kyou no oyatsu von LennStar ================================================================================ Kapitel 4: Donnerstag, kann, Niederländer ----------------------------------------- „Oh nein, das kannst du doch nicht tun!“, rief Eri mit erstickender Stimme. „Donnerstags kommt doch immer der Niederländer! Das kannst du einfach nicht tun!“ Der Niederländer – damit meinte sie den Käsewagen, der einmal die Woche pünktlich kurz vor Mittag mit einem recht beeindruckenden Sortiment an Milchprodukten in unser Dorf kam. Eigentlich war es gar kein Niederländer. Der quirlige Mittvierziger war gebürtiger Belgier aber zu Recht der Meinung, dass man als Belgier zwar gut Schokolade, aber nur schlecht Käse verkaufen konnte. Also hatte er seine Nationalität um ein paar wenige Kilometer geändert und war zum Niederländer geworden. Also eigentlich Holländer. Denn der Belgier wusste auch, dass wir Deutschen nicht imstande sind zu verstehen, dass zwar alle Holländer Niederländer sind, aber nicht alle Einwohner der Vereinigten Niederlanden aus dem ehemaligen Staat Holland kommen. Nur hatte er nicht mit Eri gerechnet, die immer darauf bestand diese Unterscheidung zu machen, obwohl sie aus keinem der betroffenen Staaten stammte, sondern in der Schweiz aufgewachsen war. Als Schweizerin wiederum legte sie durchaus Wert auf Käse, wobei es ihr egal war, ob dort besonders viele und große Löcher drin waren oder nicht. Auf jeden Fall bestand sie auf ihrer wöchentlichen Ration des in so vielfältiger Gestalt daherkommenden Milchproduktes. Von daher war sie sehr betrübt, dass ich diesen Donnerstag nicht wie üblich am Vormittag zu Hause sein würde, um den Käse zu besorgen. Ich weiß nicht, ob das bei allen Schweizerinnen so ist, aber meine hatte ein Talent zum Dramatischen, das durchaus für einen oder auch zwei Wilhelm Tells ausgereicht hätte. Das war einer ihrer Punkte, die ich so ganz besonders genoss. Es erforderte zugegebenermaßen ein wenig Übung, aber da schon unsere erste Begegnung recht dramatisch gewesen war, hatte ich davon inzwischen ausreichend. Ich gab ihr also ein paar Minuten Zeit, mir in schillernsten – Verzeihung für dieses Wortspiel – in schillernsten Farben den Untergang des gemeinsamen abendlichen Essens auszumalen, bevor ich zögerlich darauf hinwies, dass wir unsere Bestellung auch der Nachbarin überantworten könnten, so wie wir schon mehrere Male für die freundliche Rentnerin einen solchen Dienst erledigt hatten. Das nahm Eri so ziemlich den Wind aus den Segeln, doch raffte sie sich zumindest noch zu einer kleinen Tirade darüber auf, dass ich das nicht eher gesagt hat. Ich gab dies kleinlaut zu, verabschiedete Eri dann mit einem Kuss und wünschte ihr viel Glück und Geduld auf der Arbeit. Sie arbeitet bei einer Beschwerdehotline eines großen Telekommunikationsdienstleisters und muss dort viel Wut über sich ergehen lassen, ohne dass sie dabei selbst die Beherrschung verlieren darf. Dafür braucht sie einen gewissen Ausgleich. Ich arbeite zum Glück von Zuhause aus, und muss mich nur selten mit widerspenstigen Kunden herumärgern. Dafür sehr viel mit widerspenstigen Computern. Dann bin ich es, der gelegentlich mal etwas Dampf ablässt. Hier hat Eri gelernt, mit gelassener Ruhe meinem Geschimpfe zuzuhören und mir dann einen Entspannungstee zu reichen. Das ist etwas, das man in jeder Beziehung beherzigen sollte: Jeder kann sich mal aufregen, es bringt aber rein gar nichts, sich über das Aufregen aufzuregen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)