Die geheime Seite von Luci-Maus ================================================================================ Kapitel 1: Die geheime Seite ---------------------------- Mitten in der Nacht lag Kaito auf seinem Bett und lass zum gefühlten hundertsten und wahrhaftigen zwanzigsten Mal sein Lieblingsbuch. Gleich nach dem er es geschenkt bekommen und die erste Seite aufgeschlagen hatte, konnte er es nicht mehr aus der Hand legen und las täglich darin. Kaum hatte er es durchgelesen, begann er am darauffolgenden Tag neu damit, war so fasziniert von der darin beschriebenen Fantasiewelt und den vielen verschiedenen Bewohnern. Noch dazu entdeckte er jedes Mal ein neues Detail, das er zuvor zwar gelesen, aber nicht so direkt wahrgenommen hatte, beispielsweise die Farbe eines Umhanges, die Süßigkeit, die ein Charakter besonders gerne aß… bestimmte Gefühle… kleine, aber feine Bemerkungen des Erzählers, die einem das Gesamtbild einer Person ganz anders erscheinen ließen, als beim ersten Lesen. Auf dem Bauch liegend und beinahe gänzlich von seiner Bettdecke zugedeckt lag Kaito in dieser Nacht auf seinem Bett und las sein geliebtes Buch also zum zwanzigsten Mal, jedoch sollte er dieses Mal eine ganz andere Kleinigkeit entdecken, als eine Kleidungsfarbe oder Lieblingssüßigkeit. Leicht runzelte er die Stirn, als er von der hundertsechsten Seite auf die hundertsiebte blättern wollte und dabei bemerkte, dass er zwei Seiten in der Hand hielt. Die Seitenzahl aber war korrekt, wie also konnte er zwei Seiten in der Hand halten, wenn es nur eine sein dürfte? Neugierig nahm er die andere Hand zur Hilfe und löste die beiden Seiten voneinander, ging dabei ganz behutsam vor, denn sie schienen sich nur schwer voneinander lösen zu wollen… verständlich, wo es ja nur eine Seite sein sollte, fand Kaito. „Geschafft…“ Die Seiten waren getrennt und das Buch lag aufgeschlagen vor ihm, jedoch waren dort keine versteckten Zeilen, keine Widmung, die erst jetzt zum Vorschein kam oder ein verstecktes Bild, nichts was er erwartet hatte zeigte sich, nur zwei weiße Seiten. Womöglich hatte sich das Papier nur in zwei Schichten aufgeteilt? Gab es gar keine geheime Seite? „Wie schade“, seufzte der kleine blonde Brillenträger gerade, als die Seiten zu leuchten begannen. Es fing mit einem leichten Glitzern an, das sich zu einem gleißenden Licht wandelte und ihn förmlich zu verschlucken schien. Kaito setzte sich auf, wobei ihm die Bettdecke über die Schultern runter glitt und er sich die Arme vors Gesicht hielt, sich vor dem Licht schützen wollte. Seine Augen kniff er fest zusammen und öffnete sie erst wieder, als es urplötzlich dunkel wurde, genauso urplötzlich wie es zuvor hell geworden war. Vorsichtig nahm er die Arme wieder runter und blinzelte, traute seinen Augen abermals nicht. Er war nicht mehr in seinem Zimmer, saß nicht mehr auf seinem Bett und vor ihm lag auch nicht mehr sein geliebtes Buch. Nein, er war alleine auf einer kleinen Lichtung im Wald. Es war noch Nacht, zumindest hatte sich dies nicht geändert, doch wie war er nur nach draußen gekommen? Und wo war dieses „Draußen“ denn nur genau? Er konnte sich nicht erinnern, dass ihr Haus im Wald war und einen Garten mit Bäumen hatten sie auch nicht, auch nicht hunderte von Glühwürmchen, die durch die ganze Luft schwebten und eine traumhafte Atmosphäre erzeugten wie dies nun direkt um ihn herum der Fall war. Verwirrt, aber gleichsam überwältigt von seiner Neugierde erhob sich der Sechzehnjährige und sah sich um, drehte sich dabei einmal um die eigene Achse. „Alle Häuser und Straßen sind weg, nirgendwo eine Menschenseele“, stellte er leise für sich selbst fest und musterte dann die Bäume um sich herum. Zunächst stand er vor einem Kirschbaum voller herrlicher, zartrosa Blüten… aber Moment, da hingen auch Äpfel und Birnen dran! „D… das geht doch gar nicht“, brach es Kaito heraus, bevor er sich dem nächsten Baum zuwandte. Schöne weiße Apfelblüten prangten daran, allerdings auch… nein, keine Kirschen oder Birnen, schon gar keine Äpfel, sondern runde, saftige Pflaumen! Der nächste Baum hing voller Pfirsiche, trug aber ebenfalls eine falsche Blütenpracht, nämlich Pflaumenblüten. Desto weiter sich Kaito vorwagte, desto wildere Kreationen von Blüten und Früchten fand er vor, wobei er ganz vergaß sich über das wesentliche zu wundern, warum ein Baum überhaupt blühte und gleichzeitig bereits reife Früchte trug. Bei einigen konnte er nicht einmal die Obstsorte hinter den Blüten ausmachen, da er nur die üblichsten Früchteblüten erkennen konnte. Er hatte sich noch nie übermäßig für Botanik interessiert, wenn er ehrlich war. Dafür steckte er seine Nase eben nur zu gerne in Bücher und las von den traumhaften Reisen der Protagonisten, konnte sich vorstellen ein Gefährte dessen zu sein und alles direkt mitzuerleben. So vertieft wie der Junge war, merkte er erst wie weit er gelaufen war, als er vor einem seichten, aber doch recht breiten Fluss Halt machen musste. „Und jetzt?“, fragte er sich selbst und blickte sich suchend nach einer Brücke oder zumindest ein paar Steinen um, die ihn trocken über das Wasser führen könnten. Noch bevor er jedoch etwas entdecken konnte, erklang eine leise Melodie. Sie erinnerte ihn an eine kleine Spieluhr, die ihm mal als Kind geschenkt worden war. Es war eine feine Melodie, die genau zu diesem wundersamen, von Glühwürmchen beseelten Ort passte. „Weißt du nicht wie du hinüber kommen sollst“, wurde er schließlich von einer zarten Stimme in seinem Rücken gefragt, woraufhin er sich hastig umdrehte und dabei einen mehr oder weniger eleganten Sturz auf seinen Allerwertesten hinlegte. „W… wer ist da?“, fragte Kaito verdutzt, als auch schon eine Gestalt aus dem Schatten eines Baumes ins Licht des Mondes trat. Es war ein Junge wie er und auch wieder nicht. Er schien ungefähr im gleichen Alter zu sein wie der Brillenträger, hatte rotbraune Augen und lange hellblaue Haare, die er im Nacken zu einem lockeren Zopf gebunden hatte. Dazu trug er ein traditionelles Gewand, eine Art Kimono mit dunkelblauem Stoffgürtel und einer Perlenkette, die Kaito im Halbdunkel nur ein wenig aufblitzen sah. An seiner Hüfte trug er etwas Langes, das… nein… doch, es schien ein Schwert zu sein, ein Katana. Doch das Seltsamste war, dass er kuschelige hellbraune Katzenohren hatte. Kuschelig, weil sie einfach so wirkten… ob sie wirklich echt waren? Die Neugierde übermannte ihn mal wieder und so ging Kaito ganz unvorsichtig auf den Katzenjungen zu und streckte die rechte Hand vorsichtig nach den hübschen Ohren aus, die ihn so faszinierten. „Hey, das ist aber unhöflich, du hast dich noch nicht mal vorgestellt“, protestierte sein Gegenüber jedoch kurz bevor er sie berühren konnte und wackelte mit den Ohren, legte sie dann etwas an, damit Kaito sie nicht anfassen konnte. „Die sind ja wirklich echt!“ „Sicher, was hast du denn gedacht? Ich bin immerhin ein Neko“, schmollte der Blauhaarige nun erst so richtig und verschränkte die Arme vor der Brust, während nun auch ein puscheliger Katzenschwanz hinter ihm zum Vorschein kam, der ebenso hellbraun, wie das Fell an den Öhrchen war. „E… entschuldigung. Ich habe noch nie einen Katzen… einen Neko gesehen… nicht in echt. Ich habe von solchen Wesen gelesen, aber die gibt es doch nicht wirklich!“ „Ach nein? Und was bin dann ich? Ein Fabelwesen?“, fauchte der Neko und machte ein finsteres Gesicht, dass zu seiner doch recht feinen, schlanken Gestalt so gar nicht passen wollte. Außerdem legte er die Ohren nun wohl eher aus Bockigkeit an und nicht mehr, um Kaito daran zu hindern sie einfach zu berühren. „Dann brauchst du wohl doch keine Hilfe, um über den Fluss zu kommen“, murrte er und wandte sich schon zum Gehen um, woraufhin der Blonde rief: „Nein, warte bitte!“ Er wollte ihn aufhalten und griff nach ihm, erwischte jedoch in seiner Panik den Schwanz des Jungen und löste damit nichts Gutes aus. Schon in dem Moment, als er das weiche Fell spürte, wusste er genau, dass er Mist gebaut hatte, denn welche Katze ließ sich denn bitte gerne am Schwanz packen? Richtig: keine! „Was fällt dir ein?!“, fauchte der Neko auch sofort und drehte sich ruckartig zu Kaito um, entwand ihm seinen Schwanz und sprang ihn dafür mit ausgefahrenen Krallen geradewegs an, so dass sie gemeinsam zu Boden fielen. Wütend schaute der Langhaarige seinen Peiniger in die Augen, während er dessen Schultern fest auf den Boden pinnte und wie wild grollte. „Soll ich dich zur Strafe beißen oder dir das Gesicht zerkratzen? Was ist dir lieber?“, fragte er unwirsch, woraufhin der Blonde all seinen Mus zusammen nahm und zum Gegenangriff überging. Er wusste nicht so recht, was er tat, aber er hoffte, dass er mit seiner Annahme richtig lag, also streckte er die Hände blitzschnell nach den Öhrchen des anderen aus und begann sie zu kraulen. So beruhigte man doch ein Kätzchen, oder? Warum also keinen Neko? Kurz schien dieser aber nur noch wütender zu werden, bis er sich plötzlich auf Kaito niederplumpsen ließ und sich wie wild schnurrend und mit einem seligen Lächeln an seine Brust kuschelte. „Nicht aufhören“, maunzte er und sorgte so dafür, dass sein menschliches Kuschelkissen erleichtert seufzte, während sich sein rasanter Herzschlag allmählich wieder normalisierte. Für einen Moment hatte er wirklich Angst gehabt gefressen zu werden oder Schlimmeres, falls es das gab. „Tut mir leid, dass ich dich am Schwanz gezogen hab, ich wollte nur nicht, dass du weg gehst und da hab ich aus Versehen deinen Schwanz erwischt“, entschuldigte er sich nun erst einmal, woraufhin der Neko ihn mit seinen durchdringenden, rotbraunen Augen anschaute: „Du bist neu hier, oder? Wo kommst du denn her? Du riechst gar nicht wie die Leute hier, die ich kenne und bisher wurde ich auch noch nie so komische Dinge gefragt. Ich bin übrigens Juya.“ „Ähm… freut mich. Ich bin Kaito und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht wo „hier“ ist. Ich war eben noch in meinem Zimmer und habe mein Lieblingsbuch gelesen und dann waren da plötzlich zwei Seiten, wo nur eine sein sollte und so ein helles Licht und dann war ich auf einmal in diesem seltsamen Wald! … Wie soll ich denn nur wieder nach Hause kommen?“ Seufzend ließ er die Hände sinken, woraufhin sich Juya erst einmal aufsetzte und ihn mit hoch zog, so dass sie einander gegenüber saßen. Die Hände stützte der Neko anschließend vor sich auf den Boden und beugte sich neugierig etwas zu Kaito rüber. „Du bist also von außerhalb? Von da draußen? Da wo alles so … so geradlinig ist? Dort gibt es keine wie mich und die Bäume blühen erst und tragen dann die Früchte von den vorherigen Blüten, oder? Und ihr könnt nicht mit Tieren sprechen und ihr kennt keine Magie, richtig?“, fragte der Neko ausgesprochen interessiert. Er schien mehr über die echte Welt zu wissen, als der Blonde gedacht hätte. „Das stimmt, aber wo bin ich denn, wenn du meine Welt „draußen“ nennst? Und wieso weißt du so viel darüber? … Ich verstehe das alles nicht…“ Tief seufzte Kaito und ließ den Kopf hängen, woraufhin Juya zu ihm ran rutschte und das Gesicht kuschelnd an seine Brust drückte, während er die Arme um die Taille seines Gegenübers legte und zu schnurren anfing. „Ich bin ein Neko, wir sind neugierig und wissen viel mehr Dinge, als andere denken. Wir sind gute Zuhörer, auch wenn wir immer so gerne kuscheln und gekrault werden und dabei total abwesend wirken. … Kraulst du mich noch ein bisschen? Du brauchst auch keine Angst mehr zu haben, dass ich dich beiße oder kratze. Ich weiß ja jetzt, dass es nur ein Versehen von dir war. Und ich verrate dir dann auch was.“ „Ja? Hilft es mir denn wieder nach Hause zu finden?“, fragte Kaito seufzend, fing aber schon an den Neko zu kraulen, der ihm nun viel lieber vorkam und der scheinbar auch recht niedlich und lieb war. Er konnte einfach nicht widerstehen ihn ein bisschen zu verwöhnen, wenn er sich schon so ankuschelte, auch wenn das keine normale Situation war, dass er einen Jungen kennenlernte, der sich dann anschmiegte und gekrault werden wollte. „Weiß ich nicht, aber ich hab schon mal jemanden wie dich kennengelernt… nur hat der mir nicht am Schwanz gezogen.“ Juya lachte leise und blickte kurz zum Brillenträger auf, bevor er wieder laut schnurrte: „Er war größer als du und es ist schon ein Weilchen her. Er war sehr lieb und hat mich ganz viel gekrault. Aber ich durfte nicht bei ihm bleiben und sein Hauskätzchen werden… darüber bin ich heute noch traurig. Ich bin hier immer so alleine… es kommt so selten jemand vorbei und wenn ich Freunde besuchen gehe, dann fühlen sie sich immer gestört. … Aber ich kann mich doch nun mal nicht selber kraulen!“ Kaito traf ein durch und durch trauriger Blick, der ihm einen Stich in der Brust versetzte, so heftig, dass er Juya kurzerhand fest in die Arme schloss und ihn drückte, bevor er ihn weiter kraulte. „Du bist wirklich lieb, Kaito… darf ich nicht vielleicht deine Hauskatze werden? Ich kann auch alleine für mein Essen sorgen, nicht so wie die normalen Katzen bei euch, die ankommen und betteln.“ Hoffnungsvoll schaute er den Blonden an, streichelte ihm dabei mit seinen langen, zarten Fingern über die linke Wange. „Bitte, bitte…“ So lieb er aber auch bat, sein Gegenüber war schlichtweg überfordert mit der Situation. Sie kam so plötzlich und dazu kam, dass er doch zurück nach Hause wollte und dort konnte er doch einen Neko nicht mit hinnehmen! Die anderen Menschen würden ihn vielleicht quälen, weil er anders war oder sie ihn für sich haben wollten, weil er so niedlich war oder aber vielleicht auch Experimente an ihm durchführen! Nein, diese Vorstellung war einfach zu schrecklich. „Hör mal, Juya… ich muss wieder nach Hause, sonst machen sich meine Eltern sorgen und dort kann ich dich leider nicht mit hinnehmen…“ „A… aber… ihr seid alle so gemein…“ Nun kamen dem Langhaarigen die Tränen und er wischte sich mit seinen langen Ärmeln über die Augen, was ihn nur noch niedlicher machte. Kaito fühlte sich richtig schlecht: „Bitte wein doch nicht…“ „Aber… ihr seid alle so fies“, schluchzte der Neko und schob ihn fort, stand hastig auf, um fortzulaufen. Er wollte sich verstecken, weil er so traurig war und sich so dumm vorkam. „Juya, warte doch! … Juya! Es tut mir leid!“, rief der Blonde ihm noch nach, doch er sah nur noch wie sein neuer Freund durch die Bäume davon huschte. „Toll, jetzt bin ich wieder alleine… das war eine wirklich seltsame Begegnung… außerdem eine schmerzhafte“, seufzte er leise und rappelte sich nun auch hoch, zog schließlich einfach die Schuhe aus und watete durch den flachen Fluss, da er keine Lust mehr hatte sich einen Weg zu suchen. „Und jetzt?“ Auf der anderen Seite angelangt waren keine Bäume mehr zu sehen, dafür lauter Brombeersträucher… oder waren es Himbeeren? In diesem Licht war das einfach schwer auszumachen, denn nun waren auch die Glühwürmchen verschwunden. Vorsichtig schritt Kaito voran und kam nach einer schier endlosen Zeitspanne auch aus dem Beerengebiet heraus. Wieder stand er vor der Frage wo es weiter ging. Unwillkürlich erschien rechts von ihm ein Weg. Große, weiße Steine, die anfingen zu leuchten, wiesen ihm einen schmalen Weg, der allmählichen zwischen einige Felsen führte. So langsam bezweifelte der Brillenträger, dass er sich noch in der Wirklichkeit befand. Vielleicht war er ja eingeschlafen ohne es zu merken… oder ihm war eins seiner Bücher auf den Kopf gefallen, immerhin hatte er ein Regal über dem Bett hängen… oder aber er war… er war… mehr fiel ihm nicht ein. Aber es waren doch zwei recht plausible Ideen, oder? Und wenn er vielleicht wirklich nur schlief, dann sollte es doch reichen sich weh zu tun… körperlich, nicht solche Schmerzen wie vorhin, wo Juya so geweint und ihm das Herz schwer gemacht hatte. Kurzerhand lief der Sechzehnjährige los, folgte den leuchtenden Steinen bis er zwischen den Felswänden wieder hervor kam und nun vor einer weiten Wiese stand. Sie war übersät mit Blumen, die ihre Blüten geschlossen hatten, immerhin war es Nacht. … Lange konnte sie zwar nicht mehr dauern, aber es war noch Nacht. „So, jetzt brauche ich irgendwas, womit ich mir weh tun kann… zwicken reicht nicht, das hat noch nie irgendwo geklappt“, murmelte er vor sich hin und blickte sich suchend um. Ganz allmählich schien es zu dämmern, da er auch ohne Glühwürmchen schon wesentlich mehr entdecken konnte, als vorhin noch. Er fand schließlich einen Stein, mit dem er sich auf die Hand schlug. „Aua~ verdammte Scheiße!“, fluchte Kaito eine Sekunde später und ließ den Stein fallen, hüpfte sogar vor Schmerz, bevor er auf die schmerzende Stelle pustete. „Na toll, jetzt hab ich mir die Hand umsonst gebrochen, ich schlafe ja immer noch!“ „Ich glaube nicht, dass sie gebrochen ist, dafür warst du viel zu zögerlich“, erklang eine nachdenkliche Stimme links vom Blonden, der sogleich wieder hochschreckte und ein Stück beiseite sprang. „Juya?“ „Aber nicht doch, ich bin doch nicht dieses anhängliche Wollknäuel.“ Kurz hatte Kaito den Eindruck die Worte >bin kein Wollknäuel< zu hören, doch es war niemand, außer die ihm noch unbekannte Person, zu entdecken. Kein Juya weit und breit und auch keine Versteckmöglichkeit, also hatte er es sich wahrscheinlich nur eingebildet. „Sondern?“, erkundigte sich der Jugendliche bei dem Mann vor ihm, der nun etwas näher gekommen war und so erkennen ließ, dass er längere, grüne Haare hatte und über dem rechten Auge eine schwarze Augenklappe trug. Außerdem hatte er auch ein recht traditionell wirkendes Gewand an, für das Kaito allerdings keine Bezeichnung wusste. Er bemerkte aber das Blumenmuster darauf und auch die blumenartigen Ranken, die sich um den linken Arm des Fremden geschlungen hatten und sich an seiner Nähe zu erfreuen schienen. „Die Leute nennen mich Hiragi, kleiner Bücherwurm.“ „I… ich bin kein Bücherwurm!“ Schmollend blies der Blonde die Wangen auf und zog eine Schnute. Er las gerne, das stimmte, aber er hatte die Bezeichnung „Bücherwurm“ schon immer blöd gefunden. „So? Dabei hast du dein Lieblingsbuch jetzt schon so oft gelesen, da dachte ich, dass du ein Bücherwurm sein musst. Was bist du denn dann?“ „Na ein Junge, der gerne liest, mehr nicht! … Aber halt mal, woher weißt du das eigentlich?“ Ein sanftes Lachen erklang von Hiragi: „Ganz einfach, ich weiß alles, was unsere Welt angeht, ich bin doch ein Spielführer. Ich kümmere mich um alle Pflanzen hier bei uns und daher weiß ich auch alles und kann Einfluss nehmen wann immer ich will, daher sehe ich mich selbst als einer der Spielführer an. … Hast du mich denn nie bemerkt? Das enttäuscht mich aber…“ Das Aufblitzen seines türkisfarbenen Auges zeigte jedoch nicht Enttäuschung, sondern eher, dass er sich ein bisschen in seiner Ehre gekränkt fühlte. „Bist du etwa derjenige, der in meinem Buch ein Mal als grüner Erdenmantel bezeichnet wurde?“ „Ah~ du hast also doch meine Existenz bemerkt! Da bin ich aber froh.“ Nun lächelte der Ältere auch gleich wieder, was Kaito ein wenig beruhigte: „Heißt das etwa, dass ich hier in meinem Lieblingsbuch bin? Aber das alles hier kenne ich noch gar nicht. Ich weiß nichts von blühenden Bäumen, die gleichzeitig Früchte tragen, ich weiß nichts von leuchtenden Steinen und Felsen und ich wusste auch nichts von Juya!“ „Ach nein? Wie schade, eben noch dachte ich, dass ich mich in dir getäuscht hätte… schau, du bist hier in der Randwelt des Buches. Wir sind die, die kaum oder gar nicht genannt werden, die sich der Autor aber einst ausgedacht hatte… wir sind diejenigen, denen eine größere Rolle zugedacht und die dann ganz oder fast ganz gestrichen wurden. … Juya ist ein besonders trauriges Exemplar. Eigentlich hätte er an der Seite von Prinz Hisashi leben und ihn begleiten sollen. Mit seinem Schwert und seinen Krallen hätte er ihn beschützen und ihn unterstützen sollen und dann hätte er in ruhigen Momenten von ihm gekrault werden sollen… Am Ende wurde er als überflüssigen Ballast bezeichnet und komplett gestrichen. Seither sucht er ständig nach einem neuen Herrn und Freund, um das Loch in seinem Herzen zu füllen. Traurig, nicht wahr?“ Aufmerksam hatte Kaito der Erzählung von Hiragi gelauscht und fühlte sich nun nur noch schlechter dabei, dass er Juya so direkt abgewiesen hatte. „Er tut mir so leid… und ich war wirklich gemein zu ihm… wenn ich könnte, dann würde ich mich noch mal bei ihm entschuldigen und ihn fragen, ob er nicht vielleicht anstelle meiner Hauskatze, mein Reisegefährte sein möchte. Solange wie ich den Weg nach Hause suche, hätte ich ihn ja kraulen und mich mit ihm anfreunden können.“ „Und warum geht das nicht mehr?“ „Na ja, er ist fortgelaufen und ich weiß nicht wie ich ihn widerfinden soll“, erklärte Kaito schulterzuckend, woraufhin der Grünhaarige meinte: „Du bist eine ganz schöne Trantüte. Als Leser bekommst du echt mehr mit. Dreh dich doch einfach mal um, dann siehst du wie er angestürmt kommt.“ „Hä?“, brachte der Blonde gerade noch hervor, während er sich rumdrehte, als er auch schon von einem blauen Etwas angesprungen wurde. Es war Juya, der ihm mit einem Hechtsprung um den Hals gefallen war und nun zum zweiten Mal auf ihm lag, sich laut schnurrend ankuschelte. „J… Juya? Wo kommst du denn her?“ „Ich bin dir nachgelaufen und ich freu mich ja so über das, was du gesagt hast! Darf ich wirklich deine Reisegefährtekatze sein?!“ Einen Augenblick lang war Kaito immer noch perplex, bevor er den Neko schmunzelnd in die Arme schloss und ihm mit der rechten Hand die Öhrchen kraulte: „Ja, darfst du.“ „Toll!! … Aber Hiragi nehmen wir nicht mit, ja? Der mag mich nicht“, maunzte Juya daraufhin und hob den Kopf, um seinem neuen Gefährten in die Augen zu schauen, wobei er eine kleine Schnute zog und ihn prompt zum Lachen brachte. „Im ersten Moment dachte ich du willst mich umbringen, als wir uns kennengelernt haben und jetzt schaust du mich so an und klebst an mir, das ist wirklich erstaunlich“, schmunzelte der Brillenträger und knuddelte den Kater einfach einen Moment lang übermütig. Dieser war etwas verwirrt, entschied sich aber, dass er gar nicht so genau wissen musste, was sein neuer Besitzer mit seinen Worten meinte. Stattdessen fragte er: „Geht’s dir gut? Tut deine Hand noch sehr weh? Soll ich sie lieber abschlecken?“ Besorgt nahm Juya Kaitos Hand, auf die er sich noch vor einigen Minuten selbst geschlagen hatte und musterte sie. Allmählich dämmerte es nun auch und die Blumen um sie herum begannen ihre Köpfe dem Licht entgegen zu strecken und ihre Blüten zu öffnen. „Nein, nicht abschlecken, der Schmerz ist schon wieder weg. Hiragi hat mich ja gut abgelenkt… er hat mir einiges erklärt, aber ich verstehe immer noch nicht wie ich hier wieder raus komme und nach Hause.“ Hilfesuchend blickte er zum Grünhaarigen rüber, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und auf verschwörerische Weise grinste. „Was hab ich denn davon, wenn ich dir alles verrate und du dich nicht selbst anstrengen musst?“ „Meinen Dank?“, fragte der Jüngere in betont unschuldigem Ton, versuchte ein wenig niedlich zu wirken, denn das hatte schon öfter Wirkung gezeigt. Bei Hiragi allerdings schien es wirkungsfrei zu bleiben. Er zog einfach nur die Augenbraue hoch und fragte: „Soll mich das jetzt wirklich überzeugen? Ein sehr schwacher Versuch.“ „Aber ich hab doch gar nichts, was ich dir anbieten könnte“, seufzte Kaito und lehnte sich gegen den Neko, der ohnehin nicht gewillt schien sich schon wieder von ihm zu lösen. Er hatte im ersten Moment zwar nicht so gewirkt, schien aber in Wahrheit sehr anhänglich und nähebedürftig zu sein, was auch verständlich war, wenn man bedachte, dass er immer alleine war. „Ich wüsste einen Preis. Wenn du bereit bist mir diesen zu zahlen, dann zeige ich dir, wie du von der Randwelt in die richtige Welt des Buches gelangen kannst.“ „Und dann? Da will ich doch gar nicht hin, ich will doch nach … Moment, was geschieht, wenn eine Geschichte zu Ende erzählt ist? Könnte dann ein Buchbesucher wie ich automatisch zurück in seine Welt geschmissen werden?“, fragte der Blonde aufgeregt, woraufhin Hiragi ihm gegen die Stirn schnippte: „Bingo, du bist ja wirklich nicht so blöd, wie du tust. Genau so ist es. Wenn du es schaffst in die Welt des Buches zu gelangen und dich nicht in den Verlauf der Geschichte einmischst, sondern bis zum Ende von allen wichtigen Personen fern hältst, dann kannst du es schaffen das Ende zu erleben und wieder in deine Welt zu gelangen… sozusagen fast von selbst. Es ist aber nicht so ganz leicht die Welten innerhalb des Buches zu wechseln und du benötigst dazu die Hilfe eines Buchbewohners, noch dazu darfst du dich eben nicht in die eigentliche Geschichte einmischen, sonst könntest du alles verändern und zum Schlechten wenden. Vielleicht endet die Geschichte dann niemals und du bist hier für immer gefangen. Stell dir vor der Held schafft es am Ende alle zu retten, du greifst aber ein und er wird getötet, dann kannst du zwar womöglich seinen Platz einnehmen und seine Aufgaben erfüllen, aber selbst wenn du das schaffst, ist es nicht das richtige Ende. Außerdem kannst du innerhalb des Buches nicht zurück. Als Leser kann man immer wieder zurückblättern und an einem Punkt noch mal anfangen, das geht aber als Besucher nicht, die Zeit läuft ganz normal voran so wie in deiner Welt auch.“ Nachdem der Einäugige seine Ansprache beendet hatte, ratterte es noch immer wie wild in Kaitos Kopf, so dass er erst mal gar nichts sagte, sondern einen Moment alles sacken lassen und verarbeiten musste. „Gibt es noch mehr von euch, dir und Juya?“ „Was ist denn das für eine Frage, die gehört doch gerade gar nicht zum Thema!“, fuhr ihn der Grünhaarige sogleich an und stemmte die Hände nun in die Hüften. Man konnte förmlich sehen wie eine Ader an seiner Stirn zu pochen begann. Nun hatte er schon einen so schönen Monolog gehalten und dann lenkte dieser kleine Bücherwurm einfach ab. Er war richtig beleidigt. „Vielleicht nicht unbedingt, aber ich hab gerade über alles nachgedacht, was du gesagt hast“, erklärte Kaito, während er nebenbei von Juya bekuschelt wurde, der dabei wohlig schnurrte: „Ich hab mich gefragt, was passiert, wenn ihr auch mit rüber in die eigentliche Welt des Buches kommt. Geht das? Müsstet ihr euch dann genauso wie ich einfach verstecken um nichts zu ändern oder würde eure bloße Anwesenheit alles auf den Kopf stellen?“ „Daher weht der Wind“, murmelte Hiragi, der gleich wieder etwas runter kochte und sich auch mal ins Gras setzte. „Um ehrlich zu sein weiß ich das gar nicht 100%ig, da mir noch kein solcher Fall unter gekommen ist, aber ich glaube solange wir weiterhin für den Leser unsichtbar bleiben, also nicht in die Hauptgeschichte eingreifen, sollte das keinen Unterschied zu unserer jetzigen Existenz machen“, überlegte er und fuhr sich durchs Haar, strich es sich etwas nach hinten. „Also kann ich Juya mitnehmen, das ist gut. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht nun ohne ihn weiter zu reisen, wo er sich doch so gefreut hat.“ Der Neko schaute forschend zu ihm auf und schmiegte sich dann einfach wieder wohlig seufzend und überglücklich an seinen neuen Herrn. Natürlich lauschte er der Unterhaltung auch während er so schön gekrault wurde, doch er sah keine Veranlassung sich einzumischen. „Und wie komme ich nun von der Randwelt in die eigentliche Welt des Buches? Gibt es da so eine Art Grenzübergang oder vielleicht eine Brücke? Und können wir nur rüber oder auch die offiziellen Figuren aus dem Buch?“ Kaito hatte schon wieder so viele neue Fragen entdeckt und wollte diese am liebsten alle auf einmal beantwortet haben. „Boah, du machst mich fertig. Kannst du auch mal ruhig bleiben? So kann ich dich ja nicht aufklären“, moserte Hiragi und fuhr sich kurz übers Gesicht. „Für den Anfang sollten wir uns vielleicht auch mal für eine Stunde aufs Ohr hauen. Der neue Tag beginnt und keiner von uns hat geschlafen.“ „Aber ich will nicht schlafen, ich will weiter, wir verpassen doch alles und ich muss wieder nach Hause. Ich weiß doch gar nicht wie viel Zeit dort vergeht, meine Eltern werden mich suchen und sich Sorgen machen.“ „Nun, wie es sich in eurer Welt mit der Zeit verhält weiß ich leider nicht, aber ich kann mir nicht so richtig vorstellen, dass sie genauso weiter läuft wie hier… andererseits… hier ist es ja auch so mit dir… schwierig, aber ich kann schon verstehen, dass du zurück willst, immerhin darfst du dich hier in nichts einmischen und nicht mitreisen. Ansonsten würdest du bestimmt nicht so schnell Heim wollen, oder?“, hakte der Grünhaarige interessiert nach, woraufhin sich Kaito allerdings erst mal seine Worte durch den Kopf gehen lassen musste. „Ich würde schon an meine Eltern denken, aber wenn ich schon in meinem Lieblingsbuch bin und dann mitmischen dürfte, dann würde ich die Chance tatsächlich ergreifen, aber wer denn bitte nicht?“, meinte der Blonde und strahlte Hiragi breit lächelnd an, der sich dieser Antwort geschlagen gab. „Du willst also nicht erst noch ausruhen, sondern gleich los, richtig?“ „Ja!“, kam es sofort begeistert von Kaito, der es nun nicht mehr erwarten konnte die Helden aus seiner Lieblingsgeschichte zu sehen. Sicher, er war sich bewusst, dass er nicht mit ihnen sprechen durfte und nicht zu nahe an sie ran durfte, aber er wollte sie unbedingt von weitem anschauen. Das konnte er sich einfach nicht entgehen lassen. „Bist du auch einverstanden, Juya? Oder bist du müde?“ „Nein, ich bin top fit“, maunzte der Neko, woraufhin sich Kaito von ihm löste und aufstand: „Na, dann los!“ „Und wer fragt mich bitteschön? Vielleicht will ich ja eine Pause machen“, murrte der Grünhaarige, der sich immerhin gerade erst gesetzt hatte. „Na keiner. Willst du eigentlich mit rüber kommen? Kaito und ich schaffen das schon alleine.“ „Klappe, Wollknäuel. Ohne mich kommt ihr doch gar nicht weit.“ Kaito rollte mit den Augen und ignorierte das Gemotze der beiden einfach. „Können wir dann?“, wollte er wissen und schaute sich um, sah jedoch nur weit und breit Wiese. „Wo müssen wir lang?“ „Bin kein Wollknäuel“, fauchte Juya anstatt eine Antwort zu geben und zückte schon sein Katana, weshalb Kaito sich dann doch animiert fühlte einzugreifen. „Jetzt hört schon beide auf, ihr seid doch keine Kinder, Mensch ey! Also, wo geht’s lang, Hiragi?“ Allmählich wurde er ungeduldig, denn der erste Schreck war längst verflogen, noch dazu war es jetzt gänzlich hell und er war wild darauf noch mehr zu entdecken. Während Juya und Hiragi sich noch mal giftige Blicke zuwarfen, ging er schon mal einige Schritte voraus, einfach ins Blaue, da er ja noch keine Antwort bekommen hatte wo sie lang mussten. „Du gehst falsch, wir müssen zurück zu den Steinen und dann in den Wald, in einen anderen Wald als aus dem du gekommen bist“, erklärte der Grünhaarige nun doch noch und Kaito kam sofort zurück gelaufen. „Dann los. Machst du den Fremdenführer, Herr Spielführer?“, fragte er verschmitzt und musste einer Kopfnuss ausweichen, strahlte den Älteren frech grinsend an, der nur den Kopf schüttelte und murmelte: „Diese Jugend heutzutage.“ Gemeinsam gingen sie zurück zum Steinpfad, wo Hiragi dem Blonden nun einen versteckten Seitenweg zeigte, der zu einem großen Wald führte. Neugierig schaute sich Kaito um, jedoch war zunächst nichts Auffälliges zu entdecken, es sah aus wie in jedem Wald. Gerade hatte er das gedacht, flog ein Schwarm bunter Vögel an ihnen vorbei, die leuchtend violett-gelb gefärbt waren und dazu schwarze lange Schwanzfedern hatten. Der Blonde schob sich erst mal die Brille zurecht und blickte den exotischen Vögeln nach, die ein wildes Konzert von sich gaben. „Hübsch, nicht?“, meinte Juya und ergänzte noch als Kaito nickte: „Schmecken tun sie auch gut.“ Kurz blickte er den Neko entsetzt an, doch dann schüttelte er schmunzelnd den Kopf. Irgendwovon mussten sie hier ja schließlich auch leben und vielleicht waren diese Vögel für sie wie Hühner in seiner Welt. Eine Weile waren sie unterwegs, drangen immer tiefer in den Wald ein, bis sie schließlich auf eine kleine Lichtung kamen, wo es einen Brunnen gab. „Ist das das Tor?“, wollte Kaito gleich wissen, doch Hiragi schüttelte den Kopf: „Nein, das ist nur ein Brunnen, wir sollten was trinken bevor es weiter geht oder anders gesagt, ich hab einfach Durst und meine Flasche ist leer.“ „Ach so~ der alte Mann hat nur Durst“, maunzte Juya, woraufhin er von seinem neuen Herren in die Seite geknufft wurde. „Du musst auch nicht immer provozieren, momentan sind wir nun mal alle gemeinsam unterwegs … sonst muss ich zur Strafe aufhören dich zu kraulen.“ „Nein! Das ist gemein! Endlich hab ich doch wieder wen der mich krault“, maunzte der Blauhaarige gleich ganz kläglich und fiel Kaito um den Hals: „Bitte weiter kraulen, ich benehme mich auch, versprochen.“ „Okay, okay, ich glaub dir ja“, lachte der Brillenträger und tätschelte ihm den Kopf, bevor er sich wieder von ihm frei machte. „Was trinken ist allerdings gar keine so dumme Idee, ich könnte auch einen Schluck vertragen.“ Gerade wollte Kaito die Kurbel des Brunnens betätigen, um den Eimer darin hoch zu holen, als er merkte, dass gar kein Seil in den Brunnen hinunter führte, er blickte also hinein und schaute dann Hiragi fragend an: „Aber da ist ja gar kein Eimer und auch kein Seil, wie willst du denn an das Wasser herankommen.“ „Na ganz einfach, wie immer eben“, meinte der Grünhaarige und zuckte mit den Schultern, bevor er näher heran trat und seinen linken Arm in den Brunnen hielt. Es war der Arm, der mit Ranken umschlungen war und eben diese wuchsen nun bis hinab zum Wasser und führten drei mit Wasser gefüllte Blumenkelche anschließend wieder hinauf zu ihnen. „Wow, so was kannst du? Ich glaube du bist wirklich ein Spielführer! Ich versteh gar nicht warum du in die Randwelt geschoben wurdest, du hast so tolle Kräfte, aber mit Juya ist es das Gleiche… so ausgearbeitete Charaktere kann man doch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen“, meinte er leise, regelrecht betroffen und trank aus einem der Kelche. „Verstehen können wir es auch nicht“, meinte Hiragi und trank ebenfalls, während der Blauhaarige sich den dritten Kelch nahm und meinte: „Danke für dein Mitgefühl, Kaito, aber fang nicht an uns zu bemitleiden, wir sind was wir sind und können unser Schicksal nicht ändern. Irgendwas hat sich unser Schöpfer schon dabei gedacht, als er entschied, dass wir doch nicht vorkommen sollen.“ So weise und ruhige Worte hätte Kaito nie von Juya erwartet, doch er nickte verstehend, kraulte ihm kurz ein Ohr, bevor er austrank. Nachdem sie getrunken hatten setzten die drei neuen Weggefährten ihre Reise fort und gelangten schließlich zu einem Geflecht aus schlanken, eng beieinander stehenden Bäumen. „Dort ist der Übergang“, erklärte Hiragi schließlich und deutete voraus. Kaito folgte seiner Handbewegung und erblickte einen drei Meter großen Spiegel, er war geformt wie ein Torbogen und stand einfach zwischen zwei Bäumen. Jedoch zeigte er kein Spiegelbild und auch nicht was sich hinter ihm verbarg. Nein, er zeigte lediglich eine Art Schatten oder vielleicht besser einen tanzenden hellgrauen Schleier? Nebel? Kaito wusste es nicht so genau zu definieren, aber er sah schon pompös aus. „Das ist der Durchgang?“, fragte er noch mal und drehte sich zu den beiden anderen um. „Ja.“ „Bisschen klischeehaft oder?“ „Bitte?“, platzte es aus Hiragi heraus, der im nächsten Moment ein finsteres Gesicht machte. „Wenn dir was nicht passt, dann kannst du ja hier bleiben, keiner zwingt dich durch zu gehen.“ „Nun sei doch nicht gleich beleidigt, aber so ein Spiegel als Portal ist doch schon oft vorgekommen, ich meins doch gar nicht böse. Du tust ja so, als hättest du es erfunden“, meinte der Blonde unschuldig und zuckte leicht mit den Schultern, woraufhin Hiragi seinen Arm erhob und grob die Form des Spiegels imaginär in der Luft nachmalte. Im nächsten Moment fingen erneut Ranken an zu wachsen und verwoben sich als Rahmen um den Spiegel, erblühten sogar im folgenden Moment und trugen dunkeltrote Blüten. „Besser?“ Kurz machte sich Sprachlosigkeit breit, ehe ein kleines Quietschen aus dem Mund des Blonden drang. „Das sieht schon viel genialer aus! … Geht man einfach hindurch? Oder muss ich noch etwas beachten? Und kommst du jetzt auch mit uns?“, wollte er dann wissen, während Juya skeptisch an den Blüten und deren Grundlage, die Ranken, schnupperte. Es war ihm einfach nie so richtig geheuer, wenn etwas aus dem Nichts wuchs. „Keine Sorge, sie sind nicht giftig“, meinte der grüne Erdenmantel und nickte Kaito dann zu: „Ja, ich werde euch begleiten. Man kann euch sicher nicht alleine lassen, ihr stellt nur Dummfug an. Außerdem will ich selbst sehen wie es dort drüben wirklich aussieht und ob es stimmt was ich von drüben gehört habe. … So viel wie ich weiß geht man einfach hindurch, doch ich weiß nicht ob man danach wieder zurück kommt…“ „Aber ihr seid euch beide sicher, dass ihr mich begleiten wollt?“, fragte Kaito noch mal, nachdem er sich das Tor kurz angeschaut hatte und wandte sich beiden zu. „Ja“, kam es erstaunlicherweise von ihnen im Einklang, so dass der Brillenträger sich zwischen sie stellte und jeweils eine Hand der Beiden nahm. „Gut, dann gehen wir jetzt gemeinsam hindurch.“ Zusammen schritten sie voran und hielten nicht mehr an, selbst dann nicht, als sie den Schleier anstelle des eigentlich vorhandenen Glases berührten und auch nicht als alles um sie herum schwarz wurde. Sie schritten einfach voran und verschwanden zur Gänze im Spiegel, sahen nicht mehr wie eben dieser im Anschluss in tausende kleine Splitter zersprang und in alle Winde zerstreut wurde. Es war zu spät, ein Zurück gab es nicht mehr und auch wenn dies keiner sagte, auch wenn sie nichts um sich hörten und sahen, nur die Hände ihrer Gefährten spürten, so wussten sie es doch bereits. Es schien ein schier endloser Weg zu sein, den sie durch das Portal bestritten, bis Kaito erneut eine kleine, feine Melodie hörte, die wie die kleine Spieluhr klang, die er einst bekommen hatte. Sie schien ihn regelrecht zu rufen, nein zu locken und führte ihn und mit ihm zusammen Hiragi und Juya in ein gleißendes Licht, so hell wie eben jenes Licht, das ihn in die Welt des Buches gerissen hatte. Was erwartete sie auf der anderen Seite? Welche Abenteuer standen noch aus? Würde er jemals einen Weg zurück finden? Es gab noch endlos viele Fragen die Kaito durch den Kopf spukten, doch sie alle vergaß er in dem Moment als sie das Licht durchbrachen… ~~~~~~~~~~~~~~ Das war das erste Kapitel, ich hoffe sehr es hat allen gefallen, die es gelesen haben ^.~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)