The Right-handed Man von Erzsebet ================================================================================ Der Mann mit zwei rechten Händen -------------------------------- Die deutsche Version habe ich selbst erstellt. Als ich auf der Suche nach meinem alten Freund Ole die Gaststätte betrat, erinnerte mich die Atmosphäre dort an eine Geschichte, die ich einmal gelesen hatte: 'Das Café der Untoten'. Der Mann hinter der Bar schien vor Schreck zusammenzuzucken, als ich mich an jenem späten Herbstabend dem Tresen des Etablissements näherte. An den wenigen, im Raum verteilten Tischen saßen bleiche Männer und Frauen, von denen einige gemurmelte Laute von sich gaben, vielleicht um miteinander zu kommunizieren, aber niemand schien irgendetwas zu konsumieren. Sie waren so bleich, daß ich an Kreaturen der ewigen Nacht aus tiefen Höhlen und Felsgängen denken mußte. Es war ein unangenehmes Gefühl, als Fremder in diesem Cafe, bei Dunkelheit und in einem praktisch ausgestorbenen Stadtteil. Hätte ich nicht Ole besuchen wollen, wäre ich sofort zurück in mein Hotel gegangen. Einige Jahre vorher hatte Ole mir eine Postkarte geschrieben, auf der er kurz die Umstände seines letzten Verschwindens skizziert hatte und mich in sein neu eröffnetes Café einlud. Ich war damals arbeitslos, daher schrieb ich nur zurück, daß ich ihn besuchen würde, sobald ich mir die Reise leisten könnte. Und nun stand ich in seinem Nachtcafé - zumindest dachte ich das - und sah mich nach seiner auffälligen Erscheinung um. Aber der Mann hinter der Bar, der kaum gesünder als seine Gäste aussah, war kein aschblonder Zwei-Meter-'Wikinger', sondern eher klein, schwarzhaarig und offensichtlich ein Latino. Also bat ich ihn, den Besitzer des Cafés zu rufen, da sein alter Freund aus Europa ihn besuchen komme. Der Mann musterte mich eine Weile. "Suchen Sie Kyle Montana?" Ich öffnete den Mund, aber schloß ihn gleich wieder. Ole hatte mir vor annähernd fünf Jahren geschrieben, also war es nicht wirklich überraschend, ihn nicht anzutreffen. Vielleicht wohnte er nicht einmal mehr in dieser Stadt. Ich setzte mich an die Bar, bestellte ein Bier und überlegte, ob ich nicht doch ein wenig bleiben sollte, um die fast pittoresk zu nennende Kundschaft eingehender zu betrachten. Als der Barmann mir mein Getränk hinstellte, fing er meinen Blick ein und schüttelte dann fast unmerklich seinen Kopf. Er dachte ganz offensichtlich darüber nach, mir ein paar Informationen zu geben - oder vielleicht einige von mir zu bekommen. "Ich bin der einzige Inhaber dieses Ladens", sagte er nach ein paar Sekunden. "Ich habe das Haus vor einigen Jahren von der Stadtverwaltung gekauft, weil der vorherige Besitzer es vernachlässigt hatte. Sein Name war Nielson oder so. Sechs Monate nach seinem Verschwinden ist das Haus versteigert worden und ich war der Glückliche, der den Zuschlag bekam." "Also wissen sie nicht, wo Ole Nielsen ist", schloss ich daraus. Wieder einmal hatte ich ihn verpaßt, aber diesmal war ich Jahre zu spät. Wie richtig ich damit lag, wußte ich in dem Moment noch nicht. Der Besitzer ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, seine Augen verharrten dabei einen winzigen Moment länger auf der im Schatten liegenden, hintersten Ecke. "Also ich denke, er liegt auf irgendeinem Friedhof, der Ole Nielsen, den Sie suchen." Ich konnte nicht verhindert, daß ich nun auch zu dem Mann in der hintersten Ecke schaute. Er hatte sehr dunkle Haut - zu dem Zeitpunkt dachte ich, daß es die Abwesenheit einer Lampe war, die ihn so dunkel wirken ließ - und hielt ein Glas Bier in der rechten Hand. Er war fast kahl und wirkte fett wie er da so saß, aber ich erkannte, daß er eher athletisch war, als er seinen Platz ein paar Sekunden später verließ. Der Mann ignorierte mein Starren und nippte an seinem Bier. "Was hat dieser Mann mit Ole Nielsen zu tun?" "Äh, nun... nichts... er ist ein bißchen seltsam, der Mann mit zwei rechten Händen, wissen Sie. Und ich denke, er ist der einzige hier, der den vorherigen Besitzer kannte. Aber er regt sich schnell auf - insbesondere wenn jemand über... Nielsen spricht." Wieder ein fast ängstlicher Blick in die hinterste Ecke. Das mit der Aufregung über Ole klang nachvollziehbar. Der 'Mann mit zwei rechten Händen' ließ sein halbes Bier stehen und ging zu den Toiletten. "Hallooo, mein Name ist Rosa. Wer bist du?" Ich drehte mich um zu der sanften Stimme hinter mir. Eine der bleichen Frauen hatte sich an die Bar gesetzt, direkt neben mich. "Hallo, ich bin Justus. Nett, Sie kennenzulernen. Möchten Sie etwas trinken?" Bleiche Lippen lächelten mich an, große dunkle Augen wollten mich verschlingen. "Nicht jetzt, herzlichen Dank", sagte sie. "Und wieder Pech gehabt", antwortete ich und lächelte zurück. "Oh nein! Das ist nichts, was ich 'Pech' nennen würde. Wissen Sie, Isaak da drüben", und sie zeigte mit ihrem dürren Finger auf einen der bleichen Männer, "der könnte Ihnen etwas über Pech erzählen. Vor ungefähr zwei Jahren hat er genau hier, in diesem Café, eine vertrocknete linke Hand gefunden, abgeschnitten am Handgelenk. Und ein paar Stunden später hat er einen Finger seiner eigenen linken Hand verloren. DAS war Pech, denn er ist Linkshänder - und Künstler." Zu dem Zeitpunkt interessierte mich Rosas verrückte Geschichte nicht, sondern ich schaute wieder in die dunkle, hinterste Ecke. Der 'Mann mit zwei rechten Händen' war zurück am Tisch. Er trommelte jetzt darauf mit seinen acht Fingern, vier dunkelhäutigen und vier hellhäutigen, dann stand er auf, legte ein paar Münzen auf den Tisch und verließ das Café. Die ganze Zeit hatte seine linke Hand meinen Blick gefangen, weil sie so seltsam aussah. Damals dachte ich nur, das es wegen der offensichtlichen Pigmentstörung war, jetzt weiß ich, daß der Daumen auf der falschen Seite war. Als ich mich zu Rosa umdrehte, war sie zurück zu ihrem Tisch gegangen, an dem auch Isaak und ein anderer Mann saßen. Also trank ich aus, zahlte und ging. * Am nächsten Morgen ging ich in das Archiv der örtlichen Zeitung. Mein Flug hatte Verspätung und ich mußte noch ein paar Stunden herumbringen, daher hatte ich vor, die Geschichte von Oles Scheitern als Wirt seines Nachtcafés herauszusuchen. Ich war sicher, daß ich irgend etwas finden würde, denn zu seinen Mißerfolgen führten regelmäßig eigene oder fremde dreckige Geschichten, die Ole einholten - meistens beides. Und ich fand tatsächlich was. Oles Körper war verstümmelt, als sie ihn fanden - ungefähr acht Monate nach seinem Verschwinden. Seine linke Hand war fast zur Unkenntlichkeit zerstückelt gewesen und seine rechte Hand wurde nie gefunden. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)