Die geheime Seite von Luci-Maus ================================================================================ Kapitel 1: Die geheime Seite ---------------------------- Mitten in der Nacht lag Kaito auf seinem Bett und lass zum gefühlten hundertsten und wahrhaftigen zwanzigsten Mal sein Lieblingsbuch. Gleich nach dem er es geschenkt bekommen und die erste Seite aufgeschlagen hatte, konnte er es nicht mehr aus der Hand legen und las täglich darin. Kaum hatte er es durchgelesen, begann er am darauffolgenden Tag neu damit, war so fasziniert von der darin beschriebenen Fantasiewelt und den vielen verschiedenen Bewohnern. Noch dazu entdeckte er jedes Mal ein neues Detail, das er zuvor zwar gelesen, aber nicht so direkt wahrgenommen hatte, beispielsweise die Farbe eines Umhanges, die Süßigkeit, die ein Charakter besonders gerne aß… bestimmte Gefühle… kleine, aber feine Bemerkungen des Erzählers, die einem das Gesamtbild einer Person ganz anders erscheinen ließen, als beim ersten Lesen. Auf dem Bauch liegend und beinahe gänzlich von seiner Bettdecke zugedeckt lag Kaito in dieser Nacht auf seinem Bett und las sein geliebtes Buch also zum zwanzigsten Mal, jedoch sollte er dieses Mal eine ganz andere Kleinigkeit entdecken, als eine Kleidungsfarbe oder Lieblingssüßigkeit. Leicht runzelte er die Stirn, als er von der hundertsechsten Seite auf die hundertsiebte blättern wollte und dabei bemerkte, dass er zwei Seiten in der Hand hielt. Die Seitenzahl aber war korrekt, wie also konnte er zwei Seiten in der Hand halten, wenn es nur eine sein dürfte? Neugierig nahm er die andere Hand zur Hilfe und löste die beiden Seiten voneinander, ging dabei ganz behutsam vor, denn sie schienen sich nur schwer voneinander lösen zu wollen… verständlich, wo es ja nur eine Seite sein sollte, fand Kaito. „Geschafft…“ Die Seiten waren getrennt und das Buch lag aufgeschlagen vor ihm, jedoch waren dort keine versteckten Zeilen, keine Widmung, die erst jetzt zum Vorschein kam oder ein verstecktes Bild, nichts was er erwartet hatte zeigte sich, nur zwei weiße Seiten. Womöglich hatte sich das Papier nur in zwei Schichten aufgeteilt? Gab es gar keine geheime Seite? „Wie schade“, seufzte der kleine blonde Brillenträger gerade, als die Seiten zu leuchten begannen. Es fing mit einem leichten Glitzern an, das sich zu einem gleißenden Licht wandelte und ihn förmlich zu verschlucken schien. Kaito setzte sich auf, wobei ihm die Bettdecke über die Schultern runter glitt und er sich die Arme vors Gesicht hielt, sich vor dem Licht schützen wollte. Seine Augen kniff er fest zusammen und öffnete sie erst wieder, als es urplötzlich dunkel wurde, genauso urplötzlich wie es zuvor hell geworden war. Vorsichtig nahm er die Arme wieder runter und blinzelte, traute seinen Augen abermals nicht. Er war nicht mehr in seinem Zimmer, saß nicht mehr auf seinem Bett und vor ihm lag auch nicht mehr sein geliebtes Buch. Nein, er war alleine auf einer kleinen Lichtung im Wald. Es war noch Nacht, zumindest hatte sich dies nicht geändert, doch wie war er nur nach draußen gekommen? Und wo war dieses „Draußen“ denn nur genau? Er konnte sich nicht erinnern, dass ihr Haus im Wald war und einen Garten mit Bäumen hatten sie auch nicht, auch nicht hunderte von Glühwürmchen, die durch die ganze Luft schwebten und eine traumhafte Atmosphäre erzeugten wie dies nun direkt um ihn herum der Fall war. Verwirrt, aber gleichsam überwältigt von seiner Neugierde erhob sich der Sechzehnjährige und sah sich um, drehte sich dabei einmal um die eigene Achse. „Alle Häuser und Straßen sind weg, nirgendwo eine Menschenseele“, stellte er leise für sich selbst fest und musterte dann die Bäume um sich herum. Zunächst stand er vor einem Kirschbaum voller herrlicher, zartrosa Blüten… aber Moment, da hingen auch Äpfel und Birnen dran! „D… das geht doch gar nicht“, brach es Kaito heraus, bevor er sich dem nächsten Baum zuwandte. Schöne weiße Apfelblüten prangten daran, allerdings auch… nein, keine Kirschen oder Birnen, schon gar keine Äpfel, sondern runde, saftige Pflaumen! Der nächste Baum hing voller Pfirsiche, trug aber ebenfalls eine falsche Blütenpracht, nämlich Pflaumenblüten. Desto weiter sich Kaito vorwagte, desto wildere Kreationen von Blüten und Früchten fand er vor, wobei er ganz vergaß sich über das wesentliche zu wundern, warum ein Baum überhaupt blühte und gleichzeitig bereits reife Früchte trug. Bei einigen konnte er nicht einmal die Obstsorte hinter den Blüten ausmachen, da er nur die üblichsten Früchteblüten erkennen konnte. Er hatte sich noch nie übermäßig für Botanik interessiert, wenn er ehrlich war. Dafür steckte er seine Nase eben nur zu gerne in Bücher und las von den traumhaften Reisen der Protagonisten, konnte sich vorstellen ein Gefährte dessen zu sein und alles direkt mitzuerleben. So vertieft wie der Junge war, merkte er erst wie weit er gelaufen war, als er vor einem seichten, aber doch recht breiten Fluss Halt machen musste. „Und jetzt?“, fragte er sich selbst und blickte sich suchend nach einer Brücke oder zumindest ein paar Steinen um, die ihn trocken über das Wasser führen könnten. Noch bevor er jedoch etwas entdecken konnte, erklang eine leise Melodie. Sie erinnerte ihn an eine kleine Spieluhr, die ihm mal als Kind geschenkt worden war. Es war eine feine Melodie, die genau zu diesem wundersamen, von Glühwürmchen beseelten Ort passte. „Weißt du nicht wie du hinüber kommen sollst“, wurde er schließlich von einer zarten Stimme in seinem Rücken gefragt, woraufhin er sich hastig umdrehte und dabei einen mehr oder weniger eleganten Sturz auf seinen Allerwertesten hinlegte. „W… wer ist da?“, fragte Kaito verdutzt, als auch schon eine Gestalt aus dem Schatten eines Baumes ins Licht des Mondes trat. Es war ein Junge wie er und auch wieder nicht. Er schien ungefähr im gleichen Alter zu sein wie der Brillenträger, hatte rotbraune Augen und lange hellblaue Haare, die er im Nacken zu einem lockeren Zopf gebunden hatte. Dazu trug er ein traditionelles Gewand, eine Art Kimono mit dunkelblauem Stoffgürtel und einer Perlenkette, die Kaito im Halbdunkel nur ein wenig aufblitzen sah. An seiner Hüfte trug er etwas Langes, das… nein… doch, es schien ein Schwert zu sein, ein Katana. Doch das Seltsamste war, dass er kuschelige hellbraune Katzenohren hatte. Kuschelig, weil sie einfach so wirkten… ob sie wirklich echt waren? Die Neugierde übermannte ihn mal wieder und so ging Kaito ganz unvorsichtig auf den Katzenjungen zu und streckte die rechte Hand vorsichtig nach den hübschen Ohren aus, die ihn so faszinierten. „Hey, das ist aber unhöflich, du hast dich noch nicht mal vorgestellt“, protestierte sein Gegenüber jedoch kurz bevor er sie berühren konnte und wackelte mit den Ohren, legte sie dann etwas an, damit Kaito sie nicht anfassen konnte. „Die sind ja wirklich echt!“ „Sicher, was hast du denn gedacht? Ich bin immerhin ein Neko“, schmollte der Blauhaarige nun erst so richtig und verschränkte die Arme vor der Brust, während nun auch ein puscheliger Katzenschwanz hinter ihm zum Vorschein kam, der ebenso hellbraun, wie das Fell an den Öhrchen war. „E… entschuldigung. Ich habe noch nie einen Katzen… einen Neko gesehen… nicht in echt. Ich habe von solchen Wesen gelesen, aber die gibt es doch nicht wirklich!“ „Ach nein? Und was bin dann ich? Ein Fabelwesen?“, fauchte der Neko und machte ein finsteres Gesicht, dass zu seiner doch recht feinen, schlanken Gestalt so gar nicht passen wollte. Außerdem legte er die Ohren nun wohl eher aus Bockigkeit an und nicht mehr, um Kaito daran zu hindern sie einfach zu berühren. „Dann brauchst du wohl doch keine Hilfe, um über den Fluss zu kommen“, murrte er und wandte sich schon zum Gehen um, woraufhin der Blonde rief: „Nein, warte bitte!“ Er wollte ihn aufhalten und griff nach ihm, erwischte jedoch in seiner Panik den Schwanz des Jungen und löste damit nichts Gutes aus. Schon in dem Moment, als er das weiche Fell spürte, wusste er genau, dass er Mist gebaut hatte, denn welche Katze ließ sich denn bitte gerne am Schwanz packen? Richtig: keine! „Was fällt dir ein?!“, fauchte der Neko auch sofort und drehte sich ruckartig zu Kaito um, entwand ihm seinen Schwanz und sprang ihn dafür mit ausgefahrenen Krallen geradewegs an, so dass sie gemeinsam zu Boden fielen. Wütend schaute der Langhaarige seinen Peiniger in die Augen, während er dessen Schultern fest auf den Boden pinnte und wie wild grollte. „Soll ich dich zur Strafe beißen oder dir das Gesicht zerkratzen? Was ist dir lieber?“, fragte er unwirsch, woraufhin der Blonde all seinen Mus zusammen nahm und zum Gegenangriff überging. Er wusste nicht so recht, was er tat, aber er hoffte, dass er mit seiner Annahme richtig lag, also streckte er die Hände blitzschnell nach den Öhrchen des anderen aus und begann sie zu kraulen. So beruhigte man doch ein Kätzchen, oder? Warum also keinen Neko? Kurz schien dieser aber nur noch wütender zu werden, bis er sich plötzlich auf Kaito niederplumpsen ließ und sich wie wild schnurrend und mit einem seligen Lächeln an seine Brust kuschelte. „Nicht aufhören“, maunzte er und sorgte so dafür, dass sein menschliches Kuschelkissen erleichtert seufzte, während sich sein rasanter Herzschlag allmählich wieder normalisierte. Für einen Moment hatte er wirklich Angst gehabt gefressen zu werden oder Schlimmeres, falls es das gab. „Tut mir leid, dass ich dich am Schwanz gezogen hab, ich wollte nur nicht, dass du weg gehst und da hab ich aus Versehen deinen Schwanz erwischt“, entschuldigte er sich nun erst einmal, woraufhin der Neko ihn mit seinen durchdringenden, rotbraunen Augen anschaute: „Du bist neu hier, oder? Wo kommst du denn her? Du riechst gar nicht wie die Leute hier, die ich kenne und bisher wurde ich auch noch nie so komische Dinge gefragt. Ich bin übrigens Juya.“ „Ähm… freut mich. Ich bin Kaito und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht wo „hier“ ist. Ich war eben noch in meinem Zimmer und habe mein Lieblingsbuch gelesen und dann waren da plötzlich zwei Seiten, wo nur eine sein sollte und so ein helles Licht und dann war ich auf einmal in diesem seltsamen Wald! … Wie soll ich denn nur wieder nach Hause kommen?“ Seufzend ließ er die Hände sinken, woraufhin sich Juya erst einmal aufsetzte und ihn mit hoch zog, so dass sie einander gegenüber saßen. Die Hände stützte der Neko anschließend vor sich auf den Boden und beugte sich neugierig etwas zu Kaito rüber. „Du bist also von außerhalb? Von da draußen? Da wo alles so … so geradlinig ist? Dort gibt es keine wie mich und die Bäume blühen erst und tragen dann die Früchte von den vorherigen Blüten, oder? Und ihr könnt nicht mit Tieren sprechen und ihr kennt keine Magie, richtig?“, fragte der Neko ausgesprochen interessiert. Er schien mehr über die echte Welt zu wissen, als der Blonde gedacht hätte. „Das stimmt, aber wo bin ich denn, wenn du meine Welt „draußen“ nennst? Und wieso weißt du so viel darüber? … Ich verstehe das alles nicht…“ Tief seufzte Kaito und ließ den Kopf hängen, woraufhin Juya zu ihm ran rutschte und das Gesicht kuschelnd an seine Brust drückte, während er die Arme um die Taille seines Gegenübers legte und zu schnurren anfing. „Ich bin ein Neko, wir sind neugierig und wissen viel mehr Dinge, als andere denken. Wir sind gute Zuhörer, auch wenn wir immer so gerne kuscheln und gekrault werden und dabei total abwesend wirken. … Kraulst du mich noch ein bisschen? Du brauchst auch keine Angst mehr zu haben, dass ich dich beiße oder kratze. Ich weiß ja jetzt, dass es nur ein Versehen von dir war. Und ich verrate dir dann auch was.“ „Ja? Hilft es mir denn wieder nach Hause zu finden?“, fragte Kaito seufzend, fing aber schon an den Neko zu kraulen, der ihm nun viel lieber vorkam und der scheinbar auch recht niedlich und lieb war. Er konnte einfach nicht widerstehen ihn ein bisschen zu verwöhnen, wenn er sich schon so ankuschelte, auch wenn das keine normale Situation war, dass er einen Jungen kennenlernte, der sich dann anschmiegte und gekrault werden wollte. „Weiß ich nicht, aber ich hab schon mal jemanden wie dich kennengelernt… nur hat der mir nicht am Schwanz gezogen.“ Juya lachte leise und blickte kurz zum Brillenträger auf, bevor er wieder laut schnurrte: „Er war größer als du und es ist schon ein Weilchen her. Er war sehr lieb und hat mich ganz viel gekrault. Aber ich durfte nicht bei ihm bleiben und sein Hauskätzchen werden… darüber bin ich heute noch traurig. Ich bin hier immer so alleine… es kommt so selten jemand vorbei und wenn ich Freunde besuchen gehe, dann fühlen sie sich immer gestört. … Aber ich kann mich doch nun mal nicht selber kraulen!“ Kaito traf ein durch und durch trauriger Blick, der ihm einen Stich in der Brust versetzte, so heftig, dass er Juya kurzerhand fest in die Arme schloss und ihn drückte, bevor er ihn weiter kraulte. „Du bist wirklich lieb, Kaito… darf ich nicht vielleicht deine Hauskatze werden? Ich kann auch alleine für mein Essen sorgen, nicht so wie die normalen Katzen bei euch, die ankommen und betteln.“ Hoffnungsvoll schaute er den Blonden an, streichelte ihm dabei mit seinen langen, zarten Fingern über die linke Wange. „Bitte, bitte…“ So lieb er aber auch bat, sein Gegenüber war schlichtweg überfordert mit der Situation. Sie kam so plötzlich und dazu kam, dass er doch zurück nach Hause wollte und dort konnte er doch einen Neko nicht mit hinnehmen! Die anderen Menschen würden ihn vielleicht quälen, weil er anders war oder sie ihn für sich haben wollten, weil er so niedlich war oder aber vielleicht auch Experimente an ihm durchführen! Nein, diese Vorstellung war einfach zu schrecklich. „Hör mal, Juya… ich muss wieder nach Hause, sonst machen sich meine Eltern sorgen und dort kann ich dich leider nicht mit hinnehmen…“ „A… aber… ihr seid alle so gemein…“ Nun kamen dem Langhaarigen die Tränen und er wischte sich mit seinen langen Ärmeln über die Augen, was ihn nur noch niedlicher machte. Kaito fühlte sich richtig schlecht: „Bitte wein doch nicht…“ „Aber… ihr seid alle so fies“, schluchzte der Neko und schob ihn fort, stand hastig auf, um fortzulaufen. Er wollte sich verstecken, weil er so traurig war und sich so dumm vorkam. „Juya, warte doch! … Juya! Es tut mir leid!“, rief der Blonde ihm noch nach, doch er sah nur noch wie sein neuer Freund durch die Bäume davon huschte. „Toll, jetzt bin ich wieder alleine… das war eine wirklich seltsame Begegnung… außerdem eine schmerzhafte“, seufzte er leise und rappelte sich nun auch hoch, zog schließlich einfach die Schuhe aus und watete durch den flachen Fluss, da er keine Lust mehr hatte sich einen Weg zu suchen. „Und jetzt?“ Auf der anderen Seite angelangt waren keine Bäume mehr zu sehen, dafür lauter Brombeersträucher… oder waren es Himbeeren? In diesem Licht war das einfach schwer auszumachen, denn nun waren auch die Glühwürmchen verschwunden. Vorsichtig schritt Kaito voran und kam nach einer schier endlosen Zeitspanne auch aus dem Beerengebiet heraus. Wieder stand er vor der Frage wo es weiter ging. Unwillkürlich erschien rechts von ihm ein Weg. Große, weiße Steine, die anfingen zu leuchten, wiesen ihm einen schmalen Weg, der allmählichen zwischen einige Felsen führte. So langsam bezweifelte der Brillenträger, dass er sich noch in der Wirklichkeit befand. Vielleicht war er ja eingeschlafen ohne es zu merken… oder ihm war eins seiner Bücher auf den Kopf gefallen, immerhin hatte er ein Regal über dem Bett hängen… oder aber er war… er war… mehr fiel ihm nicht ein. Aber es waren doch zwei recht plausible Ideen, oder? Und wenn er vielleicht wirklich nur schlief, dann sollte es doch reichen sich weh zu tun… körperlich, nicht solche Schmerzen wie vorhin, wo Juya so geweint und ihm das Herz schwer gemacht hatte. Kurzerhand lief der Sechzehnjährige los, folgte den leuchtenden Steinen bis er zwischen den Felswänden wieder hervor kam und nun vor einer weiten Wiese stand. Sie war übersät mit Blumen, die ihre Blüten geschlossen hatten, immerhin war es Nacht. … Lange konnte sie zwar nicht mehr dauern, aber es war noch Nacht. „So, jetzt brauche ich irgendwas, womit ich mir weh tun kann… zwicken reicht nicht, das hat noch nie irgendwo geklappt“, murmelte er vor sich hin und blickte sich suchend um. Ganz allmählich schien es zu dämmern, da er auch ohne Glühwürmchen schon wesentlich mehr entdecken konnte, als vorhin noch. Er fand schließlich einen Stein, mit dem er sich auf die Hand schlug. „Aua~ verdammte Scheiße!“, fluchte Kaito eine Sekunde später und ließ den Stein fallen, hüpfte sogar vor Schmerz, bevor er auf die schmerzende Stelle pustete. „Na toll, jetzt hab ich mir die Hand umsonst gebrochen, ich schlafe ja immer noch!“ „Ich glaube nicht, dass sie gebrochen ist, dafür warst du viel zu zögerlich“, erklang eine nachdenkliche Stimme links vom Blonden, der sogleich wieder hochschreckte und ein Stück beiseite sprang. „Juya?“ „Aber nicht doch, ich bin doch nicht dieses anhängliche Wollknäuel.“ Kurz hatte Kaito den Eindruck die Worte >bin kein Wollknäuel< zu hören, doch es war niemand, außer die ihm noch unbekannte Person, zu entdecken. Kein Juya weit und breit und auch keine Versteckmöglichkeit, also hatte er es sich wahrscheinlich nur eingebildet. „Sondern?“, erkundigte sich der Jugendliche bei dem Mann vor ihm, der nun etwas näher gekommen war und so erkennen ließ, dass er längere, grüne Haare hatte und über dem rechten Auge eine schwarze Augenklappe trug. Außerdem hatte er auch ein recht traditionell wirkendes Gewand an, für das Kaito allerdings keine Bezeichnung wusste. Er bemerkte aber das Blumenmuster darauf und auch die blumenartigen Ranken, die sich um den linken Arm des Fremden geschlungen hatten und sich an seiner Nähe zu erfreuen schienen. „Die Leute nennen mich Hiragi, kleiner Bücherwurm.“ „I… ich bin kein Bücherwurm!“ Schmollend blies der Blonde die Wangen auf und zog eine Schnute. Er las gerne, das stimmte, aber er hatte die Bezeichnung „Bücherwurm“ schon immer blöd gefunden. „So? Dabei hast du dein Lieblingsbuch jetzt schon so oft gelesen, da dachte ich, dass du ein Bücherwurm sein musst. Was bist du denn dann?“ „Na ein Junge, der gerne liest, mehr nicht! … Aber halt mal, woher weißt du das eigentlich?“ Ein sanftes Lachen erklang von Hiragi: „Ganz einfach, ich weiß alles, was unsere Welt angeht, ich bin doch ein Spielführer. Ich kümmere mich um alle Pflanzen hier bei uns und daher weiß ich auch alles und kann Einfluss nehmen wann immer ich will, daher sehe ich mich selbst als einer der Spielführer an. … Hast du mich denn nie bemerkt? Das enttäuscht mich aber…“ Das Aufblitzen seines türkisfarbenen Auges zeigte jedoch nicht Enttäuschung, sondern eher, dass er sich ein bisschen in seiner Ehre gekränkt fühlte. „Bist du etwa derjenige, der in meinem Buch ein Mal als grüner Erdenmantel bezeichnet wurde?“ „Ah~ du hast also doch meine Existenz bemerkt! Da bin ich aber froh.“ Nun lächelte der Ältere auch gleich wieder, was Kaito ein wenig beruhigte: „Heißt das etwa, dass ich hier in meinem Lieblingsbuch bin? Aber das alles hier kenne ich noch gar nicht. Ich weiß nichts von blühenden Bäumen, die gleichzeitig Früchte tragen, ich weiß nichts von leuchtenden Steinen und Felsen und ich wusste auch nichts von Juya!“ „Ach nein? Wie schade, eben noch dachte ich, dass ich mich in dir getäuscht hätte… schau, du bist hier in der Randwelt des Buches. Wir sind die, die kaum oder gar nicht genannt werden, die sich der Autor aber einst ausgedacht hatte… wir sind diejenigen, denen eine größere Rolle zugedacht und die dann ganz oder fast ganz gestrichen wurden. … Juya ist ein besonders trauriges Exemplar. Eigentlich hätte er an der Seite von Prinz Hisashi leben und ihn begleiten sollen. Mit seinem Schwert und seinen Krallen hätte er ihn beschützen und ihn unterstützen sollen und dann hätte er in ruhigen Momenten von ihm gekrault werden sollen… Am Ende wurde er als überflüssigen Ballast bezeichnet und komplett gestrichen. Seither sucht er ständig nach einem neuen Herrn und Freund, um das Loch in seinem Herzen zu füllen. Traurig, nicht wahr?“ Aufmerksam hatte Kaito der Erzählung von Hiragi gelauscht und fühlte sich nun nur noch schlechter dabei, dass er Juya so direkt abgewiesen hatte. „Er tut mir so leid… und ich war wirklich gemein zu ihm… wenn ich könnte, dann würde ich mich noch mal bei ihm entschuldigen und ihn fragen, ob er nicht vielleicht anstelle meiner Hauskatze, mein Reisegefährte sein möchte. Solange wie ich den Weg nach Hause suche, hätte ich ihn ja kraulen und mich mit ihm anfreunden können.“ „Und warum geht das nicht mehr?“ „Na ja, er ist fortgelaufen und ich weiß nicht wie ich ihn widerfinden soll“, erklärte Kaito schulterzuckend, woraufhin der Grünhaarige meinte: „Du bist eine ganz schöne Trantüte. Als Leser bekommst du echt mehr mit. Dreh dich doch einfach mal um, dann siehst du wie er angestürmt kommt.“ „Hä?“, brachte der Blonde gerade noch hervor, während er sich rumdrehte, als er auch schon von einem blauen Etwas angesprungen wurde. Es war Juya, der ihm mit einem Hechtsprung um den Hals gefallen war und nun zum zweiten Mal auf ihm lag, sich laut schnurrend ankuschelte. „J… Juya? Wo kommst du denn her?“ „Ich bin dir nachgelaufen und ich freu mich ja so über das, was du gesagt hast! Darf ich wirklich deine Reisegefährtekatze sein?!“ Einen Augenblick lang war Kaito immer noch perplex, bevor er den Neko schmunzelnd in die Arme schloss und ihm mit der rechten Hand die Öhrchen kraulte: „Ja, darfst du.“ „Toll!! … Aber Hiragi nehmen wir nicht mit, ja? Der mag mich nicht“, maunzte Juya daraufhin und hob den Kopf, um seinem neuen Gefährten in die Augen zu schauen, wobei er eine kleine Schnute zog und ihn prompt zum Lachen brachte. „Im ersten Moment dachte ich du willst mich umbringen, als wir uns kennengelernt haben und jetzt schaust du mich so an und klebst an mir, das ist wirklich erstaunlich“, schmunzelte der Brillenträger und knuddelte den Kater einfach einen Moment lang übermütig. Dieser war etwas verwirrt, entschied sich aber, dass er gar nicht so genau wissen musste, was sein neuer Besitzer mit seinen Worten meinte. Stattdessen fragte er: „Geht’s dir gut? Tut deine Hand noch sehr weh? Soll ich sie lieber abschlecken?“ Besorgt nahm Juya Kaitos Hand, auf die er sich noch vor einigen Minuten selbst geschlagen hatte und musterte sie. Allmählich dämmerte es nun auch und die Blumen um sie herum begannen ihre Köpfe dem Licht entgegen zu strecken und ihre Blüten zu öffnen. „Nein, nicht abschlecken, der Schmerz ist schon wieder weg. Hiragi hat mich ja gut abgelenkt… er hat mir einiges erklärt, aber ich verstehe immer noch nicht wie ich hier wieder raus komme und nach Hause.“ Hilfesuchend blickte er zum Grünhaarigen rüber, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und auf verschwörerische Weise grinste. „Was hab ich denn davon, wenn ich dir alles verrate und du dich nicht selbst anstrengen musst?“ „Meinen Dank?“, fragte der Jüngere in betont unschuldigem Ton, versuchte ein wenig niedlich zu wirken, denn das hatte schon öfter Wirkung gezeigt. Bei Hiragi allerdings schien es wirkungsfrei zu bleiben. Er zog einfach nur die Augenbraue hoch und fragte: „Soll mich das jetzt wirklich überzeugen? Ein sehr schwacher Versuch.“ „Aber ich hab doch gar nichts, was ich dir anbieten könnte“, seufzte Kaito und lehnte sich gegen den Neko, der ohnehin nicht gewillt schien sich schon wieder von ihm zu lösen. Er hatte im ersten Moment zwar nicht so gewirkt, schien aber in Wahrheit sehr anhänglich und nähebedürftig zu sein, was auch verständlich war, wenn man bedachte, dass er immer alleine war. „Ich wüsste einen Preis. Wenn du bereit bist mir diesen zu zahlen, dann zeige ich dir, wie du von der Randwelt in die richtige Welt des Buches gelangen kannst.“ „Und dann? Da will ich doch gar nicht hin, ich will doch nach … Moment, was geschieht, wenn eine Geschichte zu Ende erzählt ist? Könnte dann ein Buchbesucher wie ich automatisch zurück in seine Welt geschmissen werden?“, fragte der Blonde aufgeregt, woraufhin Hiragi ihm gegen die Stirn schnippte: „Bingo, du bist ja wirklich nicht so blöd, wie du tust. Genau so ist es. Wenn du es schaffst in die Welt des Buches zu gelangen und dich nicht in den Verlauf der Geschichte einmischst, sondern bis zum Ende von allen wichtigen Personen fern hältst, dann kannst du es schaffen das Ende zu erleben und wieder in deine Welt zu gelangen… sozusagen fast von selbst. Es ist aber nicht so ganz leicht die Welten innerhalb des Buches zu wechseln und du benötigst dazu die Hilfe eines Buchbewohners, noch dazu darfst du dich eben nicht in die eigentliche Geschichte einmischen, sonst könntest du alles verändern und zum Schlechten wenden. Vielleicht endet die Geschichte dann niemals und du bist hier für immer gefangen. Stell dir vor der Held schafft es am Ende alle zu retten, du greifst aber ein und er wird getötet, dann kannst du zwar womöglich seinen Platz einnehmen und seine Aufgaben erfüllen, aber selbst wenn du das schaffst, ist es nicht das richtige Ende. Außerdem kannst du innerhalb des Buches nicht zurück. Als Leser kann man immer wieder zurückblättern und an einem Punkt noch mal anfangen, das geht aber als Besucher nicht, die Zeit läuft ganz normal voran so wie in deiner Welt auch.“ Nachdem der Einäugige seine Ansprache beendet hatte, ratterte es noch immer wie wild in Kaitos Kopf, so dass er erst mal gar nichts sagte, sondern einen Moment alles sacken lassen und verarbeiten musste. „Gibt es noch mehr von euch, dir und Juya?“ „Was ist denn das für eine Frage, die gehört doch gerade gar nicht zum Thema!“, fuhr ihn der Grünhaarige sogleich an und stemmte die Hände nun in die Hüften. Man konnte förmlich sehen wie eine Ader an seiner Stirn zu pochen begann. Nun hatte er schon einen so schönen Monolog gehalten und dann lenkte dieser kleine Bücherwurm einfach ab. Er war richtig beleidigt. „Vielleicht nicht unbedingt, aber ich hab gerade über alles nachgedacht, was du gesagt hast“, erklärte Kaito, während er nebenbei von Juya bekuschelt wurde, der dabei wohlig schnurrte: „Ich hab mich gefragt, was passiert, wenn ihr auch mit rüber in die eigentliche Welt des Buches kommt. Geht das? Müsstet ihr euch dann genauso wie ich einfach verstecken um nichts zu ändern oder würde eure bloße Anwesenheit alles auf den Kopf stellen?“ „Daher weht der Wind“, murmelte Hiragi, der gleich wieder etwas runter kochte und sich auch mal ins Gras setzte. „Um ehrlich zu sein weiß ich das gar nicht 100%ig, da mir noch kein solcher Fall unter gekommen ist, aber ich glaube solange wir weiterhin für den Leser unsichtbar bleiben, also nicht in die Hauptgeschichte eingreifen, sollte das keinen Unterschied zu unserer jetzigen Existenz machen“, überlegte er und fuhr sich durchs Haar, strich es sich etwas nach hinten. „Also kann ich Juya mitnehmen, das ist gut. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht nun ohne ihn weiter zu reisen, wo er sich doch so gefreut hat.“ Der Neko schaute forschend zu ihm auf und schmiegte sich dann einfach wieder wohlig seufzend und überglücklich an seinen neuen Herrn. Natürlich lauschte er der Unterhaltung auch während er so schön gekrault wurde, doch er sah keine Veranlassung sich einzumischen. „Und wie komme ich nun von der Randwelt in die eigentliche Welt des Buches? Gibt es da so eine Art Grenzübergang oder vielleicht eine Brücke? Und können wir nur rüber oder auch die offiziellen Figuren aus dem Buch?“ Kaito hatte schon wieder so viele neue Fragen entdeckt und wollte diese am liebsten alle auf einmal beantwortet haben. „Boah, du machst mich fertig. Kannst du auch mal ruhig bleiben? So kann ich dich ja nicht aufklären“, moserte Hiragi und fuhr sich kurz übers Gesicht. „Für den Anfang sollten wir uns vielleicht auch mal für eine Stunde aufs Ohr hauen. Der neue Tag beginnt und keiner von uns hat geschlafen.“ „Aber ich will nicht schlafen, ich will weiter, wir verpassen doch alles und ich muss wieder nach Hause. Ich weiß doch gar nicht wie viel Zeit dort vergeht, meine Eltern werden mich suchen und sich Sorgen machen.“ „Nun, wie es sich in eurer Welt mit der Zeit verhält weiß ich leider nicht, aber ich kann mir nicht so richtig vorstellen, dass sie genauso weiter läuft wie hier… andererseits… hier ist es ja auch so mit dir… schwierig, aber ich kann schon verstehen, dass du zurück willst, immerhin darfst du dich hier in nichts einmischen und nicht mitreisen. Ansonsten würdest du bestimmt nicht so schnell Heim wollen, oder?“, hakte der Grünhaarige interessiert nach, woraufhin sich Kaito allerdings erst mal seine Worte durch den Kopf gehen lassen musste. „Ich würde schon an meine Eltern denken, aber wenn ich schon in meinem Lieblingsbuch bin und dann mitmischen dürfte, dann würde ich die Chance tatsächlich ergreifen, aber wer denn bitte nicht?“, meinte der Blonde und strahlte Hiragi breit lächelnd an, der sich dieser Antwort geschlagen gab. „Du willst also nicht erst noch ausruhen, sondern gleich los, richtig?“ „Ja!“, kam es sofort begeistert von Kaito, der es nun nicht mehr erwarten konnte die Helden aus seiner Lieblingsgeschichte zu sehen. Sicher, er war sich bewusst, dass er nicht mit ihnen sprechen durfte und nicht zu nahe an sie ran durfte, aber er wollte sie unbedingt von weitem anschauen. Das konnte er sich einfach nicht entgehen lassen. „Bist du auch einverstanden, Juya? Oder bist du müde?“ „Nein, ich bin top fit“, maunzte der Neko, woraufhin sich Kaito von ihm löste und aufstand: „Na, dann los!“ „Und wer fragt mich bitteschön? Vielleicht will ich ja eine Pause machen“, murrte der Grünhaarige, der sich immerhin gerade erst gesetzt hatte. „Na keiner. Willst du eigentlich mit rüber kommen? Kaito und ich schaffen das schon alleine.“ „Klappe, Wollknäuel. Ohne mich kommt ihr doch gar nicht weit.“ Kaito rollte mit den Augen und ignorierte das Gemotze der beiden einfach. „Können wir dann?“, wollte er wissen und schaute sich um, sah jedoch nur weit und breit Wiese. „Wo müssen wir lang?“ „Bin kein Wollknäuel“, fauchte Juya anstatt eine Antwort zu geben und zückte schon sein Katana, weshalb Kaito sich dann doch animiert fühlte einzugreifen. „Jetzt hört schon beide auf, ihr seid doch keine Kinder, Mensch ey! Also, wo geht’s lang, Hiragi?“ Allmählich wurde er ungeduldig, denn der erste Schreck war längst verflogen, noch dazu war es jetzt gänzlich hell und er war wild darauf noch mehr zu entdecken. Während Juya und Hiragi sich noch mal giftige Blicke zuwarfen, ging er schon mal einige Schritte voraus, einfach ins Blaue, da er ja noch keine Antwort bekommen hatte wo sie lang mussten. „Du gehst falsch, wir müssen zurück zu den Steinen und dann in den Wald, in einen anderen Wald als aus dem du gekommen bist“, erklärte der Grünhaarige nun doch noch und Kaito kam sofort zurück gelaufen. „Dann los. Machst du den Fremdenführer, Herr Spielführer?“, fragte er verschmitzt und musste einer Kopfnuss ausweichen, strahlte den Älteren frech grinsend an, der nur den Kopf schüttelte und murmelte: „Diese Jugend heutzutage.“ Gemeinsam gingen sie zurück zum Steinpfad, wo Hiragi dem Blonden nun einen versteckten Seitenweg zeigte, der zu einem großen Wald führte. Neugierig schaute sich Kaito um, jedoch war zunächst nichts Auffälliges zu entdecken, es sah aus wie in jedem Wald. Gerade hatte er das gedacht, flog ein Schwarm bunter Vögel an ihnen vorbei, die leuchtend violett-gelb gefärbt waren und dazu schwarze lange Schwanzfedern hatten. Der Blonde schob sich erst mal die Brille zurecht und blickte den exotischen Vögeln nach, die ein wildes Konzert von sich gaben. „Hübsch, nicht?“, meinte Juya und ergänzte noch als Kaito nickte: „Schmecken tun sie auch gut.“ Kurz blickte er den Neko entsetzt an, doch dann schüttelte er schmunzelnd den Kopf. Irgendwovon mussten sie hier ja schließlich auch leben und vielleicht waren diese Vögel für sie wie Hühner in seiner Welt. Eine Weile waren sie unterwegs, drangen immer tiefer in den Wald ein, bis sie schließlich auf eine kleine Lichtung kamen, wo es einen Brunnen gab. „Ist das das Tor?“, wollte Kaito gleich wissen, doch Hiragi schüttelte den Kopf: „Nein, das ist nur ein Brunnen, wir sollten was trinken bevor es weiter geht oder anders gesagt, ich hab einfach Durst und meine Flasche ist leer.“ „Ach so~ der alte Mann hat nur Durst“, maunzte Juya, woraufhin er von seinem neuen Herren in die Seite geknufft wurde. „Du musst auch nicht immer provozieren, momentan sind wir nun mal alle gemeinsam unterwegs … sonst muss ich zur Strafe aufhören dich zu kraulen.“ „Nein! Das ist gemein! Endlich hab ich doch wieder wen der mich krault“, maunzte der Blauhaarige gleich ganz kläglich und fiel Kaito um den Hals: „Bitte weiter kraulen, ich benehme mich auch, versprochen.“ „Okay, okay, ich glaub dir ja“, lachte der Brillenträger und tätschelte ihm den Kopf, bevor er sich wieder von ihm frei machte. „Was trinken ist allerdings gar keine so dumme Idee, ich könnte auch einen Schluck vertragen.“ Gerade wollte Kaito die Kurbel des Brunnens betätigen, um den Eimer darin hoch zu holen, als er merkte, dass gar kein Seil in den Brunnen hinunter führte, er blickte also hinein und schaute dann Hiragi fragend an: „Aber da ist ja gar kein Eimer und auch kein Seil, wie willst du denn an das Wasser herankommen.“ „Na ganz einfach, wie immer eben“, meinte der Grünhaarige und zuckte mit den Schultern, bevor er näher heran trat und seinen linken Arm in den Brunnen hielt. Es war der Arm, der mit Ranken umschlungen war und eben diese wuchsen nun bis hinab zum Wasser und führten drei mit Wasser gefüllte Blumenkelche anschließend wieder hinauf zu ihnen. „Wow, so was kannst du? Ich glaube du bist wirklich ein Spielführer! Ich versteh gar nicht warum du in die Randwelt geschoben wurdest, du hast so tolle Kräfte, aber mit Juya ist es das Gleiche… so ausgearbeitete Charaktere kann man doch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen“, meinte er leise, regelrecht betroffen und trank aus einem der Kelche. „Verstehen können wir es auch nicht“, meinte Hiragi und trank ebenfalls, während der Blauhaarige sich den dritten Kelch nahm und meinte: „Danke für dein Mitgefühl, Kaito, aber fang nicht an uns zu bemitleiden, wir sind was wir sind und können unser Schicksal nicht ändern. Irgendwas hat sich unser Schöpfer schon dabei gedacht, als er entschied, dass wir doch nicht vorkommen sollen.“ So weise und ruhige Worte hätte Kaito nie von Juya erwartet, doch er nickte verstehend, kraulte ihm kurz ein Ohr, bevor er austrank. Nachdem sie getrunken hatten setzten die drei neuen Weggefährten ihre Reise fort und gelangten schließlich zu einem Geflecht aus schlanken, eng beieinander stehenden Bäumen. „Dort ist der Übergang“, erklärte Hiragi schließlich und deutete voraus. Kaito folgte seiner Handbewegung und erblickte einen drei Meter großen Spiegel, er war geformt wie ein Torbogen und stand einfach zwischen zwei Bäumen. Jedoch zeigte er kein Spiegelbild und auch nicht was sich hinter ihm verbarg. Nein, er zeigte lediglich eine Art Schatten oder vielleicht besser einen tanzenden hellgrauen Schleier? Nebel? Kaito wusste es nicht so genau zu definieren, aber er sah schon pompös aus. „Das ist der Durchgang?“, fragte er noch mal und drehte sich zu den beiden anderen um. „Ja.“ „Bisschen klischeehaft oder?“ „Bitte?“, platzte es aus Hiragi heraus, der im nächsten Moment ein finsteres Gesicht machte. „Wenn dir was nicht passt, dann kannst du ja hier bleiben, keiner zwingt dich durch zu gehen.“ „Nun sei doch nicht gleich beleidigt, aber so ein Spiegel als Portal ist doch schon oft vorgekommen, ich meins doch gar nicht böse. Du tust ja so, als hättest du es erfunden“, meinte der Blonde unschuldig und zuckte leicht mit den Schultern, woraufhin Hiragi seinen Arm erhob und grob die Form des Spiegels imaginär in der Luft nachmalte. Im nächsten Moment fingen erneut Ranken an zu wachsen und verwoben sich als Rahmen um den Spiegel, erblühten sogar im folgenden Moment und trugen dunkeltrote Blüten. „Besser?“ Kurz machte sich Sprachlosigkeit breit, ehe ein kleines Quietschen aus dem Mund des Blonden drang. „Das sieht schon viel genialer aus! … Geht man einfach hindurch? Oder muss ich noch etwas beachten? Und kommst du jetzt auch mit uns?“, wollte er dann wissen, während Juya skeptisch an den Blüten und deren Grundlage, die Ranken, schnupperte. Es war ihm einfach nie so richtig geheuer, wenn etwas aus dem Nichts wuchs. „Keine Sorge, sie sind nicht giftig“, meinte der grüne Erdenmantel und nickte Kaito dann zu: „Ja, ich werde euch begleiten. Man kann euch sicher nicht alleine lassen, ihr stellt nur Dummfug an. Außerdem will ich selbst sehen wie es dort drüben wirklich aussieht und ob es stimmt was ich von drüben gehört habe. … So viel wie ich weiß geht man einfach hindurch, doch ich weiß nicht ob man danach wieder zurück kommt…“ „Aber ihr seid euch beide sicher, dass ihr mich begleiten wollt?“, fragte Kaito noch mal, nachdem er sich das Tor kurz angeschaut hatte und wandte sich beiden zu. „Ja“, kam es erstaunlicherweise von ihnen im Einklang, so dass der Brillenträger sich zwischen sie stellte und jeweils eine Hand der Beiden nahm. „Gut, dann gehen wir jetzt gemeinsam hindurch.“ Zusammen schritten sie voran und hielten nicht mehr an, selbst dann nicht, als sie den Schleier anstelle des eigentlich vorhandenen Glases berührten und auch nicht als alles um sie herum schwarz wurde. Sie schritten einfach voran und verschwanden zur Gänze im Spiegel, sahen nicht mehr wie eben dieser im Anschluss in tausende kleine Splitter zersprang und in alle Winde zerstreut wurde. Es war zu spät, ein Zurück gab es nicht mehr und auch wenn dies keiner sagte, auch wenn sie nichts um sich hörten und sahen, nur die Hände ihrer Gefährten spürten, so wussten sie es doch bereits. Es schien ein schier endloser Weg zu sein, den sie durch das Portal bestritten, bis Kaito erneut eine kleine, feine Melodie hörte, die wie die kleine Spieluhr klang, die er einst bekommen hatte. Sie schien ihn regelrecht zu rufen, nein zu locken und führte ihn und mit ihm zusammen Hiragi und Juya in ein gleißendes Licht, so hell wie eben jenes Licht, das ihn in die Welt des Buches gerissen hatte. Was erwartete sie auf der anderen Seite? Welche Abenteuer standen noch aus? Würde er jemals einen Weg zurück finden? Es gab noch endlos viele Fragen die Kaito durch den Kopf spukten, doch sie alle vergaß er in dem Moment als sie das Licht durchbrachen… ~~~~~~~~~~~~~~ Das war das erste Kapitel, ich hoffe sehr es hat allen gefallen, die es gelesen haben ^.~ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Als das gleißende Licht sich allmählich verflüchtigte, stand Kaito plötzlich im Dunkeln. Es war nicht so dunkel wie in dem Augenblick, als er sich in seinem Lieblingsbuch wiedergefunden hatte, nein, es war schwärzer als jede Nacht, die er bisher erlebt hatte. Er konnte die Hand vor Augen nicht erkennen und auch nachdem sich seine Augen eine Weile an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er nichts erkennen. Blind wie er war tastete er sich voran, streckte die Arme weit voran, um nirgends gegen zu stoßen und schlurfte mit den Füßen über den harten Boden. Dem Gefühl nach war es ein Steinboden, uneben, aber hart, also dachte er sich, dass er auf einem gepflasterten Weg sein musste. Nur wo war dieser Weg? Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ihm nichts auf seinem Weg begegnet war, ließ er sich für einen Moment mutlos auf den Boden fallen und spürte Kälte. Er tastete um sich herum und erkannte, dass er recht gehabt hatte, es waren Pflastersteine, auf denen er nun saß und so abenteuerlustig wie er auch war, gerade musste er sich sehr zusammennehmen, um nicht den Tränen freien Lauf zu lassen, die schon heiß hinter seinen geschlossenen Lidern brannten. Es dauerte einen Moment, in dem er einfach nur in die Stille hinein lauschte und auf einen Hinweis hoffte um zu erkennen wo er sich befand, doch es blieb totenstill, er konnte nur seinen eigenen, rasselnden Atem hören. Und wie ihm schien sein Herz, das voller Angst in seiner Brust hämmerte. Schließlich, ohne jegliche Ankündigung durch ein Geräusch oder ähnliches, wurde er von einem harten Etwas getroffen und fiel hintenüber. Es tat gar nicht mal so sehr weh, aber der Schrecken saß tief und so brauchte Kaito einige Sekunden um sich wieder zurecht zu finden, zumindest soweit dies in der Dunkelheit möglich war und aufzustehen. Wild mit den Armen fuchtelnd rief er: „Wer ist da? Was war das? ... Wieso ist es so Dunkel? Wo bin ich? ... Sag doch was!“, schrie er alles hinaus was ihm so durch den Kopf ging, jedoch bekam er keine Antwort. Stattdessen wurde er erneut von etwas Hartem getroffen und regelrecht zur Seite geschleudert. „Was soll das?!“, rief er empört und rappelte sich so schnell es eben ging wieder auf, rannte einfach blindlings drauf los. Er sah immer noch nichts und daher streckte er die Arme soweit es ging vor sich aus, damit er sich notfalls noch bremsen konnte, falls er direkt auf eine Wand oder ähnliche Hindernisse zusteuerte. Doch kaum zehn Meter weiter schlug es ihm plötzlich die Beine weg und er landete der Länge nach auf dem harten Pflasterstein, schmeckte im nächsten Moment etwas Metallisches und wusste, dass er sich die Lippe aufgeschlagen hatte. Der Rest seines Körpers allerdings schmerzte viel mehr und fühlte sich irgendwie taub an. „Geh weg!“, rief er mit gebrochener Stimme, fühlte sich gerade gar nicht mehr neugierig und mutig schon gar nicht, es machte ihm Angst nichts mehr sehen zu können. Noch mehr Angst aber machte ihm dieses geräuschlose Wesen, das ihn immer wieder attackierte und verdammt hart war. Es verschwand immer gleich wieder und schien auch kein bloßer Gegenstand zu sein, sondern einen Körper zu haben, so wie es sich anfühlte, auch wenn Kaito es immer nur kurz gespürt hatte. „Juya? Hiragi? Wo seid ihr?!“, rief er beinahe panisch, doch wieder bekam er keine Antwort, stattdessen sammelten sich feuchte, salzige Tropfen in seinen Augen, die er hastig mit dem Handrücken fortzuwischen versuchte. Es half ja nichts zu weinen, auch wenn er mit Tränen nur zu gerne seiner Verzweiflung Ausdruck verliehen hätte. Panik und Hilflosigkeit schüttelten seinen schlanken Körper und öffneten der Kälte ein Tor. Sie drang tief bis ins Mark ein und ließ Kaito nur noch mehr erschaudern, lähmte ihn regelrecht, bis da plötzlich wieder diese ihm so vertraute Melodie erklang. Sie war das Einzige, was außer seinem schnellen, leicht rasselnden Atem zu hören war und schien ihm einen Weg weisen zu wollen. Zumindest klang es, als würde sie ihn nicht wie zuvor aus allen Richtungen umschließen, sondern nur von vorne kommen. Mit letzter Kraft rappelte sich der Blonde abermals vom kalten Boden hoch und klopfte sich die Kleider ab, denn auch wenn er nichts sah, er spürte den Dreck, den Staub, der auf ihm haftete und wollte ihn einfach nur loswerden, bevor er vorsichtig einen Schritt vor den anderen setzte. Wieder streckte er die Arme weit vor sich, wollte zum Einen gegen kein Hindernis laufen und zum Anderen hoffte er so das unbekannte Wesen im Falle eines Falles vielleicht vorher abwehren zu können, ehe es ihn wieder von den Beinen riss. Es kam ihm vor als hätte er eine halbe Tagesreise hinter sich und fast verlor er schon den Mut, als Kaito endlich eine Veränderung bemerkte. Der Boden war nicht mehr so hart, nein, er wirkte viel staubiger und weicher. Zudem schien auch die Melodie, die ihn den ganzen Weg geleitet hatte immer lauter und deutlicher zu werden. Der kleine Bücherwurm fasste neuen Mut und gleichsam Abenteuerlust, welche im nächsten Moment belohnt wurde, jedoch nicht mit einem gleißenden Licht oder dem Ende eines Tunnels. Eher sich Kaito versah, gab der Boden unter seinen Füßen gänzlich nach und er versank in einem Sandstrudel. Einen Moment lang dachte der Blonde es wäre aus mit ihm, er müsse nun elendiglich unter der Erde ersticken, als sich der Sand um ihn herum verflüchtigte und er sich im freien Fall in der klaren Luft und der strahlenden Sonne wiederfand. Unter ihm war ein riesiger See und kaum dass er ihn erkannt hatte, landete er auch schon in den Fluten. Mit so vielen Umgebungswechseln hatte er nicht gerechnet, noch weniger, als je wieder ans Tageslicht zu kommen, so dass er im ersten Moment sank wie ein Stein. Die Spieluhr erlosch und wieder war Kaito auf sich alleine gestellt, jedoch konnte er schwimmen und fühlte sich nicht mehr hilflos, nun wo er wieder sehen konnte was um ihn herum passierte. Er schwamm zurück an die Oberfläche und spie einen Schwall Wasser aus, bevor er hektisch die kühle Luft einatmete. „Was für ein Höllentrip“, seufzte er tief, dümpelte zunächst einmal auf der Stelle, bevor er die Kraft fand in Richtung Ufer zu schwimmen. Dort zog er sich aus dem Wasser und legte sich erst mal in die Sonne. Er wusste nicht wo er war und er wusste nicht wo Hiragi und Juya abgeblieben waren. Zudem wusste er nicht wie es nun weiter gehen sollte, also ließ er sich hintenüber ins Gras sinken und blickte erschöpft in den Himmel, während ihm eine leichte Brise um die Nase wehte. Er versuchte nachzudenken, doch scheinbar war ein Klippschalter in seinem Kopf umgelegt worden oder irgendetwas war unbemerkt neu verkabelt worden, jedenfalls kam er zu keinem brauchbaren Gedanken, geschweige denn dass ihm ein Plan einfiel wie es nun weiter gehen könnte. Bevor sich Kaito dann versah, war er auch schon vor Erschöpfung eingeschlafen. Sonne kitzelte Kaito in der Nase und ließ ihn niesen, wodurch er geweckt wurde. Blinzelnd versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen und setzte sich schließlich ruckartig auf, als ihm wieder klar wurde wo er sich befand. Er war in seinem Lieblingsbuch! Doch halt… er lag ja gar nicht mehr am Ufer eines Flusses und war auch nicht anders wo in der freien Natur. Nein, er saß auf seinem Bett und trug sogar seinen Schlafanzug, zudem hing ihm die Brille nur schief auf der Nase, baumelte halb herunter, so dass er sie erst einmal richtete und sich verwirrt umschaute. Das konnte doch nicht wahr sein! Sollte er etwa nur geträumt haben? Der kleine Blondschopf konnte es einfach nicht begreifen und er wollte auch nicht glauben, dass er sich das alles nur eingebildet hatte, dafür war es viel zu real gewesen. Seine Träume waren schon oft extrem abenteuerlich gewesen, jedoch nie so real! Kurzentschlossen sprang Kaito auf und eilte rüber zu seinem Fenster, riss es förmlich auf, eher er sich halb hinaus hing und die nähere Umgebung inspizierte. „Das kann doch gar nicht… ich bin wirklich… aber ich war doch gerade noch…“, stammelte er ungläubig vor sich hin, rieb sich kurz die Augen, bevor er noch mal schaute, als könne er sich geirrt haben, doch die Landschaft blieb gleich. „Kaito? Alles klar bei dir? Sieh lieber zu, dass du dich anziehst, sonst kommen wir noch zu spät zur Schule“, rief plötzlich jemand von der Straße zu ihm hinauf und er entdeckte seinen besten Freund Kogi unten am Gartentor stehend. Wie üblich wollte er ihn wohl zur Schule abholen und verstand nicht warum Kaito so konfus dreinblickte. Wie auch? Er konnte ja nichts von seinem nächtlichen Abenteuer wissen. „Kaito?“ Verdattert blickte der Blonde zu Kogi runter und starrte ihn eine gute Minute lang an, so als bräuchte er noch Zeit um zu begreifen, dass er zu Hause war und der normale Alltag anstand, eher er förmlich aufwachte: „Gomen, ich beeil mich. Warte!“ Er schloss das Fenster wieder und eilte an seinen Schrank, suchte sich frische Klamotten raus, mit denen er dann im Bad verschwand. Eine knappe halbe Stunde später eilte er dann mit einem, halbwegs mit Butter und Marmelade beschmierten, Brot im Mund aus der Haustür und warf sie hinter sich scheppernd ins Schloss. „Mensch, das wurde aber auch Zeit, wie lange brauchst du denn? Und was war vorhin überhaupt mit dir los?“ „Ja, tut mir leid, ich bin ein paar Mal in meinen Sachen hängen geblieben oder fast auf die Nase gefallen. Ich kann so was morgens nicht so hektisch“, meinte der Kleinere und fuhr sich durch das leicht abstehende Haar, versuchte es mit den Fingern zu glätten, da er sogar noch vergessen hatte sich zu kämmen. Nebenbei aß er sein Brot auf und richtete am Schluss noch seine Sachen, die doch etwas zu hastig angezogen worden waren. „He~, krieg ich jetzt eigentlich noch eine Antwort?“, fragte Kogi schließlich ungeduldig, denn er wusste immer noch nicht was an dem konfusen Verhalten seines besten Freundes Schuld war. „Ach so, ja… nya… ich weiß auch nicht… stell dir vor, ich hab gestern in meinem Lieblingsbuch geblättert… also ich hab es wieder gelesen und als ich eine Seite umblättern wollte ist mir aufgefallen, dass es irgendwie zwei sein müssen. Die Seitenanzahl war aber korrekt! Jedenfalls hab ich die Seiten auseinander gezogen und dann war da ein riesiges grelles Licht, das mich verschluckt und mit ins Buch gerissen hat!“, erzählte Kaito nun ganz aufgeregt und hibbelte um den Braunhaarigen herum, der skeptisch eine Augenbraue in die Höhe zog. Davon ließ er sich aber nicht verunsichern und erzählte euphorisch weiter: „Jedenfalls waren da lauter merkwürdige Bäume und Landschaften und ich hab Juya und Hiragi kennengelernt“, er erzählte ihm im Schnelldurchlauf wer die beiden waren und was sie vorgehabt hatten: „… und dann bin ich hier in meinem Bett wieder aufgewacht. Das ist doch nicht zu fassen, oder? Da stimmt doch was nicht!“ „Was soll denn da nicht stimmen? Für mich klingt das so als hättest du einfach nur geträumt… vielleicht solltest du mal aufschreiben was du so alles Komisches träumst und daraus selbst einen Roman machen. Wäre bestimmt krass, was da so bei rauskommt.“ „A… aber ich hab das doch nicht einfach nur geträumt“, meinte Kaito verzweifelt, da sein Freund ihm ja offenbar nicht glauben wollte… oder konnte. „Ach komm schon, ich glaub dir ja viel und ich kenne deine Abenteuerlust, aber das ist doch wirklich ein bisschen zu abenteuerlich, als dass ich es dir einfach so vom Fleck weg glauben könnte, findest du nicht?“, fragte Kogi unschuldig und zuckte mit den Schultern. „Tut mir ja auch leid, aber du wirst schon drüber hinwegkommen, dass es nicht echt war. … Wollen wir eigentlich nach der Schule noch was machen? Bissel zocken oder in den Plattenladen?“ „Hm… ich weiß nicht“, murmelte Kaito deprimiert und ließ den Kopf hängen, schlurfte nur noch neben dem Braunhaarigen her, der ihm seufzend die Schulter tätschelte. „Kopf hoch.“ „Hm…“, brummte Kaito nur und schob sich die Brille wieder hoch, die etwas runter gerutscht war. Während des Unterrichts sah der Brillenträger dann die meiste Zeit nur aus dem Fenster und grübelte über seine Erlebnisse der vergangenen Nacht nach. Sollte Kogi wirklich recht haben und es war nur ein verdammt realer Traum gewesen? … Nein! So sehr sich Kaito aber dagegen auch gedanklich sträubte, er konnte nicht abstreiten wieder zu Hause zu sein und normal zur Schule zu gehen und dort alle Freunde und Mitschüler und Lehrer zu sehen. Akzeptieren wollte er es dennoch nicht und so seufzte er tief als der Unterricht endlich beendet war. „Und? Hast du dir überlegt, ob wir noch was machen wollen?“, fragte Kogi ihn auch gleich, woraufhin der Kleinere ihn aus trüben Augen anschaute, fast als wollte er stumm fragen worum es in diesem Gespräch eigentlich ging. Dies brachte seinerseits den Anderen zum Seufzen. „Is ja gut, wir müssen nichts machen, wenn du deiner Fantasiewelt noch so sehr nachtrauerst… aber vielleicht lenkt es dich ja ab“, versuchte Kogi es noch ein letztes Mal, woraufhin sein bester Freund die Schultern zuckte. „Okay, okay… dann gehen wir halt noch in den Musikladen…“ „Plattenladen, heißt das, aber ist ja auch egal, ich find’s klasse, dass du doch noch mitkommst. Das lenkt dich ganz bestimmt auch ab.“ Bis über beide Ohren grinsend griff er nach Kaitos Handgelenk und zog ihn mit sich mit: „Komm, lass uns keine Zeit verlieren!“ Er freute sich wirklich sehr, was daran lag, dass er schon als Kind total verrückt nach Musik gewesen war, dabei war er aber nicht streng festgelegt, was die Musikrichtung anging. Er mochte von allem ein bisschen, teilte sich eben ein bisschen auf, zumindest drückte er selbst das oft so aus. Kaito wusste nicht wie sie es geschafft hatten so schnell in den Plattenladen zu kommen, doch es kam ihm vor als wäre kaum ein Wimpernschlag vergangen seid Kogi ihn mit sich gezogen hatten, als sie auch schon den Laden betraten. „Schau nur, sie haben die neuen CDs reingekriegt“, rief dieser auch gleich enthusiastisch und ließ ihn los, um auf einen Aufsteller zuzustürmen. Der Brillenträger verschränkte daraufhin schmunzelnd die Arme vor der Brust und beobachtete seinen besten Freund einen Augenblick lang ehe er sich selbst auch mal in Bewegung setzte. Gerade wollte er ein wenig zwischen den etwas älteren, reduzierten CDs kramen - wo er oftmals fündig geworden war - als wieder diese gewisse Melodie erklang. Die Musik, die aus den Lautsprechern an den Wänden ertönt war schien dafür verstummt zu sein. „Kogi?“, fiepste er regelrecht erschrocken und wollte auf den Braunhaarigen zustürmen, der jedoch nicht mehr zu sehen war. „Kogi!“, rief er nun fast panisch, konnte jedoch selbst gar nicht erklären warum er ihn so dringend finden wollte… wobei, doch eigentlich konnte er es erklären, er wollte ihm erzählen woher er diese Melodie kannte und ihn fragen, ob sie ihm auch bekannt vorkam. Doch wo war er denn plötzlich hin? „Kogi?!“ „Was schreist du denn so nach mir? Ich bin doch hier“, erklang endlich eine Stimme hinter ihm und Kaito wirbelte herum. „Da bist du ja! Hörst du auch diese Melodie?“ „Was für eine Melodie?“, fragte Kogi irritiert und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Na, die Musik, die hier gerade zu hören ist! Das klingt doch wie eine Spieluhr, oder?“ „Ich hör nix, da läuft doch gerade gar nichts im Radio“, meinte der Größere verwirrt und fing allmählich an sich Sorgen zu machen: „Was ist denn los mit dir? Ist irgendwas passiert? Ist es noch wegen deinem Traum?“ „A… aber… hörst du denn echt nichts?“, fragte Kaito und zweifelte nun selbst allmählich an seinem Verstand, denn er hörte die Melodie ganz deutlich. „Komm, ich glaub wir gehen besser“, meinte Kogi behutsam und griff nach dem Arm des Anderen, wollte lieber mit ihm den Laden verlassen und Heim gehen, doch Kaito schreckte zurück: „Nein! Ich bin doch nicht verrückt!“, rief er und war über sich selbst erschrocken, fasste sich an den Kopf. Was war nur los mit ihm? „Kaito?“ „Kaito?! … Komm zu dir!“ „Kaito, bitte wach auf… Kaito!“ „Hast du das gehört? Da ruft mich jemand!“ „Was? Kaito, da ist niemand sonst außer uns… der Ladenbesitzer ist auch eben mal nach hinten aufs Klo oder sonst was machen. Wir sind alleine. … Allmählich machst du mir echt Angst.“ „A… aber…“, fing er an, als er erneut eine Stimme nach sich rufen hörte und dieses Mal schien ihm als wäre es Juya. Eine zweite Stimme folgte auch gleich. „Kaito!“ „Da… da war es wieder, das sind Juya und Hiragi!“ „Was? Die aus deinem Traum? … Kaito, also…“, hilflos blickte Kogi ihn an, als würde Kaito tatsächlich überschnappen und er wüsste einfach nicht wie er sich verhalten und ihm helfen sollte. „Ehrlich, ich bin nicht verrückt“, versuchte der Blondschopf es mit Nachdruck, jedoch konnte sein Freund einfach nicht das hören, was er hörte. Die Melodie wurde lauter und mit einmal verschwamm Kogis Gestalt vor Kaitos Augen. Für einen Moment dachte er noch, dass er sich vielleicht über die Brille gewischt hatte, als er sie gerichtet hatte, doch dem war nicht so. Die Stimme des Braunhaarigen wurde auch immer leiser und er schien regelrecht von ihm fortgerissen zu werden, bis es für einen Moment komplett schwarz um ihn herum wurde. Das nächste was er sah waren ein Paar hellbraune Kuschelohren, die gespitzt waren und ein Paar leicht feuchte rotbraune Augen, welche umrahmt von langen hellblauen Haaren waren. „Juya?“ „Du bist wieder da!“, maunzte der Neko nun endgültig weinend und fiel ihm um den Hals, gerade als Kaito sich ein wenig aufgerichtet hatte und nun Mühe hatte nicht gleich wieder umzustürzen. „Was war denn los? Ich war zu Hause und ich dachte schon ihr wärt nur ein Traum gewesen! Und… Hiragi?“ Suchend blickte er sich um, als auch schon der Grünhaarige in sein Sichtfeld trat: „Ich bin auch da, Kleiner“, meinte er barsch, aber mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. „Wir dachten schon du willst ewig zwischen den Welten festhängen. Du Dumpfbacke warst nicht zu Hause, du warst die ganze Zeit hier und hast geträumt. Wir sind kein Traum, sondern das, was du erlebt hast seid wir durch den Spiegel getreten sind.“ „Dann… dann war das gar nicht mein Kogi? Und auch nicht meine Mitschüler und Lehrer? Und alle die ich überhaupt getroffen hab? Und was ist mit dem anderen Zeug?“, fragte Kaito aufgeregt, während er die Arme um Juya gelegt hatte, der sich schluchzend an ihn drückte und nun maunzte: „Du bist gleich bewusstlos geworden und wir konnten dich einfach nicht aufwecken… ich hab dich gerüttelt und geschüttelt und sogar ein bisschen gekloppt und nichts! … Dann hat Hiragi dich sogar mit seinen Ranken hoch gehoben und dich ins Wasser getunkt, aber das half auch nichts. Also haben wir dich in die Sonne zum Trocknen gelegt und gewartet, bis wir dich dann eben wieder angefangen haben zu rufen.“ Er beendete seine Erklärung und sein Körper wurde von einem Schluchzer der Erleichterung geschüttelt, was den Brillenträger doch sehr rührte. Scheinbar hatte der Kater ihn wirklich sehr lieb gewonnen. „Dann…“, so nach und nach ergab alles für ihn einen Sinn. „Das ward alles ihr! Was ich geträumt hab, die Dunkelheit, wo ich plötzlich aus dem Nichts heraus geschlagen und geschubst wurde, dann der Fall und der Fluss und dass ich in der Sonne eingeschlafen bin vor Erschöpfung … und dann war ich zu Hause und hab mit Kogi gesprochen, der meinte, dass ich nur geträumt hätte und als ich euch hab rufen hören, da hat er mich angeschaut als wäre ich komplett bekloppt, weil er euch nicht hören konnte… Wahnsinn, was für ein krasser Traum und so lange… wie lange eigentlich?“ „Ein Tag und eine Nacht hast du verpasst“, erklärte Hiragi und reichte ihm eine Frucht, die die Form einer Birne hatte jedoch rosafarben war. Verwundert starrte Kaito das Essen an, welches im gereicht worden war, jedoch wusste er nicht wie er es essen sollte… mit Schale, ohne Schale, mit Kern, ohne Kern? „Kannst du komplett aufessen, außer du magst die Kerne nicht… wie bei einem Apfel, dann kannste die Mitte wegschmeißen. Du hast doch bestimmt Hunger“, erklärte Hiragi als hätte er die stumme Frage erraten. Wie aufs Stichwort knurrte auch schon der Magen des Blonden und er musste ein bisschen lachen: „Scheint so.“ Schmunzelnd und ziemlich erleichtert zurück zu sein und zu wissen, dass es kein Traum gewesen war… zumindest nicht das, was er gedacht hatte, fing Kaito an zu essen. „Hm~ lecker, schmeckt süß und ist saftig.“ „Dann hau rein“, meinte der Grünhaarige, während sich Juya auf Kaitos Schoß niedergelassen hatte und die Ohren hängen ließ. Er schien erschöpft von der Angst und dem Weinen gerade. „Alles gut bei dir?“, fragte ihn der Brillenträger und streichelte dem Neko sanft durchs Haar, kraulte ihm auch ein wenig die Öhrchen. Daraufhin linste dieser zu ihm rauf und nickte schwach: „Ja, ich hatte nur ganz schreckliche Angst… hab dich doch grad erst gefunden…“ Schnurrend kuschelte er sich noch ein bisschen näher und fühlte wie ihm die Streicheleinheiten gut taten, daher schloss er auch entspannt die Augen. „Wo sind wir eigentlich?“ „Jetzt sind wir nicht mehr in der Randwelt, sondern in der richtigen Welt des Buches, wir müssen daher verflucht aufpassen nicht gesehen zu werden“, erklärte Hiragi und löschte eine Feuerstelle, die noch geglimmt hatte und die Kaito erst durch das Löschen überhaupt bemerkte. Sie waren scheinbar im Wald, nahe einer sehr kleinen Lichtung und hatten dort ihr Lager aufgeschlagen. „Iss noch ein bisschen und ruh dich noch ein wenig aus, wir gehen dann nachher weiter… zumal uns einfällt was unser Ziel sein soll.“ Stimmt, jetzt waren sie hier, jedoch hatten sie gar keinen so genauen Plan gemacht wie es nun weiter gehen sollte. Während der Kleine also aß und Juya kraulte dachte er über die nächsten Schritte nach, die ihnen nun bevorstanden. Eine Stunde später kam Kaito zu folgendem Ergebnis: „Wir müssen rausfinden wie weit die Geschichte gerade ist. … Hiragi, du hast gesagt, dass die Zeit hier normal weiter läuft so wie in meiner Welt, also müssen wir rausfinden wie weit die Geschichte ist, um zu wissen wie lange wir uns hier im Hintergrund halten müssen, bis ich zurück kann.“ „Klingt logisch“, meinte Juya, der immer noch bei dem Blonden auf dem Schoß lag und kuschelte. Ganz von seinem Katzenanteil getrieben war für ihn gerade Kuscheln angesagt, immerhin hatte er sich sehr um seinen neuen Freund gesorgt. „Richtig“, stimmte Hiragi nickend zu und erhob sich von einem Stein, klopfte sich die Sachen ab, bevor er den Neko leicht mit dem Fuß anstupste: „Hoch jetzt mit dir, Wollknäuel.“ Sofort legte Juya die Ohren an und fauchte den Grünhaarigen an, weshalb Kaito ihn leicht in den Arm zwickte: „Nicht. Sei nicht so motzig, er hat recht, du musst jetzt aufstehen, sonst kommen wir ja nie hier weg.“ „Och“, murrte der Ohrenträger und schmuste noch mal laut schnurrend seine Wange an seine Brust, bevor er seufzte und aufstand, jedoch nicht ohne Hiragi noch mal mit einem giftigen Blick zu bedenken und zu brummeln: „Bin kein Wollknäuel.“ „Wo lang?“ Fragend blickte der Blonde Hiragi an, der jedoch mit den Schultern zuckte: „Ich kann es dir nicht sagen, ich weiß wohl noch am meisten von allen aus der Randwelt hier über diese Seite, aber ich weiß nicht wo wir lang müssen um irgendwo hin zu gelangen.“ „Kannst du denn nicht die Pflanzen hier fragen?“, kam Kaito eine Idee, die seiner Meinung nach grandios war, was er mit einem überbreiten Lächeln signalisierte. „Ach, das kann er doch hier gar nicht, das ist nicht seine Welt, hier wurde er rausgeschmissen, wie wir alle“, brummelte Juya, war von zuvor noch ein wenig angefressen, weshalb nun auch gleich Kaito einschritt, bevor es noch wieder ausartete: „Hört schon auf zu zanken. Also, Hiragi, was ist nun mit den Pflanzen? Kannst du sie befragen wo wir uns gerade befinden und wo wir lang müssen, um rauszubekommen was aktuell in diesem Land los ist?“ Abwartend blickte Kaito den grünen Erdenmantel an. Dieser seufzte tief, bevor er die Augen schloss und die Arme leicht ausbreitete, die Innenflächen der Hände geöffnet gen Himmel gedreht. Für einen kurzen Moment schien nichts weiter zu geschehen, zumindest ließ sich nichts optisch erkennen, bis sich plötzlich um Hiragis Gestalt eine Art flackernder Rahmen aufbaute. Kaito und Juya staunten nicht schlecht als sich auch noch ein Licht dazu gesellte und den Langhaarigen sehr mystisch wirken ließ, sehr imposant und kraftvoll. So schnell wie es gekommen war, löste sich das Ganze jedoch auch wieder auf und der Blonde fragte augenblicklich: „Und? Konntest du etwas herausfinden?“ „Wir sind hier im Wald südlich des Königsschlosses, ungefähr einen halben Tagesmarsch entfernt. Dort ist jedoch derzeitig niemand zugegen, außer Angestellten. Den Prinzen finden wir in entgegengesetzter Richtung.“ „Weißt du wo genau?“, hakte Juya nach. „Im schwarzen Wald, er ist wohl auf der Suche nach dem Blutmond, um…“, er kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, da Kaito ihm aufgeregt ins Wort fiel: „Um den Kristall von Amanthia wieder aufzuladen? Damit er ihn in das Amulett der Wiederkehr einsetzen kann und mit diesem die weisen Hexenschwestern beschwören?!“ „Gott, du bist wohl wirklich ein extremer Bücherwurm und hast diese Geschichte zum Erbrechen oft gelesen, was?“, fragte Hiragi in einer Mischung aus Bewunderung und Abscheu. „Es ist nun mal mein Lieblingsbuch“, rechtfertigte sich der Blonde und blies unbewusst kurz die Wangen auf, murmelte leicht schmollend: „Ich bin kein Bücherwurm…“ „Hab ich also recht?“, fragte Kaito nachdem er kurz tief durchgeatmet hatte und Hiragi nickte: „Ja.“ „Was bedeutet das? Wie weit ist die Geschichte denn dann?“, fragte Juya und blickte zwischen den beiden anderen hin und her, bis der Brillenträger erklärte: „Noch recht weit am Anfang. Zu Beginn des Buches wird die Welt hier erklärt und einzelne Charaktere aus dem Schloss werden vorgestellt und auch aus dem umliegenden Dorf, zudem Regeln und Gegebenheiten dieser Welt, wodurch klar wird, dass der Prinz die tragende Rolle spielt. … Danach kommt es zur ersten Schlüsselszene, ein Drache wird ins Königreich geschickt, um Unruhe zu stiften und großen Schaden anzurichten, dieser wird von der königlichen Leibgarde und dem Prinzen niedergerungen, woraufhin sein Besitzer, der ehemals verbannte Hexenmeister Ezrael, Rache schwört und Dunkelheit ins Land schickt…“ Kurz schwieg Kaito, weshalb Hiragi das Wort übernahm: „Du meinst die Pest, die er verbreitet hat?“ „Ja, mit Dunkelheit ist gemeint, dass er eine schlimme Krankheit über das Land geschickt hat, die die Alten fast zur Gänze getötet und die Kinder vergiftet hat. Selbst die alten Weisen, die dem Königsgeschlecht immer zur Seite standen wurden nicht verschont. Sie konnten gerademal noch dem Prinzen einen Rat mit auf den Weg geben und ihm das Amulett sowie den Kristall von Amanthia überreichen. Beides hatte seit Jahrhunderten wohlbehütet in der Schatzkammer des Schlosses geruht. Zudem erklärten sie ihm wie er mit der Hilfe der Artefakte die weisen Hexenschwestern beschwören konnte. Wenn sie keinen Rat wüssten, dann wäre das Land verloren.“ Er schloss seine Erzählung. „Du hast ein wichtiges Detail vergessen… die Eltern des Prinzen, König und Königin, sind ebenfalls der Krankheit erlegen und wurden zu Grabe getragen“, ergänzte der Grünhaarige noch betreten und blickte dabei zur Seite, in den Himmel hinauf. Juya hatte gespannt den Erklärungen gelauscht und war nun nicht minder traurig und bedrückt. Sicher hatten sich die Beiden schon so kurz wie möglich gefasst, aber wie extrem musste es erst sein diese Geschichte in all ihren Einzelheiten, in ihren Facetten zu lesen? Oder es selbst zu erleben? Der Prinz tat ihm sehr leid und auch alle anderen Bewohner dieses Landes. Gerade wenn er daran dachte, dass er ihm ursprünglich einmal hatte zur Seite stehen sollen, wurde ihm das Herz schwer und er sehnte sich danach bei ihm zu sein, ihm ein wenig Trost spenden zu können. „Wenn wir jetzt erst ganz am Anfang sind, wo gehen wir dann jetzt hin?“, wollte er schließlich wissen. Einen Moment lang schien es als wollte keiner antworten, bevor Kaito schließlich doch noch Worte fand: „Ich denke… es wird das Beste sein ihnen zu folgen… selbstverständlich in einem gebührenden Abstand, dann erfahren wir immer wie weit sie gekommen sind und da sie im Laufe der Geschichte nie ein zweites Mal an den gleichen Ort gehen - abgesehen vom Schloss - kann uns auch keiner entdecken.“ „Hm, bist du dir auch ganz sicher, dass das ein guter Plan ist? Was, wenn wir doch entdeckt werden?“ „Hiragi~“, seufzte der Blonde: „Wie sollen wir es denn sonst machen?“ „Nun, wir könnten einfach hier bleiben oder uns einen anderen Ort suchen wo der Prinz während seiner Reise nicht hin kommt und dort abwarten. Ich kann doch mit den Pflanzen sprechen, sie werden mir sagen wie weit die Geschichte ist.“ Juya zog eine Augenbraue in die Höhe: „Du willst ernsthaft sagen, dass wir in diese Welt gekommen sind, in der wir plötzlich unerwünscht waren, um Kaito nun zu helfen und uns dann verkriechen sollen? Bin ich blöd? Wenn ich schon endlich hier bin, dann will ich auch was sehen und ich will meinen … also den Prinzen will ich auch sehen. Ich hab mich schon immer gefragt wie er aussieht und wie er so ist und… ich will ihm so gerne helfen! Ja, ich weiß, ich darf nicht eingreifen, aber ich finde Kaitos Plan ihnen zu folgen gut. So bekommen wir wenigstens etwas vom richtigen Geschehen mit und ich komme mir nicht so nutzlos vor. Ich bin kein Landstreicher“, erklärte der Neko und verschränkte die Arme vor der Brust: „Zudem bin ich kein hilfloses Kind, wenn irgendwelche Gestalten auftauchen sollten, die uns was wollen, dann kann ich uns durchaus verteidigen“, ergänzte er noch und zog sein Katana, blickte Hiragi durchdringend mit angriffslustig funkelnden Augen an. „Ach komm schon, du willst doch bestimmt auch viel lieber etwas zu sehen bekommen“, hakte Kaito nach und der Grünhaarige löste endlich seine versteinerte Miene, blickte zur Seite, während er maulte: „Na schön, ihr Nervensägen habt gewonnen… aber wir müssen verdammt gut aufpassen, dass wir von keinem aus der Hauptgeschichte oder dem Gefolge des Prinzen gesehen werden!“ „Ja“, riefen die beiden Kleineren und wollten Hiragi schon vor Freude an hüpfen, doch dieser trat schlichtweg beiseite und meinte zerknirscht: „Lasst das und bewegt lieber euren Hintern, der Prinz ist schon im schwarzen Wald und bis wir dort ankommen bestimmt schon weg.“ „Ist er denn wirklich schon da oder noch unterwegs?“, fragte Kaito ganz unbedarft, woraufhin der Andere nur brummelte: „Auf halber Strecke…“ Er würde wohl noch ein bisschen angefressen sein, weil sie ihn quasi überstimmt hatten und weil sie nicht unrecht hatten, doch nicht lange, eigentlich regte sich der Erdenmantel immer recht schnell wieder ab, was vielleicht an seinem Element lag. Da es eine dreitägige Reise bis zum schwarzen Wald bedeutete und der Prinz bereits die Hälfte des Weges geschafft hatte, mussten sie sich sehr beeilen und ran halten, zudem besaßen sie keine Pferde, Einhörner oder ähnliche Transportmittel. Das Gute für sie war, dass Kaito das Buch in- und auswendig kannte, weshalb er genau wusste wie lange Prinz Hisashi brauchen würde, um das Schloss des Blutmondes im schwarzen Wald zu finden und er wusste auch den genauen Weg, würde also keine langen Umwege machen müssen. So trug es sich zu, dass sie nach einem dreitägigen Fußmarsch nicht erst am Wald ankamen, sondern bereits das beinahe schwarze Schloss direkt unter einem riesigen blutrot gefärbten Mond fanden, in dem sich der Blutmond in seiner wahren Gestalt zeigen würde. Sie kamen kurz vor Hisashi und seinen Leuten an und da Kaito genau wusste wo sich der Mond zeigen würde, nämlich in einem riesen Saal, der einem Thronsaal gleich kam, führte er die anderen beiden die Fassade entlang, so dass sie unbemerkt durch eins der beinahe bodenlangen Fenster schauen konnten. Sogar belauschen konnten sie die gesamte Szene. ~*~ Tief atmete Hisashi noch mal durch, bevor er den thronsaalähnlichen Raum im Blutschloss betrat. „Wer wagt es?“, wurde ihm auch gleich die donnernde Frage entgegengeworfen, die er erwartet hatte. „Hisashi, Prinz dieses Landes und Beschützer aller Menschen, die darin leben“, entgegnete er mit erhobenem Haupt und voller Selbstbewusstsein, auch wenn es in seinem Herzen ganz anders aussah. Für ihn war die hohe Verantwortung, die nun auf ihm lastete, viel zu früh gekommen. Sicher war er in dem Wissen aufgewachsen das Königreich seiner Eltern irgendwann zu übernehmen und sich um das Volk zu kümmern, jedoch hatte er nicht geahnt, dass es so früh geschehen würde und dann noch auf diese bedrückende Art und Weise. „Nun denn, tritt näher, Prinzchen. Was kann ich für dich tun? In mein Schloss kommst du ja sicher nicht nur, um dich als baldigen König vorzustellen und mich auf ein Tässchen Tee einzuladen“, drang erneut die schneidende Stimme an sein Ohr und endlich trat die Gestalt am Ende des Saals aus dem Schatten. Der blutrote Mond in seiner wahren Gestalt präsentierte sich unter den roten Strahlen des Mondes am Himmel. Es war eine zunächst recht zart wirkende junge Dame in einem rosafarbenen Kleid mit rotem und schwarzem Rüschenbesatz sowie schwarze lange Ärmel mit Spitze an den Handgelenken. Dazu trug sie einen ebenso rosafarbenen Hut mit zwei Blüten und einer Art roten Fächerschleife daran. Ihre Haare waren weiß und schulterlang, dazu funkelten ihre roten Augen nur so im Halbdunkel zu ihm herüber und von ihrem Rücken breiteten sich schwarze, lederne Flügel aus. „Blutmond…“, fing er an und wurde sogleich unterbrochen: „Nenn mich Tsuki.“ „Ähm… okay“, meinte der Prinz kurz verunsichert und musste dann einen Moment lang seine Gedanken neu ordnen, bevor er erneut das Wort ergriff: „Tsuki, ich brauche tatsächlich Eure Hilfe. Die Pest ist über unserem Land hereingebrochen. Die Alten sind bereits tot und die Kinder sind vergiftet und ringen mit ihrem jungen Leben.“ „Das ist mir durchaus bewusst und ich weiß auch längst was du von mir erwartest … Kommst hier her, ganz blauäugig, und erwartest ein Wunder von mir… das kann ich dir allerdings nicht verschaffen.“ „Aber… bitte, du bist die Einzige, die den Kristall von Amanthia wieder aufladen kann! Mit ihm und dem Amulett werde ich die Hexen beschwören können. Sie sind noch aus der alten Zeit und wissen ganz sicher Rat. Bitte, Tsuki, Ihr müsst unserem Land helfen!“ Verzweifelt schritt er auf Tsuki zu, diese wiederrum seufzte mit einem Grinsen auf den Lippen. „Ich sagte ich kann keine Wunder vollbringen, jedoch kann ich mit einer gewissen Gegenleistung von dir, mein Prinzchen, schon etwas tun. Genauer gesagt kann ich dem Kristall durch eine Opfergabe wieder Kraft verleihen.“ „Alles was du willst“, rief Hisashi sofort, woraufhin die roten Augen ihn nur noch gieriger anfunkelten und Tsuki ein missbilligendes Schnalzen mit der Zunge verlauten ließ. „Du solltest nicht so leichtfertig Versprechungen machen. Was, wenn ich dein Leben einfordern würde? Wer sollte deinen Platz einnehmen? … Prinz, lass dir das eine Lehre sein, du bist deinem Volk verpflichtet und wenn du dich auf machst es zu retten, gerade dann musst du besonnen und mit kühlem Kopf handeln.“ Der junge Prinz erkannte augenblicklich seinen Fehler und biss sich zerknirscht auf die Unterlippe, fragte schließlich: „Wie soll diese Opfergabe aussehen?“ „Besser! Viel besser, das hättest du lieber von vornherein gefragt… ich will allerdings Gnade vor Recht ergehen lassen.“ Sie ließ ein schrilles Lachen verlauten und schritt auf Hisashi zu, erhob ihre rechte Hand und ließ eine Art… nun, was war es? Zunächst drangen rote Lichtfäden aus ihrer Hand und schienen ein längliches Gebilde zu erschaffen, nur war der Prinz sich weiterhin unsicher was genau es darstellen sollte, davon abgesehen, dass es sehr imposant wirkte. „Was …?“, fragte er verdutzt woraufhin Tsuki grinste und sich kurz über die Lippen leckte. „Das, mein Lieber, ist ein Schwert. Die Klinge ist für dich sicher nicht sichtbar, jedoch solltest du die Umrisse ausmachen und daher die Form erahnen können. Hab keine Angst, ich werde nicht dein Leben einfordern, auch nicht irgendein Körperteil von dir abschneiden und auch keinen Bediensteten oder gar irgendein Tieropfer verlangen. Was ich will ist dein Blut!“ Ihr Lächeln wurde breiter, jedoch vermied sie es erneut laut zu lachen. „Mein Blut?“, fragte Hisashi erstaunt, kam sich im nächsten Moment jedoch fast ein wenig dumm vor, denn irgendwie war es doch recht offensichtlich gewesen, dass der Blutmond als Opfer Blut verlangen würde: „Wie viel von meinem Blut?“ „Oho~, wie ich sehe hast du deine Lektion gelernt… nicht viel, nur ein kleines, süßes Schlückchen, das wird genügen. Also? Bist du mit diesem Handel einverstanden? Du bekommst den Kristall voller neuer Energie und ich bekomme dein herrlich süßes Blut.“ Der Braunhaarige schluckte, jedoch wusste er, dass er das Angebot annehmen musste, wenn er sein Ziel erreichen wollte. „Okay. Einverstanden. Ein wenig Blut von mir für dich und ich bekommen den Kristall von Amanthia voller neuer Energie.“ „Sehr gut“, schnurrte Tsuki regelrecht und erhob das Schwert, rammte es ohne weitere Erklärung geradewegs in die Brust des Prinzen und durchbohrte sein Herz. ~*~ Juya wollte schreien, wollte hinein in den Saal stürmen und den Blutmond von seinem Prinzen reißen. Jetzt wo sie in der richtigen Welt des Buches waren, empfand er eine unglaublich starke Verbundenheit zu Prinz Hisashi und wusste nicht wie ihm geschah als er sah wie dessen Brust durchbohrt wurde. Glücklicherweise hatte Kaito mitbekommen was los war und hielt den Neko zurück, schlang einen Arm um seinen Bauch und hielt ihm mit der anderen Hand den Mund zu, während er ihm zu zischte: „Juya nicht, ihm wird nichts geschehen! Sie tötet ihn nicht!“ „Aber… Nein! Sie greift ihn an!“, rief er zwischen Kaitos Fingern hindurch, versuchte ihn sogar zu beißen, weshalb nun auch Hiragi eingriff und ihn mit festhielt. Im ersten Moment war er auch geschockt gewesen, doch als er die Worte des Blonden hörte, der ja die Geschichte ganz genau kannte, erinnerte er sich an diesen Umstand und vertraute ihm. „Juya, er weiß was er sagt. Hör ihm doch zu!“ Juya fauchte und versuchte sich zu wehren, während der Brillenträger weiter auf ihn einredete: „Juya, dem Prinzen geht es gut. Sie will nur ein wenig Blut von ihm. Er lebt, ihm geschieht nichts, schau doch hin!“ Verzweifelt rang der Blauhaarige nach Fassung und blickte endlich wieder durch das Fenster. Auch für Juya und die Anderen sah das Schwert eher aus wie Lichtfäden, jedoch liefen an ihnen nun dicke dunkelrote Blutstropfen entlang. Hisashi hingegen stand wie angewurzelt da, als wäre er in einem unsichtbaren Netz gefangen und könnte sich nicht rühren. Tatsächlich lähmte ihn die Kraft des Blutmondes, welcher gerade eine Art Ritual mit ihm vollzog. Sie waren einen Pakt eingegangen und es war an Hisashi seinen Teil zuerst zu erfüllen. Sein Blut floss in Tsukis nun halb geöffnete Hand, aus der sie eben dieses sofort trank. Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis sie genug hatte, jedoch täuschte dies, denn sie raubte ihm in Wahrheit nur wenige Milliliter seines kostbaren Blutes. Da er zum uralten Königsgeschlecht gehörte war sein Blut mächtig und unverfälscht, eben deshalb war Tsuki auch so wild darauf gewesen, es verlieh ihr selbst unglaublich viel Kraft. Sie war ein Wesen, das von Blut lebte, daraus ihre Macht schöpfte, allerdings konnte sie es sich nicht wie ein Vampir einfach so einverleiben. Nein, sie war darauf angewiesen mit ihren Opfern einen Pakt einzugehen. Wenn sie Blut wollte, dann musste sie eine Gegenleistung dafür erbringen, jedoch stand es ihr frei auf die Angebote ihres Gegenübers einzugehen oder sie auszuschlagen. „Welch Köstlichkeit“, säuselte Tsuki als sie ihr Mahl beendet hatte und leckte sich ganz genüsslich über die Lippen. Erst danach zog sie das Schwert aus der Brust des Prinzen und ließ es im nächsten Moment wieder in ihrer Hand verschwinden. Augenblicklich konnte Hisashi sich auch wieder bewegen und tastete ganz unwillkürlich seine Brust ab. „Na? Alles noch dran?“, fragte der Blutmond belustigt und streckte ihm die Hand entgegen: „Gib mir den Kristall, ich bin dir noch was schuldig.“ „J… ja“, meinte der Braunhaarige und holte aus seiner Tasche den Kristall von Amanthia, welcher ganz durchsichtig und beinahe nicht zu erkennen war, so rein war das Kristall aus dem er bestand. Mit einem doch etwas mulmigen Gefühl im Bauch übergab Hisashi ihn, woraufhin Tsuki ihn in beide Hände nahm und an ihren Körper führte, während sie ganz ohne ihre Flügel zu benutzen vom Boden abhob. Der Raum hatte eine sehr hohe Decke, so dass sie gut zwei Meter über dem Boden schwebend gerade mal die Hälfte erreicht hatte. Die Weißhaarige zog die Knie an ihren Körper und schien sich mit dem Kristall zusammen zu einer Kugel einrollen zu wollen, während sie allmählich von einem immer gleißender werdenden roten Licht eingehüllt wurde. Ehrfürchtig beobachtete der Prinz das Schauspiel, welches sich ihm bot und torkelte unbewusst sogar ein paar Schritte zurück. Einen Moment lang waren sie alle geblendet, als der Blutmond plötzlich zu pulsieren begann und immer größer zu werden schien, als wolle er alles um sich herum verschlingen. Gerade noch rechtzeitig konnten Kaito und Hiragi den Neko vom berstenden Fensterglas wegreißen und flüchteten sich in den Wald, welcher das Blutschloss umhüllte. „Wir müssen uns verstecken, sie wird gleich über dem Schloss wieder auftauchen“, rief Kaito während sie rannten. Gerade noch rechtzeitig schafften sie es dem roten Licht zu entkommen und sich hinter ein paar recht dicht stehenden Bäumen in Sicherheit zu bringen. Nur Sekunden später erhob sich der Blutmond in neuer Gestalt über seinem Schloss. Er war erneut eine zarte, weibliche Gestalt, jedoch nun mit rosigeren Wangen, langen roten Haaren und einem ebenso rotem langen Kleid. Selbst ihre schwarzen Flügel waren nun zwar immer noch ledern, dafür aber rot. Eine ganz und gar blutrote Schönheit war emporgestiegen und breitete die Arme aus, woraufhin vor ihr, direkt vor ihrer Brust schwebend, der Kristall von Amanthia ebenfalls blutrot, geradezu glühend, erstrahlte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)