Das Mondbüchlein von Jaberwocky (Geschichten die mir in den Sinn kommen) ================================================================================ Kapitel 1: Dummkopf ------------------- Wir fuhren zum Krankenhaus. Mama, Papa und ich. Mama und Papa weinten – vor Freude! Das Krankenhaus hatte angerufen, Jonas ging es schon viel besser. Also durften wir ihn heute besuchen und wieder mit nehmen. Alle unsere Nachbarn wussten was passiert ist. Wir wollten auf den Spielplatz gehen, eigentlich war ich fast schon zu alt für den Spielplatz, aber noch nicht. Mama hatte was im Haus vergessen, da wollte ich noch mal aufs Klo gehen. Jonas lief einfach auf die Straße als ein Auto kam. So ein Dummkopf! Man guckt doch vorher nach links und rechts und wieder nach links! Im Krankenhaus fingen Mama und Papa wieder zu weinen an – vor Freude! Jonas schlief bloß. So ein Dummkopf! Wie konnte er bloß schlafen, wenn alle weinten?! Jonas sah komisch aus, sein Gesicht war total blass. Aber er hatte ja geblutet und da wird man blass. Wie ein Vampir. Ich hab ihm Herrn Max weg genommen. Jonas wacht immer auf, wenn man ihm seinen Plüschaffen wegnimmt. Trotzdem wollte er nicht aufwachen. So ein Dummkopf! Ich hab Herrn Max sogar an seinem Schwanz gezogen, dass hasste Jonas immer total. Weil Mama und Papa viel weinten – vor Freude, kam eine Ärztin zu mir. Ich ging mit ihr auf den Flur. Sie fragte mich wie es mir geht. „Ich will nach Hause“, antwortete ich. Schlafen konnte Jonas doch daheim, hier war es doch blöd. So ein Dummkopf! Sein Bett war auch viel bunter, als das hier – dafür war es aber nicht so breit. Die Ärztin wollte wissen, warum ich Herrn Max bei mir trage, ob ich Jonas vermisse. „Jonas wacht immer auf, wenn man ihm Herrn Max wegnimmt“, erklärte ich. Da musste die Ärztin lächeln und umarmte mich. So eine blöde Ziege! Ich wollte nicht umarmt werden. Da bin ich ihr aus der Umarmung geflutscht und zurück ins Zimmer gerannt. So eine blöde Ziege! Jonas schlief immer noch und Mama und Papa weinten weiter - vor Freude. Wir fuhren Heim, als es schon fast dunkel war. Jonas schlief immer noch. So ein Dummkopf! Sein Kindersitz war doch viel zu unbequem dafür. Ich war heute in die Mitte der Rückbank gerutscht. Im Auto saß Jonas immer links und ich rechts, direkt hinter Mama. Ich hatte ja immer noch Herrn Max in der Hand und der wollte eben zu Jonas. Mit der Pfote des Affen kitzelte ich Jonas unter der Nase und plötzlich wachte er auf! „MAMA! PAPA! JONAS IST ENDLICH AUFGEWACHT“, rief ich fröhlich und musste lachen. So ein Dummkopf! Wieso schlief er bloß so lange? Mama und Papa antworteten erst nicht, dann stimmten sie mir zu und fingen wieder zu weinen an – vor Freude. Ich habe Mama und Papa nie so oft weinen gesehen, wie heute. Jonas war noch sehr müde, er fragte mich, ob ich heute bei ihm im Bett schlafen könnte, mit Herrn Max. Das fragte er so oft, aber sein Bett war so klein und eng. Alleine konnte man da gut drinne' schlafen, aber mit so einem Dummkopf neben dran wurde es echt eng. So ein Dummkopf! Das wusste er nämlich ganz genau. Aber ich sagte ja. Daheim fragten wir dann Mama, die sagte sogar, dass das eine tolle Idee war. Sie wollte wieder weinen – vor Freude, umarmte mich aber. Papa konnte ich nicht fragen. Der hatte seinen Bruder angerufen und ihm erzählt, dass es Jonas wieder gut ging. Er freute sich so sehr, dass er total laut weinte und schrie – vor Freude. Wir hatten doch alle Jonas vermisst! Da wollte ich Jonas umarmen. So ein Dummkopf! Das kleine Wieselchen zog sich schon in seinem Zimmer um. Da drückte ich eben Herrn Max an mich. Jonas trug den Affen so eng mit sich herum, dass er total nach Jonas stank. Aber heute gefiel mir das. Als ich in Jonas' Zimmer ging, da lag der schon im Bett und schlief. Ich legte mich dazu und legte Herrn Max in Jonas' Ärmchen. Jonas' Bett war heute riesig! Ich dachte immer, dass das viel zu eng für zwei Leute wäre, aber es stimmte nicht. Ich hatte wirklich viel Platz. Naja nicht so viel. Jonas schlief ja sofort, aber ich konnte gar nicht schlafen. Ich schlief nur in meinem Bett gut, aber so konnte ich Jonas beim Schlafen zu sehen. Das war schön! Jetzt sah er nicht mehr so blass und merkwürdig aus wie im Krankenhaus. Er schmiegte sich sanft an Herrn Max und war ganz friedlich. Ich wollte ihm einen Kuss geben. So ein Dummkopf! Er musste ja schon schlafen. Da gab ich eben Herrn Max den Kuss. Irgendwann schlief ich dann auch mal ein. Die Nacht träumte ich glaube ich gar nichts. Am Morgen kam Mama um uns zu wecken. Sie sah wirklich blöd aus! Ihr Gesicht und ihre Haare – sie erinnerte mich an eine Hexe. Hoffentlich hätte Jonas nicht Angst vor ihr! Sie sagte, dass es jetzt Essen gäbe und ich kommen solle. Da ging sie schon. Weinte sie wieder? Vor Freude? Jonas schlief noch. So ein Dummkopf! Es gab doch Frühstück und er schlief noch? So ein Dummkopf! Hatte er etwa vergessen, dass er Frühstück liebte? Da weckte ich ihn also, nahm ihm Herrn Max weg und schwupp war er wach. So aktiv war Jonas am Morgen sonst nie. Sonst war er eine Schlafmütze, doch heute wirbelte er aus dem Bett und rannte aus dem Zimmer. So ein Dummkopf! Hoffentlich hatte er daran gedacht auf Klo zu gehen. Ich ging dann auch zum Frühstück. Papa sah auch komisch aus – Mama und Papa redeten auch nicht. Da kam Jonas wieder zu mir. Ich durfte ihm helfen sich auf seinen Platz zu setzen. „MAMA!“, rief ich, „Jonas hat gar nicht seinen Lieblingsteller und kein Besteck und seinen Becher auch nicht“ Ich wurde richtig wütend! Nur weil Mama und Papa schlecht geschlafen hatten, durften sie doch nicht vergessen Jonas Frühstück zu machen. Mama biss sich auf die Unterlippe, das sah komisch aus, aber sie nickte und brachte dann alles. Papa versteckte sich hinter der Zeitung. Der weinte – vor Freude, das hörte man deutlich. Ich setzte mich dann auf meinen Stuhl, schob ihn aber ganz nah zu Jonas' Stuhl. Das mochte ich eigentlich nicht, weil Jonas immer so laut und nervig war, am Morgen will ich nämlich lieber meine Ruhe haben. Aber heute wollte ich neben ihm sitzen. Ich behielt aber Herrn Max bei mir. So ein Dummkopf! Jonas machte so oft Sauerei beim Essen, dass Herr Max manchmal dreckig wurde. Was Mama und Papa heute so redeten, interessierte mich nicht. Ich beobachtete die ganze Zeit Jonas. Er hatte so witzige Ideen und Geschichten auf dem Kasten. Dann trällerte er noch ein fröhliches Liedchen über einen Fuchs der gerne Nutella aß. Ich mochte das Lied nie, aber heute fand ich es wunderschön. So ein Dummkopf! Ich wollte ihm gerade sagen, wie toll er singt, da stieg er von seinem Stuhl. Er fragte mich, ob wir spielen könnten. Mit Jonas zu spielen war immer total doof! Immer ging es um Drachen und Ritter. So ein Dummkopf! Drachen gibt es doch gar nicht. Heute aber spielte ich gerne mit Jonas. Wir bauten seine Burg weiter. Das freute ihn total, durch das blöde Krankenhaus konnte er gar nicht damit fertig werden. Ich wusste gar nicht wie viel Spaß es macht eine Burg zu bauen. Jonas war wirklich kreativ! Was er für Ideen hatte. Da kam plötzlich Papa in das Zimmer. Er hatte schon wieder geweint gehabt – vor Freude. Er fragte mich, ob ich mir Fotos von Jonas anschauen möchte. Da wurde ich total böse. „ICH SPIEL JETZT MIT JONAS“, rief ich wütend und baute sofort an der Burg weiter. Papa sagte nichts, er ging einfach nur. Jonas war böse auf mich, weil ich so blöd zu Papa war. Ich wollte ihn umarmen und mich entschuldigen, da warf er sich in sein Bett. So ein Dummkopf! Da umarmte ich eben Herrn Max. Lange war Jonas nie böse. Deswegen konnten wir danach wieder weiter bauen. Die nächste Nacht verbrachte ich wieder bei Jonas. Wir setzten uns unter seine Decke und machten die Taschenlampe an. Dann kuschelten wir uns eng aneinander, zwischen uns war natürlich Herr Max. Ich las Jonas eine gruselige Geschichte über einen lieben Geist vor. So ein Dummkopf! Da bekam er doch tatsächlich Angst. Ich fand es immer unfassbar nervig, wenn Jonas vor Geistern Angst hatte, da umarmte ich ihn und Herrn Max ganz feste. Da war wieder alles in Ordnung. Mama kam ins Zimmer. Es war schon spät. „Ich muss bei Jonas schlafen, er hat sonst Angst“, erklärte ich ihr. Mama versuchte nicht zu weinen – vor Freude. Das sah ich. Sie gab mir einen Kuss. „Und Jonas?“ Da war Mama schon gegangen, sie weinte – vor Freude. Blöde Ziege! Sie gab Jonas immer einen Gute-Nacht-Kuss. Da gab ich Jonas und Herrn Max eben einen Kuss. Ich spielte wieder mit Jonas. Da kamen ganz viele Leute zu Besuch. Am Morgen kamen meine Omas und Opas. Sie wollten mit mir reden, aber ich wollte lieber weiter mit Jonas spielen. Da redeten sie mit Mama und Papa. Alle weinten – vor Freude. Ob Mama und Papa wohl bald keine Tränen mehr hätten? Ich spielte weiter. Durfte heute sogar die Prinzessin sein und Jonas? Na der war der Drache! Dann gab es Mittagessen. Opa wollte Jonas' Stuhl weg stellen. Zum Glück war ich rechtzeitig da! „DA SITZT JONAS!“, rief ich wütend und sah schnell zur Treppe. Jonas war zum Glück noch nicht da. Da flüsterte ich Herrn Max zu, dass er Jonas nicht sagen solle, dass Opa seinen Stuhl weg stellen wollte. „Jonas braucht auch was zu essen!“, erklärte ich wütend weiter, als Mama ihm schon wieder keinen Teller hingestellt hatte. Opa fragte was, mit mir los wäre, aber Papa sagte, dass alles in Ordnung wäre. Mein Opa war komisch. Die Anderen weinten dann wieder – vor Freude. Mein Opa fand das nicht so toll, er wurde wütend. Worüber ärgerte er sich bloß so? Bestimmt war sein Essen kalt. Als Jonas kam, war Opa im Garten und Papa auch. Sie redeten - bestimmt über kaltes Essen. Ich schob meinen Stuhl wieder zu Jonas' Stuhl. Jonas erzählte mir, dass es Drachenfleisch gäbe. So ein Dummkopf! Das war doch Rindfleisch. Ich konnte ihm aber nicht böse sein, wie sonst, denn heute gefiel mir sein Blödsinn. Später kam Jonas' Erzieherin aus dem Kindergarten zu Besuch. Sie weinte auch – vor Freude. Natürlich redete sie mit Mama und Papa. Ich versteckte mich mit Jonas und Herrn Max auf der Treppe. Wie stille Mäuschen lauschten wir der Frau. Sie erzählte, was für ein tolles Kind Jonas war, wie viel Fantasie er hatte und wie wild er immer war. „Siehst du? Du bist ein oller Dummkopf“, erzählte ich Jonas. Das fand er nicht witzig! So ein Dummkopf! Warum verstand er denn nie, dass ich ihn nur Dummkopf nannte, weil ich ihn so unsagbar lieb habe? Die Frau vom Kindergarten hörte das. Sie fragte mich, ob ich mit reden wolle. „NEIN! ICH SPIEL MIT JONAS“, rief ich die Treppe runter und ging in Jonas' Zimmer. Das war knapp! Bestimmt hätten wir Ärger bekommen, weil wir gelauscht hatten. Ein bisschen später kam die Erzieherin in Jonas' Zimmer. Sie wollte wissen wie es mir geht, aber ich war zu sehr damit beschäftigt mit Jonas zu spielen. Da setzte sie sich dazu und sah uns zu. Das fand ich blöd! Jonas zum Glück auch. Also wollte er lieber in seinem Planschbecken weiter spielen. Das war doch eine tolle Idee! Da rannten wir zusammen aus dem Zimmer, hinaus in den Garten. Jonas sprang natürlich sofort in sein kleines Becken. So ein Dummkopf! Es war doch gar kein Wasser darin. Ich setzte Herrn Max vor dem Planschbecken ab und holte den Gartenschlauch. Es kam kein Wasser raus. Da wurde ich wütend und rannte zu Papa. „PAPA! DA KOMMT KEIN WASSER RAUS“ Er erzählte mir, dass er das Wasser abgedreht hatte. „JONAS BRAUCHT NEUES WASSER FÜR SEIN PLANSCHBECKEN“, rief ich laut. Alle schwiegen. Die Erzieherin von Jonas meinte ich wäre eine gute Schwester. So eine blöde Ziege! Papa drehte dann das Wasser auf. Ich füllte Jonas' Planschbecken, machte ihm dabei aber auch nass. Das liebte er. So ein Dummkopf! Warum stieg er immer nur nackt in seinen Pool? Das war doch eklig! Doch heute störte es mich gar nicht mehr. Ich spielte heute viel mit Jonas, in seinem Planschbecken. Ich ging aber nicht rein, ich blieb lieber draußen, wie Herr Max. Am Abend schlief ich wieder bei ihm. Heute las ich ihm eine Geschichte vor. So ein Dummkopf! Er hörte sie sich gar nicht bis zum Ende an, da war er nämlich schon eingeschlafen. Am nächsten Tag erzählten mir Mama und Papa, dass wir auf eine Beerdigung gehen. So ein Blödsinn! Oma und Opa und die andere Oma und der andere Opa lebten doch noch. Mama und Papa weinten dann wieder – vor Freude. Es wäre Jonas' Beerdigung. Da wurde ich sauer. „DAS IST NICHT WITZIG!“ Ich rannte in Jonas' Zimmer. Er war nicht dort. Ich rannte aufs Klo. Er war nicht dort. Ich rannte zu seinem Planschbecken. Er war nicht dort. Ich rannte zum Esstisch. Er war nicht dort. Ich rannte zu seinem Bett. Er war nicht dort. Ich rannte zu Mama und Papa. Er war nicht dort. „WO IST JONAS?“, rief ich wütend und hielt Herrn Max ganz fest. Mama und Papa erzählten mir, er wäre schon dort. Wo ist dort? Bei der Beerdigung? Natürlich! Jonas ist schon mit Oma und Opa dorthin. Ich war erleichtert. So musste es sein. Jonas ging es doch gut und Jonas war doch auch der Papa von Opa. Genau! Opas Papa Jonas war gestorben! Die Beerdigung war total langweilig. Jonas war wieder da. Es gab für ihn nur keinen Platz. Da saß er auf meinen Schoß. Jonas war echt! Ich wusste es, ich roch ihn doch. Langsam zog ich Herrn Max von meiner Nase weg und legte ihn auf meinen Schoß, also auf Jonas' Schoß. Der Sarg war sehr klein, dafür war ein Drache darauf. Das fand Jonas toll. So einen wolle er auch haben. So ein Dummkopf! „Sag sowas nicht Jonas! Du brauchst keinen Sarg“, flüsterte ich ihm zu. Er war doch noch so klein und hilflos, Gott würde es nicht zu lassen, dass er schon stirbt. Das wäre unrecht. Ich gab ihm einen Kuss, aber der Frechdachs hielt mir flink Herrn Max hin. Da bekam eben dieser den Kuss. So ein Dummkopf! Aber eigentlich war es doch egal. Am Grab weinten wieder alle – vor Freude? Jonas ging es doch gut, das war doch das Wichtigste und der Papa von Opa war schon ganz alt und eh schon tot, also konnte man ihn doch nochmal beerdigen. Hauptsache es war nicht Jonas, nicht der Jonas, den ich an der Hand hielt und in der anderen Hand Herrn Max. Jonas fragte, warum alle weinen würden. So ein Dummkopf! Das war doch glasklar. „Weil es dir gut geht und du gesund bist“, antwortete ich und drückte Jonas an mich, zusammen mit Herrn Max. Es ging ihm doch gut, oder? Ich spürte ihn doch ganz deutlich und der Geruch war doch auch da. Dann gingen wir alle Essen. Niemand sagte was, einigen weinten – vor Freude? Ich sah mich um. Jeder hatte einen Sitzplatz, nur Jonas nicht. Warum vergaßen sie immer den Sitzplatz für Jonas? Was war denn nur los? Ich sah mich wieder um. Wo war Jonas? Eben war er doch noch da! „JOOOOOOOOOOOOOOONAS!“, rief ich und alle sahen mich an. Er konnte doch nicht ohne Herrn Max gehen! Ohne mich! Sofort rannte ich aus dem Restaurant, direkt auf den Hof. „JOOOOOOOOOOOOOOONAS! ES GIBT ESSEN“, rief ich laut und aus tiefster Kehle. Wo war Jonas bloß? So ein Dummkopf! Alle weinten wegen ihm und er war nicht mal da. „JOOOOOOOOOOOOOOONAS“ So ein Dummkopf! Es gab doch noch so vieles was ich ihm sagen wollte. „JOOOOOOOOOOOOOOOOOOOONAAAAAAAAAAAAAAAAAAS“ So ein Dummkopf! Ich habe dich doch so lieb... Kapitel 2: Wer bin ich? Was bin ich? ------------------------------------ Wer bin ich? Was bin ich? „Holt ihn raus!“ Man hatte mich erwählt. Für was? Das wusste ich nicht. Wie Tiere waren wir eingepfercht. Durch eine große Glasscheibe konnten wir in den weißen Raum sehen – von dort wählten sie uns aus. Ein kräftiger Mann trat durch die gläserne Tür ein und holte mich aus diesem Gefängnis. Grob zog er mich vor den Mann, der mich ausgewählt hatte. Was sollte das? Menschen suchten andere Menschen aus? Für was? War das hier eine Art Menschenhandel? „Sie wählen den Neuling? Der muss was Besonderes sein!“, das hatte der eine Gefangene gesagt. Bin ich besonders, weil ich ein Jugendlicher bin? Alle anderen Gefangenen waren viel älter. Ich war in Gedanken versunken, als meine ehemaligen Genossen, hinter mir, an die Glasschreiben schlugen. „DIE TÜR! DIE TÜR“, brüllten sie aufgebracht. Erschrocken sah ich zur Ausgangstür. Sie stand offen! Und mein Käufer telefonierte, während er mir den Rücken zu drehte. Es war meine Chance! Sofort rannte ich los, durch die Tür hindurch. Ich ließ die Anderen zurück, aber ich würde wieder kommen, würde die Polizei informieren. Ich fand mich in einem Wald wieder, einer dieser typischen Laubwälder, mit den breiten Wegen. Das Gebäude stand direkt an einer Straße, trotzdem rannte ich den Waldweg entlang. Ich sah nicht zurück, wollte nicht wissen, ob sie mit Waffen auf mich schießen würden. Einige Zeit hielt ich die Idee für clever, doch dann sah ich zurück. Das Gebäude war noch deutlich zu erkennen! Also würden die Wachen auch mich noch erkennen, ich musste weg! Deswegen rannte ich einfach Quer die Böschung hinauf und verschwand zwischen Bäumen. Während ich so eifrig rannte, bekam ich das Gefühl, dass ich vielleicht schneller als ein Mensch war – zumindest schneller als ein durchschnittlicher Mensch. Zudem spürte ich einen Zeitdruck, eine Klausur stand an, im Fach 'magische Geschichten', dabei gab es solch Fächer nicht. Nach einiger Zeit verließen mich die Kräfte, samt meiner merkwürdigen Gedanken und ich blieb stehen. Ich stand zwischen irgendwelchen Pflanzen, die in Reihen wuchsen, als wären sie Weinreben. Erleichtert wandte ich meinen Blick zurück. Der Weg, den ich genommen hatte, war so zugewachsen, dass meine Verfolger niemals wissen konnten, welchen Weg ich nahm. „In Sicherheit“, lobte ich mich selber und lief den Weg vor mir weiter. Jetzt war es nur noch wichtig, dass ich auf Zivilisation stoßen würde – dann könnte ich die Polizei rufen. Am Ende meines Weges wurde ich jedoch sehr überrascht. Während ich in der Ferne einige Dörfer ausmachen konnte, erstreckte sich vor mir ein gewaltiger Krater, auf dessen Rand ich stand. Die Grube hob sich deutlich von der Umgebung ab, weil sie schneeweiß war. Behutsam richtete ich meinen Blick auf meine Füße und schritt langsam durch die Grube. Ich musste auf die andere Seite und es war von Vorteil hindurch zu laufen. Glücklicherweise musste ich nicht zu tief hinein, da sich der tiefste Punkt links von mir befand. Als ich den tiefsten Punkt meines Weges erreichte, ging ich in die Hocke und sah mir den Boden an. Dieser Krater war eine Düne, das weiße Material war feiner Sand, oder eher Kalk. Erstaunt sah ich zu dem tiefsten Punkt der Düne und machte dort eine sonderbare Formation aus. Dort befanden sich drei Becken, die aus dem feinen Material gebildet worden waren. In der Mitte des Gebildes war das größte Becken, in dieses lief Wasser, aus einem zarten, ungefähr menschenbreiten Wasserfall, der kerzengerade vom obersten Rand der steilen Klippe fiel. Da neben standen etwas kleiner Becken. Alles dampfte sehr einladend. „Eine heiße Quelle?“, wunderte ich mich, „Wie in Japan?“ Ich kannte solch Quellen nur aus Erzählungen und war stolz hier solch einen ruhigen Ort gefunden zu haben. Ungeduldig bahnte ich mir einen Weg zu den Quellen, während ich kurze Strecken sogar rutschte. Bei der Formation angekommen bemerkte ich, dass dieser Ort wohl jemanden gehörte. Um die Becken lagen lauter Decken und auch einige Bilder, die offensichtlich Kinder gemalt hatten. Neben dem rechten Becken, konnte ich sogar eine Tür ausmachen, die direkt in die Klippe führte. Ich beginn also Hausfriedensbruch - es war mir jedoch egal. Sofort zog ich meine Klamotten aus und stieg in das rechte Becken. Das Wasser war herrlich warm. Normalerweise wurde mir bei so warmen Wasser schwindlig. Kaum war ich im Wasser, bemerkte ich, dass sich hinter dem Wasserfall, des mittleren Beckens, eine Höhle versteckte. Sofort kletterte ich in das größere Becken und schwamm hinter den Wasserfall. Dort befand sich ein Fenster, mit bunten Scheiben. Die Tür führte also tatsächlich in eine Wohnung. Hinter dem bunten Fenster konnte ich Einmachgläser ausmachen. Gegenüber von dem Fenster erspähte ich eine weitere Höhle, die zu dem linken Becken gehörte. So stieg ich aus dem warmen Wasser, nur um mich in das andere Becken zu schaffen. Bei meinem Blick zurück bemerkte ich, dass das Fenster plötzlich geöffnet war. Ich bekam Angst. Die Wohnung war bewohnt. Ich beging Hausfriedensbruch. Sofort stieg ich aus dem Becken und versteckte mich an dessen Rand. Wie ein schüchternes Kätzchen spähte ich hervor. Eine blonde Frau sucht die Beckenränder nach einem Eindringling ab. Sie kam meinem schlechten Versteck näher und näher. Meine Angst wurde immer intensiver, aber bevor sie mich sehen konnte, ging sie zu der Tür zurück. Das war meine Chance! Eifrig schnappte ich mir eine der Decken und rannte die Düne hinauf. Als ich meinen alten Weg erreichte, setzte ich mich hin und deckte mich zu. Die gestohlene Decke kam mir dabei viel größer vor, als vorher. Dieser Ort war so schön, aber ich hatte keine Berechtigung zu bleiben. Wenigstens die Nacht wollte ich hier verbringen. Ich legte mich auf den Weg und rollte mich in die Decke. „Xerenas wird dich holen“ Die Decke sprach zu mir. Immer und immer wieder sagte sie, dass mich Xerenas holen würde. Das war nervig, ich schlief doch schon längst. „Xerenas ist auf dem Weg zu dir!“ „Toll, ist das nicht so ein Pokémon?“, dachte ich mir genervt und merkte, wie ich die Düne immer wieder leicht herunter rutschte. Glücklicherweise überschlug ich mich dabei nicht, weswegen ich es widerstandslos zu ließ. In meinem Traum erschien plötzlich eine Gestalt. Sie trug mystische Gewänder und war groß wie ein Mensch, doch ihr Kopf war der blaue Kopf eines Pferdes. Aus dem Kopf der Gestalt ragten zwei Hörner, die schief und im Zigzachs gewachsen waren, weswegen sie sich in der Mitte kreuzten. Über diesem Schnittpunkt glühte ein sanftes Licht. „Du bist kein Mensch“, sprach Xerenas zu mir. „Natürlich bin ich ein Mensch!“ „Nein! Du bist ein kleiner...“ „Nein!“, schrie ich in Gedanken, was Xerenas scheinbar hörte. „verletzlicher...“ „NEIN!“ „Drache!“ „So ein Schwachsinn! Ich bin doch kein Drache!“, brüllte ich, doch in diesem Moment zog Xerenas mit ihren menschlichen Händen eine horizontale Linie in die Luft. Plötzlich erkannte ich mich träumend. Xerenas hob mich hoch. „Waren die anderen Drachen gemein zu dir? Du solltest nicht aus dem Drachengarten abhauen, sonst fangen dich böse Gestalten“ „Ich bin kein Drache!“, rief ich in Gedanken, während ich, „Ich muss doch noch die magische Geschichte 'vom Mausekönig und Rattenkönig' lesen“, sagte. „Oh! Eine schöne Geschichte“, sprach Xerenas und trug mich zu der Tür an den Klippen. „Ich bin kein Drache!“, rief ich wieder und wieder in Gedanken, doch ich hörte nicht auf mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)