Backkunst von Leine ================================================================================ Kapitel 1: Die Nacht -------------------- Als Emmet aufwachte, war es dunkel und kalt. Ungewohnt kalt. Er tastete blind seine linke Seite ab. Kurz hob er sich an, verschlafen schaute nochmal auf das Bett. Auch wenn er nichts sah, bis auf die dunklen Umrisse, wusste er, dass etwas fehlte. Seufzend ließ er sich wieder ins Bett fallen. Draußen hörte er dicke Regentropfen gegen das Fenster klopfen. „Nicky?“, fragte er. Stille. Keine Antwort. Einzig der Regen war zu hören. Seine Augen taten weh und er rieb sich das Gesicht. Wo war sie nur? Sie raubte ihm wirklich manchmal den letzten Nerv. Hoffentlich hing sie nicht wieder über der Kloschüssel, wie in den letzten Tagen. Anfangs war sie ihm gar nicht aufgefallen. In der Schule kannte man sie. Klar. Wer nicht? Doch er war niemand der ihr sabbernd hinterher schaute und von ihrem kleinen Anteil vom Veela-Blut den Kopf verdrehen ließ. Sie waren beide im selben Haus untergebracht und wirklich Beachtung schenkte er ihr nicht. Aber an ihre Kratzbürstigkeit, die er in den ersten Jahren zu spüren bekam, konnte er sich noch gut erinnern und war für ihn abschreckend. Da konnte ihre Schönheit noch so viel wettmachen. Er schwang seine Beine über die Bettkante und ließ zweimal sein Nacken knacksen. Kaum wahrnehmbare Geräusche hörte er vom Weiten. Doch von wo diese kamen, konnte er nicht ausmachen. Er seufzte. Wahrscheinlich konnte sie wieder nicht schlafen. Im dritten Jahr war sie dann ein Nervenbündel. Er hoffte inständig, dass dies nicht vererbbar war. Denn wenn seine Nicky sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie von der Sache nicht mehr abhalten. Damals im dritten Jahr hang sie ständig an seinen Fersen und redete auf ihn ein. Nur weil sie ihn einmal auf dem Besen fliegen sah, als er mit Franky auf dem Quidditchfeld paar Runden spielte. Emmet musste leise lachen. Sie gab einfach nicht auf. Der Sturkopf redete während den Pausen, schrieb Briefe im Unterricht und setzte protestierend bei den Essenszeiten neben ihm. Bis er nachgab und zu diesem Probetraining für das Quidditch-Team ging. Sie war wieder friedlich und flauschig, und er hatte einen Platz als Hüter im Team. Als es bekannt wurde, dass er der Hüter war, konnte sie es sich nicht verkneifen, etwas zu prophezeien: ‚Mit dir gewinnen wir jedes Spiel.‘ Das erste Spiel hatten sie wirklich nicht verloren. Dafür das Zweite. Man musste erwähnen, dass die Weasley-Delacour ein A wie Annehmbar in Wahrsagen hatte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ab da an war sie nicht mehr das kratzbürstige und vorlaute Nervenbündel, das er in ihr sah, sondern eine Teamkameradin. Eine Teamkameradin, die versuchte es jedem recht zu machen. Stöhnend stand er auf und seine Knie knacksten dabei. „Wo steckst du nur?“, murmelte er vor sich hin. Emmet schnappte sich sein T-Shirt und zog es über. Schlürfend verließ er das Schlafzimmer. Ein Blick ins Bad. Erleichterung machte in ihm breit. Dort war sie nicht. Weiter geradeaus und er gelang in die Küche. Verwirrt schaute er sich im Dunkeln um. Dann hörte er wieder etwas scheppern und es verriet ihm, wo sie war. Er streckte sich und stieg die Treppen hinab. Zur alten Backstube. Licht drängte sich an der angelehnten Tür vorbei und beleuchtete den Flur nur spärlich. Leise schob er die Tür auf und lugte rein. Da war sie. In voller Pracht. Mit Mehl übersäht. Die Haare, die einst zu einem unförmigen Dutt zusammengebunden wurden, sahen nun aus wie ein Vogelnest und standen überall ab. Ihre Wangen leicht gerötet und sie war in ihrer Arbeit so vertiefte, dass sie ihn nicht bemerkte. Für ihn ein Abbild einer Göttin. Ein Sonnenschein bei Dauerregen. Er wusste zwar nicht was sie geritten hat, mitten in der Nacht zu arbeiten. Aber er liebte es ihr dabei zuzusehen. Dann fielen ihm die richtigen Worte ein. Einst hat sie ihm dieselben gesagt. Es war im Fünften Jahr, als sie sich zufällig nach Mitternacht in der Küche von Hogwarts trafen. „Hey, was treibt dich mitten in der Nacht in die Küche? Hunger?“ Er schrak auf und starrte sie mit großen Augen an. Die junge Dominique stand paar Meter von ihm entfernt und begutachtete ihn genau. Sein Gesicht war bestimmt mit Mehl verschmiert. Genauso wie seine kompletten Klamotten. Seine Hände waren wie erstarrt im Teig verschwunden. Emmet starrte sie nur wortlos an. Kein Murks kam über seine Lippen. Noch nie hatte ihn jemand so vorgefunden. Peinlich berührt starrte er den Klumpen Teig an. Sie neigte ihren Kopf, um an ihm vorbei zu lugen. „Und?“, fragte sie ihn nochmal. Da er immer noch nicht antwortete. Räusperte ein Elf und setzte an: „Mister Hawkins kommt jeden zweiten Abend her und backt das herrlichste Brot der Schule! Mister Hawkins hat Talent.“ Und der Elf trug ein Blech mit Teiglingen davon. Dominique lächelte breit und ging näher auf ihn zu. „Ach wirklich, Matt? Du backst?“ Es hörte sich nicht abfällig an. Eher überrascht. Emmet drehte sich von der Blondine weg und knete weiter den Teig. „Ja, was dagegen?“, murrte er nur. Er hatte seinen Panzer hochgefahren, obwohl er es innerlich gar nicht wollte. So oft wurde er belächelt, als er erzählte dass er das Backen über alles liebte. Er legte seine ganze Kraft in den Teig und versuchte Dominique zu ignorieren, vielleicht ging sie dann wieder. Doch seine Hoffnung ging zunichte, als sich die Weasley-Delcaour zu ihm gesellte und sich auf die Arbeitsbank setzte. Ihre Augen folgten seinen Bewegungen. Lange schwieg sie. Kein Wort kam von ihr und dabei beruhigte sich Emmet innerlich. Das Durchkneten der Teige gab ihm ein Gefühl der Zuflucht und Geborgenheit. Irgendwann vergas er auch, dass Dominique neben ihm auf der Arbeitstheke saß und ihm zuschaute. Bis ein überraschendes lautes Geräusch von ihr kam, hob er ruckartig den Kopf. In ihrer Hand war ein kleines rustikales Brötchen, von dem schon ein Stück fehlte. „Mann! Die sind gut!“, sprach sie mit vollem Mund. Wahrscheinlich hatte einer der Elfen ihr eins seiner frisch gebackenen Brötchen gegeben. Er blickte in ihre Augen und erkannte das bezaubernde Strahlen, von dem alle schwärmten. Es erwärmte ihn, als würde er gerade ein Brot aus dem Holzofen holen. Er schaute weg. „Danke“, murmelte er und teilte den Teig in drei gleichgroße Stücke um daraus drei Leibe zu formen. Diese Brötchen war eins seiner Eigenkreationen. Dominique sprang von der Arbeitsplatte, nahm noch einen Bissen und lief um ihn herum. Sie begutachtete seine Arbeit von heute. Ein dutzend Leibe und zwei Körbe voller Brötchen. „Hey das, kenn ich!“, sagte sie und nahm ein dunkles großes Brot in die Hand. „Das ist mein Lieblingsbrot. Machst du etwa für uns Schüler das Brot?“ Emmet spürte wie seine Ohren glühten. „Ja, ab und zu“, sagte er knapp und blickte wieder zu ihr. Langsam taute er auf. Die Blondine legte das Brot wieder auf das Blech und lief zu ihm, lehnte sich neben ihm gegen die Arbeitsplatte. „Machst du auch Kuchen? Ich liebe Kuchen. Vor allem Himbeerkuchen“, plapperte sie los und schaute ihm zu, wie er die drei Leibe mit dem Messer einritzte. Er lachte in sich. „Kuchen? Ne. Das ist kein Backen. Mit dem Zauberstab rumwedeln und die Zutaten dazu. Fertig ist ein Kuchen“, sagte er und strich sich der Schweiß mit dem Handrücken fort. Er wandte sich zu ihr. „Backen ist Handarbeit ohne Magie.“ Sie schaute ihm in die Augen. „Du hast recht.“, bestätigte sie und lächelte ihn an. „Aber einen Kuchen zu kreieren, das ist auch Handarbeit. Ich beweis es dir irgendwann mal.“ Sie klopfte ihm gegen seinen muskulösen Arm und schlenderte an ihm vorbei. Er blickte ihr nach. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Irgendwie mochte er sie. Kurz bevor Dominique am Ausgang war, drehte sie sich nochmals um. „Ach ja, das Brötchen hier“, sagte sie und zeigte ihm das rustikale Brötchen, „Mach die öfters. Die gehören ab sofort zu meinen Lieblingen.“ Nach diesem Abend kam Dominique immer mal wieder zur Küche und sah ihm zu wie er das Brot backte. Irgendwann einmal wurde es regelmäßig und dann aus einem Regelmäßig ein Immer. Emmet musste grinsen, als seine Frau zusammen fuhr und hektisch wurde. Schneebesen flogen klirrend in die Metallschüssel und ein Schwenk mit dem Zauberstab flog alles Dreckige scheppernd in die Spüle. „Matt!“, murrte sie, drehte sich so um, damit sie ihr Werk verdeckte. Ein Lächeln zeigte sich auf ihre Lippen, als sich ihre Blicke trafen. Tadelnd waren seine Blicke auf sie gerichtet und sie wusste sofort weshalb. Umso größer und gespielter wurde ihr Lächeln. „Was treibst du so spät hier, Nicky?“, fragte er nun trotz alledem und ging auf sie zu. Die Blondine versuchte mit ihrem Zauberstab ihr Geheimnis zu wahren und das Etwas verschwinden lassen, doch Emmet kam ihr zu vor und unterbrach sie. „Zeig mal“, lachte er und schob sie sachte weg. Sie wehrte sich und gab ihm einen Klaps auf den Arm. „Nein! Er ist noch nicht fertig!“, zischte sie. Doch es brachte nichts, gegen ihn war sie zu schwach. Emmet legte ihr nur einen Arm um die Hüfte und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Der sieht ziemlich ramponiert aus“, kommentierte er das gute Stück. Vor ihm stand ein mehrschichtiger Kuchen mit Himbeeren verziert und hatte eine schöne Ausbuchtung. Wahrscheinlich hatte sie sich erschreckt und ihre Hand war ausgerutscht, denn der Kuchen sah aus als ob er eine Faust abbekommen hatte. „Ich weiß, das ist auch deine Schuld. Du solltest ihn noch gar nicht sehen“, sprach sie schmollend und warf ihm einen bösen Blick zu. Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf. „Weshalb?“ „Weil du morgen Geburtstag hast, du Troll. Ich habe dir doch versprochen, dass ich dir mal einen Kuchen mache, von dem du sagst, dass der nicht daher gezaubert, sondern gebacken ist!“ Die Blondine stemmte herausfordernd ihre Fäuste gegen ihre Hüfte. Stimmt, dass hatte sie vor Ewigkeiten versprochen. Ihr Blick sagte mehr als tausend Worte. Es war eine Herausforderung, wenn er schon hier war, kann man es ja gleich amtlich machen. Er nahm die Herausforderung an und trat einen Schritt näher zu ihr. Er zog seinen Zauberstab und zwei Gabeln und Kerzen kamen angeflogen. Die Kerzen flammten auf. Im Flug schnappte Emmet die Gabeln und reichte eine davon seiner Frau. Als ob sie schon die Siegerin wäre, lächelte sie ihn diebisch an. Als er die Gabel in den luftig lockeren Kuchen stach und einen guten Bissen davon in einen Mund schob, gab es eine Explosion. Eine Explosion in seinem Mund. Der Biskuitboden hatte eine leichte Säure. Wahrscheinlich Zitronenschale. Im Abgang eine leichte Süße, nicht zu viel. Die Himbeere gab die erforderliche Frische und die quietsch-rosa Sahne die Schwere, die der Kuchen brauchte. Er könnte meinen, sie habe sogar geschmolzene weiße Schokolade in die Sahne miteingearbeitet. Einfach gut. Sein Herz machte einen Hüpfer. Es war gut. Nein, es war Backkunst. Ein Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen und er nickte langsam, blickte in ihre meeresblauen Augen. Hoffnungsvoll blickte sie ihn an. So leicht wird er sie nicht erlösen: „Nicht schlecht.“ Empört öffnete sie den Mund. „Nicht schlecht?“, sagte sie fassungslos, „Der Kuchen ist gut! Nein mehr als gut! Ich hab heute endlich das perfekte Gleichgewicht gefunden. Die weiße Schokolade und die Zitronenschale. Ich stand den ganzen Abend hier un-“ Bei ihrer Verteidigungsansprache musste sie einmal Luft holen, da küsste er sie auf den Mund. Damit sie sich beruhigte. „Ich weiß, Nicky. Er ist perfekt. Reg dich nicht zu sehr auf“, sagte er und stieß seine Stirn gegen ihre. Ein böser Blick traf ihn. Da war der Hauch Veela-Blut in ihr. Das kleine Biest. „Nicht so sehr aufregen. Du bist gut! Ich steh‘ mir meine Füße wund und du ziehst mich auf. Wie soll ich mich da nicht aufregen.“ „Mir einfach keinen Kuchen machen. Und schon haben wir den ganzen Stress nicht“, erklärte er schulterzuckend. „Ich bin Konditorin, Matt. Da muss ich dir einen Kuchen als Geburtstagsgeschenk machen“, erklärte sie ihm mit einem tadelnden Blick. Ein Seufzen entrann ihm aus der Kehle. Er legte einen Arm um ihre Hüfte und eine Hand auf den Bauch. Tief blickte er in ihre Augen, die er so unendlich liebte. Bei dieser Geste änderte sich ihr empörter Blick schlagartig. Weich und nachgiebig. In dem Moment könnte man meinen, dass man drei Herzen schlagen hörte. „Das größte Geschenk machst du mir bereits.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)