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A little vampire story

von

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Alltagstrott

„Ist er das?“

„Ja, siehst du wie seltsam er aussieht? So blass.“

„Und dünn.“

„Er redet nie.“

„Hat keine Freunde.“

„Und der hat einen komischen Namen.“

„Wie heißt er denn?“

„Zion, hat mir mein Bruder gesagt.“

„Ich habe gehört, dass er keine Eltern hat.“

„Und einen kriminellen Bruder.“

„Deshalb traut sich niemand an ihn ran.“

„Ich habe gehört, dass er gar keine Geschwister hat.“

„Er redet auch nie. Nicht ein Wort.“

„Sollen wir ihn mal ansprechen?“

„Bist du verrückt?“

„Halt dich lieber von dem fern, der ist nicht normal.“

„Bestimmt ist der verrückt.“

„Oder hat eine ansteckende Krankheit.“

„Psst, seid leise, sonst kann er euch noch hören.“
 

Mit gesenktem Kopf laufe ich an meinen Mitschülern vorbei, versuche sie nicht zu beachten. Meine hellen Haare verdecken mir die Sicht während meine Hände fest die Schlaufen meiner Tasche umklammern. Ihre Blicke verfolgen mich neugierig. Sie stehen weit genug entfernt, so dass ein Mensch sie nicht hören könnte.

Ich kann es. Und ich wünschte, ich könnte es nicht…

Meine Sinne waren schon immer feiner, als die von anderen. Geräusche sind lauter, Düfte intensiver, das Licht heller. Ich versuche mich anzupassen, doch es ist so schwer. Sie verstehen mich nicht, ich verstehe sie nicht und ich habe Angst.

Nicht die übliche Angst von introvertierten Jungen in meinem Alter, die sich vor Mobbing fürchten oder anderen trivialen Dingen des Alltags. Meine Angst ist tiefgründiger, instinktiver.

Die Angst davor, dass jemand entdeckt was ich bin.

Selbsterhaltung ist der natürlichste Trieb, den ich kenne und dieser existiert in jedem Lebewesen auf dieser Erde. Selbsterhaltung um zu Leben.

Diese Furcht begleitet mich schon mein ganzes Leben, selbst als es mir noch nicht wirklich bewusst war. Wie und wann merkt ein Kind, dass es anders ist, wenn man nicht weiß, dass man anders ist?

Die Erfahrung zeigt es uns, und das ist die grausamste Art, die ich kenne.
 

Es gab einen Philosophen mit der negativen Vorstellung des Menschen. Geht man auf den Naturzustand des Menschen zurück, existieren keine Wert, keine moralischen Vorstellungen. Es lebt der reine Instinkt. Selbsterhaltung, Ruhmsucht, Argwohn und Wettstreben. Das Streben nach Macht wird mit dem Trieb zur Selbsterhaltung und dem Argwohn begründet. Der Schwache verliert alles, der Starke gewinnt alles. Schwarz und weiß. Keine Grauzone.
 

Ich habe nie zu den Starken gehört, obwohl in mir immer das Gefühl nach etwas klafft, das ich nicht benennen kann. Eine Ahnung, dass ich eigentlich auf eine höhere Ebene der Evolution gehöre.

Was ich bin, weiß ich selbst nicht einmal so genau. Also, natürlich habe ich da so eine Ahnung, denn es gibt Dinge, die sind einfach zu offensichtlich.

Doch ich will es mir nicht eingestehen, ich will ein Mensch sein, normal sein.

Nicht auffallen.

Mit der Masse schwimmen.

Ich gebe mir zumindest Mühe, zu Hause und in der Schule. Solange es mir möglich ist diese Fassade aufrecht zu erhalten, kämpfe ich darum. Der Drang zur Selbsterhaltung ist meine einzige Lebensgrundlage.

Angst ist eine der wenigen Emotionen die mich überhaupt noch beherrschen, denn ansonsten bin ich oft furchtbar leer. Ich kann durchaus Freude empfinden, aber menschliche Trauer verstehe ich nicht wirklich.
 

Das Klingeln der Schulglocke erlöst mich schließlich aus dem Unterricht und alle stürmen hinaus. Es bilden sich sofort die üblichen Cliquen.

Ich bleibe außen vor, ignoriere die Gespräche und konzentriere mich auf mich selbst, da ich sonst Kopfschmerzen bekommen würde von all den intensiven Klängen. Ich habe schnell gelernt es auszublenden, denn Kinder sind schrecklich laut.

Meine Schritte führen mich hinaus aus dem tristen Gebäude und die verlorene Straße entlang. Ich hasse Städte. Der Straßenverkehr ist laut, die Luft stinkt erbärmlich. Ein Wunder, dass meine Nase noch nicht abgestumpft ist. Zum Glück wohne ich am Stadtrand, trotzdem ist es kaum zu ertragen.

Hastig verlasse ich die Gegend, laufe eine Seitenstraße entlang und bin recht bald an einem künstlich angehäuften Berg angekommen, an deren Fuß ein Kanal entlangläuft. Bäume, Natur, frischer Wind. Ich atme tief ein und genieße es im Schatten der Bäume zu laufen, die diese schrecklichen Sonnenstrahlen abschirmen, mir etwas Sicherheit bieten. Der Wind streift die feinen Härchen auf meiner Haut, was mich schaudern lässt.

Heute ist es wieder so weit. In mir ist ein beklemmendes Gefühl, aber es geht nicht anders. Meine Glieder fühlen sich bereits kraftlos an und ich fühle mich schlecht. Ich muss trinken, ansonsten könnte es unangenehm werden.
 

In meinem Innern dringt ein Zittern nach Außen und lässt mich erbeben. Ich spüre es mit jeder Faser und werde schrecklich nervös.

Mit einem unsichtbaren Lächeln beschleunige ich meine Schritte.

Schon bald taucht vor mir ein kleiner Hof auf, wo irgendein alter Kauz Kaninchen und Hühner hält, um sich selbst auch ein bisschen Landleben zu imitieren. Ich kann diesen Hof leider nicht so oft überfallen, das letzte Mal ist schon eine Weile her. Ich darf nicht auffallen, vor allem nicht erwischt werden.

Leise schleiche ich mich hintenrum und suche die Stelle, wo ich leicht über den Zaun komme, da auf der anderen Seite direkt ein vor sich hin moderndes Fass steht.

Meine Muskeln schmerzen, als ich mich herüber hieve. Mein Körper ist leider nicht sehr muskulös und dazu noch klein, zierlich und viel zu schwach. Zum einen, weil ich mich nicht vernünftig ernähren kann. Doch ich habe keine Wahl.

Dumpf komme ich mit den Füßen auf dem trockenen Rasen auf, schaue mich prüfend um, doch es ist niemand hier. Diese Situationen machen mich immer noch schrecklich nervös.
 

Der Kaninchenstall riecht sehr intensiv. Als ich näher rangehe kann ich schon die aufgeregten Herzen erahnen, die alle vor Schreck gleichzeitig zitterten. Mein Magen schmerzt und ein Beben lässt mich ebenfalls zittern.

Ich habe schrecklichen Hunger…

Vorsichtig schiebe ich den ungesicherten Verschluss auf und das Gitter knarrt unangenehm, als ich es aufdrücke. Der Duft nach altem Heu, halb vergammeltem Gemüse und Tieren ist penetrant und intensiv.

Ängstliche, verunsicherte Blicke beobachten mich. Glänzende, schwarze Knopfaugen.

Sie tun mir schon ein wenig leid, aber irgendetwas muss ich ja essen.

Mit einem geübten Griff hole ich mir einen großen, braunen Bock, der aufgeregt mit den Hinterpfoten ausschlägt und fast lasse ich ihn deswegen fallen. Ich rieche sein Fell und den darunter liegenden Duft nach Blut. Unter meine Hand kann ich sein wild klopfendes Herz spüren und die aufgerissenen Augen starren mich anklagend an. Ich konzentriere mich auf den schwachen Duft.

In meiner Vorstellung war das einfach der Gang des Lebens.
 

Ich hebe das Tier mit klopfendem Herzen höher und spüre das weiche, duftende Fell an meiner Nase. Es kitzelt etwas.

Sanft atme ich ein letztes Mal ein.

Hmmm…das riecht gut.

Meine Atmung beschleunigt sich, wird tiefer und in mir bebt es erneut.

Dann öffne ich hungrig meinen Mund, entblöße messerscharfe, kleine Zähne und reiße dem Tier die Adern im Nacken auf. Es fühlt sich gut an, Fleisch zu spüren. Und dann ist da nur noch das Blut. Heiß spritzt es aus der heißen Ader in meinen Mund. Die Panik des Tieres beschleunigt seinen Puls aufs Äußerste.

Ich schließe die Augen und nehme einen großen Schluck….noch einen….noch einen….Nichts ist wichtig in diesem Moment. Nur Blut und die Befriedigung des Hungers.

Am Rande nehme ich den panischen Schrei des Tieres war. Es geht völlig unter in diesem süßen Rausch. Blut, das warm meine Kehle hinab fließt. Ich trinke lang und gierig. Ein Grollen kommt tief aus meiner Kehle.

Ich will noch mehr…

Wild beiße ich fester zu. Ich will mehr Fleisch aufreißen, in der Hoffnung, dass süßes Blut fließt, doch es kommt nichts mehr. Als das Blut einen fast schon bitteren Geschmack annimmt ziehe ich meine Zähne aus dem warmen Fleisch, während immer noch Blut in dicken, zähen Tropfen über mein Kinn fließt. Das pochende Herz, welches bis eben laut in meinen empfindlichen Ohren dröhnte ist verstummt, die klagenden Augen erblasst und das kleine Fellbündel liegt erschlafft in meinen Händen.

Langsam dringen wieder andere Geräusche an mein Ohr. Singende Vögel, Wind der durch die Bäume rauscht. Und eine schwere Leere ist in mir. Keine wirkliche Befriedigung. Nur eine Illusion. Mein Hunger ist etwas gestillt, aber nicht vollständig. Ich sehe die anderen Tiere im Stall sitzen und nicht zum ersten Mal, will ich am liebsten gleich noch einmal morden.

In letzter Zeit muss ich häufiger trinken und egal wie viele Tiere ich töte, es ist nie befriedigend oder nahrhaft genug. Ich weiß, was mir helfen würde. Das Eine, was mir fehlt. Das was mich noch mehr zum Monster werden lässt, als ich in den Augen anderer sowieso schon bin.

Das Blut von Menschen.

In mir kribbelt es bis ins Mark alleine bei dem Gedanken daran, doch ich kann keine Menschen anfallen, dafür ist mein Körper nicht kräftig genug und ich wüsste auch nicht wie ich es anstellen sollte. Es gibt niemandem in meinem Leben, der mich so etwas lehren könnte. Im echten Leben gibt es keine magischen Schulen, wo einem beigebracht wird, wie man mit solchen Dingen umgeht. Kein Hogwarts für mich. Keine kitschige Vampire Academy, wie aus einem schlechten Mädchenroman. Nur das harte, reale Leben und der tägliche Alltag eines Kaninchenmörders mit zu einseitiger Ernährung und dem verzweifelten Wunsch nach einem erweiterten Speiseplan.

Ich rede mir oft ein, dass Kaninchen und Vögel genug sind.

Doch wenn ich im Klassenraum sitze, eingeengt in diesem winzigen Raum, höre ich oft genug das Blut in den Adern meiner Mitschüler rauschen. Süßes, heißes Blut, das in stiller Sehnsucht nach mir ruft.
 

Bedauernd lege ich das tote Kaninchen in den Stall zurück und schließe das Gitter. Der Hobbybauer wird vielleicht denken, dass die Tiere sich wieder gegenseitig verletzt hätten oder dass ein Marder das Tier getötet hat. Der alte Kauz hat eh nicht mehr alle Latten am Zaun, sonst hätte er die Ställe längst gesichert. Man könnte meinen, er würde mich zum Essen einladen.

Danach mache ich mich auf den Weg nach Hause.
 


 

„Junge, warum warst du nicht einkaufen?“

Ich schließe gerade die abgenutzte Tür auf und höre Olaf von weitem brüllen. Ich streife mir die Schuhe ab und werfe einen Blick ins unaufgeräumte Wohnzimmer, wo ich ihn faul auf dem Sofa sitzen sehe, angeleuchtet von dem flimmernden Licht des Fernsehers. Es läuft gerade irgendein dämliches Fußballspiel.

„Du hast mir kein Geld mitgegeben. Ohne kann ich schlecht für dich einkaufen gehen.“

Er sieht mich nicht mal an.

„Pass auf was du sagst Junge, immerhin lebst du auf meine Kosten!“

Ja, leider. Dabei esse ich ja nicht mal wirklich etwas. Aber bald habe ich die Schule abgeschlossen und dann…dann kann ich weg. Es ist mir sogar egal welchen Job ich machen muss, solange ich irgendwie hier wegkomme. Ich habe bereits den mittleren Schulabschluss und steuere gerade das Abitur an, allerdings weiß ich nicht, ob ich wirklich mein Abi zu Ende bringen werde. Nur solange ich nicht volljährig bin, kann ich eh nichts anderes tun.
 

„Ich geh in mein Zimmer.“, murmle ich leise und verschwinde schnell, bevor er noch etwas entgegnen kann.

Tja, das ist also Olaf und er ist so etwas wie mein Stiefvater. Ich weiß nicht genau wer meine Eltern sind, das hat mir meine damalige Adoptivmutter nie gesagt. Irgendwann trennte sie sich von ihrem damaligen Mann und geriet an diesen widerlichen Typen hier. Ich verstehe bis heute nicht warum sie das getan hat, denn die Erfüllung war er definitiv nicht. Vor etwa drei Jahren fand ich sie tot in der Badewanne. Ich kam nach der Schule nach Hause und als ich ins Badezimmer ging sah ich sie in der weißen Wanne liegen. Ihre Augen starrten mich genauso blass und anklagend an, wie die eines Kaninchens. Sie hatte sich die Oberschenkelarterie sauber aufgeschnitten und das Badewasser leuchtete in einem intensiven Rot. Es war wunderschön. Ich habe vorher noch nie so viel Blut gesehen und alles in mir schrie danach. Ich wollte es, will es immer noch. Das Blut eines Menschen trinken. Die Adern meiner Mutter waren bereits ausgeblutet und trocken, das rot gefärbte Wasser bitter wie der Saft einer gammeligen Limone. Aber bei einem lebenden Menschen würde es anders sein. Die Haut würde unter meinen Zähnen zerspringen wie bei einer reifen Frucht und das Blut würde satt und kräftig schmecken.

Erregt von der bloßen Vorstellung gleitet meine Zunge über die trockenen Lippen.
 

Ich will jetzt nicht kaltherzig erscheinen, der Tod meiner Adoptivmutter ließ mich nicht komplett unberührt, nur ich habe noch nie einem Menschen so nahe gestanden, dass ich etwas tieferes empfunden habe. Meist siegen die Instinkte des Monsters in mir über jedwede menschliche Regung.

Olaf weiß davon nichts, ihm ist es egal wer ich bin, was für mich durchaus ein Vorteil ist. Er würde mich am liebsten davonjagen, tut es aber nur nicht, weil ich ihm noch nützlich bin. Ich gehe einkaufen, putze und führe den Haushalt soweit es mir möglich ist. Ich bin sein Mädchen für alles. Zumindest betrachtet er mich als das, denn meine schlichte Statur sieht für ihn wahrscheinlich einfach nicht männlich genug aus. Ein stilles nebeneinander Wohnen sozusagen. Außerdem bekommt er Kindergeld für mich und alle möglichen Zuschläge, mit dem er sich seinen übertriebenen Bierkonsum finanziert.
 

Ich sehe auf die Uhr. Es ist schon später Nachmittag. Die Hälfte des Tages ist bereits rum…und in wenigen Stunden habe ich Geburtstag.

Dann bin ich 17.

Noch ein Jahr. Wenn ich endlich volljährig bin, wird dies sicher vieles einfacher machen. Dann kann ich selbst entscheiden, wo ich leben möchte und bin nicht mehr auf Olaf angewiesen. Vielleicht werde ich auf die Suche gehen nach anderen wie mir, um endlich sicher zu sein, dass ich nicht alleine bin trotz der Angst herauszufinden, dass ich genau das bin.
 

Ich liege auf dem Bett und drifte immer weiter ab in absurde Vorstellungen meiner Zukunft, als ich die gewohnt schwerfälligen Schritte bemerke.

„Junge!“ Olaf steht in meiner Tür, einen Arm hat er lässig am Türrahmen angelehnt. Nicht mal anklopfen kann er.

Das Bier in seiner Rechten stinkt bestialisch und ich verziehe ein wenig mein Gesicht. Duschen könnte er auch mal wieder.

„Ich habe einen Namen.“, murmle ich halbernst, während ich eine Spinne beobachte, die ihren Trieb nach Selbsterhaltung in diesem Moment nachgeht und eine fette Fliege in ihr tödliches Netz einrollt.

Olaf schaut mich erst etwas irritiert an, dann verärgert, als hätte ich einen Witz über seine fehlende Intelligenz gerissen.

„Ist mir Scheißegal. Geh noch mal ein Sechser kaufen. Und Brot ist auch nicht mehr da.“ Er gestikuliert dabei fahrig mit seinem Bier und der Geruch nach Alkohol verteilt sich im Raum.

Seufzend streiche ich mit einer Hand durch die Haare und setze mich lustlos auf ohne ihn direkt anzusehen. In meinem Rücken spüre ich die rissige, kalte Raufasertapete.

„Ich brauche Geld.“

„Liegt auf der Anrichte.“

Damit dreht er sich um und schlurft wieder ins Wohnzimmer. Kein Mann großer Worte. Ich auch nicht.

Ich brumme verstimmt, rappel mich dann aber hoch.
 

Doch bevor ich losgehe ziehe ich mir ein frisches Shirt an, denn bei einem Blick in dem Spiegel fällt mir auf, dass bei meiner Aktion nach der Schule ein paar kleine Blutflecken darauf zurückgeblieben sind. Nicht so auffällig, dass es ein Mensch bemerken würde, aber offensichtlich genug für meine feinen Sinne.

Eilig sammle ich das Geld von Olaf von dem kleinen Schrank im Flur auf und gehe hinaus an die frische Luft.

Dass mein Stiefvater nicht an meinen Geburtstag denkt, überrascht mich jetzt nicht wirklich, denn ich kann mich nicht daran erinnern je ein Geschenk oder auch nur Glückwünsche bekommen zu haben. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er weiß wann ich überhaupt Geburtstag habe.

Aber es macht mir nichts aus. Ich brauche niemanden.
 

Der Supermarkt in den ich eigentlich wollte, hat zu meiner Überraschung geschlossen. Irgendwas wegen Brandstiftung höre ich einige Passanten in der Nähe sich darüber unterhalten. Verstimmt gehe ich einen Umweg zum nächsten Laden etwas weiter weg und muss dadurch durch einige kleine Straßen in einem mir eigentlich eher unangenehmen Teil unseres Viertels. Hier stinkt es so ziemlich überall nach menschlichem Urin und andere Dinge die ich gar nicht näher benennen möchte. Auf einem nahe gelegenen Spielplatz lungern einige zwielichtige Jugendliche herum, denen ich lieber nicht begegnet will und biege deshalb noch in eine weitere, schmutzige Gasse ab.

Schnell will ich den Weg hinter mich bringen, doch dann fällt mir ein Mädchen auf, das nervös einige Meter von mir entfernt läuft. Sie sieht zierlich aus, nicht sonderlich kräftig und sehr, sehr dünn. Tiefe Augenringe im Gesicht, aschfahle Lippen und ihre Hände zittern leicht. Alles in allem sieht sie aus wie ein typischer Junkie, der den nächsten Schuss dringend brauchte. Und sehr wahrscheinlich ist sie das auch. Ich habe noch nie Drogen genommen. Jesus, ich weiß ja nicht mal ob Drogen bei mir wirken! Und trotzdem kann ich das Gefühl sehr gut nachvollziehen.

Der Drang, der den Körper dazu zwingt, etwas zu tun damit es einem besser geht. Ja das kenne ich sehr gut.

Und etwas in mir drängt mich gerade dazu ihr folgen zu wollen. Meine Schritte werden langsamer und meine Augen wandern gehetzt über ihr dreckiges Erscheinungsbild. Ich kann ihr schmutziges Haar bis zu mir hin riechen und auf ihrem nackten Oberarm prangt eine frisch aufgeschürfte Wunde, an die sich mein Blick hypnotisch hängt. Ich sehe weg, will es nicht beachten, es ignorieren, doch es geht nicht. Immer wieder wandern meine Augen zu der Wunde an ihren Arm und in meinem Kopf flackern wilde Bilder auf.

Die Vorstellung, wie sich ein einzelner roter Tropfen Blut aus der Wunde nach Außen drängt und an ihrer perlweißen Haut entlangläuft ist beinahe….orgastisch! Ich kann gar nicht anders als ihr weiter zu folgen.

Was ist mit mir los?

Meine Kehle fühlt sich wund an und ich komme mir plötzlich schrecklich dehydriert vor, obwohl ich erst vor kurzen getrunken habe. Mein Blick bleibt an der Wunde haften und ich muss mehrmals schlucken.

Ich könnte…

Ja, oder? Sie sieht nicht stark aus. Ich könnte es tun.

In meinen Fingern kribbelt es aufgeregt und ich merke wieder einmal mehr, dass das Blut des Kaninchens vorhin nicht ansatzweise meinen Hunger befriedigt hat.

Die Vorstellung von Mord nistet sich in meine Gedanken.

Ich möchte töten….
 


 

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Wer Rechtschreibfehler findet darf sie behalten und essen! :3

Entscheidungen

So unauffällig und leise wie möglich schleiche ich hinterher, auch wenn es vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre, denn sie ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt um etwas zu bemerken. Wie töricht.

Die nächste Straße ist noch heruntergekommener als die vorherige und die Wände der Häuser zieren halb abgekratzte Spuren von Graffiti, das der saure Regen bereits zum Teil zerstört hat.

Ohne sich umzublicken betritt das Mädchen ein heruntergekommenes Haus, deren einst schöne Fassade bereits die Zeit vollkommen zerfressen hat, so dass man nur noch ansatzweise die kunstvoll gearbeiteten Stuckaturen erkennen kann.

Ich muss mich beeilen ihr zu folgen, ehe die abgewetzte Eingangstür schwer ins Schloss fällt, und laufe dann vorsichtig einen nur spärlich beleuchteten Hausflur entlang bis zu einer Treppe die in weitere verzweigte Flure führt, immer darauf bedacht nicht aufzufallen, doch das Mädchen war zu sehr mit sich selbst beschäftigt um etwas anderes zu registrieren. Ihr unsteter Blick ist auf eine der vielen Haustüren im hinteren Teil des Ganges fixiert, während ihre magere Gestalt sichtlich zu zittern beginnt. Die Drogen haben sie völlig ausgemergelt und auch ich beginne zu zittern von der reinen Anspannung. Könnte ich das wirklich tun? Meine Gedanken fühlen sich verloren und flüchtig an. Andererseits will ich stehen bleiben und über meine Handlung nachdenken und trotzdem treibt mich ein Gefühl an, was ich nicht beschreiben kann. Das Risiko ist hoch, das weiß ich, und trotzdem zittere ich beinahe vor Erregung.

Was ist nur mit mir los?

Und was ist, wenn etwas daneben geht? Und wie soll ich ‚es’ tun? Und danach, wohin mit dem….Körper?

Meine Augen fixieren den weichen Nacken und ich muss hart gegen meinen aufkommenden Hunger schlucken, bevor ich ihr weiter folge. Meine Kehle ist trocken und wund. Es wird sich schon alles finden…
 

Von Innen wirkt das Haus noch hässlicher als von außen. Der geflieste Boden ist dreckig und die meisten Fliesen haben große und kleine Risse, die sich wie schwarze, dünne Haare durch das schwarzweiße Muster ziehen. Die Schritte des Mädchens werden eiliger und ihre flachen Absätze klackern hallend im Flur wider. Ihr Atem geht jetzt schon beinahe keuchend und meiner auch, je näher ich ihr komme. Meine Angst wird immer mehr von einem anderen Trieb in mir überdeckt und die Lösung für meine Probleme ist so nah. So nahe, dass ich es…sie bereits fast greifen kann. Ich müsste nur einen Schritt schneller gehen und meine Hände ausstrecken und…

Ich bleibe abrupt stehen, als das Mädchen vor einer heruntergekommenen Haustür stehen bleibt und drücke mich instinktiv in den Schatten des stickigen Flures, doch es ist nicht nötig, da sie sich immer noch nicht umschaut. In meinem Rücken spüre ich die rissige, kühle Hauswand. Mein Atem verändert sich, unbewusst atme ich leiser, flacher. Ich habe es nie gelernt und trotzdem weiß mein Körper ganz von allein, wie er sich verhalten muss. Faszinierend, und trotzdem, ich bin zu hungrig um mir weiter darüber Gedanken zu machen.

Ich höre wie die Tür geöffnet wird und sie verschwindet, ohne sich noch mal umzusehen durch die Wohnungstür, die sie eilig hinter sich schließt und ich will schon enttäuscht aufgeben, bis ich merke, dass die Tür gar nicht richtig ins Schloss gefallen ist. Ein Kribbeln erfasst meine Glieder. Ich sollte umkehren, doch ich kann es nicht. So nah war ich noch nie daran der Versuchung nachzugeben. Noch nie hatte sich mir so eine Chance geboten. Wahrscheinlich ist es unendlich dumm. Es ist mir egal…ich kann immer noch ihr Blut riechen! Vorsichtig öffne ich die Tür, schleiche zu der gegenüber liegenden geschlossenen Zimmertür und horche vorsichtig und mit klopfenden Herzen. Meine Hände liegen auf dem glatten, kühlen Holz. Gott, bin ich nervös!

„Jetzt nicht, Cherry. Ich habe gerade wichtigen Besuch!“, höre ich eine kratzige Stimme und meine Glieder fühlen sich plötzlich bleischwer an.

„Ich bitte dich, nur ein Schuss. Dann verschwinde ich sofort.“

Weitere Stimmen werden laut und Stühle werden gerückt.

Verdammt, Sie ist nicht alleine und mit Männern kann ich mich definitiv nicht anlegen. Es sind zu viele. Und ich war so nah dran! Ich beiße mir frustriert auf die Unterlippe und verziehe verärgert mein Gesicht.

Was habe ich auch erwartet, wahrscheinlich wäre ich nicht mal mit diesem Mädchen fertig geworden. Sie hätte mich K.O. geschlagen oder schlimmeres. Trotzdem fühle ich mich beinahe betrogen. Meine Adern schmerzen unter meiner dünnen Haut und das Holz fühlt sich viel kälter und stabiler an als gerade eben noch. Eine unüberwindbare Mauer für mich und für meinen Hunger.

Vorsichtig löse ich mich los und will rückwärts davon schleichen, bevor die Leute noch Notiz von mir nehmen, doch ich erstarre sofort mit geweiteten Augen mitten in der Bewegung. Eine schwere Atmung, direkt hinter mir, und ich war zu abgelenkt, um den Menschen bis jetzt zu bemerken.

Scheiße!

Erschreckt drehe ich mich hastig um und will kopfüber an dem Mann vorbeistürmen, der groß und mit düsterer Miene vor mir aufragt, doch er reagiert schnell und greift nach meinen Handgelenken mit seinen schwieligen Händen.

„Na wen haben wir denn hier?“ Sein sadistisches Grinsen schießt mir durch Mark und Bein und mir bricht kalter Schweiß auf der Stirn aus.

„Lass mich los!“, keife ich mit hoher Stimme und versuche mich gegen ihn zu stemmen. Panik überschwemmt mich wie ein plötzlicher Tsunami.

Nutzlos. Ein Kampf gegen Windmühlen mit diesem schwachen, verkümmerten Körper.

„Sven? Was ist los?“ Die Tür wird aufgerissen und noch ein kräftiger Mann taucht auf. Nein…nein….was soll ich tun?

Hastig suche ich nach einem Fluchtweg, irgendetwas…

„Bitte…“, krächze ich verängstigt. Meine Handgelenke schmerzen bereits, doch ich ziehe wild weiter.

„Verdammt, halt still Bengel!“, schnarrt der Mann, der mich festhält und zieht mich näher an sich heran. Ich keuche erschrocken und finde mich an seine Brust gelehnt wieder. Und dann, als ich nach oben schaue, habe ich plötzlich seine Kehle direkt vor mir. Der Moment dehnt sich, als zerrte meine Wahrnehmung die Zeit auseinander und ich sehe einen Fluchtweg der besonderen Art. Mein Atem stockt. Panik erfasst mein Inneres und ohne über irgendwelche Konsequenzen meines Handelns nachzudenken, aus einer rein instinktiven Handlung, schnelle ich vor, reiße meinen Mund so weit wie ich kann auf und meine spitzen Zähne graben sich knurrend in das weiche Fleisch seines Halses. Kurze Bartstoppeln kratzen an meinen Lippen und die Wahrnehmung in meinem Kopf verschiebt sich zu einer anderen, viel instinktiveren Denkweise, die alles Rationale völlig aussperrt. Plötzlich ändert sich das Rollenverhältnis, nun bin ich der Angreifer. Es fühlt sich richtig an, es fühlt sich gut an!

Mein Opfer erstarrt unter meinen grausamen Zähnen und sein würziges Blut sprudelt mir wunderbar heiß in einem dicken Strahl entgegen. Sein Schrei ist markerschütternd laut. Laut und schön. JA!

Doch ehe ich dazu komme sein Blut wirklich zu schmecken, spüre ich einen harten Schlag, der meinen Kopf hart zur Seite reißt. Ich stöhne schmerzhaft, taumle zurück. Meine Beine brechen unter mir zusammen wie dünne Streichhölzer und mein Schädel pocht fürchterlich laut. Meine Hände suchen unkoordiniert Halt und ein weiterer Schlag trifft mich entsetzlich hart gegen den Kopf. Verschwommen sehe ich den anderen Mann über mir. In seiner Hand ist etwas…ich weiß nicht…es ist verschwommen…ich…ich...es…dann…dunkel…
 

Mein Körper schmerzt grausam, die Handgelenke brennen wie Feuer. Das ist das Erste was ich benommen wahrnehme. Meine Glieder fühlen sich schwer und taub an. Es kribbelt unangenehm in meinem Rücken, als hätte ich zu lange auf einer Stelle gelegen. Wo bin ich? Ich versuche mich zu bewegen, doch nur meiner Finger reagieren schwach auf die Signale die mein benommenes Hirn entsendet.

„Ich glaube er wird wach.“

„Das kann nicht sein, ich hab ihn doch betäubt. Er sollte eine Weile schlafen.“

Stimmen, aber sie hören sich dumpf und weit entfernt an, als wären meine Ohren verdeckt. Ich schaffe es kaum meine schweren Lider zu öffnen, zudem es nichts bringt, weil alles noch so merkwürdig verschwommen ist. Ich sehe wie durch Nebel.

„W…wa…“, versuche ich zu sprechen, doch meine Zunge will nicht richtig reagieren.

„Scheiße, gib ihm einfach die doppelte Dosis.“ Ein Schatten kommt näher, doch mein Körper will nicht reagieren, trotz meiner langsam erneut aufkommenden Panik. Ich muss hier weg, denke ich benommen. Das Fluchtgefühl ist überwältigend stark, doch ich kann nicht…mein Körper will sich einfach nicht bewegen!

Verbrauchte Atemluft streift meine Wange.

An meinen halb tauben Armen spüre ich eine drückende Berührung und ich glaube langsam etwas schärfer zu sehen. Mein Kopf fällt schwach zur Seite und ich versuche zu fokussieren. Eine Gestalt vor mir.

Arme…eine…Spritze…glaube ich…

Ein neuer Schmerze in meiner Armbeuge und dann wird mir wieder schwarz.
 

...
 


 

Ich bin müde und ausgelaugt, als ich das nächste Mal zu mir komme. Langsam warte ich darauf, dass die bleierne Schwere aus meinen Gliedern weicht, ehe ich langsam die Augen öffne. Unter mir fühle ich etwas Weiches. Sehr weich. Ein Bett vielleicht?

Ich lasse mir Zeit, denn ich kann niemanden wahrnehmen. Wahrscheinlich bin ich alleine. Wo auch immer ich bin…

Was ist passiert? Dunkel dringen Erinnerungen hervor. Das dünne, drogensüchtige Mädchen, die Gasse, das Haus, der Blutgeruch und die Männer. Ja genau. Ich wurde niedergeschlagen als ich…

Mit der Zunge befühle ich meinen Mund, taste meine Zähne ab, finde aber nur einen leichten, fahlen Geschmack von geronnenem Blut. Schade, jetzt weiß ich immer noch nicht wirklich wie es schmeckt, stelle ich enttäuscht fest.
 

Vorsichtig aufrichtend sehe ich mich erstaunt um. Ich liege tatsächlich in einem großen, sehr teuer aussehenden Bett aus glatt poliertem Eichenholz. Auf mir erstreckt sich eine edle Bettdecke aus dunklem Satin. Im Zimmer stehen die üblichen Möbel, eine glänzende Kommode, ein breiter Kleiderschrank, ein großer, gold umrahmter Spiegel, edle Tischlampen. Alles ordentlich und sauber dekoriert. Nichts Besonderes eigentlich, wenn man davon absieht, dass alles nach viel Geld riecht.

Nichts was darauf schließt wo ich bin, warum ich hier bin. Die großen Fenster werden verdeckt von dicken, schweren Vorhängen und über mir brennt die Deckenleuchte schrecklich grell.

Dann fällt mir noch etwas auf, als ich die Decke zurückschlage und was mir unangenehme Schauer über den Rücken jagt, denn jemand hat mich scheinbar umgezogen. Erstaunt zupfe ich an der weißen, viel zu kurzen Hose herum. Mein Shirt trage ich auch nicht mehr, stattdessen habe ich ein Hemd mit kurzen Ärmeln an, ebenfalls weiß. Und dann spüre ich da noch etwas an meinem Hals. Was…?

Verwundert greife ich danach und fühle kaltes, glattes Metall. Ich taste weiter bis in meinen Nacken. Ein Ring, sehr schmal zwar, aber ein Ring. Mit flüchtigen Fingern suche ich nach einer Möglichkeit diesen zu öffnen, doch ich finde den Verschluss nicht. Was ist das?

Irgendwann gebe ich auf und bleibe weiter frustriert auf dem Bett sitzen.

Und jetzt? Wird bald jemand nach mir sehen?

Ich lasse mich zurück in die weichen Kissen sinken und betrachte nachdenklich die Decke. Es fällt mir immer noch etwas schwer meine Gedanken zu ordnen, aber es geht langsam etwas besser.
 

Irgendwann höre ich Geräusche im Nachbarzimmer. Scheinbar bekomme ich endlich Besuch. Wird auch langsam Zeit, ich liege hier schon bestimmt eine halbe Stunde und drehe Däumchen. Nicht das ich nicht versucht hätte die Tür zu öffnen, aber mir war schon bevor ich die Klinke überhaupt herunterdrückte klar, dass diese abgeschlossen ist.

Ich höre mit meinen feinen Sinnen wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wird und starre gespannt die sich öffnende Tür an. Ein großgewachsener Mann betritt den Raum und schaut mich gezielt an. Seine Präsenz im Raum ist Atemberaubend intensiv und ein herber Geruch weht zu mir herüber, den ich genüsslich aufnehme. Dunkle Augen gleiten interessiert über meine Gestalt und mein Blick wandert genauso über seine Erscheinung. Schwarze, lange Haare, im Nacken zusammengebunden. Trotzdem fallen einige Strähnen nach vorne, die nicht vom Zopf gehalten werden.

Ein hartes Kinn, aber weiche, mandelförmige Augen sowie eine definierte Nase. Hmm er sieht asiatisch aus, vielleicht ein Chinese oder Japaner, oder eher Halbjapaner. Vielleicht 24 Jahre alt, oder jünger? Ich bin furchtbar schlecht im Schätzen, er könnte auch 27 oder älter sein, wobei ich finde, dass man Asiaten sowieso nie ansehen kann, wie alt sie sind. Selbst wenn er 40 wäre, würde ich ihn umstandslos für 25 halten.

Er trägt ein dunkles, knitterfreies Hemd ohne Krawatte und lange, elegante Beine stecken in einer schwarzen Stoffhose mit Bügelfalte. Er gefällt mir.
 

„Du bist schon wach.“, schnarrt seine samtige Stimme angenehm in meinen Ohren. Ich kann ihn nur anstarren. Was will ein Mann wie er denn bitte von jemandem wie mir?

„Du verstehst mich doch?“ Langsam kommt er auf mich zu. Seine dunklen Augen halten mich weiter gefangen. Ich nicke vorsichtig, ohne mich zu rühren. Er hat etwas ganz und gar einnehmendes an sich, das sich kaum definieren lässt. Jede Bewegung erscheint klar und ohne Schwäche. Schon alleine sein katzengleicher Gang zeigt eine charakterliche Stärke, die auch seine Augen permanent ausstrahlen, seit er den Raum betreten hat.

„Gut.“ Die Matratze senkt sich etwas, als er sich genauso elegant an den Rand des Bettes setzt und ich kann seinen Duft verstärkt wahrnehmen.

„Wie geht es dir?“, will er der Etikette halber wissen. Nicht, dass es ihn wirklich interessieren würde.

„Den Umständen entsprechend.“, erwidere ich trocken.

Seine schönen Lippen zucken und ich sehe ihn leicht lächeln.

„Wo bin ich?“

„In meinem Bett.“ Geht es noch ungenauer? Ich sehe ihn leicht verärgert an, doch ihn scheint das nur zu amüsieren.

„Wie spät ist es eigentlich?“, frage ich spontan, da mir gerade auffällt, dass ich gar nicht weiß wie lange ich geschlafen habe.

„Fünf Uhr früh, du bist erst vor drei Stunden hier angekommen, falls du das wissen willst.“

Jeder andere wäre wohl wütend oder ängstlich, doch ich betrachte die Situation ganz nüchtern. Ich war noch nie der Typ für überschwängliche Gefühle, wie die meisten Menschen. Ich bin nicht zornig, wegen der unsanften Behandlung und offensichtlichen Entführung, nur verwirrt.
 

Seine Augen mustern mich fasziniert und mir wird etwas unwohl, aufgrund meines Aufzuges. Die Hose verdeckt ja nicht mal ansatzweise meinen Oberschenkel.

Ich erschrecke etwas, als er unvermittelt nach meiner linken Hand greift und sie eingehend studiert, als wäre da etwas sehr Interessantes zu sehen.

„Was wird das?“, frage ich ihn offen.

Er lässt sich Zeit, ehe er mir antwortet und entlässt meine Hand seiner Musterung, um mein Gesicht wieder eingehender zu betrachten. Es macht mich etwas nervös, so angestarrt zu werden.

„Deine Wunden.“

Irritiert betrachte ich ebenfalls meine Hände, um seinem Blick zu entgehen.

„Aber da ist nichts.“

„Eben.“

Er greift nach meiner anderen Hand und streicht mit den Fingerspitzen bedächtig über das Handgelenk, das eigentlich verwundet sein müsste, nach menschlichen Maßstäben. Meine Haut kribbelt unter seinen Berührungen wie Brausepulver auf der Zunge.

Oh….jetzt weiß ich worauf er hinaus will. Scheiße.

Sanft lässt er meine Hand frei, nur um sich weiter vorzubeugen und dann spüre ich seine Finger an meiner Schläfe.

„Hier auch.“

Seine Berührung kitzelt.

„Kannst du mir das erklären?“

„Nein.“, antworte ich trotzig und weiche seinem durchdringenden Blick aus, während seine Finger weiter wandern und sanft durch meine blonden Haare streichen.

„Was mache ich hier?“

Ich ziehe meine Knie an und stütze die Arme darauf.

„Du bist mein Geschenk. Und du wirst hierbleiben, ob du willst oder nicht.“ Seine Stimme klingt nun hart, bestimmend.

„Sie wollen mich einsperren?“

„Du kannst auch freiwillig bleiben, zumal es die Sache angenehmer gestalten würde, die Entscheidung überlasse ich ganz dir.“

„Also habe ich die Qual der Wahl zwischen hierbleiben und…hierbleiben.“ Nur was bedeutet ‚hier bleiben’ für mich? Ich weiß immer noch nicht wo ich bin.

Er lächelt wieder.

„Wenn du es so sehen willst, ja.“

Er nimmt eine meiner hellen Haarsträhnen zwischen die Fingerkuppen und reibt mit seinem Daumen sacht darüber.

„Du gefällst mir. Aber ich habe gehört du hast einen meiner Mitarbeiter verletzt.“

„Er hat mich zuerst angegriffen.“, rechtfertige ich mich mit geröteten Wangen.

„Du hast ihm die Kehle aufgerissen.“

„Ja…“, kommt es verzagt über meine Lippen ehe ich mich beherrschen kann und ich sehe, dass er verwirrt ist über meine Reaktion. Seine schmalen Lippen verziehen sich zu einem leichten Lächeln.

„Ein interessantes Geschenk habe ich da bekommen.“, meint er nur und seine Hand schlingt sich um mein Kinn und streift weiter über meinen Hals. Ich lasse ihn gewähren, da seine warmen Berührungen wunderbar angenehm sind auf meiner kalten Haut.

„Was meinen Sie eigentlich mit Geschenk und wie heißen Sie überhaupt?“

„So wie ich es sagte, du bist mein Geschenk. Ab jetzt betrachte dich als mein Eigentum und ich kümmere mich gut um mein Eigentum. Du kannst mich Alexander nennen. Und spreche mich nicht mit ‚Sie’ an.“ Während er spricht, steht er auf und streicht seine Hose wieder glatt.

„Alexander, klingt ja nicht sehr asiatisch. Ich dachte Sie...äh...du wärst Chinese oder so.“

„Ist es das Einzige, was dich beschäftigt?“

Ich sehe ihm ins unbewegte Gesicht.

„Nein.“

„Gut, ruh dich noch etwas aus, ich bin derweil im Nebenzimmer.“, sagt er geschäftsmäßig, ohne auf meine Frage zu antworten.

„Ach ja. du darfst dich in diesen Räumen natürlich frei bewegen. Sollte ein Schrank oder Raum allerdings verschlossen sein, hat dies auch seinen Grund. Raus zu gehen ist dir nicht gestattet und versuche erst gar nicht durch das Fenster zu fliehen, es sei denn du hegst Selbstmordabsichten, denn wir sind hier im 17. Stock.“

Und dann ist er auch schon wieder im angrenzenden Zimmer verschwunden und ich sitze verwirrt auf seinem Bett. Gut.

Ich wurde also scheinbar entführt, habe keine Chance zu entkommen und weiß beim besten Willen nicht was dieser Mann eigentlich von mir möchte. Er hat keine Forderungen gestellt. Will er Lösegeld von meinem Vater? Allein die Vorstellung ist witzig, dass jemand glaubt Olaf würde Geld dafür bezahlen, um mich wieder zurück zu nehmen.

Ich werde ihn wohl einfach fragen müssen.

Außerdem, wenn ich will könnte ich fliehen, oder? Wieder einmal komme ich mir schrecklich schwach und nutzlos vor in diesem degenerierten Körper. Will ich denn fliehen? Wenn ja, wohin soll ich gehen? Es gibt nichts auf dieser Welt, wo ich hingehöre. Nichts.
 

Flink klettere ich aus dem Bett und spüre den kalten Parkett unter meinen nackten Füßen. Er hat gesagt ich kann mich frei bewegen, also öffne ich ohne Scheu die Tür und staune nicht schlecht über das großräumige Wohnzimmer, welches ich nun vorsichtig betrete. Man, der Typ hat wahnsinnig viel Geld!

Teure Möbel stehen gut platziert im Raum und die komplette rechte Seite hat eine riesige Fensterfront, vor der eine rote Sofagarnitur steht. Alles sieht sehr elegant aus. Draußen ist es noch immer dunkel, auch wenn man bereits die Dämmerung erahnen kann. Das leichte Hellerwerden am Horizont, ehe die quälend, grelle Sonne ihre ätzenden Strahlen über die Erdoberfläche schickt, wie Säure. Nicht das ich verbrennen würde im Sonnenlicht wie die Vampire in diesen lustigen, alten schwarzweiß Filmen, aber es ist einfach eine Qual für meine empfindlichen Augen.
 

Mein Entführer sitzt währenddessen auf dem roten Edelsofa und tippt auf der Tastatur eines Laptops herum. Sein Profil spiegelt sich auf der makellosen Scheibe der Fensterfront, genauso wie seine dunklen Augen, die mich sogleich prüfend mustern, bevor sich sein Mund zu einem überheblichen Lächeln verzieht.

Kurzerhand setze ich mich ihm direkt gegenüber und beobachte.

Nur ein prüfender Blick wird mir geschenkt, dann wird weiter getippt. Flinke, lange Finger, die schnell und bewusst über die Tasten fliegen.

Sicher arbeitet er an irgendwas. Ja, was arbeitet er überhaupt? Ein normaler Geschäftsmann ist er ja wohl kaum. Kein normaler Mensch würde jemanden entführen, um ihn dann in seiner Wohnung zu halten wie ein Haustier. Außerdem lassen mich seine Mitarbeiten an der Seriosität seiner Tätigkeit stark zweifeln.

Gelangweilt stütze ich mich auf der Lehne des Sofas ab und beschließe die angespannte Schweigsamkeit zu brechen.

„Wenn du Lösegeld willst, muss ich dich enttäuschen. Niemand würde mich freikaufen.“, sage ich mit lockerer Stimme, als ich mich fühle.

Alexander schaut von seinem Laptop auf und eine Augenbraue wandert in die Höhe.

„Wie kommst du darauf, dass ich Lösegeld möchte? Geld habe ich genug.“

Ich bin ehrlich überrascht. Aber wo er recht hat…

„Was dann?“

„Du wurdest mir geschenkt, zur Unterhaltung. Ich interessiere mich für seltene und hübsche Dinge. Ich wusste sofort, dass ich dich haben will, als mir mein Informant von dir erzählt hat.“

„Bist du ein Mafiosi oder so? Aber bist du dafür nicht noch zu jung?“

Er lächelt.

„Nicht ganz. Ich greife nur meinem Vater etwas unter die Arme. In dieser Stadt geht alles drunter und drüber.“

„Also bist du wirklich bei der Mafia?“

„Über meine Geschäfte werde ich nicht mit dir reden. Um so weniger du weißt, umso gesünder für dich.“

Es sollte mir wohl Angst machen, aber die habe ich nicht.

„Und Entführungen gehören dazu?“

Er grinst.

„Unter anderem.“

„Machst du das öfter? Leute entführen und als Haustier halten?“

„Nur wenn mir so etwas Hinreißendes wie dir über den Weg läuft.“

Ich schlucke und werde ganz nervös, als seine Blicke über meinen Körper wandern.

„Und was willst du jetzt mit mir anfangen? Ich bin kein Hund.“ Eher ein Wolf. Aber das wird er noch früh genug merken.

„Hmm ich bin noch unschlüssig.“ Nachdenklich beugt er sich etwas nach vorne über den Glastisch und seine Augen mustern mich nun sachlich kalt. Er streckt seine Hand nach mir aus, streicht über den Ring an meinem Hals und legt sich dann bestimmt um mein Kinn.

„Hast du keine Angst?“, fragt er prüfend.

„Ich habe keinen Grund.“, sage ich ehrlich.

„Oh, den wirst du haben, sobald du begreifst, wofür man dich mir geschenkt hat.“

Er nimmt seine Hand von mir und wendet sich wieder dem Laptop zu, während ich über seine Worte nachdenke und sie trotzdem nicht verstehe.
 

Mein Blick wandert wieder zum Fenster und über die unbekannte Stadt da draußen, deren Lichter leuchten wie eine massige Ansammlung kleiner Sterne. Wo auch immer ich bin, ich wurde auf jeden Fall in eine andere Stadt verschleppt, denn diese da draußen ist viel größer, als unser kleines Städtchen in dem ich noch bis gestern war.

„Hast du Hunger? Bedien dich.“ Seine Hand vollführt eine Geste zu dem Tisch zwischen uns, wo einige Früchte in schönen Glasschüsseln stehen. Perfekt geformte Erdbeeren, saftig, grüne Äpfel und noch mehr.

„Nein. Ich will nichts.“, antworte ich desinteressiert und wende mich wieder seinem hübschen Gesicht zu. Erstaunt sieht er mich an.

„Iss, du bist viel zu dünn.“

Ein Befehl, keine Frage. Aber ich will nicht, nicht das.

Vehement schüttle ich den Kopf.

„Soll ich dich erst dazu zwingen?“, fragt er nun etwas verärgert.

Ich will gerade etwas entgegnen, als ich leise Schritte höre. Ich wende meinen Kopf automatisch in die Richtung.

„Was ist?“, fragt er alarmiert.

„Da kommt jemand.“

Und schon klingelt es an der Tür. Das scharfe, laute Geräusch ist unangenehm und ich verziehe schmerzhaft das Gesicht.

Der Asiate steht auf und befielt mir nur mich zu sich aufs Sofa zu setzen, während er den Besucher herein lässt. Verstimmt tue ich was er sagt und ziehe wieder meine Knie an den Körper, um sie mit den Armen zu umschlingen. Von der Tür her dringen Stimmen zu mir und ein weiterer, unbekannter menschlicher Duft folgt ihnen ins Wohnzimmer.

Misstrauisch verfolge ich den Fremden mit den Augen, als sie sich setzen. Alexander neben mich und der Besucher, übrigens ebenfalls Asiate, sitzt uns gegenüber. An ihm haftet der abartige Geruch von Zigarettenqualm und altem Schweiß.

Sie unterhalten sich, ich nehme an geschäftlich, denn er hat wieder diesen Ton in der Stimme. Doch ich kann nicht verstehen über was, da Beide in eine andere Sprache wechseln. Auch irgendwas Asiatisches. Keine Ahnung, in dem Bereich kenne ich mich nicht aus. Für mich klingt das alles gleich, Chinesisch, Japanisch, Vietnamesisch…es könnte alles sein.

Das Gespräch dauert lange, viel zu lange. Immer wieder huschen die Augen des Fremden zu mir herüber, doch ich ignoriere es. Mir wird schrecklich langweilig und als ich die Sonne am Horizont langsam aufgehen sehe, beschließe ich wieder ins Bett kriechen zu wollen.

Kurz sehe ich mit meinen müden Augen diesen Alexander neben mir an, bis er mich bemerkt.

„Willst du etwas?“

„Ich bin müde.“

Seine Hand streicht durch meine weichen Haare und er sieht mich wieder so durchdringend an. In seine dunklen Augen kann man regelrecht versinken.

„Geh ins Bett, ich werde gleich noch mal nach dir sehen.“

Gerne komme ich seiner Aufforderung nach und wundere mich nur am Rande über die zärtlichen Berührungen von ihm.

Hunger

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kontrolle

Als ich aufwache bin ich wieder alleine, doch ich finde Alexander im Wohnzimmer wieder, wo er gerade mit irgendjemandem telefoniert. Seine Stimme ist dunkel und weich und beschert mir sanfte Schauer, die wie Wasser über meinen Rücken fließen. Ich bleibe kurz im Türrahmen stehen, weil ich ihm noch länger zuhören will, auch wenn ich die melodische Sprache nicht verstehe, die er wieder verwendet. Doch nachdem ich den Raum betreten habe, beendet er das Gespräch enttäuschend schnell und wir sehen uns stumm an. Sein Gesicht ist so unbewegt wie gestern. Keine Überraschung und kein Gefühl. Nur berechnende Blicke. Der Boden ist so glatt und sauber, dass sein Profil sich darin spiegelt, wie in einem klaren See. Er trägt wieder eine schwarze, elegante Stoffhose mit Bügelfalte und ein blaues Hemd, welches er noch nicht zugeknöpft hat. Mein Blick wandert flüchtig über seine nackte, muskulöse Brust. Die gleiche Brust, an die ich mich gestern Abend geschmiegt habe, während seine Hände mich fest umfingen.

An seinem Handgelenk kann ich einen weißen Verband entdecken und mit glühenden Wangen erinnere ich mich, dass ich der Grund dafür bin. Verlegen schlinge ich die Arme um mich, weil ich mir in dem großen Raum viel zu verloren vorkomme. Zudem trage ich immer noch diese seltsamen Sachen und die kühle des Metallringes streift meinen Hals und lässt mich wissen, dass er immer noch da ist.

Die Situation ist seltsam und ich weiß nicht genau was ich sagen oder tun soll, deshalb setze ich mich einfach wieder stumm aufs Sofa. Es ist bereits spät genug, damit keine Sonne direkt ins Zimmer fällt, zudem ein leichter Vorhang die Fenster bedeckt.
 

„Möchtest du etwas essen?“, fragt er mich ruhig und ich kann seine Gegenwart hinter mir spüren. Seine ganze Präsenz lässt den Raum plötzlich viel kleiner wirken.

„Oh, ich vergaß. Isst du denn überhaupt?“

Ich drehe meinen Kopf zu ihm herum. Er duftet wunderbar nach Rasierwasser.

„Ich kann essen, aber solange es kein Blut ist...na ja.“

„Verstehe.“
 

Ob er das tatsächlich tut? Mit fällt auf, dass es das erste Mal ist, dass ich mit einem Menschen spreche, der weiß was ich bin. Ein seltsames Gefühl, aber auch irgendwie…befreiend? Vor ihm muss ich mich nicht verstecken. Trotzdem fühle ich mich noch unwohl aufgrund dieser absurden Situation. Und weil er heute Morgen diese Dinge mit mir getan hat und da ich niemals gedacht hätte, das jemals mit einem Menschen tun zu können. Es wäre einfach zu gefährlich gewesen, weil ich nicht wusste, wie ich auf die direkte Nähe reagieren würde. Und nun weiß ich auch warum. Ich habe ihn gebissen nachdem er mir…

Mir wird heiß bei den Gedanken an seine Berührungen und ich versuche die Gedanken schnell fort zu schieben.
 

Verstohlen sehe ich mich im Raum um. Es gehen insgesamt außer dem Wohnzimmer noch 3 weitere Türen ab, die alle geschlossen sind. Eine davon muss in ein Badezimmer führen.

„Ähm, kann ich duschen?“

„Natürlich. Ich lege dir Sachen hin, warte hier.“

Er verschwindet im Schlafzimmer und kommt mit einem Handtuch und Wechselsachen wieder, die er mir ins Bad legt.

Das Bad sieht übrigens genauso Luxuriös aus, wie der Rest der Wohnung. Dunkle, marmorierte Fliesen und der ganze andere Luxuskram den man so erwartet, von einem vergoldetem Wasserhahn bis zur Kristalllampe, deren Licht in den glatten Fliesen golden reflektiert.
 

Mit den Fingern streiche ich den Rand der hübschen Wanne entlang und fühle den kalten Marmor.

Hm wie lange war ich nicht mehr Baden? Ich drehe mich zu Alexander und frage ihn spontan, ob ich die Wanne benutzen kann und er dreht schmunzelnd und wortlos den Wasserhahn auf.

Ein mannshoher Spiegel befindet sich auch hier im Raum und als ich mich nun dort sehe, ist es mir ein wenig peinlich. Die kurze Hose liegt ziemlich eng an und man sieht meine nackten Oberschenkel. Meine Haare sind etwas verzaust, weil ich mich noch nicht gekämmt habe und an meinem Hals ist immer noch dieses Ding. Ich wende mich nochmals Alexander zu, der mich immer noch beobachtet.
 

„Machst du mir den Ring ab?“ Ich deute auf den silbernen Reif um meinen Hals. Seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen.

„Nein.“

„Warum?“

Er streckt eine Hand aus und berührt den Reif an meinem Hals mit seinen Fingerspitzen, bevor er mein Kinn umfasst und etwas näher rückt.

„Weil es mir gefällt, wenn du ihn trägst. Er bleibt dran.“ Ich bin überrascht, über die strenge Bestimmtheit. So war er bisher gar nicht, aber es gefällt mir…vielleicht…ein kleines bisschen.
 

Als das Wasser fertig eingelaufen ist, sehe ich ihn auffordernd, aber ein wenig nervös an und beginne bereits damit mein Hemd aufzuknöpfen.

Kurz zögert er und ich bin mir fast sicher, dass sein Duft sich etwas verändert. Ist er wieder erregt? Oh das riecht gut.

Doch er lässt mich allein mit roten Wangen im Bad stehen und schließt die Tür hinter sich mit einem wissenden Lächeln auf den schmalen Lippen.
 

Ich weiß nicht wann ich mich das letzte Mal so erfrischt gefühlt habe. Meine Haut duftet wunderbar nach teurem Duschgel und meine Haare fühlen sich weicher an als je zuvor. Wie flauschige Federn schmiegen sie sich um mein Gesicht. Zuhause habe ich immer nur das billige Waschzeug von Olaf mit verwendet, wodurch meine Haare immer so trocken wie Stroh wurden.

An meinen Haarspitzen sammeln sich, trotzdem ich mich mit den flauschigen Handtüchern trocken gerieben habe, einige Wassertropfen und laufen mir den Nacken hinunter. Sie bereiten mir eine Gänsehaut.

Ich wische sie mir ab und tapse über die kalten Fliesen zu den Sachen, die mir hingelegt wurden. Unterwäsche und eine weiße Hose, diesmal aber nicht kurz, trotzdem liegt der Stoff eng an meiner Haut an. Dann noch ein weißes, langärmeliges Hemd. Ich weiß nicht was ich davon halten soll, als ich in den Spiegel sehe und mich eingehend betrachte. Meine blauen Augen leuchten regelrecht, die einzige kräftige Farbe an mir. Dabei wirken selbst meine bleichen Haare eine Nuance dunkler durch den reinweißen Stoff.
 

Die elegante Gestalt des Asiaten ragt vor mir auf, als ich die offene Küche betrete. Ein wenig muss ich zu ihm aufsehen, aufgrund seiner Größe. Dabei dachte ich immer alle Asiaten wären klein.

„Bist du fertig?“

Ich nicke.

„Gut. Wir haben heute noch viel vor.“ Er geht an mir vorbei zum Sofa und prüft dabei irgendetwas auf seinem Laptop.

„Ach ja?“ In meiner Stimme schwingt Verblüffung mit.

„Später.“, wimmelt er mich nur ab und blättert durch irgendwelche Unterlagen die neben seinem Laptop liegen.

„Komm her.“, befielt er mir und ich gehorche.

Vor mir auf dem Tisch liegt mein Ausweis. Also muss er auch mein Portmonee haben, nehme ich an. „Zion.“, sagt er rau und lächelt dabei düster. „Ein seltsamer Name, aber er passt zu dir. Und mir gefallen seltene Dinge.“

Nachdenklich setzt er sich.
 

„Ich habe alles überprüfen lassen. Du bist jetzt seit fast einem Tag bei mir und es gibt noch keine Vermisstenanzeige. Weder bei der Polizei, noch im Internet. Ich hätte gedacht es wird schwieriger dich verschwinden zu lassen.“ Seine Augen mustern meinen Körper und ich setze mich neben ihn.

„Ich habe nur einen Stiefvater und er wird eher denken ich wäre ausgerissen. Er wird nicht suchen. Aber ich weiß nicht wie es mit meiner Schule ist.“

„Da wurdest du bereits abgemeldet. Das habe ich vorhin vorsichtshalber überprüfen lassen.“, meint er sachlich.

„Von…dir?“, frage ich vorsichtig.

„Nein. Scheinbar von deinem Vater und das schon vor einigen Tagen. Diese Woche, wäre deine letzte Schulwoche gewesen.“

„Oh.“ Ich frage mich, wann Olaf mir das bitte erzählen wollte und warum er das getan hatte. Obwohl… eigentlich ist es ja offensichtlich.

Olaf fand Schule sowieso überflüssig, wahrscheinlich wollte er mich dazu zwingen, irgendwo arbeiten zu gehen. Es wäre nicht das erste Mal, aber als er es damals versuchte ging es nicht, durch die Schulpflicht, aber da ich jetzt die 10. Klasse bereits abgeschlossen habe, besteht diese nun nicht mehr für mich.

So ein intrigantes Arschloch…
 

Alexander beobachtet mich, als würde er nach etwas suchen.

„Du bist nicht traurig?“

„Nein.“ Ich lehne mich zurück ins Polster und sehe entspannt aus einem Teil des Fensters, der nicht verdeckt ist.

„Du wirst aus deinem Leben gerissen und dich stört es nicht?“, fragt er mich neugierig, lauernd. Aber ich brauche nicht zu lügen.

„Nein, es gibt nichts was ich vermisse.“

„Keine Freunde?“, fragt er lauernd und ich schüttle den Kopf.

„Du bist der Erste der weiß, was ich bin. Ich kann mich niemandem anvertrauen. Ich ertrage es nicht, wenn sie mir zu nahe sind.“

„Weshalb?“

„Ihr Geruch.“ Verlegen schaue ich zur Seite.

„Er macht mich hungrig.“, meine ich verzagt.

„Du hast angst sie zu töten.“

„Nicht wirklich…ich will nur nicht auffallen. Außerdem, sieh mich an. Ich bin nicht kräftig genug um einen Menschen anzufallen und woher soll ich wissen wohin mit einer Leiche?“

„Wenn du keine Menschen tötest, was dann?“, fragt er sachlich, als würden wir über das Wetter reden. Sollte ihn das als Mensch nicht abstoßen? Ich spreche immerhin übers Töten.

„Also…Tiere. Meistens Kaninchen oder Vögel. Wenn ich einen erwische.“

Er lacht seltsam entrückt und schüttelt den Kopf.

„Ich kann es immer noch nicht recht glauben. Vampire, oder was auch immer du bist, kenne ich nur aus schlechten Horrorfilmen. Aber du hast mich gebissen.“ Er verzieht sein hübsches Gesicht.
 

„Ist es auf irgendeine Weise ansteckend?“

„Ich glaube nicht“

„Du glaubst? Das ist ganz schön vage.“

„Ich habe noch nicht viele Menschen…gebissen. Aber ich glaube nicht, dass es ansteckend ist. Ich war schon immer so, soweit ich denken kann.“

„Also kein verrückter Graf Dracula, der dich verwandelt hat.“, spottet er und ich starre ihn grimmig an.

„Wir werden sehen, ob dein Biss Auswirkungen hat. Hmm...du hast keine weiteren Verwandten, keine Freunde. Es ist fast zu einfach...“, meint er nachdenklich und schielt wieder auf den Personalausweis. „Bist du tatsächlich 17?“

Oh, das habe ich fast vergessen. Ich habe ja Geburtstag…

„Was sonst?“, frage ich verwirrt, weil ich nicht weiß worauf er hinaus will.

„Ich möchte nur keine Überraschungen erleben. Du siehst jung aus, aber man sieht dir auch nicht an, dass du kein Mensch bist.“

„Ich bin wirklich 17. Bisher altere ich ganz normal, ich werde nur nicht krank und ich heile schnell. Aber das weißt du ja.“

Ich war noch nie krank, nicht ein Mal. Keine Erkältung, Grippe oder Masern. Zumindest soweit ich mich an meine Kindheit zurückerinnern kann.
 

„Wen hast du noch gebissen, außer mir? Ich rate dir ehrlich zu sein, ich kann mir keine Zeugen leisten. Wenn es jemanden gibt, werden wir uns darum kümmern müssen.“

„Nur dieser Typ gestern und….dich. Er, weil er mich angegriffen hat und…dich…weil…“ murmle ich.

„Mich, weil du erregt warst, schätze ich.“

„Ja…“, krächze ich leise.

„Du bist Jungfrau.“, stellt er unvermittelt fest und ich werde auf der Stelle rot vor Scham. Oje, ich bin doch sonst nicht so, aber in seiner Gegenwart fühle ich mich so merkwürdig. Als wäre er ein Verstärker für die wenigen Emotionen die in meinem Körper existieren.
 

Er mustert mich wieder mit diesem seltsamen Blick und langsam kommt mir auch seine Fragerei merkwürdig vor. Hat er Hintergedanken? Das behagt mir nicht.

„Willst…wirst du mich verkaufen?“ Unsicher sehe ich ihn an.

„Hast du angst davor?“

„Ein wenig.“

„Nein, ich werde dich nicht verkaufen, du bist zu wertvoll dafür. Und ich sammle wertvolle Dinge.“ Ich bin also für ihn auch nur Ware…
 

Er beugt sich plötzlich zu mir herüber und seine Hände greifen an meine Hüfte und Taille, um mich auf ihn zu ziehen.

„Hmmm, die Leute wissen gar nicht was ihnen entgeht.“, schnurrt er in mein Ohr mit seiner dunklen Stimme und ein Schauer überzieht meine Haut.

Eine Hand schleicht sich auf meinen Oberschenkel, der andere Arm hält mich weiter umschlungen und sein Kopf legt sich entspannt auf meine Schulter. Ich frage mich, wie es jetzt weiter gehen wird. Bleibe ich hier? Zurückgehen ist jedenfalls keine Option, aber von hier fortgehen wird vielleicht auch gar nicht möglich sein.

„Was soll ich eigentlich jetzt machen? Ich kann nicht den ganzen Tag hier herumsitzen und nichts tun.“, frage ich vorsichtig.

„Du möchtest eine Beschäftigung?“

„Ja.“

„Suche dir etwas. Du kannst tun was du möchtest, solange du dich an meine Regeln hältst.“

„Ich darf also nicht nach draußen.“

„Ohne meine Erlaubnis verlässt du diese Räume nicht.“

„Und wenn ich es doch tue? Was hält mich davon ab einfach zu gehen?“, frage ich provokativ, da mir immer noch der Gedanke im Kopf schwirrt, für ihn nur ein wertvoller Gegenstand zu sein, eine Ware. Ich muss zugeben, ein wenig bin ich schon beleidigt.

Mir entgleitet sofort mein trockenes Lächeln, als ich etwas in seinen Augen blitzen sehe. Hart packt er mich an meinen Hüften und stößt mich rüde aufs Sofa. Ich keuche erschrocken und meine Augen weiten sich. Sogleich liegt er schwer auf mir und eine Hand drückt sich drohend an meine Kehle. Die andere fängt meine Handgelenke ein und drückt sie über meinen Kopf ins Polster. Ich winde mich unter seinem Griff, werde aber sofort ruhig, als sein strafender Blick mich streift. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Ich kann seinen Atem auf meiner kalten Haut spüren.
 

„Du verkennst die Situation, meine kleine Fledermaus.“ Seine Stimme knurrt tief und dunkel, als wäre er das Raubtier von uns beiden.
 

„Du gehörst mir.“ Ein Bein schiebt sich zwischen meine Knie und spreizt sie auseinander. Ich komme nicht umhin leise zu wimmern, da sein Oberschenkel bestimmt gegen meinen Schritt drückt und ich muss nervös schlucken, weil seine durchdringenden Augen mich gierig beobachten. Das erste Mal fühle ich mich selbst vollkommen als Beute. Ausgeliefert wie eines dieser Kaninchen, die ich normaler Weise fresse, und diese umgekehrte Rolle, diese untergeordnete Position, in der ich mich befinde, erregt mich erschreckender Weise auch noch. Es ist mir gerade so egal, dass ich schwach bin.

Seine Handlungen wecken einen neuen, unbekannten Teil in mir und er beginnt langsam mir zu gefallen.
 

„Du gehörst mir, dein Körper gehört mir.“, flüstert er anregend in mein Ohr, als er sich weiter hinabbeugt. Die Hand an meiner Kehle lockert sich und streicht fest über meine Brust.

„Deine Erregung…“

Er wandert weiter bis zu meiner zitternden Hüfte. Dann drückt er ruckartig sein Bein fester gegen meinen Schritt und ich muss abermals keuchen.

„…gehört mir.“

Verdammt...ich bin hart geworden durch seine Worte.

Langsam beginnt er nun mein weißes Hemd aufzuknöpfen, schiebt den Stoff auseinander und betrachtet mit einem merkwürdigen Grinsen meine nackte Brust. Im Kontrast zu der milchweißen Haut schimmern meine Brustwarzen wie rosane Kirschblüten im Schnee.

Eine seltsame Mischung aus Furcht und Erregung erfasst mich und ich weiß nicht für welche Seite ich mich entscheiden soll.

Aufreizend reibt sein Bein gegen meinen Schritt. Meine Augen wandern automatisch zu seiner Schulter und wieder kann ich diesen Duft wittern. Herb und voll. Ergeben beiße ich mir auf die Unterlippe. Ich kann diesem Geruch nicht widerstehen, er reizt alle meine Sinne aufs Äußerste, und es bildet sich Speichel in meinem Mund. Die aufkommende Erregung mischt sich perfekt mit meinem Hunger.
 

Oh Gott, ich will ihn beißen…
 

„Du wirst mich nicht beißen.“ Oh, hat er meinen Gemütszustand bemerkt? Ich schlucke nervös und winder mich abermals unter seinen fordernden Berührungen.

„Hörst du mich?“ Eine Hand fängt mein Kinn ein, als ich seinem Blick ausweichen will.

„Ja.“

„Gut.“

Er stellt sich das so einfach vor, doch er steckt nicht in meiner Haut. Während er sich weiter an mir reibt verströmt er immer stärker diesen besonderen Duft, den ich genüsslich aufsauge und mir dabei über die Lippen lecke. Er riecht köstlich nach Mensch und ich habe das Gefühl es jetzt noch viel stärker wahrzunehmen, als gestern. Vielleicht liegt es daran, dass ich jetzt weiß wie er schmeckt. Wie sich sein Blut auf meiner Zunge anfühlt und sein Fleisch unter meinen Zähnen…
 

„Spürst du das?“, fragt Alexander unvermittelt.

„Was…“, meine Stimme stirbt, als ich unerwartet seine Zähne an meiner Schulter spüre.„Ah…ja…“, schreie ich erstickt und überrascht zugleich. Er hat mich gebissen! Nicht stak genug damit Blut fließt, aber es bringt mich trotzdem vollständig aus der Fassung.

„Sehr gut.“, grinst er zufrieden. Kurz lösen sich seine Lippen von meiner Haut, ehe er erneut zubeißt, diesmal sanfter. Seine Zunge wandert über meine Haut bis zu meinem Schlüsselbein, während eine Hand langsam beginnt über meine Schenkel zu streichen. Sein Bein liegt dabei immer noch zwischen meinen.

„Du tust was ich dir sage, hörst du?“, flüstert er bedrohlich, fast knurrend.

„Ja.“, hauche ich ergeben, strecke mein Rückrad durch und drücke meinen Hinterkopf tiefer in das Polster der Couch.

„Wenn ich dir befehle, mich nicht zu beißen, dann erwarte ich, dass du nicht einmal daran denkst.“

„Ja…“

Ich spüre einen kurzen Schmerz und ein ziehen, als er meine Handgelenke loslässt und mit derselben Hand ruckartig in meine Haare greift, um meinen Kopf zur Seite zu drehen. Seine Lippen wandern direkt über meiner pochenden Halsschlagader entlang. Mit geschlossenen Augen schlucke ich gegen meinen Trieb an, dasselbe bei ihm zu tun.

„Du gehörst jetzt mir! Hast du das verstanden?“

„Ja…“, antworte ich mit glasigen Augen.
 

Meine Erregung fließt mir bereits bis in die Fingerspitzen, doch Alexander schenkt dem keine Beachtung. Ich bin hart. Oh Gott, ich will ihn. Ich will sein Hemd aufreißen und über seine erhitzte Haut lecken. In seinem Duft kann ich auch seine Erregung riechen und kann nicht verstehen, wie er das nur aushalten kann. Hätte ich eine Wahl, ich würde ihn am liebsten lebendig verspeisen. Doch die habe ich nicht. Er trifft sie für mich.

Ich bin ihm in diesem Moment vollkommen ergeben.

Der Druck gegen meinen Schritt wird stärker und er beginnt mich mit einem stetigen Rhythmus zu reiben. Zwischen uns ist immer noch der Stoff der dünnen Hose, die ich gerade erst angezogen habe. Wenn er nicht aufhört, wird er mir noch mal eine geben müssen…

Überall wo er mich mit seinen Lippen berührt, wird meine Haut unter den Küssen warm und als er sanft in meine Brustwarze beißt, sie zwischen die Lippen zieht und mit der Zunge berührt, stoße ich ächzend einen Schwall erhitzter Luft aus, die ich zuvor konzentriert angehalten habe.

Meine Wangen brennen. Trotzdem ist der Rest meiner Haut immer noch so kalt wie Schnee. Viel kälter als gestern, obwohl ich so erregt bin. Mein Körper verlangt nach Blut. Es ist nicht mehr genug Energie in diesem Leib, um die benötigte Hitze herzugeben. Ob ihm das ebenfalls auffällt? In meinem Magen bebt es.
 

Ich darf ihn nicht beißen!
 

Frustriert keuche ich und lehne mich weiter nach hinten in dem schwachen Versuch seinem Duft zu entgehen und nehme plötzlich einen anderen, mir fremden Geruch war. Schlagartig öffne ich die Augen und blicke in ein anzüglich lächelndes Gesicht. Nur wenige Meter entfernt steht lässig ein Mann im Raum, der uns interessiert beobachtet.

Scharf atme ich ein und Alexanders Kopf ruckt nach oben.

„Was….“

Seine Mimik ist unbewegt, als er den fremden Mann entdeckt.
 

„Das war heiß“, kommentiert der Fremde und seine Mundwinkel zucken dabei. Er ist ebenfalls asiatisch. Mir fallen als erstes seine seidigen, schwarzen Haare auf, die er nach hinten gekämmt hat und seine ernsten Augen, hinter einer Brille versteckt.

Ein scharfes Kinn. Hübsch, wäre da nicht seine Nase, die aussieht, als hätte jemand sie ihm aus Wut gebrochen, sowie eine feine Narbe unter seinem rechten Auge, die seine glatte, helle Haut verunstaltet. Er trägt einen dunklen Anzug, der im Gegensatz zu Alexanders Kleidung schon fast unordentlich wirkt.
 

Mit geschmeidigen Schritten kommt er näher und lehnt sich lässig gegen das Sofa, auf dem wir immer noch liegen.

Alexander richtet sich gemächlich auf, als wäre diese Situation gar nicht so absurd, wie sie mir vorkommt. Meine Glieder sind immer noch ganz starr vor Schreck.

„Yun, was machst du hier?“, fragt Alexander etwas genervt.

Der Fremde steckt seine Hand in die Hosentasche und zieht einen silbernen Schlüssel hervor, der um seinen Zeigefinger baumelt.
 

„Ich wollte dir deinen Schlüssel zurückbringen. Aber mir scheint es, als wärst du gerade schwer beschäftigt.“

Yuns Augen wandern wissend zu mir. Ich fühle mich unter seinem Blick schrecklich unwohl. Am liebsten würde ich mein Gesicht in Alexanders Brust vergraben, doch er steht vom Sofa auf und schenkt mir keine Beachtung mehr. Da ich mir jetzt mit der nackten Brust so entblößt vorkomme, schlinge ich die Arme um den Körper, während ich mich auf die Seite drehe und die Knie an meinen Bauch ziehe. Die Erregung, die bis eben den ganzen Raum erfüllt hat, ist so plötzlich verschwunden wie ein Sandsturm.
 

„Du kannst den Schlüssel behalten.“

Alexander geht an dem Fremden vorbei und holt sich aus der Küche ein Glas Wasser. Ich lasse ihn dabei nicht aus den Augen und Yun auch nicht.

„Bist du dir sicher? Ich könnte mich nachts hier hereinschleichen und deine Krawatten durcheinander bringen. Oh das würde Spaß machen!“, lacht er beinahe mit kindlicher Freude.

„Wenn es einen unter den ganzen Schwachköpfen gibt, dem ich meinen Schlüssel anvertrauen würde, dann dir, auch wenn du manchmal unausstehlich bist. Und lass die Finger von meinen Sachen!“

„Danke für die Blumen, Cousin. Apropos unausstehlich, dir scheint mein Geschenk also zu gefallen. Ich habe dir doch versprochen, es trifft genau deinen Geschmack. Es wäre schön, wenn du mir endlich mal wirklich so viel Vertrauen schenkst, wie du immer behauptest.“
 

Auch wenn ich inzwischen angespannt aus dem Fenster schaue, kann ich Yuns Blick auf mir spüren.

„Ich wusste sofort, als ich ihn sah, dass er perfekt ist.“

Er meint doch nicht etwa….mich? Mein Kopf ruckt nach oben und ich begegne Yuns Blick. Ich kann ihn nicht einschätzen. Ist es kalte Berechnung, die ich hinter der Brille durchblitzen sehe? Stoff raschelt, als er sich zu mir herunter beugt und seine schlanken Finger streichen durch meine hellen Haare. Die Berührung ist unangenehm. Nicht wie bei Alexander…

„Er sieht ihr ähnlich, oder?“, flüstert Yun beinahe.

„Lass ihn los.“, knurrt Alexander scharf.

Die Hand zuckt augenblicklich zurück.

„Keine Angst, ich mach ihn schon nicht kaputt. Ich habe ihn dir geschenkt! Er gehört ganz dir. Alles gehört dir, mein lieber Cousin, wie immer. Allerdings solltest du mehr auf deine Spielzeuge achten. Sie gehen immer so schnell kaputt.“
 

Von was zum Teufel spricht er? Ich bin verwirrt und aus Alexanders Blick kann ich auch nichts ablesen, was mir weiterhilft.

„Da fällt mir ein, ich brauche einen neuen Mitarbeiter, es wäre wundervoll, wenn du jemanden entbehren könntest.“

„Ich habe dir erst vor einer Woche jemanden zugeteilt.“, meint Alexander sachlich.

Yun verzieht das Gesicht.

„Ja, aber dein neues Spielzeug hat ihm die Kehle zerrissen. Ich weiß noch nicht einmal, ob er die nächsten Tage überlebt, und selbst wenn, er ist derzeit vollkommen unbrauchbar in diesem Zustand. Du solltest aufpassen, der Kleine ist ganz schön bissig!“, scherzt er vergnügt.

„Du hast doch fähige Mitarbeiter, sicher lecken sich bereits einige die Finger nach einer Beförderung.“

„Alles Idioten, bis zum letzten. Er war zwar ein Sadist, aber immerhin brauchbar. Du schuldest mir was, und wenn du willst dass die Geschäfte laufen, brauche ich jemanden mit mehr Grips im Kopf. Ich habe schon genug räudige Köter, die sich lieber an der Ware vergreifen, als damit zu handeln. Es hat mich mehr als genug gekostet, als die letzte Leiche direkt in die Hände der Polizei gespült wurde.“

„Das Mädchen von letzter Woche? Ich dachte das wäre erledigt.“

„Ist es auch, aber Schmiergelder sind nicht billig. Ich kann nicht die gesamte Polizei aus dem Weg räumen, außerdem hat dort Asano seine Finger zu sehr im Spiel. Du weißt, dass er nur auf solch eine Gelegenheit wartet.“

„Das wird sich ändern.“

Yuns Stimme schallt bellend durch den Raum, als er lacht.

„Asano ändert sich nie! Aber wir werden sehen, ob du dem Tiger die Krallen ziehen kannst. Dein Vater hat es bisher nicht geschafft.“

„Vater ist auch nur noch ein zahnloser Drache.“

„Mag sein.“

Kurz senkt sich eine Stille im Raum nieder und ich sehe in das nachdenkliche Gesicht von Alexander, der mich mustert, eher er sich wieder an Yun wendet.

„Du bekommst deinen Mitarbeiter. Ich kümmere mich darum.“

„Gut. Es ist schon spät, du solltest dich bald fertig machen.“ Yun zieht den Ärmel seines Hemdes zurück und eine teure Uhr kommt zum Vorschein.

„Du weißt ja, die Familie wartet nicht gerne.“

„Dann lasse deinen unbändigen Charm spielen und unterhalte sie. Sag mir nicht, dass du keine Lust hast auf neuen Tratsch, Amelie wird dich sicher gerne auf den neusten Stand bringen.“

„Ach was, es gibt nichts besseres, als zu erfahren, welche neuen Intrigen sie sich wieder ausgedacht hat! Ich liebe ihren erfinderischen Geist. Ich brenne darauf zu erfahren, welche Ehe sie diesmal zerstört hat!“ Vergnügt geht er an Alexander vorbei zur Tür und will gerade nach der Türklinke greifen.
 

„Eins noch, weißt du ob Yukiko schon da ist?“
 

Yuns Hand erstarrt für den Bruchteil einer Sekunde und mir kommt es so vor, als würde sein Körper sich verhärten. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein, denn als er wieder spricht, kann man seine Anspannung nicht mehr hören.

„Nein, sie hat sich bei deiner Mutter entschuldigen lassen. Durch das schwere Unwetter startet heute kein einziges Flugzeug mehr.“

Erstaunt schaue ich aus dem Fenster in den zwar bewölkten, aber regenfreien Himmel. Wahrscheinlich reden sie von einer anderen Stadt.

„Der heutige Abend ist wichtig, sie hätte herkommen sollen.“

„Dann beschwer dich bei ihr und Thor.“ Er öffnet die Tür und wirft einen Blick über die Schulter.

„Thor? Der Donnergott? Ich fürchte eine Beschwerde wird schwierig zuzustellen sein.“, witzelt Alexander.

„Du hast doch fähige Mitarbeiter.“, grinst Yun und zwinkert ihm schelmisch zu, eher er die Tür hinter sich schließt.
 

*

Instinkt

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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  ultraFlowerbeard
2016-03-20T20:13:12+00:00 20.03.2016 21:13
Du hast einen wirklich guten Schreibstil. Es ist alles sehr schön beschrieben und man kann sich gut in Zion rein versetzten. Jetzt durfte er ja endlich menschliches Blut kosten.
Schreib schreiben bitte weiter
lg Flower
Von:  yukihima
2015-05-22T20:56:51+00:00 22.05.2015 22:56
na dar freu ich mich jetzt schon drauf :3
Von:  yukihima
2015-05-22T19:55:09+00:00 22.05.2015 21:55
hab mir grade deine story durch gelesen und muss sagen ich find sie klasse und freu mich wenn es weiter geht
Antwort von:  ellenorberlin
22.05.2015 22:19
Vielen Dank :D
Und keine Sorge es geht weiter ^_~
Ich brauche nur gerade die Zeit für ein anderes Projekt, das euch aber auch gefallen wird :3
Es hat auch mit dieser FF zu tun XD~
Von:  Andiii
2015-05-06T14:20:16+00:00 06.05.2015 16:20
Wann geht es endlich weiter ??? ^.^
Die Geschichte im Allgemeinem finde ich richtig super. Mir gefällt dein schreibstill und ich hoffe es geht schnell weite weil ich eine richtig ungeduldige Person bin.
Ich finde es richtig spannend. Mach schnell weiter! :)
Antwort von:  ellenorberlin
06.05.2015 16:30
haha xD danke für dein Kommi! ja es geht bald weiter, ich habe nur gerade eine kleine Pause dazwischen gehabt, weil ich etwas zu dieser FF gezeichnet habe....X////D wenn es fertig is wird das zusätzlich hochgeladen :3
Antwort von:  Andiii
06.05.2015 23:52
hey ellenorberlin

Yeeey da freu ich mich jetzt aber drauf!!^^
Ich finde selten Geschichten wie deine und sie gefällt mir sehr.
Freue mich mega auf die Zeichnung und weiter so!!!! ;D

LG Andiii
Von:  AnimaObscura
2015-04-06T10:10:43+00:00 06.04.2015 12:10
Gott das ist verdammt gut geschrieben :)
Die ganze Atmosphäre aks Alexanders Cousin auftaucht war einfach zum greifen nah :D
Genau das was mich total antriggert. Klischee devotes, schüchternes Uke und der eiskalte unnahbare Seme. Aber noch interessanter wird es dadurch das das kleine Uke ein Vampir ist und den Menschen evtl töten könnte, wäre das seine Art xD
Und dann spielt der kleine Vampir auch noch Haustier *.*
Sehr schön! :D
Bin sehr gespannt wie es mit den beiden weiter geht^^
Antwort von:  ellenorberlin
07.04.2015 21:09
Danke für die Blumen ^-^
Ich mag die Idee sehr, dass Alexander mit dem Feuer spielt, weil Zion nun mal wie ein Wolf ist und Alex meint ihn zähmen zu können. Da wird noch einiges kommen ;)
Liebe grüße!
Von:  kleinerGummiflummi
2015-04-03T13:31:39+00:00 03.04.2015 15:31
Super Kapitel. Ich liebe deinen Schreibstil einfach.
Da kann man richtig mitfiebern. ^.^
Freu mich schon riesig auf das nächste!
Von:  ultraFlowerbeard
2015-03-29T15:20:15+00:00 29.03.2015 17:20
man kann sich richtig in den Charakter hinein versetzten. Die einzelnen gedankengänge find ich sehr interessant und auch dein Schreibstil gefällt mir sehr.
ich hoffe doch du schreibst schnell weiter. xD
Antwort von:  ellenorberlin
29.03.2015 19:57
Danke ^^ Wenn ich heut Abend noch Zeit finde dann bearbeite ich das nächste Kapitel zuende und lade es hoch, die Kapitel an sich sind fertig, ich schaue nur durch nach RS Fehlern etc.
Von:  Niii
2015-03-25T07:35:40+00:00 25.03.2015 08:35
hi ellenorberlin!
dein schreibstil gefällt mir wirklich sehr gut! die story ist spannend und die beweggründe des protagonisten sind für mich logisch. ich würde mich sehr freuen, wenn du bald das nächste kapitel hochlädst.
lg niii
Antwort von:  ellenorberlin
25.03.2015 08:49
Danke für deine Nachricht :) Das nächste Kapitel werd ich in den nächsten tagen hochladen. Zwar habe ich die schon fertig geschrieben , aber ich möchte immer etwas Abstand zwichen den Kapiteln haben. Die Geschichte ist bislang recht kurz, sollte ja ein One-Shot sein. Wenn genug Interesse besteht und ich Lust zu habe, dann schreibe ich eine Fortsetzung ;)


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