Regen von hare (100 Storys- #29) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war viel zu warm geworden. Sie stand auf dem Hügel, der einzigen Erhebung weit und breit, und sah zum Horizont, das bunte Kleid flatterte im Wind, um den Kopf hatte sie ein Tuch geschlungen, um sich vor der Sonne zu schützen, die erbarmungslos vom Himmel brannte. Der letzte Regen war vor etwa einem Jahr gefallen. Dazwischen war es zwar kühl, kalt, warm, heiß, feucht, trocken und frostig gewesen, aber geregnet hatte es nie. Es hatte weder genieselt noch geschüttet. Anfangs hatte es die Natur noch verkraftet, es war warm gewesen, sie hatten sich gefreut. Dann haben sie eben bewässert, wie alle, die sich Regen in ein, zwei Woche erhofften, aber eben nicht allzu bald, denn, das Wetter war schön, nach dem ganzen Regen, und es war so wunderbar warm, und man konnte jeden Tag draußen verbringen, ohne Einschränkungen. Irgendwann hatten die Erwachsenen schon viele Vorschläge gesammelt, was man nicht an einem Regentag machen könnte, doch sie verschoben es immer wieder, auf, nunja, einen Regentag, es war ja viel zu schön, um so etwas an einem Sonnentag zu erledigen. Das Mädchen stieg nach etwa drei Monaten das erste Mal auf den Hügel. Als sie gefragt wurde, warum, meinte sie, sie warte auf den Regen. Sie wurde belächelt. Doch von da an stieg sie immer wieder, wenn sie Zeit dazu fand, auf den Hügel. Währenddessen wurde das Wasser knapp. Erst hörten sie auf, die Blumen zu gießen. Dann verdorrte das Gras. Schließlich die Felder. Die Erde verbrannte unter dem erbarmungslosen Einfluss der Sonne. Sie riss auf. Die Ernte vertrocknete fast, während das braune Gras unter den Schuhen zerbröselte. Das Mädchen stand am Hügel, und wartete. Manchmal leistete man ihr Gesellschaft. Manchmal, da war es ganz allein. Der Herbst kam, doch die Bäume trugen keine bunten Kleider, sondern tristes Braun. Was an Blattwerk noch übrig war, verdorrt, ungesund und tot, fiel auf die verbrannte Erde. Das Mädchen wartete. Es wurde kälter, doch der Regen kam nicht. Es warf sich ein Tuch über, um nicht zu frieren, bunt wie die Blumenlandschaft, die verschwunden war, und nur noch in den Erinnerungen der Menschen existierte. Der Winter kam, und die Menschen warteten sehnsüchtig auf den Schnee, damit sie ihn nehmen konnten, und irgendwie aufbewaren, es gab kaum noch genug Trinkwasser, aber es ging noch. Irgendwie. Die ganzen schönen Aktivitäten für Regentage fanden drinnen statt. Das Mädchen blickte in die Ferne. Während die anderen sich am Feuer des trockenen Holzes wärmten, und von weit entfernten Gegenden Wasser und Lebensmittel holten, sah es in die Ferne, und wartete auf den Regen. Es wurde so kalt, dass es selbst das Mädchen aufgab, zu warten. Sie saß am Fenster, blickte in die Ferne, und wartete auf den Regen. Als der Frühling kam, warteten die Menschen auf den Regen, das schlechte Februarwetter, den nassen März, den wechselhaften April. Aber er kam nicht. Das Mädchen kletterte wieder auf den Hügel, sie stand da, und wartete. Sie war selten allein. Der Ausblick war ihr schon vertraut, doch die immer neuen Leute, die da standen, und sich, genau wie sie, nach der Ferne, nach dem Regen sehnten, waren ihr fremd. Ab und zu sahen sie eine Wolke am Horizont. Doch diese waren selten. Und ein erbarmungsloser, warmer Wind trug sie immer fort. Die Menschen hatten es irgendwann aufgegeben, auf den Regen zu warten. Sie zogen weg, oder starben. Doch das Mädchen blieb. So wie heute. Sie stand da, und blickte in die Ferne. Sie erspähte eine seltene Wolke am Horizont, ihr Herz hüpfte, wie immer, wenn sie eine erblickte. Das Kleid an ihrem schmalen Körper war blau, blau wie das Wasser, blau wie der Himmel, blau wie der Fluss, der vor langer Zeit das Tal durchzogen hatte. Ein schlichter Gruß an die Wolke. Ein Windstoß kam, warm und trocken, wie der Wind in dem Tal eben war, und gerade, als sie dachte, er brächte die Wolke näher, schritt sie in die andere Richtung. Es war eine schöne Wolke gewesen. Das Mädchen hatte sie gemocht. Es wurde traurig, weil die Wolke es sich erlaubt hatte, sie zu verlassen, und weil sie gehofft hatte, die Wolke würde sie tatsächlich besuchen, weil es eine Chance gegeben hatte, weil es wollte, dass das ganze Warten nicht umsonst gewesen war! Das Mädchen war wütend. Es schrie, und schrie, und schrie, und schwor sich, nie, nie wieder auf den Regen zu warten. Er würde nicht mehr kommen. Das Land war verflucht. Es würde sterben. Das Mädchen drehte sich um und ging den Hügel hinunter, ohne sich umzudrehen. Als es den Fuß der Anhöhe erreichte, spürte es etwas auf ihrer Schulter, und dachte, es wäre ein Insekt, wischte es ärgerlich fort. Doch es war kein Insekt, an ihrer Hand klebte nicht das Blut einer Fliege, sondern etwas Wasser. Es drehte sich um, sah nach oben. Die Wolke stand über dem Mädchen, freundlich, fröhlich. Und zum ersten Mal seit Monaten regnete es wieder, erst zögerlich, dann heftiger. Die Erde trank das Wasser, und alle, die noch da waren, verließen ihre Häuser, die Kinder versuchten, Regentropfen mit der Zunge aufzufangen, und das Mädchen stand einfach nur da, und lachte. Das Land atmete tief und rasselnd ein. Es lebte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)