Rache ist süß? von JennySmiles ================================================================================ Kapitel 1: Rache ist süß? ------------------------- Er grinste mir frech ins Gesicht. Ich hielt meinen Schuh schräg. Ein halber Liter des roten Saftes lief heraus und ergoss sich auf dem Laminatboden unseres Hausflures. Was für eine Sauerei. „Du trinkst das Zeug doch so gern“, setzte er noch einen drauf. Ich schnaubte wütend. „Toll gemacht, Bruderherz. Kannst du mir sagen, was ich jetzt beim Spiel tragen soll?“ Ich fühlte wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. Er zuckte nur die Achseln, dreht sich, immer noch lachend, um und wollte zufrieden davonhüpfen. In mir stieg eine fürchterliche Wut auf. Warum tat diese miese, kleine Nervensäge mir das immer wieder an? Ob ich ihn ignorierte oder mich wehrte, es lief aufs Selbe hinaus. Am Ende war ich diejenige, die mit Crambarrysaft in den Sportschuhen dastand, kurz vor dem wichtigsten Volleyballspiel der Saison. Wie sollte ich das meinem Trainer erklären? Wie peinlich! Er nahm bei all seinen Scherzen nie Rücksicht darauf, was mir wichtig war. Vermutlich machte es das für ihn nur umso witziger. Diese schadenfreudige, kleine Mistkröte! Er wusste genau wie er mich jedes Mal aufs neue kalt treffen konnte und manchmal hatte ich das Gefühl, seine einzige Aufgabe im Leben bestand darin, meines für mich möglichst schwer und unangenehm zu gestalten. In mir brannte die Wut und der Wunsch nach Rache. „So Bruderherz, Rache ist süß!“ Ich holte weit aus und warf ihm den Schuh - samt pinker Flüssigkeit darin - mit voller Kraft gegen den Hinterkopf. Für einen Moment - einen ganz kurzen Moment - verspürte ich so etwas wie Befriedigung… …bis ich realisierte, dass der Schlag des Schuhs so heftig war, dass sein Kopf nach vorne und direkt gegen die Kante des Türrahmens geschleudert wurde. Er fasste sich mit der Hand an die Stirn. Durch seine Finger floss eine warme, rote Flüssigkeit über sein Gesicht. Es war ein verstörendes Bild meinen kleinen Bruder so blutüberströmt zu sehen. Erst rührte er sich gar nicht mehr, stand wie erstarrt da, der Schock vermute ich. Doch als er merkte, dass es Blut war, was da über seine Finger und Wangen floss, begann er sofort wie von der Tarantel gestochen zu brüllen. „Ach du Scheiße“, schrie ich und war mit einem Satz bei ihm. Er weinte und ich versuchte ihn zu beruhigen. Ich redete auf ihn ein, aber er jaulte wie am Spieß und rief nach unserer Mutter. Diese stampfte eine halbe Minute später verärgert und von dem Gebrüll aus dem Mittagschlaf gerissen, die Treppe rauf. Als sie sein blutiges Gesicht sah, fuhr sie mich an: „Was hast du ihm schon wieder angetan?“ Mir fehlten die Worte. Sie würdigte mich keinen weiteren Blickes, nahm ihn in den Arm und führte ihn die Treppe runter. Ich fühlte mich schwer und müde und lehnte mich an die Wand. Ich lauschte erst ihren Schritten und dann dem laufenden Wasserhahn in der Küche. Jetzt war ich wieder an allem Schuld. Lief es nicht immer darauf hinaus, dass ich der Sündenbock war? Ich würde die Moralpredigt für den blutenden Kopf einheimsen und wahrscheinlich auch für die pinke Suppe auf dem Boden des Flurs. Ich seufzte genervt, bückte mich und hob den nassen Schuh auf. Deprimiert trottete ich ins Badezimmer und hielt ihn unter den Wasserhahn, damit die pinke Flüssigkeit erst immer blasser und schließlich klar wurde. Er war nun zwar wieder sauber, aber klischnass. Anziehen konnte ich den heute wohl nicht mehr. Meine Mutter rief nach mir. Ich ließ den Schuh im Waschbecken zurück und sprang in kleinen Abständen die Treppenstufen hinunter. „Ich werde mit deinem Bruder ins Krankenhaus fahren. Du bleibst im Haus. Du hast Hausarrest“, sagte sie streng. „A..Aber… das Spiel gegen den Tabellenführer ist doch heute“, protestierte ich mit flehendem Blick. Sie sah mich nicht einmal an, kramte nur den Autoschlüssel aus ihrer Tasche hervor und meinte: „Dann muss deine Mannschaft wohl ohne dich spielen.“ Ich warf meinem Bruder, der direkt neben meiner Mutter stand, einen verächtlichen Blick zu. Ich machte ihn für alles verantwortlich. Jetzt hatte er es geschafft, dass ich mein Spiel vollends abhaken konnte. Vielleicht hatte er das von Anfang an so geplant. Doch beim Anblick des ehemals weißen Handtuches, das er sich an die Stirn hielt, schwang mein Ärger zu Mitleid um. Es war von roten Flecken überzogen. Die Wunde hörte einfach nicht auf zu bluten und er schien richtig wackelig auf den Beinen zu sein. Meine Mutter musste den Arm um ihn legen und ihn stützen, sonst wäre er bestimmt wie ein Sack Mehl umgefallen. Und mein Mitleid führte zu Reue. Egal, wie sehr er mich gereizt hatte mit all seinem Unfug, das hatte selbst er nicht verdient und geplant hatte er es schon gar nicht. Wer würde sich selbst so einem Schmerz aussetzen, nur um das Spiel seiner Schwester zu sabotieren? Wie konnte ich so gemein sein und das auch nur für einen einzigen Moment in Betracht ziehen? „Es tut mir leid“, brachte ich noch heraus, bevor die beiden die Haustür hinter sich zuzogen. Die Platzwunde meines Bruders musste mit sieben Stichen genäht werden. Laut meiner Mutter war er sehr tapfer. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, pflegte mein Bruder in solchen Momenten mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu sagen. Ich sahs meinen Hausarrest ab. Das Spiel hatte meine Mannschaft leider verloren. Ich nahm mir vor, meinem kleinen Bruder nie wieder weh zu tun und in Zukunft einfach über seine Scherze zu lachen. Ich wollte erwachsen sein und darüber stehen. Das schien mir die beste Möglichkeit es für ihn langweilig werden zu lassen. Leider hielten diese guten Vorsätze nicht lang. Ich vergaß sie über den Ärger seiner erneuten Versuche mir das Leben zur Hölle zu machen. Er war einfach zu engagiert bei der Sache und kannte meine wunden Punkte. Zumindest warf ich von diesem Tag an nie wieder mit Schuhen nach ihm, sondern nur noch mit Plüschtieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)