirklich ein ekelhafter Anblick. Deformiert und so... widerlich. Ja, widerlich! Anders konnte es der Teufel nicht beschreiben. Wie auch? Das Ding vor ihm stank. Es stank erbärmlich. Es sah aus wie ein Haufen Scheiße. Ja, wirklich! Wie Scheiße! So schlimm hatte Satan es sich nun wirklich nicht vorgestellt! Maryuu richtete sich ganz auf und starrte seinen Herrn an. "Was habt ihr mit mir gemacht?", fragte er leise und tonlos. Sein Gegenüber starrte ihn einfach nur fassungslos an. Wie konnte dieser Kerl, dieses Etwas, schon wieder aufstehen? "Du bist nun ein Defra. Das war deine Strafe! Du wirst auf der Erde leben, für alle Zeit.", verkündete Satan und grinste. "Bedenke eins: Du kannst nur einmal in deinem ewigen Leben wirklich lieben. Vergiss es nicht!" Er lachte, während der Defra ihn einfach nur anstarrte. "Geh nun! Du weißt wo du hinmusst.", sagte der Teufel nach einer Weile kalt und verließ die Höhle. Maryuu schaute ihm hinterher. Eine unheimliche Leere machte sich in ihm breit. Wie konnte er bitte überleben? Ach ja, er war ja unsterblich. Ha! Wie meinte Satan das? "Nur einmal in deinem ewigen Leben wirklich lieben"? Der Dämon konnte sich keinen Reim darauf machen, aber es war ja auch egal. Er hatte alles vergessen, was vor seiner Verwandlung geschehen war. Sein Wissen über die Unterwelt und die der Menschen war noch in ihm verankert, aber sonst wusste er nichts mehr. Sein Name hallte in seinem Kopf. Eine liebliche Stimme rief immer wieder nach ihm. Aber so sehr er sie auch in dieser Höhle suchte, er fand sie nicht. Doch noch ein Wissen wurde ihm mitgegeben. Ein Wissen, dass er sicher vorher nicht hatte. Er konnte sich nun durch Schatten bewegen, durch Spiegel und durch Träume. Wie er das jedoch genau machen sollte, wusste er nicht. Aber irgendwie würde es schon klappen. Er trat neben einen großen Felsen, der einen fast ebenso großen Schatten warf. Lange Zeit stand er unschlüssig davor, streckte hin und wieder die Hand aus, um den Schatten zu berühren, zuckte aber im letzten Moment zurück. Langsam ging Maryuu näher an den Schatten, tauchte die Hand ein und bemerkte, etwas enttäuscht, das nichts geschah. Mit einem Fuß trat er direkt auf den Schatten. Nichts. Musste er erst etwas machen, um durch diese transparenten Dinge zu gehen? Ein Zauberspruch vielleicht? Bei dem Gedanken musste er leise kichern. Es war noch ein Reflex seines alten Ichs. Wieso er das machte wusste er selbst nicht, es war nur einfach lächerlich. Seufzend ließ sich der Dämon wieder zurückfallen und betrachtete die Decke. Er schloss die Augen... Lieben... Dieses Wort wollte einfach nicht aus seinem Kopf. Es ließ sich nicht vertreiben, egal wie sehr er es auch versuchte. Wieder und wieder rief diese zarte Stimme seinen Namen und jedes Mal riss er erneut die Augen auf und schaute sich um. Alles was er jedoch sah, war eine Blutlache und spitze nackte Felsen. Ein warmes Gefühl machte sich in ihm breit, wurde aber sekundenspäter wieder erstickt. Es ging einfach unter und kam so schnell auch nicht wieder. Maryuu fühlte sich durch diese Wärme einfach nur gut und wollte, dass es immer anhielt. Wo er auch suchen musste, er würde dieses Gefühl wieder finden. Noch einmal setzte er sich auf, schritt in den Schatten, diesmal ganz. Diesmal wünschte er sich nichts mehr, als durch diesen Schatten gehen zu können und sich dann dort wieder zu finden, wo dieses Gefühl, diese Wärme seinen Ursprung hatte. Langsam tauchte er ein, er merkte wie seine Füße unter ihm einfach den Halt verloren, aber er fiel nicht. Stück für Stück tauchte er in die Schwärze, die weder kalt noch warm war. Ein leichtes Kribbeln durchzog seinen Körper, aber das war auch schon alles, was er spüren konnte. Dream *Sie wachte auf einer wunderschönen Blumenwiese auf. Die Sonne schien warm auf ihr Gesicht. In der Nähe war ein Hügel auf dem ein Apfelbaum stand. Das Mädchen lag inmitten von duftenden bunten Blumen, auf denen noch der Morgentau lag. Lächelnd setzte sie sich auf. Weit und breit war niemand zu sehen, doch sie fühlte sich nicht einsam, im Gegenteil - sie genoss diese Ruhe sogar. Ein paar Schmetterlinge schwebten an ihr vorbei und plötzlich wurde der Himmel dunkel. Beunruhigt stand sie auf, schaute sich fast panisch um. Sie hatte Angst. Auch wenn sie es niemals zugeben würde. Vor ihr spielte sich eine Szene ab, die ihr so vertraut vorkam und dann doch wieder so fremd... Die Bilder zeigten eine Höhle. Ein Engel und... ein Dämon, schätzte sie. Die beiden lagen auf dem nackten Boden. Dann wurde der Stein, der den Eingang der Höhle versperrte, weggestoßen und alle möglichen Wesen traten ein. Missgebildete Kreaturen der Unterwelt, wunderschöne aus dem Himmelsreich. Die Menge teilte sich und zwei riesige Geschöpfe schritten auf die zwei Liebenden zu. Sie sprachen in einer anderen, ihr unbekannten, Sprache miteinander. Der Engel wurde weggerissen. Es war ein grausames Bild. Tränen rannen über ihre Wangen ohne dass sie wusste wieso eigentlich. Das Bild verzerrte sich. In diesem Moment drehte sie sich um. Ihre Haare wehten leicht. Erstaunt blickte sie in ein paar rote Augen, die sie genauso erstaunt anschauten. Eine deformierte Kreatur mit einer Kutte stand vor ihr und musterte das junge Mädchen genau. "Wer bist du? Ich träume doch.", sagte sie mit ihrer zarten lieblichen Stimme. Ein warmes Lächeln huschte über ihre Lippen. Ihr Gegenüber blickte sie ratlos an. "Maryuu.", knurrte er. Aber es war nicht böse gemeint, irgendwie fühlte sie das. "Maryuu.", wiederholte sie. Im Innern der Figur fing es zu kribbeln an. Immer wieder hallte dieser Name in seinem Kopf. Schon seit Jahrhunderten, wenn nicht schon seit Jahrtausenden. Genau so sprach ihn die Stimme in seinem Kopf immer aus. Seinen Namen. "Ein schöner Name. Ich heiße..." Das Mädchen stockte und trat einen Schritt näher an den fremden. Diese ganze Szene. Es war alles so vertraut. Was war nur dieses komische Gefühl? "Karui.", brummte ihr Gegenüber. Sie nickte lächelnd. "Aber woher weißt du das?", fragte sie. "Engel. Ich Dämon bin... war.", erwiderte Maryuu. Karui sah ihn verwirrt an. "Ich? Ein Engel? Nein, ich bin ein Mensch, schon mein ganzes Leben." Sie lachte. "Aber ich wäre gern dein Engel." Er sah sie eine weile schweigend an. "Wenn es dir recht ist.", fügte sie verlegen hinzu. Maryuu nickte. "Engel.", wiederholte er. Plötzlich fing Karui an zu flimmern und schaute erschrocken auf. "Ich wache wahrscheinlich auf.", seufzte sie und sah dem Fremden noch einmal in die Augen. "Kommst du mich morgen wieder besuchen?" Doch eine Antwort bekam sie nicht mehr, denn im nächsten Moment war sie schon verschwunden und Maryuu stand allein da. Er starrte geistesabwesend an die leere Stelle, wo doch noch vor wenigen Sekunden das hübsche Mädchen gestanden hatte, das einem Engel so glich.* Silver Sie starrte an die Decke. Das nervige Piepsen ihres Weckers hatte sie unsanft aus den Träumen gerissen. Es war schon ein seltsamer Traum, aber auch wieder wunderschön! Verträumt stand das Mädchen mit den hellbraunen, fast schon blonden, langen Haaren auf und zog sich summend an. Karui hatte mehr als gute Laune an diesem Morgen. Nicht einmal ihr großer Stiefbruder konnte sie heute ärgern! Noch ging sie auf die Mitsugawa Grundschule doch schon bald würde sie auf die anschließende Mittelschule gehen. Die Aufnahmeprüfungen waren bereits bestanden. Eine Woche noch, dann kam das Schulfest und dann, dann erst mal Ferien! Wie sie sich freute! Aber noch mehr fieberte sie dem Abend, der Nacht entgegen! Dann würde sie diese fremde Gestalt, die sie so faszinierte endlich wieder sehen! Trotzdem fühlte sie sich etwas schlecht... Immerhin "offenbarte" sie sich ihr als hübsche junge Frau, nicht als das kleine Mädchen, das sie eigentlich war. Karuis gute Laune konnte aber auch das nicht trüben. Sie sprang die Treppen hinunter und setzte sich an den Frühstückstisch. Ihr Stiefvater war schon längst aus dem Haus, schließlich musste er diese Woche die Studenten in die Universität lassen. Wie üblich stand ein Foto ihrer verstorbenen Schwester auf dem Tisch. Das Mädchen konnte sich nicht mehr so recht an sie erinnern, aber wahrscheinlich war das auch gut so. Ihr Vater hatte ihr oft von Keika erzählt. Sie war hübsch, gut in Hauswirtschaft und intelligent. Dafür eine Niete in jeglicher Sportart. Von ihr existierten mehr als tausend Fotos, was auch kein Wunder war, denn zusammen mit ihrer Mutter modelte sie ab und an, um für ihr Studium zu sparen. Außerdem hatte sich Keika sehr gefreut als Karui auf die Welt kam. Ständig hatte sie an deren Bett gesessen und ihr Lieder vorgesungen. Was genau mit ihrer Schwester geschehen war, wusste sie nicht. Auf dem Tisch standen drei Teller auf denen Pfannkuchen mit Sirup lagen und Orangensaft. Ihr großer Stiefbruder Raito saß bereits da und las in der Zeitung. Einer der Teller war bereits benutzt. "Morgen.", murmelte Karui. "Wo ist denn Mama?" Raito nahm die Zeitung etwas runter und schielte über den Rand. Dann zuckte er mit den Schultern. "Wie zu erwarten war, hast du vergessen, dass sie heute ein Shooting in Neapel hat und deswegen ist sie heut schon auch vor Vater aus dem Haus.", erwiderte er nebensächlich und las weiter. "Was?! Aber wieso habt ihr mich denn dann nicht geweckt?" "Haben wir ja versucht, aber wenn unser kleines Faultier so fest schläft, können wir auch nichts dafür." "Wie lange ist sie denn weg?" "Etwa zwei Wochen. Du wirst sie schon wiedersehen, jetzt mach dir mal nicht ins Hemd, sondern iss lieber." Etwas beleidigt fing Karui an in ihrem Essen herumzustochern. Sie hatte keinen Hunger. Schon einmal hatte das Mädchen einen geliebten Menschen bei einem Flugzeugabsturz verloren und ihre Mutter musste fliegen. Das beunruhigte sie. Doch diese Gedanken schüttelte sie ganz schnell wieder ab. "Du brauchst keine Angst zu haben. Ihr passiert schon nichts.", sagte ihr Stiefbruder nebenbei, legte die Zeitung weg und lächelte. "Jetzt hol aber deine Tasche, ich bring dich zur Schule." Schon sprang Karui auf und tat, was ihr Raito gesagt hatte. Als sie aus dem Haus trat stand dieser bereits vor dem Grundstück und setzte sich seinen Motorradhelm auf. Er hatte seiner Schwester den Rücken zugedreht, wusste aber genau, dass sie sich vor der Tür befand, denn er schmiss ihr, ohne sich umzudrehen, einen zweiten Helm zu. Etwas verwirrt, aber lächelnd setzte ihn das Mädchen auf und stieg zu ihrem Bruder aufs Motorrad. "Halt dich gut fest!", wies er sie noch einmal an und schon ging es los. Karui liebte es mit ihm fahren zu können. Der Wind, der mit ihren Haaren spielte, die aus dem Helm noch herausschauten. Das einfache Gefühl von Freiheit, wenn sie über die Straßen fuhren, förmlich schwebten. Vor ihrer Schule blieb er stehen, wartete bis Karui abgestiegen war und stellte sich dann neben sie. "Bald wirst du in die Mittelschule gehen, ich glaub's ja nicht!", lachte er und wuschelte seiner Schwester durch die Haare. "Im Gegensatz zu manch anderen habe ich ja auch die Aufnahmeprüfung bestanden!", gab sie neckisch zurück und lachte ebenfalls. "Du bist viel zu frech für eine Grundschülerin.", betonte er und grinste. "Außerdem war ich auch auf dieser Mittelschule, auf die Katsehara habe ich es nicht geschafft, das ist schon ein Unterschied." "Wie auch immer...", seufzte Karui und lächelte. Einige ihrer Klassenkameraden kamen gerade auf das Tor zu und winkten ihr schon. Das Mädchen wandte den Kopf zu ihrem großen Bruder. "Trotzdem danke, dass du so nett zu mir bist." Mit diesen Worten rannte sie ihren Freundinnen entgegen und umarmte diese. Raito schüttelte den Kopf, setzte seinen Helm wieder auf und fuhr zu seiner Schule. Der ganze Tag verlief eher ereignislos. Zumindest für Karui. Natürlich hatte sie ihrer besten Freundin Eiko von ihrem merkwürdigen Traum erzählt und von ihrer Angst um ihre Mutter. Diese machte ihr wieder Mut und redete ihr diesen "Unsinn", wie sie es nannte aus. Damit gab das braunhaarige Mädchen sich zufrieden. Nach Unterrichtsschluss musste Karui noch das Klassenzimmer sauber machen. Als sie fertig war schlenderte sie zum Tor. Raito stand bereits mit seinem Motorrad da und wartete auf sie. "Hm? Was machst du denn hier?", wollte sie wissen. "Vater hat gesagt, ich solle dich auch wieder abholen." Er zuckte mit den Schultern. "Außerdem habe ich etwas für dich." Der junge Mann griff in die Hosentasche und zog ein kleines dunkelblaues Döschen heraus. Er hielt es seiner Schwester vor die Nase und machte es vorsichtig auf. Darin befand sich eine silberne Kette, mit einem kleinen silbernen Amulett, das aussah wie eine Blume. Mit leuchtenden Augen betrachtete Karui es. "Das ist für mich?", hakte sie ungläubig nach. Raito nickte. "Für wen sonst? Glaubst du, ich trage so was?" Er wurde leicht rot, nahm die Kette raus, ging in die hocke, damit er ungefähr auf Karuis Augenhöhe war und legte ihr das Amulett um. Sie betrachtete es noch einmal an sich. "Ich liebe dich, Schwesterchen.", sagte er dann, küsste sie auf die Stirn und stand wieder auf. Verwirrt sah Karui ihren großen Bruder an. Was sollte das jetzt schon wieder? So etwas hatte er noch nie zu ihr gesagt! Zwar noch irritiert, aber dennoch glücklich stieg das Mädchen auf das Motorrad und setzte den Helm auf. Wieder hielt sie sich an Raito fest. Die beiden fuhren nach Hause. Karui würde heute bald schlafen gehen, das nahm sie sich fest vor... Ocean *Als sie die Augen aufschlug saß sie auf einer Klippe. Vor ihr der weite Ozean. Die Sonne ging gerade unter. Man konnte schon fast das Zischen hören, mit dem diese im Meer versank. Lächelnd blieb Karui auf dem Platz sitzen, sah sich ab und zu um. Wieder hatte sie die Gestalt einer jungen Frau angenommen. Darin fühlte sie sich einfach wohler. Es gab ihr mehr Selbstvertrauen. Lange betrachtete sie den Sonnenuntergang. Wie die Sterne langsam "angeknipst" wurden und sich immer mehr Sternbilder formen. Einige entsprangen ihrer nahezu unendlichen Fantasie, andere wiederum gab es wirklich. Leise raschelte es hinter ihr. Karui drehte sich nicht um, sondern blieb ruhig sitzen. Um sie herum blühten Blumen, die aber geschlossen waren. Die Kreatur trat etwas näher an sie heran, hielt aber immer drei Schritt Abstand. "Schön, dass du gekommen bist, Maryuu.", begrüßte sie den Defra, wandte ihm ihren Kopf zu und lächelte wieder. Er hatte immer noch diese schwarze Kutte an. Zerfetzt hing sie an seinem Leib, bedeckte aber trotzdem noch einen Großteil seines deformierten Körpers. "Hast du dir auch den Sonnenuntergang angesehen? Ich dachte, er würde dir gefallen." Ihr Gegenüber blieb regungslos stehen, zuckte ab und zu unkontrolliert mit der Hand, machte aber nichts. In ihm kämpften zwei Seelen. Die eines wilden Dämons, der nur nach Blut hungerte und die andere wollte nur erwachen. Sein sensibleres Ich siegte. "Nein.", erwiderte er nach einer Weile. "Sonnenuntergänge nicht gut." Karui drehte sich vollends um und sah ihn fragend an. Das verstand sie nicht. "Wieso? Ein Sonnenuntergang ist etwas wunderschönes! Ich hätte ihn mir gern mit dir angesehen, aber du warst nicht da." "Nein. Ich sehe... dann... den Dämon." Das Mädchen sprang von ihrem Platz und stellte sich vor das große Geschöpf hin. Vorsichtig zog sie an seiner Kutte, doch Maryuu hielt sie fest. "Nicht.", knurrte er. "Hör zu, es macht nichts, denn das ist mein Traum und in dem bist du mein Freund!", erklärte sie und schob das Stück Stoff weg. Ein hässliches Gesicht kam darunter hervor. Im zarten Mondlicht konnte sie nur die vielen Narben erkennen. Ihre Gesichtszüge waren entsetzt, aber in ihren Augen funkelte eine gewisse Traurigkeit, beinahe Mitleid. Schnell zog der Defra seine Kapuze wieder über und blickte weg. "Wer hat die das angetan? Was bist du eigentlich?", wollte sie wissen. "Du rennst nicht weg? Hast keine Angst?" Karui schüttelte den Kopf. "Ich mag dich doch nicht deines Aussehens wegen, sondern weil du der Maryuu bist, dem ich gestern zum ersten Mal begegnet bin." Er zwang sich ein Lächeln auf und setzte sich unter einen Baum. Maryuu lehnte sich gegen den Stamm, während das Mädchen vor ihm Platz nahm. "Ich bin ein Defra. Ein verbannter Dämon. Ich kann durch Schatten, Spiegel und Träume gehen. Satan höchstpersönlich hat mich geschaffen, aber ich weiß nicht wieso. Das einzige, was ich noch von meinem früheren Leben weiß, ist eine Stimme, die immer wieder meinen Namen ruft.", erzählte er und lächelte sogar ein paar Mal ungezwungen. "Maryuu? Ist das wirklich dein Name? Ich meine, wenn du dich an nichts erinnern kannst..." "Ja, das sagt die Stimme immer." Karui nickte. "Wenn du durch Schatten gehen kannst, vielleicht kannst du mich dann auch in der realen Welt besuchen! Also, da wo ich lebe, weißt du?" "Ich weiß nicht, denn diese Gabe beherrsche ich noch nicht so...", antwortete er verlegen. "Wie lange bist du schon ein Defra?" "Seit etwa... 10.000 Jahren." "Schon so lange?" "Für Unsterbliche ist das keine lange Zeit." Er lächelte wieder, was in Karui etwas komisches auslöste. Sie fühlte ein wohliges Kribbeln in der Magengegend. Auch wenn dieser Dämon, oder was auch immer er war, so hässlich und abstoßend war, so blieb er trotzdem der liebenswürdige Kerl, der in ihm steckte. "Ich mag dich wirklich. Aber... wenn du mich in meiner Welt besuchen kommst... wirst du... enttäuscht sein.", sagte sie traurig. Tränen glitzerten in ihren Augen. Maryuu stutzte. "Warum?" "Ich sehe nicht wirklich so aus. Ich bin nur ein kleines Mädchen, das einmal davon träumt die Welt zu sehen und so hübsch zu werden wie ihre große Schwester." Karui lachte bitter. "Das ist albern." "Aber du bleibst doch du." "Da hast du schon recht, aber was hat ein kleines Mädchen schon, was einem Mann gefallen könnte?" Maryuu blickte sie lange schweigend an. Die Sonne ließ sich schon am Horizont blicken und die Blumen öffneten langsam ihre Blütenblätter. Karui fing wieder an zu flimmern, wie die Nacht zuvor. Das Mädchen wachte auf und würde gleich verschwinden. Ein gleißender Stich ging durch das Herz des Defras. Was war das nur? In ihm wurde die wilde Seite vertrieben und seine eingeschlossene Seele kam zum Vorschein. Nach außen hin blieb er völlig ruhig und bewegungslos. Das Mädchen sah ihn sorgenvoll an. "Maryuu?", fragte sie leise. Endlich kam sein Bewusstsein, seine Erinnerung wieder! Er schüttelte den Kopf und konnte sich an jedes Detail aus seiner Vergangenheit erinnern! Er machte die Augen auf. Es waren wieder die dunklen mit denen er seinen Engel so oft angesehen hatte. Der Dämon erblickte ihn wieder, sein himmlisches Wesen. Doch in diesem Augenblick verschwand sie.* Love "Guten Morgen, du Schlafmütze!" Karui blickte in das freundlich lächelnde Gesicht ihres Stiefbruders. "Raito...", murmelte sie und setzte sich mit einem Ruck auf. Mit einem Mal war sie vollkommen munter. "Du Idiot! Warum musst du mich ausgerechnet jetzt aufwecken! Es ist Sonntag! Lass mich gefälligst ausschlafen!", schrie sie ihn an. Doch ihr Gegenüber ließ nicht mit sich verhandeln, sondern zerrte sie einfach aus dem Bett. "Du stehst jetzt schön auf und machst mit mir Frühstück." "Ich will aber nicht!", murrte sie, wurde aber gleich von ihrem Bruder auf die Füße gestellt. "Bitte! Du weißt doch, dass unsere Eltern heute nicht da sind und du kannst so gut Pfannkuchen machen!", bettelte er. Karui seufzte und nickte. "OK, OK! Ich komme ja schon." Raito hob sie hoch, wirbelte sie herum und setzte sie wieder vorsichtig ab. Es sah wirklich aus als wären die beiden ein Liebespaar. Raito drückte sie an sich. "Ich liebe dich, Schwesterchen!", sagte er und zerrte sie an der Hand mit sich nach unten. Immer wenn er so was sagte war Karui verwirrt. Trotzdem ließ sie sich nichts anmerken. Ihr Bruder ging gleich zum Kühlschrank, stellte ihr die Zutaten neben den Herd und verließ das Haus um die Zeitung zu holen. Wieder stand ein anderes Bild ihrer verstorbenen Schwester auf dem Tisch. Das Mädchen lächelte und setzte sich davor. "Bist du glücklich da oben, Keika? Ich bin sehr verwirrt wegen Raito. Hat er dir auch immer gesagt, dass er dich liebt? Klar! Er ist unser Bruder und ich liebe ihn ja auch. Wie einen Bruder eben..." Sie stand auf ohne das Bild auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen. "Aber ich glaube ich mache mir zu viele Gedanken, nicht wahr?" Karui drehte sich um und fing an Pfannkuchen zu machen. Schnell war das Frühstück fertig und auch ihr Bruder kam wieder. Es duftete wirklich köstlich im Haus. "Hast du gut gemacht!", lobte er sie und setzte sich. "Wann kommt Vater eigentlich wieder?", wollte Karui wissen. Raito zuckte mit den Schultern und stopfte sich einen ganzen Pfannkuchen mit Blaubeeren auf einmal in den Mund. "Keine Ahnung.", erwiderte er als er runtergeschluckt hatte. Grinsend, dass ihr Gegenüber das Essen so verschlang, stand sie auf und ging in den Flur um etwas von der Kommode zu holen. Dabei streifte ihr Blick den Spiegel. Verdutzt blieb sie stehen und starrte hinein. Eine dunkle große Gestalt näherte sich ihr... oder nein! Näherte sich dem Spiegel! Moment... das ging doch gar nicht! Oder doch? Dann schoss es ihr wie ein Blitz durch den Kopf. ,Maryuu! Wenn mein Bruder ihn hier sieht....' Weiter dachte sie gar nicht, sondern signalisierte ihrem Freund, dass er wieder gehen sollte. Etwas irritiert machte der Dämon tatsächlich das, was Karui sagte und ging. Erleichtert seufzend ging sie wieder zurück an den Tisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. Ihr Gegenüber hatte bereits aufgegessen und schaute sie interessiert an. "Was ist?" "Du bist wirklich hübsch, Karui. Fast so wie Keika.", lächelte er. Das Mädchen wurde etwas rot und aß unbeirrt weiter. "Woran merkt man eigentlich, dass man verliebt ist, Raito?", fragte sie ihn nach einer Weile. Natürlich wusste sie das auch, aber sie war sich gar nicht mehr so sicher, ob das Gefühl, dass sie empfand wirklich Liebe war. "Hm...", überlegte er. "Schwer zu sagen. Du merkst das schon. Wenn man verliebt ist, will man immer bei der Person bleiben, man hat Schmetterlinge oder Flugzeuge im Bauch und würde am liebsten die ganze Welt umarmen.", erzählte er und blickte irgendwie verträumt aus dem Fenster. So hatte ihn seine Schwester noch nie erlebt. Plötzlich drehte er den Kopf und blickte sie etwas traurig an. "Hast du dich etwa verliebt?" "Das geht dich nun wirklich nichts an! Außerdem spreche ich hier nicht von den albernen Klischees! Die kann ich auch in jeder Klatschzeitschrift lesen! Ich meine wahre Liebe!" Karui stand auf, stellte ihren Teller in die Geschirrspüle und ging in ihr Zimmer. Dieser Raito verwirrte sie immer mehr! Ein großer Bruder hatte sicher etwas "Angst", wenn die kleine Schwester den ersten Freund nach Hause brachte. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und starrte die Decke an. Es war wirklich kompliziert. Ihre Mutter und ihr Vater waren kaum zu Hause, seit Keika gestorben war und Raito verhielt sich immer seltsamer ihr gegenüber. Die Familie hatte der frühe Tod tief getroffen, aber Karui verstand ja nichts von alledem! Sie war gerade einmal 4 Jahre alt gewesen und konnte sich kaum noch an Keika erinnern! Das einzige, was sie noch wusste war, dass ihre große Schwester ihr immer vorgesungen hatte. Wie glücklich sie war, wenn sie mit Karui zusammen war. Das Mädchen stand auf und schaute in den Spiegel, in der Hoffnung den Defra wieder zu sehen. Nichts. Sie suchte jeden Schatten in ihrem Zimmer ab. Nichts. "Maryuu?", flüsterte sie. Es kam keine Antwort. "Ich wollte dich vorhin nicht wegschicken! Aber mein Bruder war da und... und wenn er dich gesehen hätte, dann hätte er dich sicher rausgeschmissen!", sagte sie mit tränenerstickter Stimme. "Ich will doch nur, dass du bei mir bist.", weinte sie. Jedoch... es kam immer noch keine Antwort. Ihr Herz tat mehr weh als je zuvor. Unschlüssig sah sie sich im Zimmer um. Konnte er jetzt nicht einfach aus einem Schatten springen und sie erschrecken und sagen, dass er immer bei ihr sein würde? Immer... In ihrem Kopf überschlug sich alles. Was ihr Herz schon längst wusste, das fand ihr Verstand erst jetzt heraus: sie liebte den Dämon. Auch wenn er abstoßend aussah und wahrscheinlich auch nicht so nett war, wie sie immer dachte. Sie liebte ihn ganz einfach. Hope Maryuu streifte durch die Dunkelheit. Wieso hatte ihn Karui weggeschickt? Er verstand ihre Worte nicht, er war sich noch nicht einmal sicher, ob sie etwas gesagt hatte. Trotzdem wusste er, was sie wollte und er tat es ohne Widerworte. Das erste Mal seit langer Zeit fühlte er etwas. Was genau das war, konnte er nicht sagen, aber es war stärker als alles andere und langsam schien auch seine Erinnerung wieder zu kommen. Was vor der Verwandlung geschah... Nur Bruchstücke kamen zurück. Er sah einen Engel, nein, nur die Umrisse eines Engels. Wer war das? Was hatte es mit diesem Geschöpf auf sich? Diese Fragen schossen ihm immer wieder durch den Kopf. Würde er bei Karui eine antwort finden? Würde sie wissen, was damals geschehen war? Konnte sie es überhaupt wissen? Einmal hatte er im Traum eines anderen Menschen ein Wort gehört. "Liebe". Das Gegenteil dazu war "Hass". All das hatte er in diesem einem Traum aufgeschnappt und noch vieles mehr. Auch konnte er sich ein ungefähres Bild von der Welt da draußen machen. Nie hatte er sich in die Menschenwelt gewagt. Er wusste selbst nicht wieso, denn er fühlte ja eigentlich nichts. Etwas tief in ihm drin hatte... wie hatte es ein junger Mann einmal genannt? Angst. Ja, vielleicht war Angst dieses Gefühl, dass einen darin hinderte etwas zu tun. Aber auch "Mut" hatte er irgendwo aufgeschnappt, wusste aber nicht genau was es bedeutete. Bisher, wenn er durch Träume wandelte, hatte ihn keiner bemerkt oder ist einfach nur durch ihn hindurch gelaufen. Das war ein komisches Gefühl. Aber Karui, sie hatte ihn bemerkt und sich mit ihm unterhalten. Auch wenn sie sagte, dass sie im wirklichen Leben eine andere Figur hätte, beziehungsweise anders aussehen würde, so hatte er sie doch erkannt. An was lag das? Gut, sie sah nicht viel anders aus. Das Mädchen war zwar etwas kleiner, aber genauso hübsch, fand Maryuu. Er hingegen war immer noch das abscheuliche Monster. Was erhoffte er sich eigentlich? Dass jemand wie Karui ihn... lieben könnte? Lieben... Das Wort kam ihm komisch vor, aber etwas in ihm, sein anderes Ich, sagte ihn, was es bedeutete. Langsam erwachte dieses andere Ich wieder. Die ganzen Gefühle und Erinnerung würden zu neuem Leben erwachen. Bald würde es passieren. Bald. Gab es Hoffnung? Dieses Wort konnte er sich auch nicht erklären. Doch immer wenn er das junge, hübsche Mädchen sah musste er daran denken. An Hoffnung. War es denn so kompliziert? Was ihm bei seinen Streifzügen durch die ewige Dunkelheit, die Traumwelt und Spiegel noch aufgefallen war, es gab keine "bösen" Kreaturen. Keine Wesen, die ihn versuchten anzugreifen, obwohl er schon öfter gehört hatte, dass es sie wirklich geben sollte und dass sie schrecklicher waren, als alles was man sich vorstellen konnte. Aber stimmte das wirklich? Oder hatten auch sie Angst? Maryuu zuckte mit den Schultern. Woher sollte er es schon wissen? Trotzdem war es ihm ganz recht so. So wie es jetzt war. Zeit, das hatte er auch einmal gehört, aber er wusste nicht damit umzugehen. Jahre vergingen manchmal wie Minuten, dann wieder wie Jahrhunderte. Es kam nur darauf an, in welcher Situation er sich befand, aber er wusste immer, wenn ein Jahr in der Menschenwelt verging. Es war ein kleines, unscheinbares Zeichen, das er auch manchmal gar nicht wahrnahm. Er hatte viele Fragen und wenn der Defra diesem wunderschönen Mädchen noch einmal begegnen würde, würde er sie all das fragen. Es war ein Plan, ein Ziel, dass er verfolgte. Rise Inzwischen waren fünf Jahre vergangen. Karui war zu einem wunderschönen jungen Mädchen herangereift. Seit sie 12 war hatte sie nichts mehr von dem Dämon gehört oder gesehen. Anfangs fiel ihr das alles sehr schwer, aber mit der Zeit geriet er bei ihr in Vergessenheit. Ihre erste große Liebe war einfach weg. Als ob er niemals existiert hätte. Obwohl die Jungs Schlange standen um mit ihr einmal auszugehen, lehnte sie jedes Mal ab. Das nicht nur, weil sie nicht wollte. Ihr großer Bruder war auch sehr eifersüchtig, was er natürlich nicht zugab. Ab und an holte Raito seine kleine Schwester immer noch mit dem Motorrad ab oder brachte sie mit demselbigen zur Schule. Auch er war sehr beliebt bei den Mädchen, blockte aber auch bei jeder ab. Dem einzigen dem Karui seit dem Ereignis mit Maryuu traute, war ihr Bruder. Sie hatte nur wenige Freunde, war aber sehr beliebt, bei Jungen wie bei Mädchen, und schrieb fast immer gute Noten. Fremden gegenüber wurde sie jedoch immer abweisender und härter. Sie galt zwar als höfliche Person, wurde aber unter Umständen schnell unhöflich, vorlaut und aggressiv. Ja, das Mädchen hatte sich verändert. Sonst immer lebenslustig, jetzt eher das Gegenteil. Trotzdem mochte sie jeder. Es war auch ein Wunder, denn meistens war Karui nett, besonnen und zuvorkommen. Ein hübsches, intelligentes, junges Mädchen mit guten Manieren eben. An diesem Tag wurde das Mädchen, mit den immer noch langen hellbraunen Haaren, wieder von seinem Bruder abgeholt. Kurz vor Schulschluss stand er schon mit seinem Motorrad da und wartete auf seine kleine Schwester. Er hatte den Helm abgenommen und ihn auf den Sattel gelegt. Mit vor der Brust verschränkten Armen und eher kaltem Blick stand Raito da und beobachtete den Ein- und Ausgang der Schule. Die Glocke läutete. Ein paar einzelne Schüler kamen heraus, dann immer mehr. Als Karui nun endlich aus der Tür trat, löste er sich von seiner eher steifen Haltung und setzte einen glücklichen, freudigen Gesichtsausdruck auf und ging ein paar Schritte auf sie zu. Auch Karuis Gesicht erhellte sich, als sie ihren Bruder sah. Zur Begrüßung umarmte sie ihn und lächelte. "Du hast mich schon lange nicht mehr von der Schule abgeholt.", stellte sie fest. Ihre Stimme klang beinahe wie die eines Engels. "Ich war ja auch ein halbes Jahr nicht da. Wie schön du geworden bist! Fast schöner wie Keika!", staunte Raito und lächelte, ohne seine Schwester loszulassen. Hätten alle es nicht besser gewusst, hätten sie gedacht, dass die beiden ein Liebespaar wären. "Ich war oft an Keikas und Mutters Grab. Die beiden fehlen mir irgendwie, obwohl ich keine der beiden richtig kannte." Das Mädchen lachte gekünstelt. Wie gerne wollte sie sich an ihre große Schwester erinnern! Nicht einmal mehr die Melodie des Liedes, dass Keika immer für sie gesungen hatte, schwirrte in ihrem Kopf herum. Es war immer so, doch mit einem Mal verschwand diese Melodie, dieses Lied aus ihrem Gedächtnis. "Hast du ihnen Lilien gebracht? Es waren ihre Lieblingsblumen.", lächelte Raito, löste sich von der Umarmung und hielt Karui einen Helm hin. Sie nickte freudig. "Ich habe sogar ein paar eingepflanzt!", verkündete sie stolz, während sie sich den Helm aufsetzte und aufs Motorrad stieg. Raito fuhr los. In weniger als 10 Minuten kamen die beiden vor dem großen Anwesen der Tachikawa Familie an. Ihrer Familie. Die beiden gingen hinein. "Wo ist Vater?", fragte Raito neugierig. "Er ist mal wieder auf einer Geschäftsreise. Seit auch noch Mutter gestorben ist, stürzt er sich förmlich in die Arbeit. Er macht sich noch kaputt, aber von mir lässt er sich ja nichts sagen." Karui zuckte mit den Schultern. "Und Hanna?" "Sie hat Urlaub. Sie wollte ihre Familie in Brasilien besuchen, das weißt du doch!" Damit waren die beiden Halbgeschwister allein im Haus. Bisher war das noch nie der Fall gewesen, denn immer war jemand da und passte auf sie auf. Aber jetzt waren sie erwachsen und konnten theoretisch tun, was sie wollten. Das Kindermädchen besuchte seine Familie, der Vater war auf Geschäftsreise. Sturmfreie Bude hieß es nun für sie. Plötzlich umarmte Raito seine Schwester zärtlich von hinten und küsste sie am Hals. Etwas erschrocken ließ Karui es sich eine Weile gefallen, riss sich dann aber von ihm los, drehte sich um und schaute ihn verwirrt an. "Was soll das? Spinnst du jetzt?", herrschte sie ihn an. Doch anstatt etwas zu erwidern, packte Raito nur ihre Hände und presste sie gegen die Wand. Er lächelte. "Nein, ich bin nur verrückt." Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. "Verrückt nach dir.", hauchte er ihr ins Ohr und küsste sie wieder am Hals. Es brannte. Karui versuchte ihn wegzudrücken. "Raito, lass mich!", schrie sie. "Was soll das? Du bist doch mein Bruder!" "Nein.", erwiderte dieser und lächelte wieder. "Ich habe herausgefunden, dass wir gar nicht verwandt sind! Jetzt kann ich dich endlich lieben, Karui, ohne etwas ungesetzliches zu tun!", schwärmte er ihr vor. Spirit "Aber du wirst für mich immer mein Bruder sein!", versuchte das Mädchen sich zu wehren, doch ihr Gegenüber war einfach stärker. Er presste sie noch weiter an die Wand. "Ich liebe dich und um nichts auf der Welt, lasse ich dich jetzt wieder gehen. Du hast auch einmal gesagt, dass du mich liebst, also beweis es mir!", forderte Raito und fing wieder an sie zu küssen. Tränen rannen ihre Wangen hinunter. "Das war nicht so gemeint und das weißt du ganz genau!" Mehr konnte sie nicht sagen, denn ihr Bruder hatte ihr einfach einen Kuss auf den Mund gedrückt und blickte in ihre Augen. Karui war still und hörte auf zu weinen. Es brachte nichts. Was jetzt mit ihr geschehen würde, könnte sie weder verhindern, noch vergessen. Ihr Geist, ihre Seele würde sterben. Je mehr sie sich ab jetzt wehrte, desto fester wurde auch Raitos Griff. Also ließ sie alles über sich ergehen. Seine Hände fuhren an ihr herunter bis zur Taille, knöpften dann ihre Bluse langsam auf und fuhren über ihren Busen. Er küsste sie auf den Bauch und zog ihr dann den Rock aus. Mit einem Ruck, hob er sie hoch und trug sie zu seinem Bett. Wie sehr er sie doch begehrte! Jetzt würde sie ihm gehören! Ihm ganz allein! Nie wieder durfte ein anderer Mann Hand an sie legen. Nie wieder. Karui lag auf dem Bett, starrte an die Decke. Heiße Tränen sammelten sich wieder in ihren Augenwinkeln, aber sie weinte nicht. In Gedanken versuchte sie sich abzulenken. Sie nahm am Rande wahr, dass Raito sich auszog und sie überall küsste, ihr den BH abstreifte und immer wieder über ihre Wange strich. Mit einem Mal erinnerte sich Karui wieder an den Defra. Sie wusste nicht, durch was sie ihre Erinnerung zurück bekam, aber jetzt war der Name wieder da. Das Bild, der angeblich abscheulichsten Kreatur, die es jemals gegeben hatte! Es war ihr Freund. Ob er ihr helfen würde? ,Maryuu!', rief sie verzweifelt in Gedanken. Immer und immer wieder. ,Hilf mir!' Doch nichts tat sich. Karui war fast am verzweifeln. Sie spürte schon Raitos steifes Glied zwischen ihren Schenkeln. Sie wollte aufstehen und wegrennen, aber sie konnte es nicht. Wohin hätte sie auch schon gehen können? Zu Freunden? Das Mädchen hatte keine. Genauso wenig wie Verwandte. Ihre einzige Hoffnung war der Dämon. "Ich liebe dich so, Karui!", hauchte ihr Raito plötzlich ins Ohr. "Du erinnerst mich an Keika! Aber sie war unerreichbar für mich! Ich war ihr leiblicher Bruder und durfte sie nicht lieben, aber dich, dich darf ich lieben, Karui!" Er beugte sich vor, küsste sie fordernd auf die Lippen in der Erwartung, dass sie seine Küsse endlich erwidern würde. Nichts. Sie lag einfach nur wie leblos da und starrte an die Decke, in Gedanken um Hilfe schreiend. Das störte ihren "Bruder" allerdings nicht weiter, denn er machte einfach weiter. Es scherte ihn nicht, was seine angebliche Schwester fühlte oder dachte. Es war ihm egal. Nun gehörte sie ihm und er konnte machen was er wollte! Der Junge hatte sein Ziel erreicht und was er besaß, das würde er so schnell nicht wieder hergeben. Fire In dem Zimmer fingen plötzlich die Schatten an sich zu bewegen und zu tanzen. Das Komische war, dass kein Licht flimmerte oder sonst etwas die Schatten dazu veranlasste so herumzuspringen. Raito bemerkte das in seinem Wahn gar nicht. Ein Donnern ertönte, aber auch das brachte den Jungen nicht aus dem Konzept. Als jedoch aus dem Schatten des Schrankes ein etwa 2 Meter großes Etwas langsam heraus trat und man es in seiner ganzen Scheußlichkeit sah, traute Raito seinen Augen nicht. Vor ihm stand ein... Dämon. Das war das Wort, dass ihm als erstes einfiel. Vor ihm stand also ein leibhaftiger Dämon, ein Schrank von einer Kreatur. Er blickte den Bruder an, mit einem regungslosen Gesicht. In Raito stieg Angst auf. Er sah erschrocken zu seiner Schwester, die keine Angst zu haben schien, sondern sich aufgerichtet hatte und die Bettdecke um ihren Körper geschlungen hatte. Dabei schaute sie dem Dämon direkt in die Augen. Sie lächelte zwar nicht, aber man sah ihr an, dass sie positiv überrascht war, diese Kreatur hier zu sehen. Langsam, fast zaghaft, wandte das ekelhafte Wesen seinen Kopf in Raitos Richtung. "Was machst du mit ihr?", ertönte die dunkle und bedrohliche Stimme der hässlichen Kreatur. Nun hatte der Junge endgültig genug. Schreiend stürmte er aus seinem Zimmer, hetzte zu seinem Motorrad und fuhr Hals über Kopf los. Wohin, das wussten sie nicht, aber Karui war erleichtert. Wie konnte er ihr nur so etwas antun? Oder besser wollte ihr das antun? Er hatte ihr Vertrauen missbraucht und ihr die Worte im Mund verdreht. Karui schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Maryuu stand da und schaute herab. Auf den Engel der da vor ihm auf dem Bett saß. Nein, Karui war kein Engel, aber er dachte es. Was könnte er jetzt noch für seine Freundin tun? "Karui? Alles in Ordnung?", fragte er nach einer Weile. Seine Stimme drang sanft an ihr Ohr und sie verstummte. Den bitteren Kloß im Hals schluckte das Mädchen tapfer hinunter und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie versuchte zu lächeln, während sie die Bettdecke krampfhaft festhielt. "Natürlich!" Maryuu kniete sich hin, damit er mit Karui auf Augenhöhe war und schaute sie an. "Wirklich?" Sie nickte heftig. Dann sah sie dem Dämon in die Augen, der wahrscheinlich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder besorgt aussah. Sie erkannte ein anderes Gesicht in ihm, konnte es aber nicht zuordnen. Das hellbraunhaarige Mädchen schüttelte den Kopf und fing wieder an zu weinen. "Nein! Es ist nichts in Ordnung! Ich habe ihm vertraut!", schluchzte sie. "Er... er ist doch mein Bruder!" Vorsichtig berührte der Defra mit seinem missgebildeten Finger ihre Wange und wischte eine Träne von ihr sanft weg. Er versuchte ihr Lächeln zu imitieren. Es sah eher wie eine misslungene Grimasse aus, aber Karui wusste, was es bedeuten sollte. "Noch ist doch nichts passiert, oder?", fragte er. Sie schwieg. Eine Weile saßen sie so da und sagten nichts. Dann legte Karui ihre Hand auf Maryuus und presste seine an ihre Wange. Sie schloss die Augen und lächelte. "Wieso kommst du erst jetzt wieder?", flüsterte sie. Ihre Stimme war nur ein Hauch, aber er verstand sie. "Ich war nicht lange weg.", erwiderte er. Dann fiel ihm die Zeitverschiebung ein. Er hatte nicht mitgekriegt, dass in der Menschenwelt inzwischen fünf Jahre vergangen waren, während er in der Dunkelheit umhergestreift war. "In der Dunkelheit hat die Zeit keine Bedeutung, weißt du? Ich habe nicht gemerkt, dass so viel vergangen ist. Du hast mich auch nicht mehr gerufen, seit du mich vorgeschickt hast.", erklärte er weiter. Das Mädchen schlug seine Augen wieder auf. Blaue, meerblaue Augen strahlten ihn an. "Ich habe viel nachgedacht.", sagte er schließlich und wollte seine Hand wegziehen, doch seine gegenüber hielt sie mit sanfter Gewalt fest. "Darf ich dich fragen?", wollte der deformierte Dämon wissen. Karui stutzte etwas, nickte dann aber. "Was ist Liebe? Ich verstehe dieses Wort nicht." Das Mädchen ließ seine Hand los, welche gleich zurücksank und legte seine auf Maryuus Brustkorb. "Da drin ist dein Herz. Wenn du eine Person liebst, dann pocht es ganz wild. Dein Bauch fängt an zu kribbeln und du denkst nur noch an die Person, die du liebst. Du würdest dein Leben für sie geben, wenn es sein müsste." Sie lächelte und beugte sich noch etwas vor. "Es gibt da was, was ich dir sagen wollte. Damals ist mir klar geworden, dass... dass ich jemanden gefunden habe, den ich sehr liebe, weißt du? Aber ich hatte Angst, weil die Person plötzlich nicht mehr da war und ich nicht wusste, ob sie wieder kommen würde." Maryuu blickte sie mit einem imitierten verdutzten Gesichtsausdruck an. "Und jetzt sitzt du vor mir!" Der Dämon stand auf und schaute mit gefühllosem Blick auf sie herab. Irgendetwas regte sich in ihm. Ein Feuer entfachte und er wurde in rotes, schimmerndes Licht gehüllt. Wie eine Aura. Etwas ängstlich beobachtete Karui die ganze Szenerie. Nun schien Maryuu zu brennen, aber er schrie nicht. Es sah eher so aus, als würde er tief in seinem Inneren mit etwas kämpfen, aber nach außen hin wirkte er so glücklich wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Plötzlich erkannte Karui in ihm einen... anderen Dämon. Wer um alles in der Welt war das? Star dance Maryuu sackte in sich zusammen und blieb regungslos liegen. Karui sprang sofort auf und hob seinen Kopf etwas an. Vorsichtig schlug sie ihm ins Gesicht. Nichts. Verzweiflung stieg in ihr auf. Jetzt, wo er endlich wieder da war, wollte sie ihn nicht gleich wieder verlieren. ,Was mach ich nur?', fragte sich das junge Mädchen und schaute sich hilflos um. Dann beugte Karui sich etwas vor und küsste den Dämon sanft auf den Mund. Sie lächelte, als er die Augen aufschlug und sie anstarrte. "Bin ich froh, dass du noch lebst.", wisperte sie. "Ich kann nicht sterben.", antwortete er nur und richtete sich wieder auf. "Ich kann mich jetzt wieder an alles erinnern. Auch an das, was vor meiner Verwandlung zum Defra passiert ist. Du hörtest damals schon auf den Namen Karui.", er lächelte, diesmal wirkte es echt und liebevoll. "Weißt du noch? Unsere Herren haben uns erwischt und wir wurden bestraft." Langsam, Schritt für Schritt kam auch Karuis Erinnerung zurück. Ihr Kopf schmerzte höllisch, aber das ignorierte sie einfach. "Ein Defra, darf nur einmal in seinem ganzen ewigen Leben lieben.", erklärte er weiter. "Für dieses kurze Leben, kann ich mich in einen Menschen verwandeln und mit der Person zusammenleben, die ich liebe." Plötzlich umhüllte ihn wieder ein rotes Licht und Sekunden später stand ein junger Mann vor ihr, mit fransigen schwarzen Haaren, grüne, leuchtend grüne Augen und mit leicht gebräunter Haut. Er lächelte. Karui starrte ihn immer noch an. "Ich habe mich für dich entschieden, Karui, mein Engel." "A...aber das kannst du nicht machen! Willst du wirklich deine eine Liebe für mich verschwenden? Es wird viel bessere geben als mich. Du könntest doch auch so glücklich sein!", versuchte sie ihn zu überreden, aber Maryuu schüttelte nur sanft den Kopf. "Lieber ein unsterbliches Leben, in dem ich dich einmal lieben durfte. Anstatt ein ewiges Leben ohne dich." Er nahm sie bei der Hand, umarmte sie liebevoll und küsste sie auf den Mund. "Solange du lebst, werde ich dich nie alleine lassen, das verspreche ich dir, Karui! Wir haben noch lange Zeit. In der Menschenwelt vergehen die Jahre nicht so schnell wie in der Zwischenwelt." Vor Freunde weinend fiel sie ihm in die Arme. "Ich habe so lange auf dich gewartet!", flüsterte sie und drückte sich fester an ihn. Stürmisch küsste sie ihn, während die beiden aus dem Zimmer gingen und sich auf Karuis Bett legten. "Danke, dass du mich vorhin gerettet hast.", sagte sie lächelnd und fuhr ihrem Gegenüber durch die Haare. Dieser grinste und fuhr ihr sanft über den Rücken. "Ich werde dich immer retten!", erwiderte er nur. Karui legte sich auf seine Brust und spielte mit seiner Hand. "Gott hat gesagt, dass wenn man seine Liebe mit jemandem teilt, so wird man beschmutzt du kommt nicht mehr in den Himmel.", erzählte sie plötzlich. "Für Engel war es schon immer verboten, aber ich bin immer noch rein." Karui schaute in seine wunderschönen grünen Augen und küsste ihn wieder. "Ich möchte nie wieder in den Himmel!" Maryuu lachte. "Aber du wirst wieder in den Himmel kommen! Irgendwann werde ich doch von da abholen und dann werden wir auf den Sternen tanzen und für immer zusammen bleiben. Ich werde diesen Fluch brechen.", sagte er entschlossen. Moon Raito schaute auf. Es war Vollmond. Die Nacht war wirklich kalt. Er schnippte mit den Fingern und schon hatte er schwarze Kleidung an. Einen dicken Pulli, eine schwarze Stoffhose und schwarze Schuhe. "Verdammt! Dieser Bengel war doch stärker als ich dachte!", raunte er. Hinter ihm, im Schatten einer Gasse tauchte ein kleines Wesen mit verräterisch blitzenden Augen auf. "Ist euer Plan fehlgeschlagen, Meister?", zischelte es. Der Junge drehte sich nur um, richtete die Hand auf das Wesen und im nächsten Moment zerfiel es zu Staub. "Nimm nie wieder dieses Wort in den Mund." Er lachte, holte eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und steckte sich eine der Stängel in den Mund. Mit seinem Zeigefinger, auf dem eine kleine Flamme erschien, zündete er sie an. Den blauen Rauch blies er gegen den Mond. "Ich kriege sie schon noch!", murmelte er und trat die Kippe aus. Dann schwang er sich auf sein Motorrad und fuhr scheinbar ziellos durch die Gegend. Es war die Nacht. Seine Nacht. Nun war die Macht der Dunkelheit am größten und er konnte sich endlich seine Probleme vom Hals schaffen. Aber zuvor musste er noch leiden. Er duldete es nicht, wenn ihm etwas weggenommen wurde und schon gleich nicht so etwas wertvolles! Vor einer großen Lagerhalle blieb die Maschine stehen und Raito stieg ab. Das Mondlicht wies ihm den Weg, aber eigentlich hätte er gar kein Licht gebraucht. Bei Dunkelheit sah er besser als bei Tageslicht! Der Junge betrat gelassen die Lagerhalle. Es roch nach verwestem Fleisch und getrocknetem Blut. Er stieg über zwei Leichen. Wächter, denen er eigenhändig den Bauch aufgeschlitzt hatte. Es machte ihm Spaß zu morden. Seit gut einem Jahr "bewohnte" er nun diesen Körper. Endlich war der Willen des Jungens, der sich Raito nannte gebrochen worden. Die Liebe zu seiner Schwester machte ihn schwach. Ein gefundenes Fressen für ihn. Auf der anderen Seite der Halle stand ein großer Stuhl, der mit Totenköpfen verziert und mit Blut beschmiert war. Aber es machte ihm nichts. Er war es schließlich gewohnt. Um ihn herum lag ein Meer von Leichen. Frauen, kleine Kinder, alte Menschen und Männer. Einigen fehlten die Gliedmaßen, andere hatten keine Köpfe mehr, wieder andere hatten weit aufgerissene Augen und zerschnittene Leiber und Gesichter. Sie waren erbarmungslos niedergemetzelt worden. Über Raitos Gesicht huschte ein böses Grinsen. Als er auf dem Stuhl saß, einen Arm auf die Lehne legte und sich mit dem anderen auf der anderen Lehne abstützte, tauchte vor ihm ein Kreis aus Feuer auf. Genau im Mondlicht, das durch ein großen Fenster herein fiel. Eine kleine Gestalt, mit schwarzer Robe kam zum Vorschein. Auf dem Rücken hatte er goldene Stickereien. Die Kapuze hing weit über das Gesicht, der Kreatur, nur die roten Augen blitzten heraus. "Ihr habt mich gerufen, Herr?", fragte es mit einer hinterlistigen Stimme. Der Junge nickte. "Was kann ich für euch tun?", wollte es weiter wissen. "Shade, auch du kannst durch Schatten gehen. Sei Maryuus Schatten! Sei der Schatten des Defras! Bewache ihn und sobald er sich von dem Engel auch nur einen Millimeter entfernt, dann berichte es mir. Versagst du, so wirst du es mit deinem Leben bezahlen!", befahl Raito und machte eine herrische Handbewegung, woraufhin sich der Dämon vor ihm förmlich auflöste. Tatsächlich tauchte er in die Schatten um seine Mission zu erfüllen. Der Tod war bei den Dämonen und anderen Kreaturen der Unterwelt noch gnädig. Jeder wusste, wozu ihr Herr und Meister fähig war. Das beste Beispiel war Maryuu... Whisper Die Sonne tauchte das Zimmer in warmes, freundliches Licht. Karui stand am Fenster und sah hinaus. Der Morgentau glitzerte und die Vögel sangen munter ihr Lied. Noch nie hatte sie so etwas erlebt. Alles war perfekt. Anders konnte sie es nicht sagen. Maryuu lag noch schlafend in ihrem Bett. Die Umwandlung hatte ihm wahrscheinlich doch mehr Energie gekostet, als er zugeben wollte. Aber das erste Mal seit langem war sie wirklich wieder glücklich. Ihr Herz pochte mit jedem Augenblick mehr. Lächelnd trat sie neben den Dämon und streichelte ihm sanft über den Rücken. Die Situation kam ihr vertraut vor. Sie lächelte als sie sich herunterbeugte und ihren Liebsten wach küsste. "Guten Morgen! Soll ich uns Frühstück machen?", fragte das Mädchen gut gelaunt. Ihr Gegenüber schlug die Augen auf und sah sie eine ganze Weile an. Dann nickte er. Langsam hievte der Dämon sich aus dem Bett und ging hinter seiner Freundin her. Schließlich kannte er sich in diesem Haus nicht aus. Karui wies ihn an, sich an den Tisch zu setzen, während sie das Essen machte, doch Maryuu umarmte sie von hinten und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. "Du brauchst mich nicht festhalten. Ich falle weder um, noch laufe ich weg.", sagte sie lächelnd. "Wenn ich dich nicht in Armen halte, denke ich nur, dass du ein Traum bist und ich wieder aufwache, aber ich will nicht aufwachen!", flüsterte er. Karui kicherte leise, ließ es sich aber gefallen. "Wir könnten heute ins Freibad gehen, was hältst du davon? Es ist so ein schöner Tag! Außerdem würde ich gern mal wieder schwimmen gehen." Ihr Gegenüber nickte, während er sich haufenweise Sandwiches in den Mund stopfte und diese mit Orangensaft hinunterspülte. Kurz darauf machten sich die beiden auf den Weg. Es war wirklich ein wunderschöner Tag. Ein leichter Wind ging, der erfrischend war und einige Wolken bedeckten den Himmel, was aber in dieser Gegend gewöhnlich war. Zum ersten Mal in ihrem Leben, genoss Karui den Wind und die Wolken. Noch nie hatte sie sich so wohl und geborgen gefühlt. Schon von weitem rochen sie die frische Meerluft., doch bevor sie sich einen Platz an dem überfüllten Strand suchen konnte, goss es in Strömen. "Dieser dumme Platzregen!", schimpfte eine Frau, packte ihr Kind am Arm und zerrte es ins nächste Auto. Etwas verdutzt beobachtete Maryuu die herumwuselnden Menschen, die vor dem Regen flüchteten. Bis auf Karui. Die stand neben ihm, grinste und küsste ihn dann plötzlich auf den Mund. "Etwas besseres hätte uns jetzt gar nicht passieren können!", rief sie fröhlich und rannte los Richtung Meer. Der Dämon schüttelte den Kopf, machte einen Schritt gerade aus und blieb abrupt stehen. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Noch nicht einmal mehr umdrehen konnte er sich. Irgend etwas war geschehen... Er hörte hinter sich etwas Flüstern. Dann lachte jemand hämisch. "Du hast schon ganz Recht, Defra.", kicherte die Kreatur mit der hinterlistigen Stimme. Eine schwarze Robe tauchte vor ihm auf, nein, ein anderer Dämon... Shade. Ein Schattenwesen. "Wärst du jetzt du selbst, könntest du mir entkommen, aber du bist schwach!", kreischte das Wesen und ging langsam auf Karui zu, die ihn noch nicht einmal bemerkte. Maryuu wollte schreien, sie warnen, aber auch seine Stimme versagte ihm den Dienst. Ein Blitz schlug vor den Zehenspitzen des Dämons mit den goldenen Stickereien am Gewand ein und kaum eine Sekunde später stand Raito vor ihm. Er grinst und sah zu Maryuu. Er richtete seine Hand auf das Mädchen, das sich gerade umdrehen wollte. Raito hielt ihre Zeit an und schritt dann gemächlich auf den Dämon zu. Nebenbei verbrannte er Shade, der mit einem Zischen zu einem Häufchen Asche wurde und sich in alle vier Himmelsrichtungen verteilte. "Lange nicht gesehen, Maryuu.", begrüßte der Junge den Defra und grinste wieder. Soul Maryuu starrte Raito an. Woher kannte Karuis Bruder ihn? Hatte sie ihm von dem Dämon erzählt? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Obwohl sie ihrem Bruder mehr vertraut hatte als irgendjemand anderem, so war sich Maryuu doch sicher, dass Raito nichts von ihm gewusst hatte. Aber wer war dann dieser Kerl, der vor ihm stand, ihn so dämlich angrinste, dass er ihm am liebsten die Zähne herausschlagen würde und zu guter Letzt auch noch aussah wie Karuis Bruder? "Du scheinst dich nicht an mich zu erinnern." Er schüttelte den Kopf und schnippte mit dem Finger. Sein Gegenüber konnte sich plötzlich wieder bewegen und fiel nach vorn. "Armer kleiner Dämon. Jetzt hast du dich verwandelt und kannst dir noch nicht einmal sicher sein, ob das Mädchen deiner Träume dich auch lieben wird!" Raito lachte lauthals los und jetzt erkannte Maryuu ihn. "Ihr wart schon immer ein schlechter Verlierer, Satan!", sagte er, stand auf und putzte sich den Dreck von den Knien als wäre nichts gewesen. "Ihr seht nicht ein, dass man Liebe nicht erzwingen kann." "Hör zu, Karui war mein! Du hast sie mir weggenommen und dafür wirst du zahlen!" "Gott hätte sie gar nicht weggegeben, denn auch er liebte sie über alles!", schrie der Dämon und blickte immer öfter zu ihr. Das Mädchen stand immer noch am Ufer. Völlig bewegungslos. "Du wirst sie nicht mehr bekommen, Maryuu! Du wirst immer der kleine Wicht bleiben, eines der grässlichsten und grauenhaftesten Geschöpfe dieser Welt! Ich werde sie unrein machen und als gefallenen Engel in mein Reich nehmen! Wenn der Alte das nicht zu lässt, dann werde ich ihre Seele auslöschen.", erklärte der Teufel ruhig. Er schüttelte den Kopf. "Diesen Körper brauche ich nicht mehr. Da du jetzt sowieso schon weißt wer ich bin." Ein gleißendes Licht umhüllte ihn und einige Augenblicke später stand Satan in voller Größe vor ihm. Maryuu wich keinen Schritt zurück, sondern überlegte wie er diesen Koloss vor sich, besiegen konnte. Mit einem Mal teilten sich die Wolken, die Sonne schien hindurch und Tausende von Engeln stiegen herab. Alle neun Chöre. Dann erschien eine Gestalt, die so wunderschön, aber gleichzeitig auch so alt wie die Welt aussah. Sie blickte den Teufel direkt in die Augen. "Dass ich dich hier treffen würde, habe ich befürchtet.", sprach der Herr. Sein Gegenüber machte ein abfälliges Geräusch. "Ich kann leider nicht über deine Geschöpfe bestimmen, aber über meines. Du wirst den reinsten Engel, der jemals diese Welt betreten hat nicht entweihen." Im Augenwinkel sah der Dämon, dass Karui sich wieder bewegen konnte und die großen Kreaturen anschaute. Dann fiel ihr Blick auf Maryuu und sie rannte auf ihn zu. Das Mädchen fiel ihm um den Hals und hielt ihn so fest sie nur konnte. "Was ist los?", wollte sie wissen. Ihr Freund lächelte sie an. "Du musst dich wieder erinnern, Karui.", erwiderte er nur und küsste sie lange auf den Mund. Bilder über Bilder, Erinnerungen und Gefühle schossen ihr durch den Kopf. Tränen rannen über ihre Wangen. Mit jedem Augenblick mehr. Ihre ganze Vergangenheit war in ihr Gedächtnis zurückgekehrt. Auch die schönen Dinge. Die Zeit, die sie im Himmel verbracht hatte, die Zeit mit Maryuu. Aber auch, als sie zurückgeholt wurde. Es gab nicht nur schöne Dinge im Leben. Man musste auch mit Rückschlägen fertig werden. Das Mädchen lächelte. "Auf jeden Tag folgt ein neuer Sonnenschein.", sagte sie und drehte sich zu dem Teufel um, der sie einfach nur entgeistert anstarrte. Auch der Herr und die Engelschöre blickten sie verwirrt an. "Jede Seele ist unsterblich.", flüsterte sie und ging einen Schritt auf Satan zu. Brave Der Teufel kam wieder zur Besinnung und schüttelte den Kopf. Er blickte finster grinsend auf den Engel herunter. Was hatte dieses mickrige Wesen nur vor? Eigentlich war es ihm egal, denn er könnte Karui einfach so zerquetschen. Innerlich lachte er über seinen vermeintlichen Sieg. Er hatte ihr weh getan. Mehr als das, er hatte ihr ihre ganze Familie genommen und den, den ihre Seele geliebt hatte und immer lieben würde, Maryuu. Die Zeit stand still für die gewöhnlichen Menschen. Aber Karui war kein gewöhnlicher Mensch. In ihrem Blick lag eine solche Entschlossenheit, dass der Teufel schlucken musste. Dennoch ließ er sich nichts anmerken. Ja, er hatte auch etwas für den Engel empfunden, der angeblich das reinste Wesen war, dass jemals das Licht, oder die Dunkelheit wie man es nahm, erblickt hatte. Auch er wollte dieses Geschöpf für sich haben. Was hätte er alles mit ihr machen können? Die Welt, nein das Universum, wären ihm zu Füßen gelegen. Er hätte geherrscht und nur das war es, was zählte. Aber war es wirklich nur dieser Grund? Aus Rache und auch Eifersucht, was Satan sich aber nicht eingestehen wollte, erschuf er das grässlichste Wesen, dass jemals einen Fuß auf den Erdboden der Dimensionen setzte. Den Defra. "Was willst du mir schon anhaben können, Engel?", grölte der Teufel und stemmte die Fäuste in die Hüfte um bedrohlicher und siegessicherer zu wirken. Doch Karui ließ sich dadurch nicht beirren. Sie hatte immer noch ihr friedliches Lächeln auf den Lippen. Ein verblüffter Maryuu und ein ebenso erstaunter Gott starrten sie an, ohne sich irgendwie bewegen zu können. Was hatte sie nur vor? "Ich will nicht mit dir kämpfen. Ich hasse das! Ich will nicht mehr so leben wie ich jetzt lebe. Mein größter Wunsch ist, dass alle glücklich sind. Wieso können wir nicht in Frieden leben?" Das klang kitschig und doch tat es die erhoffte Wirkung. Ihr Gegenüber starrte sie unsicher an, ließ dann die Arme herab sinken und dachte über die Worte nach, die sie gerade gesagt hatte. Er schüttelte den Kopf und setzte wieder seinen finsteren Blick auf. "Weil ihr gegen ein Gesetz verstoßen habt! Ich habe nie den Himmel angegriffen und umgekehrt war es genauso! Du siehst also, wir leben in Frieden!", schallte es zurück. Doch der Engel ließ sich nicht unterkriegen. "Warum darf ich ihn dann nicht lieben?" Sie deutete auf Maryuu. "Ist es denn so widerwärtig, wenn sich ein Engel und ein Dämon lieben? Was ist daran so schlimm? Sagt es mir!" Einen Moment herrschte absolute Stille. Sie hatte wirklich recht. Was war so schlimm daran? "Ich wollte euch Ärger ersparen.", mischte sich der Herr ein. "Alles, was ich wollte, war, dass ihr glücklich seid. Aber leider gelang mir das nicht. Ich kannte ihn.", fuhr er mit einem bösen Blick auf sein Gegenstück fort. "Von jeher wurden Dämonen und Engel nun mal getrennt. Wo hätten sie schon leben sollen? Die Menschenwelt war überfüllt und ein Dämon durfte das Himmelsreich nicht betreten, umgekehrt war es genauso der Fall. Was hätten wir schon tun können?" Plötzlich bebte die Erde und heraus kamen die verschiedensten Kreaturen der Unterwelt. Sie gesellten sich zu ihrem Herrn und nun standen zwei Heere gegenüber. Der Krieg würde bald ausbrechen, wenn sie nichts unternehmen würden. All das nur weil sich ein Dämon und ein Engel liebten?! Das wollte Karui einfach nicht glauben. Sie raffte ihren ganzen Mut zusammen und breitete ihre Flügel weit aus. Elegance Auch Maryuu war wieder zu Bewusstsein gekommen und erhob sich mit seiner Geliebten. Sie schwebten vor den Herrn auf Augenhöhe. Fest schauten die beiden ihre Gegenüber an. Eine unheimliche Atmosphäre machte sich breit, die Spannung in der Luft konnte man fast anfassen. Es war schon immer so. Irgendwann würde der Krieg ausbrechen und alles ins Verderben reißen. Wozu gab es Engel und Dämonen eigentlich? Waren sie nur dafür geschaffen worden zu kämpfen? Zu sterben? War das ihre Bestimmung? Ihr Schicksal? Wenn es so wäre, wieso wurden sie dann überhaupt erschaffen? Zart strichen Karuis Hände über die ihres Geliebten. Sie hielten sich fest und lächelten. "Wir werden es schaffen.", flüsterte Maryuu und drehte sich um. Er umarmte seinen Engel von hinten. "Ich werde diesen Kampf verhindern, damit Frieden herrscht.", wisperte er ihr ins Ohr und stürzte sich dann auf den Teufel. Dieser war so überrascht, dass er den Angriff nicht abwehren konnte und prompt einen Feuerball ins Gesicht bekam. Doch seine Untertanen hatten besser aufgepasst und griffen mit vereinten Kräften Maryuu an. Dieser wusste sich zu verteidigen, aber es waren einfach zu viele. Karui schaute dem ganzen Schauspiel entsetzt zu. Dann wandte sie sich an Gott. "Herr! Ich bitte euch! So tut doch etwas! Er stirbt sonst noch!", flehte sie ihn an. Doch der Herr schüttelte den Kopf und auch die Engel und Erzengel, Seraphim und Cherubim, Throne und Mächte, Herrschaften, Gewalten und Fürstentümer blickten betreten drein. Ihnen waren die Hände gebunden. "Es tut mir Leid, Karui. Aber wir dürfen und können uns nicht einmischen. Zu viel steht auf dem Spiel. So gerne es alle möchten, aber es geht nicht." Tränen, heiße Tränen liefen über ihre Wangen. Das konnte doch nicht sein Ende sein, oder doch?! ,Als Defra hat er mir seine einzige Liebe geschenkt und jetzt riskiert er seine Existenz... Nur wegen mir.' Der Engel schüttelte zaghaft den Kopf. Was konnte man schon als reinstes Wesen tun um den Geliebten zu helfen? War man denn wirklich machtlos, wenn der den man liebte, vor einem brutal abgeschlachtet wurde? Ja, so konnte man es sagen, brutal abgeschlachtet. Damit untertrieb sie vielleicht noch. Tausende von kleinen Nadeln und Stacheln bohrten sich durch Maryuus Haut. Er blutete aus zahlreichen Wunden und schon bald... bald würde er ganz verschwinden. Dieser Gedanke trieb Karui nur noch mehr Tränen in die Augen, die bereits ihre ganzen Wangen benetzten. Was konnte sie schon machen? Nie hatte man ihr das Kämpfen gelehrt oder andere Dinge zur Verteidigung. Wie sollte sie ihm helfen, wenn sie noch nicht mal sich selbst zu helfen wusste? "Hört endlich auf! Lasst ihn in Ruhe!", schrie sie und flog ohne Nachzudenken auf Maryuu zu, der ihr seinen Kopf zuwandte und lächelte. Dann wurde sein Ausdruck aber wieder ernst und er schüttelte seinen Kopf. Karui stellte sich verteidigend vor ihn hin und schaute die anderen Dämonen böse an. Die wichen einen Schritt vor ihr zurück und knurrten böse. Sie waren verwirrt. Einen Engel anzugreifen würde bedeuten den ganzen Zorn des Himmels zu spüren zu bekommen. Karui drehte sich zu Maryuu um und schloss diesen fest in ihre Arme. "Ich werde dich nicht im Stich lassen, niemals. Wir werden gemeinsam kämpfen und alles wird gut werden.", flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. Langsam ließen die Kräfte des Dämons mit den schwarzen Flügeln nach. Das einzige was ihm jetzt helfen konnte war Energie. Zum Glück wurde dem Engel wenigstens etwas beigebracht. Zärtlich nahm sie sein Gesicht zwischen ihre schmalen Finger und küsste ihn innig. Dabei strömte etwas von ihrer Lebensenergie auf ihn über. Die beiden fingen an zu schweben. Ganz elegant hielten sie sich in der Luft, von einem wunderschönen, sanftem Licht umgeben. "Das ist die wahre...", begann Gott stockte aber. Er weinte vor Freude. Noch nie hatte er so etwas schönes gesehen und auch die anderen, seien es Kreaturen der Unterwelt oder des Himmels, schauten die beiden Liebenden an und erfreuten sich sichtlich an deren Wärme. Auch Satan persönlich wurde von dem Anblick eingenommen. Light Das Licht breitete sich über die ganze Welt aus, es übersprang die Brücken der Dimensionen und umhüllte alles. Jeder der darin "eingeschlossen" war, fühlte eine tiefe innere Zufriedenheit. Schritt für Schritt verblasste es jedoch wieder und in seinem Mittelpunkt schwebten immer noch Karui und Maryuu, die sich in den Armen hielten. Sie lächelten sich gegenseitig an. War es nun überstanden? Hatten sie nun der Welt Frieden gebracht? War ihr Ziel erreicht? Alle blickten gebannt auf den Teufel. Seine Untertanen wollten und würden nicht mehr kämpfen, dass sah man ihnen an. Der Herr der Unterwelt sah auf. Er starrte noch eine Weile böse in die grauen Wolken. "Ihr seid... wirklich außergewöhnlich.", sagte er dann. "Etwas so wundervolles habe ich noch nie gesehen und ich existiere seit es das Licht gibt. Denn jeder Schatten braucht Licht und umgekehrt." Er seufzte. "Ich weiß nicht wie ihr es geschafft habt, mein Herz zu erwärmen, aber wisst, ich werde euch nicht mehr im Wege stehen. Der Fluch ist von dir genommen, Maryuu. Auf dass ihr beide ewig dieses Licht in euch führen werdet." Satan machte eine Handbewegung, die seinen Untertanen bedeuten sollte, dass sie sich zurückziehen sollten. Auch die Engelschöre stiegen auf gen Himmel. Jetzt waren sie allein. Maryuu, Karui, der Herr und der Teufel. "Ich werde immer ein Schatten sein. Wo es Böses gibt, da bin ich nicht weit. Aber auch ich werde den Frieden zwischen den Welten wahren und ihn nicht mehr bedrohen. Nichts was ich getan habe, tut mir auch nur im entferntesten Leid und nichts werde ich ungeschehen machen können. Die Vergangenheit wurde versiegelt und die Zukunft wird soeben geschrieben." Mit diesen Worten wandte er sich ab. Vor ihm tat sich ein großes Loch auf und er stieg hinab in die Hölle, seine Heimat, auf seinen Thron. Die Erde schloss sich hinter ihm. "Was ist jetzt?", wollte Karui wissen. "Er hat Worte gesprochen, die niemals hätten fallen dürfen.", erwiderte Gott, lächelte aber. "Ihr habt das Unheil abgewendet im sprichwörtlich letzten Moment, aber seid euch eurer Sache nicht zu sicher. Er wird immer wieder versuchen die Erde in seine Gewalt zu bringen, aber der Frieden wird dennoch bleiben." Die Wolken spalteten sich und die Sonne kam zum Vorschein. Die Zeit ging wieder ihren gewohnten Lauf. Karui und Maryuus Flügel verschwanden und sie wurden wieder zu normalen Menschen. "Wie...", stotterte Maryuu. "Ihr seid jetzt wieder Menschen, mit einer normalen Seele. Fangt von vorne an! Lebt euer Leben und eure zukünftigen. Ihr werdet euch immer wieder finden, denn ihr liebt euch. Vergesst nie, was ihr einander bedeutet und alles wird gut." Damit wandte sich der Herr vollends ab und schwebte langsam zurück in sein Reich. "Wartet! Was ist mit meiner Familie? Mit Raito, Keika, Vater und Mutter?", rief Karui ihm beinahe verzweifelt nach. "Was geschehen ist, ist geschehen, keiner kann es ungeschehen machen.", antwortete Gott nur, bevor er verschwand. Die Vögel zwitscherten und das Wasser umspülte ihre Füße. "Soll das heißen, dass Raito auch tot ist? Genau wie Mutter und Keika?" Wieder sammelten sich Tränen in Karuis Augenwinkeln. Maryuu nahm sie in den Arm und küsste sie behutsam auf die Stirn. "Du musst damit leben, aber das nächste Mal lassen wir es nicht mehr zu.", sagte er und küsste sie auf den Mund. Ending Die Erde war dank Karui und Maryuu nun also wieder in Sicherheit. Aber für wie lange noch? War das alles wirklich schon das Ende? Fragen über Fragen warfen sich auf. Aber das Leben endet nie, also wird auch der Tod ewig existieren. Aber solang man seine Liebe bewahrt, wird alles gut werden. Zumindest für unseren Engel und unseren Dämon. Oder etwa nicht? Es gibt Kreaturen, die ernähren sich von anderen Lebewesen... Es gibt Kreaturen, die ernähren sich nur vom Blut anderer... Es gibt Kreaturen, die die Fantasie aus unseren Köpfen saugen... Es gibt Kreaturen, die in Märchen erscheinen... ... doch... ... gibt es sie wirklich? Sind sie wirklich real? Was ist schon real? Was irreal? Reicht unsere Vorstellungskraft nicht einmal mehr soweit, dass wir uns nicht denken können, dass es so etwas wie Vampire wirklich geben könnte? Müssen alle Geschöpfe der Nacht böse sein? Sind alle Geschöpfe des Lichts gut? Wer steht in Extremsituationen auf unserer Seite? Wer ist unser Feind? Werden wir jemals die Wahrheit aufdecken können? Was ist schon real... Was irreal... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)