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Die Reise eines Engels

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Zeitpunkt: Wo Kratos und Anna das erste mal in Hima sind (Kapitel 7) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Zeitpunkt: Anfang von Kapitel 4
Annas entschuldigt sich bei Kratos. War die erste Version von ihrer Entschuldigung. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Zeitpunkt: Als Kratos seinen Gefühle verloren hatte und Anna ihn wieder gefunden hatte.(Kapitel 30) Komplett anzeigen

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Eine friedliche Welt? (Kratos Sicht)

Eine friedliche blaue Welt. So sah sie zumindest von hier oben aus. Wie es wohl da unten zuging? Von hier oben konnte man das nicht ausmachen. Die Welt, die wir erschufen. Wenn man es so nennen konnte. Wir waren es ja die diese Welt in zwei geteilt hatten. Damals schien unser Handeln die einzige Möglichkeit zu sein. Jetzt war ich mir allerdings nicht mehr so sicher.

Diese Welt auf der ich geboren wurde, war nun so weit weg. Ich hatte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr betreten. Zum einen hatte ich sehr viel zu tun hier. Es kam mir aber so vor als wollte man mich von dort fernhalten.

Ich stand auf und beschloss etwas spazieren zu gehen. Nicht dass es hier viel zu sehen gäbe.

Welgaia, die Stadt der Engel, eine leere Welt.

Sicherlich war sie von vielen Wesen, die sich selbst Engel nannten bevölkert, aber…

Diese Wesen konnte man kaum als lebendig bezeichnen. Durch den Cruxis-Kristall hatten sie jegliche Gefühle verloren. Sie waren wie Roboter.

Ich gehörte auch zu diesen Engeln. Auch wenn ich meine Seele nicht verloren hatte, so fühlte ich mich trotzdem leer.

Langsam ging ich einen Gang hinunter. Dabei liefen etliche Engel an mir vorbei. Keiner sagte etwas. Wozu auch. „Sprache ist nur ein Werkzeug zur Informationsübermittlung.“

Ich stand vor einem Tor. Es war der Raum meines Freundes. Ich wollte mit ihm reden.

„Lord Kratos. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Lord Yggdrasil möchte gerade nicht gestört werden.“, gab die Wache in monotoner Stimme von sich.

„Mhm“ machte ich nur.

Sicherlich war Mithos bei seiner Schwester bzw. dem Keim. Er sprach öfters mit dem riesigen Keim. Martel war ja mit ihm vereinigt.

„Ich möchte trotzdem zu ihm.“, befahl ich harsch.

„Entschuldigt, aber Lord Yggdrasil hat mir befohlen nicht einmal sie und Lord Yuan durchzulassen.“

Das nervte jetzt aber. Ich hätte diesem Engel wohl gedroht ihn zu töten, aber ich wusste, dass ihm sein Leben nichts bedeutete.

Ich fragte mich immer noch was Mithos damit bezweckte solche Wesen zu schaffen? Sie waren alle nur leblos.

Mithos war sowieso seltsam. Sicherlich hatte er sich während dem Tod seiner Schwester stark gewandelt. Vielleicht auch nicht unbedingt zum Guten. Ich wusste nicht mehr was in ihm vorging. Er verschwieg immer mehr vor mir und Yuan.

Bis jetzt hatte ich immer geglaubt es würde sich geben, aber Mithos zog sich immer mehr zurück. Es waren nun schon tausende von Jahren vergangen, aber nichts änderte sich.

„Lord Yggdrasil hat nach mir verlangt, also lass mich durch. Du willst ihn doch nicht etwa warten lassen.“, sprach ich kühl.

„Der Engel wusste nicht was er machen sollte. „Nein natürlich nicht, aber ich habe keine Befehle…“

„Na also geht doch.“, unterbrach ich ihn und betrat den Raum. Schließlich benutzte ich den Teleporter.

Es war dunkel hier. Ein ziemlicher Unterschied zum Rest von Welgaia. Ich konnte zunächst nichts erkennen.

„Oh meine geliebte Schwester. Nur noch ein bisschen. Bald werde ich einen Körper für dich gefunden haben.“, hörte ich eine tiefe Stimme. Das war zweifelsohne Mithos in seiner älteren Form.

Ich erkannte ihn nun auch. Er stand etwas weiter weg. Den Rücken hatte er zu mir gedreht, während er den Keim und damit Martel ansah. Bis jetzt hatte er mich wohl noch nicht bemerkt.

„Wenn du dann wieder bei mir bist, erfülle ich dir deinen Wunsch: eine Welt ohne Diskriminierung.“, sprach Mithos erneut.

Das hatte sich Martel gewünscht. Eine Welt in der Menschen, Elfen und Halbelfen friedlich zusammen leben konnten.

„Die Desians haben bereits viele Expheres hergestellt. Mit diesen können wir das Zeitalter leblosen Wesen erschaffen.“, erklärte Mithos.

Zeitalter der leblosen Wesen? Was war das? Davon hatte ich noch nichts gehört.

„Mit Hilfe der Cruxis-Kristalle werden wir alle gleich sein. Keine Emotionen, kein Hass, keine Diskriminierung. Es wird kein unterschiedliches Blut mehr geben. Wir gehören dann alle der gleichen Rasse von leblosen Wesen an.“

„Das ist ja wohl nicht dein Ernst?!“, unterbrach ich ihn. Normalerweise war ich eher der zurückhaltende Typ, aber das war zu viel.

„Oh du bist es, Kratos. Was machst du hier? Ich hatte niemanden erlaubt hierher zu kommen.“, rief Mithos, wobei er mich mit seinen kalten Augen ansah. Seine Form als Yggdrasill lehnte ich völlig ab. Mein Freund war eigentlich ein 14-jähriger Halbelf. Jetzt sah er allerdings wesentlich älter aus.

„Ich wollte mit dir reden. Was hat es mit diesem Plan von leblosen Wesen auf sich?“, fragte ich ernst, wobei ich Mithos eindringlich ansah.

„Das geht dich nichts an.“, kam als Antwort.

„Wie bitte!“, widersprach ich.

„Ich habe noch etwas zu erledigen. Kümmere du dich um den Sektor C-2. Der Sektorleiter wird dir sagen, was es dort zu tun gibt.“, rief Mithos.

In seinen Augen konnte ich erkennen, dass ihm die Situation nicht passte.

Ohne ein weiteres Wort ging er an mir vorbei und verließ den Raum.

Ich konnte es kaum glauben. Was war nur passiert? Warum hatte Mithos solche Ziele? Das sah ihm nicht ähnlich. Zumindest war es damals so gewesen. Jetzt war er allerdings anders.

Ich hatte immer an Mithos und seine Ideale geglaubt, daher wollte ich seine Veränderung gar nicht sehen. Was war aus dem Jungen geworden, der versucht hatte die Welt zu retten ohne jemanden zu opfern?

„Martel, was soll ich bloß tun?“, fragte ich die Grünhaarige Frau, welche an den Keim gebunden war.

Nun drehte ich mich um und ging.

Während ich mich zum Sektor C begab, dachte ich nach. Was sollte ich jetzt tun? Ich konnte diese Sache doch nicht einfach ignorieren. Das hatte ich bisher immer gemacht. So konnte es nicht weiter gehen.

Ich betrat den Teleporterraum. Man konnte von hier die Welt sehen. Ich betrachtete die blaue Kugel. Vielleicht…würde ich dort eine Antwort finden.

Allerdings wurde der Teleporter von einem Engel bewacht.

Mithos wollte wirklich nicht, dass weder ich noch Yuan Welgaia verließen. Die anderen Engel würden ja nicht einmal daran denken diesen Ort hier zu verlassen.

Ich ging auf den Teleporter zu.

„Hier darf niemand vorbei.“, sagte die Wache und blockierte den Weg.

„Ich will da aber durch.“, sagte ich bestimmt.

„Zugang nicht gewährt.“, antwortete der Engel.

„Du willst uns hier also wirklich einsperren, Mithos.“, sprach ich.

Nun zog ich mein Schwert und räumte den Engel aus dem Weg.

Leider wurde dabei der Alarm ausgelöst. „Na toll.“, beschwerte ich mich und rannte zum Teleporter. Ein paar Engel waren mir dicht auf den Fersen.

Schnell aktivierte ich die Maschine und teleportierte mich. Allerdings wurde die Maschine von einem Engel zerstört. Trotzdem gelang die Teleportation.

Allerdings nicht gerade sanft landete ich auf einer Wiese.

„Au!“, zischte ich und sah den blauen Himmel über mir.

Angekommen war ich schon mal. Nur wo?

Die Verbindung nach Welgaia ging eigentlich zum Turm des Heils. Dieser war aber nirgends zu sehen.

Ich stand auf und sah mich um. Allerdings erkannte ich nichts Vertrautes. Ich war ja auch seit fast 4000 Jahren nicht mehr hier. Außerdem wurde die Welt geteilt. In welcher Welt ich mich befand war mir auch unklar. Der Turm des Heils sollte ja in Tethe’alla sein. Also war das wohl Sylvarant.

„Bewegt euch ihr nichtsnutzigen Kreaturen!“, schrie jemand.

Etwas schwerfällig folgte ich der Stimme. Gnomes Mana war hier wesentlich stärker als auf Welgaia.

Ich versteckte mich hinter ein paar Büschen und beobachtete eine Gruppe von Leuten in Rüstungen, die einige Menschen mit Peitschen antrieben.

Ob das wohl Kriminelle oder so was waren. Ich beschloss ihnen zunächst zu folgen. Immerhin hatte ich keine Ahnung in was für einer Situation sie sich befanden.

Die Soldaten brachten die Gefangenen zu einem Gebäude. Ob das ein Gefängnis war?

„Wir haben hier ein paar Gefangene für Lord Kvar.“, sagte einer der Soldaten.

Kvar? Den Namen hatte ich schon mal gehört. Das war doch einer der Großfürsten der Desians. Dann handelte es sich hier also um eine Menschenfarm.

Mithos hatte erzählt, dass in diesen Kriminelle gehalten wurden, damit man an ihnen Experimente machen konnte.

Es war wahrscheinlich eine gute Idee den Platz zu untersuchen. Immerhin unterstanden die Desians Mithos.

Als normaler Mensch würde ich wohl nicht darein kommen, aber…

Ich ging auf die Torwache zu und ließ meine Flügel erscheinen.

Die Wache sah mich geschockt an.

„Mein Name ist Kratos Aurion, einer der vier Seraphen von Cruxis. Ich habe ein Anliegen mit Kvar.“

Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass Mithos seine Untergeben nicht schon von meiner Flucht berichtet hatte.

„Jawohl Sir. Ich bringe euch zu ihm.“, sprach der Desian und öffnete das Tor.

Ich folgte ihm durch die Ranch. Es war alles hochtechnisiert genau wie Welgaia. Was hier wohl für Experimente gemacht wurden? Es hatte was mit Expheres zu tun. Mithos hatte das erwähnt. Außerdem sollten die Desians die Menschen in der untergehenden Welt unterdrücken, damit es zur Reise der Erneuerung der Welt kam. Aber was genau hier für Experimente durchgeführt wurden, war mir nicht klar.

Ich kam mir etwas dumm vor. Da war ich 4000 Jahre alt, einer der Anführer von Cruxis und wusste nichts von der Welt. Es war an der Zeit das zu ändern.

Wir gingen über ein Außengelände. Dort waren einige Menschen, die von den Desians zur Arbeit gezwungen wurden.

Mit Peitschhieben und Tritten wurden sie regelrecht getrieben. Auf dem Boden lagen bereits leblose Körper, von denen ich annehmen konnte, dass sie tot waren. Unter ihnen waren auch Kinder, manche vielleicht sechs Jahre alt. Was hatten Kinder hier verloren? Bei denen konnte es sich doch wohl kaum um Verbrecher handeln. Außerdem waren hier mehr Leute als ich erwartet hatte. Wenn man davon ausging, dass nicht alle Gefangenen hier waren. Kamen etwa so viele Leute vom Pfad der Gerechtigkeit ab?

Eine ältere Frau war gerade zusammengesackt. Sie wurde von den Desians ausgepeitscht und getreten.

Irgendwie erinnerte mich dieser Anblick an ein Gefangenenlager im Krieg. Dort wurden die Gefangenen ebenfalls wie Dreck behandelt. Aber dies war kein Gefangenenlager. Es war eine Menschenfarm. Hier sollten Verbrecher gefangen gehalten werden. Außerdem sollten hier Expheres erforscht werden. Wieso wurden die Leute so behandelt?

„Hey!“, sprach ich und ging auf die Gefangenen zu.

Die Desians gingen einen Schritt zurück. Auch die Gefangenen sahen mich erschrocken an.

Die Menschen gingen auf die Knie.

Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Bis mir einfiel das meine Flügel noch aus meinen Rücken ragten. Die Gefangen sahen also keinen grimmigen Schwertkämpfer sondern einen Engel. Und da man Engel als heilige Geschöpfe ansah, war die Reaktion doch nicht so verwunderlich. Obwohl keiner der Engel, die ich kannte etwas Heiliges hatte.

„Bitte Herr Engel. Retten sie uns.“, sprach eine Frau.

„Befreien sie uns aus dieser Lage.“, rief ein Mann.

Irritiert sah ich auf die am Boden knienden Menschen. Nur eine Person stand noch.

Es war eine junge Frau mit dunkelbraunen Haaren, welches recht verfilzt war. Sie hatte dieselben Klamotten an wie der Rest der Leute. Eigentlich wäre sie nichts Besonderes, aber irgendwas an ihr war seltsam. Im Gegensatz zu den anderen sah sie mich nicht ehrfürchtig an. Ihr Blick zeigte eher Wut, aber auch Entschlossenheit. Dass sie mutig war, sah man ihr an.

„Du bist also ein Engel, ja?“, sagte sie skeptisch.

Nun kam sie ein paar Schritte auf mich zu. Die Desians beobachteten sie zunächst nur.

Was genau hatte sie vor? Bewaffnet war sie jedenfalls nicht. Das wäre auch sehr ungewöhnlich für eine Gefangene. An ihrem Hals erkannte ich einen blauen Stein, der von einer gelben Fassung umgeben war. Das war sicherlich ein Exphere. Ich fragte mich warum sie einen trug. Expheres wurden im alten Krieg entdeckt. Sie steigerten die Kräfte eines Kriegers. Diese Frau sah nicht so aus, als würde sie kämpfen.

Jetzt stand sie mir direkt gegenüber. Ihre braunen Augen musterten mich kurz.

„Heh.“, gab sie verachtend von sich.

Plötzlich holte sie aus und verpasste mir einen Schlag ins Gesicht. Völlig entgeistert sah ich sie an. Was war das für eine Frau?

„Solch dreckige Engel wie ihr haben uns noch nie geholfen! Wenn ihr wirklich so gütig sein sollt, warum lasst ihr so etwas hier zu!“

Ich wusste nichts zu erwidern. Was hätte ich auch sagen sollen? In den letzten 4000 Jahren war ich ja nicht hier unten gewesen geschweige denn, dass ich jemandem geholfen hätte.

„Was fällt dir ein, dreckiges Weib.“, schrie ein Desian und schlug die Braunhaarige zu Boden. Dann zog er sie von mir weg.

Gerade als ich etwas sagen wollte, erklang eine Stimme hinter mir:

„Was für eine einfältige Frau. Sie ist wirklich schwer zu zügeln, aber doch ein gutes Forschungsobjekt.“

Ich sah auf einem Blonden Mann mit Schlitzaugen. Sein Blick war kalt und ließ keinerlei Freundlichkeit erkennen. Dieser Typ würde alles tun, nur um seine Ziele zu erreichen.

„Ich bin Kvar. Ich nehme an ihr seid Lord Kratos. Ihr wolltet mich sprechen.“

„Mhm.“, gab ich nur von mir und sah zu der Frau. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, wurde aber trotzdem von den Desians weggebracht. Trotzdem brauchten sie fünf Leute.

„Keine Sorge. Sie erhält ihre gerechte Strafe.“, sprach Kvar.

Ich wollte ihr eigentlich helfen, aber das war jetzt ungünstig. Kvar würde mich sofort verdächtigen. Schließlich brauchte ich Informationen.

„Wie laufen die Forschungen?“, fragte ich. Immerhin musste ich mir etwas einfallen lassen, warum ich mit Kvar reden wollte.

„Es läuft alles ausgezeichnet. Diese Frau eben ist der erste Wirtskörper, der geeignet für das Angelus-Projekt ist. Sie stößt den Exphere nicht ab, so wie ihre Vorgänger.“, erzählte Kvar fast schon begeistert.

Ich hatte keine Ahnung wovon er sprach. Angelus-Projekt? Was hatte es damit auf sich. Das konnte ich allerdings nicht fragen. Das würde auffallen.

Was meinte er mit Wirtskörper? Ich wusste das Expheres den Körper zerstörten und übernahmen, wenn sie nicht in eine Schutzfassung gebettet waren. Außerdem wurden Expheres durch starke negative Emotionen erweckt. So wurden sie im alten Krieg meistens an Soldaten gegeben, welche im Krieg mit viel negativen Gefühlen in Kontakt kamen. Sicherlich gab es auch ein paar unangemessene Experimente, aber diese waren verboten gewesen. Was meinte er also mit Wirtskörper? Diese Frau sah nicht gerade verzweifelt aus, wenn auch nicht glücklich.

„Gut. Ist da sonst noch etwas.“, fragte ich ruhig, um kein Misstrauen zu erwecken.

„Nein. Das war alles. Ich hoffe Lord Yggdrasill ist damit zufrieden.“, sprach Kvar.

„Ich werde mich selbst etwas umsehen.“, sagte ich und ging.

„Wie ihr wünscht.“, gab Kvar von sich.

Jetzt konnte ich wenigstens mal sehen, was Mithos so für Forschungen veranlasste.

So etwas hätte ich aber nie erwartet. Ich war zwar ein Ritter, der im alten Krieg kämpfte, ich hatte schon genug Menschen sterben sehen und habe auch genug selbst getötet, aber das erschreckte mich schon.

Die Menschen hier wurden zu grausamen Experimenten gezwungen. So wurden den einen Flüssigkeiten injiziert, während die andern Härtetest wie Stromschläge oder Feuerkugeln überstehen mussten. Andere wurden zum Kampf gegeneinander gezwungen. Wie Tiere wurden sie ausgepeitscht und geschlagen. Sogar an Halbtoten wurde noch geforscht. Das schlimmste war das sogar Kinder nicht verschont blieben. Jetzt wusste ich auch was Kvar mit Wirtskörper gemeint hatte. Alle Gefangenen trugen Expheres, meist an ihrer Handrückenseite.

Diese Leute waren hier, um die Exphere zu erwecken. Man behandelte sie mit Absicht so, dass sie verzweifelt waren.

Was waren das nur für Wesen, die so etwas tun konnten? Wie lange ging das schon so?

Wie lange half ich einer solchen Organisation ohne überhaupt etwas zu wissen?

Wie konnte Mithos so etwas zu lassen? War das die Welt für die wir kämpften? War es das was wir erreichen wollten?

„Wir werden deinen Willen schon noch brechen, elende Kreatur.“, unterbrach etwas meine Gedanken. Die Stimme kam aus einem Raum weiter vorne.

„Ich lasse mich von euch bestimmt nicht unterkriegen, ihr verdammten Desians!“, erklang eine Frauenstimme.

Als ich durch die Tür hinein sah, erkannte ich drei Desians und eine Frau, die am Boden gefesselt war. Es war diejenige, die mich vorhin geschlagen hatte.

Die Desians standen lachend, um sie herum, während einer nach dem anderen sie mit Feuerbällen bewarf oder ihr einen Tritt verpasste.

„Hört sofort damit auf!“, schrie ich.

Was machte ich da eigentlich? Sah mir gar nicht ähnlich ohne nachzudenken den Mund auf zu machen. Aber mein Innerstes war gerade sehr aufgewühlt.

„Was willst du?“, entgegnete mir einer der Desians.

Was nun? Jetzt musste ich mir was einfallen lassen. Mir kam auch gleich eine Idee.

„Diese niedere Kreatur hat es gewagt mein schönes Gesicht zu verschandeln. Dafür möchte ich sie höchstpersönlich bestrafen.“, sprach ich so arrogant wie ich konnte.

„Ich weiß ja nicht, was an deiner Visage schön sein soll!“, zischte die Braunhaarige.

„Ruhe du elendes Weibsstück!“, zischte ein Desian.

„Sehr gerne. Ihr könnt mit ihr machen, was ihr wollt.“, rief ein anderer. Die drei Männer traten zu Seite.

„Habt ihr keinen Ort, wo ich mit ihr alleine sein kann? Dann kann ich mich ein bisschen mit ihr amüsieren, wenn ihr versteht, was ich meine.“, sagte ich, wobei ich ein hämisches Grinsen aufsetzte. Meine eigenen Worte ekelten mich förmlich an. Gut, dass ich so etwas nicht wirklich vorhatte.

„So ein perverser Engel!“, zischte die Braunhaarige, wobei sie vergebens versuchte sich zu befreien.

Die Desians erfreuten sich an meiner ausgewählten Strafe. Sie grinsten hämisch. Die hätten eher eine Strafe verdient.

„In der Nähe des Ausgangs auf der rechten Seite ist ein Raum. Da kannst du mit ihr hin.“, rief einer der Desians.

Ich nahm mein Schwert und löste die Fesseln der Frau. Dann packte ich sie am Arm.

„Steh auf!“, befahl ich im strengen Ton. Dann zog ich sie auf die Beine.

„Passen sie besser auf. Dieses Biest hat echt Kraft.“, maulte ein Desian.

Ich verstand auch gleich was er meinte. Die Braunhaarige holte aus und wollte mich erneut schlagen.

Diesmal wehrte ich ihren Schlag aber ab. Nun versuchte sie sich loszureißen. Sie hatte echt Kraft. Das lag wohl an ihrem Exphere. Allerdings war sie nicht die einzige mit so einem Steinchen. Mein Cruxis-Kristall hatte ähnliche Fähigkeiten.

Ich zog sie also ohne große Mühe hinter mir her. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, sich weiter zu wehren.

Ich ging mit ihr weiter Richtung Ausgang.

„Sag mal bist du blöd, oder so. Du bist an dem Raum vorbeigelaufen!“, fauchte die Braunhaarige mich an.

Ich war mir dessen natürlich bewusst. Zielstrebig ging ich weiter auf den Ausgang zu.

Es trennten uns nur noch ein paar Schritte zum Tor. Jetzt erschien aber noch eine Gruppe Desians vor uns angeführt von Kvar.

„Was ist denn hier los? Jetzt bist du mit unserem Wirtskörper A012 zum Ausgang unterwegs.“, sprach der Großfürst.

Ich hielt inne. Das war gar nicht gut.

„Ich habe soeben von Lord Yggdrasil erfahren, dass einer seiner Untergeben geflüchtet ist. Wir haben den Befehl erhalten dich sofort zurück nach Welgaia zu befördern.“, entgegnete Kvar.

Jetzt war ich schon ein Untergebener von Mithos? Hier war wirklich etwas nicht mehr in Ordnung.

„Und wenn ich das nicht will.“, entgegnete ich trocken.

„Das schien Lord Yggdrasil nicht zu interessieren.“, kam als Antwort.

Ich sah zu der Braunhaarigen neben mir. Sie war etwas verwirrt. Verständlich.

„Ich lenke sie ab, du rennst nach draußen.“, sprach ich leise.

„Aber…“, versuchte sie zu widersprechen.

„Tu was ich dir sage.“, befahl ich.

Nun stürmte ich auf die Desians zu. Für so ein großes Gebäude waren es recht wenige.

Kvar war völlig überrascht genau wie der Rest der Gruppe.

Schnell schaltete ich ein paar Desians aus. Sie waren keine Gegner für mich.

Die Braunhaarige rannte zum Ausgang. Ihr stellten sich zwei Desians in den Weg.

Sie schaffte es sie mit Tritten und Schlägen aus dem Weg zu räumen.

Jetzt konnte ich auch verschwinden. Mithilfe meiner Flügel erhob ich mich in die Luft und flog über die Gruppe der Desians. Draußen landete ich neben der Braunhaarigen. Sie saß keuchend am Boden. Immerhin war sie ja auch verletzt.

„Los komm!“, schrie ich und zog sie hinter mir her. Allerdings konnte sie nicht mehr wirklich schnell laufen. So würden uns die Desians einholen.

„Komm!“, schrie ich und legte sie über meine Schulter.

„Was wird das denn jetzt!“, fauchte sie.

Ohne zu antworten hob ich ab.

„Bist du bescheuert! Lass mich runter!“, schrie die Braunhaarige und klammerte sie panisch an mir fest.

Was war denn mit ihr? Hatte sie Höhenangst?

Ich flog über ein paar Berge und Wälder. Das sollte die Desians abgehängt haben. Allerdings hatte ich etwas nicht mit bedacht: Das Fliegen war für mich allein kein Problem, aber durch das zusätzliche Gewicht der Braunhaarigen wurde das ein Problem. Zudem war ich Gnomes Schwerkraft nicht mehr so gewohnt.

Jetzt verlor ich also beträchtlich an Höhe. Dazu kam noch, dass die Frau zappelte und schrie wie am Spieß.

„Sei ruhig, ich kann nicht fliegen, wenn du…“, versuchte ich sie zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Ich krachte direkt in einen Baum. Dieser bremste unseren Fall zwar ab, aber wir landeten trotzdem ziemlich unsanft auf den Boden. Meine Flügel verschwanden auch sofort.

„Was für eine Bruchlandung.“, jammerte ich etwas.

„Bruchlandung? Wolltest du mich umbringen!“, schrie die Braunhaarige und verpasste mir einen Tritt.

Für ihre Verhältnisse war sie aber schnell wieder auf den Beinen.

„Du könntest netter sein, immerhin habe ich dich gerettet.“, sprach ich und stand auf.

„Päh. Ich habe nicht darum gebeten von einem dreckigen Engel wie dir gerettet zu werden.“, motzte sie und ging los.

„Wohin willst du?“, fragte ich. Eigentlich hätte es mir ja egal sein können. Ich fragte mich wieso ich sie überhaupt gerettet hatte. Manieren hatte sie auf jeden Fall keine.

„Was geht dich das an?!“, antwortete sie.

„Ich habe dich nicht gerettet, damit du jetzt von Räubern oder Monstern getötet wirst. Ich begleite dich also bist du an einen sicheren Ort bist.“, meinte ich und ging ihr nach.

„Ich brauche keinen dreckigen Engel als Bodyguard.“

„Ich habe auch einen Namen. Mein Name ist Kratos.“, stellte ich mich vor.

„Schön für dich. Für mich bist du trotzdem ein dreckiger Engel!“, sprach sie.

„Ok. Wie heißt du denn?“, interessierte es mich. Ich war es nicht gewohnt, dass ich ein Gespräch bestimmte.

„Sage ich dir doch nicht.“, entgegnete sie.

„Du machst es mir auch nicht gerade leicht.“, sagte ich nur dazu.

Ich war zwar nicht gerade der gesprächigste, aber so eine Konversation hatte ich auch noch nie geführt. Die Braunhaarige war echt widerspenstig.

Während wir gingen musterte ich sie. Ihre Haare gingen ihr über die Schulter. Teilweise waren sie angesengt von den Feuerbällen der Desians. Auch waren sie sehr zottelig.

Die Augen der Frau waren genau wie ihre Haare braun.

Am Körper trug sie nur ein graues Shirt sowie eine graue Hose. Das hatten die anderen Gefangenen auch an.

Mir fiel auf, dass sie unregelmäßig atmete. Sie war wohl ziemlich aus der Puste.

„Ich denke wir sollten eine Pause machen.“, schlug ich vor.

Die Braunhaarige machte keine Anstalten anzuhalten.

„Du bist erschöpft und solltest dich ausruhen.“, sprach ich und hielt sie an ihrer Schulter fest.

Daraufhin sah sie mich giftig an. „Lass mich sofort los!“

„Erst wenn wir uns ausgeruht haben. Du bist verletzt. Ich werde mich um deine Wunden kümmern.“, widersprach ich.

„Nicht nötig!“, zischte sie und versuchte sich von meinem Griff zu befreien. Vergebens.

Ich nahm eine kleine Tasche hervor. Hier hatte ich Gele, Bandagen und sonstiges drin. Immerhin war ich nicht der Typ der unvorbereitet irgendwo hin ging.

Meine Begleiterin schaute nun verblüfft auf die Tasche. Man könnte meinen ich hätte eine Spritze vorgeholt.

„Wie passt das alles da hinein?“, fragte sie nun skeptisch.

Sie wusste wohl nicht was eine Flügeltasche war. In Sylvarant waren die Dinger wohl nicht verbreitet. Dabei gab es sie schon während des alten Krieges.

„In eine Flügeltasche passen viele Gegenstände rein. Das ist jetzt zu kompliziert es zu erklären.“

Ich musterte die Braunhaarige nun genauestens. Sie hatte Kratzer und Prellungen im Gesicht. An ihren Armen hatte sie dutzende Blaue Flecke und auch ein paar Verbrennungen.

Nun entdeckte ich ihren Exphere. Er befand sich direkt unter ihrem Hals. Der blaue Stein war in eine blass gelbe Fassung eingelassen. Das war seltsam. Hemm-Erz war doch goldgelb. Wieso sah ihre Schutzfassung anders aus. Warum trug sie überhaupt eine Schutzfassung? Die anderen Gefangen hatten, soviel wie ich bemerkt hatte, keine.

„Hör auf mich so anzustarren! Du bist echt unhöflich!“, schnauzte sie nun.

„Warum hat dein Exphere eine Schutzfassung?“, fragte ich sie nun.

„Was weiß ich?! Das hatte er schon immer.“

Ich beließ es dabei und begann ihre Wunden zu versorgen. Anfangs wehrte sie sich. Als sie aber merkte, dass es keinen Sinn hatte ließ sie mich machen.

„Bist du jetzt zufrieden?!“, schnauzte sie und verschränkte die Arme.

„Wir sollten noch etwas essen bevor wir weitergehen.“, sprach ich und holte etwas Brot und getrocknetes Fleisch hervor.

Die Braunhaarige drehte sich zur Seite. Sie schien keine Anstalten zu machen irgendetwas zu essen. Dabei war sie sehr mager. Man konnte ihre Rippen deutlich sehen, obwohl ihr Shirt in keinster Weise körperbetont war. Sie bekam sicherlich nicht viel zu essen auf der Farm.

Trotz ihrer schlechten Verfassung war sie nicht unbedingt schwach oder krank. Sie schien auch ihren Lebenswillen nicht verloren zu haben. Dabei musste sie wohl schreckliches durchgemacht haben. Mir waren die Experimente der Desians unbekannt, aber das was ich gesehen hatte, reichte mir.

Diese Tatsache an meiner Begleiterin fand ich echt erstaunlich. Sie ließ sich nichts sagen. Nicht von den Desians und leider auch nicht von mir.

„Von dir nehme ich nichts!“, maulte sie, nachdem ich ihr etwas essen und trinken angeboten hatte.

Ich beließ es bei einem Seufzer und aß selbst erst mal.

Dann erklang ein Grummeln. Eindeutig das Knurren einen Magens. Allerdings war es nicht meiner.

Ich sah zu der Braunhaarigen. Sie wurde leicht rot und drehte sich weg.

„Du kannst ruhig etwas essen.“, sprach ich erneut und reichte ihr ein Stück Fleisch.

Ihr Magen begann wieder zu grummeln. Nun drehte sie sich zu mir.

„Wenn du darauf bestehst, dann esse ich halt was!“

Sie riss mir das Fleisch förmlich aus der Hand und verschlang es. So schnell hatte ich noch niemanden essen sehen.

Nun leckte sie sich die Finger.

„Du kannst noch mehr haben.“, sagte ich und schnitt ihr eine Scheibe Brot ab. Darauf legte ich ein Stück Fleisch.

Das verputzte sie genauso schnell wie das Fleisch eben.

Nun widmete auch ich mich meinem Essen.

Nachdem ich mein Brot aufgegessen hatte, drehte ich mich noch einmal zu der Braunhaarigen, nur um zu sehen, dass sie nicht mehr an ihrer Stelle war.

Ich hörte sie hinter mir. Meine Gefährtin durchwühlte meinen Essensbeutel. Sie nahm etwas Fleisch heraus und verschlang es.

„Du hättest vorher fragen können.“, sprach ich ruhig.

„Warum? Du wolltest doch, dass ich was esse.“, sprach sie mit vollem Mund. Ich konnte nur noch zusehen wie sie ein Stück nach dem anderen verschlang. Der Proviant hätte bestimmt zwei Tage für mich allein gereicht. Jetzt war er wohl gleich alle. Na ja dann musste ich wohl demnächst neues Essen besorgen.

„Wollen wir weitergehen?“, fragte ich, nachdem mein Beutel restlos geleert wurde.

„Ja.“, sagte die Braunhaarige unnahbar wie immer und stand auf. Sie ging voraus während ich ihr folgte.

„Sag mal, was hast du denn für ein Verbrechen begangen?“, fragte ich beiläufig.

„Was bitte? Was für ein Verbrechen?“, zischte sie.

„Na du warst auf einer Menschenfarm. Dort werden doch nur Verbrecher hingebracht.“, rief ich.

„Wohnst du hinterm Mond oder was? Was faselst du für einen Mist. Die meisten, die auf den Farmen verschleppt werden sind keine Verbrecher. Das weiß doch jeder!“, maulte sie.

Etwas verwirrt sah ich sie an. Es waren keine Verbrecher. Es waren ja auch Kinder da aber…

Mithos würde uns doch nicht so anlügen? Oder?

Irgendwie traute ich ihm das jetzt schon zu. Dabei war er doch früher ganz anders gewesen.

„In welche Stadt gehen wir.“, wechselte ich das Thema. Sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen half jetzt auch nicht.

„Asgard. Meine Tante wohnt dort.“, antwortete sie.

Der Name der Stadt sagte mir jetzt nicht viel. Vielleicht wurde er während der letzten 4000 Jahre geändert oder es war eine gänzlich neue Stadt.

Das würde ich wohl bald herausfinden. Die Sonne hinter uns ging langsam unter, während wir unseren Weg in Richtung Südosten fortsetzten.

Ein dreckiger Engel (Annas Sicht)

Wie immer starrte ich die graue Wand vor mir an. Was hätte ich auch sonst tun sollen. In diesem Raum oder besser gesagt in meiner Zelle gab es ja nicht viel zu tun. Allerdings hatte ich auch kaum die Zeit oder Kraft dazu etwas zu unternehmen. In ein paar Sekunden würde die Wache hereinkommen und mich nach draußen zerren.

So war es auch. Meine Zellentür öffnete sich und ein Mann in Rüstung kam herein.

Er bemühte sich nicht mal um ein Wort sondern packte mich gleich am Arm und zog mich nach draußen.

„Nicht immer gleich so grob!“, raunte ich. Allerdings reagierte der Halbelf nicht darauf. Er war einer der ruhigen Sorte. Normalerweise fing ich mir für eine solche Bemerkung ein paar Peitschenhiebe ein.

Der Desian zerrte mich durch ein paar Hallen und Gänge, die fast alle gleich aussahen. Allerdings wusste ich wo er mich hinbrachte. Ich kannte die Gänge dieser verdammten Farm in und auswendig. Ich war ja auch lange genug hier. Vier Jahre waren es, wenn ich mich recht erinnerte. Ich wusste ja nicht mal welches Datum wir hatten. Wären wir nicht ab und an im Hof, wüsste ich wohl nicht mal, was für eine Jahreszeit wir hätten.

Der Desian blieb vor einer Tür stehen. Diese war gut gesichert. Das konnte man ja wohl auch erwarten. Immerhin war es Kvars Raum.

Die Tür ging auf und wir betraten den Raum.

Es war alles sehr ordentlich und sauber. Ganz anders als in den Zellen.

Hier gab es einen Schreibtisch mit Stuhl, ein Bücherregal, Computer und sonstige technische Maschine, von denen ich keine Ahnung hatte, wofür sie gut waren.

Vor dem Schreibtisch stand ein Mann mit blonden Haaren. Er trug eine Art Rüstung.

Das auffälligste an ihm waren aber seine schmalen zu Schlitzen geformten Augen. Wenn jemand in der Lag wäre mit Blicken zu töten, dann wäre er es. Kvar. Einer der fünf Großfürsten und Leiter dieser Menschenfarm.

„Da ist ja mein Lieblingsexperiment.“, sagte Kvar in einem ruhigen spöttischen Ton. Meine Nackenhaare stellten sich dabei förmlich auf.

„Päh!“, maulte ich und sah ihn trotzig an.

„Wir haben immer noch unser kleines Problem mit unserer Einstellung nicht wahr A012.“

So wurde ich jetzt bestimmt schon vier Jahre lang genannt. Meinen richtigen Namen benutzten sie nie. Immer nur diese Nummer.

Kvar kam nun auf mich zu.

Instinktiv versuchte ich zurück zu weichen, aber der Desian hielt mich natürlich fest.

Nun stand der Großfürst direkt vor mir und sah mir in die Augen. Ich wandte meinen Blick nicht ab. Das hätte für die meisten Menschen wohl das Todesurteil bedeutet, aber nicht bei mir. Immerhin war ich anders als die anderen hier. Kvar brauchte mich für seine Forschungen. Worum es genau ging war mir nicht klar, aber die Desians hatten den Befehl mich am Leben zu lassen.

Ich war mir dessen bewusst und nutzte diese Tatsache natürlich aus.

Kvar betrachtete nun meinen Hals oder vielmehr den Stein, den ich dort trug. Sie nannten ihn Exphere oder so. Er befand sich direkt über meinem Schlüsselbein.

Der Großfürst berührte das Juwel und prüfte es genauestens.

„Steht da jetzt was neues geschrieben?“, fragte ich keck. So war ich nun mal. Ich konnte meine Klappe nicht halten. Auch wenn das bestimmt Konsequenzen hatte.

„Ungehorsam und ungestüm wie immer nicht wahr. Dir muss man mal Manieren beibringen.“, erlang Kvars kalte Stimme. Ich merkte, dass ihn das amüsierte. Leute quälen konnte er nur zu gut. Ich hatte gehört er war der grausamste der fünf Großfürsten. Diesen Titel trug er mit Recht.

Er sah zu den Desian, der mich bewachte. Dieser verstand sofort. Ich auch.

Ich wurde an die Tür gebunden. Dabei wehrte ich mich so sehr ich konnte. Natürlich war alles vergebens.

Ich stand nun mit dem Rücken zu Kvar. Der Großfürst trat an mich heran. Er zog mein Shirt über meinen Kopf. Dass ich darunter nichts trug störte den Halbelfen wenig. Auf Schamgefühle achtete hier niemand. Trotzdem war es mir peinlich. Wahrscheinlich hatte ich so einiges hier verloren, aber nicht meinen Stolz.

Kvar holte etwas hervor. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, damit ich wusste, dass es eine Eisenstange war. Mithilfe von Magie würde er diese zum Glühen bringen und sie mir dann in den Rücken rammen.

Ich versuchte mich mental darauf vorzubereiten. Mein Kopf war zwischen meinen Armen Mein Blick war auf den Boden gerichtet, während ich tief einatmete.

Dann kam auch schon der Schmerz. Das glühende Eisen brannte sich in meine Haut.

So sehr ich auch versuchte einen Schrei zu unterdrücken, es gelang mir nicht. Dann ließ der Schmerz kurz nach. Allerdings fühlte sich meine Haut noch immer an als würde sie brennen. Ich atmete schwer. Der Schmerz hatte mir die Tränen ins Gesicht getrieben.

Dann ging es wieder los. Immer und immer wieder drückte mir Kvar das Eisen in den Rücken. Die Schmerzen wurden nicht weniger. Kvar achtete auch leider genau darauf, dass ich nicht ohnmächtig wurde.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er auf. Er schnitt mich los. Ich sank schwer atmend auf die Knie.

„Wie oft soll ich das noch wiederholen bis du mal gefügig bist.“, sprach Kvar gehässig. Er kniete sich zu mir runter. Mit seiner rechten Hand hob er mein Kinn, sodass er mir direkt in die Augen sehen konnte.

„Ich warne dich A012.“, rief er kalt. Dabei grinste er mich kalt an.

Ich hatte nicht mehr die Kraft zu sprechen. Also versuchte ich Kvar böse anzusehen. Ob mir das wirklich gelang war mir nicht klar. Kvar schien meinen stillen Protest aber zu bemerken.

Er packte mich am Arm und schmiss mich vor den Desian.

„Bring sie nach draußen. Das Drecksstück kann arbeiten wie die anderen.“, befahl Kvar herrisch. Ich merkte dass er unzufrieden war. Das brachte mich fast dazu zu lächeln. Allerdings fühlte ich noch die Schmerzen, an den Stellen wo mich das Eisen berührt hatte. Ich war völlig erschöpft.

„Steh auf!“, schrie der Desian barsch. Dabei verpasste er mir einen kleinen Tritt.

Ich machte nicht mal Anstalten aufzustehen. Selbst wenn ich es wollte, würde es mir wohl eh nicht gelingen.

Nun packte mich der Halbelf am Handgelenk und zog mich auf die Beine. Ich hatte Mühe überhaupt stehen zu bleiben. Meine Beine zitterten.

„Komm!“, befahl der Desian und zog mich hinter her. Ich konnte kaum mithalten, fiel aber zum Glück nicht hin. Sonst würde er mich wohl auspeitschten oder treten.

Wir erreichten den Hof. Hier waren schon etliche Gefangene dabei große Blöcke durch die Gegend zu schieben. So was Unsinniges. Nur um die Menschen bis ans Ende ihrer Kraft zu bringen. Dabei wurde keiner verschont. Frauen, Kranke, Alte oder Kinder. Alle mussten sie gleich arbeiten. Dabei gab es nicht wenig tote. Auch jetzt lagen wieder einige Menschen am Boden. Sie waren wahrscheinlich schon tot. Am Anfang war ich immer noch hingerannt. Hatte geguckt ob sie in Ordnung waren. Allerdings war es alles vergebens. Die Desians hatten mich immer bestraft. Zudem waren die Zusammengebrochenen meist tot oder wurden von den Desians getötet. Das einzige was man ihnen abnahm war der Exphere. Das war das einzige wichtige Objekt was die Desians an einem Menschen fanden.

Ich wurde zu einer Gruppe gebracht, die ebenfalls Steine schob.

„Los fang an!“, maulte der Aufpasser mich an. Er schlug bedrohlich mit der Peitsche auf den Boden. Ich legte beide Hände gegen den Block, welcher größer war als ich und bestimmt auch viel schwerer. Zunächst tat sich nichts. Ich hatte keine Kraft den Block zu bewegen.

Dann spürte ich ein leichtes Brennen an meinen Hals. Nun spürte ich eine Kraft durch meinen Körper fließen, wodurch ich es schaffte den Block zu bewegen. Ich war mir nicht genau sicher warum das so war, aber es lag sicher an meinem Exphere.

Allerdings hatte ich ein unangenehmes Gefühl. Mit der Kraft breitete sich auch eine Kälte in mir aus.

„Los schneller!“, schrie ein Desian. Er meinte allerdings nicht mich. Eine ältere Frau nicht weit von mir hatte aufgehört zu schieben, um mal kurz zu verschnaufen. Der Desians verpasste ihr einen Hieb mit der Peitsche. Die Frau tat mir Leid. Ich hörte ebenfalls auf zu schieben, um ihr zu helfen.

„Hey!“, erklang eine Stimme, noch bevor ich etwas sagen konnte.

Ich drehte mich zur Seite, um zu sehen, von wem sie kam. Nun sah ich ihn zum ersten Mal.

Ein Mann kam auf uns zu. Aber kein gewöhnlicher Mann. Er sah ziemlich ungewöhnlich für einen Desian aus. Seine Haare waren rotbraun, so eine Art Weinrot und standen wild nach oben ab. Einige Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten sein linkes Auge. Seine Sachen waren auch seltsam. Sie sahen recht edel aus. Überall waren Gurte. Sein Oberteil war schwarz, wobei quer darüber vier braune Gurte gingen. Seine Ärmel waren lang. Diese waren weiß und lila. Ähnlich sah auch seine Hose aus. Der Mann war schon eine Erscheinung für sich. Recht gutaussehend würde ich sogar sagen, aber eine Sache war ebenfalls markant. Er hatte hellblaue Flügel auf dem Rücken. Dann war er ein Engel. Nun änderte sich meine Bewunderung in Verachtung. Ich hasste Engel aus guten Grund.

Die Desians gingen einen Schritt zurück, als sie ihn sahen. Ihre Reaktion verstand ich nicht. Desians uns Engel waren doch Feinde? Warum hielten sie den Mann nicht auf?

Die anderen Menschen sahen den Engel ehrfürchtig an. Als er uns erreicht hatte, gingen die anderen in die Knie. Die Reaktion wunderte mich nicht. Engel wurden ja auch schon außerhalb der Menschenfarmen verehrt. „Heilige Wesen“, laut der Kirche von Martel.

„Bitte Herr Engel. Retten sie uns.“, sagte nun die ältere Frau. Als würde ein Engel uns auch retten. Ich hatte noch nie gesehen, dass sie etwas großartiges vollbrachten.

„Befreien sie uns aus dieser Lage.“, sprach nun ein Mann, welcher ebenfalls vor dem Engel kniete.

Dieser sah uns nun an. Man konnte kaum erkennen, was in ihm vorging. Allerdings schien er etwas verwundert zu sein, wenn auch nicht sonderlich überrascht.

Nun sah er mich an. Immerhin war ich wohl auffällig, da ich die einzige Gefangene war, die noch stand.

Ich starrte ihn böse an. Was wollte dieser Engel hier. Sich als Gott aufspielen?

„Du bist also ein Engel, ja?“, zischte ich etwas während ich seine Flügel erneut betrachtete. In seinem Gesicht konnte ich Verwunderung erkennen. Kam wohl nicht oft vor, dass ihm jemand nicht anhimmelte. Schon allein bei dem Gedanken wurde mir übel.

Ich ging nun auf ihn zu. Die Desians waren wohl zu erstaunt, um mich aufzuhalten. Nun stand ich dem Fremden direkt gegenüber. Er war größer als ich. Mit seinen ebenfalls weinroten Augen sah er mich fragend an.

Er sah eigentlich wie ein normaler Mensch aus. Keine heiliges Licht oder ähnlichen Schnickschnack, die ein Engel eigentlich haben sollte. Er sah mehr wie ein Mensch aus, als der letzte Engel den ich gesehen hatte. Trotzdem war er ein Engel.

„Heh!“, machte ich abfällig. Dann schlug ich ihn blitzschnell ins Gesicht. Das hatte er wohl nicht erwartet, denn er wich nicht aus und sah mich nun geschockt an.

„Solch dreckige Engel wie ihr haben uns noch nie geholfen! Wenn ihr wirklich so gütig sein sollt, warum lasst ihr so etwas hier zu!“, schrie ich sauer. Irgendwie war ich auch zufrieden mit mir. Dieser Wutausbruch gab mir richtig Kraft.

Allerdings war das nun auch vorbei, denn die Desians packten mich und zogen mich davon.

Der Rothaarige sah mir nach. Ich wusste nicht wie ich seinen Blick deuten sollte. Das war auch egal, denn jetzt blühte mir bestimmt eine ordentliche Strafe.

Die Desians brachten mich in einen kleinen Raum und schmissen mich in die nächste Ecke.

„Was fällt dir ein!“, schrie er und schlug mich mit der Peitsche.

„Dafür wirst du büßen!“

Der andere schoss ein paar Feuerbälle auf mich.

„Hey übertreib nicht! Kvar braucht sie lebend.“, rief der andere.

„So ein Mist was?!“, zischte ich, wobei ich mich aufsetzte.

Das hielt sie aber nicht davon ab mich zu schlagen oder mich weiter zu verbrennen. Zumindest bis mein Retter kam.

Der Engel befreite mich aus der Farm. Wir machten eine Bruchlandung und naja jetzt hatte ich ihn an der Backe. Er wolle mich zu einem sicheren Ort bringen, hatte er gesagt.

Vielleicht ließ er mich in Asgard in Ruhe.

Warum hatte er mich überhaupt gerettet? Was war so besonders an mir. Auf der Farm waren Dutzende von anderen Gefangenen. Warum gerade ich?

Allerdings war ich nicht gewillt ihn zu fragen oder sonst mit ihm zu kommunizieren. Er war ein Engel. Damit war die Sache für mich geklärt.

Engel waren einfach nicht gutherzig. Auch wenn dieser hier seltsam war. Er gab mir sogar etwas zu essen. Allerdings nahm ich nichts von ihm. Soweit ließ ich es bestimmt nicht kommen. Als würde ich etwas zu essen von dem annehmen.

Auch wenn es Brot und Fleisch war. Ok klang eigentlich nicht gerade verlockend. Trockenes Brot und getrocknetes Fleisch. Hätte ich früher bestimmt nicht gerne gegessen, aber nach vier Jahren Gefangenschaft.

Im Gegensatz zu verschimmelten Brot, gammliger Pampe und anderen, was ich die letzten vier Jahre aß, klang das wie Kaviar.

//Nein Anna, nicht weich werden. Er ist ein dreckiger Engel. Von dem nimmst du kein Brot. Wie das wohl schmeckt? Nein! Nicht daran denken. Denke an…Blumen, Wasser…Brot…Meer, Wellen, Vögel, Brot und Fleisch. Mist!//

In diesem Moment fing mein Magen an zu knurren. Na ganz Klasse!

Der Rothaarige sah mich an und reichte mir erneut ein Stück Fleisch.

//Stark bleiben Anna. Hör nicht auf deinen Magen. Du wirst ihm das jetzt nicht aus der Hand reißen//

Gedacht und getan. Ich riss dem Engel das Fleisch aus der Hand und verschlang es. Und wie gut das schmeckte. Einfach himmlisch. Leider war es schon alle.

Dieser Kratos reichte mir aber nun ein mit Fleisch belegtes Brot, was ich ebenfalls annahm. Das war echt köstlich. Allerdings verlangte mein Magen noch mehr.

Der Engel saß gerade mit dem Rücken zu mir und aß gerade sein Brot.

Sollte ich ihn fragen? Nein! Aber ich hatte Hunger. Da fiel mir sein Beutel auf. Daraus hatte er das Essen genommen. Da war bestimmt noch mehr.

Heimlich sah ich hinein und…Bingo! Da war wirklich noch mehr Fleisch und Brot.

Ich machte mich gleich daran zu schaffen. Der Rothaarige schien es nicht zu bemerken.

Zumindest noch nicht. Er ermahnte mich zwar nach ein paar Minuten, aber das war mir egal. Ich hatte einen vollen Magen. Außerdem…

Mir war erst in diesem Moment bewusst, dass ich ja frei war. Ich war keine Gefangene mehr!

Das konnte ich gar nicht begreifen. Daher fehlte mir auch gerade die Freude. So richtig konnte ich es wohl doch noch nicht fassen. Trotzdem lächelte ich.

Ich war frei. Nach vier Jahren Qualen und Erniedrigungen war ich endlich frei.

Was sollte ich jetzt überhaupt machen. Erst mal zu meiner Tante nach Asgard. Immerhin lag es näher als meine Heimatstadt Luin. Waren wir echt soweit geflogen?

Wie auch immer. Ich freute mich einfach nur über meine Freiheit. Was noch kommen würde, würde ich ja sehen.

Eine grausame Welt (Kratos Sicht)

Am Horizont erkannte ich Feuer.

„Da hinten scheint Feuer zu sein.“, meinte ich. Vielleicht war ein Fest zugange. Immerhin waren ja keine Kriegszeiten. Ansonsten hätte ich etwas anderes vermutet.

„Oh nein. Da liegt Asgard. Die Desians werden doch wohl nicht?“, brabbelte die Braunhaarige und lief los.

„Die Desians werden was nicht?“, fragte ich und lief ihr nach.

Als wir Asgard erreichten, war mir klar was sie gemeint hatte.

Die Stadt stand in Flammen. Häuser brannten lichterloh, während am Boden etliche Leichen verteilt lagen. Es war sicher ein schrecklicher Anblick. Allerdings war es nichts Erschütterndes für mich. Während des Kharlan-Krieges habe ich dutzende solcher Dörfer und Städte gesehen. Teilweise war ich selbst dafür verantwortlich gewesen, dass die gegnerischen Städte zerstört wurden. Immerhin war ich Anführer der Königlichen Ritter gewesen.

Die Braunhaarige sank auf die Knie. In ihren Augen bildeten sich Tränen.

„Nein. Das kann nicht sein. Warum nur?“, schluchzte sie.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte, um sie aufzuheitern. In solchen Sachen war ich nie sehr gut gewesen.

Eine Sache wunderte mich nun aber doch. Es herrschte doch Frieden. Wer würde in solchen Zeiten ein Dorf niederbrennen?

„Tante! Wo bist du?“, schrie die Braunhaarige nun.

Völlig geschockt sah ich meine Begleiterin an. War sie wahnsinnig hier so unbedacht rumzuschreien. Wir wussten nicht ob noch Feinde in der Nähe waren.

„Hey da sind noch Überlebende!“, hörte ich einen Mann rufen. Es waren Feinde da.

Schnell packte ich meine Begleiterin und versteckte mich hinter eine paar Trümmern.

Vorsichtshalber hielt ich ihr den Mund zu.

Die Männer bemerkten uns zum Glück nicht. Sie trugen Rüstungen. Desianrüstungen. Was machten die Desians hier? Da sie uns nicht fanden verließen die Männer das Dorf.

„Waren das…Desians?“, fragte ich und sah mich vorsichtig um. Sie schienen alle gegangen zu sein.

„Wer denn sonst?! Wer würde sonst ein Dorf überfallen?!“, schrie die Braunhaarige und sah sich um.

„Ich nehme nicht an, dass die Stadt nur so wenig Einwohner hat. Wo sind die restlichen.“, fragte ich. Hier lagen zwar eine Menge Leichen, aber eine Stadt dieser Größe hatte sicherlich mehr Einwohner.

„Die Desians werden sie mit zu ihrer Farm genommen haben. Sie töten nur diejenigen, die sich wehren.“, erklärte die Braunhaarige.

Mit einem „Mhm“ gab ich mich zufrieden.

Plötzlich hörte ich ein Knacken aus einigen Trümmern. Dort lag ein älterer Mann.

„Oh nein!“, schrie die Braunhaarige und eilte zu ihm hin.

Ich versuchte ihn aus den Trümmern zu befreien, aber es war vergebens. Der Mann hatte eine fatale Wunde erlitten. Er würde nicht mehr lange leben.

„Halte durch.“, kam von meiner jungen Begleiterin.

„Oh du bist es Anna.“, keuchte er. „Schön, dass du entkommen konntest. Die anderen sind bei der Steintafel.“

„Nein stirb nicht.“, jammerte die Braunhaarige. „Tu doch was du verdammter Engel! Hilf ihm!“

Ich sah nach unten. „Das kann ich nicht.“

„Wozu seid ihr Engel auch gut. Helfen tut ihr ja doch niemanden!“, schrie Anna unter Tränen. Das schien ja ihr Name zu sein.

Ich hatte nichts zu erwidern. Was hätte ich sagen sollen. Sie hatte ja Recht. Ich konnte nichts tun.

„Wir sollten nachsehen ob die Menschen bei der Steintafel in Ordnung sind.“, sprach ich nach einer Minute Schweigen.

Die Braunhaarige hatte die ganze Zeit bei dem sterbenden Mann gesessen und geweint.

Nun sah sie mich böse an und stand auf.

Ich fragte mich, was ich ihr getan hatte? Warum hasste sie mich so sehr?

Anna ging Richtung Steintafel. Ich folgte ihr.

Die Bewohner schienen sich hinter der Plattform zu verstecken.

Ich näherte mich ihnen langsam. Ein Fehler. Die Bewohner kamen herausgesprungen und griffen mich mit Mistgabeln, alten Schwertern und Stöckern an.

Ich wehrte ab und sprang zurück. Ich war ja auch ein Fremder. Wahrscheinlich hielten sie mich für einen Desian.

„Geht es euch allen gut?“, fragte nun Anna.

Die Bewohner hielten inne und sahen sie an.

„Anna?“, fragte eine Frau entgeistert.

„Tante Sandra.“, schrie sie und umarmte die blonde Frau.

Die Bewohner sahen mich immer noch skeptisch an. „Gehört der zu dir, Anna?“, fragte ein Mann.

„So in der Art. Auf jeden Fall ist er kein Desian.“, sagte die Braunhaarige nun abfällig.

„Wie bist du von der Farm entkommen?“, fragte Annas Tante nun.

„Dieser dreckige Engel hat mir geholfen.“, kam als Antwort.

Wenigstens war sie ehrlich.

„Oh wirklich? Vielen Dank Fremder.“, bedankte sich ältere Frau bei mir.

„Mhm.“, war das einzige was ich von mir gab. Was hätte ich auch sonst sagen sollen.

„Was ist hier genau passiert?“, fragte Anna nun.

„Die Desians haben uns angegriffen. Ein Großteil der Bevölkerung, hauptsächlich Frauen und Kinder konnten sich hier verstecken. Die Männer haben versucht uns zu verteidigen.“, erklärte eine junge Frau.

In der Gruppe gab es tatsächlich nur ein zwei Männer. Wahrscheinlich sollten sie die Gruppe im Notfall beschützen.

„ Rino ist…“, schluchzte Anna.

Ihre Tante nahm sie in den Arm.

„Was sollen wir nun tun? Wir könne doch nicht hier bleiben.“, sprach eine Frau. Sie hielt ein Kind im Arm.

Ein paar andere Kinder weinten. Sie hatten wahrscheinlich ihre Eltern verloren. Dass es so etwas in dieser Welt gab. Genau das wollten wir doch ändern. Was haben wir bitte schön verändert? Ich konnte nicht begreifen, das Mithos so etwas zu ließ.

„Wir sollten nach Luin gehen.“, schlug ein Mann vor.

„Bist du bescheuert. Wie sollen wir dahin kommen? Da draußen sind jede Menge Monster. Die zerfleischen uns doch. Wir sind nur Bauern und Handwerker, keine Krieger oder Abenteurer. Wie sollen wir unsere Familien bitte schön beschützen?“, widersprach ein anderer.

„Hört auf zu streiten! Das hilft uns auch nicht. Nach Luin können wir zunächst nicht. Die Desians sind sicherlich noch in der Nähe. Außerdem ist es wie gesagt zu gefährlich. Wir sollten uns erst mal ein paar notdürftige Unterkünfte bauen. Der Winter steht bevor und wir brauchen Häuser besonders für die Kinder.“, erklärte Annas Tante.

„Ich kann euch helfen, wenn ihr wollt. Viele Männer seid ihr ja nicht zu sein. Da kann ich bestimmt irgendwo mit anpacken“, bot ich an.

„Tu jetzt nicht so auf völlig hilfsbereit!“, motzte mich Anna an.

„Schluss jetzt, Anna! Wir haben keine Wahl. Wir nehmen ihr Angebot dankend an.“, sprach ihre Tante nun.

„Dann sollten wir loslegen.“, sagte eine Frau nun.

Die Gruppe lief nun in die Stadt.

„Wir sollten wohl über Nacht erst mal in dem Gebäude da bleiben und morgen früh anfangen.“, schlug ich vor. Dabei deutete ich auf ein noch nicht ganz so zerfallenes Gebäude. War wohl mal ein Gasthaus.

„Seit wann hast du hier das sagen?!“, schimpfte Anna.

„Ich stimme ihm zu. Wie ist eigentlich ihr Name?“, sagte ihre Tante.

„Kratos.“, antwortete ich.

„Dreckiger Engel tut es auch.“, schnaubte nun die Braunhaarige und lief zu den anderen Bewohnern.

„Ich muss mich entschuldigen. Meine Nichte ist etwas ungestüm. Sonst ist sie allerdings nicht so feindselig. Ich verstehe das gar nicht.“, meinte Annas Tante. Sie war wohl die Anführerin des Dorfes oder so. Vielleicht die Bürgermeisterin oder die Frau des Bürgermeisters.

„Sie mag es wohl nicht, dass ich ein Engel bin.“, rief ich, wobei ich die Braunhaarige beobachtete. Sie kommandierte die Leute herum. Dann rannte sie von Mensch zu Mensch. Ein richtiges Energiebündel.

„Sie sind ein Engel?“, fragte die Tante.

„Ja.“, antwortete ich und zeigte ihr meine Flügel.

Sie wirkte zunächst etwas geschockt. Ob sie mir auch gleich eine scheuern wollte?

„Ich hätte mir Engel anders vorgestellt. Wie auch immer. Dann kann ich verstehen, warum Anna sie so sehr ablehnt. Sie hat einen guten Grund Engel zu verachten.“

Fragend sah ich sie an. Was hatte Anna denn für einen Grund Engel zu hassen?

„Ich würde ihnen gerne mehr sagen, aber ich glaube es ist besser, wenn Anna es ihnen selbst sagt.“, meinte Frau.

„Das stimmt wohl.“, rief ich.

Da wir nicht alle in das Gebäude passten, mussten ich und einige andere draußen schlafen. Es war zum Glück nicht sehr kalt, aber doch recht frisch.

Das war ich schon gar nicht mehr gewöhnt. In Welgaia war es immer gleich warm. Auch gab es keinen Wind oder ähnliches.

Ich empfand es aber als sehr angenehm den Wind in meinen Haaren zu spüren. Auch die Kälte war nicht unbedingt unangenehm. Wenn man bedachte, dass die anderen Engel bis auf wenige Ausnahmen überhaupt keine Kälte wahrnehmen konnten.

Entspannt lehnte ich mich gegen einen Baum und genoss die Abendluft.

Die meisten der anderen waren schon zu Bett gegangen. Es lief fast keiner mehr draußen herum.

„Du hast ja die Ruhe weg, was?“, entgegnete eine Frauenstimme.

Ich sah auf und erblickte Anna.

„Anna, ja?“, fragte ich nur um sicher zu gehen.

„Päh! Bild dir nichts ein, bloß weil du meinen Namen kennst.“, maulte sie.

„Warum bist du immer gleich so zickig? Was habe ich dir eigentlich getan?“, fragte ich, obwohl ich nicht glaubte eine ernste Antwort zu erhalten.

„Weil du ein dreckiger Engel bist! Deshalb!“, fauchte sie.

„Was hast du gegen Engel?“, hakte ich nach.

„Ihr spielt euch auf, als wärt ihr Heilige, aber helfen tut ihr uns überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil!“, schrie die Braunhaarige.

„Ich habe nie behauptet, dass ich heilig wäre.“, widersprach ich.

„Du bist aber arrogant!“, zischte sie nun.

„Bin ich das?“

Yuan hatte das auch schon mal behauptet. Ich gab doch mit nichts an. Warum sahen mich alle als arrogant an?

„Ja bist du! Dein ganzes Auftreten allein. Du tust ja gerade so als hättest du die Weisheit mit Löffeln gefressen.“

„Es ist nicht meine Absicht arrogant zu erscheinen.“, beteuerte ich.

„Schon deine Ausdrucksweise! ‚Es ist nicht meine Absicht arrogant zu erscheinen.‘ “, ahmte sie mich nach. Dabei zog sie eingebildet die Nase nach oben.

„So eine Mimik habe ich nicht gemacht.“, sprach ich amüsiert. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Das sah einfach komisch aus, wie mich die Braunhaarige imitierte.

„Na und. Deine Wortwahl sagt alles. Kannst du dich nicht wie ich unterhalten!“, motzte Anna.

„Du meinst ich soll so unbeherrscht reden wie du. Nein Danke.“, lehnte ich ab.

„Wie bitte!“ Jetzt war sie stocksauer und sah mir die direkt in die Augen. „Unbeherrscht! Das ist genau das, was ich meine du eingebildeter dreckiger Engel!“

Nun schmiss sie mir eine Decke über den Kopf.

„Da. Meine Tante meinte ich solle dir eine Decke bringen. Verdient hast du es nicht! So redetet man nicht mit einer Dame!“, meckerte Anna.

Ich zog mir die Decke vom Kopf. „Vielleicht würde ich auch nicht so mit einer Dame sprechen, wenn sich diese etwas mehr wie eine Dame benehmen würde.“, konterte ich nun.

„Pfff!“, machte sie nur und drehte mir den Rücken zu.

Während sie ging rief ich ihr noch etwas zu: „Sag deiner Tante danke.“

Allerdings ignorierte sie mich.

Das war ja eigentlich nicht so meine Art, aber ich musste die Braunhaarige etwas ärgern. Die einzige Person, die ich bis jetzt immer etwas geärgert hatte, war Yuan. Noch nicht mal der hatte so viel Temperament wie Anna.

Ich beschloss mich hinzulegen. Heute war es schon ziemlich anstrengend. Zumindest verglichen mit den Sachen, die ich sonst immer in Welgaia gemacht hatte.

Die Müdigkeit holte mich auch bald ein.

Am nächsten Morgen ging es dann auch bald los.

Es war ein ziemliches Hin und her. Überall liefen Leute umher, die irgendetwas hin und her transportierten. Anna und ihre Tante gaben Befehle, um das ganze etwas zu organisieren. Ich stellte ein paar Pfosten und Pfeiler auf und half so etwas mit.

„Was?! Das kann doch nicht sein!“, hörte ich eine Stimme.

Ich sah zu einer Gruppe Menschen. Dort stand eine geschockte Anna.

Was war wohl passiert?

„Es tut uns leid.“, entschuldigte sich ein Mann. Allen Anschein nach ein reisender Händler.

„Warum tut er so was Dummes! Ich muss ihm nach!“, schrie Anna.

„Auf keinen Fall, Anna. Du gehst nicht zur Menschenfarm und schon gar nicht alleine.“, widersprach nun die Tante der Braunhaarigen.

Was wollte sie denn jetzt wieder bei der Menschenfarm?

„Kann denn keiner von den Männern mal nachsehen.“, bat die Tante.

„Das geht nicht. Es ist zu gefährlich. Außerdem werden die Desians uns erneut angreifen, wenn wir etwas unternehmen.“, lehnte ein Mann ab.

„Männer sind heut zu Tage zu nichts mehr zu gebrauchen.“, kam als Antwort.

„Dann muss ich wohl doch gehen. Ich habe doch bereits meine Mutter verloren. Mein Vater ist doch das einzige was ich noch habe.“, sprach Anna.

„Du kannst nicht allein gehen!“, schimpfte ihre Tante.

Jetzt drehte sich die Braunhaarige zu mir. „Ich bin nicht alleine. Der dreckige Engel kommt ja auch mit.“

„Moment mal! Wer hat gesagt, dass ich dich begleite?“, fragte ich überrascht.

„Du warst doch derjenige, der gesagt hat, dass du mich in Sicherheit bringen willst. Die Menschenfarm ist ja nicht gerade sicher. Du musst mich also begleiten.“, meckerte Anna sicher.

Na da hatte ich mir ja was eingebrockt. Ich konnte ihr jetzt auch nicht widersprechen.

„Dann ist es abgemacht!“, rief sie und ging voraus.

Ich seufzte kurz und folgte ihr.

„Ganz schön beeindruckend. Du bist gerade erst von diesem Ort entkommen. Trotzdem gehst du zurück. Hast du gar keine Angst?“

Die Braunhaarige antwortete zunächst nicht. Ich wunderte mich, ob sie meine Frage überhaupt beantworten würde bis sie dann doch sprach:

„Natürlich habe ich Angst, aber…ich kann meinen Vater nicht im Stich lassen.“

„Was ist überhaupt passiert?“, fragte ich erneut.

„Mein Vater ist zur Menschenfarm gegangen, um mich zu retten.“

Das hatte ihr wohl der Händler mitgeteilt. Vielleicht kam er aus ihrer Heimatstadt.

Ich gab ein Mhm von mir. Dann trat wieder Schweigen ein.

Wir hatten die Menschenfarm bald erreicht.

„Wir müssen einen Weg finden hinein zu kommen.“, sprach ich und sah die Farm genauer an.

„Die Wachen am Haupttor sehen schwach aus. Die haue ich um!“, sagte sie entschlossen und zog einen Holzstab hervor. Den hatte sie wohl aus Asgard mitgenommen.

Sie wollte gerade loslaufen, als ich sie am Arm festhielt.

„Du denkst wohl nie nach bevor du handelst?“, fragte ich, wobei ich sie schief ansah.

„Hör auf mich zu beleidigen!“, zischte sie.

„Wenn du dahin gehst, wissen sie gleich dass wir kommen. Wir sollten uns unbemerkt hinein schleichen. Am besten über die Klippe dort.“, schlug ich vor.

„Wie sollen wir bitte da rüber kommen? Soweit kann keiner springen.“, fragte Anna aufgebracht.

„Ich fliege einfach mit dir rüber…“ Weiter kam ich allerdings nicht, denn die Braunhaarige unterbrach mich. „Auf Keinen Fall!“

Ich musste leicht lächeln. Warum wusste ich auch nicht so recht. Es sah niedlich aus wie Anna ihre Miene verzog.

„Hast du Höhenangst?“, fragte ich nach.

„Nein…ich will bloß nicht wieder in einem Baum landen oder gegen die Wand.“, schnauzte sie.

„Soweit ist es nicht. Das schaffe ich schon. Mach dir keine Sorgen.“, versicherte ich ihr.

„Nein!“, widersprach sie erneut.

„Es ist aber der einzige Weg. Du willst doch deinen Vater retten oder etwa nicht?“

Sie sah grummelnd zu Boden. Das nahm ich jetzt einfach als Bestätigung.

„Wir sollten fliegen, wenn es dunkel ist.“, schlug ich vor. Es dämmerte schon. Dann würde es wohl nicht mehr lange dauern bis es dunkel wurde.

Während wir warteten gingen wir noch mal unseren Plan durch.

„Die Gefangenen sind im Keller. Dein Vater ist bestimmt auch dort.“, sprach ich.

„Genau. Ist es dunkel genug. Können wir starten?“, fragte Anna.

Ich nickte.

„Ich warne dich, Engel. Wehe wir fliegen irgendwo gegen.“, drohte mir die Braunhaarige.

Sie stellte sich nun vor mich und hielt sich an meiner Schulter fest. Sie vergrub den Kopf in meiner Brust. Warum hatte sie wohl solche Höhenangst. Ich wollte sie erst fragen beließ es aber dabei. Sie würde wohl eh nicht antworten.

Nun hob ich sie mit meiner rechten Hand etwas hoch und hielt sie fest. Ich nahm ein paar Meter Anlauf, sicher war sicher. Dann lief ich los.

Anna bohrte ihre Finger schon krampfhaft in meine Schuler bevor ich überhaupt abgesprungen war. Ihre Augen waren geschlossen und ich sah wie sie sich ängstlich auf die Lippe biss.

Der Flug war wie erwartet kein Problem. Ich glitt mit Leichtigkeit hinüber und landete auf dem Hof.

„Wir sind gelandet.“, sagte ich, da Anna sich immer noch krampfhaft festhielt.

Nun sah sie sich perplex um und ließ mich auf der Stelle los.

„Wir sollten uns beeilen.“, meinte ich.

Sie nickte.

Wir gingen Richtung Keller. Wachen waren hier zum Glück keine. Vielleicht waren die alle schon im Bett?

Hören konnte ich zumindest nichts. Meine Sinne waren ja durch den Cruxis-Kristall verstärkt.

Dann hörte ich doch Stimmen. Männliche Stimmen. Wahrscheinlich Desians. Es waren mehrere. Wahrscheinlich waren sie in einem Raum.

„Ich kann weiter vorne Desians hören.“, sprach ich leise.

„Mhm? Ich höre gar nichts?“, entgegnete mir Anna verwirrt.

„Meine Engelssinne sind ziemlich gut.“, erklärte ich und ging voraus.

Wir erreichten einen Raum. Dort waren die Desians drin. Ich konnte hören was sie sagten.

„Der Typ hat noch etwas mehr verdient.“

„Ja vielleicht erlauben wir dir dann deine Tochter wiederzusehen.“

Nun hörte ich einen Schlag und einen leisen schmerzerfüllten Schrei.

„Was ist?“, fragte Anna. Sie konnte wohl nicht hören, was da drinnen vor sich ging.

„Ich glaube dein Vater ist da drinnen.“, flüsterte ich und versuchte weiter zuzuhören. Ich musste auf eine passende Gelegenheit zum Angriff warten.

„Ihr verdammten Hunde! Lasst meinen Vater in Ruhe!“, schrie Anna nun, während sie an mir vorbei und in den Raum lief.

Ich konnte es nicht fassen. Was dachte sie sich dabei?

Mir blieb keine andere Wahl als ihr nachzulaufen. Mit gezogenem Schwert betrat ich den Raum.

Ein Desian lag keuchend am Boden. Anna hatte ihm wohl mit dem Stab eine übergezogen. Drei weitere sahen nun mich an.

Anna kniete neben ihrem Vater. Dieser schien leicht verletzt zu sein, aber es schien nichts Ernstes zu sein, zumindest soweit ich das erkennen konnte.

„Hey das ist doch A 012. Die vom Angelus Projekt.“, sprach einer der Desians.

„Kvar wird uns bestimmt befördern, wenn wir sie fangen. Den Typen da gibt es als Bonus.“, sagte ein anderer.

„Ihr könnt es ja mal versuchen!“, zischte Anna und stellte sich kampfbereit hin.

Das war gar nicht gut. Diese Typen konnten mit Leichtigkeit Verstärkung holen. Wäre ich allein hier, wäre auch das nicht das Problem, aber mit Anna und ihrem verletzten Vater sah das schlecht aus. Ich musste die beiden ja beschützen.

Zunächst erledigten wir die drei Feinde.

„Wir müssen hier weg und zwar schnell!“, befahl ich.

Anna und ihr Vater liefen mir nach. Schon erklang eine Alarmsirene.

„Das war zu erwarten.“, maulte ich.

Es war auch zu erwarten, dass uns gleich eine Gruppe von Desians entgegen kam.

Mit denen konnte ich mich nicht alle auf einmal befassen. Ich musste Anna welche übrig lassen. Ihr Vater konnte wohl in seiner momentanen Verfassung nicht kämpfen.

„Anna, beschützt du deinen Vater, ich mache uns einen Weg frei!“, kommandierte ich.

Auch ohne eine Antwort, wusste ich, dass sie genau das tun würde.

Mit meinem Flamberge streckte ich die Feinde nieder, die uns im Weg waren.

„Los lauft!“, schrie ich, als der Weg frei war.

Anna zog ihren Vater hinter sich her. Ich folgte den beiden und hielt dabei noch einige unsere Verfolger mit Grave auf.

Wir erreichten den Hof.

„Los flieg uns hier raus!“, forderte Anna.

„Ich kann nicht mit euch beiden gleichzeitig fliegen.“, erklärte ich.

„Was?! Und was nun?!“, fauchte die Braunhaarige.

Nun stürmte eine Gruppe von Desians auf uns zu. Ich wehrte die Angriffe meiner Feinde ab und dachte nach. Wir mussten das Tor öffnen. Dazu mussten wir zum Kontrollmechanismus. Leider hatte ich keine Ahnung wo der war.

Plötzlich hörte ich ein surrendes Geräusch das immer näher kam. Ein Angriff mit Magie!

Ich merkte, dass der Angriff nicht auf mich gerichtet war, aber bestimmt auf einer der anderen.

Ehe ich etwas unternehmen konnte, erklang ein lauter Schrei. Es war eine Männerstimme.

Geschockt drehte ich mich um, als mir plötzlich Blut ins Gesicht spritzte.

Ich erkannte Annas Vater, der nun leblos zu Boden sackte.

„Daddy nein!“, schrie Anna und eilte zu ihm.

Ihr Vater hatte immer noch den geschockten Ausdruck im Gesicht. Ansonsten lag er regungslos da.

Der Angriff musste ihn sofort getötet haben.

„Ach wie tragisch.“, ertönte eine kalte Stimme.

Ich sah auf und blickte in das kalte Gesicht von Kvar, der etwas weiter entfernt stand. Der magische Angriff war ohne jeden Zweifel von ihm gekommen.

„So eine erbärmliche Kreatur. Er glaubte doch tatsächlich, er könnte seine Tochter retten. Armselig oder nicht?“

„Du!“, zischte ich wütend. Wie konnte er nur so abschätzend über ein Lebewesen reden?

„Ja? Solch niederen Kreaturen haben im Zeitalter von Lord Yggdrasill keinen Platz. Ergreift sie beide!“, befahl der Kardinal seinen Diener welche uns eingezingelt hatten.

Ich sah kurz zu Anna. Diese saß weinend bei ihrem Vater. Sie war wohl nicht in der Lage zu kämpfen. Selbst wenn, wäre das wohl aussichtslos gewesen.

Ich ließ meine Flügel erscheinen und konzentrierte mich. Es ging wohl nicht anders.

Ich fühlte mein Mana, welches mich umgab. Dann murmelte ich ein paar Worte und entfesselte meine Attacke schließlich mit dem Wort: „Judgement!“

Helle Lichtstrahlen gingen auf die Gegner nieder und töteten jeden den sie trafen.

Ich nahm mir natürlich nicht die Zeit, um zuzusehen. Schnell packte ich Anna und erhob mich in die Lüfte.

„Nein! Was ist mit meinem Vater!“, schrie Anna und wollte sich losreißen.

„Du kannst nichts mehr für ihn tun.“, sagte ich und flog über die Mauern des Gebäudes.

In einiger Entfernung zur Menschenfarm landete ich. Ein Stückchen lief ich noch mit Anna. Am Waldrand hielt ich an. Sie schienen uns nicht zu verfolgen. Es war auch dunkel. Wahrscheinlich wussten sie nicht wo wir waren. Trotzdem konzentrierte ich mich auf meine Sinne. Nichts. Nur ein kleiner Plumps war zu hören. Es war direkt hinter mir. Musste also von Anna kommen.

Ich sah zu der Braunhaarigen.

Sie war auf die Knie gesunken und weinte bitterlich.

„Warum? Warum nur?“, schluchzte sie.

„Anna ich…es tut mir leid.“, sprach ich. In solchen Situationen wusste ich einfach nicht, was ich sagen oder tun sollte. Der Kampf gegen eine feindliche Übermacht fiel mir leichter als das hier. Da war ich 4000 Jahre alt und es gab nichts was ich für diese Frau tun konnte.

Ich kniete zu ihr nieder und legte meine Hand auf ihre Schulter.

Anna reagierte nicht darauf. Sie schluchzte laut, während ihre Tränen auf den Boden fielen.

Ich wollte ihren Vater retten, aber ich hatte versagt. Dabei sollten Engel doch gütige Geschöpfe sein, die den Menschen helfen sollten. Zumindest hatte man es sich zu meiner Zeit immer so erzählt.

Plötzlich spürte ich ein Gewicht gegen meine Brust drücken.

Es war Anna. Sie hatte sich an mich gedrückt. Ihre Hände lagen auf meinen Schultern, während sie ihren Kopf in meiner Brust vergrub.

Zögernd legte ich meine Arme um sie. Dabei strich ich ihr sanft über den Rücken. Ich hoffte, dass würde ihr etwas helfen.

Wir blieben eine Weile so bis Anna sich schließlich in den Schlaf geweint hatte.

Vorsichtig legte ich sie auf den Boden und legte ihr die Decke um, welche ich von ihrer Tante hatte. Dann setzte ich mich auf einen Ast und beobachtete die Ebenen vor mir.

Keine Feinde zu sehen. Auch nicht zu hören. Die Nacht war still, friedlich könnte man meinen, aber das täuschte. Es verging eine gewisse Zeit, in der ich nur da saß und nachdachte.

Was war nur aus dieser Welt geworden? Ein besserer Ort? Nein bestimmt nicht. Wie konnten solche Dinge geschehen ohne, dass ich davon wusste. Mithos hatte es verheimlicht, aber das war nicht der Grund. In meiner Ignoranz wollte ich es doch gar nicht sehen. Mithos änderte sich direkt vor meinen Augen, aber ich wollte es nicht wahr haben. Da hatte ich die Sinne eines Engels und war trotzdem blind gewesen. Blind für die Wahrheit.

Das hatte jetzt ein Ende. Ich konnte Mithos nicht weitermachen lassen. Viel zu lange war ich untätig gewesen, vegetierte auf Welgaia dahin wie die dessen leblose Bewohner.

Ich hatte jetzt meinen Entschluss gefasst. Ich würde mich gegen Mithos und Cruxis stellen.

Auch wenn sie mich verfolgen würden. Es war an der Zeit etwas zu ändern.

Entschlossen blickte ich auf die Ebenen vor mir. Die Sonne würde wohl bald aufgehen. Der Horizont war schon in ein leichtes rot getaucht.

„Ich werde für diese Welt kämpfen!“, sprach ich bestimmt und sprang vom Baum.

Ich sah mir zum ersten Mal in 4000 Jahren wieder einen Sonnenaufgang.

Dieser Sonnenaufgang symbolisierte einen Neuanfang für mich. Deswegen würde er mir wohl ewig in Erinnerung bleiben.

Reisegefährten (Annas Sicht)

Immer noch müde öffnete ich die Augen. Wo war ich? Was war passiert.

Als es mir wieder einfiel, wollte ich es am liebsten wieder vergessen.

Mein Vater war…tot.

Mir kamen fast wieder die Tränen. Wie konnte das nur geschehen. Was hatte er denn getan? Er wollte mich doch nur retten. Jetzt hatte ich beide meiner Eltern verloren.

Ich sah auf und bemerkte den Sonnenaufgang. Allerdings stand jemand direkt vor der Sonne.

Es war ein Mann. Das musste Kratos sein. Er stand mit dem Rücken zu mir und schien den Sonnenaufgang zu betrachten.

Dieser Anblick hatte irgendwie was Beruhigendes.

Ich setzte mich hin. Der Rothaarige schien dies zu bemerken, da er sich umdrehte und auf mich zukam.

Er blieb vor mir stehen und sah mich an.

Man konnte kaum Gefühle in seinen Blick erkennen und doch schien er besorgt zu sein.

Besorgt um mich.

Ich wand meinen Blick ab und sah zu Boden. Irgendwie fühlte ich mich unwohl.

„Alles in Ordnung?“, erklang nun die Stimme des Engels.

„Ich…ich…“

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Mein Hals war so trocken. Es schnürte mir fast die Kehle zu.

„Hier trink!“, sprach Kratos und reichte mir eine Wasserflasche.

Etwas zögernd sah ich diese an.

Konnte der Gedanken lesen oder so was? Er erschien mir schon immer etwas übernatürlich, aber das.

Mein Durst war allerdings zu stark, als dass ich noch länger darüber nachdenken konnte. Also nahm ich die Flasche und trank hastig etwas Wasser.

Kratos setzte sich nun neben mich.

Als ich fertig mit trinken war, überkam mich wieder dieses unwohle Gefühl. Es war nicht die Trauer wegen meines Vaters. Das machte mir auch zu schaffen, aber da war noch was anderes. Mir war auch langsam klar was das war.

„Es tut mir leid.“, hörte ich die Stimme des Rothaarigen.

Ich sah ihn überrascht an. Ich verstand nicht ganz.

„Wegen deinem Vaters.“

Er tat es schon wieder. Woher wusste der was ich dachte? War mein Gesichtsausdruck so offensichtlich?

Ich schüttelte kurz den Kopf. Was dachte ich da? Ich musste mal klare Gedanken fassen. Es gab bessere Themen über die man grübeln konnte, als dieser Engel. Na ja vielleicht nicht viele bessere Themen. Der Rothaarige war schon interessant.

„Das ist nicht deine Schuld.“, sprach ich und konzentrierte mich wieder auf das Gespräch.

„Mhm.“

Ich verdrehte etwas die Augen. Mhm war wohl sein Lieblingswort. Konnte er nicht mal mehr sagen? Eigentlich hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen, aber mir war nicht danach.

Ich fühlte mich immer noch schlecht. Es war ein bisschen so, als ob ich einen riesigen Kloß im Hals stecken hatte.

„Ehm Kratos?“, sagte ich leise. Das war wohl das erste Mal, dass ich ihn mit seinem Namen angesprochen hatte. Die Bezeichnung „dreckiger Engel“ war irgendwie unangebracht. Das war ja gerade mein Problem.

Der Angesprochene sah mich an. Er wartete wohl, dass ich etwas sagte.

„Ehm. Mir tut es leid.“, nuschelte ich leise. Sich bei jemanden zu entschuldigen war nicht meine Stärke.

Kratos hob leicht eine Augenbraue. Er schien das wohl nicht ganz zu verstehen.

„Ich…bin dir eigentlich…dankbar, dass du mich gerettet hast.“, stotterte ich leise. Mir war das peinlich. Erst behandelte ich ihn wie Dreck und jetzt bedankte ich mich. Der dachte doch ich habe sie nicht mehr alle. Sagen tat er jedenfalls nichts.

Na toll. Konnte der nicht mal irgendwelche Emotionen durchsickern lassen? Ein dummes Grinsen oder so? Ok das konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen, aber trotzdem.

Ich seufzte. Wie sollte ich weiter machen?

„Ich meine du…warst nett zu mir. Du hast mich gerettet, hast mir geholfen und hast mich sogar getröstet.“, sprach ich ehrlich. Dabei sah ich abwechselnd zu Boden und zu Kratos.

„Und ich…habe dich so schlecht behandelt. Das war nicht fair von mir.“, rief ich bedrückt.

„Mach dir keine Gedanken. Es gab schon unzählige Personen, die mich weitaus schlechter behandelt haben.“, gab er als Antwort.

„Trotzdem. Es tut mir Leid. Weißt du ich habe eigentlich nichts gegen dich persönlich es ist nur…du bist ein Engel. Meine Mutter wurde von einem Engel getötet.“

Kratos sah mich nun entsetzt an. Zumindest würde ich seinen Blick so deuten.

Ich seufzte schwer. Dieses Thema war echt nicht leicht für mich.

„Meine Mutter wurde von den Desians gefangen genommen kurz nachdem ich geboren wurde.“, fing ich an zu erzählen.

„Wurdest du da auch gefangen genommen?“, fragte der Rothaarige.

„Ja. Die Desian legten mir diesen Exphere an, als ich gerade mal ein paar Tage alt war.“

Ich holte tief Luft.

„Wie auch immer. Als ich vier war, versuchte meine Mutter mit mir zu fliehen.“

„Sie hat es nicht geschafft?“, fragte Kratos. Obwohl es war eher eine Feststellung als eine Frage.

„Wir hatten es schon fast bis zum Ausgang geschafft, da…erschien ein Engel.“

Wenn ich auch nur daran dachte wurde ich wütend.

„Ich kann mich noch genau an ihn erinnern. Er hatte blonde lange Haare. Seine Augen waren blau und eiskalt. Auf seinen Rücken wuchsen lila Flügel.“, beschrieb ich.

Kratos Auge zuckte kurz. Warum wusste ich aber nicht.

„Dann hat er…sie getötet. Mit einem weißen Magieball!“, schrie ich und stand auf. Ich war so geladen, dass ich am liebsten irgendetwas den Hals umdrehen wollte.

„Meine Mutter griff den Engel mit letzter Kraft und ermöglichte mir dadurch die Flucht.“, sprach ich.

„Das tut mir Leid.“, sagte Kratos, wobei er nach unten sah.

„Dich trifft keine Schuld. Du warst nicht derjenige, der meine Mutter getötet hat. Das ist mir jetzt klar geworden. Ich…sollte dich nicht hassen bloß weil du auch ein Engel bist. Das ist genau dasselbe mit Menschen und Halbelfen. Sie hassen sich weil einer oder eine bestimmte Gruppe der jeweiligen Rasse etwas Schlimmes getan hat. Dabei sind es nie alle die böse sind. Ich habe auch so über die Engel gedacht.“

„Anna.“, sprach Kratos. Es klang fast schon erstaunt.

„Es klingt blöd, wenn ich so ein philosophisches Zeugs daher rede oder? Wie auch immer tut mir leid.“, entgegnete ich nun wieder sorgloser.

Nun sahen wir beide zur Sonne, welche bereits aufgegangen war.

Ich seufzte und dachte an meinen Vater. Tränen liefen mir durch Gesicht.

Ich saß bestimmt noch eine Weile so da. Bis ich schließlich die Stille unterbrach.

„Was hast du als nächstes vor?“, fragte ich neugierig. Ich wunderte mich was Engel den ganzen Tag so trieben. Den Himmel putzen vielleicht?

„Ich habe beschlossen gegen die Desians vorzugehen.“, antwortete der Rothaarige entschlossen.

Erstaunt sah ich ihn an. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so etwas je versucht hätte. Kratos war ja auch kein Mensch sondern ein Engel.

„Zunächst werde ich dich aber in Luin absetzen.“

Meine Begeisterung schwand. Irgendwie hatte ich nicht das Bedürfnis nach Hause zu gehen.

Das war echt seltsam. In den vier Jahren in den ich auf dieser verdammten Farm war, habe ich mir nichts Sehnlicheres gewünscht, als nach Hause zu gehen.

Nur was sollte ich jetzt noch da? Mein Vater war tot. Weitere Familie hatte ich dort nicht. Meine Freunde? Ich brauchte bestimmt eine gewisse Zeit mich wieder an das normale Leben zu gewöhnen. Ich hatte eine bessere Idee.

„Ich komme mit dir und kämpfe gegen die Desians.“

Kratos sah mich kurz schief an. Dann antwortete er mit einem klarem „Nein.“

„Warum nicht?“, erwiderte ich trotzig.

„Es ist viel zu gefährlich. Außerdem wärst du mir nur im Weg.“, sagte der Engel ernst.

„Nein ich kann dir helfen. Außerdem habe ich keine Angst. Die Desians haben mir meine Eltern genommen. Dafür sollen sie bezahlen!“, protestierte ich und zeigte ihm meine geballte Faust.

„Meine Antwort ist nein und fertig. Los wir müssen nach Luin.“, gab Kratos kalt von sich.

Der war echt zu stur, wenn es darauf ankam, aber ich hatte noch ein Ass im Ärmel.

„Ok…dann gehe ich eben allein und kämpfe gegen die Desians. Das entspricht dann bestimmt deiner Vorstellung mich an einen sicheren Ort zu bringen.“

Ich wusste nicht ob der Trick zweimal funktionieren würde, aber ein Versuch war es Wert.

„Wie oft willst du mir damit noch kommen.“, sagte der Rothaarige genervt.

„Bis du mich mitnimmst.“, entgegnete ich.

Kratos seufzte. „Hör zu. Das ist nichts für dich. Nicht nur die Desians verfolgen mich. Wenn du mit mir mitkommst, werden sie dich auch verfolgen.“

Ich schnaubte kurz. Von wem wurde er denn verfolgt? Gab es denn noch etwas Schlimmeres als Desians?

„Mir egal. Die Desians sind sowieso hinter mir her. Da kann ich auch mit dir mitkommen.“, sprach ich fest entschlossen.

Der Rothaarige seufzte erneut. „Okay, wir sollten trotzdem nach Luin gehen. Uns vorbereiten.“

Ich wollte ihm gerade zustimmen, schüttelte dann aber doch den Kopf.

„Du willst mich bloß in Luin zurücklassen und dich aus dem Staub machen. Vergiss es!“, sprach ich, wobei ich mich zu ihm vorbeugte.

„Aber…“

„Kein Aber!“, unterbrach ich ihn. „Wir gehen dorthin wo dein nächstes Ziel ist.“

„Die Palmacosta Menschenfarm.“, sprach der Engel trocken.

Ich schluckte kurz. Noch eine Menschenfarm. Ja es gab ja mehrere davon. Der Gedanke daran zu einer Menschenfarm zu gehen, behagte mir gar nicht. Dazu hatte ich zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.

„Dann doch eher Luin.“, sprach Kratos ruhig. Mein Blick hatte meine Abneigung wohl verraten.

„Nein. Ich mag zwar keine Menschenfarmen, aber wir müssen den Menschen dort helfen. Also müssen wir zum Hakonesia-Pass richtig?“

Kratos seufzte erneut. Dann ging er voraus.

„Nicht gerade der Gesprächigste, was?“

Er gab mir natürlich keine Antwort. Ich folgte ihm zufrieden. Immerhin hatte ich meinen Willen durchgesetzt. Da war ich schon sehr stolz auf mich.

Wir brauchten fast den ganzen Tag bis zum Haus des Heils. Das lag wohl an mir. Solche langen Wanderschaften war ich nicht gewohnt. Wie auch. Ich war vier Jahre auf einer Menschenfarm eingesperrt.

Kratos schien überhaupt keine Mühe zu haben zu wandern. Auch die Monster erledigte er mit Leichtigkeit. Er häutete sie und nahm alles Mögliche von den Monstern mit wie z.B. Krallen, Federn, Zähne usw.

„Mit so was lässt sich gut Geld verdienen.“, hatte er gesagt, als ich gefragt hatte.

Sonst sprach er selten, um nichts zu sagen nie. Am Anfang war mir das ja egal gewesen. Ich hatte ihn eh nicht gemocht, aber jetzt wünschte ich mir er würde mehr sagen. Wenn er nichts sagte musste ich halt was sagen.

„Ehm wie alt bist du?“

„…“

„Was? Das war eine normale Frage. Ich bin übrigens 24.“

„…“

„Hallo? Ich rede mit dir. Anna an Engel.“

„28“

„Geht doch. Ehm…wie ist dein Nachnahme? Meiner ist Irving.“

„Aurion.“

„Kratos Aurion, mhm? Klingt nicht schlecht. Was machst du beruflich?“

Nun seufzte er. „Kannst du auch mal ruhig sein? Erst willst du nichts mit mir zu tun haben und jetzt überhäufst du mich mit Fragen.“

Ich kicherte. „So bin ich nun mal. Um auf deine Frage zurück zu kommen. Nein kann ich nicht.“

Kratos seufzte erneut.

„Also was ist dein Beru…“

„Da vorne ist das Haus des Heils.“, sprach er und zeigte auf das Gebäude.

//Fein dann ignoriere meine Frage!//

„Machen wir hier Pause“, fragte ich sehnsüchtig. Meine Füße taten weh, was nicht nur daran lag, dass meine Schuhe ausgelatscht waren.

„Ich werde mich am Hakonesia Pass umsehen. Die Desians erwarten sicherlich, dass wir den nehmen. Sie werden bestimmt Leute dort positioniert haben. Du bleibst hier.“, meinte der Engel.

„Du lässt mich hier alleine? Woher weiß ich, dass du nicht abhaust?!“, entgegnete ich und sah den Rothaarigen fragend an.

„Mhm.“, gab Kratos nur als Antwort.

„Hey“, beschwerte ich mich.

Kratos verschwand und ließ mich allein. Tollen Beschützer hatte ich da. Was wenn hier Desians auftauchten? Vielleicht haute er auch einfach ab?

//Dieser Typ macht mich noch wahnsinnig! Macht dir nichts draus, Anna.//

Ich sah mich derweil hier etwas um. Ich war zwar schon öfters hier gewesen, aber man traf viele interessante Leute. Immerhin kamen hier viele Pilgerer her.

Ich beobachtete eine Weile die Leute hier, dann ging ich nach drinnen.

An einer Wand war eine große Statue von Spiritua aufgestellt. Die meisten Leute beteten hier.

Ich war noch nie sehr gläubig. Trotzdem war ich schon öfters in einem Tempel. Alle Menschen taten das. Ich konnte mir aber nur schwer vorstellen, dass es eine Göttin gab, welche so viel Grausamkeit zuließ. Wenn sie so gütig war, warum unternahm sie nichts gegen die Desians? Am meisten aber hatte mich immer gestört, dass die Kirche von Martel Cruxis-Engel verehrte. Seit dem Tod meiner Mutter hatte ich ja keine besonders hohe Meinung von Engeln.

„Wir verteilen sie auch drinnen.“, hörte ich plötzlich einen Mann sagen.

Schnell lief ich zur Treppe und versteckte mich. Das war auch mein Glück.

Zur Tür herein kam nun eine Gruppe Desians.

Das war ein recht seltener Anblick. Normalerweise ließen sie alles was mit der Kirche von Martel zu tun hatte in Ruhe. Ich verstand diese Tatsache auch nicht, aber so war es.

Die drei Männer klebten etwas an die Wand. Ein Plakat oder so. Ich konnte es von hier nicht sehen.

Hoffentlich kamen die nicht in meine Richtung. Die würden mich sofort gefangen nehmen. Töten würden sie mich wohl nicht. Das hatten sie nie in Erwägung gezogen. Auch wenn viele Menschen auf der Menschenfarm gestorben waren, ob nun zu Tode geprügelt oder einfach weil sie keine Kraft mehr hatten, blieb mir dies erspart. Irgendetwas an mir war anders. Vielleicht weil ich Teil des Angelus Projektes war? Ich hatte es zwar nie verstanden, aber das schien wichtig für die Desians zu sein.

Natürlich wurde ich deswegen nicht besser behandelt. Mir tat jetzt noch alles weh, wenn ich an die Peitschenhiebe und Kvars Bestrafung dachte. Bestimmt hatte ich noch etliche Wunden und Narben davon.

An die anderen Sachen wollte ich gar nicht denken. Mein ganzer Körper begann zu zittern bei dem Gedanken daran.

Die Desians verließen nun das Gebäude.

Immer noch starr wie Stein, stand ich an meiner Stelle. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mein Herz angefangen hatte wild zu schlagen.

//Ganz ruhig Anna. Sie sind weg.//

Ich stand noch ein paar Minuten so da, bis ich mich schließlich traute zu dem Plakat zu gehen.

Geschockt sah ich es an.

Es handelte sich um einen Steckbrief von mir.

Das hätte ich jetzt nicht erwarten. Klar war ich vielleicht wichtiger für die Desians, als andere Gefangene, aber dass sie sogar so nach mir suchten.

Ich musterte den Steckbrief. Mit schwarzer Schrift stand dort groß. „Gesucht. Anna Irving.“

Darunter war ein Bild von mir. Es war nicht besonders gut, aber man konnte mich wohl trotzdem erkennen. Darunter stand ebenfalls etwas in schwarzer Schrift. „Die Flüchtige bitte sofort an die nächste Desianpatrouille ausliefern“.

//Na klasse!// So konnte ich mich doch in keiner Stadt mehr blicken lassen. Zumindest nicht in der Nähe von Luin.

„Anscheinend suchen sie nach dir.“

Ich gab einen Schrei von mir, sprang vor Schreck hoch und drehte mich um. Nun taumelte ich nach hinten und stieß unsanft gegen die Wand.

Vor mir stand Kratos.

„Spinnst du mich so zu erschrecken. Ich dachte es wären die Desians!“, zischte ich ihn an.

„Du solltest besser auf deine Umgebung achten, sonst bist du früher wieder in einer Menschenfarm, als dir lieb ist.“

Ich entgegnete nur mit einem „Päh!“

Der Rothaarige sah nun auf den Steckbrief, welcher direkt neben meinem Kopf war.

Er schien leicht verwundert zu sein.

Ich fragte mich warum eigentlich kein Steckbrief von ihm hier hing. Er war immerhin in eine Menschenfarm eingebrochen, zweimal. Trotzdem schienen die Desian mehr nach mir zu suchen, als nach ihm. Warum nur?

„Hier.“, sagte Kratos nun, wobei er mir etwas hinhielt. Es war ein in schwarzen Stoff eingewickeltes Bündel. Oben drauf waren zwei braune Wanderstiefel.

Fragend sah ich ihn an.

„Was zum Anziehen.“, sprach er.

Ich sah ihn und das Bündel abwechselnd an. Warum hatte er mir was zum Anziehen besorgt. Ich hatte doch Sachen. Ok das sollte ich wohl eher zurücknehmen. Diese Lumpen, die ich am Körper trug, konnte man wohl kaum als Klamotten bezeichnen. Vielleicht sollte ich doch die Sachen anziehen. Die Schuhe sahen auch bequemer aus als meine.

„Willst du es nicht anziehen?“, fragte Kratos nun.

„Ehm…hier auf der Stelle. Was denkst du dir eigentlich. Ich ziehe mich nicht vor dir um! Außerdem muss ich mich waschen.“, meinte ich.

Immerhin war ich nicht gerade sauber. Auf Hygiene wurde in einer Menschenfarm nicht geachtet. Bisher hatte ich mich auch noch nicht gewaschen, seitdem ich von der Farm geflohen war.

„Das Haus des Heils hat keine sanitären Anlagen.“, entgegnete Kratos nun ruhig.

„Der Umacy-See ist hier ganz in der Nähe. Dann kann ich etwas schwimmen gehen.“, freute ich mich. Ich war schon ewig nicht schwimmen. So ca. vier Jahre.

„Von mir aus.“, stimmte der Engel weniger begeistert zu. Ich ging ihm wohl auf die Nerven. Da war er nicht der erste.

Es war nur ein kurzer Fußmarsch bis zum See. Nach einer Stunde waren wir da.

„Toll! Wie der funkelt!“, schrie ich begeistert. Es war echt ewig seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Das Schimmern der Seeoberfläche war echt toll.

„Wolltest du dich nicht waschen?“, fragte Kratos uninteressiert. Den konnte echt nichts beeindrucken.

„Ja. Würdest du dann bitte gehen.“, bat ich und scheuchte ihn mit einer Handbewegung.

Er seufzte und verschwand hinter ein paar Bäumen und Büschen.

„Und wehe du guckst!“, schrie ich ihm nach. Eigentlich glaubte ich ja nicht, dass er so ein Typ war, aber man konnte ja nie wissen.

Nun zog ich mir die Lumpen vom Leib und legte sie, genau wie die neuen Klamotten am Ufer ab.

Ich ging zum Wasser und betrachtete mein Spiegelbild.

„Mann Anna, du siehst schrecklich aus!“, sagte ich zu mir selbst.

Meine Haare waren ein totales Durcheinander. Sie waren verfilzt und standen zu allen Seiten ab. Zudem waren sie dreckig und angesengt.

„So etwas kann man kaum Haare nennen!“, seufzte ich und kam nun zum Rest meines Körpers.

In meinem Gesicht hatte ich einige Kratzer. Ein ziemlich großer zierte meine rechte Wange.

Auch der Rest meines Körpers wies Schürfwunden, Prellungen, Kratzer, Brandwunden und ähnliches auf. Ein paar hatte Kratos ja behandelt, aber es sah trotzdem nicht schön aus. Besonders auf dem Rücken hatte ich Narben, hauptsächlich Brandwunden, aber auch durch Peitschenhiebe.

„Schön bist du nicht mehr.“, seufzte ich etwas bedrückt. Allerdings hatte ich jetzt andere Sorgen als das.

Ich ging nun langsam ins Wasser. Es war verdammt kalt. Was hatte ich auch erwartet, wenn ich kurz vor Winteranbruch baden ging?

Ich ignorierte die Kälte und genoss das Gefühl des Wassers auf meiner Haut. Es war ein tolles Gefühl endlich mal wieder sauber zu sein.

Ich hielt die Luft an und tauchte ins Wasser. Das war echt atemberaubend so im Wasser zu schweben. Man fühlte sich so frei und unbeschwert. Wasser war echt was Tolles. Ich liebte es einfach zu schwimmen und zu tauchen. Das war ja auch kein Wunder. Luin lag ja direkt an einem See.

Am liebsten wäre ich noch länger so geblieben, aber meine Lungen verlangten nach Luft.

Nun rieb ich mir vorsichtig über meine Haut, um den hartnäckigen Schmutz loszuwerden. Es tat ganz schön weh bei meinen Verletzungen.

Zufrieden verließ ich das Wasser.

Ich streckte mich genüsslich, als ich plötzlich ein Geräusch hörte: Ein Rascheln. Etwas schlich durch die Büsche.

„Kratos, du Perversling. Verschwinde!“, zischte ich.

Das Rascheln hörte aber nicht auf. Wollte der mich ärgern? Irgendwie hoffte ich, dass es auch wirklich nur Kratos und nicht irgendetwas anderes war.

Das Rascheln kam näher.

„Kratos. Das finde ich nicht lustig.“, rief ich schon etwas kleinlaut.

Plötzlich sprang etwas aus dem Busch.

Ich erschrak und schrie laut auf.

Vor mir stand ein riesiges Monster und starrte mich an.

Es hatte echt riesige lange Ohren. Sein Maul war geöffnet, als wollte es mich gleich fressen.

Sein Fell war weiß, dabei waren einige Stellen grün.

„Hilfe!“, schrie ich erneut, als das Monster auf mich zu kam.

Nun hörte ich ein weiteres Rascheln. Jemand sprang aus dem Wald.

Es war der rothaarige Engel.

„Kratos!“, schrie ich erleichtert.

Mein Gefährte stand schützend vor mir. Er hatte sein Schwert gezogen, senkte es nun aber. Was machte er da? Wollte er nicht gegen das Vieh kämpfen.

Das Monster blieb nicht untätig sondern rannte auf uns zu.

Kratos hielt die Hände schützend vor sich, als das Monster ihn ansprang und zu Boden warf.

Nun…leckte es sein Gesicht ab.

Völlig baff sah ich auf die Szene vor mir. Ein riesiges wolfartiges Monstrum leckte Kratos Gesicht ab.

„Noishe, runter von mir! Ich freu mich ja auch dich zu sehen, aber…“, sprach der Rothaarige.

Das Monster tat wie ihm befohlen wurde.

Kratos stand auf und klopfte sich den Dreck von den Klamotten. Der Wolf wedelte scheinbar fröhlich mit dem Schwanz, als er ein Jaulen von sich gab.

„Was ist das?!“, fragte ich entgeistert.

„Das ist Noishe. Ein…Hund?“, sprach Kratos, wobei er das letzte etwas unsicher sagte.

Der „Hund“ gab ein Knurren von sich.

„Er ist harmlos, also keine Angst. Nur manchmal ist er etwas zu energiegeladen und tollpatschig.“, beschwerte sich der Engel. „Bist du verletzt wurden?“

„Nein…Ahhhhhhh“, schrie ich und scheuerte ihm eine.

„Wofür war das?“, fragte er geschockt.

„Dreh dich um!“, schrie ich. Mir war völlig entfallen, dass ich immer noch nichts anhatte.

Kratos bemerkte es jetzt auch, da er nun leicht rot wurde. Sofort drehte er sich um und ging ein paar Schritte weg.

Noishe oder wie auch immer das Tier hieß sah nun abwechselnd fragend zu mir und ihm.

Dann schwänzelte er amüsiert. Man könnte meinen er hätte verstanden, was passiert war.

Wütend nahm ich einen Stein und schmiss diesen nun dem Engel an dem Kopf. „Spanner!“

Der Rothaarige drehte sich nun kurz zu mir um. „Was soll das werden?“

„Dreh dich um!“, brüllte ich.

Er tat es sofort.

„Wehe du machst das nochmal!“, fauchte ich und ging zu meinen Sachen.

Ich drehte mich nochmal zu meinem Gefährten um. Er hatte sich nicht gerührt. Sein Glück.

Nun untersuchte ich die neuen Klamotten. Sie waren in einen dicken schwarzen Umhang gewickelt. Dieser war weich und bestimmt sehr warm. Gut für den Winter.

Nun sah ich ein gelbes Top. Der Stoff schien reißfest und robust zu sein, war aber doch dünn und weich.

Darunter lag ein rotes langärmliges Shirt. Zu guter Letzt war noch eine hellblaue Hose dabei.

Die Klamotten waren praktisch und doch hübsch.

Ich zog zuerst das rote Shirt an und zog das gelbe Top oben drüber. Zum Schluss kam die Hose.

Nun betrachtete ich mich erneut im Spiegelbild. Meine Haare waren immer noch verfilzt, standen aber nicht mehr zu allen Seiten ab. Sie hingen nun runter.

Nun musterte ich die Sachen. Es sah gar nicht mal so übel aus, obwohl ich mich fragte woher der Engel meine Größe kannte? Ich dachte wieder an die Sache mit dem Gedankenlesen. Wäre vielleicht möglich.

„Das steht dir.“

Ich erschrak und stolperte nach vorne. Ich wäre beinahe ins Wasser gefallen, hätte Kratos mich nicht festgehalten.

„Schon wieder baden?“, rief er, wobei er fast neckisch klang. Fast.

„Ich hatte doch gesagt, du sollst dich nicht umdrehen.“

„Ich habe erst geguckt, nachdem du angezogen warst.“

„Woher hättest du wissen können, wann ich soweit war?!“

„Ich habe gehört, dass du zum Wasser gegangen bist.“

„Päh!“

Nun war Stille.

„Lässt du mich bitte los?!“, bat ich, wobei meine Wangen leicht rot wurden.

Seinen Arm hatte er ja immer noch um meinen Bauch gelegt.

Er ließ los und ging zum Wasser. Nun wusch er sein Gesicht. Er war ja auch dreckig. Seine Klamotten waren mit einigen dunkelroten Spritzern bedeckt. Blut. Das Blut meines Vaters.

Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich abzulenken.

Mein Blick fiel auf den „Hund“.

„Das ist doch kein Hund, oder.“, fragte ich ungläubig.

„Eigentlich nicht, aber ich kann es dir jetzt nicht besser erklären.“

„Ist er…bissig?“, fragte ich.

„Nein.“

Ich lächelte und ging auf Noishe zu.

Der „Hund“ sah mich schwanzwedelnd an.

Vorsichtig streckte ich meine Hand raus und berührte seinen Kopf.

Noishe gab ein fröhliches Jaulen von sich.

Nun streichelte ich ihn, was er sichtlich genoss.

„Noishe hält sonst immer etwas Abstand zu Fremden. Er mag dich wohl.“, sagte Kratos.

Er kam auf mich und Noishe zu.

Noishe ging ihm ein Stückchen entgegen und rieb seinen Kopf an Kratos Bauch.

„Ja ich habe dich auch vermisst.“, sprach der Rothaarige und streichelte Noishes Kopf.

„Ist er dein Haustier?“, fragte ich neugierig. Das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Es passte gar nicht zu dem Engel.

„Nicht wirklich Haustier. Ich habe Noishe verletzt gefunden und ihm geholfen. Seitdem begleitet er mich.“

Ich streichelte Noishe nun ebenfalls. Er hatte so ein weiches Fell und war so niedlich.

„Wir sollten dann langsam weitergehen.“

Ich nickte und folgte Kratos zusammen mit Noishe. Jetzt waren wir schon mal zu dritt.

Eine Lächeln bitte (Annas Sicht)

„Wow Wahnsinn. Das Meer!“, schrie ich völlig begeistert. Wir befanden uns in der Nähe von Palmacosta. Von hier aus hatte man eine gute Aussicht auf das Meer. Ich hatte es noch nie gesehen. Die Asgard Menschenfarm war zwar auch am Meer, aber von dort konnte ich es nie sehen. Hätte wohl auch nie die Chance gehabt.

„Und wie das schillert. Guck mal Kratos da. Da ist ein Boot!“, schrie ich außer mir.

„Mhm.“, kam nur als Antwort. Ich hatte mich schon an Kratos Art gewöhnt. Er ließ sich nie begeistern und sprechen tat er auch nur das Nötigste.

„Aber dir gefällt doch bestimmt das Meer, Noishe?“, sprach ich zu dem riesigen grünen Hund neben Kratos.

Noishe schüttelte den Kopf.

„Er mag kein Wasser. Wegen seinem Fell.“ ,erklärte Kratos.

„Wasser ist schön, Noishe. Irgendwann gehen wir mal zusammen schwimmen.“, schlug ich vor.

Es kam ein Schnauben von Noishe was wohl „Nein“ bedeutete.

„Dann eben nicht!“, grummelte ich, ließ mir aber die gute Laune nicht verderben.

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich und lief fröhlich neben Kratos her.

„Vorräte besorgen. Das hatte ich doch gesagt.“, sprach der Engel kühl.

Er sah nicht glücklich aus. Sah er nie. Sein Blick verriet nichts über seine Gefühle. Er guckte immer so als wollte er jeden gleich umbringen. Ich fragte mich wie er wohl gucken würde, wenn er richtig wütend war.

„Sei nicht immer so maulig. Wie wäre es wenn du netter wärst.“, entgegnete ich und sah ihn lächelnd an.

„Ich bin nicht maulig.“, gab er nur knapp von sich. Was er auch ernst meinte. Er war normal konnte man sagen.

„Würde es dich umbringen mal zu lächeln oder so?“, fragte ich nun.

„Ich habe keinen Grund zu lächeln.“, antwortete er mir.

„Dafür braucht man nicht immer einen Grund. Mach es einfach mal. Ich lächele auch die ganze Zeit.“

„Kein Bedarf.“

Ich ließ es erst mal dabei. Ich beobachtete die vielen Menschen von Palmacosta. Sie waren viel geschäftiger als in Luin oder Asgard. Auch war Palmacosta größer. War ja auch die größte Stadt, die es gab.

„Guck mal da sind Stände!“, schrie ich und stürmte davon. Heute schien wohl Markt zu sein.

Der eine Verkäufer verkaufte Fisch. Meistens Salzwasserfische. Palmacosta lag ja auch am Meer.

„Ich hätte gerne die beiden Fische da!“, bat jemand hinter mir. Ich konnte hören, dass es Kratos war.

Der Verkäufer nickte hastig und gab Kratos zwei Fische. „Ist es so recht?“

„Ja.“, antwortete der Engel und bezahlte. Der Händler sah Kratos etwas argwöhnisch und unsicher an. Ich fragte mich warum und sah zu dem Rothaarigen.

Die Frage hatte sich eigentlich erledigt. Kratos wirkte ja nicht gerade wie ein freundlicher Reisender. Sein Blick konnte schon ziemlich angsteinflößend sein, wenn an ihn nicht kannte. Darauf hatte ich anfangs gar nicht geachtet. Seine Flügel hatten mir damals gereicht.

Auch Kratos ungestümes Haar, was sein linkes Auge verdeckte, ließ ihn eher dubios erscheinen. Zu guter Letzt sein Auftreten. Kratos war kein Mann der vielen Worte. Seine kurzen Antworten klangen eher unfreundlich und abstoßen. Das Schwert an seiner Seite tat sein Übriges. Abenteurer und Söldner waren dafür bekannt etwas rauer zu sein.

Eigentlich konnte man an Kratos noch so viel mehr erkennen.

Ich musterte den Engel genauer.

Er hatte auch etwas Stolzes an sich. Sowie ein Ritter. Stark und mutig.

//Du meine Güte Anna. Du himmelst ihn ja förmlich an//

Na ja. Er sah auch ziemlich gut aus. Bei dem Gedanken musste ich versuchen nicht rot zu werden. Außerdem war er auch sehr geheimnisvoll. Das war schon anziehend.

„Hab ich was im Gesicht? Warum starrst du mich die ganze Zeit an?“, fragte Kratos und riss mich aus meinen Gedanken.

„Deine Haare.“, sagte ich kichernd.

„Was ist damit?“, fragte er verwundert.

„Sie sind in deinem Gesicht.“, ärgerte ich ihn.

Kratos seufzte und verdrehte die Augen. Dabei ging er weiter.

„Weißt du wenn du ein bisschen an deinem Auftreten änderst, würden die Leute dich nicht so…meiden.“, meinte ich und lief rückwärts vor Kratos, sodass ich ihn direkt ansah.

„Es ist gut so, dass sie mich meiden. Ich lege nicht viel Wert auf Gesellschaft.“, gab er knapp von sich.

„Warum. Es ist doch schön, wenn man gemocht wird und Leute in seiner Nähe hat.“

„Nicht wenn die Leute in deiner Nähe in Gefahr sind. Außerdem können Menschen so anstrengend sein.“

Ich schnaubte. „Meinst du damit mich? Bin ich anstrengend.“

„Willst du darauf wirklich eine Antwort?“

Nun verschränkte ich die Arme und sah Kratos beleidigt an. „Du bist blöd!“

„Wenn du meinst.“, kam als Antwort. Kratos war das wohl egal.

„Ich gehe dir wohl auf die Nerven?“, fragte ich immer noch eingeschnappt.

„Meistens ja.“, sagte er ehrlich.

„Du aufgeblasener dreckiger Engel! Was bildest du dir ein!“, schrie ich außer mir. Dann stapfte ich in irgendeine Gasse davon.

Was dachte der sich eigentlich. Immerhin wollte ich ihm helfen. Und was machte er? Mir sagen dass ich nerve.

Ich stand nun am Hafen und sah mir die ganzen Schiffe an. Sie waren toll. Mein Ärger war verflogen.

Es gab hier Segelschiffe und sogar Dampfschiffe. So welche hatte ich noch nie gesehen. In Luin wurden meist Ruderboote zum Fischen verwendet.

„Guck mal da…“, fing ich an zu labern, bemerkte dann aber das Kratos gar nicht da war. Stimmt ich war ja weggegangen.

//Toll jetzt vermiss ich den Idiot auch noch.// Er war ja auch der einzige den ich hier kannte. Und allein sein mochte ich gar nicht. Das war ich auf der Farm schon genug. Also beschloss ich Kratos zu suchen.

Ich hatte ihn auch bald gefunden. Er lief über einen großen Platz und schien sich umzusehen. Ob er mich wohl suchte? Sah etwas so aus.

Ich schlich mich von hinten an ihn ran. Er hatte mich nicht bemerkt. Vielleicht konnte ich ihn ja erschrecken. „Jetzt wirst du dafür bezahlen so gemein zu mir gewesen zu sein.“, murmelte ich und ging noch näher ran. Dann rannte ich los und sprach Kratos von hinten an. Zumindest wollte ich das. Der Engel wich aber plötzlich zur Seite aus, sodass ich auf den Boden fiel.

„Au!“, beklagte ich mich.

„Was sollte das werden?“, fragte Kratos. Dabei sah er mich fragend an.

„Ich wollte dich erschrecken.“, gab ich zu und stand auf.

„So erschreckst du niemanden. Du bist viel zu laut.“, sprach er ruhig.

„Päh!“, maulte ich und machte mich sauber. „Wenn du wusstest, dass ich das war, warum hast du mich nicht wenigstens gefangen.“, warf ich ihm vor.

„Sollte ich? Ich wusste ja nicht was du vorhattest.“

Das war eine miese Ausrede. Da ließ der mich einfach auf die Erde fallen. Der gute war echt keine Gentlemen. „Ein Gentleman würde eine Frau nie einfach fallen lassen.“

„Ein Frau würde wohl einen Gentlemen auch nicht von hinten anspringen.“, konterte der Rothaarige.

„Ich geb’s auf. Komm mit. Ich will dir die Schiffe zeigen.“, schrie ich und zog an Kratos Arm. Der Rothaarige ließ sich nur widerwillig mit ziehen.

„Deine Laune ist wechselhaft. Wie kann man von einem Moment auf den anderen seine Laune so ändern.“, fragte der Engel.

„Wie kann man nur mit so einem ausdruckslosen Gesicht ständig durch die Welt gehen.“, erwiderte ich.

„Ich guck halt so.“, sprach der Engel trocken.

„Freu dich doch mal. Es ist so ein schöner Tag. Die Sonne scheint. Hier ist so viel los. Gibt dir das nicht auch ein Hochgefühl so als könntest du tanzen.“, beschrieb ich begeistert und drehte mich dabei einmal um mich selbst.

Kratos sah mich nun an als hätte er eine Verrückte vor sich.

„Was ist so schön daran? Die Sonne scheint doch jeden Tag. Wolkenlose Tage gibt es auch öfters. Das ist nichts Besonderes. Außerdem sind das zu viele Leute für meinen Geschmack.“, erklärte Mister Griesgram.

„Du musst einfach die schönen Dinge dahinter sehen. Die Sonne ist so schön warm und kitzelte meine Haut förmlich. Und die Leute. Alle haben ihre eigene Geschichte. Man muss sie nur erfahren.“, beschrieb ich und bleib nun etwas bedrückt stehen.

„Weißt du auf der Menschenfarm habe ich so was nie erlebt. Jeder Tag war gleich. Die Zelle war dunkel und grau und auch das Leben dort. Die Sonne konnte ich fast nie spüren. Und ach so viele Menschen voller Leben gab es dort auch nicht. Alle waren verzweifelt und es gab nicht selten Tote. Deswegen möchte ich mein Leben einfach genießen.“

Mir liefen ein paar Tränen durchs Gesicht. Ich drehte mich von Kratos weg, damit er nicht sah wie ich weinte.

„Es tut mir Leid“, sprach fast schon schmerzerfüllt. Ging ihm mein Schicksal so nah? Warum entschuldigte er sich. Es war doch nicht seine Schuld.

Ich sah ihn nun etwas verwirrt an. Meine Tränen ignorierte ich.

Kratos sah nach unten. In seinen Augen erkannte ich Schmerz. Da war noch mehr aber ich wusste nicht was es war.

„Was ist mit dir?“, fragte ich besorgt.

Kratos sah mich nun an. Der Blick von eben war verschwunden. Er sah wieder aus wie immer.

„Nichts.“, antwortete er.

Er musterte sein Gesicht genau. Hatte ich mich geirrt? Nein. Kratos war eben traurig gewesen. Zumindest hatte ihn was ziemlich zugesetzt. Er wollte es bloß nicht zeigen. Das konnte ich auch nicht von ihm verlangen. Ich konnte aber versuchen ihn aufzumuntern.

„Du solltest nicht traurig sein. Ich heitere dich jetzt auf. Lächle mal das hilft.“, forderte und ging nun nah an Kratos heran.

„Ich bin nicht traurig. Zum Lächeln ist mir immer noch nicht zu mute.“

„Ach komm schon“, fragte ich und sah ihn ins Gesicht. „Was muss ich machen damit du mal lächelst.“

„Ich lächele nicht Anna. Wir sollten langsam weiter.“, sprach er trocken.

„Nein. Du musst erst lächeln. Was hältst du davon?“, fragte ich und zog eine Grimasse.

Kratos hob nur eine Augenbraue. War irgendwie klar, dass es nicht funktionierte.

Nun hampelte ich wild umher. Einige Leute starrten mich schon an, was mir aber egal war.

„Du brauchst dich hier nicht zum Deppen machen, Anna.“, entgegnete Kratos nur.

„Du bist eine harte Nuss. Ich hab’s. Über deine Lieblingsspeise freust du dich bestimmt. Das heitert mich auch immer auf.“

„Das glaube ich dir.“, antwortete Kratos darauf.

„Was isst du gerne. Ich spendiere dir was.“, schlug ich vor und sah Kratos erwartungsvoll an. Was er wohl gerne aß?

„Seit wann hast du Geld?“, kam nur als Antwort.

Ich sah ihn beleidigt an. Er hatte aber Recht. Kratos bezahlte immer. Woher sollte ich auch Geld nehmen.

„Dann kaufst du dir das eben. Ich esse es dann mit dir zusammen. Was mit jemanden zu essen ist toll!“, schrie ich schon wieder begeistert.

„Ich habe keine Lieblingsspeise.“, sagte Kratos nun.

„Na klar hast du die! Du wirst ja wohl wissen, was du gerne isst. Los sag’s mir!“

Kratos seufzte. Wahrscheinlich ging ich ihm gerade wieder auf die Nerven.

„Ich mag Meeresfrüchte. Besonders Garnelen. Und Nanki-Beeren von den Elfen.“

Mit letzteren konnte ich jetzt nichts anfangen. Ich bezweifelte auch, dass hier irgendwo Elfen waren. Aber Meeresfrüchte ließen sich hier bestimmt auftreiben.

„Palmacosta liegt am Meer. Hier finden wir bestimmt Garnelen oder so.“

Was das genau war wusste ich auch nicht. Ich hatte noch nie welche gesehen. Im Sinoa See gab es so was auf jeden Fall nicht.

Ich lief zu einem Händler der offenbar Meeresfrüchte verkaufte. Ich sah Tintenfischarme, Muschel und noch mehr. Irgendwie bezweifelte ich, dass man das essen konnte.

„Haben sie Garnelen?“, fragte ich.

„Aber natürlich. Ich kann dir auch gleich welche anbraten.“, meinte er. Er hatte ein Grill neben sich stehen wo er wohl seine Ware braten konnte.

„Dann hätte ich gerne zwei Portionen.“, meinte ich. Kratos stand nun auch wieder neben mir.

Der Händler nickte und nahm einen Spieß hervor. Darauf steckte er weiße Tierchen. Die erinnerten mich an irgendwelche Krabbeldinger. Ich schüttelte mich etwas. So was konnte man essen?

„Hier bitte.“, meinte der Händler er hielt mir zwei Spieße entgegen. Die Tierchen hatten nun eine leicht rosa Färbung.

„Das macht 450 Gald.“, meinte er. Ich nahm die Spieße entgegen während Kratos bezahlte.

„Ist aber ganz schön teuer.“, meinte ich und beäugte die Garnelen.

„Meeresfrüchte sind nie billig, Anna.“, meinte Kratos.

„Los wir setzten uns da auf die Bank!“ schrie ich und zog Kratos kurzerhand hinterher.

Wir saßen nun direkt vor dem Wasser auf einem Steg.

Ich überreichte Kratos einen Garnelenspieß und sah meinen skeptisch an.

„Du Kratos?“, fing ich an und drehte mich zu dem Rothaarigen.

Er aß gerade eine Garnele und sah mich nun fragend an.

„Hat sich erledigt. Ich wollte nur wissen, ob man das essen kann. Das sind doch Krabbeldinger.“

„Sie schmecken gut. Du solltest sie probieren.“, meinte der Engel und aß einer weitere Garnele.

Ich nahm nun auch eine in den Mund. Was wenn die jetzt anfing in meinem Mund umher zu krabbeln. //Einfach nicht daran denken, Anna. Schluck sie einfach runter!//

Das tat ich auch. Aber was wenn sie jetzt in meinem Magen umher krabbelte.

„Kratos!“, schrie ich panisch und sprang auf.

„Was ist?“, fragte er besorgt und verwundert über meine plötzliche Reaktion.

„Das Ding! Es krabbelt in meinem Bauch. Wie widerlich!“, schrie ich.

„Anna, die Garnelen leben nicht mehr.“, versuchte Kratos mich wohl zu beruhigen.

Ich legte mich neben ihn auf die Bank.

„Das sagst du.“, jammerte ich und sah Kratos an.

Dieser sah mich völlig verwirrt an. Er wusste wohl nicht so recht was er dazu sagen sollte.

Ich fing an zu lachen. „Du solltest deinen Blick sehen.“, quiekte ich.

„Manchmal versteh ich dich echt nicht, Anna.“, gab der Engel von sich.

„Ich mich auch nicht.“, gluckste ich. Dann stand ich wieder auf.

„Hier. Du kannst meine auch haben.“, sprach ich und gab meinen Spieß Kratos.

Er hatte seinen Garnelen gerade verputzt.

„Du lächelst ja immer noch nicht. Weißt du auch wie das geht? Man zieht seine Mundwinkel nach oben. In etwa so.“, erklärte ich und lächelte.

Kratos hob nur wieder eine Augenbraue und aß weiter.

Ich sah aufs Meer. Es schimmerte noch immer. Und es roch so nach Salz. Einfach herrlich.

„Ist das Meer nicht schön.“, sprach ich,

„Ich glaube du hast das schon ein paarmal erwähnt.“

Nun stand ich auf und stellte mich vor Kratos.

„Aber sieh doch mal genauer hin!“, forderte ich. „Es glitzert richtig.“

„Das ist nur das Sonnenlicht. Es wird vom Wasser reflektiert.“, meinte Kratos trocken.

„Es ist trotzdem schön. Kannst du es nicht sehen. Die Wellen wie sie sich bewegen und das Licht zurückwerfen.“, beschrieb ich und sprang dabei fast vor Kratos rum.

Er sah mich nun seltsam an. Nicht so als würde er mich für wahnsinnig halten. Irgendwie etwas alarmiert vielleicht. „Anna… du.“, gab er von sich. Dabei hob er leicht seine Hand.

„Jetzt versteh doch. Es ist einfach herrlich. Diese schönen Geräusche, die das Wasser macht und der Duft des Meeres und…“

Auf einmal spürte ich unter meinem rechten Fuß keinen Boden mehr. Ich verlor die Balance und fiel nach hinten. Ins Wasser.

Ich hielt mich am Steg fest und versuchte raus zu klettern. Kratos hielt mir die Hand hin und zog mich raus.

„Du solltest vorsichtiger sein.“, mahnte er.

Ich zitterte und rieb mir die Oberarme. Es war verdammt kalt. War ja auch Winter.

„Kkkalt…“, stotterte ich bibbernd.

Ich drückte mich an Kratos, um mich zu wärmen. Er legte sogar seine Arme um mich. Ich hätte erwartet er würde mich wegstoßen. Immerhin war ich pitschnass.

„Ziemlich blöd von mir heh?“, entgegnete ich lächelnd. Dabei sah ich ihn an und war völlig erstaunt.

Der Engel lächelte. Es war ein sanftes Lächeln. Sein Gesichtsausdruck war fast schon liebevoll. Er lächelte nicht, weil er sich über mich lustig machte. Es war was anderes. Aber es stand ihm ungemein. Seine Augen sahen schön aus. Nicht so kalt wie sonst. Sondern ein schönes warmes rotbraun.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er. Sein Ausdruck in seinem Gesicht verschwand nicht. Er war besorgt um mich. Deswegen guckte er so.

Mir wurde ganz warm. Und mein Herz fing an zu rasen.

//Oh nein Anna, nur nicht rot werden!//

Es hatte anscheinend nicht geklappt. Kratos guckte mich verwirrt an.

„Mir geht es gut.“, sprach ich schnell und lächelte ihn an.

„Sicher?“, fragte er verunsichert.

„Ja. Es hat sich sogar gelohnt ins Wasser zu fallen.“, sprach ich mit einem breiten Lächeln.

„Jetzt verstehe ich dich überhaupt nicht mehr.“, kam nun von Kratos.

„Du hast gelächelt.“, meinte ich.

Kratos guckte nicht begeistert. Er lächelte auch leider nicht mehr.

„Es steht dir verdammt gut. Du solltest es öfter tun. aber sag mal warum hast du gelächelt?“, fragte ich neugierig.

„Weiß nicht. Man braucht nicht immer einen Grund dazu. Deine Worte.“

„Du hattest aber einen Grund und ich will ihn wissen.“, maulte ich.

„Wir bringen dich erst mal aus der Stadt aus. Da kannst du deine nassen Sachen ausziehen.“, sagte Kratos.

„Lenk nicht vom Thema ab!“

„Du wirst noch krank, Anna. Also los.“

Ich brummte. Dieser Sturkopf würde mir ja doch nichts sagen. Trotzdem war ich zufrieden. Ich hatte Kratos zum Lächeln gebracht.  

Unbeschwertes Reisen? (Kratos Sicht)

Wir reisten nun schon einige Wochen. Die Gefangenen aus der Palmacosta-Farm konnten wir erfolgreich befreien. Es lief alles ganz gut. Das Reisen dauerte zwar länger, da Anna mehr Pausen brauchte als ich, aber ihre Gesellschaft war recht angenehm.

Die Braunhaarige war voller Leben. Sie war meist sehr energiegeladen und enthusiastisch. Sie freute sich über die meisten Dinge, auch wenn es kleine Sachen waren wie das Meer, ein schöner Ausblick oder was zu Essen. Dabei hatte sie so viel durchgemacht. Anna war echt eine erstaunliche Person. Am Anfang hatte ich erst gedacht, es liegt daran, dass ich solange in Welgaia gelebt hatte. Engel waren ja das genaue Gegenteil von voller Leben.

Anna war aber auch so besonders. Sie war immer gut drauf.

„Jetzt komm schon, Kratos!“, schrie sie von weiter vorne. Sie gab ein kurzes Kichern von sich und lief weiter.

Ich musste leicht lächeln. Ihr Kichern war echt ansteckend.

Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal gelächelt? In Welgaia gab es ja keinen Grund dazu.

Ich sah auf und beobachtete weiter Anna. Sie tollte mit Noishe umher. Nachher hatte sie sicherlich keine Energie mehr. Sie verausgabte sich meistens. So war es auch diesmal.

Nach ungefähr einer halben Stunde, trottete Anna erschöpft hinter mir her, während Noishe neben mir ging.

„Wir können eine Pause machen, wenn du magst.“, schlug ich vor und drehte mich dabei zu ihr um.

„Schon gut. Wir kommen sonst nie in Hima an.“, jammerte sie.

Hima. Unser nächstes Ziel war ja Hima. Zumindest war es Annas Ziel.

Ich wollte eigentlich nach Iselia zur Menschenfarm dort. Eigentlich hätten wir von Izold aus den Ossapfad nehmen sollen, um nach Triet zu gelangen, aber…

Ich seufzte. Anna wollte unbedingt nach Hima. „Der Ausblick vom Gipfel in dieser Jahreszeit soll toll sein. Die Sterne sollen gut sichtbar sein.“, hatte sie gesagt. Dann hatte sie es doch tatsächlich geschafft mich zu überreden. Ich verstand es immer noch nicht, aber ich konnte einfach nicht Nein sagen.

Also gingen wir jetzt nach Norden.

„Sag mal, Kratos, ich hätte da eine Bitte.“, sprach Anna neugierig.

Was wohl jetzt kam? Bestimmt es seltsames oder verrücktes.

„Klar. Worum geht es?“, fragte ich.

Anna sah verlegen zu Boden.

Bei dem Anblick musste ich einfach schmunzeln. Wenn sie so guckte, sah sie so…niedlich aus. Ich wusste nicht wie ich es besser beschreiben sollte.

„Also…zeigst du mir mal deine Flügel. Ich würde sie gerne mal angucken.“, fragte sie lächelnd.

Ich sah sie verblüfft an. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich dachte sie hasste Engel. Jetzt wollte sie meine Flügel sehen. Irgendwie verstand ich sie manchmal nicht.

„Du musst nicht, wenn du nicht willst. War ja auch eine blöde Frage.“, war ihre Reaktion auf mein Schweigen.

Ich ließ meine Flügel erscheinen.

„Wow!“, schrie Anna begeistert. Man könnte meinen sie sehe meine Flügel zum ersten Mal. Dabei hatte sie die bestimmt schon dreimal gesehen.

Die Braunhaarige stand nun an meinen Rücken und bewunderte meine Flügel.

„Darf ich…sie mal anfassen?“, fragte sie nun.

Allerdings wartete sie meine Antwort nicht ab.

Vorsichtig berührte sie meinen rechten Flügel mit dem Finger. Dabei tat sie so, als würde dieser aus Glas bestehen.

Anna gab ein kurzes Kichern von sich und stupste meinen Flügel erneut an.

„Was ist daran komisch?“, fragte ich verwirrt.

„Weiß nicht. Ich hätte nicht erwartet, dass sie sich so anfühlen. Sie sind so zart. Wie dünne Plaste, aber…“

Nun zog sie leicht an meinem Flügel.

Ich nahm die Berührung nur leicht war. Immerhin waren meine Flügel ja nicht wirklich ein Körperteil von mir. Irgendwie mein Mana, dass diese Form angenommen hatte.

Allerdings merkte ich doch einen leichten Schmerz in meinem Rücken, als sie noch etwas stärker zog.

Nun bog sie meinen Flügel leicht.

„Er ist elastisch.“, stellte sie fest, als mein Flügel sich verbiegen ließ.

Sie ließ ihn und los und wiederholte die Prozedur wie ein kleines Kind.

Als sie meinen Flügel stärker verbog, nahm ich einen starken Schmerz wahr.

„Das tut weh!“, sagte ich bestimmt, aber noch recht ruhig.

Sofort ließ Anna den Flügel los. „Entschuldigung. Aber…mal eine Frage. Können die Flügel durch alle Sachen durch oder hast du spezielle Kleidung dafür?“

Verblüfft sah ich sie an. Mit so was hätte ich nicht gerechnet.

„Nein. Ich habe ganz normale Kleidung an.“, erklärte ich.

„Na ja. Über ganz normal lässt sich streiten, aber was passiert eigentlich, wenn keine Platz für die Flügel da ist, wenn du zum Bespiel an einer Wand stehst?“

„Ehm? Keine Ahnung. Sie legen sich an meinen Rücken?“, fragte ich eher zurück

In solchen Situationen ließ ich meine Flügel auch meist nicht erscheinen. Gedanken habe ich mir darüber auch noch keine gemacht.

„Warum sind deine Flügel blau und nicht rot?“

„Das weiß ich nicht. Liegt vielleicht am Cruxis-Kristall oder an meinem Mana?“

„Du bist ein Engel. Weißt du nichts über deine Art?“, kritisierte mich Anna.

„Warum sind deine Haare braun und nicht schwarz.“, konterte ich, obwohl ich die Antwort kannte. Es lag an ihren Genen.

Wie ich aber erwartet hatte, war Anna sichtlich überfragt.

„Ich habe in Biologie nicht aufgepasst.“, sagte sie verlegen.

„Du bist ein Mensch. Weißt du nichts über deine Art?“, zog ich sie auf.

„Okay lassen wir das. Ich habe Hunger. Lass uns was Essen.“, wechselte die Braunhaarige das Thema.

Ich seufzte. Soviel zum Thema „Wir kommen sonst nie in Hima an.“

Ich beobachtete Anna, die ihren Rucksack durchforstete. Sie wollte lieber ihr eigenes Essen kaufen. Einige meiner Zutaten sagten ihr nicht ganz zu wie zum Beispiel saure Gurken.

Ich hatte momentan keinen Hunger und musterte Anna derweil.

Sie hatte sich vom Äußeren ziemlich verändert. Am meisten natürlich an den Haaren. Diese waren nun nicht mehr verfilzt oder sonst irgendwie durcheinander. Ihre Haare waren nun glatt. Einen Teil ihrer Haare hatte sie zu einem Zopf zusammen gebunden, welcher ihr wie der Rest ihrer Haare ungefähr bis zu ihren Schultern ging. Ansonsten wirkte sie auch nicht mehr so abgemagert, auch wenn sie noch etwas mager war. Dabei aß sie bestimmt doppelt so viel wie ich.

Nun sah sie mich blinzelnd an. Sie wollte etwas. Soviel verstand ich schon.

„Kratos? Hast du noch etwas Fleisch oder so? Meins ist alle.“

„Nein leider nicht. Wir müssen unsere Vorräte erst aufstocken. Es ist doch aber noch reichlich Gemüse da.“, entgegnete ich.

Anna verzog ihr Gesicht. „Bin ich ein Hase oder was?“

„Alle Gemüsearten haben viele Vitamine und sind auch so sehr gesund.“, belehrte ich sie.

„Jetzt klingst du wie mein Vater.“, maulte sie und sah nun in meine Tasche. Sie hoffte wohl noch etwas Besseres zu finden.

Die Braunhaarige holte ein Glas mit den erwähnten sauren Gurken heraus.

„Wie kann man so was essen?“, fragte sie und meinte diese Frage auch noch ernst.

„Sie schmecken doch.“, meinte ich nur, worauf sich Anna heftig schüttelte.

„Du bist doch kein…Ok du bist ein Engel aber trotzdem.“

Nun schüttelte sie sich wieder. Ich fand es amüsant, wenn sie das tat. Überhaupt fand ich viele Sachen an der Braunhaarigen amüsant.

„Es gibt bestimmt etwas, was du genauso verabscheust!“, zischte sie.

„Wenn du meinst.“, gab ich nur als Antwort.

„Ich werde schon etwas finden und es dir gleich verabreichen.“, sprach Anna fest entschlossen.

„Ich habe eigentlich keinen Hunger.“, entgegnete ich.

„Keine Chance! Dreh dich um. Du darfst raten.“, befahl sie mir.

Ich verdrehte leicht die Augen und drehte mich um. Widerstand zu leisten war wohl eh zwecklos.

Anna steckte mir auch gleich etwas in den Mund. Es schmeckte leicht scharf und so wie

„Porree?“

„Ja stimmt. Wie kannst du das roh essen?“, fragte sie entgeistert, als ich das Stück hinunterschluckte.

„Schmeckt doch.“

Anna knurrte und drehte sich um. So ging das noch mit etlichen Gemüsearten wie Gurke, Paprika, Aubergine, Zwiebel und Kohl.

„Ich geb’s auf.“, maulte Anna und nahm etwas aus ihrem Rucksack, was sie mit dem Messer kleinschnitt. Das wollte sie wohl selbst essen.

Ich betrachtete den Himmel. Es waren dunkle Wolken am Horizont zu sehen. Bestimmt würde bald ein Unwetter aufbrechen. Wahrscheinlich würden wir es nicht rechtzeitig nach Hima schaffen.

„Was gibt es da zu sehen?“, fragte Anna und steckte mir erneut ein Stück Gemüse in den Mund.

Ich wollte es gerade hinterschlucken, als sich ein widerlicher Geschmack in meinem Mund ausbreitete. Ich verzog nun auch leicht mein Gesicht und spuckte das Etwas in meinem Mund wieder aus. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mir wirklich das eine gab, was ich wirklich nicht aß.

Anna sah mich blöd an. „Ehm…Kratos? Sag jetzt nicht du isst keine Tomaten?“

Ich gab ihr ein leichtes Grummeln als Antwort.

Anna fing an zu lachen und kugelte sich am Boden. „Das ist echt verrückt!“ gluckste sie.

„Sie schmecken mir halt nicht. Ich verstehe nicht, wie man so was essen kann.“, meinte ich. Es stimmte ja auch.

„Aber Kratos. Alle Gemüsearten haben viele Vitamine und sind auch so sehr gesund. Auch Tomaten.“, ärgerte Anna mich. Jetzt kostete sie gleich ihren Triumpf aus. Was war bitte toll daran zu wissen, was ich nicht aß?

„Saure Gurken auch.“

Anna verzog ihr Gesicht.

„Wir sollten los. Es zieht ein Unwetter herauf. Wenn wir nicht nass werden wollen, sollten wir uns beeilen.“, meinte ich.

Anna sah zum Himmel und stand auf. „Ich bin schnell wie der Wind!“

Das war wie üblich aber nicht der Fall. Also gerieten wir nach ungefähr einer halben Stunde in einen Regenschauer.

„Mir ist kalt und ich bin völlig durchnässt. Außerdem tun mir die Füße weh.“, jammerte Anna.

Ich seufzte. „Es ist nicht mehr weit bis nach Hima. Nur ungefähr eine Anderthalbstunde.“

„Was?! Solange kann ich nicht laufen! Lass uns Pause machen. Da unter dem Baum!“, schrie Anna und rannte zu einem Baum. Ich folgte ihr.

Hier war es nicht wirklich trocken, aber immer noch besser als ohne Baum.

Anna zitterte und rieb sich ihre Arme. Sie wirkte recht müde. Immerhin waren wir schon eine Weile unterwegs.

„Hättest du nicht eher sagen können, dass es regnet. Ich hätte mich mehr beeilt. Das ist alles deine schuld!“, maulte Anna unzufrieden.

Ich seufzte. Jetzt kamen wir wieder an dem Punkt an dem sie zickig war. Warum mussten Frauen immer so launisch sein.

„Ich habe es dir rechtzeitig gesagt.“, verteidigte ich mich und setzte mich neben sie.

„Gar nicht wahr!“, widersprach sie.

Ich lehnte mich gegen den Baum und schloss die Augen. Das Reisen war anstrengender als ich dachte. Immerhin hatten wir schon seit Wochen kein Haus des Heils mehr besucht.

Das hieß ich musste Nachtwache halten. Meistens wechselte ich mich mit Noishe ab, aber es war doch sehr ermüdend. Wir hatten nicht mal in Palmacosta übernachtet, nachdem wir die Gefangenen befreit hatten, um die Stadt nicht zu gefährden.

Die Pause würde mir bestimmt etwas gut tun. Immerhin war ich die letzte Nacht mit Wache dran. In solchen Momenten wünschte ich mir schon mein Exphere hätte denselben Effekt auf mich wie auf die anderen Engel. Nicht mehr schlafen und essen zu müssen, wäre echt praktisch, aber ich lehnte es dennoch ab. Das gehörte einfach zum Leben dazu.

Ich war froh noch in der Lage zu sein zu fühlen, zu schlafen und zu essen.

Die Anstrengung nach einer langen Reise, die Müdigkeit ,ja sogar der Schmerz einer Wunde. All das gab mir das Gefühl am Leben zu sein. Nicht so wie die Engel in Welgaia.

Langsam bekamen meine Gedanken mehr und mehr verworren und ich begann langsam einzuschlafen.

„Kratos. Wir können hier nicht bleiben!“, riss mich Anna aus meinem Schlaf.

„Warum nicht.“, nuschelte ich. Ich hielt meine Augen immer noch geschlossen. Vielleicht würde sie ja irgendwann Ruhe geben.

„Es ist nass und kalt. Vielleicht sollten wir doch weiter nach Hima.“, beschwerte sich die Braunhaarige.

Ich seufzte. Das wurde wohl nichts mit dem Nickerchen.

„Und wie willst du das anstellen? Ich dachte du könntest nicht mehr laufen?“, sprach ich, wobei ich versuchte sie leicht zu provozieren. Es klappte meist immer und war irgendwie amüsant. Yuan war nichts dagegen.

„Päh! Du arroganter Engel! Ich kann sehr wohl laufen!“, zischte Anna beleidigt. Sie warf mir einen bösen Blick zu.

„Ok dann los!“, sagte ich gelassen und stand auf.

Jetzt sah Anna weniger entschlossen aus. Sie wirkte etwas nervös. Das war öfters so, wenn sie den Mund zu voll genommen hatte.

„Also…ich hab‘s!“, schrie sie nun und ging auf Noishe zu. Dieser lag noch eingerollt am Baum. Allerdings war er noch wach und beobachtete Anna nun neugierig.

Was hatte die Braunhaarige vor. Irgendwie hatte ich schon eine Ahnung. Das würde schief gehen.

„An deiner Stelle würde ich…“, wollte ich sie gerade warnen, aber es war zu spät.

Die Braunhaarige saß bereits auf den Rücken des Protozoans.

„Ich reite einfach auf Noishe. Das hast du auch schon öfters gemacht.“, meinte Anna zufrieden.

Bevor ich auch nur irgendetwas sagen konnte, stand Noishe mit einem Mal auf, schüttelte sich und schmiss Anna dabei runter. Nun gab er ein leicht bedrohliches Knurren von sich.

„Noishe lässt Niemanden außer mir auf seinen Rücken reiten. Er ist kein Pferd oder Esel sondern ein Protozoan.“, belehrte ich Anna.

Die Braunhaarige saß beleidigt auf dem Boden und sah giftig zu Noishe. Dieser erwiderte den Blick und kam dann zu mir. Wie üblich rieb er seinen Kopf an meinem Bauch. Ich streichelte ihn sanft.

„Da wirst du wohl zu Fuß gehen müssen, aber du kannst doch laufen, nicht?“, zog ich sie auf.

Anna knurrte nun leise.

Das Wetter hatte sich immer noch nicht beruhigt. Es wehte ein recht starker Wind, der mir den Regen ins Gesicht schlug. Mich störte das recht wenig.

Noishe störte das eher. Er schüttelte sich und gab ein leises Jaulen von sich. Der Terranis hasste es, wenn sein Fell nass wurde.

Anna sah derweil erschöpft zu Boden. Sie sah nicht gerade zufrieden aus. Manchmal fragte ich mich warum ich mich mit ihr abgab? Sie war meist ziemlich anstrengend, verzögerte das Reisen ungemein und war zudem noch stur. Aber irgendetwas an ihr mochte ich auch. Ich verstand es selbst nicht.

„Wenn du willst kann ich dich auch tragen?“, schlug ich vor. Ich kannte ihre Antwort bereits.

„Nein! Auf keinen Fall!“

Dazu war die Gute wieder zu Stolz. Sie ließ sich nicht gerne von mir helfen. Ob es nun beim Aufstieg des Hakonesia Passes war, wenn sie gefallen war oder sonst etwas. Da konnte sie echt stur sein. Sie ließ sich nicht von einem Engel wie mir helfen.

„Dann gehen wir halt.“, meinte ich darauf, was Anna mit einem klagenden Blick erwiderte.

„Okay du hast gewonnen. Dann trag mich halt!“, erklang ihre Stimme, was mich jetzt überraschte.

Dass sie das zuließ, hätte ich nicht gedacht.

Ich ging auf sie und drehte ihr den Rücken zu, dann ging in die Hocke, sodass sie auf meinen Rücken klettern konnte.

Die Braunhaarige zögerte zunächst. Sie sah meinen Rücken skeptisch an.

„Ich beiße nicht.“, meinte ich. Sie gab ein „Pff“ von sich und kletterte unsanft auf meinen Rücken. Mit ihren Fingern kniff sie förmlich in meine Schultern. Es war nicht angenehm, aber ich ließ mir nichts anmerken.

Ich hielte ihre Beine fest und stellte mich hin. „Dann los.“

Sie zu tragen war nicht sehr schwer. Sie wog nicht allzu viel. Vielleicht 50 Kg? Für eine Frau ihrer Größe viel zu wenig. Zwar hatte sie zugenommen, seit dem letzten Mal als ich sie getragen hatte, aber sie war immer noch zu mager.

Anna grummelte leise. „Gewöhn dich besser gar nicht erst dran. Das ist nur dieses eine Mal. Und komm nicht auf dumme Gedanken!“

„Dumme Gedanken?“, fragte ich verwirrt. So richtig verstand ich sie nicht.

Sie ignorierte meine Frage.

Nach einer Weile legte sie ihre Arme, um meinen Hals und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Eigentlich wollte ich sie drauf ansprechen, aber ich ließ es.

Ich spürte ihren warmen Atem an meinem Hals, worauf ich Gänsehaut bekam.

Mein Gesicht wurde auf einmal etwas warm und ich fühlte mich etwas komisch. Hoffentlich bekam ich kein Fieber. Irgendwie fühlte ich mich aber wohl. Als ich leicht zu Anna sah, bemerkte ich, dass ihre Augen geschlossen waren. Ihr Atem war auch sehr ruhig und gleichmäßig. Sie war wohl eingeschlafen.

Als wir Hima erreichten, hatte es bereits aufgehört mit regnen. Da Anna immer noch schlief ging ich ins Gasthaus. Der Mann sah uns etwas überrascht an. Es kam sicherlich nicht häufig vor, dass ein Mann mit einer Frau auf den Rücken herein kam.

„Ich hätte gern ein Zimmer für die Nacht.“, bat ich.

„Sicher. Das macht 300 Gald oder wollen sie ein extra Zimmer für die Dame?“

Ich schüttelte den Kopf. Anna hätte vielleicht protestiert, aber ein Zimmer würde wohl genügen.

Unser Zimmer war im zweiten Stock. Es hatte zwei Betten, einen Schrank und einen Tisch.

Ich setzte Anna aufs Bett bzw. legte sie, da sie gleich nach hinten fiel.

Meine Gefährtin hab ein leises „Mhm“ von sich, wachte aber nicht auf.

Ich beobachtete sie etwas beim Schlafen. Sie lächelte leicht und kuschelte sich mit ihrem Kopf an das Kissen. Sie sah eigentlich recht hübsch aus. Sicherlich war sie mager und ihre Haare waren völlig durchnässt, aber irgendwie fand ich sie hübsch.

Ich lächelte leicht, als ich sie ansah. Wieso sah ich einer Frau völlig fasziniert beim Schlafen zu? Was war nur mit mir los? Anna war nichts Besonderes. Ich hatte weitaus hübschere Frauen gesehen. Frauen mit einer besseren Figur. Die meisten Männer würden wohl sagen, Anna sei zu dünn und hätte auch nicht die richtigen Rundungen.

Ich interessierte mich nie für so was. Bisher hatte ich noch keine besonderen Reize an einer Frau gefunden und das würde sich wohl auch nicht ändern.

Ich stand auf und ging nach draußen. Es war eine gute Zeit unsere Vorräte aufzustocken. Also besorgte ich neuen Proviant wie Trockenfleisch, Schinken, Brot und andere Lebensmittel.

In Hima war momentan nicht viel los. Es war ja auch Winter. Zu dieser Jahreszeit gab es nicht viele Reisende. Auch Abenteurer hatten es schwer im Winter über die Runden zu kommen.

Zwar hatte es noch nicht geschneit, aber es würde wohl nicht mehr lange dauern.

Nachdem ich eine Weile spazieren war kehrte ich ins Gasthaus zurück. Es war mittlerweile Abend. Die Sonne war schon fast untergegangen.

Als ich in unser Zimmer ging, sah ich Anna wie sie sich zufrieden in ihr Bett kuschelte.

„Ein Bett ist so was tolles.“, nuschelte sie.

„Ah ja.“, gab ich nur von mir und legte mein Schwert in eine Ecke.

„Es ist so weich und warm. Ein Bett ist doch einfach toll.“, schwärmte sie.

Bisher waren wir ja noch in keinem Gasthaus gewesen. Anna war also nicht mehr in einem Bett gewesen seitdem sie auf der Menschenfarm war. Ob es da Betten gab bezweifelte ich aber.

„Leg dich auch mal rein. Ist das nicht Großartig?“

Ich seufzte und tat ihr den Gefallen. Das Bett war in der Tat recht komfortabel. Wahrscheinlich besser, als mein Bett in Welgaia. Allerdings war ich deswegen nicht gleich so aus dem Häuschen wie Anna.

„Jetzt gehen wir auf den Gipfel und sehen uns die Sterne an.“

Anna sprang förmlich aus dem Bett, als sie das sagte.

„Ich möchte jetzt lieber schlafen. Du kannst doch alleine gehen oder.“, entgegnete ich und blieb einfach liegen. Ich war schon recht erschöpft.

„Nein. Allein macht das keinen Spaß. Außerdem…was wenn auf dem Gipfel Desians sind.“, argumentierte sie.

„Das bezweifle ich.“

„Kratos?“

„Was?“

„Bitte.“

„Nein.“

„Bitte, bitte, bitte“

„Nochmal nein.“

„Ganz doll bitte. Mit extra viel Sahne und Schokosauce oben drauf.“

Ich knurrte. Jetzt ging das wieder los. So hatte sie letztes Mal auch angefangen.

Sie beugte sich nun über mich drüber und sah mich flehend an.

„Hör auf damit!“

„Wenn du mitkommst.“

„Fünf Minuten.“

„Ja!“, schrie sie triumphierend.

Ich konnte es nicht fassen. Sie hatte mich schon wieder überredet. Das schaffte sonst keiner.

Seufzend stand ich auf und folgte Anna zum Gipfel.

Der unnahbare Engel (Annas Sicht)

Fröhlich ging ich in Richtung Gipfel.

Die Sonne war bereits untergegangen. Man konnte bereits die Sterne sehen.

„Oh wow toll!“, schrie ich völlig begeistert. Wie die Sterne heute leuchteten. Es war einfach nur schön.

„Das sind doch nur Sterne. Die sind doch jede Nacht da.“, sprach Kratos scheinbar gelangweilt.

„Wie bitte?! Nur Sterne?!“, sprach ich empört. Wie konnte er nur so was sagen?

„Sie sind doch so schön. Und wie sie Leuchten, obwohl sie doch so weit weg sind. Sie erhellen den ganzen Nachthimmel. Das ist total unglaublich.“, rief ich begeistert.

Sterne mochte ich einfach. Wasser auch. Es gab vieles, was ich mochte, aber das beides besonders.

„Weißt du, in Nächten wie diesen kommt es mir so vor, als würde ich in den Himmel hineingezogen. Es ist einfach toll, die Sterne so zu sehen.“

Kratos sah jetzt auch nach oben.

„Schau mal!“, rief ich und lief nun zu ihm. „Das Sternbild da, sieht doch aus wie eine Katze nicht?“

Ich zeigte auf ein paar Sterne.

„Ja. Das da sieht aus wie Noishe.“, meinte er nun.

Ich freute mich, dass er auch mitmachte. Das eine Sternenbild sah wirklich aus wie Noishe. Völlig verrückt.

Ich suchte noch weiter den Himmel ab. Ich war richtig gut drauf.

„Es ist wunderschön.“, sagte ich begeistert und starrte die Sterne an.

„Ja wunderschön.“, erklang Kratos Stimme.

Ich sah ihn nun verwundert an. Er war überhaupt nicht so.

Allerdings sah er nicht wie erwartet nach oben. Sein Blick war auf mich gerichtet.

„Eh…“, stammelte ich plötzlich. Wie er mich anguckte. Das war seltsam.

Ich fühlte wie meine Wangen heiß glühten. Bestimmt war ich rot. Hoffentlich sah er das nicht. Das war jetzt echt unangenehm. //Anna was machst du da. Werde jetzt nicht gefühlsduselig!//

Das war allerdings leichter gedacht, als getan. Mein Körper wollte da nicht ganz mitmachen.

Mein Herz schlug heftig, während sich in meinem Körper eine wohlige Wärme ausbreitete.

Mir war ja bereits klar geworden, dass ich ein paar Gefühle für Kratos entwickelt hatte, aber dass es gleich so zu Tage treten würde.

Was machte Kratos überhaupt? Warum sah er mich so an? Er lächelte leicht und sah mir direkt in die Augen. Es kam ja schon selten genug vor, dass er lächelte, aber warum sah er mich so eindringlich an.

Was hatte er überhaupt mit wunderschön gemeint? Mich?

//Ach komm schon Anna. Beruhige dich. Das ist Schwachsinn! Du bist nur ein einfaches Mädchen. Eine Nervensäge dazu. Warum sollte er dich mögen. Das bildest du dir nur ein. Ein Typ wie Kratos, würde nie etwas von dir wollen…//

Da passierte es. Ich spürte seine Lippen auf meinen.

Was passierte da gerade? Wir küssten uns. Nein. Er küsste mich. Was sollte ich tun?

Meine Beine wurden ganz schwach, aber ansonsten konnte ich nichts tun.

Sollte ich den Kuss erwidern? Kratos umarmen? Das war doch nicht meine erste Beziehung. Warum war ich so…hilflos?

Dann war es auch schon wieder vorbei.

Der Engel entfernte sich etwas. Jetzt sahen wir uns schweigend an.

Das war einfach unglaublich gewesen. Mein Herz schlug immer noch Saltos.

Nochmal zum Klarwerden: Kratos hatte mich geküsst. KRATOS MICH GEKÜSST.

Das konnte ich echt nicht fassen.

Was sollte ich jetzt sagen.

//“Es war toll.“ vielleicht? Oder „Können wir das nochmal machen?“ Nein etwas Normales. Ich will ihn ja nicht gleich abschrecken.//

Gerade als ich die passenden Worte gefunden hatte, drehte sich Kratos um und ging ohne ein Wort zu sagen.

Nun entwisch mir nur ein „Eh“, was er wohl eh nicht mehr hörte, da er schon weiter weg war.

Warum ging er jetzt? Hatte ich was falsch gemacht?

//Du hast es vermasselt, Anna!//

Völlig geschockt sah ich nun auf die Stelle, wo er gerade noch stand.

Hatte es ihm nicht gefallen? Wie denn auch. Ich hatte ja nichts gemacht. Ich hätte den Kuss erwidern sollen. Warum war ich auch so blöd.

//Jetzt reiß dich zusammen. Ich bin doch keine Fünfzehnjährige mehr. Ich bin 24 und sollte mich nicht so aufregen//

Ich seufzte. Allerdings ging mir das trotzdem nicht aus dem Kopf. Warum ließ er mich da stehen? Erst hat er mich geküsst und dann lässt er mich stehen. Vielleicht war er schüchtern und unbeholfen? Machte das Sinn? Er war ja sehr still, aber schüchtern und unbeholfen, schien er nicht zu sein.

Vielleicht nur in Liebesdingen.

Ich schüttelte den Kopf. Grübeln brachte nichts.

//Ich gehe jetzt zu ihm hin und frage, was das sollte. Genau das mache ich. Ohne eine Erklärung kommt er mir nicht davon!//

Ich ging also zurück zum Gasthaus.

Fest entschlossen öffnete ich die Tür und erblickte Kratos Rücken.

Er lag im Bett, mit dem Rücken zu mir gewandt. Schlafen tat er bestimmt noch nicht.

//Los Anna, sprich mit ihm!//

„Ehm…“

Mehr fiel mir dazu einfach nicht ein. Mein Mund war völlig trocken. Ich brachte kein Wort raus. Ich konnte einfach nichts sagen.

Also legte ich mich ebenfalls hin.

//so viel zum Thema, ohne eine Erklärung kommt er mir nicht davon.//

Ich seufzte und starrte Kratos Rücken an.

Warum sagte der Rothaarige nicht mal etwas? Irgendwas.

Am nächsten Tag war es nicht gerade besser.

Wir gingen schweigend nebeneinander her.

Ich sah zu meinem Begleiter hinüber. Er sah einfach nach vorne ohne mir Beachtung zu schenken. Jetzt ignorierte er mich.

Noishe lief auch nervös hinter uns her. Der Terranis (ja Kratos hatte versucht mir zu erklären, was er ist. Ich hatte es halbwegs verstanden.) merkte wohl, dass etwas nicht stimmte.

„Wo gehen wir hin?“, versuchte ich die Stille zu unterbrechen. Ich hasste Stille und konnte in der Regel nie meinen Mund halten.

„Zum Ossa-Pfad.“, antwortete der Engel trocken. Jetzt war er noch introvertierter als am Anfang. Ich war überrascht, dass das überhaupt ging. Dabei hatte ich erst ein paar Fortschritte gemacht. Jetzt war alles zu nichte.

„Und dann?“, fragte ich weiter.

Kratos sah mich immer noch nicht an. Er gab keine Emotionen von sich. Das tat er ja sonst auch nicht, aber jetzt merkte ich eine kalte Aura.

„Zur Iselia Menschenfarm. Das weißt du doch.“

Das klang etwas…genervt? So hatte er noch nie mit mir gesprochen. Sicher. Die meisten Leute hatten gesagt, ich sei anstrengend und hatten mir dies auch gezeigt.

Kratos hatte bisher nie so gehandelt. Egal wie kindisch ich mich benommen hatte. Er war nie mürrisch. Schweigsam, aber nicht mürrisch.

Dass er mich jetzt so behandelte, tat mir weh. Mein innerstes zuckte leicht zusammen und ich hätte weinen können. Meine Wut siegte aber über meine Trauer.

//Was fällt diesem Idioten ein!//

Ich blieb abrupt stehen.

Kratos ging zunächst ungehindert weiter, blieb dann aber stehen.

„Kommst du jetzt oder hat das einen Sinn?“, sagte er in einem kalten Ton. Dabei drehte er sich nicht um.

//Der macht noch nicht mal Anstalten mich anzusehen!//

„Jetzt hör mir mal zu!“, meckerte ich.

Kratos schwieg. Er zeigte keine Reaktion. Er wartete wohl darauf, was ich zu sagen hatte.

„Könntest du mir mal sagen, was mit dir los ist!“, sprach ich sauer.

Kratos schwieg kurz. Man könnte meinen, er dachte nach. Das konnte ich mir aber nicht vorstellen.

„Was meinst du? Es ist alles wie immer.“

Das schlug dem Fass den Boden aus.

„Wie immer?! Nichts ist wie immer. Und sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“

Als der Rothaarige, aber keine Anstalten machte sich umzudrehen, ging ich Schnurstracks an ihm vorbei und stellte mich vor ihm. Dabei sah ich ihn direkt an.

Kratos erwiderte meinen Blick. Er sah nicht zu Boden oder wandte seinen Blick irgendwie ab. Seine beiden Augen waren völlig auf mich gerichtet.

Das bereitete mir irgendwie Unbehagen. Konnte er nicht etwas unsicher sein und leicht weggucken?

Nun war ich diejenige, die seinem Blick auswich.

//Toll Anna.//

„Also…“ Jetzt war ich nervös. Wie schaffte es der Engel mich in so einer Situation nervös zu machen. Selbst Kvar hätte mich nicht in meiner Wut zügeln können, aber Kratos tat es in dem er mich nur ansah.

„Warum gehst du mir seit gestern Abend aus dem Weg“, sprach ich nun wieder bestimmt.

„Tue ich das? Nicht dass ich wüsste.“, kam als Antwort.

Jetzt versuchte er sich auch noch rauszureden. Dabei wurde er nicht mal rot oder zeigte sonst irgendwelche Anzeichen von Nervosität.

„Tust du wohl. Warum hast mich geküsst und dann stehen gelassen?“, fragte ich nun direkter.

Kratos hob leicht eine Augenbraue, so als wäre er überrascht, dass ich das fragte.

„Darum geht es also. Der Kuss hatte keine Bedeutung. Ich habe dich nur aus einer Laune heraus geküsst. Dann bin ich halt gegangen.“

Seine Stimme war so ruhig wie immer. Völlig standhaft. Er zeigte keine Anzeichen davon, dass er gelogen hatte. Kein Zucken der Augen, keine Bewegung seines Gesichtes.

Ich konnte es nicht fassen. Ich musste erst begreifen, was er gesagt hatte. Es hatte ihm nichts bedeutet. Gar nichts. Das versetzte mir einen Stich in meinem Herzen.

„Es tut mir Leid, falls du dir irgendwelche Hoffnungen gemacht hast.“, sprach er immer noch ohne jegliche Gefühlsregung.

„Das ist doch gelogen…du…küsst mich doch nicht einfach so.“, rief ich verzweifelt. Ich wollte und konnte das einfach nicht glauben.

„Anna. Du bist nur meine Begleiterin. Mehr nicht. Du bedeutest mir nichts.“

Besonders der letzte Satz des Engels traf mich hart. Ich war ihm egal. Dabei bedeutete er mir doch etwas. Sicherlich war es nicht gleich die große Liebe. Dafür kannte ich ihn zu wenig. Ich war nur etwas verliebt. Ich war zu alt, um das mit wahrer Liebe zu verwechseln. Immerhin war ich keine Teenager mehr. Trotzdem bedeutete mir Kratos etwas. Ich mochte ihn. Seine ruhige und teilweise auch schwermütige Art. Der Rothaarige war immer nett zu mir gewesen. Zudem war er hilfsbereit und gutmütig. Das sah man ihn auf dem ersten Blick nicht an, aber so war er. Wir waren schon durch halb Sylvarant gereist. Haben die Gefangenen der Palmacosta-Farm befreit. Sind in die Asgard-Menschenfarm eingedrungen. Ich hatte mich an Kratos gewöhnt. Sicherlich hatte ich ihn am Anfang verabscheut, aber das änderte sich ja. Ich habe ihn besser kennengelernt. Er war für mich ein Freund vielleicht sogar mehr als das.

Für ihn war das alles bedeutungslos. Dabei hatte ich das Gefühl, er hätte sich mir schon etwas geöffnet. Auch wenn er nie viel von sich erzählt hatte, so hatte ich doch das Gefühl dass er mich mochte.

Mir liefen die Tränen durchs Gesicht. Ich konnte es nicht vermeiden. Sie bahnten sich einfach ihren Weg.

„Hör auf zu weinen, Anna. Wir sollten lieber weitergehen.“, sprach Kratos kühl. Dabei setzte er sich langsam wieder in Bewegung. Ich folgte ihm immer noch weinend.

Bis zum Abend sagte keiner von uns ein Wort.

Auch als wir unser Lager errichteten schwiegen wir. Ich hatte mich schon wieder etwas beruhigt, trotzdem war ich verletzt. Kratos hatte wohl nicht gelogen. Ich war ihm egal. Sonst hätte er wohl versucht mich zu trösten, aber nichts.

„Ich geh etwas Feuerholz suchen. Noishe ist was jagen gegangen. Warte hier. Wir sind bald zurück.“, meinte Kratos trocken. Er ging dann ohne ein weiteres Wort.

Wütend trat ich gegen einen Stein.

„Dieser blöde…ach verdammt!“

Wie konnte er mich nur so behandeln? Das machte mich echt wütend. Wahrscheinlich war ich eh nur ein Klotz am Bein für ihn. Warum ging ich dann nicht einfach? Meine Heimatstadt Luin war zwar ziemlich weit weg, aber ich würde es wohl allein schaffen. Kratos brauchte mich ja eh nicht. Ich nervte ihn ja nur.

Ich ging ein paar Meter. //Ja ich gehe einfach!//

Also machte ich mich auf den Weg. Kratos würde mich eh nicht vermissen.

Ich ging durch den Wald. Direkt entlang der Küste zu laufen war mir zu gefährlich. Immerhin war ich dort auf freier Fläche. Jeder Desian oder Räuber konnte mich dort sehen.

Allerdings behagte mir der dunkle Wald auch nicht. Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Das Unterholz sowie Sträucher und Wurzeln machten mir da das gehen nicht gerade leichter. Außerdem fürchtete ich mich. Nicht vor Gespenstern oder ähnlichen Sachen. Aber im Wald konnten Monster sein, die auf mich lauerten.

Ich hielt vorsichtshalber meinen Stab kampfbereit.

Zudem war es unheimlich still. Ich konnte nur das Knacken von Ästen unter meinen Füßen hören. Wenn dann doch ein anderes Geräusch wie Rascheln ertönte, schreckte ich auf und sah mich bestimmt eine Minute ängstlich um. Erst dann konnte ich weitergehen.

Plötzlich raschelte es direkt neben mir.

Ich schwang meinen Stab umher und richtete ihn auf das Objekt: Ein Busch.

Mit einem Kampfschrei sprang ich auf meinen Gegner. „Hiyaaah!“

Dieser entpuppte sich als Eichhörnchen, welches ich fast getroffen hätte.

Geschockt sah es mich an.

„Upps. Du warst das.“, meinte ich und versuchte es zu streicheln. Allerdings ergriff es sofort die Flucht.

Ich wollte gerade aufstehen, als ich einen starken Schlag auf meinen Hinterkopf wahrnahm.

Ich fiel zu Boden.

„Wen haben wir denn da?“, hörte ich eine männliche Stimme sagen, während mir langsam schwarz vor Augen wurde.

Dann verlor ich das Bewusstsein.

Ich kam in einem dunklen Raum wieder zu mir. Mein Schädel tat höllisch weh.

Orientieren konnte ich mich zunächst nicht, da sich meine Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

Gefesselt war ich auf jeden Fall nicht. Ich konnte mich bewegen. Allerdings hatte man mir meinen Stab weggenommen.

Vor mir war eine Tür. Ich war wohl hier eingesperrt. Etwas benommen taumelte ich zur Tür.

Nun vernahm ich Stimmen. „Das ist doch die, die Kvar sucht.“

„Ja wir bringen sie morgen zur Farm und bekommen eine Belohnung.“

//Na ganz klasse. Jetzt muss ich zurück zur Farm. Ich habe aber auch ein Glück.//

Wie kam ich hier nur weg? Ein Fenster gab es in diesen Raum nicht.

Plötzlich ging die Tür auf. Zwei Halbelfen, Desians nahm ich an, standen vor mir.

„Unser Püppchen ist aufgewacht.“, meinte der eine.

Ich wich zurück. Was wollten die von mir?

„Kaum zu glauben, dass die Kvars Experiment sein soll. Na ja, sie ist ja nicht hässlich.“, meinte der eine, während er langsam auf mich zu kam. Sein Kamerad blieb grinsend in der Tür stehen.

„Hau ab!“, zischte ich und kroch weiter rückwärts bis ich die Wand erreichte.

Der Desian kniete sich zu mir und musterte mich. Mir war das unangenehm. So wie der mich ansah.

„Etwas schmächtig vielleicht, aber für ein bisschen Spaß ist die bestimmt gut.“

Meine Augen weiteten sich. Der dachte doch nicht etwa an so etwas. Das hatte sich noch nie ein Desians auf der Menschenfarm geleistet. Kvar war strikt gegen Vergewaltigungen und ähnliche Spiele. Diese Desians waren allerdings nicht seine direkten Untergebenen.

„Lass mich in Ruhe du perverse Sau!“, fauchte ich.

„Ganz schön große Klappe, was? Das gefällt mir irgendwie.“, gab er nun von sich.

Ich schlug nach ihm, allerdings wich er aus. Nun drückte er mich zu Boden.

Als ich ihn von mir runter schuppsen wollte, spürte ich einen starken Schmerz an meinem Hals. Es war ein Brennen, dass meinen ganzen Körper lähmte.

Das Gefühl war mir nicht neu. Es war mein Exphere. Er versuchte die Kontrolle über mich zu übernehmen. Er nahm mir langsam meine Kraft.

Das kam eigentlich recht selten vor. Bevor ich zur Menschenfarm hatte ich das so gut wie nie erlebt. In der Menschenfarm kam es häufiger vor. Meistens wenn es mir schlecht ging. Wenn ich deprimiert, traurig oder verzweifelt war.

„Hey warum verziehst du so das Gesicht. Ich habe doch noch gar nichts gemacht.“, sprach der Desian über mir.

Den hatte ich fast vergessen. Normalerweise hätte ich ihn locker wegstoßen können, aber der Exphere raubte mir meine ganze Kraft. Wahrscheinlich konnte ich nicht mal aufstehen.

„Wollen wir mal anfangen.“, rief er nun und schob mein Shirt hoch.

Ich versuchte mich zu wehren, hatte aber weder die Kraft dazu noch eine Chance gegen den Halbelfen.

„Kratos, hilf mir.“, wimmerte ich leise.

„Oh und wer soll das sein? Dein Freund? Glaubst du der kann dich retten.“

Der Desian grinste mich hämisch an.

Er hatte recht. Warum sollte Kratos mich retten? Ich bedeutete ihm doch nichts. Wahrscheinlich war er froh, dass er mich los war.

Selbst wenn er mich retten wollte. Er wusste nicht wo ich war. Der Stützpunkt hier war bestimmt gut versteckt. Es war hoffnungslos. Jetzt musste ich mich erst mal eine Nacht mit diesem Desian hier herumschlagen. Morgen würde ich wieder in der Asgard Menschenfarm sein und würde eine von Kvars hübschen Strafen erleiden.

Ich konnte einfach nichts tun. Da musste ich wohl durch. Es kam wie es kam.

Unterdrückte Gefühle (Kratos Sicht)

Ich hatte schon ein gutes Bündel Feuerholz gesammelt. Das würde wohl schon reichen. Ich sollte mich auf den Rückweg machen. Allerdings konnte ich nicht klar denken. Ich bekam das mit Anna nicht aus meinem Kopf. Immer wieder dachte ich an Hima. Warum hatte ich sie geküsst? Was war nur mit mir? Warum machte es mir so viel aus sie weinen zu sehen?

Wie konnte ich mich in so einer Situation verlieben?

Sicher es passierte wohl vielen Menschen. Sie verliebten sich in ungünstigsten Augenblicken.

Ich hatte so was immer abgelehnt. Im Krieg oder auf der Flucht war Liebe einfach fehl am Platz. Ich fand es unsinnig sich dann zu verlieben.

Jetzt ging es mir genauso. Vielleicht hätte ich es sogar zugelassen, aber…Mithos war hinter mir her. Würde er herausbekommen, dass mir Anna etwas bedeutete wäre sie in großer Gefahr. Das durfte ich nicht zulassen. Also war es besser sich zu distanzieren.

Allerdings ist mir noch nichts so schwergefallen. Dass Anna Gefühle für mich hatte machte es auch nicht leichter. Wie sollte ich das weiter durchhalten? Jeder Blick und jede Träne stach ein Loch in mein innerstes. Am liebsten würde ich sie dann trösten, sie einfach nur glücklich machen. Ich wollte sie Lachen sehen. Ihr Lachen, was ich so an ihr liebte.

Annas unbekümmerte und fröhliche Art hatte es mir einfach angetan. Obwohl sie auf der Farm schreckliche Dinge gesehen und erlebt hatte, obwohl ihre Eltern ermordet wurden, war sie doch so lebensfroh wie kein anderer. Anna liebte das Leben. Selbst von den einfachsten Dingen war sie begeistert.

Ich musste lächeln. Jetzt lächelte ich schon, wenn ich an sie dachte. Liebe war schon seltsam.

Jetzt musste ich allerdings erst mal den Unnahbaren spielen. Ich hatte das Lager erreicht. Bestimmt würde Anna mich gleich traurig angucken. Allerdings war hier keine Spur von ihr.

„Anna?“, fragte ich. Keine Antwort. Vielleicht musste sie mal kurz ans stille Örtchen?

Nun hörte ich es Rascheln. Da war sie schon.

„Wo warst du denn?“, fragte ich, als mich ein verblüffter Noishe ansah.

„Ach du bist es. Hast du Anna gesehen?“, fragte ich den Protozoan.

Noishe schüttelte mit dem Kopf. Er hatte ein Reh zwischen den Zähnen.

„Wie ich sehe, hattest du Erfolg bei der Jagd.“, bemerkte ich beiläufig, während ich mich nach Anna umsah. Mit meinen Engelssinnen hörte ich auch keine weiteren Geräusche in der Nähe. Wo war die Braunhaarige bloß? Warum war sie überhaupt weggegangen?

„Anna!“, brüllte ich, obwohl ich wusste, dass es keinen Erfolg haben würde. Ich war besorgt.

Noishe schwänzelte und gab ein Jaulen von sich.

„Ja ich mache mir Sorgen. Hör auf mich damit aufzuziehen. Wir müssen sie finden. Kannst du nicht ihre Fährte aufnehmen.“, fragte ich den Terranis. Dieser schnüffelte herum. Dann ging er in den Wald. Er hatte Anna wohl schon gewittert.

Ich folgte ihm.

„War Anna alleine oder wurde sie entführt?“, fragte ich nach.

Noishe jaulte. Ich verstand ihn. Immerhin kannte ich ihn schon sehr lange. Da brauchte ich keine Worte, um zu wissen was Noishe meinte. Anna war alleine weggegangen. Ich verstand nur nicht wieso sie alleine so weit weg ging. Was dachte sie sich dabei?

Plötzlich fing Noishe an zu knurren. Er witterte wohl etwas, was ihm nicht gefiel.

Der Terranis rannte los und hielt bei einer Lichtung an.

Nun jaulte er mich an und deutete auf den Boden. Dort lag Annas Stab.

Ich nahm ihn auf. Die Braunhaarige hatte ihn bestimmt nicht verloren oder hier liegen lassen. Sie wurde angegriffen. Offensichtlich nicht von einem Monster. Sonst würde sie hier wohl schon halb tot herum liegen. Das beruhigte mich aber auch nicht gerade.

„Desians?“, fragte ich und sah mir ein paar Spuren auf den Boden an.

Noishe jaulte, was ja hieß.

„Verdammt! Was geht sie auch alleine weg!“, fluchte ich.

Noishe knurrte nun.

Ich sah den Protozoan beleidigt an. „Jetzt soll das meine Schuld sein?“

Noishe knurrte immer noch und wackelte etwas hin und her.

„Es muss sein. Das weißt du doch.“

Noishe schüttelte mit dem Kopf.

„Wir haben keine Zeit darüber zu diskutieren. Wir müssen Anna retten.“

Noishe verfolgte weiter die Spur.

Hoffentlich ging es Anna gut. Die Desians würden ihr doch nichts Schlimmes antun? Vielleicht…Nein an so was durfte ich gar nicht erst denken. Wenn ich jetzt anfangen würde mir auszumalen, was geschehen sein konnte, würde ich noch verrückt werden. Ich hatte mir noch nie um eine Person solche Sorgen gemacht.

Wir hatten nun das Versteck der Desians erreicht. Es war ein eher kleines Versteck. Wahrscheinlich nur für zehn Desians oder so. Wahrscheinlich waren diese hier nur zu Überwachung da. Die nächste Menschenfarm war ja ziemlich weit weg.

Bei dem Versteck handelte es sich um ein einfaches Häuschen aus Metall. Es glich wohl eher ein Metallklotz ohne Fenster mit nur einer Tür.

Überwachungskameras sah ich keine. Wahrscheinlich rechneten sie hier nicht mit einem Angriff, da der Stützpunkt recht versteckt lag. Gefangene gab es hier wohl auch nicht.

Ich ging zur Tür. Natürlich war sie abgeschlossen. Man benötigte ein Passwort.

Ich flog aufs Dach. Hier musste es doch irgendwo einen Lüftungsschacht oder so was geben. So war es auch.

Zum Glück war er breit genug für mich. In den Menschenfarmen achteten sie immer auf kleine Lüftungsschächte. Sie mussten ja damit rechnen, dass Gefangene ausbrechen würden. Hier dachten sie an so was zum Glück nicht. Ich landete in einem Gang. Es war kein Desian unterwegs. Es war ja auch Nacht. Wahrscheinlich schliefen sie.

Ich konzentrierte mich und versuchte Anna zu hören. Das einzige was ich wahrnahm waren Desians, womöglich zwei, welche irgendetwas sagten. Ich konnte nicht verstehen was. Also folgte ich der Stimme.

Ich kam zu einem Raum. Dort waren sie scheinbar drin.

Vorsichtig schlich ich zur Tür.

„Was ist denn los? Du wehrst dich ja gar nicht mehr.“, sagte der eine.

Ich wagte es einen Blick in den Raum hinein zu werfen.

Es waren nur Säcke und Kisten darin. Wahrscheinlich ein Lagerraum.

In einer Ecke standen zwei Desians vor einer Frau. Anna.

Mein Herz schlug auf einmal stärker und ich hatte das Gefühl nicht mehr klar denken zu können.

//Konzentrier dich Kratos!//, ermahnte ich mich und beobachtete die Szene.

Anna saß mit dem Rücken zur Wand. Ihr Oberkörper war frei. Die Desians hatten ihr das Shirt ausgezogen. Solche perversen Schweine.

Anna saß nur da und sah nach unten. Warum tat sie nichts? Wieso wehrte sie sich nicht?

„Dieses dreckige Flittchen merkt nicht mal was. Ich muss sie wohl mal ordentlich durchnehmen.“, rief der Desian vor ihr.

Das war zu viel. Ich lief auf die beiden zu und stieß einem mein Schwert in den Rücken.

Der andere Desian sah mich erschrocken an. Ich durchbohrte seine Brust, worauf er mit einem lauten Schrei zusammenbrach.

Ich atmete schwer und sah verabscheuend zu den beiden am Boden liegenden Körpern.

Ich musste mich beruhigen! Warum war ich so wütend Mein Kopf war völlig benebelt, während mein Blut völlig in Wallung war. Was war los mit mir? Es war überhaupt nicht meine Art einfach Hals über Kopf los zu stürmen. Auch wenn die Desians keine Gegner für mich waren, war das unvorsichtig und leichtsinnig. Warum hatte ich das gemacht?

Ich schüttelte den Kopf und steckte mein Schwert in meine Scheide. Was tat ich hier? Ich muss Anna hier herausbringen. Über alles andere konnte ich später nachdenken.

Die Braunhaarige saß immer noch so am Boden wie vor meinem Angriff. Hatte sie mich überhaupt bemerkt?

„Anna!“, schrie ich und kniete mich zu ihr. Sie reagierte nicht. Ihr Blick war völlig ausdruckslos und leer.

„Anna, was ist los?!“, rief ich. Erst jetzt fiel mir ihr Exphere auf. Er hatte einen seltsamen roten Schimmer und leuchtete schwach.

Seine parasitäre Wirkung schien einen Effekt auf Anna zu haben. Wie konnte das sein? Sie hatte doch eine Schutzfassung.

„Anna, komm zu dir!“, schrie ich und schüttelte sie durch.

Die Braunhaarige schien es zu bemerken. Die Ausdruckslosigkeit in ihren Augen verschwand. Nun sah sie mich erschöpft an.

„Kratos?“, nuschelte sie. Ihr Exphere hatte nun auch wieder aufgehört mit Leuchten.

Ich hatte jetzt keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Bestimmt waren die Desians auf den Weg hierher. Immerhin hatte der eine ziemlich laut geschrien. Ich packte ihr Shirt und ihr Top. Schnell legte ich ihr meinen schwarzen Umhang um, damit sie nicht ganz so entblößt war.

„Los komm!“, befahl ich.

Anna schien nicht wirklich die Kraft zu haben aufzustehen. Sie schien auch noch immer etwas neben sich zu stehen.

Ich wartete hier bestimmt nicht bis sie wieder zu sich kam. Also packte ich sie und legte sie über meine linke Schulter. Dann rannte ich los. Ich versuchte diesmal erst gar nicht unbemerkt den Lüftungsschacht zu nehmen. Ich würde durch das Haupttor nehmen.

Die Desians die mir im Weg standen besiegte ich mit meinem Schwert, während ich mit der anderen Hand Anna festhielt.

Mit einem Eruption sprengte ich das Tor einfach und entkam. Nun lief ich durch den Wald. Noishe lief neben mir.

Ich konnte die Schritte unserer Verfolgung immer noch hinter uns wahrnehmen. Ab und zu musste ich ein paar Feuerbällen ausweichen.

Nach einer Weile war ich außer Sichtweite. Trotzdem lief ich weiter.

„Lass mich runter. Ich kann laufen.“, rief Anna nun. Ihre Stimme war nun bestimmt. Sie schien wieder bei Sinnen zu sein. Allerdings ignorierte ich sie. Die Desians war noch nicht sehr weit weg und Anna könnte das Tempo nicht halten.

„Ich sagte lass mich runter!“, schrie sie und schlug mich gegen den Rücken. Ich ignorierte es.

Sie schlug mich nun mehrmals. „Lass mich runter!“

Sie konnte echt nerven. Ihr dämlicher Stolz war jetzt unangebracht. Das machte mich nur noch wütender.

Nach einer halben Stunde hatten wir das Waldende erreicht. Wir standen nun vor einer Klippe. Darunter erstreckte sich das Meer.

Ich drehte mich zum Wald um und versuchte herauszufinden, ob wir noch verfolgt wurden. Zum Glück konnte ich keine Verfolger entdecken.

Anna hatte nun angefangen mich zu kratzen, was ziemlich unangenehm war.

Ich ließ sie unsanft nach vorne Fallen, sodass sie auf ihrem Hintern landete.

„Sag mal hast du sie noch alle?!“, schrie ich sie wütend an. Die Braunhaarige sah mich geschockt an. Selbst Yuan und Mithos hatten mich selten so wütend erlebt, wenn überhaupt. Und nun kam dieses Weib, welche mich innerhalb von ein paar Wochen derart auf die Palme brachte.

„Was fällt dir ein einfach wegzulaufen?!“, brüllte ich völlig außer mir. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber völlig zwecklos.

„Kann dir doch eh egal sein! Was soll ich noch bei einem Arschloch wie dir!“, schrie Anna nun. Sie saß immer noch vor mir.

„Dass ich mich überhaupt mit einer Zicke wie dir abgebe. In der nächsten Stadt setzte ich dich ab!“

Nun schmiss ich ihr ihre Sachen entgegen und drehte mich in Richtung Klippe.

Ich hörte wie Anna knurrte und sich anzog.

Mein Blick schweifte über das Meer. Vielleicht beruhigte mich das.

Die Sonne ging langsam wieder auf. Ganz Klasse! Wir hatten die ganze Nacht vertrödelt. Es wurde echt höchste Zeit, dass Anna und ich getrennte Wege gingen.

„Warum hast du mich überhaupt gerettet?! Die Mühe hättest du dir doch sparen können.“, fauchte die Braunhaarige nun.

Ich drehte mich zu ihr um. Sie war nun wieder angezogen. Meinen Umhang hatte sie zur Seite geschmissen. Mit ihren braunen Augen funkelte sie mich an.

Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte, auch wenn ich immer noch stinksauer war. Was dachte sich dieses Weib eigentlich?

„Ich bin doch eh nur bedeutungsloser Ballast für dich! Es ist dir doch egal, ob ich gefangen genommen werde oder sterbe.“, keifte sie.

„Bitte? Glaubst du ich würde dich retten, wenn das der Fall wäre. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, aber du musstest ja unbedingt so was dummes machen.“, brüllte ich.

Als ich Annas Blick sah, bereute ich es. Was tat ich da gerade? Ich wollte mich doch von ihr distanzieren und jetzt? Was machte dieses Weib nur mit mir? Wenn sie bei mir war, war ich irgendwie nicht ich selbst. War das Liebe? Ich war mir nicht ganz sicher. Bisher hatte ich solche Erfahrungen noch nicht gemacht. Das war echt ein Grund sich zu schämen. Da war ich 4000 Jahre alt und noch nicht einmal verliebt gewesen. Zumindest nicht so.

Wie auch immer. Das kam überhaupt nicht in Frage. Es war zu gefährlich für Anna.

Ich drehte mich zur Seite und machte Anstalten zu gehen. Allerdings stellte sich Noishe im Weg. Der Terrranis knurrte und deutete auf Anna.

„Noishe!“, drohte ich ihm. Der Protozoan machte keine Anstalten beiseite zu gehen. Er knurrte erneut.

„Du hast dir Sorgen gemacht? Aber du hast doch gesagt, ich sei dir egal. Dann war das gelogen?“, gab Anna nun von sich.

„Nein…ich.“, stammelte ich. Irgendwie hatte ich nicht mehr die Kraft zu lügen. Meine Wut war verflogen. Jetzt war ich…überfordert? So richtig sicher war ich mir auch nicht.

„Ich habe nicht gelogen. Du bist mir eigentlich auch egal. Ich bin aber verantwortlich für dich.“, log ich. Dabei sah ich wieder aufs Meer hinaus. Das war schlecht gelogen. Das würde sie mir doch nicht abkaufen.

„Beim letzten Mal warst du überzeugender. Warum lügst du mich an?“, entgegnete mir die Braunhaarige sie stand neben mir.

„Ich…habe nicht gelogen!“, rief ich, wobei ich böse klingen wollte. Erneut vergeblich. Ich drehte mich zu Anna und sah ihr etwas unsicher in die Augen. Na ganz toll. Das war jetzt erst recht überzeugend.

„Kratos!“, sagte Anna nun eindringlich.

Ich seufzte und wollte zurück gehen. Allerdings war Noishe immer noch da. Der Protozoan schubste mich nach vorne.

„Abhauen ist nicht! Also…magst du mich auch, aber warum…“, wollte Anna gerade zu einer Frage ansetzten. Ich unterbrach sie: „Hör zu Anna, das ist völlig egal!“

„Nein ist es nicht!“

„Doch. Auch wenn ich Gefühle für dich habe, funktioniert das mit uns trotzdem nicht.“

Ich hatte ein paar Schwierigkeiten es auszudrücken. Immerhin war ich noch nie mit jemandem…zusammen?

„Das heißt du hast Gefühle für mich?“, meinte Anna, worauf sich in ihrem Gesicht ein Lächeln bildete.

Ich seufzte erneut. Sie wollte es wohl nicht kapieren. „Es geht nicht und fertig. Es ist wohl wirklich das Beste, wenn ich dich irgendwo absetzte.“

„Was wieso? Was ist dein Problem? Bin ich dir nicht schön genug? Ich weiß, dass ich durch die Menschenfarm ziemlich gezeichnet bin, aber…“

„Das ist es nicht! Du bist sehr schön, aber…“

Was sagte ich da? Jetzt sagte ich auch noch sie sei schön. War ich noch zu retten. Jetzt konnte ich das mit dem, sie sei mir egal, völlig vergessen.

Anna wurde leicht rot und sah verlegen nach unten.

„Also…ich werde von anderen…Engeln verfolgt“ Ich wusste nicht so recht, ob ich es als Cruxis bezeichnen sollte. Also blieb ich lieber bei Engeln. „Sie werden versuchen dir zu schaden oder dich zu töten, wenn du mir irgendwie nahe stehst. Verstehst du das?“

„Ist mir egal! Ich werde doch auch verfolgt. Ist doch egal von wem.“

„Nein ist es nicht! Vor den Engeln kannst du dich nicht verstecken. Es gibt keinen sicheren Ort vor ihnen.“

Anna schüttelte den Kopf. „Den gibt es vor den Desians auch nicht. Sie sind in ganz Sylvarant verteilt.“

Ich wusste nicht genau was ich erwidern sollte. Ich konnte ihr schlecht von Tethe‘alla erzählen.

„Ich bleibe bei dir, egal wie gefährlich es ist. Es gibt eh keinen Ort wo ich hin kann. Meine Eltern sind tot, die Desians suchen mich in jeder Stadt. Außerdem kann ich mich schon verteidigen. Engel verprügeln mache ich gerne. Und wenn es mal ernst wird, bist du doch auch noch da. Du wirst mich schon beschützen können. Das hast du bis jetzt auch geschafft.“

„Ich weiß nicht, ob ich das kann.“, entgegnete ich seufzend. Für sie war das echt einfach. Sich einfach auf mich zu verlassen. So verlässlich war ich nicht. Immerhin war das alles hier auch meine Schuld.

„Das kannst du. Ich…will nicht von dir getrennt sein. Bitt lass mich bei dir bleiben.“, bat Anna. In ihren Augen bildeten sich Tränen. Jetzt umarmte sie mich.

„Ach Anna.“, gab ich nur von mir. Was sollte ich jetzt tun? Eigentlich wollte ich Anna nicht in Gefahr bringen, aber ich mochte es auch wenn sie bei mir war. Außerdem wollte ich ihr nicht weh tun. Konnte ich sie wirklich beschützen? Ich war mir nicht sicher.

Noishe gab ein Jaulen von sich und stupste mich an. Er war eindeutig dafür, dass Anna blieb.

Ich seufzte: „Also gut. Wir können es ja versuchen.“

Anna sah mich mit großen Augen an. „Wirklich? Ich darf bei dir bleiben?“

Ich nickte.

Sie lächelte nun. „Heißt das wir sind jetzt …“ Auf ihren Gesicht bildete sich ein Rotschimmer.

Mir ging es wohl gerade ähnlich, denn meine Wangen wurden ganz warm. Ok waren wir jetzt zusammen? Warum erwartete sie eine Antwort von mir? Weil ich sie zurückgewiesen hatte? Was sollte ich machen? In so was hatte ich überhaupt keine Erfahrung.

Anna sah mich immer noch unsicher an. Sie wartete auf eine Reaktion von mir.

Ich atmete tief durch und legte meine Lippen auf ihre.

Jetzt war mir völlig heiß. Es fühlte sich gut an. Anna sah mich verblüfft an. Auch als ich mich von ihr löste, war sie noch völlig geschockt. Hatte ich was falsch gemacht? Vielleicht wollte sie, dass ich ihr was sagte, anstatt sie gleich zu küssen?

Anna lächelte nun. Sie kam näher und küsste nun mich.

Ich legte meine Hände, um ihre Hüften, während Anna mit ihren Händen in mein Haar griff.

Wie aus Reflex schloss ich die Augen und erwiderte den Kuss.

So hatte ich mich noch nie gefühlt. So etwas hatte ich ja auch noch nie gemacht. Annas Geruch war so angenehm. Irgendwie süßlich. Ihre Haut war so weich und sanft. Ihre Berührungen verursachten mir einen Schauer unter der Haut.

Dann lösten wir uns. Nun sahen wir uns beide an. Annas Gesicht hatte durch die aufgehende Sonne einen roten Schimmer. Wahrscheinlich war sie aber auch errötet so wie ich. Ihre Haare hatten auch einen leicht roten Stich. Sie wehte leicht im Wind.

Annas Augen sahen mich genau an. Sie waren klar und schön. Es war so als würden mich ihre Augen gefangen halten, da ich meinen Blick nicht abwenden konnte.

Wir beobachteten uns bestimmt eine Ewigkeit nur und sagten nichts.

Anna war die erste, die die Stille unterbrach.

„Also Kratos. Ich…es ist ja eigentlich offensichtlich, aber…ich liebe dich.“, stotterte Anna verlegen. Sie sah dabei abwechselnd zu mir und zu Boden. Mit ihren Füßen scharrte sie unsicher auf dem Boden.

„Ehm…“, gab ich nun von mir. So fing ich nie an zu sprechen. Normalerweise stotterte ich nicht und benutzte keine Ausdrücke wie „Ehm“, „Na ja“ oder etwas ähnliches. Wenn ich etwas sagte, dann immer direkt und sicher. So wie jetzt war das noch nie. Nicht nur dass ich nicht genau wusste, was ich sagen sollte. Ich wusste auch nicht wie ich meine Gefühle gegenüber Anna ausdrücken sollte. Warum brachte mich die Braunhaarige nur so durcheinander?

„Ja also…“ Schon wieder. Ich druckste schon wieder herum. Ich musste das lassen!

„Ich…liebe dich auch.“, brachte ich nun zusammen. War das jetzt richtig?

Meine Wangen glühten förmlich, aber ich war irgendwie auch glücklich. Als ob mir jemand eine Last von den Schultern genommen hätte.

Anna Lächeln wurde nun breiter. Sie umarmte mich und rieb ihr Gesicht an meinem.

Erneut schoss mir das Blut ins Gesicht. Ob das jetzt wohl immer so war?

Zaghaft erwiderte ich Annas Geste.

„Also sind wir jetzt zusammen, ja? Das ist irgendwie aufregend. Verliebt in einen Engel. Gerade ich.“, plapperte Anna darauf los. Dieses Mädel war aber auch immer in der Lage darauf los zu brabbeln.

Noishe wedelte fröhlich mit dem Schwanz. Anna umarmte ihn. Die beiden schienen sich über diese Entwicklung zu freuen.

„Du kannst dich ruhig bewegen. Du stehst da wie angewurzelt.“, rief Anna und zog mich nun kurzerhand am Arm.

Ich ließ mich leicht von ihr ziehen. „Und wo willst du hin?“, fragte ich.

„Ehhh? Iselia richtig!“, fragte sie eher.

„Zum Ossapfad geht es da entlang.“, meinte ich und deutete in die entgegengesetzte Richtung.

„Hehehe Ich kenn mich hier nicht so aus. Also da lang!“, schrie Anna enthusiastisch.

Noishe jaulte mit ihr mit und folgte ihr.

„Verräter!“, maulte ich Noishe leise an. Der Protozoan wedelte mit dem Schwanz und gab ein unschuldiges Winseln von sich. Dann rieb er seinen Kopf gegen meinen Bauch. Ich streichelte ihn und folgte dann Anna. Die Reise war ein völliges Durcheinander. Wo das wohl noch hinführen würde.

Ein ungewöhnliches Date (Annas Sicht)

„Wir bleiben erst mal bis Morgen hier.“, sagte Kratos trocken.

„Ehrlich! Toll! Dann sind wir ja fast einen ganzen Tag hier!“, schrie ich fröhlich.

Wir hatten Iselia erreicht und wollten uns hier noch etwas ausruhen, bevor wir die Menschenfarm angriffen. Das kam auch echt gelegen. Nach dem ewigen Bergsteigen beim Ossa-Pfad und dann die verdammt heiße Wüste von Triet. Ok es waren interessant Orte und ich mochte sie irgendwie, aber hier war es angenehm. Iselia war von viel Grün umgeben. Die Luft war kühler als in Triet. Außerdem waren die Leute hier sehr nett. Leider musste Noishe außerhalb des Dorfes bleiben. Er würde die Bewohner sonst nur erschrecken.

„Wollen wir nicht mal spazieren gehen oder so?“, fragte ich Kratos, der mich darauf ungläubig ansah. War an der Frage was komisch?

„Wir reisen doch die ganze Zeit. Und jetzt willst du noch spazieren gehen?“, sagte er.

Das ergab zwar Sinn aber ich wollte ja nicht einfach nur spazieren gehen.

„Na ja ich meinte, dass wir beide Zeit zusammen verbringen können. Du weißt schon.“, entgegnete ich lächelnd.

„Wir verbringen doch ständig Zeit zusammen.“

Oh Mann. Er verstand es echt nicht. Man könnte meinen er verkaufte mich für blöd, aber ich wusste, dass er es nicht besser wusste. Mir war bereits aufgefallen, dass Kratos wohl vorher noch nie in einer Beziehung war. Besonders Körperkontakt war scheinbar ungewohnt. Er erschrak immer, wenn ich ihn umarmte oder küsste. Wahrscheinlich musste ich das immer erst anmelden, aber das vergaß ich meist. Auch ging die Initiative eher von mir aus. Klar den ersten Schritt hatte er gemacht, aber mehr kam da auch nicht. Manchmal umarmte er mich zaghaft, aber küssen oder mit mir kuscheln, tat er fast nie. Wir waren zwar erst seit einer Woche zusammen, aber das waren ja wohl keine großen Dinge.

Vielleicht führten Engel solche Beziehungen aber auch gar nicht. Vielleicht lief das bei denen ja irgendwie anders ab. Kratos war ja kein Mensch so wie ich. Er sah so aus und benahm sich auch meist so, aber er war ein Engel.

„Lass uns doch mal ausgehen. Ein Date, wenn du verstehst, was ich meine. So etwas machen Pärchen.“, erklärte ich.

Kratos wurde leicht rot und sah verlegen nach oben. Das war total süß. Das machte er öfter, wenn ich ihn auf das Thema ansprach.

„Also was sagst du? Wir können auch schön gemütlich etwas essen.“, rief ich.

„Mhm.“, kam als Antwort. Dabei nickte Kratos leicht.

„Du könntest auch ruhig mehr sagen.“, bat ich verärgert. Warum musste ein Plappermaul wie ich an so einen schweigsamen Kerl geraten.

„Was soll ich denn sagen.“, fragte er nun allen Ernstes. Selbst blödes Gebrabbel über das Wetter wäre mir recht gewesen. Aber was tut er?

Ich seufzte. „Du könntest mir zum Beispiel ein Kompliment machen. Das letzte Kompliment war vor einer Woche. Sag doch mal so was. Wie du bist sehr schön oder so.“, laberte ich darauf los. Hoffentlich fiel dem Engel dazu was ein. Ich wollte zwar nicht mit Kompliment überhäuft werden, aber das mein Freund mir wenigstens ab und zu mal was nettes sagte, war ja wohl zu erwarten.

„Du bist sehr schön.“

Ich fiel fast nach vorne um. Das war jetzt irgendwie klar.

„Sag mal fällt dir nichts Besseres ein. Was findest du toll an mir? Warum liebst du mich? Sag mir das!“, forderte ich.

Kratos sah wenig begeistert aus. Über solche Themen konnte er echt nicht sprechen. Wenn es um Kampfstrategien, Taktiken oder unsere nächsten Reiseziele ging, konnte er Romane erzählen. Zumindest für seine Verhältnisse. Aber über sich oder seine Gefühle. Kein Wort. Vielleicht mal ein paar Satzbruchstücke, wenn es hoch kam.

„Ich…ehm… was magst du denn an mir?“, kam als Gegenfrage.

„Vergiss es. Du bist zuerst dran. Was gefällt dir an mir?“

Kratos schien zu überlegen. Jetzt wirkte er zwar nicht mehr so ganz verlegen, aber er war auch nicht so ruhig wie sonst.

„Du bist schön.“, sagte er nun und drehte sich weg. Er glaubte wohl damit sei es gegessen. Aber da hatte er falsch gedacht.

„Typisch Mann. Ihr achtet immer nur aufs Äußere. Da muss es doch noch mehr an mir geben, was dir gefällt. Und wenn es nur die Tatsache ist, dass ich schön bin, dann erklär das genauer.“, forderte ich.

„Du gibst wohl nie Ruhe.“, meckerte Kratos genervt.

Ich kicherte und schüttelte den Kopf.

„Also…“ Nun überlegte der Rothaarige erneut. Ob er sich wieder eine Ausrede einfallen ließ. Wundern würde es mich ja nicht.

„Also zunächst bist du immer so fröhlich. Deine Gesellschaft ist sehr angenehm. Außerdem mag ich dein Kichern. Es ist irgendwie ansteckend. Was mich aber am meisten an dir beeindruckt ist, dass du sehr stark bist. Du hast schon alles Mögliche durchgemacht, bist aber trotzdem lebensfroh und gibst dich nicht auf. Es gibt nicht viele Menschen, die das können. Außerdem ist es irgendwie niedlich, wenn du dich aufregst.“

Ich sah Kratos geschockt an. Hatte er gerade mehr als drei Sätze über mich formuliert. Es waren, glaube ich, sogar acht. Das was er sagte, schmeichelte mir schon irgendwie. Das hatte noch nie jemand über mich gesagt. Sonst beschrieben mich die meisten Leute mit „Nervig, aufgedreht, dümmlich, Plappermaul“ und sonst irgendetwas.

Ich wurde leicht rot. Dass er so von mir dachte, freute mich wirklich.

„Du kannst richtig süß sein, Kratos.“, schwärmte ich, worauf ich den Engel umarmte.

Die Umarmung kam wohl wieder etwas plötzlich, da Kratos leicht zusammen zuckte. Er umarmte mich aber trotzdem vorsichtig.

„Also wollen wir jetzt was essen. Ich habe einen Bärenhunger!“, meinte ich und wollte gerade in den Shop laufen. Allerdings hielt mich Kratos fest.

„Erst bist du dran. Was magst du an mir?“

Ich sah ihn perplex an. Na toll. Da hatte ich ja was angefangen.

„Ich muss erst was essen, sonst sterbe ich!“, jammerte ich. Dass die Leute mich schon anstarrten, war mir recht egal.

Kratos blieb eisern und ließ mich nicht los.

Ich versuchte ihn mit all meiner Kraft mit zu ziehen, aber es gelang mir nicht. Waren alle Engel so stark? Dank des Expheres war ich stärker als jeder Mensch, ob Mann, ob Frau, den ich je begegnet war. Aber Kratos hatte keine Mühe mit meiner Kraft.

Er zog mich nun zu sich ran, sodass ich mit dem Rücken an ihn gedrückt war. Seinen Mund bewegte er nun ganz nah an mein Ohr. Ich wurde leicht rot, durch Kratos Nähe. Wenn er das doch mal machen könnte, um mir nah zu sein. Nein er wollte nur was wissen.

„Ich höre.“, forderte er.

„Du bist gemein!“, motzte ich.

„Tolle Eigenschaft. Du magst mich, weil ich gemein bin und weiter.“

„Weil du ein dreckiger Engel bist!“, fauchte ich.

„Wie nett. Und was noch?“

Ich seufzte. „Also mal ehrlich, Kratos. Muss ich dir das wirklich erklären? Das ist doch offensichtlich.“

„Für mich nicht.“, antwortete er und ließ mich los.

Ich drehte mich zu ihm um. „Zum einen siehst du mal wahnsinnig gut aus. Ich wette fast alle Frauen finden dich sehr attraktiv. Das kann dir doch nicht entgangen sein.“

Kratos antwortete mit seinem typischen „Mhm“. Sein Blick verriet mir, dass ihm diese Tatsache durchaus bewusst war.

„Außerdem bist du ein starker Schwertkämpfer. Du bist stark und mutig. Zudem bist du auch noch schlau und besonnen. Am wichtigsten ist aber, dass du nett und gutherzig bist. Du bist einfach perfekt.“, beschrieb ich Kratos nun völlig begeistert.

Er sah nicht begeistert aus. Stattdessen sah er bedrückt zu Boden.

„Ich bin nicht gutherzig.“

Völlig verblüfft sah ich ihn an. Was hatte er auf einmal?

„Doch das bist du. Immerhin befreist du die ganzen Gefangenen, kämpfst gegen die Desians und du hast mich gerettet. Schon mehr als einmal.“, meinte ich.

Kratos seufzte nur und sah nach unten. Er war ab und zu mal so schwermütig. Allerdings wusste ich nicht warum. Er redete nicht mit mir darüber. Ich konnte ihn aber auch nicht zwingen.

Ich musste ihn aufheitern.

„Los komm was essen. Wenn man was ist isst, ist man gleich fröhlicher.“, sprach ich und zog an Kratos Arm. Er folgte mir seufzend.

Wir gingen in den Laden. Hier gab es auch so eine Art Gasthaus.

„Also was nehmen wir? Wie wäre es mit Geschnetzelten?“, fragte ich ungeduldig. Ich hatte wirklich Hunger und der Duft von Essen machte es nicht gerade besser. Das Gasthaus hier war recht gut besucht. Es kamen wohl auch viele Reisende nach Iselia. Immerhin war der Tempel von Martel in der Nähe. Der Ort an dem der oder die Auserwählte das Orakel empfing.

„Geschnetzeltes ist gut.“, sprach Kratos und setzte sich.

Ich bestellte zwei Portionen. Dann beobachtete ich die Leute hier.

„Hey habt ihr gehört. Die Menschenfarm in Palmacosta.“, hörte ich einen Mann am Nebentisch labern. Ich sah ihn interessiert an.

„Alle Gefangenen wurden befreit. Wahnsinn oder.“

Unsere Taten sprachen sich also herum.

„Sieh ihn nicht so an, Anna. Das ist zu auffällig.“, ermahnte mich Kratos leise. Ich sah ihn an und grinste. „Du bist doch nur eifersüchtig, weil ich einen anderen Mann anstarre.“, ärgerte ich ihn. Allerdings hatte es nicht den gewünschten Effekt. Der Rothaarige blieb völlig unbeeindruckt und sah mich nur fragend an.

„Dann eben nicht. Ah unser Essen!“, schrie ich, als der Kellner uns bediente. Ich nahm die Gabel und fing an zu essen. Als ich zu Kratos sah bemerkte ich, dass er mich beobachtete.

„Ist was?“, fragte ich mit vollem Mund. Ich schluckte erst mal mein Essen runter.

„Nichts. Es ist nur interessant wie du isst oder vielmehr dein Essen hinunterschlingst.“, gab der Engel provokant von sich.

„Ich schlinge nicht! Ich habe nur Hunger!“, maulte ich ihn an.

//Ach verdammt Anna. Er will dich doch nur ärgern und du fällst wieder darauf rein. Bleib einfach ruhig und ignorier den Deppen!//

„Wo isst du das nur alles hin? So wie du isst, müsstest du aussehen wie eine Tonne.“, rief Kratos.

„Wer ist hier eine Tonne!“ //Ruhig Anna, ganz ruhig.// „Ich muss essen damit ich kräftig bleibe.“, meckerte ich.

„Aha dann futterst du alles in deinen Exphere? Auch eine Möglichkeit.“

„Iss du besser selbst erst mal bevor du irgendwelche Kommentare loslässt!“, fauchte ich und stopfte mir den Rest vom Teller in den Mund. Kratos hatte erst die Hälfte seines Essens zu sich genommen.

„Ich genieße mein Essen.“, murmelte er und nahm einen Bissen.

„Ich auch!“, schnaubte ich.

Als er fertig war, sprang ich auf. „Jetzt können wir spazieren.“

Kratos seufzte. „Du hast gerade gegessen. Vielleicht sollten wir uns erst ausruhen. Nach dem Essen soll man ruhen.“

„Oder Tausend Schritte tun. Also komm schon. Wir sehen uns das Dorf an. Vielleicht finden wir außerhalb einen kleinen See wo wir schwimmen können, du und ich.“

Kratos wurde sofort rot. „Mal langsam Anna.“, mahnte er mich.

Ich kicherte. Sein Blick war einfach einmalig. „Was denn? Zusammen Körperhygiene betreiben ist doch was tolles.“, neckte ich ihn.

„Vielleicht später mal. Für so was ist es noch zu früh.“, blockte Kratos ab. Er ging nun nach draußen.

„Aber warum denn? Du magst es wohl nicht, wenn ich so ganz nah bei dir bin.“, sprach ich und umarmte Kratos innig. Dabei küsste ich ihn leicht am Hals.

Ich bemerkte wie eine Gänsehaut bekam. Das war immer effektiv.

„Hör auf damit!“, schimpfte Kratos.

Ich sah ihm ins Gesicht. Er versuchte wütend zu wirken. Allerdings waren seine Wangen rot. Außerdem sah er recht verunsichert aus. Alles in Allem so gar nicht wie Kratos.

„Was habe ich denn gemacht?“, fragte ich ganz unschuldig. Dabei begann ich leicht zu grinsen.

„Das weißt du genau!“

Kratos drehte sich weg. Ich kicherte leicht. Er war einfach zu süß, wenn er so war.

„Ich möchte aber trotzdem gerne etwas baden. Der Sand von Triet klebt mir immer noch auf der Haut und in den Haaren.“, bemerkte ich. Früher hätte ich wohl einen riesigen Aufstand gemacht, wenn ich so schmutzig wäre, aber jetzt störte es mich weniger. Ich war schlimmeres gewöhnt.

„Hier ist ein kleiner Tümpel in der Nähe. Wir können ja dahin gehen.“, schlug Kratos vor. Gesagt getan. Der Tümpel von dem Kratos gesprochen hatte, war wirklich nicht sehr weit. Wir brauchten nur ein paar Minuten. Schon waren wir da.

Mein innerstes sprang förmlich vor Freude. Wie sehr ich Wasser doch liebte. Es war so schön kühl, sauber, geschmeidig. Ja Wasser war einfach das Beste.

„Ich warte hier. Geh du ruhig in Ruhe baden.“, meinte Kratos. Dabei lehnte er lässig und mit geschlossenen Augen an einem Baum.

„Du solltest auch baden. Es wird dir gut tun.“, sprach ich. Allerdings kannte ich seine Antwort bereits: „Nein Danke.“

Typisch Kratos. Er war einfach zu ernst und auch zu verklemmt. Zwar ärgerte er mich manchmal, aber das war auch schon der einzige Spaß, den er verstand.

„Sei nicht immer so. Komm schon. Hör mal auf mich. Dir wird es bestimmt gefallen.“, versuchte ich ihn zu überzeugen.

Kratos rührte sich nicht. Nicht mal seine Augen öffnete er. „Nein ich möchte nicht baden, Anna. Ich werde mich nachher etwas waschen, aber mehr nicht.“

Ich schnaubte und packte seinen Arm. Nun versuchte ich ihn zum Wasser zu zerren. Natürlich erfolglos. Jeden hätte ich problemlos ins Wasser schmeißen könne, aber nicht Kratos. Warum war er nur so stark. Immerhin hatte ich meinen Exphere. Das Ding verlieh mir echt viel Kraft, aber aus irgendeinem Grund war der Rothaarige trotzdem kräftiger.

Zumindest musste er sich ganz schön dagegen stemmen.

„Anna lass das!“, fauchte er.

„Nein. Ich will, dass du schwimmen gehst.“, entgegnete ich. Allerdings musste ich dann doch aufgeben. Kratos ließ sich nicht überzeugend. Dann eben nicht. Er würde ja sehen, was er verpasste.

Ich hingegen rannte fröhlich ins Wasser. Meine Klamotten ließ ich gleich an. Die waren genauso wenig sauber, wie der Rest von mir.

Es war ein herrliches Gefühl. Endlich wurde ich den Sand los. Ich spürte, das kühle, klare Wasser auf meiner Haut. Ich tauchte ab und entspannte mich. Wie angenehm es doch war so im Wasser zu gleiten.

Als ich wieder auftauchte, bemerkte ich, dass Kratos sich wusch. Er saß am Ufer und betrieb „Katzenwäsche“. So würde ich es bezeichnen. Ich ging zu ihm.

„Du solltest ganz rein kommen. Das Wasser ist herrlich.“, schwärmte ich.

Kratos schüttelte nur kurz den Kopf.

„Spielverderber!“, brüllte ich und spritze ihn nass.

Er sah mich nicht gerade zufrieden an. „Lass es Anna!“, drohte er.

„Warum sollte ich? Halt mich doch auf!“, reizte ich ihn und spritzte erneut. Dabei musste ich kichern.

Zunächst geschah nichts, aber dann überrumpelte mich der Rothaarige einfach. Er stand einfach vor mir und schuppte mich ins Wasser.

Hustend sah ich ihn an. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Kratos stand vor mir im knietiefen Wasser.

„Blödmann!“, meckerte ich und setzte zum Sprung an. Kratos blieb unberührt stehen. Auch als ich ihn erreicht hatte, schien ihm die Wucht des Sprunges zunächst nichts auszumachen. Dann merkte ich aber wie er zu Straucheln begann. Der Sand im Wasser gab nach und so verlor Kratos allmählich die Balance. Er fiel mit mir ins Wasser.

Nun lag ich kichernd auf ihn. Kratos Anblick war einfach zum Schießen. Seine Haare waren patschnass und hingen runter. Trotzdem gab es immer noch ein paar Haarsträhnen, die nach oben zeigten. Seine Haare hingen nass in seinem Gesicht und verdeckten nun gänzlich sein linkes Auge.

Kratos funkelte mich nun böse an. Wahrscheinlich hätte ich weglaufen sollen, aber ich konnte nicht vor Lachen.

Der Engel packte mich, stand auf und schmiss mich ins Wasser.

Als ich wieder auftauchte, schüttelte er sich. Seine Haare standen nun in alle Richtungen ab. Ich spritzte ihn erneut nass.

„Na warte!“, schimpfte er und spritzte zurück. Ich war völlig überrascht. Kratos machte mit bei meinem Spiel. Kratos! Der sonst so zurückhaltende und coole Schwertkämpfer planschte mit mir im Wasser. Ich bekam ihn doch langsam dahin wo ich ihn wollte.

Ich spritzte zurück und wir beide lieferten uns eine Wasserschlacht. Man konnte nicht sagten, wer von uns beiden gewann. Am Ende schmiss Kratos mich am Ufer in flaches Wasser. Er lehnte sich über mich, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Der Rothaarige lächelte mich an. Das tat er nur sehr selten. Es stand ihm aber sehr gut.

Kratos küsste mich. Meine Wangen wurden ganz heiß. Das kam auch nicht wirklich oft vor. Dazu war er recht leidenschaftlich. So hatte er mich noch nie geküsst. Ich genoss es einfach nur. Sein Körper war warm, obwohl wir im Wasser waren. Seine Nähe war sehr angenehm. Kratos küsste mich nun am Hals. Dabei war er aber nicht gerade zögerlich wie sonst. Er war ziemlich leidenschaftlich. Sogar etwas wild?

Ich stand nun bestimmt völlig in Flammen. Mein Herz raste und mir war etwas schwindelig.

Was machte er da nur mit mir? Es war doch nicht, dass erste mal dass mir jemand so nah kam. Im Gegenteil. Ich hatte eigentlich schon mehr mit einem Mann gemacht als das. Trotzdem war es völlig neu für mich. Ganz anders. Das mit Kratos war schon etwas Besonderes. Ich merkte, dass das mit ihm mehr als nur eine Liebelei war. So wie er mich küsste, bedeutete ihm das auch mehr. Das war mir jetzt klar. Wir brauchten nicht über unsere Gefühle sprechen, um zu wissen was der andere fühlte. Kratos Berührungen sagten mehr als Worte.

Und nein mehr passierte zwischen uns am See nicht. Es blieb beim Küssen. Danach hatten wir uns etwas zum Trocknen hingelegt. Jetzt waren wir auf dem Weg zurück nach Iselia.

Ich hüpfte fröhlich neben Kratos her. Ich war einfach glücklich. Irgendwie kam ich mir zwar schon kindisch vor mich so zu benehmen, aber was soll’s.

„Wo nimmst du nur deine Energie her? Beim Wandern hast du meist nicht so viel Elan.“, bemängelte Kratos.

„Päh! Ich lass mich nun mal nicht gerne von einer Ecke Sylvarants in die nächste scheuchen!“, konterte ich.

„Oh entschuldige, dass ich die Dame so sehr antreibe.“, neckte mich Kratos. Er schien auch gute Laute zu haben. So ausgelassen war er selten.

„Ja. So etwas macht ein Gentleman nicht. Du könntest mich zum Beispiel tragen.“, warf ich ihm vor.

„Bisher hast du das immer abgelehnt.“, erwiderte der Engel.

Da hatte er Recht. Ich mochte es nicht wie ein schwächliches Kind behandelt zu werden. Ich konnte sehr gut auf mich aufpassen. Na ja meistens zumindest.

„Vielleicht würde es mir manchmal aber gefallen.“, sprach ich.

„Okay.“, meinte Kratos. Plötzlich nahm er mich hoch und trug mich. Er hielt mich wie ein Ehemann seine Braut. Bei dem Gedanken musste ich irgendwie kichern.

Ich wehrte mich diesmal nicht und kuschelte mich an ihn. Seine Klamotten waren noch nass. Trotzdem war es gemütlich. Er trug mich bis ins Gasthaus. Dort setzte er mich ab.

„Wir sollten schlafen gehen. Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall müde. Immerhin hatte ich Nachtwache.“, rief er.

„Wenn du mich auch mal Wache halten lassen würdest, hättest du das Problem nicht.“, schimpfte ich.

„Das eine Mal als du es probieren wolltest, bist du schon nach kurzer Zeit eingeschlafen.“, erwiderte der Rothaarige.

Daran erinnerte ich mich. Noishe hatte mich echt bei Kratos verpetzt. Es war aber nun mal schrecklich langweilig die ganze Nacht nur die Umgebung anzustarren. Da musste Noishe dann halt weiter machen.

„Wie auch immer. Ich geh dann mal nach oben.“, sprach er und ging.

Ich beschloss noch schnell etwas zu essen. Dann ging ich auch in unser Zimmer.

„Wann wollen wir Morgen los?“, fragte ich und zog meine nassen Sachen aus. Kratos lag eh mit dem Rücken zu mir. Außerdem kannte ich ihn. Er würde eh nicht gucken.

Ich zog mir meinen Mantel über und hängte meine Sachen neben Kratos auf einen Stuhl.

„Kratos? Ich warte noch auf eine Antwort.“, rief ich.

Wieder sagte er nichts. War er etwa…?

Ich ging leise zu ihm herüber. Ja. Er schlief. Bis jetzt hatte ich ihn noch nie schlafen gesehen. Eigentlich ging ich immer eher ins Bett als er oder er hielt Nachtwache. Da er ein Frühaufsteher war, war er auch immer vor mir wach.

Er drehte sich nun auf den Rücken.

Ich beobachtete ihn. Er sah auch toll aus, wenn er schlief. So ruhig und entspannt. Sein Brustkorb hob und senkte sich leicht. Manchmal zuckten seine Augen. Ob er wohl träumte. Hoffentlich träumte er nicht so etwas wie ich immer. Ich schüttelte den Kopf und verdrängte den Gedanken.

Ob er wohl auch seinen Umhang trug. Ich wurde leicht rot und griff nach der Decke.

//Also wirklich Anna. Was machst du da? An was du wieder denkst.//

Ich hob vorsichtig die Decke. Er hatte seinen Umhang nicht an. Sein Oberkörper war frei. Nun wurde mir gleich noch wärmer.

Vorsichtig sah ich zu Kratos. Er schlief noch. Nun hob ich die Decke noch weiter.

Er trog eine Unterhose. Eigentlich schade. //Anna, was denkst du da?! Schade, dass er nicht völlig nackt vor dir liegt. Bist du bekloppt?!//

Ich musterte etwas seinen Oberkörper. Er war sehr muskulös. Besonders seine Arme. Er war ja auch ein Schwertkämpfer.

Aber an seinem Oberkörper war noch etwas Auffallendes. Genau auf Brusthöhe in der Mitte seines Brustkorbes hatte er einen roten Stein. Dieser hatte eine Tropfenform und war in eine goldene Fassung eingelassen. War das ein Exphere? Warum sollte er so was tragen?

Vorsichtig berührte ich das Juwel. Es war kalt genau wie mein Exphere. Ansonsten war es völlig glatt genau wie mein Stein. Ok es war ja nichts ungewöhnliches, dass Desians diese Dinger trugen. Sie verstärkten ihre Kräfte oder so. Kratos war aber ein Engel. Warum hatte er einen. Das war momentan aber auch egal.

Ich strich mit meiner Hand nun über seinen Oberkörper. Ich fühlte seine Muskeln.

Sofort zog ich die Hand weg. //Anna was machst du nun schon wieder? Erst spannen und jetzt grabschen. Was wenn er das mit dir macht.//

Nun wurde ich knallrot bei dem Gedanken. Was würde ich wohl machen, wenn Kratos mich so berührte. Ich glaubte ich würde austicken. Der Gedanke daran machte mich ja schon verrückt.

//Ok Anna, du bist keine 15, du bist 24. Eine erwachsene Frau sollte nicht so denken. Die Menschenfarm ist dir echt nicht gut bekommen.//

Was würde Kratos wohl denken, wenn er mich jetzt so sah. Wahrscheinlich dachte er, ich habe einen dran.

Ich seufzte. Es war Zeit schlafen zu gehen. Ich sah auf das andere Bett und dann zu Kratos. Ob ich wohl? Warum nicht!

Ich schlüpfte vorsichtig zu Kratos ins Bett und schmiegte mich an ihn. Mal sehen, was er sagen würde, wenn er aufwachte.

Ich fand es auf jeden Fall sehr angenehm. Kratos roch sehr gut. Außerdem fühlte ich mich geborgen und sicher, wenn er bei mir war. Etwas was in den letzten vier Jahren nicht mal ansatzweise gefühlt hatte.

Ich schloss also zufrieden die Augen und drückte mich noch etwas an Kratos. So schlief ich auch sehr bald ein.

Sich gehen lassen (Kratos Sicht)

Ein Schrei weckte mich auf. Allerdings sprang ich nicht auf wie bei den ersten Malen auf, als ich das Geräusch gehört hatte. Ich wusste was es war. Allerdings war nun doch etwas komisch. Der Schrei war lauter gewesen, näher irgendwie.

Ich hörte nun ein leises Wimmern direkt neben mir.

Verwirrt öffnete ich die Augen und sah zur rechten Seite. Da lag sie. Anna. Sie hatte sich wohl in mein Bett gelegt.

Anna strampelte nun etwas mit ihren Armen und Beinen. Sie rollte nach rechts und wäre beinahe aus dem Bett gefallen, hätte ich sie nicht festgehalten.

„Nein, lass mich!“, schrie sie im Schlaf. Sie hatte einen Alptraum. Wie jede Nacht.

Wieder schrie sie und fuhr herum. Sie träumte von der Farm. Soviel konnte ich annehmen. Natürlich hatte sie die Geschehnisse dort noch nicht verarbeitet. Auch wenn sie immer so tat als ob. Anna wimmerte erneut. Tränen flossen ihr durchs Gesicht. Es tat mir weh sie so zu sehen. Viel konnte ich aber nicht tun. Ich strich ihr sanft durchs Gesicht. Das schien sie immer etwas zu beruhigen. Trotzdem träumte sie noch. Sie zitterte und wimmerte leicht.

Sie zu wecken wäre auch nicht gut. Träumen war eine Methode grausame Dinge zu verarbeiten. Ich legte meinen Arm um sie und versuchte wieder einzuschlafen. Allerdings war ich innerlich ziemlich aufgewühlt. Ich sorgte mich um Anna. Die Braunhaarige war mir wirklich ans Herz gewachsen. Dass es einmal so kommen würde, hätte ich nicht gedacht. Eigentlich wollte ich auf Distanz bleiben. Das war mir völlig misslungen.

Anna atmete nun schon etwas ruhiger. Ich hörte ihre Atemzüge. Sie wurden gleichmäßiger bis ich wegdriftete und einschlief.

Am nächsten Morgen wachte ich noch vor Anna auf. Die Braunhaarige schlief noch ruhig neben mir. Sie war eine echte Langschläferin. Wenn sie könnte, würde sie wohl immer bis Mittag schlafen.

Ich strich ihr etwas über den Bauch, was sie sichtlich genoss. Ich war mir immer noch etwas unsicher was solche Zärtlichkeiten anging, aber so langsam bekam ich den Dreh raus.

Ich sah zum Fenster. Die Sonne war bereits aufgegangen. Selbst ich hatte für meine Verhältnisse lange geschlafen.

„Anna, wach auf!“, sprach ich und schüttelte sie leicht an der Schulter.

Die Braunhaarige grummelte nur und drückte sich fester an mich.

„Anna, es wird Zeit zu gehen.“, rief ich.

Anna öffnete verschlafen die Augen. Völlig benommen sah sie mich an.

„Mhm?“, murmelte sie, wobei sie mich verwirrte anguckte. Sie hatte wohl vergessen, dass sie sich zu mir ins Bett gelegt hatte.

Erst nach einigen Augenblicken fiel es ihr wohl wieder ein.

„Ist es wirklich schon Morgen?“, jammerte sie und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Ich war derweil aufgestanden und zog mir meine Sachen über. Sie waren wieder getrocknet.

„Kann ich rausgehen und hoffen, dass du dich anziehst und nicht wieder ins Bett fällst?“

Anna nickte verschlafen, was allerdings nicht sehr überzeugend war. Trotzdem ging ich raus und kümmerte mich um die Vorräte. Es wäre unklug nach dem Überfall der Farm wieder hierher zu kommen. Das würde die Leute hier gefährden. Also mussten wir jetzt alles besorgen, was wir brauchten.

Nach zehn Minuten kam Anna herunter. Sie war immer noch müde und schlief fast im Gehen. So war sie immer. Ein typischer Morgenmuffel. Ihre Laune war ja morgens auch nicht gerade die beste.

Anna taumelte zu mir herüber und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Mit ihren Händen hielt sie sich fest.

„Wir hatten doch darüber gesprochen, dass es nett wäre, wenn du mich trägst. Wie wäre es, wenn du jetzt damit anfängst.“, murmelte sie.

„Oh nein meine Dame. Ein bisschen Bewegung wird dir gut tun. Ist außerdem gut für die Figur.“, neckte ich sie.

„Willst du etwa sagen, ich sei fett?!“, motzte Anna nun. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust.

„So viel wie du immer ist, wäre das ja nicht verwunderlich.“, spaßte ich.

Anna schien es aber ernst zu nehmen. Sie sah besorgt an sich hinunter und hielt nach Fettpölsterchen Ausschau.

Ich schüttelte den Kopf. „Mensch Anna. Das einzige woran du Fett bist, ist deine große Klappe.“, ärgerte ich sie nun. Jetzt war sie rot vor Zorn im Gesicht. Da hatte ich ja was gesagt. Jetzt durfte ich mir was anhören.

„Was fällt dir ein du Möchtegern-Engel! Du, du hast echt überhaupt keine Manieren!“, schrie sie. Dabei kam sie auf mich zu und wollte mir eine Backpfeife geben, der ich aber ausweichen konnte.

Anna sprang mich nun an. Sie versuchte mich zu Boden zu zwingen, aber vergebens.

„Es tut mir ja Leid.“, entschuldigte ich mich. Da hatte ich mich wirklich etwas gehen lassen. Es war aber auch einfach sich bei ihr gehen zu lassen. Es war genau wie gestern die Wasserschlacht. Bei Anna konnte ich mich irgendwie entspannen. Das war auch etwas, was ich an ihr bewunderte.

Die Braunhaarige verpasste mir noch eine Kopfnuss. „Ok ich verzeihe dir.“, sagte sie nun beleidigt.

Der Besitzer des Gasthauses sah uns komisch an. Auch die Gäste tuschelten schon. Das war ja auch eine ziemliche Szene.

„Wir sollten aufbrechen. Ich habe alles gekauft.“, sprach ich.

Allerdings bestand Anna noch auf Frühstück. Ich konnte ihr diese Bitte natürlich nicht abschlagen.

Danach machten wir uns auf zur Menschenfarm hier.

Wieder Zuhause (Annas Sicht)

Der Sinoa See erstreckte sich nun vor uns. Die Sonne spiegelte sich in der Oberfläche des Wassers. Am See waren zahlreiche Häuser sowie ein paar Brücken.

Eigentlich ein schöner Anblick. Ich hatte mir in den vier Jahren nichts sehnlicher gewünscht als hierher zurückzukehren. Zu Hause. Ja. Meine Heimatstadt Luin.

Eigentlich freute ich mich schon wieder hier zu sein. Ich vermisste meine Freunde, die Menschen in Luin, den Sinoa-See einfach alles. Einer Sache würde ich aber lieber aus dem Weg gehen.

Wie auch immer. Es war ein weiter Weg von Iselia bis hierher. Wir hatten die Gefangenen dort befreit. Es gab nichts Spektakuläres zu berichten. Das schwierigste hatten wir jetzt vor uns: die Asgard-Menschenfarm. Kvars Farm. Mir stellten sich die Nackenhaare auf bei dem Gedanken dorthin zurück zu kehren. Es musste aber getan werden.

„Wir sollten bis morgen Abend hierbleiben. Heute ruhen wir uns noch aus und füllen unsere Vorräte auf. Morgen Abend werden wir uns dann in die Menschenfarm einschleichen.“, erklärte Kratos unseren Plan. Soviel zum Thema Luin. Wir wollten hier Rast machen. Immerhin lag Luin in unmittelbare Nähe zur Farm. Eigentlich ein guter Plan.

„Ok ich sehe mich etwas um, wenn es dir nichts ausmacht.“, bat ich.

„Aber pass auf dich auf. Warum willst du eigentlich alleine umher wandern? Sonst schleifst du mich auch immer mit.“, fragte Kratos nun verwirrt.

Ja das tat ich wohl immer. Ich musste Kratos immer mitnehmen. Ob nun in Triet, Iselia, Palmacosta oder sonst wo.

„Na ja. Luin ist meine Heimatstadt. Ich wollte einfach nur sehen, was sich verändert hat.“, sagte ich. Das war eigentlich nicht der Grund.

„Na gut. Dann treffen wir uns heute Abend vor dem Gasthaus.“, meinte Kratos.

Ich nickte und lächelte ihn an. Dann lief ich los.

In Luin schien sich nicht viel verändert zu haben. Das Gasthaus wurde immer noch von Frau Rosa geführt und auch der Laden hatte sich nicht verändert. Der Bürgermeister schien auch noch derselbe zu sein.

Ich blieb vor einem Kleiderladen stehen. Hier hatte ich früher immer gerne mit meinen Freundinnen geshoppt.

„Anna? Bist du das?“, hörte ich eine Frauenstimme.

Ich drehte mich zur Seite. Vor mir standen drei Frauen. Meine Freundinnen.

Geschockt sah ich sie an. „Marie, Sophie und Emily? Schön euch wieder zu sehen!“, rief ich fröhlich.

„Wow Anna. Du bist es wirklich!“, rief Marie. Sie umarmte mich, genau wie die anderen beiden. „Du warst doch auf einer Menschenfarm.“ „Dann bist du entkommen.“, brabbelten sie alle durcheinander.

„Ja irgendwie schon.“, sprach ich lächelnd.

„Was hast du mit deinen Haaren gemacht? Die sind ja völlig kurz?“, fragte Sophie. Sie hatte längere blonde Haare und war etwas kleiner als ich.

„Ehm na ja.“ So recht wusste ich nicht was ich antworten sollte. Meine Haare waren bevor ich auf die Farm gekommen sehr lang. Sie gingen mir bis zum Hintern. Allerdings schnitten die Desians sie mir ab. Mal davon abgesehen, dass ich sie mir selber schneiden musste, da ein Großteil verfilzt gewesen war.

„Wo hast du die Klamotten her? Das steht dir gar nicht.“, meinte nun Emily. Sie trug schwarzes kurzes Haar.

„Mein Begleiter hat sie mir geschenkt.“, antwortete ich. Dabei fand ich die Klamotten recht hübsch. Vielleicht waren sie nicht in der Mode, aber immerhin hatte Kratos sie mir geschenkt.

„Du brauchst unbedingt was neues!“, bemerkte Marie und zog mich in den Laden.

„Wartet mal. Ich habe doch gar kein Geld für neue Sachen.“, widersprach ich.

„Was ist denn das in deinem Rucksack.“, fragte Sophie. Sie und Emily wühlten schon in meinem Rucksack und zogen eine braune Geldbörse hervor.

Kratos hatte mir etwas Geld gegeben, damit ich mir selbst etwas wie Essen oder so kaufen konnte. Wir hatten ja was das anbelangte nicht denselben Geschmack.

„Das gehört meinem Begleiter.“, meinte ich und wollte mein Portemonnaie aus Emilys Händen reißen. Vergeblich.

„Dein Begleiter? Ein Mann? Wie sieht er aus? Ist er attraktiv? Hast du ihn schon um den Finger gewickelt?“

Das war jetzt zu erwarten. So waren sie eben. Ich war früher auch so. Wenn es um Männer ging, waren wir vier unmöglich. Jeder Reisende wurde erst mal gecheckt.

„So etwas tut Anna nicht. Sie hat doch Norman.“, erklärte Marie.

Ich versuchte keine Miene zu verziehen. Ja Norman. Der Grund warum ich nicht hierher wollte.

„Ist…Norman hier in Luin?“, fragte ich zögernd.

„Ja. Hast du ihn etwa noch nicht gesehen. Er hat dich vermisst. Du solltest unbedingt zu ihm gehen.“, schlug Marie vor.

„Oh ehm schon gut, schon gut.“, lehnte ich ab. Das wollte ich lieber nicht.

„Da ist so viel Geld drin, das reicht locker für ein schönes Kleid. Komm schon Anna. Dein Gefährte freut sich bestimmt auch darüber.“, sprach Emily. Dabei zwinkerte sie mir zu.

Ich wurde leicht rot. Ob Kratos das wirklich gefiel? Er war ja mein Freund. Vielleicht gefiel es ihm, wenn ich hübsch gekleidet war. Andererseits brauchten wir das Geld eventuell für Verpflegung und Unterkunft. Es kam mir irgendwie sinnlos vor es für etwas so nutzloses wie schöne Kleider auszugeben.

„Los in die Kabine!“, schrie Marie und drückte mich bereits mit einem Kleid in die Kabine. Da hatte ich echt keine Wahl. Also probierte ich etliche Kleider an.

Ein Blaues gefiel mir recht gut. Der Stoff war wie samt und glitzerte leicht. Ich erkannte mich kaum wieder. Das Kleid stand mir ausgezeichnet.

„Du bist total hübsch!“, schrien die drei Mädels.

Ob Kratos das wohl auch finden würde. Ich stellte mir vor wie er mich begeistert ansah.

„Das musst du nehmen.“, forderte Emily aufgedreht. Sie gab mir mein Portemonnaie wieder. Ich sah zweifelnd hinein. Es war mehr als genug Geld für das Kleid und Lebensmittel drin. Kratos verdiente gut als Abenteurer. So nannten es die meisten Leute zumindest. Er nahm Monster aus und verkaufte ihre Felle, Klauen, Schuppen, Federn und sonstiges. Es brachte viel mehr ein als mein Vater mit seiner Fischerei oder andere Läden. Allerdings war es wohl auch ziemlich gefährlich. Es gab wohl Niemanden, der so einfach mit Monstern klar kam wie Kratos. Wieso war ich jetzt schon wieder bei ihm. An ihn zu denken war ungemein ablenkend.

„Ok ich nehme es.“, entschloss ich mich und bezahlte das Kleid, was fast 1000 Gald kostete.

„Wollen wir durch die Stadt schlendern. Du hast Luin doch bestimmt vermisst, Anna.“, sprach Sophie.

„Ich muss aber zuerst zum Bürgermeister. Ich treff‘ euch bei der Kirche.“, sprach ich und ging Richtung Bürgermeister.

Hier hatte sich wirklich nichts verändert. Alles war gleich geblieben, aber für mich war es irgendwie anders.

Ich erreichte das Haus des Bürgermeisters und ging rein. „Hallo!“

Es kam mir ein schon älterer Mann entgegen. Der Bürgermeister.

„Ehm guten Tag. Was ist ihr Begehr, junges Fräulein?“, fragte er.

„Erkennen sie mich nicht? Ich bin‘s Anna.“, sprach ich lächelnd.

Er musterte mich erstaunt. „Ja jetzt erkenne ich dich auch. Warst du nicht? Du bist von der Farm entkommen? Gut siehst du aus. Was gibt es denn?“

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mich irgendetwas fragen würde. Über die Farm und so. Aber er wickelte das Thema so schnell ab. Genau wie meine Freundinnen. Wollte er gar nicht wissen was passiert war?

„Ich wollte eigentlich wissen, ob sie die Schlüssel für unser Haus haben ehm mein Haus.“, sprach ich, wobei ich etwas traurig war. Mein Vater war ja nicht mehr da.

Der Bürgermeister bemerkte es nicht. Oder ignorierte er es? Irgendetwas war seltsam.

Er übereichte mir die Schlüssel ohne weitere Fragen.

„Ich habe noch wichtige Dinge zu erledigen. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest.“, sprach er und ging nach oben.

„Klar.“, brachte ich nur verdutzt hervor.

Ich verließ das Haus und ging zum Tempel. Meine Freundinnen warteten davor und diskutierten heftig. Worum es wohl diesmal ging.

„Hey Anna. Stell dir vor. Hier ist so ein gutaussehender Reisender vorbeigekommen.“, schwärmte Emily. „Der hatte so ein cooles Schwert. Bestimmt ein Abenteurer. Nein ein Söldner.“, machte Sophie weiter.

Irgendwie konnte ich mir denken von wem sie redeten. Ich musste einfach schmunzeln.

„Er ist in Richtung Gasthaus gegangen. Komm Anna, den musst du sehen!“, kam von Marie, welche mich nun hinter sich herzog.

Wir erreichten das Gasthaus. Etwas weiter weg blieben wir stehen.

„Da ist er! Was für ein Mann.“, schwärmte Sophie.

Ich hatte Recht. Vor dem Gasthaus stand Kratos.

Ich freute mich total ihn zu sehen. Verliebt zu sein war schon echt toll.

Meine Freundinnen tuschelten nun. Es ging um Themen wie, wie toll Kratos doch war. Wie gut er aussah. Wie er wohl heißt. Ob er Single ist. //Ganz bestimmt nicht!//

Ich kicherte nun. Es war einfach irgendwie komisch.

Kratos bemerkte es wohl und sah zu uns rüber.

Meine Freundinnen erstarrten. Ich lächelte nur noch breiter.

Auch Kratos lächelte nun kurz.

Meine Freundinnen kriegten sich gar nicht mehr ein. Das Kratos uns anlächelte, war wohl Zuviel für sie. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Mir ging es nicht anders. //Warum muss dieser Typ auch so verdammt attraktiv sein//

„Na alles klar?“, fragte er wohl eindeutig mich. Dabei kam er auf uns zu.

„Ja. Und bei dir. Hast du Proviant und so bekommen?“, fragte ich. Er nickte.

Die Kinnladen meiner Freundinnen hingen bestimmt schon bis zum Boden.

„Freunde von dir?“, fragte Kratos.

„Ja, das sind Sophie, Marie und Emily. Das ist Kratos. Mein Begleiter von dem ich euch erzählt habe.“, stellte ich vor.

„Nett euch kennenzulernen.“, sprach Kratos höflich. Meine Freundinnen brachten nur Gebrabbel hervor.

„Wir können in das Haus meines Vaters gehen. Dann müssen wir nicht im Gasthaus übernachten.“, schlug ich nun vor.

„Ok wollen wir los?“, fragte der Rothaarige.

„Ja. Ok wir sehen uns später.“, verabschiedete ich mich von den Mädels.

„Morgen müssen wir aber shoppen. Da hat ein neuer Laden aufgemacht. Da gibt es ganz tolle Kleider!“

„Ja und Schmuck.“

„Außerdem müssen wir mal ein bisschen Wellness genießen.“

Das klang alles ziemlich verlockend. „Das müssen wir unbedingt machen. Wir sehen uns morgen.“, rief ich begeistert.

Kratos warf mir einen merkwürdigen Blick zu. Er war irgendwie nachdenklich. Nachdenklicher als er sowieso schon war. Was er wohl hatte?

Meine Freundinnen gingen nun. Kratos sah ihnen nach.

„Hey! Guck anderen Frauen nicht so nach. Bin ich dir nicht gut genug?“, meckerte ich. Natürlich war das nur Spaß. Ich wusste ja das Kratos nicht so einer war.

Der Engel sah mich leicht verwirrt an. So richtig anwesend war er nicht. Irgendetwas beschäftigte ihn.

„Wollen wir los?“, fragte ich ungeduldig.

Er nickte und wir gingen los. Während wir liefen, musterte mich Kratos kurz. Warum sah er mich so an. //Anna, du bist doof. Du hast doch ein neues Kleid an.//

Ob ich ihm wohl gefiel. Er ließ sich nichts anmerken und blickte ausdruckslos die Straße entlang.

Typisch Kratos. Bloß nicht zu viel reden. Dabei wäre es schön, wenn er mir mal ein Kompliment machen würde. Und das ohne ihn dazu aufzufordern.

Egal. Ich würde ihn jedenfalls nicht fragen. Nein. //Du schweigst ihn jetzt an, Anna. Mal sehen, wer länger den Mund halten kann.//

Ich schaute erneut zu Kratos. Der Rothaarige sah mich immer noch nicht an. Er sagte auch kein Wort. Für Kratos ja nichts neues aber trotzdem. Ich hielt das einfach nicht mehr aus.

„Jetzt sag doch mal was! Gefällt dir mein Kleid?“

Soviel zum Thema schweigen. Aber was soll’s.

Kratos hob nun eine Augenbraue. Er wusste wohl mal wieder nicht was ich von ihm wollte. Waren alle Engel so?

„Es steht dir.“, sagte der Rothaarige.

//Na ganz toll! Mehr fällt ihm nicht ein?//

Kratos sah nun wieder nach vorne. Mehr wollte er wohl auch nicht sagen.

„Es steht mir? Wie darf ich das verstehen?! Sehe ich hübsch darin aus oder nicht. Nur so lala oder wie?“, meckerte ich.

Kratos seufzte. „Das war wohl wieder nicht das was du hören wolltest, stimmt‘s?“

„Genau! Mach mir doch mal ein Kompliment! Ich habe so ein schönes Kleid für dich besorgt und dir ist es egal!“, sprach ich leicht gekränkt. Ich wusste ja das Kratos nicht so der Typ für so was war, aber es tat trotzdem irgendwie weh.

„Tut mir Leid, Anna. Ich…bin nicht gut in solchen Sachen. Ich versuche mich zu bessern. Es ist nur, dass ich nicht auf solche Äußerlichkeiten achte. Ich…liebe dich weil du von innen schön bist. Das Außen ist nur Fassade. Für mich bist du die schönste Frau der Welt und das ändert sich nicht egal was du trägst.“

Sofort fingen meine Wangen an zu Glühen. Das war echt süß von ihm. Dass er so von mir dachte, wusste ich nicht. „die schönste Frau der Welt“ Das war bestimmt übertrieben. Aber es schmeichelte mir doch sehr.

„Wow Kratos. So was könntest du echt öfters sagen.“, sprach ich und umarmte den Engel.

„Ich werde mir Mühe geben.“, sagte er.

„Genauso wie du dir Mühe gibst mehr zu lächeln. Los wie geht das?“, meinte ich und sah erwartungsvoll zu Kratos.

Er seufzte erneut und verzog eine Grimasse. Sein Lächeln war nun sehr gekünstelt. Wäre ich ein kleines Kind, hätte ich wohl Angst davor.

„Nicht so!“ Ich ging auf Kratos zu und verformte mit meinem Fingern sein Gesicht zu einem Lächeln. Das sah allerdings auch nicht gerade besser aus. Vor allem der Ausdruck seiner Augen passte nicht.

Ich fing an zu kichern. „Ok so auch nicht.“, gluckste ich und lief ein paar Meter vor.

Jetzt lächelte der Engel. Das stand ihm echt gut. Worüber er sich wohl jetzt freute?

Ich stand nun vor meinem Haus. „Wir sind da!“, rief ich fröhlich.

„Anna!“

Mein Herz setzte bestimmt aus. Oh nein. Das durfte nicht sein. Diese Stimme. Das war…Nein Warum jetzt? Vielleicht verschwand er, wenn ich die Stimme ignorierte. Ja. Einfach so tun als wäre nichts gewesen. Alles nur Einbildung.

„Hey Anna.“

Mist! Ich drehte mich um. Dort sah ich einen schwarzhaarigen Mann hinter Kratos stehen. Mein Freund musterte ihn bereits. Seine Haare waren kurz, glatt und gut gepflegt. Seine Augen waren blau und sahen mich nun an. Er trug feine Sachen. Einen blauen Anzug sowie eine schwarze Hose.

„Norman.“, brachte ich nur hervor.

Der Angesprochene lächelte und ging an Kratos vorbei. Nun stand er vor mir. Ich nahm gleich sein Parfüm war. Irgendwie sehr süßlich. Nicht gerade mein Fall.

Norman war etwas größer als ich, allerdings nicht so groß wie Kratos. Er hatte auch nicht die Figur wie der Engel. Er war zierlicher und schmächtiger.

„Wie geht es dir, Anna? Ich habe dich vermisst.“, fragte er und umarmte mich.

„Ehm…na ja.“, stotterte ich nur.

„Was ist los? Warum bist du so zurückhaltend? Wir haben uns vier Jahre nicht gesehen. Da kann ich doch wohl erwarten, dass sich meine Verlobte freut mich zu sehen.“

//Na ganz Klasse// Musste er das jetzt erwähnen. Genau davor hatte ich Angst.

Ich sah leicht zu Kratos. Was würde er jetzt denken? Ob er sauer war?

Kratos verzog mal wieder keine Miene. Ich konnte aber etwas Überraschung in seinen Gesichtszügen erkennen.

„Ich…also Norman…das ist…“, stammelte ich leise. Warum konnte er nicht einfach verschwinden? Ich wollte nicht, dass er hier war. Es würde alles zwischen mir und Kratos verändern.

„Sprachlos, was? Wir können doch heute bei dir schlafen. Dann machen wir zwei uns einen schönen Abend.“, schlug Norman vor.

„Das geht nicht. Ehm…Kratos übernachtet schon bei mir. Vielleicht morgen.“, versuchte ich Norman abzuwimmeln.

„Kratos? Der da?“, fragte Norman. Dabei sah er leicht abfällig zu Kratos.

„Ja. Er hat mich aus der Farm befreit.“, erklärte ich.

Jetzt drehte sich Norman zu Kratos um. „Vielen Dank, dass du meine Verlobte gerettet hast.“, bedankte er sich bei dem Engel.

Kratos sah wenig begeistert aus. „Keine Ursache.“, sagte er trocken.

„Warum übernachten wir nicht alle hier? Es ist genug Platz da. Wir beide übernachten im Bett deines Vaters und Kratos schläft in deinem Zimmer.“, sprach der Schwarzhaarige.

Andersherum wäre es mir echt lieber gewesen.

Ich seufzte und schloss die Tür auf.

„Ladies First. Ich muss sagen du siehst heute wunderschön aus. Dieses Kleid steht dir wirklich ausgezeichnet. Es betont deine wunderschöne Figur.“, schmeichelte mir Norman.

Davon bekam ich eher Würgreize. Es war sicherlich ein schönes Kompliment, aber so wie Norman es sagte, gefiel es mir nicht. Lag wahrscheinlich daran, dass ich Norman nicht wirklich liebte. Wir waren ja verlobt wurden.

Ich betrat das Haus. Die beiden Männer folgten mir.

Das Haus war noch in einwandfreiem Zustand. Zwar etwas staubig aber ansonsten alles in Ordnung.+

„Also Annas Zimmer ist da. Da kannst du schlafen.“ Norman deutete auf mein Zimmer. Dabei hatte er sich kurz Kratos zugewandt. Jetzt sah er wieder zu mir.

„Wir beide sollten nun ins Bett gehen. Dann können wir eine schöne Nacht verbringen.“, flirtete Norman mit mir. Dabei umarmte er mich und küsste mich.

Ich erwiderte den Kuss nicht. Allerdings konnte ich auch nicht einfach den Kopf wegziehen, oder? Ich fühlte mich schrecklich. Kratos war da und sah mir zu wie ich einen anderen küsste. Er war bestimmt enttäuscht. Was sollte ich machen?

Norman ließ von mir ab und wollte mich hinter sich herziehen. Kratos ging nun in mein Zimmer.

„Ich…ehm…bin noch nicht müde Norman. Ich komme gleich nach Ok.“, sagte ich und befreite mich aus dem Griff meines Verlobten.

„Aber beeil dich!“, forderte Norman und ging in das Zimmer meines Vaters. Ich ging zu Kratos.

Der Rothaarige war von meinem Zimmer aus aufs Dach gegangen. Das hatte ich früher auch oft gemacht. Von hier konnte man den ganzen Sinoa See sehen. Kratos saß auf dem Dach und starrte in die Ferne.

„Ehm Kratos?“, sprach ich. Keine Reaktion. Er hatte mich aber sicherlich gehört.

„Also das mit Norman.“, fing ich an. Wie sollte ich das bloß erklären? „Ich hätte es dir sagen sollen und es tut mir Leid.“, brabbelte ich aufgeregt. Mein Kopf war irgendwie wie leer geblasen. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

„Es ist auch nicht so wie es aussieht.“, laberte ich weiter.

Kratos zeigte keine Reaktion. Er starrte nur weiter nach vorne.

„Ich liebe Norman nicht. Ich liebe nur dich.“, versicherte ich ihm und schmiegte mich an ihn.

Immer noch keine Reaktion. Nicht mal seinen Arm legte er um mich. Er war verärgert. Auf jeden Fall nicht wie sonst.

„Weißt du…wir worden verlobt, als ich 14 war. Eine Idee unserer Eltern…“, versuchte ich zu erklären.

„Du brauchst dich nicht vor mir rechtfertigen Anna.“, sprach Kratos. Dabei stand er auf.

„Aber…wo willst du hin?“, fragte ich, als Kratos vom Dach sprang. Er landete auf der Straße.

„Zum Gasthaus. Ich will dich und deinen Verlobten nicht belästigen.“, kam von dem Engel.

„Aber…nein geh nicht. Du kannst mich doch nicht einfach hier zurücklassen!“, schrie ich.

Kratos ignorierte mich und ging weiter.

Niedergeschlagen ließ ich mich aufs Dach sinken.

Warum machte er das? Wieso tat er mir das an? Ich liebte ihn doch. Was sollte ich denn nur tun?

„Anna, kommst du nun?“, erklang eine ungeduldige Stimme von drinnen. Es war Norman.

Ich seufzte und sah noch einmal die Straße entlang. Dann ging ich hinein.

Hin und her gerissen (Kratos Sicht)

Es war kurz nach Sonnenaufgang als ich aufwachte. Ich streckte mich noch einmal und drehte mich zur Seite.

„Anna, wir…?“,

Etwas verwundert blickte ich mich um. Wo war die Braunhaarige?

Da fiel es mir wieder ein. Sie war ja bei sich zu Hause zusammen mit ihrem Verlobten.

Ich ließ mich wieder ins Bett fallen. Das war ja ein toller Morgen. Meine Laune war gleich im Keller.

Ich schüttelte mich kurz. Ich durfte mich nicht so gehen lassen. Sollte Anna doch machen, was sie wollte. Es war wahrscheinlich auch besser für sie. Hier in Luin hatte sie Freunde. Außerdem konnte sie hier mit ihrem Verlobten ein normales Leben führen. Was konnte ich hier schon bieten? Ständiges Reisen, gefährliche Aktionen und noch dazu wurden wir verfolgt. Welche Frau fand das schon gut?

Nachdem ich mich kurz frisch gemacht hatte, ging ich nach draußen. Ich suchte eine Schmiede. Mein Schwert musste etwas geschliffen werden. Durch die Rüstungen der Desians und auch einiger Monster hatte es ein paar Scharten bekommen. Die bekam ich mit meinem kleinen Schleifstein nicht so schnell raus.

Die Ruhe nun war nicht sonderlich angenehm. Sonst quasselte Anna immer darauf los. Die Braunhaarige schaffte es keine zwei Sekunden still zu sein. Jetzt war ich schon wieder bei ihr. Ich musste versuchen sie zu vergessen. Wahrscheinlich kuschelte sie gerade mit ihrem ach so tollen Verlobten. Es störte mich schon, dass sie bei ihm war. Aber immerhin schien sie ihn zu mögen. Immerhin hatte sie ihm keine Absage erteilt. Warum sollte sie auch. Er war ihr Verlobter und nicht ich. So wichtig war ich für Anna wohl nicht. Ganz im Gegenteil dazu war sie mir sehr wichtig. Ich war noch nie wirklich verliebt gewesen. Und jetzt wo ich die Richtige gefunden hatte, so was.

Ich seufzte. Das ließ sich wohl nicht ändern. Ich wollte Anna das Leben nicht unnötig schwer machen und ihre Beziehung zu ihrem Verlobten ruinieren.

„Kratos!“, erklang Annas Stimme.

Ich sah auf und bemerkte die Braunhaarige. Sie stand neben ihrem Verlobten ein paar Meter vor mir.

Anna sah mich zögernd an. Ich hätte erwartet, dass sie mich gleich stürmisch umarmt oder mir eine Backpfeife für mein gestriges Verhalten gab. Allerdings tat sie nichts dergleichen.

Etwas enttäuscht sah ich nun zu ihrem Verlobten.

Dieser Typ sah mich leicht von oben herab an. Das war wohl einer von der Sorte, die glaubte sie seien was Besseres, obwohl sie zu nichts fähig waren.

„Hallo, eh…Kratos richtig. Das war wirklich sehr anständig von dir, dass du mich und Anna nicht stören wolltest gestern Nacht. Du weißt was sich gehört“, schwafelte er daher.

Seine überschwängliche Art brachte mich fast zum kotzen. Er meinte nichts von dem was er sagte.

„Also was wollen wir machen, Anna Schatz. Es gibt wirklich nichts, was ich nicht für dich tun würde.“, sprach dieser arrogante Typ nun.

„Ach und warum musste sie vier Jahre in einer Menschenfarm bleiben. Du hättest sie doch retten können.“, platzte es aus mir hervor.

Norman sah mich nun schief an. Auch Anna war überrascht. Ich war selbst über mich verwundert. Warum regte ich mich so auf? Das war doch sonst nicht so. Es konnte mir doch egal sein, was dieser Typ tat oder sagte.

„Hast du irgendein Problem oder was? Wie soll ich denn bitte schön in eine Menschenfarm eindringen. Ich bin doch nicht lebensmüde.“, motzte mich Annas Verlobter an.

„Ob deine Verlobte darin gequält und gefoltert wird, ist dir egal. Hauptsache du kommst mit heiler Haut davon. Solche Typen wie du sind echt das letzte.“, verurteilte ich ihn.

Das ging jetzt wirklich zu weit. Was in Cruxis Namen tat ich da? Warum legte ich mich mit diesem aufgeblasenen Mistkerl an?

„Und was hättest du an meiner Stelle getan? Da einfach rein marschieren und sie retten? Kein normaler Mensch schafft das außer man hat irgendwelche Verbindungen zu den Desians.“

Ok die hatte ich, ja. Da hatte er wohl Recht, aber das war trotzdem kein Grund Däumchen zu drehen. Mal sehen wie weit das mit unserer Auseinandersetzung noch ging.

„Du hättest ja einen Söldner oder so was engagieren können. Irgendetwas hättest du schon tun könne. Wäre Anna meine Verlobte, hätte ich ohne zu zögern alles in meiner Macht stehende getan.“, provozierte ich ihn.

„Sie ist aber nicht deine Verlobte. Als würde sie sich auch mit einem dreckigen Abenteurer wie dir abgeben!“, kam nun auch provokant von Norman.

„Das sehe ich anders. Wir stehen uns ziemlich nah.“, erwiderte ich.

Das war ja ganz Klasse. Ich wollte Anna nicht, dass Leben schwer machen? Sicher. Jetzt sagte ich ihrem Verlobten ja schon, dass wir was mit einander hatten. Fast zumindest.

„Wie bitte?! Das glaube ich nicht. Anna, du bist doch nicht etwa lieber mit diesem Typen zusammen als mit mir?“, sagte Norman nun zu Anna gewandt.

Die Braunhaarige sah ihn etwas überfordert an. Jetzt musste sie es ihm wohl sagen.

„Nein natürlich nicht. Das mit Kratos war nur…“, stammelte Anna.

War nur was? Eine kleine Affäre? Ein bisschen Spaß zwischendurch oder wie?

Ich schnaubte und drehte mich um. Mit einem „Viel Glück noch ihr beiden“, ging ich.

Ich fühlte mich so…verletzt? Mein innerstes zog sich zusammen. Annas Worte hallten in meinem Kopf. Unsere Beziehung bedeutete ihr also nichts. Sie war lieber mit diesem Idioten zusammen. Das konnte doch nicht sein. Ich hätte mich nie auf sie einlassen sollen. Warum musste ich mich auch in sie verlieben. Ich hätte sie einfach in Asgard lassen sollen.

Außerhalb von Luin kam mir nun ein schwänzelnder Noishe entgegen. Wie üblich rieb er seinen Kopf an meinem Bauch.

„Hey Noishe. Lass uns gehen.“, sagte ich und streichelte den Protozoan.

Noishe gab ein fragendes Jaulen von sich.

„Sie ist nicht hier. Anna bleibt hier in Luin. Wir sind jetzt nur noch zu zweit.“

Noishe jaulte unzufrieden.

„Sie hat sich entschieden bei ihrem Verlobten zu bleiben.“

Wieder ein Jaulen und ein leichtes Knurren.

„Ich bin nicht eifersüchtig!“, verteidigte ich mich. Dann sah ich nach unten. „Vielleicht schon, aber spielt keine Rolle. Anna möchte nicht bei mir sein.“

Jetzt stellte sich Noishe so hin, als wollte er ein Monster angreifen. Er knurrte laut.

„Warum sollte ich um sie kämpfen? Das ist nicht meine Art.“

Nun schubste mich der Terranis, sodass ich nach hinten fiel.

„Noishe!“, zischte ich böse. Der Protozoan fletschte seine Zähne. Er war absolut nicht einverstanden.

Ich seufzte. Jetzt diskutierte ich schon mit einem zu groß geratenen Hund. Na ja Noishe war ja kein Hund und war zudem noch älter als ich.

„Ok ich bleibe noch bis heute Abend. Wenn Anna sich bis dahin nicht entschieden hat, gehen wir ohne sie!“, sprach ich bestimmt. Noishe gab ein leises Jaulen von sich.

Also wieder zurück in die Stadt. Ich suchte nun einen Schmied auf und bat ihm darum mir einen Schleifstein zu leihen, sodass ich mein Schwert schleifen konnte.

Als ich fertig war betrachtete ich zufrieden mein Werk. Die rote Klinge meines Flameberge leuchtete wie neu.

Jetzt wusste ich aber nicht mehr was ich tun sollte. Das Behandeln meines Schwertes hatte mich wenigstens ein bisschen von Anna abgelenkt. Jetzt dachte ich wieder nur an die Braunhaarige. Ich fühlte mich wieder leer. Irgendwie hatte ich zu nichts Lust.

Mit gesenktem Kopf schlenderte ich durch die Straßen.

„Bitte tut doch jemand etwas!“, hörte ich eine ältere Dame schreien.

Ich sah auf. Eine Frau so um die 40 sah flehend zu einer Gruppe Menschen.

„Meine Tochter bitte. Die Desians haben sie mitgenommen. Bitte. Ich brauche Hilfe. Jemand muss ihr helfen.“ Sie wandte sich an einen jungen Mann.

Dieser schüttelte nur kühl den Kopf. Auch die anderen Leute gaben ihr eine Abfuhr. Was war nur mit diesen Leuten? Waren sie nicht im Stande sich zu wehren? Sie versuchten nicht mal die Frau aufzuheitern.

„Was ist los mit euch? Wollt ihr der Frau nicht helfen?“, fragte ich nun laut.

Jetzt sahen mich die Leute an. Auch die ältere Frau schaute mich an.

„Es wurden doch bestimmt noch mehr Leute entführt. Warum versucht ihr nicht sie zu befreien?“, sprach ich.

„Was soll das nützen. Die Desians würden uns alle umbringen.“

„Sollen wir etwa unser Leben riskieren für die paar Leute auf der Farm?“

Das konnte ja wohl nicht ihr ernst sein. Es war ihnen egal ob Menschen leiden.

„Ihr lasst die Leute einfach im Stich! Ihr seid alle ein Haufen Feiglinge!“

Es hatten sich schon mehr Leute versammelt. Unter anderem erkannte ich auch Anna und ihren Verlobten.

„Sie leiden und viele sterben und ihr lebt hier ein glückliches Leben, als wäre nichts geschehen!“, prangerte ich die Bevölkerung von Luin an.

„Nun mal langsam junger Mann.“, sprach ein älterer Mann. Er hatte formelle Kleidung an. Vielleicht der Bürgermeister hier.

„Warum verursacht ihr solche Unruhe. Ihr macht den Leuten Angst und verursacht Panik mit euren Anschuldigungen.“, sagte er im strengen Ton.

„Ich sage nur die Wahrheit! Warum tut ihr nichts. Ihr kümmert euch nicht mal um die Angehörigen.“, meinte ich.

„Warum sollten wir? An die Desians zu denken ist eine schreckliche Sache. Wir wollen nicht ständig in Angst davor leben. Was ist also falsch daran nicht immer daran erinnert zu werden? Deswegen reden wir auch nicht gerne über die Farmen.“, meinte eine Frau.

Na ganz toll. Sie wollten das Unrecht gar nicht sehen. Genauso wie ich bei Mithos verschlossen sie ihre Augen vor den Taten der Desians.

Ich wollte gerade zum Sprechen ansetzten, als mich jemand unterbrach.

„Viele Menschen erleiden schreckliche Qualen auf den Farmen und ihr ignoriert es einfach!“

Es war Anna. Sie trat aus der Menge heraus und stellte sich neben mich.

„So ändert sich nie etwas. Wie könnt ihr ruhigen Gewissens schlafen, wenn da draußen Menschen sterben, wenn dort Menschen, auch eure Familienmitglieder, leiden?“

„Schluss damit!“, schrie der Bürgermeister wütend.

„Fremder, ich muss euch bitten die Stadt zu verlassen. Ich kann nicht dulden, dass ihr Unfriede in die Stadt bringt. Und du Anna, komm wieder zur Besinnung!“

„Ihr wollt mich aus der Stadt verbannen, weil ich die Wahrheit sage?“, sprach ich.

Darauf sagte der Bürgermeister nichts. Er sah mich nur fordernd an.

„Anna, sag mal hast du sie noch alle? Komm her und lass den Unsinn!“, schimpfte Norman nun. Er packte Anna am Arm und wollte sie zurück in die Gruppe ziehen. Allerdings wehrte sich die Braunhaarige.

„Nein das werde ich nicht tun! Ich gehe mit Kratos! Ich bin mit ihm hierhergekommen und ich werde mit ihm die Stadt verlassen!“

Mein Herz sprang gleich höher. Anna wollte also bei mir bleiben. Das freute mich schon, aber ich war auch viel zu geschockt. Sie gab ihr Leben hier auf nur um bei mir zu sein. Das durfte sie nicht tun.

„Nein das tust du nicht! Du bleibst hier! Hast du mich verstanden!“, brüllte Norman.

Anna schubbte ihn weg. „Ich tue nicht mehr länger, was du mir sagst! Das mit unserer Verlobung kannst du auch vergessen! Ich will nicht mehr länger mit der Vorstellung leben müssen einen Mann zu heiraten, den ich nicht liebe und untätig in einer Stadt zu leben, wenn andere Leute leiden! Ich kämpfe mit Kratos gegen die Desians! Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

Alle sahen Anna mit großen Augen an. Auch ich war von ihrer Reaktion verblüfft.

Die Braunhaarige stapfte nun an mir vorbei. „Komm Kratos. Wir gehen!“, schnaubte sie.

Ich blickte noch einmal die Menschen hier an. Dann folgte ich ihr.

Als wir weiter weg von der Menschenmenge waren, holte ich Anna ein. Die Braunhaarigere stapfte noch stur geradeaus. „Und war das cool oder was?“, sprach sie lächelnd. Dass das gekünstelt war, erkannte ich sofort.

„Anna. Luin ist doch deine Heimat.“, sprach ich bedrückt. Anna hatte gerade ihr Leben hier weggeworfen.

„Ich weiß.“, schluchzte sie. Sie verzog ihr Gesicht. Jetzt fing sie an zu weinen.

„Sie lassen dich bestimmt hier leben, wenn du zurück gehst und dich entschuldigst.“, sprach ich, obwohl ich wusste, dass Anna das nicht tun würde.

Wie erwartet schüttelte sie den Kopf. „Ich habe mich entschieden. Ich kann hier nicht so leben. Auch wenn Luin für immer mein Zuhause sein wird, aber es geht nicht.“

Ich gab ein „Mhm“ von mir. Wahrscheinlich wäre Anna früher oder später auch ohne mein Zutun angeeckt.

„Kratos, es tut mir Leid.“, sagte Anna nun.

Ich schwieg. Wollte sie jetzt auf die Sache mit Norman hinweisen.

„Ich habe dir sicherlich sehr wehgetan. Bitte glaub mir, ich liebe dich. Das mit Norman war einfach noch so drin. Unsere Eltern haben uns verlobt. Mein Vater war glücklich jemanden für mich gefunden zu haben. Ich war damals auch zufrieden mit der Situation mit Norman, obwohl ich ihn nicht liebe.“, erklärte Anna.

„Das verstehe ich nicht.“, sagte ich offen.

„Na ja zum einen gehört Norman zu einer reichen Familie. Mein Vater wollte eine Absicherung für mich. Ich hingegen wollte ihn nicht enttäuschen. Außerdem hatte ich mir immer gewünscht zu heiraten und Kinder zu kriegen, wobei ich letzteres wohl nie haben werde.“

„Wieso nicht? Bist du unfruchtbar?“, fragte ich und sah zu der Braunhaarigen. Sie sah ziemlich mitgenommen aus.

„Nicht direkt.“ Anna seufzte kurz. „Es liegt an meinem Exphere. Er würde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Embryo abstoßen, noch bevor sich daraus ein richtiges Baby entwickeln kann. Also kann ich nicht schwanger werden. Deswegen haben sich auch viele Männer von mir ferngehalten.“

Ich legte sanft einen Arm um sie. „Mir ist das egal. Ich brauche kein Baby von dir, um zu wissen, dass ich dich liebe.“, meinte ich.

Anna drückte ihren Kopf gegen meine Brust.

„Norman meinte er würde es schon irgendwie hinbekommen, dass ich schwanger werde. Wir müssten es nur oft genug versuchen. Irgendwie wollte ich ihm glauben. Deswegen wollte ich mit ihm zusammen leben. Aber jetzt kann ich das nicht mehr. Ich bin nicht glücklich, wenn ich bei ihm bin.“, sagte Anna leise.

Ich strich ihr sanft durchs Haar. „Ach Anna.“

„Ich bin glücklich, wenn ich bei dir bin.“, sprach sie nun. Dabei lächelte sie mich an.

Ich musste unwillkürlich lächeln. Anna war einfach eine bewundernswerte Person. Sie war so eine starke Frau. Selbst das Lächeln mit ihrem verheulten Gesicht, stand ihr.

Ich lehnte mich leicht zu ihr und küsste sie, was Anna sofort erwiderte.

„Ich hoffe du verzeihst mir?“, sprach Anna nun wieder etwas fröhlich. Ihre Tränen wich sie sich aus dem Gesicht.

„Natürlich verzeihe ich dir.“, meinte ich, worauf sie mich umarmte.

„Wir sollten gehen.“, schlug ich vor. Anna nickte und wir begaben uns zum Ausgang, wo wir allerdings erwartet wurden.

Auf der Brücke stand Norman. Er sah uns finster an.

„Du hast also wirklich vor zu gehen?“, sagte er schroff.

„Ja das habe ich vor.“, entgegnete Anna bestimmt.

„Du hast sie wohl nicht mehr alle. Erst machst du mich vor der gesamten Stadt lächerlich und jetzt haust du ab. Das kann ich nicht dulden.“, sprach er wobei er auf Anna zu stapfte.

Bevor er sie erreichte, stellte ich mich ihm in den Weg. Ich packte ihm am Hemd und zog ihn zu mir ran. „Jetzt hör mir mal zu du Lackaffe. Wenn du meine Anna nicht in Ruhe lässt, dann kriegst du es mit mir zu tun!“

Die Worte legten sich förmlich in meinem Mund. Sie kamen einfach ohne nachzudenken. Nun schubbte ich ihn zurück.

Jetzt war Norman puterrot vor Zorn. „Du glaubst wohl du bist der Größte oder was. Da hast du dich geschnitten!“, schrie er und zog ein Messer hervor.

Es hatte eine schlechte Qualität. Nicht mal aus einem Stück war es geschmiedet. Der Plastegriff brach bestimmt leicht ab.

Unbeeindruckt zog ich mein Schwert. Jetzt sah Norman weniger selbstsicher aus. Fast schon ehrfürchtig sah er auf meine Klinge.

„Na hast du den Mund zu voll genommen?!“, entgegnete ich wieder ruhig.

Mit einem „Päh“ stürmte er nach vorne und ließ sein Messer mit einem hohen Bogen hinab sausen. Seine Bewegungen waren so vorhersehbar, dass es schon wehtat.

Ich trat einen Schritt zurück und Normans Schlag ging ins Leere. Damit hatte er scheinbar nicht gerechnet, da er nach vorne stolperte und vor mir auf dem Boden landete.

Ich verdrehte die Augen. Dass jemand so schlecht mit einem Messer umging, hatte ich noch nie gesehen.

Norman sah mich böse an. Er stand auf und machte seine Klamotten sauber.

„Das zahle ich dir heim! Warte es nur ab. Irgendwann krieg ich dich noch dran!“, fluchte er und ging zurück in die Stadt.

„Muss ich mir jetzt Sorgen machen?“, fragte ich ironisch.

„Wenn du ein Bewohner Luins wärst ja. Norman ist hier sehr einflussreich.“, antwortete Anna.

„Wie auch immer.“, sagte ich und ging mit Anna aus der Stadt.

Anna schmunzelte. „Weißt du was? Du bist richtig süß, wenn du eifersüchtig bist.“

„Ich war nicht eifersüchtig!“, verteidigte ich mich, wobei meine Wangen leicht rot wurden.

„Klar. ‚Wenn du meine Anna nicht in Ruhe lässt, kriegst du es mit mir zu tun‘“, zitierte mich die Braunhaarige. Hatte ich das wirklich so gesagt? Was passierte nur mit mir? So ein Verhalten hatte ich noch nie gehabt. Ich war ja auch noch nie verliebt. Wohl deswegen auch noch nie eifersüchtig.

Ich ignorierte Annas Kommentar und ging zu Noishe.

„War klar! Wenn du nicht mehr weiter weißt, schweigst du einfach.“, maulte sie und folgte mir.

Noishe begrüßte sie fröhlich. Anna stürzte sich auf den Protozoan und rangelte mit ihm.

Ich sah in Richtung Norden. Dort lag die Menschenfarm. Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl, eine Art Ahnung. Es wurde bestimmt nicht so einfach wie die beiden anderen Farmen.

Mit Anna und Noishe machte ich mich also auf dem Weg zur letzten Menschenfarm.

Wahrheit oder Lüge (Annas Sicht)

„Was hast du denn noch zu erledigen?“, beschwerte ich mich. Unzufrieden starrte ich auf die Asgard Menschenfarm vor uns.

„Ich muss etwas herausfinden Ich komme zu dir sobald ich fertig bin.“, sprach Kratos.

Es war bereits dunkel und wir gingen noch einmal schnell unseren Plan durch.

„Außerdem wirst du nicht allein sein. Noishe begleitet dich.“

Ich seufzte. „Ist ja schon gut. Mir gefällt der Plan trotzdem nicht. Sich aufteilen ist blöd.“, raunte ich. Warum konnte Kratos nicht mit mir zusammen die Gefangenen befreien. Nein er machte einen Soloauftritt wegen was weiß ich was.

„Es geht nicht anders. Bist du bereit?“, fragte er.

Ich nickte. Wir benutzten einen Schacht der nach drinnen führte. Zum Glück bemerkte uns Niemand.

„Ok da vorne ist die Abzweigung. Du weißt was du zu tun hast?“, fragte Kratos noch mal nach. Ich nickte selbstsicher.

Wir kamen nun in einen Raum mit drei weiteren Türen.

„Der Kontrollraum ist links. Ich komme nach sobald ich fertig bin.“, sagte Kratos, als irgendetwas auf ihn zusprang.

Der Engel blockte einen feindlichen Angriff mit seinem Schwert ab. Der Angreifer sprang zurück.

Er sah auf jeden Fall nicht wie ein Desians aus, obwohl er schon ein Halbelf sein konnte. Es war ein Mann mit blauen langen, die zu einem Zopf zusammen gebunden waren. Seine Waffe war ein Doppelschwert.

„Yuan!“, zischte Kratos. Anscheinend kannte er den Blauhaarigen.

„Wer ist das?“, fragte ich.

„Anna, geh weiter. Ich komme nach.“, befahl Kratos in einem strengen Ton. Ihm jetzt zu widersprechen war nicht sehr klug. Also lief ich mit Noishe durch die linke Tür. Hoffentlich passierte dem Rothaarigen nichts.

Ich schüttelte den Kopf. Jetzt musste ich mir erst mal Gedanken um mich selbst machen.

Es kamen mir keine Desians entgegen, weswegen ich ohne Probleme den Kontrollraum erreichte. Etwas seltsam war das schon. Warum griff mich keiner an.

Ich ging zu einem der Computer. Ein Bild zeigte die Gefangenenzellen.

„Also wie war das? Erst da, dann da und hier.“, brabbelte ich während ich ein paar Tasten drückte. Kratos hatte es mir ja erklärt. Außerdem hatte ich schon oft gesehen, wie er so was betätigte.

„Jawohl!“, rief ich zufrieden, als die Zellen aufgingen. „War doch ganz einfach, nicht wahr Noishe?“, rief ich zufrieden.

Noishe knurrte. Was hatte er?

„War es das?“, ertönte eine kalte Stimme.

Ich drehte mich um. Sofort wurde ich stinksauer. Wütend starrte ich auf den Blonden Engel vor mir. Er sah genauso aus wie ich ihn in Erinnerung hatte. Blonde lange Haare, kalte blaue Augen und lila Flügel.

„Du! Du hast meine Mutter auf dem Gewissen!“, schrie ich und stürmte auf ihn zu. Ich holte mit meinem Stab aus und wollte gerade zuschlagen, als eine weiße Lichtkugel auf mich zukam und mich nach hinten schleudert. Ziemlich hart landete ich auf dem Boden.

„Ganz schön ungestüm. Du bist also das Angelus Projekt von dem Kvar mir berichtet hat.“, sprach der Engel.

Ich versuchte ihn erneut anzugreifen. Es hatte denselben Effekt. Nur dass ich gegen eine Wand knallte.

Noishe stellte sich nun dem Engel entgegen. Sein Fell stellte er auf und seine Zähne waren gefletscht.

„Aber Noishe. So etwas kenne ich ja gar nicht von dir.“, sprach der Engel.

Woher kannte er Noishe?

Der Terranis stürzte sich ebenfalls auf den Engel. Aber auch Noishe wurde von einer Lichtkugel weggeschleudert. Er landete in einem Computer und blieb bewegungslos liegen.

„Oh nein Noishe!“, schrie ich.

„Dein Exphere hat sich schon gut entwickelt. Bestimmt ist er bald fertig für die Ernte.“

So wie er das sagte, jagte es mir einen kalten Schauer auf die Haut. Selbst Kvar vermochte das nicht zu tun.

Jetzt kam er auf mich zu. Was sollte ich tun? Mich ihm entgegen stellen half nichts. Er war mir weit überlegen. Selbst in meiner Wut, war ich nicht so dumm es weiter zu versuchen.

Ich sah zur Tür. Ob ich wohl flüchten konnte? Kratos war auch noch nicht da. Ob er von dem Blauhaarigen aufgehalten wurde?

„Wartest du etwa auf Kratos? Ich hatte erwartet, dass er bei dir ist.“, sagte der Blonde.

„Was willst du von Kratos?!“, zischte ich. Wollte er Kratos etwa etwas antun, weil er sich gegen die Engel gewandt hatte?

„Nur mit ihm reden. Immerhin sind wir gute Freunde.“, kam als Antwort.

„Freunde? Du bist bestimmt nicht Kratos Freund!“, keifte ich ihn an.

„Du weißt wohl nicht sehr viel von der Welt und noch weniger über Kratos.“

Was meinte er damit? Wieso sollte ich die Welt nicht verstehen? Ich hatte die Schrecken der Desians gesehen. Ich hatte selbst miterlebt, was auf den Menschenfarmen ablief. Was gab es denn da nicht zu wissen? Und Kratos war mir doch auch vertraut oder?

Als hätte er meine Gedanken gelesen, sprach der Engel nun: „Was glaubst du, was Kratos hier unten macht?“

Was sollte die Frage? Gegen die Desians kämpfen! Oder hatte er eine Aufgabe?

„Er hilft mir natürlich. Immerhin ist er meine rechte Hand, einer der Anführer von Cruxis und den Desians.“

Geschockt starrte ich ihn an. „Anführer von Cruxis und den Desians?“

„Aber sicher doch. Er ist einer der vier Seraphen, die über diese Welt herrschen. Die Desians unterstehen uns und befolgen unsere Befehle.“

Das konnte nicht sein. Kratos war ein Befehlshaber über die Desians. Er war mit ihnen im Bunde? „Du lügst! Kratos kämpft gegen die Desians!“, schrie ich.

„Ach wirklich? Wieso ist er dann so einfach in diese Farm gelangt, als er dich befreit hat. Sah es etwa so aus, als ob die Desians gegen ihn gekämpft haben.“, stellte der Engel eine Frage.

Er hatte Recht. Die Desians hatten Kratos damals nicht aufgehalten. Sie behandelten ihn mit Respekt und Ehrfurcht. Konnte das sein?

„Kratos hat mich gerettet! Außerdem haben wir schon viele Farmen überfallen.“, widersprach ich.

Der Blonde lachte kurz. „Denk doch mal nach! Ein Engel wie Kratos läuft doch bestimmt nicht gerade in die Asgard Menschenfarm und befreit nur dich. Alle anderen Gefangenen lässt er hier, nur dich befreit er. Gibt dir das nicht zu denken.“

Ich schluckte. Das hatte ich mich auch schon oft gefragt. Allerdings hatte ich Kratos noch nie danach gefragt.

„Kvar hat herausgefunden, dass dein Exphere sich auf der Farm nicht wirklich weiter entwickelt. Also wollten wir sehen, wie du dich außerhalb der Farm machst. Natürlich unter der Bewachung eines gewissen Engels.“

„Nein!“, schrie ich und schüttelte heftig den Kopf. Das war nur ein Experiment der Desians? Kratos hatte mich gar nicht befreit? Es war nur ein Versuch, um meinen Exphere weiter zu entwickeln?

„Das würde Kratos nicht tun! So ist er nicht. Er liebt mich!“, schrie ich verzweifelt.

Der Engel sah mich immer noch ausdruckslos an. Allerdings erkannte ich in seinem Gesicht irgendetwas Seltsames. Überraschung oder Verwunderung. Konnte es das sein? Es war mir momentan aber auch egal.

„So ein dummes Ding. Es war Kratos Aufgabe dein Vertrauen zu gewinnen. Verlust, Trauer und Verzweiflung sind gute Nahrung für den Exphere. Kratos hat seine Aufgabe wirklich ausgezeichnet erfüllt.“

In meinen Augen bildeten sich Tränen. Warum tat er mir das an? Warum? Ich war nur Kratos Versuchskaninchen.

Verzweifelt sank ich auf die Knie und weinte. Der Engel kam auf mich zu, was mir nun relativ egal war. Was hatte es denn noch für einen Sinn sich jetzt noch zu wehren. Ich war in den Händen der Desians. Die ganze Zeit. Ein Spielball für Kvar und die Engel.

Der Blonde wirkte irgendwelche Magie. Mir wurde langsam schwarz vor Augen und mein Bewusstsein driftete weg.

Mithos Absichten und eine schwere Trennung (Kratos Sicht)

„Ich kann nicht glauben, dass du dich gegen uns stellst, Kratos!“, kam von meinem Gegenüber. Yuan sah mich böse an.

„Das was Mithos tut ist falsch.“, erwiderte ich.

„Was ist daran falsch?!“, schrie Yuan und griff mich mit seinen Schwert an. Ich blockte ab und setzte zum Gegenschlag an, welcher von dem Halbelfen geblockt wurde.

„Ich für meinen Teil möchte nicht in einem Zeitalter der leblosen Wesen leben.“, sagte ich.

„Was redest du da? Mithos will Gleichberechtigung aller Rassen und Martels Wiedergeburt.“, gab der Blauhaarige von sich.

„Martel ist tot, Yuan. Nichts und Niemand kann sie wieder zurückholen!“

Yuans Gesicht wurde zornig. „Nein ist sie nicht. Sie lebt im großen Keim. Wir können sie wiederbeleben. Das scheinst du aber nicht zu wollen. Du bist eben doch nur ein Mensch.“

Jetzt griff Yuan mit einem Indignation an. Schnell wich ich aus und konterte mit einem Judgement. Yuan konnte ebenfalls ausweichen.

„Na vielen Dank auch. Auf jeden Fall finde ich es nicht berauschend, wenn mein Volk unter Mithos Idealen derartig zu leiden hat!“, gab ich nun von mir.

„Zu leiden? Was haben die Menschen bitte schön zu leiden? Wir Halbelfen wurden doch verfolgt. Ihr Menschen wart immer sicher.“, zischte der Halbelf wütend.

„Was glaubst du was die Desians mit den Menschen auf einer Menschenfarm anstellen?“, fragte ich Yuan.

Er schnaubte verächtlich. „Das ist doch egal. Es handelt sich nur um Kriminelle. Solch ein Abschaum wird keiner vermissen.“

„Kriminelle? Das hat Mithos nur gesagt. Bei den Leuten handelt es sich keineswegs um Kriminelle. Es sind ganz normale Menschen. Die Desians greifen wahllos Dörfer an und verschleppen unschuldige Menschen auf die Farmen. Dann machen sie unvorstellbare Experimente mit ihnen. Sag mir Yuan, ist es das was wir wollten? Ist das etwa Martels Wunsch?“, sprach ich.

Yuan sah mich leicht verwirrt an. „Du lügst doch! Mithos würde so etwas nie tun. Er…“ Yuan klang unsicher. Das konnte ich verstehen. Ich selbst konnte es Mithos zutrauen. Natürlich hatte auch Yuan Mithos Veränderung bemerkt.

„Wenn du willst, zeige ich es dir. Folge mir einfach.“, bot ich an.

„Warum sollte ich dir vertrauen. Es könnte eine Falle sein?“, erwiderte der Blauhaarige.

„Bist du nach viertausend Jahren immer noch nicht in der Lage mir zu vertrauen?“, entgegnete ich. Dabei steckte ich mein Schwert weg und ging zur rechten Tür.

Yuan zögerte zunächst, folgte mir aber dann.

Ich wollte sowieso herausfinden, was das Ziel der Desians war. Wieso quälten sie Menschen? Einfach nur aus Rache oder hatte das einen speziellen Grund? Es hatte sicherlich etwas mit Expheres zu tun. Immerhin wurde diese Steine von den negativen Gefühlen von Menschen stimuliert und erweckt.

Wir kamen in einem Raum mit einem Laufband. Auf diesen befanden sich Container. Was darin war, wusste ich allerdings nicht. Das Laufband ging in einen Raum.

Ich hatte ein mulmiges Gefühl dabei. Bestimmt erwartete uns dort nichts Erfreuliches.

„Sind das Menschen da drinnen?“, fragte Yuan. Er deutete auf eine Gruppe Menschen, welche in die Container gesteckt wurden.

„Scheint so.“, sprach ich und betrat den nächsten Raum.

Dort sahen wir, was aus den Menschen wurde. Sie landeten in einen kleinen hinter Glas verschlossenen Raum. Dort wurden ihnen ihre Expheres abgenommen. Das klang harmlos, war es aber nicht. Eine Maschine riss einer Frau gerade den Exphere vom Leib. Sie schrie auf und wälzte sich vor Schmerz. Soweit ich wusste, war es gefährlich einen Exphere ohne Schutzfassung zu entfernen. Es brachte den Manafluss des Menschen komplett durcheinander.

Auf der Haut der Frau bildeten sich nun braune Adern, welche immer größer wurden. Ihre Haut riss förmlich auf, als sich ihre Hände zu Krallen verformten und ihr Körper immer größer wurde, bis nur noch ein Monster mit einem Auge zu sehen war, welches bitterlich schreite. Es war ein grausamer Anblick.

Nun erschienen zwei Kanonen welche das Monster beschossen. Bei jedem Schuss schrie es auf. Allerdings zeigten die Kanonen keine Gnade bis das Monster fast völlig eingeäschert war.

„Oh mein Gott!“, brachte Yuan hervor. Er war genauso geschockt wie ich. Wie konnte man nur so grausam sein? Das waren fühlende Wesen. Ihr Leben wurde einfach weggeworfen und das auf so grausame Art und Weise.

Nun kam der nächste Mensch, ein junger Mann.

Er flehte noch um sein Leben, als die Maschine seinen Exphere entfernte und er genauso wie die Frau zu einem willenlosen Monster wurde.

„Ich hatte ja keine Ahnung.“, sprach Yuan erschüttert.

„Ich auch nicht. Wir waren beide blind für die Wahrheit.“, sprach ich und ging zu einem Computer. Es handelte sich, um eine Datenbank. Ich druckte mir alle erdenklichen Informationen über Expheres aus. Besonders eine Datei mit dem Namen Angelus Projekt erregte meine Aufmerksamkeit. Kvar hatte das bezüglich Anna mal erwähnt. Es schien sehr wichtig zu sein. Zeit zum Durchlesen hatte ich jetzt aber nicht. Ich musste zu Anna und dann raus hier.

„Was hast du jetzt vor? Gegen Mithos kämpfen?“, konfrontierte mich Yuan.

„Ich weiß nicht ob ich schon bereit dafür bin.“, antwortete ich.

„Vielleicht solltest du mit ihm reden.“

„Wie? Ist er etwa hier?“, unterbrach ich Yuan.

„Ja er sollte im Kontrollraum sein.“, gab der Halbelf von sich.

„Oh nein, Anna!“, schrie ich. Sie war in Gefahr, was wenn Mithos ihr was antat?

„Wie kommt es, dass du mit einer wie der umherreist. Sie schien mir nichts besonders zu sein.“

„Anna ist ein außergewöhnlicher Mensch. Ich habe noch nie eine Frau wie sie getroffen.“, beteuerte ich.

„Sie bedeutet dir eine Menge, was?“, sagte Yuan nun fast schelmisch.

Ich sah verlegen zu Boden. „Ja“. Warum sollte ich es auch vor Yuan geheim halten.

„Es hat viertausend Jahre gedauert dich mal in so einer Situation zu sehen.“

Ich wusste nichts zu erwidern.

„Du solltest dich wohl besser beeilen. Ich halte dir die Desians vom Leib und du gehst deine Freundin retten.“

„Danke Yuan“, entgegnete ich und lief los.

Hoffentlich kam ich nicht zu spät.

Ich erreichte den Kontrollraum und inspizierte die Lage.

Noishe lag in einem Computer. Er war noch am Leben, aber bewusstlos. Mithos stand in seiner Yggdrasill-Form vor Anna, welche am Boden lag.

Sofort rannte ich auf sie zu. „Anna!“, schrie ich und kniete mich zu ihr nieder. Mithos ignorierte ich dabei völlig.

Anna atmete leicht. Sie war also am Leben.

„Es geht ihr gut. Sie ist nur leicht verletzt. Ich habe einen Schlafzauber auf sie gewirkt.“, ertönte Mithos Stimme.

Böse sah ich ihn an. Er erwiderte meinen Blick. Seine Augen waren kalt und leer.

„Mithos. Was soll das?!“, schrie ich und stand auf.

„Das sollte ich wohl eher dich fragen. Du verlässt Welgaia ohne Bescheid zu geben, sorgst für Unruhe auf den Menschenfarmen und kämpfst gegen die Desians.“

„Weil das, was sie tun falsch ist. Wie kannst du so was zulassen? Du lässt Menschen leiden, um deine Ziel zu erreichen!“, schrie ich.

„Opfer müssen gebracht werden zum Wohle aller.“, kam als Antwort.

„Zum Wohle aller? Zu deinem Wohl, meinst du wohl. Wer profitiert denn schon von deinem Handeln. Du benutzt die Leben von unzähligen Menschen, um Expheres herzustellen. Hunderte von Auserwählten mussten sinnlos sterben, nur um Martel wiederzubeleben und der große Keim verliert immer mehr von seinem Mana, weil er beide Welten in Waage hält. Wie ist das zum Wohle aller!“, schrie ich wütend.

„Du verstehst es einfach nicht. Wir benötigen die Expheres, um die Diskriminierung zu verhindern. Wenn alle gleich sind, kann keiner mehr einen anderen für schlechter halten. Wir können alle friedlich zusammen leben.“, erklärte der Blonde.

„So ein Blödsinn! Jeder ist verschieden und das ist auch gut so. Ich möchte nicht so wie die Engel in Welgaia enden! Meine Gefühle, ja meine Menschlichkeit ist mir wichtig!“, schrie ich.

Mithos schnaubte verächtlich. Er sah mich verständnislos an.

„Du verstehst es einfach nicht. Diese Menschlichkeit, wie du es nennst, ist eine Schwäche. Menschen und Elfen haben schon seit je her auf das herabgeblickt, was anders war. Ob es nun Halbelfen waren oder die jeweils andere Rasse. Ohne solche Unterschiede in der Rasse, aber auch ohne Gefühle wie Verachtung, Neid und Hass, wird es keine Diskriminierung mehr geben. Siehst du das nicht?“

Jedes seiner Worte war so abstoßend, dass es mir einen Schauer unter die Haut trieb. Allerdings war zu merken, dass Mithos selbst von dieser Idee überzeugt, gar besessen war.

Dass es so schlimm war hätte ich nicht gedacht. Mithos hörte einfach nicht auf meine Worte.

„Du behandelst die Menschen doch aber genauso schlecht. Nur um Expheres herzustellen, tust du ihnen das an? Das ist doch keine friedliche Welt ohne Diskriminierung. Martel hätte das nicht gewollt!“, schrie ich.

„Was verstehst du schon von meiner Schwester!“, brüllte Mithos nun wütend. „Bisher warst du immer mein Freund, aber wenn du dich mir in den wegstellst, kann ich für nichts garantieren.“

„Jetzt drohst du mir? Toller Freund.“

Mithos schnaubte nur.

„Ich kann und werde nicht zulassen was du hier tust, Yggdrasil!“, sagte ich bestimmt.

Mein Gegenüber sah mich kühl an. „Du hast keinen Grund mich bei diesem Namen zu nennen.“

„Doch das habe ich. Du bist nicht mehr der Mithos, den ich einst kannte. Du bist anders. Also nenne ich dich auch anders.“, sprach ich.

„Ich warne dich, Kratos!“, fauchte er.

Ich nahm Anna hoch und wandte mich zum Gehen.

„Wie du willst. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, sind wir dann wohl Feinde. Mach dich also darauf gefasst!“

Ich warf Yggdrasill einen letzten Blick zu und verließ den Raum. Noishe folgte mir humpelnd.

In weiter Entfernung zur Menschenfarm atmete ich aus und sank auf die Knie. Das war ziemlich heftig. Ich habe mich stärker gegeben, als ich war. Das mit Mithos schmerzte in meinem inneren. Immerhin kannte ich ihn schon sehr lange. Der nette, hoffnungsvolle und fröhliche Junge, der mir immer Mut gab. Selbst wenn es ausweglos war, verlor er nie die Hoffnung. Er kämpfte weiter egal wie schwer es auch war. Nur jetzt…jetzt hatte er aufgegeben. Er suchte nicht mehr nach einem Weg alle zu retten. Sein Weg brachte Opfer und nicht wenige. Mithos war jetzt nicht mehr derselbe.

Noishe jaulte leise.

Ich sah auf. Er deutete auf Anna, welche aufzuwachen schien.

Ich hielt an und setzte sie an einen Baum.

Die Braunhaarige sah mich zunächst schwach an. Sie war wohl noch etwas benommen.

„Anna, alles ok.“, fragte ich besorgt, obwohl sie eigentlich nicht verletzt war. Ja die Liebe war schon seltsam. Man machte sich immer unnötig Sorgen.

„Kratos?“, fragte Anna schwach.

„Ja ich bin‘s. Keine Sorge, du bist in Sicherheit.“

Annas Gesichtsausdruck änderte sich nun erheblich. Sie sah mich verärgert an. Kurz sah sie sich um, wahrscheinlich um sich zu orientieren, dann sah sie weg.

Was war passiert? Hatte Yggdrasill ihr was getan, was ich nicht sehen konnte? Eine magische Verletzung oder so etwas in der Art?

„Stimmt was nicht? Geht es dir gut?“, fragte ich verwundert.

„Es geht mir bestens. Wie auf der Menschenfarm!“, maulte sie beleidigt.

„Ich versteh nicht?“ Was hatte sie auf einmal? Warum war sie so aufgebracht?

„Wie lange hast du eigentlich noch vor mich zu belügen? Du kannst mich zurück bringen. Ich weiß Bescheid!“, motzte sie. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust.

Jetzt war ich echt überfragt. „Wovon redest du, bitte?“

„Von der Wahrheit. Du bist doch mit diesem Typen befreundet nicht. Mit diesem Engel!“

Hatte ihr Mithos das erzählt? Es entsprach ja auch der Wahrheit. Auch wenn das, was gerade stattgefunden hatte, wohl bedeutete, dass wir keine Freunde mehr waren, so konnte ich unsere Freundschaft nicht leugnen.

„Ja das stimmt.“, antwortete ich.

„Und das ihr zusammen über die Desians befehligt, stimmt auch, nicht?“ Annas Stimme war nun sehr zornig, was ich jetzt auch verstand.

Mithos hatte ihr erzählt, was ich war. Das hatte ich bisher immer verschwiegen. Wie hätte ich es ihr auch sagen sollen? Sie hätte mich gehasst. Sie hasste mich jetzt.

„Ja das stimmt auch.“, gab ich etwas kleinlaut bei. Ich schämte mich dafür, dass ich für das verantwortlich war, was auf den Menschenfarmen passiert war. Im Moment hatte ich aber mehr vor Annas Reaktion Angst. Würde sie mich jetzt verachten. Würde sie nicht mehr bei mir sein wollen? Den Gedanken konnte ich nicht ertragen. Zum ersten Mal hatte ich so ein Verlangen, nicht von jemanden getrennt zu sein. Ich wollte bei Anna bleiben.

Anna stand nun wutentbrannt auf. „Wie kannst du nur! Ich habe dir vertraut und du belügst mich von vorn bis hinten!“, schrie sie.

Ich wusste nichts zu erwidern. Sie hatte Recht. Ich hatte sie belogen. Ich war schuld an ihrer Situation. Was sollte ich da noch sagen?

„Anna…ich…“, brachte ich nur hervor.

„Wie viel hast du noch vor mir geheim gehalten, heh? Wie viel!“

„Na ja ich…“

„Da ist noch mehr, stimmt’s?!“

„Ja.“, gestand ich.

„Na dann lass mal hören! Oder willst du es lieber weiter geheim halten.“

Ich seufzte. Dann fing ich an zu erzählen. Ich erzählte ihr alles. Wie wir damals die Welten geteilt hatten. Wer Martel wirklich war. Was dann passiert war. Wie Cruxis entstanden war. Wozu das Ritual der Auserwählten diente. Einfach alles.

Anna sah mich mit jedem Satz nur noch entsetzter an. Verständlich. Immerhin lernte sie gerade, dass die Welt, in der sie lebte ganz anders war, als sie gedacht hatte.

„Das ist ja wohl nicht dein Ernst?!“, schrie sie außer sich.

Ich sah sie nur wehleidig an. Nun fühlte ich mich schlapp und kraftlos.

„Es gibt überhaupt keine Erlösung! Die Reise der Auserwählten ist eine Farce von Cruxis und den Desians. Du hast Cruxis mit gegründet und hast die Welt so gemacht, wie sie jetzt ist! Außerdem bist du schon 4000 Jahre alt?!“, brüllte die Braunhaarige außer sich.

Ich nickte nur.

Anna bebte förmlich vor Wut. In ihren Augen bildeten sich Tränen.

„Wie kannst du nur. Warum musst du mir das antun. Ich hasse dich. Ich will dich nie wieder sehen!“, schrie sie und drehte sich um. Nun rannte sie davon.

Ihre Worte trafen mich wie der Schlag. Sie hasste mich. Es zerriss mir förmlich das Herz.

Stöhnend taumelte ich rückwärts bis ich gegen einen Baum stieß.

Meine Beine waren ganz schwach. Sie gehorchten mir einfach nicht. Deswegen sank ich nach unten und saß nun.

Ich zitterte. Warum war mein Körper so außer Kontrolle geraten? So schlimm konnte das doch nicht sein?

Und wie schlimm es sogar war. So elend hatte ich mich noch nie gefühlt. Warum verschwand dieses Loch in meiner Brust nicht. Körperlich fehlte mir doch nichts. Mein Körper verhielt sich unlogisch.

Meine Sicht wurde trübe. Konnte Liebeskummer die Augen betreffen?

Ich kniff sie zusammen und rieb sie mir. An meinen Händen bemerkte ich eine Flüssigkeit. Tränen. Ich weinte. Wann hatte ich das letzte Mal geweint? Ich konnte mich nicht daran erinnern.

//Jetzt reiß dich zusammen, Kratos! Sie ist nur ein dummes Mädchen. Du kommst auch ganz gut ohne sie zurecht. Sie…sie ist wunderbarste Mensch, den ich je kennen gelernt habe.//

Seit wann war mir Anna so wichtig? Wie ist sie mir so ans Herz gewachsen?

Wie sehr ich mir doch wünschte sie wäre hier. Wie ich ihr Lächeln vermisste. Ihre zarte weiche Haut. Ihr süßlicher Geruch, der mir nun so vertraut war. Ihre liebevolle Stimme. Einfach alles.

Dabei hatte ich es immer dämlich gefunden, wenn Menschen sich so sehr an jemanden gebunden hatten. Liebe war für mich immer unvorstellbar gewesen. Es war etwas für…Menschen. Und ich war auch nur ein Mensch.

Langsam zog ich meine Knie zu mir heran und umfasste sie mit den Händen. Meinen Kopf legte ich darauf. So saß ich bestimmt noch eine Weile da.

Eine ungewöhnliche Rettung(Annas Sicht)

„Ich will dich nie wieder sehen!“, war das letzte, was ich zu Kratos sagte. Danach drehte ich mich um und verschwand.

Ich lief planlos durch den Wald. In meinen Augen hatten sich Tränen gebildet.

Es war also wahr. Kratos hatte mich nur benutzt. Ich bedeutete ihm nichts. Warum sollte ich auch? Er war ein 4000 Jahre alter Engel und ich? Eine junge Frau mit 24. Nicht mal besonders hübsch war ich. In seinen Augen war ich doch ein Kind. Ein Experiment. Ein Versuchsobjekt, mit dem man forschen konnte. Und das alles nur wegen diesem Ding!

Ich blieb abrupt stehen und griff krampfhaft zu meinem Exphere.

Was wohl passieren würde, wenn ich ihn mir einfach abriss? Würde ich sterben? Ob es wohl wehtun würde? Es sollte gefährlich sein einen Exphere einfach so zu entfernen.

Was kümmerte mich das noch? Mein Leben war sinnlos.

Ich konnte nirgendwo hin. Nach Luin ging nicht. Erstens würde ich alle in Gefahr bringen und zweitens konnte ich mich nach meinem letzten Auftritt dort vorerst nicht mehr sehen lassen.

Andere Städte gingen auch nicht. Die Desians würden mich wohl eh bald finden. Dann saß ich wieder in Menschenfarm und musste Kvars Strafen über mich ergehen lassen. Da war sterben doch die bessere Option.

Ich krallte meine Finger förmlich um den kalten Stein unter meinem Hals. Es war so einfach. Einmal ziehen und fertig.

Ich sank auf die Knie. Meine Hände stütze ich auf dem Boden. Ein Schluchzen entwich meiner Kehle.

Ich konnte es nicht! Ich konnte nicht! So schlimm das Leben auch war, ich wollte nicht sterben. Aber was sollte ich jetzt tun?

Erschöpft legte ich mich auf den Boden. Ich hatte ja nichts mitgenommen. Keine Schlafmatte, kein Proviant, kein Geld. Meinen Rucksack hatte ich bei Kratos gelassen.

//Toll gemacht, Anna. Das war wieder einer deiner schlaueren Aktionen.//

Ich versuchte es mir auf den dem steinigen Waldboden gemütlich zu machen. Wie schön gemütlich es doch immer in Kratos Armen war.

Wieder überkam mich eine Welle der Traurigkeit. Jetzt musste ich wieder an ihn denken. An seinen wachsamen und fürsorglichen Blick. An seine ruhige Art, mit der er mich immer etwas beruhigte. Ich konnte es förmlich fühlen, wie er seinen kräftigen Arm um mich legte und ich mich geborgen und sicher fühlte.

Aber er war nicht da. Diese Erkenntnis tat nun nur noch mehr weh. Die Tränen brannten in meinen Augen. Sie hinterließen eine heiße Spur auf meinem Gesicht.

Schluchzend kuschelte ich mich an den harten Boden. Müde schlief ich doch bald ein.

Als ich wieder aufwachte war es bereits wieder Tag. Ich musste lange geschlafen haben. So fühlte ich mich allerdings nicht. Meine Knochen taten vom harten Boden weh. Auch meine Augen fühlten sich schwer an.

Mit leichten Schmerzen streckte ich mich und stand auf. Mein Hungergefühl ignorierte ich zunächst. Ich hatte eh nichts zu essen.

Ich fühlte mich schlapp und lustlos.

Ohne groß darüber nachzudenken taumelte ich los. Wohin wusste ich auch nicht. Mein Kopf war wie leer geblasen und das war auch gut so. Wenn ich ständig an Kratos dachte, fühlte ich mich nur noch elender.

Ein Knistern ließ mich herumfahren. Jetzt war ich hell wach.

Waren hier Desians oder Monster? Instinktiv griff ich nach meinem Stab und griff ins Leere.

Ich hatte ihn nicht bei mir. Wahrscheinlich hatte ich ihn in der Menschenfarm verloren. Kratos hatte ihn vielleicht mitgenommen.

Ich schüttelte den Kopf. //Hör auf Anna! Du hast andere Sorgen!//

Schnell griff ich einen etwas dickeren Ast.

Als ich meine Umgebung gründlich sondiert hatte, entspannte ich mich und ging weiter.

//Werde nicht paranoid!//

Ich stapfte weiter. Nur wohin? Ich hatte keine Ahnung. Mein Magen beschwerte sich lautstark.

//Ich brauche was zu essen! Wo findet man so was?//

Beeren, Kräuter und Pilze waren nicht gerade mein Fachgebiet. Auch jagen konnte ich nicht. Vom Fischen verstand ich was. Immerhin war ich die Tochter eines Fischers. Nur leider waren hier keine Gewässer. Das stellte mich vor ein weiteres Problem: Wasser! Ich brauchte auch was zu trinken. Wo genau ich mich befand, wusste ich auch nicht. Irgendwo in der Nähe von Luin, nahm ich an. Die Landschaft kam mir bekannt vor. Außerdem hatte Kratos mit mir bestimmt keine Weltreise gemacht, während ich bewusstlos war.

Wenigstens musste ich nicht groß frieren, da ich meinen Mantel anhatte.

Wieder ein Rascheln. Diesmal war es lauter. Wohl mehr als nur der Wind. Musste was größeres sein.

Ich hielt meinen Ast vor mir und war zum Angriff bereit. Dabei sah ich mich sorgfältig um. Kratos hatte mich etwas unterrichtet.

//Also wirklich! Immer wenn Gefahr kommt, denkst du an ihn. Er kommt nicht, um dich zu retten.//, schalt ich mich.

Das Geräusch wurde lauter. Mein Körper war zum Zerreißen gespannt.

Dann erkannte ich die Ursache des Geräusches.

Unschlüssig, aber immer noch kampfbereit sah ich die Person vor mir an.

Es war der Blauhaarige Mann, gegen den Kratos in der Menschenfarm gekämpft hatte.

„Nanu. Du bist doch Kratos Gefährtin. Ganz allein unterwegs?“, fragte er.

Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich war allein. Kratos war nicht hier um mich zu beschützen. Das war meinem Gegenüber jetzt auch klar. Er konnte mich also ganz leicht töten, gefangen nehmen oder sonst was.

Momentan sah er mich fragend an. Sollte ich bluffen? Ihm einfach sagen, dass Kratos hier ganz in der Nähe war?

„Na wie auch immer. Wo ist Kratos jetzt?“, fragte er.

„Dieser blöde Engel kann mir gestohlen bleiben!“, zischte ich. Kurz darauf bereute ich es. Jetzt hatte ich mich verraten.

„Habt ihr gestritten?“, fragte er. Anscheinend hatte er nicht vor mich anzugreifen.

„Kann dir doch egal sein.“, maulte ich unzufrieden.

„Stimmt. Könntest du mir trotzdem verraten wo Kratos ist. Dann lass ich dich auch schon in Ruhe.“

War ich hier vielleicht der Wegweiser? Wenn er die Auskunft wollte, sollte er doch 11880 wählen oder so.

Gerade wollte ich ihm antworten, als plötzlich ein weiteres Rascheln im Wald zu hören war.

Der Blauhaarige zog sein Schwert und machte sich kampfbereit. Ich tat es ihm gleich.

Aus dem Wald kam ein grünes Wesen gestürmt.

„Noishe!“, schrie ich glücklich darüber, den Protozoan zu sehen.

Noishe schien aufgeregt zu sein. Er jaulte panisch herum.

„Was ist passiert, Noishe?“, kam mir der Blauhaarige zuvor. Woher kannten alle Noishe?

Noishe winselte und jaulte. Was wollte er wohl sagen?

„Was ist mit Kratos?“, fragte der Blauhaarige nun eindringlich.

Mein Herz setzte fast aus. Irgendetwas war mit Kratos passiert? War er verletzt oder sogar tot? Warum machte ich mir überhaupt solche Sorgen. Konnte mir doch egal sein.

„Sie haben ihn zum Turm des Heils gebracht?“

Völlig verwundert sah ich ihn an. Turm des Heils. Der erschien doch nur bei einer Reise eines Auserwählten. Jetzt war er gar nicht da.

„Wir müssen ihm helfen. Kommst du mit?“

Die Frage brachte mich aus dem Konzept. Ein Ja lag mir schon auf der Zunge, aber ich schluckte es runter. Mein Gefühl sagte mir natürlich ich sollte ihn retten.

„Warum sollte ich?“, raunte ich mürrisch.

„Könnt ihr euren Streit nicht führen, wenn er wieder befreit ist? Wer weiß, was sie mit ihm machen. Mithos wird ihn wohl nicht töten, aber trotzdem.“, meckerte der Blauhaarige.

In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Hoffentlich passierte Kratos nichts. War aber auch eigentlich egal.

„Ist ja nicht so, als würde ich ihm was bedeuten.“, konterte ich.

Mein Gegenüber sah mich nun verständnislos an. „Wie bitte? Also ich kenne eure Beziehung ja nicht genau, aber so wie Kratos über dich gesprochen und wie er geguckt hat, schienst du ihm sehr wichtig zu sein.“

Verdutzt sah ich ihn an. War das wirklich so? War ich Kratos wichtig?

„Das kann nicht sein. Er ist doch ein Anführer der Desians. Außerdem hat er mich nur benutzt, wegen dem Exphere. Das hat der blonde Engel gesagt.“, erwiderte ich energisch.

Der Blauhaarige schüttelte den Kopf. „Da hat dir Mithos ja einen ganz schönen Bären aufgebunden. Es stimmt zwar, dass Kratos, genau wie ich, ein Anführer von Cruxis und somit der Desians ist, aber er hätte dich nie benutzt. So etwas tut er nicht. Immerhin hat er sich gegen Cruxis gestellt, weil die Desians so grausame Dinge tun. Kennst du ihn so schlecht, dass du das nicht siehst?“

Jetzt fühlte ich mich schlecht. War das eine Lüge? Hatte Kratos mich gar nicht benutzt? Waren seine Gefühle für mich aufrichtig? Warum hatte er mir dann die Wahrheit vorenthalten?

„Ich kenne Kratos schon sehr lange. Niemand schien ihm je so am Herzen zu liegen wie du, das kannst du mir glauben.“

Konnte ich dem Fremden glauben oder war das eine Falle? Warum sollte er mir eine Falle stellen? Er könnte mich doch einfach gefangen nehmen.

Ich war völlig durcheinander. Was sollte ich tun? Ihm helfen?

„Also kommst du jetzt mit? Ich könnte deine Hilfe wirklich gebrauchen.“, fragte er erneut.

„Na gut, ich komme mit.“, entschied ich mich. Ich wollte nochmal mit Kratos darüber reden. Also musste ich ihn ja wohl befreien.

„Yuan.“, stellte sich der Blauhaarige vor.

„Anna.“, erwiderte ich.

„Na dann los. Versuch mit mir mitzuhalten!“, sagte Yuan. Dann rannte er los.

Ich versuchte so gut es ging ihm zu folgen. Allerdings war er sehr schnell. Zum Glück wurde er nach einiger Zeit langsamer und lief bald neben mir.

An einer Lichtung blieben wir stehen.

„Hast du überhaupt eine Waffe?“, fragte Yuan und sah auf den abgebrochenen Ast, welchen ich immer noch in der Hand hielt.

„Ehm…na ja… ich hab meinen Stab in der Menschenfarm verloren.“, gestand ich etwas verlegen.

Der Blauhaarige verdrehte die Augen. „Wie kann man seine Waffe verlieren?! Mit dem Ding kannst du auf jeden Fall nicht kämpfen. Hast du ein Messer oder so was?“

Ich griff an den Gurt meiner Hose. Dort hing ein Dolch, den ich nun vor mich hielt.

Es war eine schöne Waffe. Die Scheide war lila-blau genau wie der Griff. Zusätzlich war der Griff mit weißem Streifen übersehen. Dort stand auch etwas mit goldenen Buchstaben. Ich nahm an es war „Aurion“. Allerdings war es schon etwas abgenutzt.

„Das ist Kratos Dolch nicht?“, stellte Yuan fest.

Ich nickte. Kratos hatte mir den Dolch gegeben, da ich sonst keinen scharfen Gegenstand besaß. Er meinte wohl ich könnte ihn gebrauchen.

„Weißt du wie man damit umgeht?“, fragte der Engel.

„Nicht wirklich.“, gab ich zurück.

Yuan stöhnte erneut. „Hast du immer Kratos das kämpfen überlassen?!“, maulte er.

„Ich kämpfe mit einem Stab. Es…beinhaltet weniger töten.“ Das letzte sagte ich etwas leiser. Der Blauhaarige schien es dennoch verstanden zu haben.

„Hör zu. Die Engel gegen die wir gleich kämpfen müssen sind nicht wirklich lebendige Wesen. Sie fühlen nichts. Eigentlich sind sie schon so was wie tot.“, erklärte Yuan.

„Wir kämpfen gegen Engel. So welche wie Kratos?“ Ich klammerte mich etwas ängstlich an den Dolch.

„Nein nicht wie Kratos. Kratos und ich, wir sind in der Lage zu fühlen. Die anderen Engel sind wie Puppen. Sie schlafen nicht, essen nicht, fühlen nicht, sie leben nicht.“, meinte Yuan.

Ich war immer noch unsicher.

„Ich weiß dass es schwer ist, aber wenn du Kratos retten willst, musst du dieses Opfer halt bringen. Stich einfach mit dem Dolch zu.“, forderte Yuan.

Als ich auf den Dolch sah, merkte ich wie meine Hände zitterten. Kratos wollte, dass ich diese Waffen zu meinem Schutz einsetzte. Nicht zum Töten seiner Spezies.

„Du musst sie ja nicht gleich töten. Verletzt sie einfach, so dass sie nicht mehr kämpfen können.“

Ich nickte. „Aber wo ist denn bitte der Turm des Heils?“

Yuan packte mich am Handgelenk und zog mich weiter auf die Lichtung zu. Plötzlich erschien ein weißer, schier unendlich langer Turm vor uns.

„Dieser Ort ist mit beiden Welten verbunden.“, erklärte Yuan. Er meinte wohl Tethe’alla. Kratos hatte das ja erwähnt.

„Er scheint im Inneren zu sein. Also gut. Ich tue so als hätte ich dich gefangen. Im Inneren lass ich dich frei und du versuchst Kratos zu retten. Ich gehe derweil zum Computerraum und sorge mit einer technischen Störung für Durcheinander.“, beschrieb Yuan den Plan.

„Das heißt, ich begebe mich in Gefahr und du bist fein raus.“, maulte ich.

„Gut erkannt. Ich kann es mir momentan aber nicht leisten erwischt zu werden.“, meinte er.

„Und was wenn das eine Falle von dir ist.“, entgegnete ich provokant.

Der Blauhaarige verdrehte erneut die Augen. „Warum sollte ich dir eine Falle stellen? Du bist doch so gut wie wehrlos. Ich könnte dich locker gefangen nehmen ohne diesen ganzen Aufwand.“

„Ich bin nicht wehrlos! Ich hab einen Dolch!“, fauchte ich und hielt Yuan drohend den Dolch entgegen.

„Mit so etwas hättest du keine Chance gegen mich. Selbst Kratos könnte mit dem kleinen Ding nicht viel gegen mich ausrichten und er beherrscht es sicherlich viel besser als du.

„Schön, ich mach mit!“, knurrte ich beleidigt. Dieser doofe Engel ging mir auf die Nerven.

„Na dann komm niederes Wesen!“, befahl der Blauhaarige arrogant.

Mit einem „Päh“ folgte ich ihn.

Wir kamen an eine Brücke aus… blauen Licht? Etwas fraglich beäugte ich dieses Ding.

Davor standen zwei Engel.

„Lord Yuan!“, sagte einer demütig.

„Ist Lord Yggdrasill hier?“, fragte der Blauhaarige.

„Nein noch nicht.“, kam als monotone Antwort. So wie Kratos wirkte der Engel wirklich nicht. Er hatte gänzlich weiße Sachen an. Dazu trug er eine Lanze. Seine Flüge waren weiß und sahen so aus wie man sich Engelsflügel eigentlich vorstellte. Sie bestanden aus Federn.

Die Augen des Engels wirkten irgendwie leer und kalt. Auch bei dem anderen war das so, Meinte Yuan das etwas mit „Sie fühlen nichts.“?

„Ich habe eine Gefangene. Das Angelus-Projekt. Ich bringe sie rein.“, sprach Yuan firm.

„Jawohl Lord Yuan!“, kam nur als Antwort. Dann ging Yuan über die Treppe.

Immer noch suspekt sah ich das Ding an. Konnte man da wirklich drüber laufen, auch wenn man kein Engel war.

„Komm du erbärmliche Kreatur!“, schrie Yuan. Er packte mich an den Haaren und zog mich vorsichtig. Schnell folgte ich ihm.

„Musste das sein!“, flüsterte ich wütend zu ihm.

„Wenn du nicht mitkommst. Was soll ich da sonst machen.“, kam nur als Antwort.

Das innere des Turms behagte mir gar nicht. Ich könnte schwören, dass um uns Särge schwebten. Mir lief ein Schauer den Rücken runter.

Zum Glück erreichten wir bald den nächsten Raum. Dieser war voller Engel. Am Rand waren Säulen. In der Mitte war eine Blaue Plattform. Von hier aus konnte man auch weit nach oben gucken.

Dann erkannte ich ihn. Kratos. Er saß an eine Säule gefesselt. Er sah nach unten, bemerkte Yuan und mich also nicht. Neben ihm stand ein Engel. An der nächsten Säule lag Kratos Schwert und die Rucksäcke.

„Jetzt bist du dran!“, flüsterte Yuan.

Ich schluckte, packte den Dolch und lief los.

„Kratos!“, schrie ich, während ich auf den Rothaarigen zu lief. Sofort stellten sich mir Engel in den Weg. Ich zog das Messer und stach zu. Allerdings wich der eine aus. Also schlug ich mit dem Dolch um mich. Allerdings kam ich dabei nicht wirklich voran. So würde ich nie zu Kratos kommen. Trotzdem machte ich weiter.

Jetzt hörte ich wie sich eine Tür öffnete. Ich sah zur Seite. Aus der Tür kam wie ein grüner Blitz Noishe geschossen. Der Protozoan schmiss sich auf die Gruppe von Engeln vor mir und zerfleischte einen dabei halb.

An Noishe hatte ich gar nicht mehr gedacht. Yuan hatte ihm wohl die Tür geöffnet.

Jetzt hatte ich auf jeden Fall freie Bahn zu Kratos. Dieser hatte mich wohl auch schon bemerkt, da er mich ansah.

Schnell lief ich zu ihm hinüber.

„Was machst du hier, Anna?“, fragte er sichtlich überrascht.

„Dich retten natürlich.“, sagte ich keck und versuchte mit dem Dolch seine Fesseln zu lösen.

„Das sind Metallketten. Die kriegst du mit einem Dolch nicht kaputt.“, meinte er.

„Dann brauche ich wohl den Schlüssel.“, stellte ich fest.

„Der Engel mit den schwarzen Flügeln dort hat ihn.“, rief der Rothaarige, wobei er auf einen Engel weiter weg deutete.

„Okay warte du hier!“, gab ich zurück, worauf Kratos mich blöd ansah.

Ich eilte auf den Engel zu und griff ihn mit dem Dolch an. Er zog einfach ein Schwert und blockte ab.

„Scheißengel!“, fluchte ich. Mein Gegner gab keinen Mucks von sich.

Ich war ihm unterlegen. Seine Reichweite mit dem Schwert war einfach viel größer.

„Anna, mein Schwert!“, hörte ich Kratos rufen.

Ich blickte auf das rote Schwert, was nur ein paar Meter neben mir lag.

Ich wich einen Schwerthieb des Engels aus und hechtete zu der Waffe. Den Dolch steckte ich weg. Nun hielt ich das Schwer mit beiden Händen fest und trat dem Engel gegenüber.

Wie kämpfte man mit so einem Ding? Ich hatte doch keine Ahnung. Wie machte Kratos das? Er hielt es glaube ich nur in einer Hand. Ich hielt es lieber mit beiden Händen fest. Nun schwang ich es herum. Der Engel parierte. Auch mein nächster Angriff misslang. Ich kam mit dem Ding echt nicht klar. Warum konnte es auch kein Stab sein.

Ich beschloss auf Distanz zu gehen. Der Engel folgte mir nicht. Er stand nur stumm da.

Was machte der denn? Vielleicht sollte ich ihn mit dem Messer bewerfen?

Plötzlich spürte ich ein Kribbeln. Dann durchfuhr mich ein gewaltiger Schlag, sodass ich zitternd auf die Knie sank. Der Engel hatte mich mit Magie angegriffen. Natürlich Kratos beherrschte ja auch Magie.

„Anna, pass auf!“, schrie der Rothaarige nun.

Mein Gegner ließ sein Schwert auf mich hinab sausen. Schnell rollte ich mich zur Seite, griff Kratos Schwert und stach blind zu. Ich spürte kurz einen Widerstand. Ich hatte wohl was getroffen. Dann glitt das Schwert ein Stückchen weiter.

Ich öffnete die Augen und sah den Engel vor mir. Seine Hände fielen schlaff nach unten. Sein Schwert fiel auf den Boden. Völlig geschockt weiteten sich meine Augen. Kratos Schwert steckte in seiner Brust. Sofort ließ ich es los. Der Engel sackte zu Boden und fiel auf die Seite. Regungslos blieb er liegen.

Ich hatte ihn getötet. Ich. Mein ganzer Körper begann zu zittern. Das hatte ich nicht gewollt. Ich wollte mich nur selbst verteidigen. Ich wollte doch nur….

„Anna, komm zu dir!“, hörte ich Kratos schreien. Der Engel war ja immer noch gefangen. Der Schlüssel. Ich wollte den Schlüssel holen. Voller ekel sah ich auf den toten Körper vor mir. Ich kroch nach vorne und wühlte in der Tasche des Engels herum. Schnell fand ich den Schlüssel. Damit rannte ich zu Kratos.

„Alles klar, Anna?“, fragte Kratos besorgt. Ich merkte wie meine Hände zitterten, als ich das Schloss öffnete. Tränen liefen mir auch durchs Gesicht.

„Ist ja gut.“, beruhigte mich Kratos. Er schloss mich in seine Arme. Ich drückte mich an ihn.

„Wir müssen erst mal hier raus.“, sagte er und stand auf. Ich kam ebenfalls eher wackelig auf die Füße.

Noishe beschäftigte sich immer noch mit dem Großteil der Engel. Der Protozoan schnappte und krallte wild um sich. Die Engel waren ihm unterlegen. Noishe wollte ich lieber nicht zum Feind haben. Nun entfernte sich ein Engel aus der Gruppe und rannte auf uns zu.

„Steh da nicht so rum! Komm schon!“, schrie Kratos. Er zog mich am Ärmel. Ich wollte ihm folgen, stolperte allerdings und fiel hin. Die Chance ließ sich der feindliche Engel nicht entgehen. Er ließ sein Schwert nach vorne sausen, um mich aufzuspießen.

War das jetzt mein Ende. War das die Strafe für den Mord an dem Engel?

Ich sah wie Kratos neben mich trat. Mit seiner linken Hand schlug er auf die heran schnellende Klinge des Engels. Durch den Schlag landete die Schwertspitze im Boden direkt vor mir. Nun schlug Kratos den Engel mit seiner rechten Faust. Der war erst mal erledigt.

„Alles OK?“, fragte der Rothaarige. Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er mich auf die Füße. Nun rannten wir zu den Rücksäcken.

Kratos zog sein Schwert aus der Leiche des Engels. Dann reichte er mir dessen Schwert.

Vehement schüttelte ich den Kopf.

„Nur zu Verteidigung. Du brauchst damit niemanden anzugreifen.“, rief er eindringlich.

Widerwillig nahm ich die Waffe.

Kratos hängte sich die Rucksäcke um und rannte mit mir im Schlepptau zur Tür.

Doch plötzlich kam eine ganze Schar Engel.

„Wie die Fliegen!“, maulte der Rothaarige. Mit ein paar gekonnten Schwerthieben erledigte er die Engel. Wie einfach es doch für ihn war zu töten. Sie waren zwar unsere Feinde, aber trotzdem. Ich könnte so etwas nie. Kratos war ja auch ein Engel. Engel fühlten nichts hatte Yuan gesagt. War das bei Kratos auch so? War es ihm deshalb egal?

„Noishe!“, schrie Kratos nun. Der Protozoan befreite sich aus der Engelschar und rannte zu uns.

Wir rannten nach draußen. Die Tür hinter uns schloss sich und schien auch nicht wieder aufzugehen. Musste wohl Yuans Werk sein.

Endlich draußen rannten wir durch den Wald. Meine Beine taten schon weh, aber trotzdem konnte ich nicht anhalten.

Dann stoppte Kratos. „Ich glaube wir haben sie abgehängt.“

Ich musste erst mal verschnaufen. An meiner Hand spürte ich etwas Komisches. Entsetzt sah ich sie an. Blut! War das etwa mein Blut? Nein. Ich wurde doch gar nicht verletzt. Aber wessen… Kratos hatte doch nach meiner Hand gegriffen. Ich sah auf seine linke Hand. Er war verletzt. Jetzt fiel mir auch ein woher. Er hatte das Schwert des Engels mit der bloßen Hand nach unten geschlagen. Natürlich hatte er sich dabei geschnitten.

„Du bist verletzt.“, bemerkte ich nun.

„Ach das? Ist nicht schlimm.“, sagte er lässig. Dabei sah er kurz seine Hand an.

„Doch ist es! Her mit der Pfote!“, fauchte ich und griff seine Hand.

Es blutete noch etwas, allerdings nicht sehr stark. Trotzdem sollte es verbunden werden.

Also nahm ich mein Haarband und wickelte es um seine Hand.

„So das ist besser.“, sprach ich zufrieden.

„Eh danke.“, sprach Kratos…schüchtern? Er sah auch etwas unsicher zu Boden. Passte irgendwie gar nicht zu ihm. Die Phase hatten wir doch schon überwunden.

Da fiel es mir schlagartig wieder ein. Wir hatten uns ja gestritten. Zumindest hatte ich Kratos angeschnauzt. Kein Wunder warum er sich so seltsam verhielt.

„Also…ich wollte dich noch etwas fragen.“, sagte ich nun auch etwas unsicher.

„Mhm.“, kam nur als Antwort. Typisch Kratos!

„Also…du arbeitest doch für Cruxis und die Desians?“

„Ja das habe ich wohl.“, sagte er.

„Warum hast du die Gefangen der Menschenfarmen überhaupt befreit. Das verstehe ich nicht. Mich als Experiment bei dir zu haben, macht ja noch Sinn….aber das.“, sprach ich nun. Eigentlich wollte ich das gar nicht fragen. Ich wollte eigentlich fragen, ob Kratos mich benutzt hatte. Allerdings traute ich mich das nicht.

„Wie? Dich als Experiment? Ich habe nicht gewusst, dass Mi…Yggdrasill so etwas auf den Menschenfarm getan hatte. Auch wenn das natürlich keine Ausrede ist. Da habe ich mich halt gegen die Desians gestellt.“, erklärte er.

Ich seufzte. „Also…“ So richtig wusste ich nicht wie ich es sagen sollte? „Hast du…mich nur als Experiment benutzt?“

Jetzt sah ich ihn an. Wie würde er wohl antworten. Würde er versuchen sich rauszureden?

Sein Gesicht sah nun noch mehr fragend aus. „Ich verstehe nicht ganz? Wieso sollte ich dich als Experiment halten?“

Spielte er jetzt nur den Unwissenden oder war er ehrlich.

„Na dieser Yggdrasill hat gemeint, du hättest mich nur benutzt. Dass du mit mir forschen wolltest.“, sprach ich etwas unsicher. Irgendwie glaubte ich ja jetzt schon nicht mehr, dass Kratos so etwas tun könnte. So war er einfach nicht.

„Das stimmt nicht! So etwas könnte ich niemals tun. Warst du deshalb so sauer?“, entgegnete der Engel. Er war nun etwas außer sich.

„Auch…Aber auch weil du mir alles verschwiegen hast. Du hättest mir doch gleich die Wahrheit sagen können!“, maulte ich.

„Ich wusste nicht wie. Außerdem hättest du mir bestimmt nicht geglaubt oder du wärst sauer gewesen.“, erklärte er.

„Das ist doch keine Entschuldigung!“, schimpfte ich und drehte mich leicht zur Seite.

Eigentlich war ich gar nicht böse. Ich hatte Kratos auch schon längst verziehen. Ich wollte ihn nur etwas zappeln lassen. Strafe musste sein.

„Bitte verzeih mir, Anna. Ich…ich möchte, dass du bei mir bist. Du fehlst mir.“

Das brachte mich jetzt völlig aus dem Konzept. Dass er sich entschuldigte, war ja okay, aber das?

Mehr kam allerdings nicht. Was erwartete ich auch? Dass Kratos auf Knien vor mir rumrutscht und mich anfleht zu ihm zurück zu kommen? Das war immerhin Kratos. Die paar Worte waren schon viel für ihn. Eigentlich reichte mir das auch.

Kratos sah leicht nach unten. Wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz. Es war vielleicht etwas schräg Kratos mit einem Hund zu vergleichen. Ich hatte ihn auch noch nie in solcher einer Demutshaltung gesehen. Stand ihm auch gar nicht. Seine starke, ruhige manchmal auch stolze Ausstrahlung passte besser zu ihm. Auch wenn er gut darin war sich runterzumachen.

Ich ging auf ihn zu und küsste ihn. Kratos erwiderte den Kuss sofort.

„Ich verzeihe dir.“, sagte ich, als ich mich von ihm löste.

Kratos lächelte mich leicht an. Das Lächeln war es echt wert gewesen.

„Ein Lächeln steht dir wirklich ungemein.“, sprach ich und küsste ihn erneut. Dann legte ich meinen Kopf auf seine Schultern.

„Ist das auch in Ordnung für dich weiter mit mir zu kommen. Immerhin bin ich schuld an deiner ganzen Situation.“, meinte Kratos.

„Ja. In meiner jetzigen Situation bin ich ziemlich glücklich.“, gestand ich, auch wenn ich wusste worauf er hinaus wollte.

„Aber…ich bin 4000 Jahre alt. Stört dich das nicht.“

„Bei wahrer Liebe ist das Alter doch egal. Außerdem siehst du aus wie 28.“

Kratos seufzte. „Du bist unverbesserlich.“

„Nein du. Hör auf immer so viel an dir herum zu mäkeln. Du bist gut so wie du bist.“, sagte ich.

„Hör du auf mich immer in den Himmel zu heben. Ich habe viel Leid verursacht.“

„Warum denn nicht? Engel gehören in den Himmel. Außerdem ist es mir egal was du in der Vergangenheit verbrochen hast. Viel wichtiger ist, was du jetzt tust. Und ich sehe einen Mann, der bemüht ist anderen zu helfen.“, sagte ich überzeugt.

Kratos lächelte erneut. „Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“

„Aber eines wollte ich dich auch noch fragen.“, rief ich nun.

Mal wieder ein typisches „Mhm“

„Also…“ Wie sollte ich anfangen? „…dieser Yuan hat gemeint, dass Engel nicht wirklich leben. Wie darf ich das verstehen? Warum ist das so?“

„Das liegt am Cruxis-Kristall. Wie ein Expheres übernehmen auch Cruxis-Kristalle ihren Wirtskörper. Engel werden also gefühllos. Sie können nicht schlafen. Sie können nicht essen. Spüren keine Kälte, Wärme oder Schmerzen. Auch Gefühle nehmen sie nicht wahr.“

„Und…ist das bei dir auch so? Also ich meine du isst und schläfst und so aber…“

Kratos war ja schließlich auch ein Engel. Sicher er war anders. Hatte Yuan ja auch gesagt, aber es musste doch Ähnlichkeiten geben.

„Ich bin mir nicht sicher.“

Das war jetzt echt verrückt. Wie konnte man so was nicht wissen. Man muss doch wissen, ob man Gefühle hatte oder nicht?

„Bei Yggdrasill ist das fast so wie bei den Engeln. Er…isst nicht, er schläft nicht.“

„Er ist eiskalt und gefühllos.“, ergänzte ich mürrisch.

„Er trägt allerdings eine richtige Schutzfassung. Nicht wie die anderen Engel. Eine Schutzfassung wie Yuan und ich. Daher weiß ich nicht ob der Kristall bei mir nicht denselben Effekt hätte. Ich esse, habe ja auch Hunger, aber…wahrscheinlich müsste ich nicht essen. Es ist wohl nur Gewohnheit. Genau wie schlafen. Der Cruxis-Kristall verändert den Metabolismus. Das heißt Engel altern nicht, brauchen daher auch keine Energie für Wachstum, Stoffaufbau oder Ähnliches. Essen ist also eigentlich nicht nötig.“, erklärte Kratos. Er war etwas in Gedanken. Wahrscheinlich dachte er auch oft über dieses Thema nach. Musste ja komisch sein nicht essen und nicht schlafen zu müssen. Schlafen fände ich ja noch ok. Bestimmt praktisch, aber essen. Niemals würde ich mir die Freude am Essen nehmen lassen.

„Ich tue es halt einfach, weil ich es früher immer gemacht habe. Als ich noch normal war. Kein Engel. Mit Gefühlen tue ich mich ja auch recht schwer. Vielleicht unterdrückt mein Kristall sie teilweise. Vielleicht habe ich manche Gefühle einfach nur vergessen. Wenn man 4000 Jahre zwischen leblosen Engeln verbringt, sind Gefühle wohl unnötig. Deswegen habe ich wenigstens versucht weiter zu essen und zu schlafen, um wenigsten ein bisschen Menschlichkeit zu behalten.“

Ich war völlig fasziniert. Kratos war sonst nicht derjenige, der so was von sich preisgab. So konnte ich ihn wenigstens etwas verstehen. Ich konnte mir vorstellen wie Kratos sich gefühlt haben musste. Darum war er so…kühl und unnahbar. Und gleichzeitig so einsam und traurig.

„Trotzdem habe ich Yggdrasill gedient. Ich habe ihn machen lassen. In meiner Gleichgültigkeit habe ich ihm geholfen, die Welt zu dem zu machen, was sie heute ist. Ein Ort in dem Menschen geopfert werden, nur um seine kranken Ziele zu erfüllen. Ich bin auch nur ein Engel wie die anderen.“

„Nein das stimmt nicht.“, unterbrach ich Kratos. „Du bist nicht wie die anderen. Du bist anders. Du bist auch nicht so gleichgültig wie du denkst. Immerhin hast du mich gerettet. Und auch viele andere Menschen. Du hast dich auch entschieden gegen Yggdrasill zu kämpfen oder nicht.“

Ich wollte nicht das Kratos sich so sehr hasste. Er hasste die Engel, er hasste es, dass er ein Engel war. Dabei hatte er keinen Grund sich zu hassen.

„Mein Entschluss gegen Yggdrasill zu kämpfen war nur halbherzig. Ich wollte ihn eigentlich nicht wirklich gegen ihn kämpfen. Ich lehnte seine Taten zwar ab, aber wirklich kämpfen wollte ich eigentlich nicht.“

„Aber das tust du doch jetzt. Du hast die ganzen Menschen befreit. Du hast gegen die Desians gekämpft.“, widersprach ich erneut.

„Eigentlich war ich immer wie die anderen. Ich war fast innerlich tot. Ich existiere zwar schon 4000 Jahre, aber gelebt habe ich nicht…zumindest nicht bis ich dich getroffen habe.“

„Mich?“, brachte ich nur hervor. Was meinte der Rothaarige jetzt wieder? Was hatte ich damit zu tun.

„Du bist so völlig anders als ich. Als die Engel. Du bist voller Leben. Du freust dich über die kleinsten Sachen und liebst das Leben richtig. Und das obwohl du schon so viel durch gemacht hast. Mir war es bisher immer egal, ob ich lebe oder sterbe, aber du bist so lebensfroh wie kein anderer Mensch. Das finde ich so gut an dir. Durch dich fühle ich mich zum ersten Mal seit 4000 Jahren wieder lebendig. Nicht wie ein Engel.“

Ich wurde rot. Das berührte mich total. Dass ich so wichtig für Kratos war, hatte ich nicht gedacht. Ich war völlig überwältigt. Das war echt unglaublich.

„Oh Kratos.“, nuschelte ich nur. Dann fiel ich dem Engel um den Hals.

„Ich…bin froh, dass ich dich kenne. Ich liebe dich wirklich, Anna.“

„Ich dich auch. Aber hör auf dich immer selbst zu hassen. Du bist eine tolle Person. Auch wenn du 4000 Jahre alt bist. Auch wenn du bisher vielleicht nichts gegen Yggdrasill unternommen hast. Du tust es jetzt. Und ob Engel oder nicht. Du bist immer noch ein Mensch.“

Kratos war nun überrascht. Er lächelte aber. „Wenn es dir nichts ausmacht, dich mit mir abzugeben.“

„Habe ich dir nicht schon tausendmal gesagt, dass es mir nichts ausmachst. Du wirst mich nicht mehr los, Mister Engel. Und jetzt wird nicht mehr Trübsal geblasen.“, befahl ich.

„Was auch immer du sagst, Sir.“, gab Kratos lächelnd von sich. Dabei salutierte er.

„Spinner!“, meckerte ich und schuppte ihn. Dann rannte ich voraus. Kratos folgte mir langsam. Und so ging unsere Reise weiter.

Zärtlichkeiten und andere Ängste(Annas Sicht)

„Kratos?“

„Ja, Anna?“

Ich kicherte bei dem Anblick vor mir.

Kratos lag müde neben mir, während ich mit einer seiner Strähnen spielte. Irgendwie war mir schon klar, dass ich meinen Freund vom Schlafen abhielt. Ich konnte aber nicht anders.

„Bist du noch wach?“, ärgerte ich ihn. Dabei küsste ich ihn leicht auf die Nase.

Ein leises „Mhm“ war die einzige Antwort.

Kratos Augen waren geschlossen. Er lag auf der Seite zu mir gewandt. Sein Arm lag auf meiner Hüfte.

Ich fragte mich ob er je die Beherrschung verlor. Ich wäre schon an die Decke gegangen, obwohl hier im Freien keine Decke war. Wir hatten unser Nachtlager auf einer kleinen Lichtung aufgeschlagen. Noishe hielt Nachtwache.

„Ich liebe dich, Kratos.“, sprach ich nun wieder.

Keine Antwort.

„Kratos?“

„Ja?“ Seine Stimme war so niedlich, wenn er müde war.

„Liebst du mich auch?“

„Ja“

Nun setzte ich mich auf und hockte mich neben Kratos. Er reagierte nicht.

„Attacke!“, schrie ich und sprang auf ihn drauf.

Wir drehten uns einmal bis ich wieder auf Kratos lag.

Er sah mich wenig begeistert an. „Hast du auch einen Aus-Knopf?“, fragte er leicht genervt.

Ich kicherte.

„Habe ich nicht. Ich möchte mit dir kuscheln.“, bettelte ich. Dabei setzte ich meinen Dackelblick auf.

„Wir haben doch gerade gekuschelt.“, maulte er leicht.

Ich schmiegte mich an ihn. Er streichelte mir über den Rücken.

Mit meinen Händen spürte ich seinen stark bemuskelten Oberkörper. Kratos hatte ja wie immer beim Schlafen nur seine Unterhose an.

Mir wurde auf einmal ganz heiß. Schnell drückte ich meinen Kopf an seine Brust, damit er nicht sah wie ich rot wurde.

//An was du wieder denkst, Anna!//

Mir kam die Szene in den Sinn, wo ich das erste Mal bei Kratos im Bett lag. Damals dachte ich ähnlich. Nur dass ich diesmal wusste, dass Kratos eine Hose trug. Eigentlich immer noch schade. Ich fragte mich wie er wohl so war.

Ich zuckte zusammen und drückte mich an Kratos. Schon allein der Gedanke machte mich irre.

„Anna? Bist du in Ordnung?“, fragte mich der Rothaarige.

„Ja.“, antwortete ich leise.

Warum sollten wir es eigentlich nicht mal probieren? Wir waren schon ein paar Monate zusammen. Kaum zu glauben, dass wir noch nie miteinander geschlafen hatten.

Ich war es gewohnt, dass der Mann den ersten Schritt machte. Zumindest was so etwas anging. Norman war ja da auch immer fordernd.

Es war ja nicht gerade so als hätte ich Sex bisher immer abgelehnt, aber da ich Norman nicht liebte, war es nicht unbedingt ansprechend für mich.

Bei Kratos war das anderes. Wie konnte man bei ihm nicht mit ihm in die Kiste springen wollen? Er war so attraktiv und gut aussehend. Wie hatte ich es überhaupt so lange ausgehalten ohne ihn gleich ran zunehmen.

Wieder zuckte ich zusammen. Das war wirklich nicht meine Art. Aber Kratos war so zurückhaltend. Er zeigte nicht das geringste sexuelle Interesse an mir. Er sah mich liebevoll an, küsste mich und kuschelte mit mir, aber Ansätze von mehr als das hatte ich nicht bemerkt. Ich konnte mir auch schwer vorstellen, dass Kratos überlegte wie er mich am besten Flachlegen konnte. Er konnte allerdings gut lügen und Sachen vor mir geheim halten.

Ich sah ihn an.

Kratos sah mich halbverschlafen an. Auch bei genauen Hinsehen erkannte ich keinen anzüglichen Ausdruck in seinem Gesicht oder in seinen Augen.

Ob ich es einfach mal darauf anlegen sollte? Mal sehen, ob er nicht doch mehr wollte.

Bei dem Gedanken kribbelte es mir angenehm unter der Haut.

Ich kroch etwas nach vorne und küsste ihn am Hals. Erst langsam anfangen. Ich wollte ja nicht gleich über ihn herfallen.

„Ich dachte du wolltest kuscheln und nicht knutschen?“, gab er nur müde von sich.

Ich schwieg und machte weiter. Mit meiner Zunge leckte ich nun seinen Hals entlang.

Kratos zeigte nicht die geringste Reaktion. Kein Zucken, keine Gänsehaut, kein seufzen oder ähnliches.

Entweder war ich eingerostet und stellte mich blöd an oder Kratos hatte keine Ahnung, was ich von ihm wollte.

Ich strich mit meiner rechten Hand langsam über seinen Oberkörper. Voller Lust sah ich ihn an. Der Engel sah mich verwirrt an. Eine Augenbraue zog er fragend nach oben.

Das beantwortete meine Frage: Er hatte keine Ahnung, was ich von ihm wollte. Er hatte mir ja erzählt, dass er vor mir noch nie in einer Beziehung war. Dann hatte er folglich auch noch nie mehr. Das hatte ich ihm natürlich nicht geglaubt. 4000 Jahre alt und noch nie verliebt. So wie er sich benahm, schien es aber zu stimmen. Auch seine jetzige Reaktion passte dazu.

Also musste ich ihm wohl deutlich machen, was ich wollte.

Vorsichtig glitt meine Hand unter seine Unterhose. Jetzt war ich erst recht aufgeregt. Was würde Kratos wohl machen. So langsam musste er doch merken, was ich von ihm wollte.

So schien es zumindest. Kratos sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Dann ging alles ganz schnell. Der Engel schubbte mich mit einem Ruck von ihm runter. Dann kroch er etwas weiter weg und stand auf.

„Ich muss mal kurz was trinken.“, sagte er noch bevor er Richtung Fluss marschierte.

Ich sah ihm verdattert hinterher. Das war ja wohl voll die Pleite. So hatte ich das nicht geplant. Wie hätte ich auch erwarten können, dass er gleich panisch die Flucht ergreifen würde?

Ich seufzte und sah in die Richtung, in die der Engel gegangen war.

Woran es wohl lag? War ich nicht attraktiv genug? Fand er mich nicht sexy? War er einfach nur unsicher? Ode war es wieder dieses „Ich will dich nicht in Gefahr bringen.“ Ding von ihm? Vielleicht lag es ja auch daran, dass Kratos ein Engel war. Pflanzten sich Engel anders fort? Vielleicht ein bisschen magische Bestäubung und Voila! Würde Kratos es dann nie wollen? Das würde bestimmt echt schwer werden für mich. So ganz ohne.

Am besten war es wohl, ihn darauf anzusprechen. Also wartete ich. Allerdings kam der der Rothaarige ewig nicht wieder. Zwischenzeitlich sah ich fragend zu Noishe. Dieser sah mich aber ebenfalls unwissend an.

Schlief Kratos jetzt am Fluss? Wollte er jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben?

Erschöpft legte ich mich ebenfalls hin. Morgen würde er ja hoffentlich wieder kommen.

Die Sonne war schon längst aufgegangen, als ich aufwachte. Wie üblich war Kratos schon wach. Er bereitete wohl gerade das Frühstück vor.

Was sollte ich jetzt machen? Eigentlich wollte ich mit ihm reden, aber ich hatte Angst, dass er mich zurückweisen würde. Was wenn ich jetzt alles zwischen uns kaputt gemacht hatte?

„Morgen“ sagte ich erst mal und schlenderte zu ihm herüber.

„Morgen. Du stehst mal von alleine auf?“, zog mich der Engel auf.

Das war schon mal ein gutes Zeichen. Er war nicht böse oder ähnliches.

„Ja kannst du mal sehen!“, fauchte ich zurück.

„Ich mache Spiegelei mit Schinken. Ist das nach deinem Geschmack?“, fragte er.

„Na klar! Ich esse alles!“, antwortete ich energisch.

„Mit sauren Gurken.“

Darauf bekam der Engel eine Kopfnuss. „Das nicht!“

Ich setzte mich neben Kratos. Wie fing ich an? Einfach darauf los!

„Was war denn gestern Abend mit dir?“ Ich tat einen auf unschuldig. Es war doch nichts Unnormales vorgefallen. Eigentlich war es ja auch schon unnormal, dass wir noch nie miteinander geschlafen hatten.

Kratos zuckte zusammen. „Was meinst du?“

Jetzt spielte er den Dummen. „Du weißt genau, was ich meine, Bin ich etwas nicht attraktiv genug oder was ist das Problem?“, fragte ich nun. Vielleicht lag es ja auch an mir.

„Nein natürlich nicht. Es ist nur…ich habe das noch nie gemacht und ich…“

„Kein Problem, ich zeig dir schon wie’s geht!“, unterbrach ich den Rothaarigen selbstsicher.

Er errötete leicht. Sex war nicht gerade sein Lieblingsthema.

„Nein. Ich will einfach nicht. Ich glaube nicht, dass ich für Sex gemacht bin.“, meinte er.

„Na klar bist du das! Ich bin sicher du willst es auch. Ich muss dich nur richtig bearbeiten.“, sprach ich verführerisch. Dabei umarmte ich Kratos.

Er rutschte etwas weg. „Nein. Ich will das nicht. Tut mir ja Leid. Wenn du Sex so unbedingt brauchst, musst du jemand anderen suchen. Ich kann das einfach nicht.“

Ich machte einen Schmollmund. „Komm schon. Versuch es doch einfach mal.“

Kratos schüttelte den Kopf.

„Für mich.“

„Auch nicht für dich.“, lehnte er ab.

„Gib mir wenigstens eine Chance. Wetten ich schaffe es, dich zu verführen.“, rief ich provokant.

„Dann versuche doch dein Glück. Wenn du mich danach in Ruhe lässt. Du wirst es eh nicht schaffen.“

„Okay. Wenn ich es heute nicht schaffe, dich rumzukriegen, lass ich dich damit in Ruhe. Du musst mich aber auch eine Chance geben.“, sagte ich.

„Von mir aus.“, stimmte er zu.

Nun kroch ich auf ihn zu, und wackelte langsam mit dem Hintern. „Gefällt dir das? Komm schon.“, sagte ich heiß und packte Kratos Oberteil.

„War ja klar, dass du gleich damit anfängst. Nein ich will nicht.“, gab der Engel von sich. Dabei nahm er meine Hand von seinem Oberteil weg.

Beleidigt sah ich ihn an. „Das wird schon noch!“

Also aßen wir zunächst. Dann kam der zweite Versuch.

„Kratos würdest du mir bitte helfen? Ich hab Probleme mein Nachthemd auszukriegen.“

Der Engel seufzte: „Das kriegst du auch alleine hin.“

„Nein.“, sagte ich und ging auf ihn zu. Dabei schmiegte ich mich von hinten an ihn. Ich rieb meinen Körper etwas an seinen.

„So kriegst du es bestimmt nicht aus.“, konterte der Rothaarige.

„Blödmann!“, fauchte ich ihn an. Dann zog ich mich an.

Ich unternahm noch mehrere Versuche. In einer Stadt ging ich mit dem Engel shoppen. Ich probierte vor ihm extra knappe Wäsche an. Er reagierte allerdings nicht.

Auch als Kratos mich trug und ich voller Lust stöhnte und ich so tat als würde ich schlafen, gab er keine Reaktion von sich.

Vielleicht hatte er ja Recht. Vielleicht wollte er es ja wirklich nicht. Vielleicht brauchte er es auch einfach nicht. Immerhin war er ein Engel. Bei Engeln lief die ganze Sache wahrscheinlich ganz anders ab. Vielleicht wurde der Gegenüber da im Handumdrehen mit etwas Zauberei schwanger. Dann hatte es wohl keinen Sinn mit Kratos schlafen zu wollen. Obwohl ich schwören konnte, er wollte es auch. Allerdings ließ er sich nie so schnell gehen. Er hörte ja eher auf seinen Kopf. Vielleicht musste ich ihn einfach mal überrumpeln. Letzte Nacht war er ja auch völlig durch den Wind.

Einen Plan hatte ich noch. Wenn das nicht klappte, gab ich auf. Aber erst mal sehen.

„Kratos? Ich würde gerne schwimmen gehen.“, bat ich.

Na dann mal ran ans Werk!

Überwältigt(Kratos Sicht)

Ich beobachtete Anna ab und zu beim Schwimmen. Sie schwamm durch den See, auch ans andere Ufer, dann wieder zurück. Ab und zu warf sie mir einen Blick zu.

Ich legte mich hin und sah zum Himmel. Es war entspannend so zu liegen. So konnte ich dem Wind lauschen. Auch das Wasser nahm ich wahr. Anna war schon etwas näher geschwommen.

Ich hob meinen Kopf leicht. Sie schwamm ein paar Meter entfernt umher.

Nun schloss ich wieder die Augen und legte meinen Kopf auf den Boden. Die Ruhe war entspannend. Annas Gesellschaft war auch sehr angenehm, aber manchmal auch etwas anstrengend. Besonders heute. Hoffentlich hatte sie jetzt endlich aufgegeben. Aber wahrscheinlich grübelte sie beim Schwimmen über einen neuen Plan. Wenigstens hatte ich jetzt meine Ruhe.

Obwohl ich zugeben musste, dass es echt schwer war ihr zu widerstehen. Mein Körper war da echt gegen mich. Ich war halt doch nur ein Mann. Ihren Reizen konnte ich kaum widerstehen. Nur mit Mühe ließ ich mir nichts anmerken. Zum Glück war der Tag bald vorbei.

Es passierte ein paar Minuten nichts. Dann fragte Anna: „Komm doch auch mit rein! Das Wasser ist toll.“

„Nein Danke.“ murmelte ich nur.

„Komm schon!“, jammerte sie.

Ich reagierte nicht, bemerkte aber wie Anna aus dem Wasser stieg.

Jetzt würde sie mich wieder auf irgendeine erdenklich Art und Weise nassspritzen. Entweder schüttelte sie sich vor mir wie ein Hund oder nahm ihr Haarband und wrang es über mir aus. Mal sehen was diesmal kam.

Anna war nun ganz nah. Ich bereitete mich schon auf die kalte Dusche vor, hielt meine Augen, aber trotzdem weiter geschlossen.

Es passierte zunächst nichts. Hatte sie diesmal keine Lust mich nass zu machen. War mir ganz recht.

„Ach komm schon, Kratos.“, sagte sie und legte dabei ihre Hände auf meine Schultern.

Ich öffnete die Augen. Anna lehnte über mir und lächelte mich zuckersüß an. Wasser tropfte von ihren Haaren in mein Gesicht. Das war mir momentan aber völlig egal. Das Problem war eher, dass Anna gar nichts an hatte. Sie war völlig nackt. Kein Shirt, keinen Slip oder BH gar nichts.

Ich spürte wie sich Hitze in meinen Wangen bildeten. Hätte ich nur besser aufgepasst. Jetzt hatte mich Anna voll erwischt. Am besten war wohl Rückzug.

Allerdings konnte ich mich nicht bewegen. Nicht weil Anna mich festhielt. Ich hätte sie problemlos wegstoßen können. Mein Körper reagierte einfach nicht. Ich lag einfach nur da und starrte Anna an.

„Überrascht? Das gefällt mir.“, sprach Anna frech. Sie küsste mich nun leicht am Hals.

Nun bekam ich erst recht Gänsehaus. Mein ganzer Körper spielte verrückt. Was machte Anna nur immer mit mir?

Sie rieb ihren Körper nun etwas an meinen. Das machte sie mit Absicht. Dadurch wollte sie mich wohl heiß machen. Allerdings mit vollem Erfolg. Ich war völlig gelähmt. Dabei musste ich doch etwas tun.

Musste ich das? Ich war mir nicht mehr so sicher? Warum ließ ich es nicht einfach zu? Konnte ich mich einfach gehen lassen. Mein Körper wollte ja anscheinend auch mehr.

„Na gefällt dir das?“, sagte Anna nun grinsend. Sie küsste mich nun wieder am Hals.

Mein Kopf schien förmlich zu glühen. Mein Blick wanderte nach unten zu Annas Vorbau. Bisher hatte ich mir ihre Brüste nie so genau angesehen. Jetzt interessierten sie mich aber doch. Was war nur mit mir? Das machte mir irgendwie …Angst? So etwas hatte ich noch nie gefühlt. Es war aber angenehm. Mein Blut stand bestimmt unter Strom.

Anna zog mich leicht zur Seite. Sie fummelte irgendetwas an meinem Rücken herum.

„Ach verdammte Scheiße. Blöde Gurte!“, fluchte sie.

Anscheinend bekam die Braunhaarige meine Sachen nicht aus. Sicherlich eine komische Szene, aber zum Lachen war mir nicht zumute.

Mit meiner Hand griff ich zu einer Gürtelschnalle und öffnete sie.

Anna sah mich nun überrascht an. „Oh danke.“, entgegnete sie nun grinsend.

Beim Rest zögerte sie nicht lange. In Windeseile lag mein Oberteil neben mir. Auch meine Hose verschonte sie nicht.

Ich konnte und wollte nichts machen. Vielleicht sollte ich es einfach darauf ankommen lassen?

Meine Freundin liebkoste nun meinen Bauch. Das verursachte ein Kribbeln in mir. Mein ganzer Körper zitterte. Meiner Kehle entwisch ein leises Stöhnen. Ein weiteres Stöhnen versuchte ich zu unterdrücken. Irgendwie war mir das schon peinlich. Mein Körper drehte total durch.

Anna stützte sich jetzt wieder auf mich. Dabei sah sie mir direkt in die Augen. Ihre Wangen waren leicht errötet. „Warum bist du so verkrampft? Wehr dich nicht dagegen!“

Ich ließ sie also einfach machen. Mein Verstand war sowieso ausgeschaltet. So führte eins zum anderen. Anna bekam ihren Willen und ich erlebte mein erstes Mal.

Nun lag mein Kopf neben Annas.

Für einige Minuten sagten wir beide kein Wort. Dann war es Anna, die die Stille unterbrach:

„Das war richtig gut für dein erstes Mal.“

Ich wusste nichts zu erwidern. Jetzt wo meine Erregung verschwunden war, kamen auch andere Gefühle wie Scham zurück. Jetzt konnte ich auch wieder klar denken.

Was hatte ich da bitte schön gemacht? Wie konnte ich mich nur so gehen lassen?

Ich spürte wie meine Wangen rot wurden. Mir war die ganze Sache total peinlich.

„Was ist los?“, fragte Anna, die mein Erröten mitbekam.

„Ich…schäme mich so.“, gestand ich.

Anna gluckste kurz. „Du brauchst dich doch nicht zu schämen. Fandest du es denn nicht schön?“

Ich sah sie kurz an. Was sollte ich darauf erwidern? Wie fand ich es denn?

„Also es war…das Schönste, was ich je getan habe.“, sagte ich ehrlich. „Aber ich habe… Wir haben…Das war…das war…“, stammelte ich.

„Sex. Das war Sex. Ziemlich guter Sex, wie ich fand.“, ergänzte sie meinen Satz.

Sofort spürte ich wieder die Wärme in mein Gesicht steigen.

„Was? Das ist die natürlichste Sache der Welt. Und du warst ziemlich gut. Auch wenn du etwas wild zum Schluss wurdest. Wir hätten es länger genießen können. Na ja beim nächsten Mal wird es bestimmt noch besser.“, brabbelte Anna begeistert.

„Beim nächsten Mal?!“, sprach ich entsetzt.

„Ja natürlich. Nach der Aktion habe ich Lust auf mehr. Das kannst du mir schlecht verwehren.“, entgegnete sie gähnend. Noch bevor ich irgendetwas sagen konnte, schmiegte sich die Braunhaarige an mich und schloss die Augen.

Ich sah die nun schlafende Anna an. Seufzend legte ich einen Arm um sie.

Eigentlich war ich auch sehr müde. Das hatte mich echt geschafft. Allerdings konnte ich doch jetzt nicht schlafen. Noishe war noch nicht zurück. Es hielt also keiner Wache. Wer passte dann auf, wenn ich jetzt einschlief. Vorhin hatte ich allerdings auch nicht auf unsere Umgebung geachtet. Die Desians oder Engel hätten uns beim Sex töten können. Der Gedanke beschäftigte mich nur kurz, da mir langsam die Augen zu fielen und ich wegdämmerte.

Seltsame Beschwerden(Annas Sicht)

„Hast du den Plan auch verstanden? Oder soll ich ihn für dich nochmal wiederholen.“, sprach ein genervter blauhaariger Halbelf zu mir.

„Stell mich nicht blöder hin, als ich bin! Ich habe den Plan schon verstanden!“, fauchte ich Yuan an.

„Ach wirklich? Bei deinem Spatzengehirn kann man ja nicht wissen.“

„Bitte?! Dein Gehirn ist bestimmt nicht mal so groß wie eine Erbse!“

„Pass mal auf du kleine Dummschwätzerin! Also mal ehrlich. Mit was gibst du dich da nur ab, Kratos?“, zischte Yuan.

Der Angesprochene polierte gerade sein Schwert. Noishe lag neben ihm.

Der Rothaarige sah nun auf.

„So eine Nervensäge ohne Verstand kann doch nicht sehr attraktiv sein.“, sprach der Blauhaarige abwertend.

„Ach halt doch die Klappe. Kratos findet mich sehr wohl attraktiv. Stimmst? Außerdem bin ich nicht dumm. Kratos, sag’s ihm!“, motzte ich und funkelte Yuan böse an.

„Sicher. Bestimmt hattest du nur eine kleine Geschmacksverirrung, nicht wahr Kratos?“, erwiderte nun Yuan.

Noch bevor Kratos irgendetwas von sich geben, maulte ich wieder Yuan an: „Ich bin keine Geschmacksverirrung!“

So war das immer, wenn Yuan und ich zusammen waren. Wir kamen einfach nicht mit einander aus. Aber leider war Yuan jetzt auf unserer Seite. Er spionierte die Engel aus. Yggdrasill wusste also nicht, dass er zu uns gehörte.

Wir wollten in den Turm des Heils, um etwas über dieses ewige Schwert herauszufinden. Yggdrasill hatte es wohl benutzt, um die Welten zu teilen oder so. Kratos hatte es mir schon mehrmals erklärt, aber so richtig verstand ich es immer noch nicht. Auf jeden Fall brauchten wir dieses Ding, um die Welten zu vereinen. Das war unser nächstes Ziel. Cruxis besiegen, die Welten wiedervereinen und dieses Keim wieder einpflanzen. Auf jeden Fall die Engel verkloppen und die Desians verjagen. Mehr musste ich nicht wissen.

Darum waren wir jetzt auch schon ein paar Monate in Tethe’alla unterwegs gewesen. Es war Frühling. Kaum zu glauben, dass ich Kratos schon über ein Jahr begleitete. Die Zeit verging echt wie im Flug.

Ich sah zu dem Engel. Er streichelte Noishe. Unseren Streit schien ihn wie üblich nicht zu interessieren.

„Hey Kratos!“, schimpfte Yuan. Der Halbelf regte sich mindestens genauso oft über Kratos Ruhe und seine Überlegenheit auf wie ich. In diesem Punkt waren wir uns eigentlich ähnlich.

„Hör gefälligst zu, wenn ich dir etwas sage!“, regte sich der Blauhaarige.

„Ich hab doch zugehört.“, erwiderte Kratos nur ruhig.

„Wie auch immer. Also wenn wir durch die erste Sicherheitsschranke des Turms gekommen sind….“, fing Yuan an weiter zu erklären.

Ich beobachtete weiter Kratos. Dieser war eindeutig interessanter als Yuans langwierige Ausführungen. Der Typ konnte fast noch mehr erzählen als ich. Fast.

Kratos strich mit seiner Hand durch sein Haar. Ihm schien etwas warm zu sein. War ja auch kein Wunder. Es war auch wirklich heiß heute.

Dann widmete sich der Rothaarige wieder seinem Schwert. Er schärfte und polierte es öfters. War wohl normal für einen Schwertkämpfer.

Kratos schien dabei immer so konzentriert zu sein. Das fand ich faszinierend. Ok ich fand alles an Kratos faszinierend. Er war halt Kratos. Ein unheimlich attraktiver und gutaussehender Engel.

Nun sah Kratos mich an.

Ertappt sah ich zur Seite. Immerhin hatte ich ihn gerade angestarrt. Auch wenn ich das öfters tat, war es doch irgendwie unangenehm erwischt zu werden.

Trotzdem sah ich wieder zu Kratos. Der Rothaarige sah mich immer noch an.

Ich zwinkerte ihm zu, worauf er mit einem Lächeln erwiderte. Da musste man einfach dahin schmelzen. Mir entwisch ein Seufzer.

„Ehem und was ist, wenn sich das Tor schließt bevor wir es erreichen, Anna?“, riss mich Yuan aus meinen Träumereien. Er sah mich böse an. Ich hatte seinen Plan völlig vergessen. Kein Wort hatte ich mitbekommen.

„Dann sind wir erledigt?“, stammelte ich unsicher.

Yuan seufzte. „Du könntest ruhig mal mehr bei der Sache bleiben und nicht immer an Kratos denken oder was auch immer du mit ihm anstellen willst?!“, fauchte der Blauhaarige.

„Päh. Du bist ja nur neidisch. Bloß weil ich so ein funktionierendes Liebes und Sexleben mit Kratos habe.“, schob ich Yuan unter die Nase. Wie zu erwarten wurde die Wangen des Halbelfen leicht rot.

„Es geht nicht immer nur darum deine sexuelle Lust zu befriedigen. Wichtig ist, dass wir die Welten vereinen. Das andere ist unwichtig. Zum Glück sieht Kratos, das im Gegensatz zu dir ganz genauso. Er hat nämlich aufgepasst.“, belehrte mich Yuan. Dann sah er zu Kratos.

War ja klar. Wenn es um unser Ziel ging, gab es nichts Wichtigeres. Natürlich war es wichtig, aber die beiden nahmen das viel zu ernst. Es gab auch noch andere Sachen.

„Tut mir Leid. Mir ist da was im Mittelteil entgangen.“, entschuldigte sich Kratos.

„Was?!“, brachte Yuan geschockt hervor. Okay das hätte ich jetzt wohl auch hervorgebracht. Kratos hatte nicht aufgepasst? Das passte gar nicht zu ihm.

„Was hat dich denn abgelenkt, dass du meinen Schilderungen nicht folgen konntest?“, fragte Yuan immer noch baff.

Ich sah zu Kratos. Das würde mich jetzt auch interessieren.

Kratos sah leicht zu mir rüber.

Yuan fielen bestimmt bald die Augen aus. Das war echt ein Bild für die Götter.

„Komm schon Kratos. Von Anna habe ich ja nichts anderes erwartet, aber von dir. Ich weiß ja, dass du Anna liebst, aber du solltest dich von ihr nicht so sehr ablenken lassen.“, rief Yuan fast schon bestürzt.

„Tu mir ja Leid, aber sie ist ungemein ablenkend.“

Ich musste kichern. Das gefiel mir. Kratos hatte sich wirklich zum besseren gewandelt. Er war nicht mehr ganz so verbohrt. Nicht mehr so engstirnig und zurückgezogen. Er war offener und auch umgänglicher. Unsere Beziehung lief auch gut. Kratos stellte sich schon besser an mit vielen Sachen. Besonders was Zärtlichkeiten anging.

Yuan war fast das Gegenteil. Der Blauhaarige hatte eine Entschlossenheit. Er war so bestrebt daran unser Ziel zu erreichen, dass alles andere unwichtig war. Kratos meinte er hätte auch einen guten Grund dafür. Verraten hatte er ihn mir allerdings nicht. Für Yuan war die Sache auf jeden Fall sehr wichtig.

„Ok wir hören jetzt zu.“, versprach Kratos. Ich könnte schwören er hatte doch aufgepasst. Er hatte nur so getan, um mich nicht so schlecht dastehen zu lassen. Er konnte schon süß sein.

Yuan begann von vorn. Diesmal passte ich besser auf.

„Na dann. Bist du bereit Anna?“, fragte Kratos mich. Er stand auf.

„Klar! Engel vermöbeln ist immer gut!“, rief ich zufrieden.

„Na toll.“, gab Kratos wenig begeistert von sich.

„Dich ausgeschlossen. Aber Yuan könnte ich auch vermöbeln.“, sprach ich.

Kratos legte einen Arm um mich. Ich wollte ihn gerade umarmen, als mich ein Schmerz durchfuhr. Erst war es mein Bauch. Dann fühlte ich mich furchtbar schwach. Meine Beine gaben nach und ich sank auf die Knie.

„Anna, alles ok?“, fragte Kratos, der sich zu mir kniete.

Mir war schwindelig und ich atmete schwer. Mein Herz schlug heftig gegen meine Brust. Auch war mir furchtbar warm. Jetzt hatte ich auch Schmerzen an meinen Hals. Da wo mein Exphere war. Was hatte das nur zu bedeuten?

Kratos zog mich zu sich. „Ist ja gut, Anna.“, versuchte er mich zu beruhigen.

Es schien auch zu funktionieren. Die Schmerzen ließen nach. Bis auf ein wenig Bauchschmerzen war nun wieder alles vorbei.

„Geht wieder.“, sagte ich immer noch etwas aus der Puste.

„Das ist doch nicht normal. Du musst zu einem Arzt!“, fauchte Kratos. Ich hatte diese Anfälle in letzter Zeit öfters. Bis jetzt hatte ich das immer als harmlos erklärt.

„Es ist nichts.“, rief ich.

„Doch ist es! Du gehst jetzt zu einem Arzt! Ich mache das mit Yuan hier alleine, während du mit Noishe nach Sybak gehst. Wir kommen dann nach“, meinte Kratos bestimmt.

„Aber!“, versuchte ich zu protestieren. Allerdings war Kratos Blick eindeutig.

„Du wärst sowieso nur im Weg.“, gab Yuan von sich.

„Bitte Anna.“, bat Kratos nun. In seinen Augen erkannte ich seine Besorgnis.

„Na gut. Vielleicht hast du Recht. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“, gestand ich, wobei ich aufstand. „Aber was ist mit dir? Kommt ihr wirklich alleine klar?“, fragte nun ich besorgt.

„Uns passiert nichts. Es wahrscheinlich auch besser so. Je weniger wir sind desto besser. So werden wir nicht so leicht entdeckt.“, versicherte mir Kratos.

Ich war nicht gerade zufrieden. Sicher er versuchte immer, alles so einfach klingen zu lassen. Es war aber trotzdem gefährlich auch für Kratos. Ich machte mir ständig Sorgen um ihn. Besonders wenn er irgendwelche gefährlichen Aktionen machte.

Kratos gab mir noch einen Kuss.

„Pass auf dich auf.“, wisperte ich.

„Mach ich doch immer.“, sagte Kratos gelassen. Dann ging er zu Yuan.

Ich seufzte und ging mit Noishe in Richtung Sybak. Dabei sah ich immer wieder zum Turm des Heils.

„Machst du dir gar keine Sorgen Noishe? Was wenn Kratos verletzt wird?“

Noishe jaulte ruhig. Das hieß wohl so viel wie: „Das passierte nicht.“

So richtig konnte ich Noishe aber nicht verstehen. Nicht so wie Kratos. Sie kannten sich wohl auch schon viel länger.

Ich spürte wieder ein paar Unterleibschmerzen. Ging das wieder los. Auch mein Exphere schien zu glühen.

Noishe stupste mich besorgt an.

„Schon gut. Gleich vorbei.“, sprach ich. Und so war es auch. Schwer atmend ging ich weiter.

Wir hatten Sybak nach einer kleinen Weile erreicht. Es war ein Forschungsinstitut. Sagte zumindest Kratos. So sah es hier auch aus. Es gab ein Labor und überall liefen Forscher rum. Auch gab es hier seltsame Gerätschaften. So etwas hatte ich in Sylvarant noch nie gesehen. Es faszinierte mich immer noch obwohl wir schon eine Weile in Tethe’alla waren.

Hier gab es zumindest einen Arzt. Den ich auch gleich aufsuchte.

„Was haben sie denn für Beschwerden?“, fragte der Arzt.

„Na ja ich…habe Unterleibschmerzen, mir wird ab und zu schwindlig und ich fühle mich auch kraftlos.“, erklärte ich. Die Sache mit meinem Exphere ließ ich lieber weg.

„Na dann legen sie sich bitte auf den Rücken.“, bat er.

Abwesend legte ich mich auf die Pritsche. Meine Gedanken kreisten nur um Kratos. Ob es ihm wohl gut ging? Wie es wohl voran ging?

Beunruhigung(Kratos Sicht)

Wir hatten jetzt die zweite Sicherheitsbarriere passiert ohne entdeckt zu werden. Jetzt waren wir also wieder in Welgaia. Kein Ort an dem ich eigentlich wirklich hinwollte. Hier hatte sich nichts verändert. Überall flogen seelenlose Engel umher. Zum Glück waren diese nicht darauf „programmiert“ Fremde oder Eindringlinge festzunehmen. Wir konnten einfach an ihnen vorbeigehen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren hier oben nicht so streng. Wer brach hier auch ein?

Es gab nur wenige Engel, die verlangten, dass man sich auswies. Die mussten wir nur umgehen. Die Bibliothek war auch nicht schwierig zu erreichen. Wenn man es Bibliothek nennen konnte. Bücher gab es hier keine. Nur ein paar Computer. Hier waren sämtliche Daten von Cruxis gespeichert. Es gab hier sicherlich auch Informationen über das ewige Schwert. Immerhin mussten wir einen Weg finden es zu führen. Nur Halbelfen konnten es führen. Yuan war ausgeschlossen. Mithos hatte mit ihm einen Pakt gemacht, der verhinderte dass er es führen konnte. Also mussten wir eine Möglichkeit finden, wie ein Mensch es führen. Vielleicht Anna? Mir war es ja ebenso nicht möglich es zu führen. Immerhin mussten wir dazu noch das Siegel von Origin brechen. Dazu müsste ich…

Ich schüttelte den Kopf. Wir hatten gerade andere Sorgen. Ich schaltete den Computer ein und suchte nach dem ewigen Schwert. Es gab hier alle möglichen Informationen. Es dauerte eine Weile bis ich das richtige fand.

„Ich hab was.“, sprach ich.

Yuan sah über meine Schulter und las das Dokument, welches ich aufgerufen hatte.

„Ein Ring? Wir müssen einen Ring schmieden?“, fragte er zweifelnd.

„Sieht so aus. Ich drucke mal die Liste der Materialien aus.“, antwortete ich und druckte das Dokument.

Während ich wartete, suchte ich noch ein anderes Dokument.

„Angelus-Projekt? Was ist das?“, wollte Yuan wissen.

„Anna hat was damit zu tun.“, antwortete ich nur. Die Akte, die ich von der Menschenfarm habe mitgehen lassen, hatten mir die Engel abgenommen, als sie mich gefangen genommen hatten.

Auf dem Monitor erschien nun ein Text:
 

Angelus Projekt

Wir haben einen Weg gefunden Cruxis-Kristalle herzustellen. Im Grunde genommen sind Cruxis-Kristalle nur entwickelte Expheres. Allerdings ist die Zeit in der ein Expheres erweckt wird zu kurz, um den Exphere vollständig zu entwickeln. Die menschlichen Wirte halten es einfach nicht lange genug aus.

Um ein Cruxis-Kristall zu erzeugen, muss die parasitäre Wirkung des Expheres verlangsamt werden. Dazu haben wir eine spezielle Schutzfassung hergestellt.

Der Erweckungsprozess kann so verlängert werden. Der Parasit nähert sich nun innerhalb von Jahren anstatt von Monaten vom Opfer.
 

Eine Schutzfassung, die die parasitäre Wirkung nicht verhindert, sondern sie nur verlangsamt? Hieß das etwa, dass Anna in Gefahr war? Sah ihre Fassung deshalb anders aus, als die der anderen? Mir wurde richtig übel bei dem Gedanken.
 

Es war allerdings schwierig einen geeigneten Wirtskörper zu finden. Diese niederen Kreaturen waren einfach nicht kompatibel. Sie verendeten noch bevor wir irgendetwas erreichen konnten.

Schließlich hatten wir einen geeigneten Körper gefunden. Ein neugeborenes Mädchen. Wir hatten sie und ihre Mutter gefangen.

Das Mädchen schien kompatibel zu sein. Ihr menschlicher Name war Anna.

Wir nannten sie nun A012. Sie war das 12. Testobjekt für das Angelus-Projekt und die Einzige, die wirklich nützlich war.
 

Ich atmete tief ein. Es handelte sich also wirklich um Anna.

„Sieht ja übel aus, was?“, rief Yuan. Er las die ganze Zeit mit.

Ich antwortete nicht und wollte gerade weiterlesen, als eine Engelschar zur Tür rein kam.

„Wir haben Gesellschaft.“, sprach Yuan.

Ich griff nach der ausgedruckten Materialliste, steckte sie ein und machte mich kampfbereit. Die Engel waren keine Herausforderung. Wir mussten aber von hier verschwinden. Zum Glück hatten wir mit der Flucht keine weiteren Probleme.

„So, jetzt wissen wir schon mal was wir tun können.“, meinte Yuan, als wir wieder in sicherer Entfernung vom Turm des Heils waren.

„Mhm.“, gab ich nur von mir. Ich dachte an Anna. Sie war in Gefahr. Wenn sie keine richtige Schutzfassung hatte, konnte sonst was passieren.

„Du hast wohl gerade andere Sorgen was? Anna stimmt’s?“, gab Yuan von sich.

„Ja, sie braucht eine Schutzfassung.“, entgegnete ich.

„Ob es ihr wohl in letzter Zeit so schlecht geht, weil sie keine richtige Schutzfassung hat?“, wunderte sich Yuan.

„Wer weiß. Lass uns schnell nach Sybak gehen.“

Mit diesen Worten machte ich mich im Laufschritt auf den Weg. Yuan folgte mir.

In Sybak angekommen, ging ich gleich ins Gasthaus. Anna wartete bestimmt dort.

Ich hatte Recht. Die Braunhaarige saß auf einer Bank in der Nähe des Eingangs. Sie sah gedankenversunken zu Boden. Das war schon mal nicht gut. Hoffentlich war es nichts Ernstes.

Ich machte mir schreckliche Sorgen. Was wenn sich Anna auch in ein Monster verwandeln würde? Was sollte ich tun? Ich wusste nicht mal wie ich mich ihr jetzt gegenüber verhalten sollte. Wie sollte ich ihr das erklären?

„Anna?“, brachte ich schließlich hervor.

Die Braunhaarige sah auf. Sie sah mich zögernd an. Dann stand sie auf und umarmte mich.

Nicht gut. Warum hatte sie gezögert?

„Und wie ist es gelaufen? Seid ihr unverletzt?“, fragte sie ungeduldig wie immer.

„Alles ist gut gelaufen. Uns geht es gut. Was hat der Arzt gesagt?“, stellte ich eine Gegenfrage.

„Ehm…alles in Ordnung. Ich hatte wohl etwas viel Stress in letzter Zeit. Dazu habe ich mich mit einer leichten Grippe infiziert. Mit ein bisschen Ruhe ist alles wieder im Lot.“, sagte Anna. Ich merkte dass sie zwischenzeitlich leicht weg sah. Sie log. Außerdem hatte sie nicht gerade die typischen Grippeanzeichen. Aber warum sollte sie etwas vor mir verheimlichen? Wollte sie mir etwa keine Sorgen bereiten?

„Sicher?“, fragte ich noch mal nach. Dabei sah ich Anna direkt in die Augen. Sie wich meinem Blick aus.

„Ja, sicher.“, sagte sie mit gesenktem Kopf.

Es brachte wohl jetzt nichts sie weiter auszufragen. Dazu musste ich mit ihr alleine sein. Also beließ ich es erst mal dabei.

„Wir haben herausgefunden, wie man das ewige Schwert benutzen kann.“, erzählte ich ihr.

„Wir sollten über Nacht hier bleiben. Lasst uns dann auch erst mal über unser weiteres Vorgehen sprechen.“, meinte Yuan. Ich nickte und buchte zwei Zimmer.

Nun saßen wir alle zusammen in einem Raum.

„Was brauchen wir alles für diesen sogenannten Ring des Paktes?“, fragte Yuan.

Ich hatte den Zettel bereits in der Hand.

„Also Adamantit, gesegnetes Holz als Brennstoff und Aionis.“, las ich vor. Nicht gerade Dinge, die leicht zu finden waren. Adamantit war heute nicht mehr zu finden. Es wurde früher zum Schleifen verwendet. Gesegnetes Holz sagte mir jetzt nicht viel. Man konnte es aber bestimmt nicht so einfach bei einem Förster erwerben. Zu guter Letzt Aionis. Die wohl schwierigste Zutat. Dieses Material wurde von Elfen benutzt und kam nur auf Derris Kharlan vor. Um da ran zu kommen mussten wir wohl nach Derris Kharlan. Ich bezweifelte, dass die Elfen noch welches hatten. Und selbst wenn, so würden sie es uns wohl nicht geben.

„Na ganz toll!“, beschwerte sich auch Yuan.

„Ich habe von keinen der drei Sachen je etwas gehört.“, gab Anna von sich.

„Das wundert mich gar nicht. Was kennst du überhaupt.“, beleidigte Yuan sie prompt. Und schon ging das Gezanke von vorne los. Die beiden würden sich wohl nie vertragen.

Während die beiden wieder stritten, dachte ich an das Problem mit Anna. Das war mir momentan wichtiger. Wo um Himmels Willen sollten wir einen Zwerg finden? Die meisten waren in Welgaia und unterstanden Cruxis. Die wenigen in der Welt verteilten Zwerge, hatten ihre Fähigkeiten verloren. Was sollte ich also tun. Nur ein Zwerg konnte eine Schutzfassung herstellen.

„Kratos, hast du überhaupt zugehört?“, fragte Yuan.

„Oh tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich etwas niedergeschlagen bei ihm.

Yuan verstand mich wohl und motzte mich zur Abwechslung mal nicht an.

„Wir sollten schlafen gehen. Es war ein langer Tag. Ich geh dann mal in mein Zimmer.“, rief er und verließ den Raum.

Jetzt konnte ich wenigstens mit Anna reden.

Die Braunhaarige streckte sie genüsslich. Sie kroch zu ihrem Rucksack und zottelte vergeblich ihr Nachthemd hervor.

Bei dem Anblick musste ich leicht lächeln. Ich kroch zu ihr und umarmte sie von hinten. Sanft legte ich meine Hände um ihren Bauch. Gerade als ich sie küssen wollte, rammte sie mir ihre Ellenbogen in die Rippen, worauf ich sie automatisch los ließ und leicht nach hinten fiel.

„Au was soll das!“, beschwerte ich mich und rieb mir die rechte Seite.

„Entschuldige. Ich hab mich erschreckt.“, gab Anna von sich. Sie hatte sich zu mir umgedreht und sah mich entschuldigend an.

„Du hast dich erschreckt. Ich bin doch der einzige im Raum. Warum erschreckst du dich da?“, fragte ich verwirrt.

Anna zuckte mit der Schulter, gab aber sonst keine Antwort. Sie war irgendwie seltsam. Zeit sie darauf anzusprechen.

„Anna. Was ist los?“, sprach ich ruhig.

Sie sah mich fragend an. Zumindest versuchte sie das. Ich merkte, dass sie leicht zusammen gezuckt war.

„Was meinst du? Es ist alles in Ordnung.“, kam als Antwort.

Ich seufzte. „Ist es nicht. Du benimmst dich eigenartig, seitdem du beim Arzt warst. Also was ist los?“

„Das habe ich dir bereits erzählt!“, maulte sie. Nun sah sie verärgert zur Seite.

„Die Geschichte war zwar ganz schön, aber sie entsprach wohl kaum der Wahrheit.“, gab ich zurück.

„Spinnst du?! Willst du etwa behaupten, dass ich lüge. Warum sollte ich das tun?“, fauche sie mich an.

„Das weiß ich doch nicht. Sag du mir warum du das tun solltest!“, erwiderte ich.

„Ich lüge nicht! Also lass mich damit in Ruhe!“

Anna drehte sich nun um und zog ihr Nachthemd heraus. Sie zog sich um.

„Warum benimmst du dich dann so komisch?“

„Wovon redest du? Du hörst echt die Flöhe husten. Ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht.“, schrie sie und legte sich ins Bett.

Ich seufzte erneut. So kam ich nicht weiter. Vielleicht hörte ich ja wirklich die Flöhe husten. Das bezweifelte ich aber. Trotzdem bekam ich so nichts aus ihr heraus. Sie wurde nur noch wütender. Ich musste sie etwas beschwichtigen.

„Ok, es tut mir leid. Lass uns nicht weiter streiten.“, sprach ich ruhig.

Anna sah mich immer noch wütend an. Dann drehte sie mir den Rücken zu.

Ich zog mich ebenfalls um und kroch zu ihr ins Bett.

„Ich sage ja auch nichts mehr.“, versicherte ich ihr, wobei ich ihr sanft über die Schulter strich. „Außerdem gibt es bessere Dinge im Bett zu tun, als zu streiten.“ Dabei versuchte ich leicht verführerisch zu klingen. So gut ich das zumindest konnte. Ich bekam ja langsam den Dreh raus.

Anna sah mich immer noch beleidigt an. „Na gut. Ich verzeihe dir. Außerdem hast du Recht. Es gibt wirklich bessere Dinge zu tun.“, gab sie nach. Nun küsste sie mich leicht.

Ich legte meine Hände um ihre Hüfte und erwiderte den Kuss. Anna krallte sich dabei in meine Haare. Langsam schob ich meine Hände unter ihr Nachthemd und massierte nun ihre Brüste.

Plötzlich löste sich die Braunhaarige von mir und drückte mich weg. „Kratos, ich will das nicht. Lass uns einfach schlafen oder so.“

Völlig verwundert sah ich sie an. „Wieso das?“ Keine unberechtigte Frage. Sonst war Anna diejenige, die mich vom Schlafen abhielt oder von der Nachtwache. Bisher hatte sie immer mehr gewollt. Meist hatte sie sogar darauf bestanden und jetzt?

„Was heißt hier wieso nicht! Weil ich nicht will! Ich bin nicht dein Spielzeug, an dem du deine Lust befriedigen kannst. Ihr Männer seid echt alle gleich!“, brüllte sie nun. Daraufhin drehte sie sich wieder um.

Völlig vor den Kopf gestoßen sah ich sie an. Warum sagte sie jetzt so was? Jetzt war ich hier wohl ein notgeiles Arschloch. Das tat schon irgendwie weh. Warum sagte sie so was zu mir? Das war doch noch nie so. Klar wurde sie leicht sauer, aber so hatte sie mich noch nie beschimpft.

Etwas gekränkt drehte ich mich auf den Rücken. Dabei sah ich Annas Rückseite an. Kuscheln wurde wohl heute auch nichts. Was war nur mit ihr los? Sie musste irgendein Problem haben, wenn sie sich so benahm. Oder hatte ich etwa was falsch gemacht? Immerhin gab ich nicht den perfekten Freund ab. Viele Sachen waren mir was das anging einfach neu. Anna hatte sich schon oft darüber beschwert, wenn auch nicht so wie eben. Fragen wollte und konnte ich sie auch nicht. Wahrscheinlich würde sie mir eh nicht antworten.

Ich zerbrach mir noch eine Weile darüber den Kopf bis ich schließlich auch einschlief.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag Anna nicht mehr neben mir. Das war auch seltsam. Sie liebte es auszuschlafen. Da ich ein Frühaufsteher war, stand sie so gut wie nie vor mir auf.

Im Zimmer sah ich sie auch nicht. Wo war sie hingegangen?

Dann erkannte ich die offene Badtür. Machte sie sich jetzt schon frisch?

Neugierig stand ich auf und ging ins Bad.

Anna stand vorm Waschbecken. Ich erkannte sofort, dass es ihr schlecht ging. Im Spiegel erkannte ich ihr Gesicht. Sie schien ziemlich fertig zu sein. Ihre Hand hielt sich vor die Stirn.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich besorgt. Anna drehte sich um und sah mich ertappt an.

Sie wirkte sehr blass im Gesicht. Auch ihre Augen verrieten, dass es ihr nicht gut ging, auch wenn diese mich jetzt böse anfunkelten.

„Mir geht es gut. Kannst du mich nicht mal in Ruhe lassen!“, keifte sie mich an.

Wieder diese abwehrende Haltung. Was hatte sie nur?

Bevor ich etwas erwidern konnte. Verzog Anna ihr Gesicht schmerzhaft zusammen. Ihre eine Hand krampfte sich um ihren Bauch, während sie die andere vor ihren Mund hielt. Es sah aus, als würde sie sich gleich übergeben. Vielleicht hatte sie das auch schon getan.

Ich ging auf sie zu und berührte sie sanft an den Schultern.

„Anna, was ist los. Bitte, du kannst es mir doch sagen.“, sprach ich besorgt.

Anna sah mich verunsichert an. Das war schon mal besser. Nicht mehr diese Abwehr.

„Was auch immer es ist, du kannst mir vertrauen, ok.“, rief ich sanft, dabei strich ich ihr leicht über die Wange. Es schien ihr schon wieder etwas besser zu gehen. Ihre Hand hatte sie auch wieder vom Mund weggenommen. Sie öffnete diese und wollte etwas sagen, ließ es dann aber doch bleiben.

„Hör zu Anna. Was auch immer es ist, ich werde dafür sorgen, dass es aufhört. Wenn dir etwas Schmerzen bereiten, werde ich dir helfen es loszuwerden.“, sprach ich bestimmt.

Ja ich würde ihr helfen den Exphere loszuwerden. Das war das mindeste was ich tun konnte.

Mit Annas Reaktion hatte ich allerdings nicht gerechnet. Sie verpasste mir eine Backpfeife, schuppte mich beiseite und schoss an mir vorbei. Mit einem „Lass mich doch in Ruhe!“, verließ sie das Zimmer.

Völlig perplex sah ich ihr nach. Was war das jetzt? Was hatte ich nun wieder falsch gemacht? Warum war sie so außer sich? Ich verstand es einfach nicht.

Enttäuscht ging ich mich anziehen und verließ ebenfalls das Zimmer. Was sollte ich jetzt tun?

Seufzend schloss ich die Tür.

„Was ist denn mit dir los? Du siehst völlig fertig aus.“, erklang Yuans Stimme. Er war auch gerade aus seinem Zimmer gekommen.

„Probleme mit Anna.“, sagte ich nur.

„Was hat sie denn?“, fragte Yuan nun leicht besorgt. Ich sah wahrscheinlich wirklich nicht besonders aus, wenn er mich schon so ansah.

„Wüsste ich auch gerne. Sie verheimlicht irgendetwas vor mir. Es geht ihr nicht gut. Aber wenn ich sie danach frage, wird sie wütend und blockiert total. Ich kann sie nicht mal mehr wirklich berühren. Selbst das lehnt sie ab.“, erklärte ich niedergeschlagen. Ich fühlte mich verletzt und einsam. Anna fehlte mir. Außerdem machte ich mir Sorgen um sie. Warum vertraute sie mir nicht?

„Oh Mann, Frauen eben. Die ticken halt nicht wie wir. Das kenne ich.“, meinte Yuan.

„Martel hat sich doch nie so benommen.“, entgegnete ich verwundert.

„Nicht so extrem, aber sie war manchmal auch seltsam.“, erklärte der Blauhaarige.

„Wie ticken Frauen denn?“, fragte ich nun verwirrt.

„Was fragst du mich. Ich verteh‘ das genauso wenig wie du. Aber lass dich nicht davon unterkriegen. Sie beruhigt sich schon wieder. Hat sie doch bis jetzt immer getan. Lass uns erst mal einen Kaffee trinken oder so.“, schlug mein Freund vor. Ich nickte und folgte ihm.

Annas Problem(Annas Sicht)

Völlig aufgelöst, stand ich vor dem Institut. Ich war völlig aus der Puste. War ja auch kein Wunder. Immerhin war ich wie eine Wilde hier her gerannt.

Ich musste erst mal verschnaufen. Was dachte sich Kratos eigentlich?! So was zu sagen!

Ich legte meine Hände um meinen Bauch. Ich hatte etwas Angst. Was dachte sich dieser blöde Engel auch?!

Es dauerte eine Weile bis ich mich beruhigt hatte. Jetzt konnte ich auch wieder klar denken. //Ok was soll sich Kratos auch denken. Er macht sich Sorgen um mich. Warum bist du auch so blöd, Anna?!//

Kratos hatte das ja nicht so gemeint, wie ich es wieder verstanden hatte. Wie denn auch? Ich hatte es ihm ja nicht gesagt. Wie sollte ich es ihm auch sagen. Das konnte ich einfach nicht. Ich wusste nicht wie er damit umging?

Ich seufzte. Meine Sorgen fingen mit diesem Arztbesuch gestern an. Ich ließ es nochmal Revue passieren:
 

Wie der Arzt es gefordert hatte, legte ich mich also hin.

„Haben sie in letzter Zeit was verdorbenes zu sich genommen oder etwas, was sie nicht vertragen?“, fragte er während er mit einem Gerät über meinen Bauch fuhr.

„Nein. Nicht dass ich wüsste. Ich vertrage eigentlich alles.“, antwortete ich wahrheitsgetreu.

Ein Müllschlucker war wohl ein Scheißdreck dagegen. Selbst früher aß ich schon viel. Seitdem ich aber aus der Menschenfarm entkommen war, nahm das nur noch zu. Zum Glück hatte meine Figur nicht darunter zu leiden.

Ich seufzte leise. So richtig anwesend war ich ja nicht. Meine Gedanken waren bei Kratos. Hoffentlich ging es dem Engel gut. Ich machte mir immer Sorgen, um ihn. Auch wenn ich dafür keinen Grund hatte. Kratos war bestimmt mit Abstand der beste Schwertkämpfer in beiden Welten. Wer sollte ihm schon etwas anhaben können? Trotzdem machte ich mir Sorgen. Besonders jetzt wo er ins Hauptquartier von Cruxis ging.

„Sind sie verheiratet oder in einer Beziehung?“, unterbrach der Arzt meine Gedanken.

Seine Frage brachte mich durcheinander. Wieso fragte ein Arzt nach meinem Beziehungsstatus? War ja auch egal. Ich hatte ja nichts zu verheimlichen.

„Verheiratet bin ich nicht, aber ich habe einen festen Freund.“

Ob es diesen Freund auch gut ging. Manchmal passte er wirklich wenig auf sich auf. Wenn es um mich ging tat Kratos alles erdenklich mögliche, aber sein Wohlergehen war ihm egal.

„Dann gratuliere ich ihnen.“, sprach der Arzt nun.

Das war der seltsamste Arzt, dem ich je begegnet war. Hatte er mir gerade dazu gratuliert einen festen Freund zu haben?

„Sie erwarten ein Baby.“

Mein Kopf war wie leergefegt. Was hatte er gerade gesagt? Ich hatte das wohl nicht richtig verstanden.

„Wie war das?“. fragte ich perplex.

„Sie sind schwanger.“, wiederholte er.

Immer noch völlig neben der Spur sah ich ihn an. Schwanger ich?

„Aber…das geht nicht. Ich kann keine Kinder bekommen.“, widersprach ich.

„Ehm nun aber…sie sind eindeutig schwanger.“, sprach der Arzt etwas verwirrt.

Ich fühlte wie sich eine Wärme in mir ausbreitete. Ganz angenehm. Ich spürte wie ich anfing zu lächeln.

„Ich bekomme wirklich ein Baby!“, rief ich nun völlig außer mir vor Glück. Das hatte ich mir schon immer gewünscht. Eine Familie zu gründen war mein großer Traum. Ich konnte es schon vor mir sehen. Ich mit einem kleinen Baby auf dem Arm. Und Kratos…

In mir zog sich alles zusammen. Kratos. Wie würde er wohl reagieren?

„Ist alles in Ordnung?“, fragte der Arzt. Er hatte meine Reaktion wohlbemerkt.

Ich lächelte ihn nun wieder an und nickte.

Er erzählte mir nun worauf ich achten musste. Ernährung, Lebensweise und Vorsorgeuntersuchungen. Alles kein Problem. Nur um den Vater machte ich mir Sorgen.

Ich schlenderte in Richtung Gasthaus und dachte nach.

Dass ich das Baby wollte, war ja klar, aber Kratos? Wir hatten nie über Kinder gesprochen. Das war ja auch verständlich. Immer war es ja auch nahezu unmöglich für mich schwanger zu werden. Norman hatte es jahrelang versucht. Und Kratos schaffte es in weniger als einem Jahr.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er Kinder wollte. Am Anfang wollte er nicht mal eine Beziehung mit mir. Es sei zu gefährlich für mich. Ein Baby war da bestimmt nicht gerade in seinem Interesse. Noch dazu kam unsere gegenwärtige Situation. Wir wurden verfolgt von Cruxis und den Desians. Außerdem wollten wir die Welten vereinen. Das war wohl die ungünstigste Situation, um ein Baby zu bekommen. Mal davon abgesehen, dass die Schwangerschaft mich wohl stark einschränken würde. Langes Reisen würde wohl nicht ewig gehen, geschweige denn kämpfen oder ähnliches. Yuan meinte ja jetzt schon ich wäre ihnen nur im Weg. Was würde es wohl erst werden, wenn ich schwanger wäre.

Im Gasthaus ließ ich mich auf eine Bank nieder.

Kratos wäre wohl alles andere als begeistert. Was wenn er verlangen würde das Baby abzutreiben?

Ich zuckte zusammen. Das könnte ich nicht ertragen. Das würde ich auf keinen Fall machen. Ich würde mein Baby bekommen. Aber wie sollte ich das mit Kratos klären? Wie sollte ich es ihm am besten sagen? Ihn gleich damit überrumpeln? Ich sollte ihn vielleicht langsam darauf vorbereiten. Ich konnte es ihm nicht gleich heute sagen. Aber was sollte ich dann tun? Er wusste, dass ich beim Arzt war. Natürlich würde er fragen, was ich hatte. Also überlegte ich mir eine Geschichte. Ich hatte Grippe. Hoffentlich würde er mir das abkaufen.
 

Ich seufzte. Natürlich hatte er mir das nicht abgekauft. Ich war eine schlechte Lügnerin. Kratos kannte mich nun auch leider recht gut und merkte, wenn etwas nicht stimmte. Dann hatte ich die Fassung verloren und wurde wütend. Ich war halt verzweifelt und hatte Angst er würde es herausfinden. Deswegen habe ich ihn angeschrien.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen.

//Was machst du nur Anna? Er macht sich Sorgen und was machst du? Du warst ja nicht gerade zimperlich.//

Das musste ihn echt verletzt haben. Dabei wollte ich das so doch gar nicht.

Und was sollte ich nun tun? Ich konnte doch nicht einfach zurückgehen und so tun, als wäre nichts geschehen. Kratos würde bestimmt irgendwann weiter nachhaken. Dabei meinte er es nicht mal böse. Ich hätte es ihm ja auch fast gesagt, aber als er dann sagte, er würde mir helfen es loszuwerden, habe ich einfach Panik bekommen. Unser Baby loswerden. Er wusste es ja nicht aber…würde er trotzdem soweit gehen? Was wenn er das Baby als eine Gefahr für mich ansah? Mein Exphere schien ja auch irgendwie darauf zu reagieren. Würde er unser Baby dann umbringen wollen?

Ich schüttelte den Kopf. Was sollte ich nur tun. Ewig konnte ich hier nicht bleiben. Also beschloss ich zurück zu gehen.

Als ich am Gasthaus ankam, hatten Yuan und Kratos schon alles zusammengepackt. Ich war wohl auch eine ganze Weile weg gewesen.

Kratos bemerkte mich recht schnell. Ich merkte, dass er irgendetwas sagen wollte. Er entschied wohl aber doch dagegen. Er musterte mich nur.

Ich seufzte: „Entschuldigt, dass sich weggelaufen bin. Ich habe etwas die Fassung verloren. Kommt nicht wieder vor.“, entschuldigte ich mich. In meinen Zustand bezweifelte ich aber, dass es wirklich nicht noch mal vorkam.

Kratos sagte nichts. Er wirkte ziemlich verunsichert. Das war ja auch verständlich. Immerhin beschimpfte ich ihn hysterisch ohne erkennbaren Grund.

„Bist du wenigstens in der Lage weiterzureisen?“, fragte Yuan unfreundlich wie immer.

„Natürlich! Wohin gehen wir überhaupt?“, fragte ich. Ein willkommener Themenwechsel.

„Meltokio. Wir müssen nach Heimdall und brauchen dafür die Erlaubnis des Königs.“, erklärte Yuan.

„Aha.“, gab ich nur von mir. Begeistert war ich jetzt nicht, dass Kratos kein Wort mehr von sich gab. Ich musste mich bei ihm entschuldigen, wenn wir unterwegs waren.

Yuan ging voran. Kratos trottete hinter ihm, während ich das Schlusslicht bildete. Noishe war irgendwo jagen.

Ich ging etwas schneller, um neben Kratos zu laufen.

„Es tut mir Leid wegen heute Morgen. Ich wollte dich nicht so anfahren.“, wisperte ich leise.

Es kam nur ein „Mhm“ als Antwort. Ich hatte es ganz schön verbockt.

„Du bist sauer stimmt’s? Dazu hast du wohl auch allen Grund. Ich habe mich echt daneben benommen.“, gab ich kleinlaut bei.

Kratos sah mich an. Ich sah immer noch die Sorge um mich in seinen Augen.

„Wenn du mir wenigsten sagen könntest, was mit dir los ist.“, sagte er schließlich.

Jetzt sah ich zur Seite. Ich konnte es einfach nicht. Ich wollte ja, aber es ging nicht. Die Angst überkam mich einfach.

„Schon ok. Ich werde dich nicht zwingen, es mir zu sagen. Du musst es mir schon sagen wollen.“

Das war ziemlich verständnisvoll von ihm. Ich merkte aber auch Ärger und Enttäuschung in seiner Stimme. Er ärgerte sich, dass ich ihm nicht zu vertrauen schien. Es schien wohl auch nicht nur so. Ich vertraute ihm ja wirklich nicht. Sonst hätte ich es ihm doch sagen können. //Zu einer Beziehung gehört gegenseitiges Vertrauen.// Meine Worte. Jetzt hielt ich mich selbst nicht mal daran.

„Tut mir leid.“, flüsterte ich. Kratos konnte es aber bestimmt hören.

Die Situation mit uns beiden verbesserte sich leider in der darauffolgenden Woche wenig. Es wurde eher noch schlimmer. Ich hatte übliche Beschwerden, die in einer Schwangerschaft auftauchten: Übelkeit, Fressattacken, Unterleibschmerzen.

Natürlich machte Kratos sich Sorgen. Doch jedes Mal, wenn er das tat stieß ich ihn nur wieder vor den Kopf und distanzierte mich nur weiter von ihm. Ich wollte das gar nicht, aber es passierte irgendwie. Meine Angst, dass Kratos meine Schwangerschaft entdecken konnte, wurde zunehmend größer. Selbst seine Berührungen ließen mich hochschrecken. Also mied ich Körperkontakt. Wenn Kratos meine Nähe suchte, brüllte ich ihn an. Es tat mir zwar leid, aber ich konnte nichts dagegen tun. Wir lagen also nicht mehr gemeinsam im Bett, kuschelten nicht mehr und unsere Küsse waren auch eher flüchtig. Dabei sehnte sich mein Körper nach Kratos. Ich wollte in seiner Nähe sein. Seine Wärme spüren. Mich einfach geborgen in seinen Armen fühlen. Aber es ging nicht. Jedes Mal kam wieder meine Angst hervor.

Ich kam zu dem Schluss, dass das so nicht ewig weiter gehen konnte. Ich verletzte Kratos immer mehr. Ich tat mir selbst mit meinem Handeln weh. Außerdem konnte ich es ja nicht ewig geheim halten. Ich merkte bereits jetzt, dass mein Bauch dicker wurde. Auch wenn es ganz schön früh war. Ich konnte höchstens im zweiten Monat schwanger sein. Da durfte man doch eigentlich noch nichts sehen. Irgendwann würde ich aber zweifelsohne zunehmen. Und Kratos würde es auch bemerken. Mal davon abgesehen, dass ich bald nicht mehr so lange reisen konnte. Es erschöpfte mich ja jetzt schon. Wir machten auch öfters Pause als sonst. Natürlich nur meinetwegen. Kratos brauchte ja bestimmt keine Pause. Ich musste also etwas tun. Mir kam nur eine Möglichkeit in den Sinn. Das wollte ich eigentlich nicht. Das würde Kratos nur noch mehr verletzen. Aber besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Wir befanden uns gerade in Meltokio. Kratos und Yuan hatten schon eine Audienz beim König gehabt. Wir blieben noch für heute in der Stadt und wollten morgen weiterziehen.

Ich saß auf einer Bank und sonnte mich. Währenddessen plante ich wie ich vorgehen wollte. Eigentlich wusste ich schon, wie ich es anstellte, aber ich versuchte Zeit aufzuschieben. Ich wollte noch nicht mit Kratos reden. Allerdings neigte sich der Tag dem Ende zu. Länger warten konnte ich nicht mehr.

Ich stand also auf und ging zum Gasthaus. Vor dem Gebäude erkannte ich Yuan. Er lehnte an die Wand. Er schien zu warten. Als ich mich näherte, fixierte er mich mit seinem Blick. Er wartete auf mich. Warum? Ich war ihm doch sonst auch egal. Wenn Kratos auf mich gewartet hätte, hätte ich das verstanden, aber Yuan.

Ich ging zu ihm.

„Wo warst du bitte so lange.“, sprach Yuan verärgert. Was hatte der für ein Problem. Er ärgerte sich doch nur über mich, wenn ich ihre Reise behinderte. Das war im Augenblick nicht der Fall.

„Was geht dich das an?!“, zischte ich.

„Eigentlich nichts aber…wie lange willst du noch so weiter machen?!“, fragte er nun immer noch im strengen Ton.

„Wovon redest du?“, stellte ich eine Gegenfrage. Was störte den Halbelfen denn jetzt wieder?

„Du weißt genau was. Eigentlich ist es mir ja egal, wie du dich aufführst, aber du tust meinen Freund damit ganz schön weh. Das kann ich so langsam nicht mehr dulden.“

Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich wusste ja, dass Yuan und Kratos sich kannten und wohl auch irgendwie Freunde waren, aber wie richtige Kumpels verhielten sie sich ja nicht gerade. Und jetzt machte sich Yuan Sorgen um Kratos. Das Kratos ihm doch so viel bedeutete wusste ich nicht.

„Das geht dich gar nichts an!“, maulte ich.

„Oh doch tut es. Was willst du damit überhaupt erreichen. Kratos ist völlig am Ende wegen dir. Zeigst du so etwa deine Liebe für ihn?!“, konterte der Blauhaarige zurück.

Mir wurde übel. Kratos ging es schlecht. Und das nur wegen mir. Ich musste dem ein Ende setzen.

„Ich werde euch sowieso nicht länger belästigen!“, schnaubte ich.

Yuan war noch weniger begeistert als vorher. „Willst du uns etwa verlassen?“

„Ja und? Kann dir doch nur recht sein. Bist du mich endlich los!“, entgegnete ich.

Jetzt sah er erst recht finster drein. Das verstand ich jetzt auch nicht. Er wollte mich doch eh loswerden. Warum war er nicht zufrieden?

„Du kannst nicht gehen. So einfach ist das nicht!“, meinte der Halbelf.

Was sollte das jetzt? Er konnte mir ja kaum verbieten zu gehen.

„Du hast mir gar nichts vorzuschreiben. Ich muss nicht bei euch bleiben! Wenn ich gehen will dann geh ich!“, motzte ich.

„Du verlässt uns?“, erklang eine andere Stimme. In der Tür stand Kratos. Er war gerade herausgetreten.

Jetzt war meine schöne Vorbereitung hinüber. Ließ sich wohl nicht ändern.

Ich holte tief Luft und sah Kratos direkt an.

//Mach es kurz und schmerzlos, Anna! Nicht herumdrucksen. Zeig ihm kein Anzeichen von Unsicherheit!//

„Ja das habe ich vor. Dieses ewige Reisen ist einfach nichts für mich. Am Anfang war es ja noch ganz schön, aber jetzt? Es ist anstrengend, nervend und stressig. Mal davon abgesehen ist das eure Reise. Es ist eurer Plan die Welt zu vereinen. Nicht meiner. Mit mir hat das nichts zu tun.“

Alles was ich gesagt hatte, war natürlich gelogen. Ich mochte es mit Kratos durch die Gegend zu reisen. Klar war es hin und wieder anstrengend, aber es gefiel mir. Außerdem wollte ich ihnen auch helfen, die Welten zu retten. Untätig zusehen war nicht mein Ding. Es ging momentan aber einfach nicht anders. Einen anderen Ausweg gab es nicht.

Kratos war natürlich erschüttert. Klar, er zeigte es nicht, aber man konnte die Traurigkeit in seinen Augen ablesen. Sie wirkten dunkel und spiegelten Einsamkeit und Sehnsucht wieder. Er würde mich vermissen. So wie ich ihn vermissen würde.

„Bist du sicher?“, fragte er nach.

„Ja, bin ich. Es funktioniert einfach nicht. Das mit uns ist ja auch nicht mehr so wie es mal war.“, sprach ich. //Was natürlich nur an mir liegt.//

„Machst du jetzt mit Kratos Schluss oder wie?“, mischte sich auch Yuan ein.

„Nenn es wie du willst. Es wäre aber freundlich von euch, wenn ihr mich in Luin oder Asgard absetzen würdet.“, rief ich bestimmt.

Yuan wollte mir gerade widersprechen, als Kratos ihn unterbrach: „Einverstanden.“

Etwas verwundert war ich darüber schon. Er ließ mich ohne Widerworte gehen? Dabei hatte ich mir schon überlegt was ich sagen würde, wenn er widersprechen würde. So war es auf jeden Fall einfacher.

„Wenn du gehen willst, werde ich dich nicht aufhalten. Natürlich bringen wir dich nach Luin.“, meinte Kratos.

Yuan sah Kratos eindringlich an. „Wir müssen reden.“, sprach er.

„Später.“, winkte Kratos ab. Er ging zu mir und gab mir meine Tasche. Ohne ein weiteres Wort ging er wieder ins Haus.

Das war mein Plan. Ich konnte ja nicht ewig mit ihnen reisen, aber Kratos würde früher oder später merken was los war. Also musste ich von ihnen weg. Das ging am besten in Luin. Immerhin war das meine Heimatstadt. Auch wenn ich dort momentan nicht sehr erwünscht war. Meine Tante war nun bestimmt auch dort. Sie würde mir bestimmt helfen. Außerdem war Luin meine Heimat. Ich wollte mein Baby dort zur Welt bringen. Es war auch besser so. Ich bereitete Kratos nur Probleme. Ich tat ihm ständig weh ohne dass ich es wollte. Er wäre ohne mich echt besser dran.

Am nächsten Morgen gingen wir zu einem kleinen Geheimstützpunkt in der Nähe. Wenn man es so nennen konnte. Yuan hatte ein paar Geräte von Derris Kharlan mitgenommen. Unter anderem ein Dimensionstransfersystem. Von dort konnten wir problemlos zwischen den Welten reisen.

Ich beobachtete Kratos, welcher vor mir lief. Unser gemeinsames Reisen würde wohl bald ein Ende finden. Mit viel Mühe unterdrückte ich meine Tränen. Wenn ich in Luin war, konnte ich weinen, aber nicht jetzt.

Eine unerwartete Wendung(Kratos Sicht)

Völlig monoton machte ich einen Schritt vor den anderen. Ich spürte den Wind in meinem Gesicht. Auch schien mir die Sonne auf den Rücken. Ich spürte ihre warmen Strahlen. In der Ferne hörte ich einen Specht hämmern. Ich hörte ihm zu, konzentrierte mich auf das Hämmern.

Alles nur Versuche mich abzulenken, aber immerhin funktionierte es. Ein bisschen.

Ich vernahm die Schritte meiner Gefährten. Vor mir Yuans leichtfüßiger Gang. Er konnte sich lautlos fortbewegen so wie ich. Hinter mir war er ein plumper Gang zu hören. Eine Art Schlendern. Das war Anna.

Ihr Name verursachte mir schon Schmerzen. Ich spürte wie ich innerlich zitterte. Auch war ich leicht benebelt. Das war nicht so schlecht. Es würde mir aber sicherlich die Füße wegreißen, wenn wir Anna in Luin abgesetzt hatten.

Meine Gedanken schwirrten wieder um die Braunhaarige, auch wenn ich versuchte es zu vermeiden. Warum tat sie das alles? Sie verbarg etwas vor mir. Mit der Zeit distanzierte sie sich auch von mir. Ihre Berührungen in letzter Zeit waren flüchtig und eher gezwungen gewesen. Und jetzt? Jetzt wollte sie nach Luin. Sie wollte nicht mehr mit uns…mit mir zusammen reisen. Es ergab keinen Sinn. Am Anfang bestand sie darauf mitzukommen. Sie wich ja praktisch nie von meiner Seite. Seitdem Tag als sie beim Arzt war, wurde alles anders. Was hatte sie dort nur erfahren? Es musste was mit ihren Exphere zu tun haben. Da war ich mir sicher. Warum sollte sie es mir sonst nicht verraten wollen. Sie vertraute mir nicht. Das tat ziemlich weh. Ok ich hatte am Anfang auch meine Geheimnisse, aber das.

Es waren schon ein paar Tage vergangen seitdem wir nach Sylvarant gekommen waren. Es würde auch nur noch ein paar Tage brauchen bis wir Luin erreicht hatten.

Seitdem wir Meltokio verlassen hatten, hatten Anna und ich kein Wort miteinander gesprochen. Es war wohl einfach nicht notwendig. Sie hatte alles gesagt. Mehr hatte ich dazu auch nicht zu sagen. Auf das warum würde sie eh nicht antworten. Und auf einer ihrer Lügen konnte ich verzichten. Trotzdem wollte ich sie irgendwie aufhalten. Zumindest mein Herz wollte das. Es wollte einfach nicht einsehen, dass es vorbei war.

Wir machten nun Rast in Hima. Luin war schon ziemlich nahe. Zu nah. Warum konnte es nicht noch weiter entfernt sein?

//Kratos mach dich nicht lächerlich! Du kommst darüber schon hinweg. Sie ist nur eine Frau wie viele andere.//

Ich wusste genau wie Unrecht ich damit hatte. Anna war etwas ganz besonderes. Ich würde nie wieder jemanden wie sie finden. Nur leider konnte ich nicht ändern, dass sie ging. Zumindest nicht so lange bis ich sie von ihrem Exphere befreien konnte. Also musste ich einen Zwerg finden, wenn ich auch nicht wusste wo.

Plötzlich vernahm ich ein seltsames Plumpsen hinter mir. Ich drehte mich um und sah Anna, die am Boden hockte. Sie schien Schmerzen zu haben.

Ihre Hand lag auf ihren Bauch, während sie sich mit dem anderen Arm abstützte.

Ich stürmte sofort zu ihr und kniete nieder.

„Ist alles in Ordnung, Anna?“, fragte ich und packte ihre Schultern.

Die Braunhaarige konnte nicht antworten. Sie kniff die Zähne zusammen und hielt sich krampfhaft den Bauch. Sie hatte ja in letzter Zeit öfters Beschwerden, aber es wurde immer schlimmer. Was passierte nur mit ihr? Verwandelte sie sich etwa in ein Monster?

Dann war es vorbei. Anna sah schweratmend zu Boden.

„Es ist alles in Ordnung.“, sprach sie aus der Puste.

„Nichts ist in Ordnung!“, schrie ich nun. Es passierte einfach. Ich verlor einfach die Fassung. Mein Kopf war wie leergefegt. Ich konnte es einfach nicht mehr zurückhalten.

„Jetzt sag mir endlich was mit dir los ist!“, brüllte ich Anna an. Dabei hielt ich sie an den Schultern fest.

„Das geht dich nichts an!“, keifte sie zurück.

Ich schnaubte und stand auf. Dabei zog ich Anna auf die Füße.

„Fein. Dann gehen wir zu einem Arzt. Der wird mir schon sagen, was los ist.“, sprach ich bestimmt.

„Auf keinen Fall! Das hättest du wohl gerne!“, fauchte sie zurück. Dabei versuchte sie sich aus meinen Griff zu befreien.

„Von mir aus kannst du mich noch mehr hassen, als du es sowieso schon tust, aber ich bringe dich jetzt zu einem Arzt!“

Ich zog Anna hinter mir her. Natürlich wehrte sie sich heftig. Das strengte schon an, aber ich ließ mir nichts anmerken.

Yuan sah uns nur verblüfft an. Er wusste wohl nicht so recht, was er tun sollte. Hätte ich an seiner Stelle auch nicht gewusst.

„Lass mich los! Du spinnst wohl!“, schrie Anna wie am Spieß. Nun biss sie mich in die Hand.

Ich zuckte auf Grund des Schmerzes zusammen, ließ sie aber nicht los. Ich schleifte sie weiter bis zu der Hütte. Hier befand sich ja zum Glück auch ein Arzt.

Zunächst drückte ich Anna gegen die Wand. „Sag mir was mit dir los ist oder der Arzt wird es tun.“

„Ein Scheißdreck werde ich! Der Arzt kann dir ohne meine Zustimmung eh nichts sagen!“, entgegnete sie. Ihre Augen funkelten mich böse an. Sie versuchte mich sogar zu treten. Da ich aber zu nah an ihr dran stand, konnte sie nicht ausholen. Es endete also eher damit dass sie ihr Bein gegen meins drückte, anstatt mich wirklich zu treten.

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Wenn ihm sein Leben lieb ist wird er schon sprechen!“, drohte ich. Solche Methoden lehnte ich eigentlich völlig ab. Momentan würde ich aber alles tun, um Anna zu helfen.

Jetzt sah sie mich geschockt an. „Das wagst du nicht!“

„Oh doch! Du hast die Wahl Anna. Entweder ich zerre dich jetzt da rein und lasse dich untersuchen oder du wählst den einfachen Weg und sagst mir einfach was los ist.“, sprach ich eindringlich. Dabei sah ich ihr direkt in die Augen.

„Lass mich!“, schrie sie nur und versuchte sich weiter zu befreien.

„Wie du willst.“, rief ich und zog Anna weiter zur Tür.

„Bitte hör auf!“, schrie sie verängstigt. Das verwirrte mich jetzt total. Warum hatte sie Angst. Warum hatte sie Angst davor mir zu sagen was los ist. Das begriff ich nicht.

„Dann sag mir was los ist!“, entgegnete ich und hielt Anna immer noch fest.

„Ich, ich…“, stammelte sie. Dabei versuchte sie sich immer noch vergeblich zu befreien.

„Ich bin schwanger!“

Ihre Worte hallten in meinem Kopf wider. Irgendwie begriff ich nicht was sie gerade gesagt hatte. Ich fühlte mich benommen so als stände ich unter Drogen. Ich ließ Anna los und taumelte ein paar Schritte zurück. Ich musste erst mal verstehen was Anna gesagt hatte.

Ich bin schwanger. Das hieß…sie bekam ein Kind. Von mir? Sie war nicht durch den Exphere gefährdet. Sie war einfach nur schwanger.

Ich wusste nicht ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Immerhin war sie momentan nicht durch ihren Exphere gefährdet. Meine Befürchtung hatte sich also nicht bewahrheitet. Aber…schwanger?

Plötzlich lief Anna an mir vorbei. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und reagierte blitzschnell. Ich packte ihren Arm und verhinderte somit ihre Flucht.

„Wo willst du hin?!“, rief ich.

Sie sah mich böse an. Gab mir aber keine Antwort.

„Warum…hast du nichts gesagt? Ich habe mir Sorgen gemacht?“, sprach ich die Frage aus, die mir nun in den Sinn kam. Warum tat sie das alles. Ich hätte es verstanden, wenn es um ihren Exphere ging, aber warum verbarg sie ihre Schwangerschaft? Das war es doch eigentlich was sie immer wollte? Obwohl ich mich nun auch wunderte wie das passiert war. Sie meinte doch es wäre unmöglich…fast unmöglich.

„Das geht dich nichts an. Lass mich los!“, fauchte sie.

Ich verstand sie einfach nicht? Warum war sie immer noch so aggressiv?

Nun ergriff Yuan das Wort. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst? Du bekommst ein Kind von Kratos?! Das ist ja wohl das schlimmste was jetzt passieren kann.“

Etwas verwirrt sah ich Yuan an. Was meinte er damit. Irgendwie war mein Kopf noch nicht ganz klar.

„Wir können es uns nicht erlauben, dass du ein Baby bekommst.“, sprach der Blauhaarige.

Ich spürte wie Anna heftig zusammenzuckte. Ich wusste nicht wie ich antworten sollte. Die Situation überforderte mich gerade.

„Das wird unsere Mission nur aufhalten. Wir können uns nicht auch noch um eine schwangere Frau kümmern, ganz zu schweigen von einem Baby. Das Schicksal der Welten hängt von uns ab. Ein solches Risiko dürfen wir nicht eingehen.“

Jetzt verstand ich was Yuan meinte. Er hatte Recht. Anna würde uns aufhalten, wenn sie schwanger wäre. Immerhin konnte sie so nicht weit reisen oder kämpfen. Sie zusätzlich zu beschützen war auch zu gefährlich. Außerdem gab es so eine weitere Schwachstelle in unserem Team auf die es Cruxis abgesehen haben könnte.

„Ich verlasse euch ja! Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen!“, raunte Anna nun.

Deswegen wollte sie also weg. Damit sie uns nicht im Weg war.

„So einfach ist das nicht!“, widersprach Yuan.

Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei. Immerhin wusste ich worauf Yuan hinaus wollte.

„Cruxis weiß wie du zu Kratos stehst oder viel mehr wie viel du Kratos bedeutest. Wenn wir dich irgendwo alleine lassen, werden sie dich gefangen nehmen und als Druckmittel gegen Kratos einsetzen. Also können wir dich nicht gehen lassen.“

Anna begann nun zu zittern. Sie hatte Angst. Wegen ihrem Baby?

„Ich werde mich verstecken. Die finden mich nicht!“, erwiderte die Braunhaarige.

Sie ging ein Stück von Yuan weg, sodass ich zwischen den beiden stand.

„Viel zu riskant. Ich habe ja nicht dagegen, wenn ihr eine Familie gründet, aber nicht jetzt. Das Baby muss weg!“

„Nein!“, schrie Anna nun verzweifelt. Sie krallte sich an mir fest und versteckte sich hinter mir vor Yuan.

„Bitte nicht.“, flehte die Braunhaarige. Ihr liefen Tränen durchs Gesicht. Sie sah mich bittend an.

„Was soll das jetzt? Es geht nun mal nicht anders. Das siehst du doch sicher auch so Kratos.“, meinte Yuan.

Ich sah immer noch in Annas verzweifeltes Gesicht. Das was Yuan sagte stimmte. Wir konnten kein Baby bekommen. Zumindest nicht jetzt. Yuans Entscheidung war richtig. Es musste getan werden. Das war klar. Meinem Körper war das aber nicht klar. Ich konnte mich nicht regen. Mein Mund war so trocken, dass ich kein Wort heraus bekam.

Mir schwirrten Bilder von Anna mit einem Baby im Arm im Kopf herum. Das war doch ihr Kind. Mein Kind.

Ich stellte mir gerade vor ein Baby im Arm zu halten. Der Gedanke war mir total fremd. Ich wollte nie Kinder haben und hätte auch nicht im Entferntesten daran gedacht je welche zu bekommen. Trotzdem… gefiel mir die Vorstellung irgendwie. Was war nur mit mir los?

„So ein Abtreibungsmittel ist ja nicht schwer zu beschaffen. Das tut wohl auch nicht weh. Ich bin sicher der Arzt hier hat welches. Am besten holst du gleich welches.“, schlug Yuan vor.

Jetzt sah Anna mich ebenfalls ängstlich an. Sie drückte sich nun gegen die Hauswand. Warum sie das mit der Schwangerschaft verheimlicht hatte, verstand ich nun. Sie wollte ihr Baby nicht verlieren. Unser Baby.

„Nein das werde ich nicht tun.“, sprach ich nun trocken.

„Wie bitte. Was soll das heißen?!“, fragte der Blauhaarige nun sichtlich verwirrt.

Auch Anna sah mich fragend an.

„Ich kann das Kind nicht töten.“, beteuerte ich immer noch ruhig.

„Was?!“, schrie Yuan empört.

„Kratos?“, hauchte Anna nun erstaunt.

Ihre Reaktionen waren wohl verständlich. Das war überhaupt nicht meine Art. Normalerweise war ich rational und tat das was getan werden musste. Von Gefühlen ließ ich mich so gut wie nie leiten. Bis ich Anna getroffen hatte. Jetzt standen meinem Verstand meine Gefühle im Weg. Trotzdem fühlte ich mich nicht unsicher. Ich hatte meine Entscheidung getroffen.

„Das ist nicht dein Ernst! Du entscheidest dich für das Baby? Du weißt schon was auf dem Spiel steht. Jeden Tag den wir nichts unternehmen sterben viele Menschen. Jeden Tag gehen die beiden Welten ein Stück weiter auf ihr Verderben zu. Willst du wirklich zwei Welten opfern, tausende von Menschen nur wegen einem Kind?!“, brüllte Yuan. Er stand nun genau vor mir und sah mir in die Augen.

„Wir können doch kein unschuldiges Kind töten. Dann sind wir nicht besser als Yggdrasill.“, widersprach ich, wobei ich Yuans Blick erwiderte.

„Wir können nicht auf alles Rücksicht nehmen. Natürlich gefällt es mir nicht ein Kind zu töten. Aber Yggdrasill kämpft auch nicht mit fairen mit Mitteln. Halbherzigkeiten können wir uns nicht erlauben. Wir müssen das jetzt durchziehen.“

„Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich mein eigenes Kind umbringe!“

„Jetzt fang nicht auch noch an Gefühle für das Baby zu entwickeln. Bis eben wusstest du noch nicht mal, dass es existiert und jetzt machst du einen auf Familienvater.“

So zornig hatte ich Yuan selten gesehen. Ich wusste es ging ihm um mehr als die beiden Welten. Es ging ihm um Martel. Er wollte dass seine Verlobte endlich Frieden fand. Ich konnte ihn gut verstehen, aber…

„Ob das Kind bleibt oder nicht, ist nicht deine Entscheidung. Und es ist offensichtlich, dass Anna ihr Baby behalten möchte. Du hast kein Recht ihr das zu verwehren. Das Baby bleibt!“, rief ich bestimmt.

Yuan gab ein Knurren von sich. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und stapfte davon.

Ich sah ihm noch etwas hinterher. Dann drehte ich mich zu Anna um. Die Braunhaarige stand immer noch völlig verwirrt da und sah mich an. Jetzt war meine Sicherheit wieder verschwunden. Ich hatte gerade keine Ahnung wie ich mit Anna umgehen sollte. Sicher das Baby wollte ich behalten, aber die Situation überforderte mich nach wie vor. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass ich mich gut als Vater eignete.

„Geht es dir gut?“, fragte ich erst mal. Anna nickte.

„Warum machst du das? Ich hätte gedacht du wärst gegen das Kind.“, sprach Anna unsicher.

Ich seufzte. „Genau weiß ich das auch nicht. Ich wollte eigentlich nie ein Kind aber…jetzt bist du schwanger. Lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Ich werde mich um dich und das Kind kümmern. Bin ja schließlich auch der Vater. Außerdem…“ Ich wusste nicht wie ich es erklären sollte. „… gefällt es mir ja vielleicht Vater zu sein. Auch wenn ich wahrscheinlich einen jämmerlichen Vater abgebe.“

Anna kicherte kurz. Dann umarmte sie mich. Ich schloss meine Arme um sie.

Es tat gut sie wieder im Arm zu halten. Ihr so nah zu sein, ihren Geruch einzuatmen und ihre Wärme zu spüren.

Ich merkte dass Anna schluchzte. Daher strich ich ihr sanft über den Rücken.

„Es tut mir leid.“, brachte sie leise hervor.

„Ist ja gut. Was tut dir denn leid.“, sprach ich ruhig.

„Ich hatte erwartet, dass du das Baby nicht wolltest, dass du so wie Yuan reagieren würdest.“

Anna sah mich an. Ihr liefen ein paar Tränen übers Gesicht.

Ich lächelte etwas verlegen. „Um ehrlich zu sein: Das hätte ich eigentlich auch von mir erwartet. Ist ja auch eigentlich logisch, was Yuan da erzählt hat, aber…irgendwie will ich das Kind wohl auch.“

Jetzt fühlte ich mich ganz warm. Ich war irgendwie glücklich. Anna hatte mich angesteckt mit ihrer Emotionalität.

Anna schluchzte erneut: „Ich…habe dir weh getan. Ich wollte nicht, dass du es erfährst. Ich…ich…Hätte ich gewusst, dass du so reagierst, hätte ich es dir gleich sagen können. Es tut mir leid.“

„Ist nicht so schlimm. Jetzt ist ja alles wieder in Ordnung.“, sprach ich ruhig.

Jetzt vernahm ich Schritte. Ein Desian? Nein. Dazu schien die Person zu unsicher zu sein.

„Hey lass die Frau in Ruhe!“, schrie ein Mann. Ich drehte mich um.

Da stand ein Mann, der unsicher ein Schwert in der Hand hielt. Wohl ein Möchtegern Abenteurer. So wie er sein Schwert in der Hand hielt war er damit nicht sehr erfahren. Es handelte sich um einen Einhänder. So einen hielt man nur mit einer Hand so wie ich.

Allerdings wusste ich nicht, was er von mir wollte.

„Vergewaltiger wie dich brauchen wir hier nicht!“

Jetzt verstand ich. Er hatte die Situation wohl missverstanden. Ich hatte ja Anna auch vorhin hinter mir her gezogen. Sie hatte sich ziemlich gewehrt. Und jetzt weinte sie. Das musste man ja falsch verstehen.

„Er ist kein Vergewaltiger. Er ist mein Freund.“, verteidigte Anna mich.

„Ja das ist ein Missverständnis.“, meinte ich.

„Sicher. Du bedrohst sie!“, schrie er und wollte mich mit seinem Schwert schlagen. Ich parierte.

„Hören sie auf damit! Kratos würde so was nie tun. Wir hatten nur eine kleine Auseinandersetzung.“, rief die Braunhaarige und stellte sich nun vor mich.

„Für eine kleine Auseinandersetzung ist der aber ziemlich gewalttätig geworden.“, schimpfte der Mann.

„Das tut mir Leid. Ich hoffe, ich habe dir nicht wehgetan.“, entschuldigte ich mich mehr bei Anna als bei dem Mann. Immerhin hatte ich sie ziemlich grob angefasst.

„Schon Ok. Du hast mir nicht weh getan.“, meinte sie.

„Wir sollten uns vielleicht im Gasthaus ausruhen.“, schlug ich vor. Der Mann sah mich immer noch argwöhnisch an.

„Ja genau. Da können wir ungestört reden. Aber trotzdem danke für ihre Zivilcourage. Frauen, die wirklich in Not sind, wird das bestimmt helfen.“, meinte Anna. Daraufhin zog sie mich ins Gasthaus. Wir nahmen uns ein Zimmer.

„Kratos der böse Vergewaltiger.“, gluckste Anna nun. Sie ließ sich ins Bett fallen und kicherte.

„Tja ich habe eben auch andere Seiten.“, sagte ich gespielte böse und legte mich auf Anna.

„Oh Hilfe nein.“, rief sie kichernd. Ich küsste sie. Anna erwiderte den Kuss leidenschaftlich, was ich sehr begrüßte. Ich hatte sie so sehr vermisst.

„Ich habe das vermisst.“, sprach Anna meine Gedanken offen aus.

„Ich auch.“

Anna seufzte. „Ich habe es uns ganz schön schwer gemacht.“, jammerte sie etwas.

„Na ja. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.“, entgegnete ich und küsste Anna erneut.

„Aber ich habe dir weh getan. Mehr oder weniger bewusst. Bist du nicht sauer.“, entschuldigte sie sich.

„Nein.“, sagte ich ehrlich. Ich war einfach nur froh, dass alles wieder normal zwischen uns war. „Außerdem habe ich dir damals auch wehgetan Als wir zusammen gekommen sind. Wir sind quitt.“

Anna kicherte und kuschelte sich an mich.

Ich lag nun neben ihr, hatte mich aber zu ihr gedreht. Ich legte meinen Arm um sie.

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich nun. Was hatten wir jetzt eigentlich vor?

„Na weiter nach Luin, nicht?“, sprach Anna, wobei sie etwas traurig wirkte.

„Was?! Du willst immer noch dahin. Du willst uns nicht begleiten?“, fragte ich entsetzt.

„Ich kann nicht. Ich bin schwanger. So reisen geht nicht ewig. Es ist jetzt schon anstrengend genug und ich bin gerade mal im zweiten Monat.“, sagte Anna niedergeschlagen. Ich wusste nichts zu erwidern. Damit hatte sie Recht. Die Schwangerschaft war sicherlich sehr anstrengend für Anna. Würde das dann bedeuten, dass wir uns trennen mussten?

„Ich weiß, ihr müsste eure Reise fortsetzen. Ich wäre euch da auch echt nur im Weg. Vielleicht geht es wieder, wenn das Kind da ist. Obwohl. Da wäre ich bestimmt auch keine große Hilfe mit Baby im Schlepptau.“

Anna war ziemlich traurig darüber. Glücklich war ich auch nicht gerade. Jetzt hatte ich mich gerade mit Anna versöhnt und jetzt sollten wir schon wieder getrennte Wege gehen.

„Dabei möchte ich eigentlich in deiner Nähe bleiben.“, nuschelte sie, wobei sie ihr Gesicht an meins schmiegte.

Ich seufzte. Mir fiel momentan auch nichts Besseres ein.

„Na ja das wird schon. Das Kleine wird mich schon in Schach halten.“, rief die Braunhaarige nun. Sie versuchte fröhlich zu klingen. Anna setzte sich auf und streckte sich genüsslich.

Ich sah auf ihren Bauch. Dieser war wirklich schon etwas runder geworden. Bisher war mir das noch gar nicht aufgefallen. Anna hatte mich ja auch nicht in ihre Nähe gelassen. Es fiel mir trotzdem schwer mir vorzustellen, dass sich da ein Kind entwickelte. Mein Kind. Ob man wohl schon was merkte? Dafür war es aber bestimmt noch zu früh. Wie es sich wohl anfühlte, wenn das Baby sich darin bewegte. Ich würde es wohl eh nie erfahren. Immerhin müsste ich Anna bald verlassen.

Nun packte die Braunhaarige meine Hand und legte sie auf ihren Bauch.

„Du darfst ruhig anfassen. Man merkt aber noch nicht viel.“

Ich streichelte sanft ihren Bauch. Mir wurde ganz warm ums Herz. Solche Gefühle waren mir völlig fremd.

Anna sah nach unten auf ihren Bauch. Sie lächelte leicht, wirkte aber auch traurig.

Mir kam ein Gedanke. Vielleicht…

„Yuan bringt mich um.“, sprach ich nun.

Anna sah mich etwas verwirrt an. „Warum sollte er? Lieber würde er mich und das Baby umbringen.“, meinte Anna.

„Ich werde mit dir nach Luin gehen. Solange bis das Baby geboren ist.“

Anna fielen fast die Augen aus. „Was? Das geht doch nicht.“, maulte sie. „Du kannst doch nicht die Reise abbrechen nur wegen mir.“, lehnte Anna ab.

„Das wird schon gehen. Ich weiß es ist nicht vernünftig, aber ich möchte bei dir und dem Kind bleiben. Du brauchst vielleicht Hilfe. Ich kann meine schwangere Freundin nicht einfach in irgendeiner Stadt zurücklassen. Außerdem ist es wie Yuan sagt. Wenn dich Cruxis oder die Desians finden, können sie mich erpressen. Also muss ich bei dir bleiben.“, argumentierte ich.

Anna standen Tränen in den Augen. „Du bleibst wirklich…bei mir?“

Ich nickte und nahm sie in den Arm. Anna drückte sich an mich. Sie fing an zu weinen.

„Du bist der beste Engel der Welt. Hab ich dir schon mal gesagt, wie sehr ich dich liebe.“, schluchzte meine Freundin.

„Ich liebe dich auch Anna.“, flüsterte ich leise in ihr Ohr. Mir gefiel der Gedanke bei Anna zu bleiben. Auch wenn es verantwortungslos gegenüber den Welten war. Ich hatte schließlich auch Pflichten als Vater. Jetzt musste ich nur noch Yuan davon überzeugen. Sicherlich das schwerste an der Sache. Aber es würde schon irgendwie klappen.

Ein hinterhältiges Spiel(Kratos Sicht)

Es war eine Weile vergangen seit Anna und ich nach Luin gezogen waren. Zwei Monate um genau zu sein. Allerdings sah man es Anna nicht an dass es nur zwei Monate waren. Ihr Bauch war sehr rund. Es wirkte etwas seltsam, da Anna ja sonst recht schlank war. Sie sah eher so aus als wäre sie schon im neunten Monat schwanger sein. Dabei war sie gerade mal im fünften. Der Arzt hatte auch gemeint, dass das Baby ungewöhnlich schnell wuchs, auch wenn es sich bisher normal entwickelt hatte. Er vermutete es lag an ihrem Exphere. Diese Steine steigerten ja die Kräfte von ihrem Träger. Wahrscheinlich beschleunigte er auch das Wachstum des Kindes.

Allerdings hatte dies einen eher negativen Effekt auf Anna. Die Braunhaarige war sehr erschöpft. Auch wenn das Baby schnell wuchs so brauchte es für das Wachstum genauso viel Energie wie für ein normales Baby. Das zehrte natürlich an ihren Kräften. Zusätzlich schwächte sie ihr Exphere. Natürlich versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen, damit ich mir keinen Sorgen machte.

Anna saß neben mir auf dem Bett. Sie rieb lächelnd ihren Bauch.

„Was meinst du? Ob es wohl ein Mädchen oder ein Junge wird.“, fragte sie.

„Mhm“, gab ich von mir.

„Mach dir nicht so viele Sorgen. Es wird schon alles gut.“, sprach sie selbstsicher. Anna war selbst davon überzeugt. „Ich bin doch stark. Hast du selbst mal gesagt.“

Ich lächelte und nahm sie in den Arm.

„Ja das bist du. Vielleicht bin ich aber nicht so stark. Ich weiß nicht ob ich ein guter Vater sein kann.“, sprach ich meine Sorgen aus. Ich machte mir ja schon um Anna so viele Sorgen. Was passierte erst wenn wir noch ein Kind bei uns hatten.

„Natürlich wirst du ein guter Vater sein.“, sprach Anna sicher. Die Braunhaarige wirkte stark. Sie war in ihrer Rolle als werdende Mutter richtig aufgegangen. Ich hingegen. War echt ein nervöser Haufen. Bei jeder Wehe von Anna bekam ich Panik. Ich wusste nicht was ich machen sollte. So was lag mir einfach nicht. Ich war ein Schwertkämpfer, ein Krieger und kein Vater.

„Du machst dir zu viele Sorgen. Lass uns lieber über schönere Sachen nachdenken. Zum Beispiel über den Namen unseres Kindes.“, sprach die Braunhaarige.

„Dir fällt bestimmt ein guter ein.“, erwiderte ich und umarmte Anna zaghaft. Ich wollte ihr schließlich nicht wehtun. Sie wirkte sehr zerbrechlich.

Die Braunhaarige stand auf und sah mich trotzig an. „Oh nein Mister Aurion. So leicht windest du dich da nicht raus. Du bist schließlich der Vater unseres Babys. Wir überlegen beide wie es heißen soll.“

Ich seufzte. „Ich kann so was nicht. Was wenn ich ihm einen blöden Namen gebe.“, versuchte ich mich herauszureden. Anna war sicherlich besser im Namen geben als ich.

„Das wirst du nicht. Der Name wird ihm gefallen, weil sein Vater ihn ausgesucht hat.“

„Aber…“

„Kein aber…“

„Aber…“

Jetzt sah mich Anna gespielt böse an. Ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt.

„Komm schon.“, bat ich.

„Nein.“

„Anna bitte.“

„Nein.“

„Nur…“

„Nein.“

Ich hasste es wenn unsere Gespräche so verliefen. Meistens zog ich den Kürzeren. Anna ließ in solchen Situationen nicht mit sich reden.

„Wir machen es so. Wenn es ein Mädchen wird, gebe ich ihr einen Namen.“

„Aber…“

„Kein aber, Kratos. Wenn es ein Junge wird, gibst du ihm einen Namen.“

„Muss das sein?“, beschwerte ich mich.

„Jammere nicht! Ich verlange nur, dass du unserem Baby einen Namen gibst. Ich will keine Wunder.“

„Ein Wunder wäre mir lieber.“, entgegnete ich.

„Dann das Wunder, dass du dir einem Namen für unser Baby ausdenkst. Mehr sage ich dazu nicht.“

„Ich hoffe es wird ein Mädchen.“, gab ich von mir.

„Mädchen sind zickig. Bist du dir sicher, dass du das willst?“, fragte Anna neckisch zurück.

„Du willst also einen Jungen?“, fragte ich nun zurück.

„So direkt habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Eigentlich ist mir das egal. Was wünschst du dir denn? Von der Namensgebung mal abgesehen.“, wollte sie nun wissen.

„Ist doch egal, was ich mir wünsche. Ändern kann ich es eh nicht.“, antwortete ich.

„Typisch. Du denkst echt zu rational. Du musst dir doch trotzdem was wünschen.“

„Ich…“

„Komm mir jetzt nicht mit „Ich weiß es nicht“! Das ist nur eine Ausrede von dir. So gut kenne ich dich schon.“

Ich seufzte. Wieso kannte Anna mich nur so gut. Ich konnte nichts vor ihr verbergen.

„Und?“

„Ein Junge.“

Anna sah mich nun mit großen Augen an. „Wow, das ging ja schnell. Ein Junge also. Warum?“

Jetzt sollte ich ihr auch noch eine Erklärung abliefern. Mit einer Ausrede brauchte ich gar nicht erst anzukommen.

„Vielleicht kann ich ihm später Schwertkampf beibringen. Das würde mir gefallen.“, gestand ich und sah dabei nach unten. Das war mir unangenehm.

Anna kicherte. „Süß. Ich wünschte du würdest mal öfter was von dir preisgeben.“

„So was kann ich nicht.“

„Ich weiß.“, sagte Anna und umarmte mich.

Ich küsste sie.

„Ich geh etwas spazieren.“, meinte die Braunhaarige nun.

„Du solltest dich lieber ausruhen.“, meinte ich bestimmt.

„Bewegung tut mir gut. Sei doch nicht immer gleich so besorgt.“

„Aber was wenn du dein Baby auf der Straße bekommst oder wenn der Spaziergang zu viel für dich ist oder wenn…“

„Kratos!“

„Und wenn du hinfällst oder dich jemand angreift.“

„Kratos hör auf! Mir könnte auch ein Kieselstein ins Auge fallen und ich erblinde daran. Du bist viel zu übervorsichtig. Spazieren ist gut für mich.“

Ich schnaubte. „Ich komme aber mit dir.“, erwiderte ich.

„Oh ja ich könnte ja von einem der Bewohner von Luin angefallen werden.“, kam als Antwort.

„Deinem ehemaligen Verlobten würde ich alles zutrauen.“

Jetzt fing Anna an zu lachen. „Norman. Du übertreibst. Er kann zwar gemein sein aber soweit würde er nicht gehen.“

Anna umarmte mich erneut. „Lass mir auch mal etwas Freiraum. Es passiert schon nichts. Ich verlasse Luin ja nicht. Du kannst ja in der Zwischenzeit nochmal die Stadtgrenzen überprüfen oder so.“

Das passte mir gar nicht, aber irgendwie hatte sie ja Recht. Vielleicht sollte ich auch wirklich nochmal nachsehen ob Desians in der Nähe waren. Das tat ich vorsichtshalber jeden Morgen. Wenn die Desians erfahren würden, dass wir hier waren, wären nicht nur Anna und ich in Gefahr auch Luin hätte viele Probleme.

„Wir sehen uns nachher.“, sprach Anna nun. Die Braunhaarige verschwand aus der Tür.

Eigentlich war ich gewillt ihr hinterher zu gehen nur um sicher zu gehen. Wenn sie mich aber dabei erwischen würde gab es Ärger.

Ich machte mir wirklich zu viele Sorgen. Wir waren immerhin in einer Stadt. Da konnte ja wirklich nicht so viel passieren. Die Bewohner von Luin hatten mich und Anna jetzt auch akzeptiert. Was zum einen an Annas Tante lag. Sie war von Asgard hier her gekommen, um für Proviant und Baumaterial zu sorgen. Sie regelte das Geschäftliche hier.

Ein weiterer Grund waren die vielen Gefangenen, die wir aus der Farm befreit hatten sowie deren Angehörige.

Anna war hier jetzt ziemlich beliebt. Sie kannte auch viele Leute von hier. Es war wahrscheinlich wirklich ungefährlich.

Ich stand auf und trödelte etwas durch die Stadt. Die Menschen hier hatten sich wirklich verändert. Viele waren nicht mehr so ignorant wie vorher. Die Bewohner waren wieder voller Hoffnung.

Nun erreichte ich die Brücke die nach draußen führte.

Mein Blick schweifte über die Landschaft. Es war niemand zu sehen. Die Desians waren bisher noch nicht in Luin gewesen. Auch Engel hatte ich noch nicht bemerkt. Es war ein ruhiger wenn auch kalter Tag. Ich zog meinen Schal etwas fester. Den hatte mir Anna geschenkt. Er war dunkel lila. Passte also zu meinem Outfit.

Ich seufzte und setzte mich auf einen nahegelegenen Stein.

Vielleicht sollte ich schon mal anfangen mir einen Namen auszudenken. Ich seufzte. Wie nannte man einen Jungen wohl am besten? Tom? Tobi? Bernd?

Ich schüttelte den Kopf. Mein armer Sohn. Für so einen Namen müsste man sich ja schämen. Vielleicht etwas exotischeres? Cody? Hakuro? Klang auch nicht gerade besser.

Wieder seufzte ich. Meine erste Aufgabe als Vater und ich scheiterte schon kläglich daran. Wie war das wohl erst wenn das Kleine da war. Wahrscheinlich hatte es wohl Angst vor mir und ich würde wohl immer der böse Mann sein anstatt Papa.

Plötzlich vernahm ich Schritte. Jemand kam von hinten auf mich zu. Die Person schien zu rennen.

„Kratos!“, erklang eine Männerstimme. Die Stimme war mir bekannt. Als ich mich umdrehte erkannte ich Norman. Er war völlig aus der Puste. Was er wohl von mir wollte. Normalerweise mied er mich.

„Schnell! Es geht um Anna!“

Sofort sprang ich auf. „Was ist mit ihr?!“, schrie ich.

„Die Desians haben sie.“, sprach Norman panisch.

„Was?!“, schrie ich. Wie konnte das sein? Hatte ich etwa welche übersehen. Wie konnten die in die Stadt gelangen?

„Es tut mir Leid. Ich wollte Anna etwas zeigen. Wir haben Luin aber nicht sehr weit verlassen. Dann wurden wir plötzlich von Desians überfallen. Sie haben Anna mitgenommen. Ich konnte nichts tun. Du musst sie retten.“

Norman war völlig außer sich. Ich war allerdings auch nicht gerade die Ruhe in Person. Die Desians hatten Anna.

„Wo wurdet ihr überfallen?“, fragte ich. Vielleicht konnte ich die Desians noch verfolgen bevor sie an der Farm ankamen.

„Ich zeige es dir. Komm mit!“, rief Norman und lief los. Ich folgte ihm in einen Wald.

„Hier war es.“, sagte er als wir eine Lichtung erreicht hatten. Ich sah mich nach Spuren um, die mir verrieten wohin die Desians gegangen waren. Allerdings fand ich keine. Hatten sie ihre Spuren verwischt? Warum sollten sie? Ich erkannte hier nur Tierspuren vermutlich von Rehen. Auch ein paar Hasenspuren waren zu sehen. Dann konnten die Desians ihre Spuren auch nicht verwischt haben. Sonst hätte man diese Spuren auch nicht sehen können. Und besonders frisch waren sie auch nicht.

„Hier war niemand.“, sprach ich meine Gedanken laut aus.

„Richtig erkannt.“, sprach Norman nun.

Völlig verwundert sah ich ihn an. Noch bevor ich aber etwas Weiteres sagen konnte, spürte ich wie sich etwas um meinen Arm wickelte. Eine Kette. Dann kam eine weitere, die sich um meinen anderen Arm wickelte.

„Eine Falle!“, fauchte ich, woraufhin Norman nur grinste. Ich zog mit aller Kraft an den Ketten woraufhin ich die Desians aus den Büschen zog. Sie hielten die Ketten zu viert fest. Ich zog erneut woraufhin nur noch mehr Desians angelaufen kamen und die Ketten festhielten.

Ich versuchte mich zu befreien, allerdings vergebens. Es waren zu viele. Selbst mit meinem Cruxis-Kristall konnte ich mich nicht wehren. Die Desians drückten mich zu Boden. Dann fesselten sie meine Hände. Auch mein Schwert nahmen sie mir ab.

„Pech würde ich sagen.“, sagte Norman, welcher sich nun zu mir niederkniete.

„Hättest du bloß die Pfoten von Anna gelassen.“, sprach er und zog meinem Kopf an meinem Schal hoch. Er zog fast so stark, dass ich keine Luft mehr bekam. Dann spuckte er mir direkt ins Gesicht. „Du widerlicher Abschaum.“, sagte er noch. Dann löste sich mein Schal von meinem Hals, sodass mein Kopf auf den Boden fiel.

„Adieu.“, sagte Norman noch bevor er im Wald verschwand. Dann spürte ich einen starken Schlag auf den Hinterkopf und ich verlor das Bewusstsein.

Als ich wieder aufwachte befand ich mich in einer Zelle. Vermutlich in der Menschenfarm. Meine Arme waren oberhalb von mir an Ketten gebunden, sodass ich eher hing als wirklich stand. Mein Kopf tat immer noch leicht weh, was mich momentan aber wenig störte.

„Ah unser Besuch ist aufgewacht.“, erklang eine Stimme aus der Ecke der Zelle. Dort saß Kvar. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt.

„Ist schon eine Weile her, nicht wahr Kratos?“, sprach der Desian erhaben.

„Nicht lang genug.“, antwortete ich.

Kvar kam grinsend auf mich zu. „Wie unhöflich von dir. Ich bin höchst erfreut dich zu sehen. Und Lord Yggdrasill wird es sicher auch sein.“

„Ts!“, gab ich nur von mir.

„Aber vorher wirst du noch für den Ärger aufkommen, den du verursacht hast.“, zischte der Großfürst.

Er stellte mich nun neben mich. „Welch schöne Flügel ihr Engel doch habt.“

Flügel? Ich sah nach hinten und bemerkte meine Flügel. Wieso waren sie da? Ich hatte sie doch gar nicht gerufen.

„Ein Exphere-Stimulator funktioniert auch bei Cruxis-Kristallen.“, gab Kvar von sich.

Ich antwortete nicht darauf. Ein Exphere-Stimulator war ein Gerät mit dem man einen Exphere stimulieren konnte seine Wirkung zu entfalten. Bei mir ließ er wohl meine Flügel erscheinen. Und verschwinden lassen konnte ich sie auch nicht.

„Ich frage mich, ob die wohl nachwachsen.“, gab der Desian von sich. Bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, was er gesagt hatte, riss er an meinem rechten Flügel. Ein unglaublich starker Schmerz ging durch jede Faser meines Körpers. Ich schrie auf. Der Schmerz war stärker als alles was ich kannte. Selbst ein Schwert in der Schulter oder durch den Bauch war noch angenehm dagegen.

Nun sah ich wie Teile meiner Flügel zu Boden glitten und dort verschwanden. Kvar hatte mir meinen linken Flügel gänzlich ausgerissen. Der Großfürst lachte nur selbstzufrieden.

„Das tat doch nicht etwa weh oder.“

Ich versuchte mich wieder etwas zu beruhigen, aber mein Körper war durch die Prozedur völlig erschöpft. Wahrscheinlich geriet mein Mana durcheinander. Immerhin entstanden meine Flügel aus meinem Mana. Auch der Schmerz war noch nicht völlig verschwunden.

Kvar begab sich nun auf die andere Seite und berührte meinen Flügel dort.

„Wie zerbrechlich die doch sind.“

Und er riss erneut daran. Wieder spürte ich diesen stechenden Schmerz, der sich von meinem Rücken über den ganzen Körper verteilte. Mir wurde leicht schwarz vor Augen. Wahrscheinlich würde ich jeden Moment das Bewusstsein verlieren.

Kvar stand nun wieder vor mir und griff nach meinem Cruxis-Kristall. „Ich darf doch oder.“

Mit einem Ruck nahm er ihn mir ab, was ich kaum bemerkte. Auch den Stimulator entfernte er von meinem Hals.

Das Bild vor meinen Augen verschwand immer mehr.

Ich bemerkte wie Kvar meine Ketten löste. Da ich an diesen hing, fiel ich nach vorne und knallte mit meinem Gesicht hart auf den Boden. Dann verlor ich erneut das Bewusstsein.

Ein hinterhältiges Spiel(Annas Sicht)

Ich streckte mich genüsslich und genoss meinen Spaziergang durch Luin. Heute war viel los auf den Straßen. Überall waren Händler und Kaufleute unterwegs. Auch viele andere Bewohner machten ihre Besorgungen.

Ich beobachtete sie etwas. Nach Kratos hielt ich auch Ausschau. Ich würde es dem Engel zutrauen, dass er mir nachschlich. Er war allerdings nirgends zu sehen. Vielleicht hatte er sich doch etwas entspannt.

„Hallo Anna, du siehst heute gut aus.“, erklang eine Männerstimme. Das war eindeutig Norman.

„Hi Norman. Was willst du denn?“, fragte ich etwas genervt. Seine Anwesenheit war nicht unbedingt angenehm.

„Sei doch nicht immer so abweisend. Ich soll dir was von deinem Liebsten übermitteln.“, sprach er und wirkte dabei angewidert.

„Von Kratos? Warum sollte er gerade dich schicken? Ihr seid nicht gerade beste Freunde.“, entgegnete ich etwas skeptisch.

„Er war in Eile. Es ging um die Desians. Er hat sie in der Nähe von Luin entdeckt darum wollte er mit dir die Stadt vorläufig verlassen.“, erklärte der Schwarzhaarige.

Ich war immer noch nicht wirklich überzeugt. Das sah Kratos gar nicht ähnlich mich dann nicht selbst zu holen. Vor allem momentan.

„Er hat mir das gegeben. Damit du mir glaubst.“, rief Norman. Er hielt einen lila Schal hoch. Der gehörte eindeutig Kratos. Den hatte ich ihm geschenkt. Norman sagte also die Wahrheit.

„Wo soll ich ihn denn treffen?“, fragte ich nun.

„Etwas südlich von hier in einem kleinen Wald. Ich begleite dich dorthin. Kratos hat mich darum gebeten. Er meinte es sei zu gefährlich oder so.“

Ja das passte zu ihm. Als könnte ich nicht alleine gehen.

So ging ich also mit Norman in besagten Wald.

„Wo ist Kratos denn?“, fragte ich genervt. Der Weg war schon ziemlich lang gewesen. Und ich war immerhin schwanger.

„Du wirst gleich bei ihm sein.“, sprach Norman in einem seltsamen Tonfall.

Plötzlich packte mich jemand von hinten und hielt mir ein Tuch vor die Nase. Mir wurde schwarz vor Augen. Das war Betäubungsmittel. Mehr bemerkte ich allerdings nicht, da ich das Bewusstsein verlor. Erst in einer mir sehr bekannten Umgebung wachte ich wieder auf. Eine Zelle. In der Menschenfarm von Asgard. Hätte sogar meine alte gewesen sein können.

„Na ganz toll!“, beschwerte ich mich. Jetzt war ich wieder in der Menschenfarm. //Wie bist du da nur wieder reingeraten, Anna. Hättest du mal nur nicht auf Norman gehört.//

Ich berührte meinen Bauch. Meinem Baby schien es gut zu gehen. Ich hatte auch noch meine Klamotten an. Beim letzten Mal hatten sie mir die ja gleich vom Leib gerissen und mich in diesen Sack gesteckt.

Meine Zelle wurde von zwei Wachen bewacht. Als könnte ich hier so einfach ausbrechen.

Was jetzt wohl mit mir geschah. Bestimmt würde mich Kvar wieder bestrafen. Ich zitterte schon bei dem Gedanken. Vor allem wenn ich an mein Baby dachte.

„Anscheinend bist du endlich wach, A012.“, sprach Kvar.

Er stand nun vor meiner Zelle. Böse funkelte ich ihn an.

„Wie ich sehe hat sich deine Einstellung nicht geändert. Daran müssen wir noch arbeiten. Diesmal bist du ja auch nicht allein.“

Instinktiv umfasste ich meinen Bauch. „Lass mein Kind in Frieden!“, fauchte ich.

„Oh keine Angst. Dein Baby wird sicherlich ein vorzügliches Forschungsprojekt abgeben. Immerhin kommt es ja schon vor seiner Geburt in Berührung mit einem Exphere. Auch dass sein Vater ein Engel ist, könnte interessant sein.“, faselte Kvar sehr von sich selbst überzeugt.

„Nein! Du kannst mit mir machen was du willst, aber lass mein Baby in Ruhe.“, bat ich panisch. Er durfte meinem Baby so etwas nicht antun. Das Kleine sollte doch glücklich sein und nicht hier in der Farm als Versuchskaninchen enden.

„Auf solch ein Angebot gehe ich grundsätzlich nicht ein.“, entgegnete mir Kvar nur.

„Diesmal wirst du mir nicht entkommen. Dein Retter hat auch schon eine hübsche Zelle bei uns gemietet.“, fügte diese Schlange hinzu.

„Kratos? Er ist hier? Was habt ihr mit ihm gemacht?!“, schrie ich.

„Er ruht sich nur aus bevor er seine Reise zurück nach Yggdrasill antritt.“, antwortete Kvar.

Dann wand er sich den Wachen zu. „Behaltet sie im Auge. Sollte sie ihr Kind gebären, bringt sie in den Untersuchungssaal B!“, befahl der Großfürst. Dann ging er.

Na ganz klasse. Das waren ja super Aussichten. Kratos war gefangen und würde wohl bald nach Welgaia verschleppt werden. Und ich würde mein Baby wohl auf der Menschenfarm bekommen, wo es Kvar als Versuchskaninchen dienen durfte.

Ich sah mich in der Zelle um. Als würde es hier einen Weg nachdraußen geben. Ich war vier Jahre in so einer Zelle und habe keinen Ausweg gefunden.

Die Zelle hatte weder Fenster noch Lüftungsschacht. Die Tür ließ sich nur von außen mit einer Schlüsselkarte oder dem Hauptcomputer öffnen. Selbst wenn ich sie auf bekommen würde, standen immer noch zwei Wachen davor, die es bemerken würden. Die würden sofort Alarm schlagen und mich überwältigen. Außerdem waren im ganzen Gebäude Kameras verteilt. Man konnte alles vom Hauptcomputer und Kvars Büro überwachen. Sie würden mich sofort sehen. Nur innerhalb der Zellen gab es keine Kameras. Die Desians hatten wohl keine Lust ständig uns „Niedere Kreaturen“ zu sehen.

Nun schmerzte mein Bauch. „Komm schon Kleines nicht jetzt. Mami will dich hier nicht zur Welt bringen.“, sprach ich. Die Schmerzen ließen auch nach. Zum Glück. Aber wie lange würde es wohl noch dauern bis es soweit war?

Plötzlich kam mir ein Gedanke. Das könnte klappen.

„Hey ihr. Ich habe Durst. Bringt mir bitte was zu trinken.“, bat ich die beiden Wachen.

„Heh warum sollten wir!“, fauchte ein weiblicher Desian. Das war perfekt.

„Aber was wenn ich mein Baby wegen euch verliere. Das wird Kvar nicht freuen.“, sagte ich etwas drohend.

„Ach verdammt. Hol dieser elenden Kreatur was zu trinken. Sie nervt.“, raunte die Frau. Der andere Desian seufzte und kam auch gleich mit einer Flasche Wasser wieder. Diese schmiss er in meine Zelle.

„Danke!“, sprach ich und drehte mich von ihnen weg. Ich nahm die Flasche und trank einen Schluck. Nun zuckte ich zusammen. „Au! Nein nicht jetzt!“, schrie ich und krümmte mich.

„Es tut so weh! Oh nein meine Fruchtblase ist geplatzt.“, brüllte ich. Dabei sah ich auf die kleine Pfütze unter mir.

„Sie bekommt ihr Baby. Wir müssen sie ins Labor bringen.“, hörte ich den Desian sagen.

„Nein. Bitte nicht!“, schrie ich und wälzte mich auf den Boden.

Nun ging die Tür auf und die beiden Wachen traten ein.

„Los hoch mit dir!“, schrie der Typ.

„Ich kann nicht.“, wimmerte ich und krallte mich schon fast in den Boden.

Die beiden zogen mich auf die beiden. „Elende Kreatur. Sei Still!“, schrie die Frau.

„Aber gerne!“, gab ich nun von mir und schlug die beiden Köpfe der Desians mit aller Kraft gegeneinander. Daraufhin verloren sie das Bewusstsein und fielen zu Boden.

„So weit so gut.“, sprach ich zufrieden. Ich war anscheinend sehr überzeugend. Das Wasser mit dem ich mich bekleckert hatte, und so als Fruchtwasser ausgegeben hatte, war auch eine gute Idee.

„Mal sehen ob ich da rein komme?“, fragte ich mich, während ich die Rüstung der weiblichen Wache auszog. Ich versuchte sie selbst anzuziehen. Sie passte mir halbwegs. Zum Glück war die Frau auch etwas stattlicher sonst hätte das mit meinem Bauch ein Problem gegeben.

Zu guter Letzt nahm ich den beiden noch ihre Schlüsselkarten ab und knebelte ihre Münder zu, damit sie mich nicht gleich verrieten. Dann ging ich aus der Zelle und schloss das Gitter.

Jetzt war nur die Frage wo Kratos war. Vermutlich in irgendeiner Zelle.

Ich begann zu suchen. Viel Zeit hatte ich nicht. Irgendwann würden die bemerken, dass ich weg war.

Zum Glück wusste ich wo die ganzen Zellen waren. Ich hatte ja damals öfters die Zelle gewechselt. So hatte ich Kratos auch bald gefunden. Er lag in einer Einzelzelle. Der Engel schien nicht verletzt zu sein. Bei Bewusstsein war er aber auch nicht. Was Kvar wohl mit ihm angestellt hatte.

Ich öffnete die Zelle und ging zu ihm. „Kratos. Wach auf.“, flüsterte ich. Dabei schüttelte ich ihn leicht.

Er öffnete langsam die Augen und sah mich verwundert an. Ich war ja auch verkleidet.

„Ich bin es Anna.“, sagte ich.

„Anna! Was machst du…wie geht es dir?“, fragte er perplex und stand auf.

„Könnte besser sein. Die Rüstung ist unbequem. Kein Wunder, dass die immer so breitbeinig laufen.“

Kratos schwankte etwas hin und her.

„Was ist mit dir? Kannst du laufen?“, fragte ich besorgt.

„Das wird schon. Lass uns von hier verschwinden.“

„Ich tu so als würde ich dich zu Kvar bringen. Dann bemerken die uns nicht gleich.“

Kratos nickte.

Ich schubbte ihn also aus der Zelle. Allerdings lief er dabei fast gegen eine Wand. Er war wirklich in keiner guten Verfassung.

Nun führte ich ihn durch die Gänge, während ich seine Hände hinter den Rücken hielt.

„Am besten wir gehen zum Hof. Von dort aus kannst du…ich mag es gar nicht auszusprechen …uns rausfliegen.“

Schon allein der Gedanke verursachte mir Gänsehaut.

„Ich kann nicht. Kvar hat mir meinen Cruxis-Kristall abgenommen. Er hat ihn bestimmt in seinem Büro. Wir müssen zuerst dahin.“, kam als Antwort.

Na ganz toll. Da wollte ich mal, dass er mit mir flog und dann konnte er nicht.

Ich führte ihn zu Kvars Büro. Wo das lag wusste ich ja genau. Hoffentlich war der Großfürst nicht gerade da.

Wir erreichten seine Tür.

„Kannst du hören, ob er drin ist.“, fragte ich Kratos. Immerhin konnte er ja sehr gut hören.

„Kein Cruxis-Kristall vergessen. Ich kann genauso gut hören wie du momentan. Es ist aber trotzdem keiner drin. Nehme ich an.“

Schnell betraten wir das Büro. Es war wirklich keiner hier. Jetzt mussten wir nur noch den Cruxis-Kristall finden.

„Hier ist mein Schwert.“, sprach Kratos und nahm das rote Schwert an sich.

„Ich hoffe du kannst wenigstens ohne Cruxis Kristall kämpfen.“, meinte ich neckisch.

„Meine Schwerttechniken verdanke ich dem Stein nicht. Nur an der Kraft könnte es scheitern.“, kam als Antwort.

„Soll das etwa heißen du bist momentan schwächer als ich.“, zog ich ihn auf. Kratos schnaubte. Dann durchsuchte er den Schreibtisch.

„Mein Cruxis-Kristall.“, rief er. Dabei hielt er den roten Stein in der Hand. Diesen legte er auch gleich wieder an.

Er ließ seine Flügel erscheinen. Warum verstand ich nicht. Wollte er durch die Wand fliegen?

Irgendetwas schien mit seinen Flügeln nicht zu stimmen. Sie hatten weniger Schwingen oder Federn. Wie auch immer man das bei Kratos nennen konnte. Es fehlte auf jeden Fall etwas an seinen Flügeln.

„Mist. Noch nicht wieder völlig regeneriert. Kvar hat sie mir ausgerissen.“, erklärte der Rothaarige. Er ließ die Flügel nun wieder verschwinden.

„Autsch.“, antwortete ich nur. So was tat bestimmt weh.

„Vielleicht geht es ja wieder bis wir den Hof erreicht haben.“, sprach er.

Wir verließen also wieder das Büro.

Jetzt war schon deutlich mehr los. Überall liefen Desians umher. Sie suchten wohl nach uns.

Einige blieben stehen und sahen Kratos an.

„Hey was macht der hier?!“, schrie einer.

„Kvar wollte ihn sehen. Nur ist er nicht da.“, versuchte ich uns rauszureden.

„A012 ist entkommen. Bring den zurück in die Zelle und such nach dem Miststück.“, kam als Antwort.

„Jawohl.“, antwortete ich ernst. Dabei ging ich mit Kratos Richtung Hof.

„Lügen kannst du gut.“, erwiderte Kratos.

„Du kannst es besser.“, entgegnete ich nur.

Wir hatten Hof erreicht. „Kennst du den Code für das Tor?“, fragte ich.

„Ja. Wenn Kvar ihn nicht geändert hat.“, antwortete Kratos.

Beim Tor gab er den Zahlencode ein.

„Halt! Ergreift die beiden.“, schrie niemand geringeres als Kvar. Der Großfürst stand bei der Tür zur Farm.

„Mist!“, fluchte ich. Jetzt hatten wir ein Problem. Bestimmt über 30 Desians kamen auf uns zu. Und von drinnen kam Nachschub.

Schnell rannten Kratos und ich durch das Tor, was sich nun öffnete. Allerdings waren die Desians uns auf den Fersen. Sie beschossen uns mit Magie.

„Ich versuche zu fliegen.“, sprach Kratos, wobei er seine Flügel erschienen ließ.

Diese sahen zwar etwas besser aus, aber immer noch nicht wie sonst.

„Bist du sicher?!“, schrie ich hysterisch.

„Wir haben keine Wahl!“

Schon hob Kratos mit mir ab. Sehr hoch flog er aber nicht oder konnte es wohl auch nicht. Es waren gerade mal ein paar Meter.

„Du musst höher fliegen!“, schrie ich. Eigentlich müsste ich völlig von Sinnen sein ihn um so was zu bitten.

„Ich kann nicht.“, meinte Kratos. Wir flogen wie auch beim letzten Mal über die Klippe.

„Bloß nicht abstürzen.“, jammerte ich und vergrub meinen Kopf in Kratos Schultern.

Wie auf Kommando verlor der Engel ruckartig an Höhe.

„Kratos!“, schrie ich völlig panisch. Ich konnte kaum nach unten sehen.

„Tut mir Leid.“, entschuldigte er sich und wieder ging es ein Stückchen nach unten.

Unter uns erkannte ich wieder Boden. Das Stückchen Wasser hatten wir überquert, aber der Boden war nun doch noch etwas weiter weg.

„Nicht wieder abstürzen. Ich bin schwanger und vertrage keine Stürze.“, jammerte ich.

Kratos biss sich konzentriert auf die Zähne. Er schien Schmerzen zu haben. Hoffentlich hielt er durch.

Wieder verloren wir beträchtlich an Höhe.

„Es geht nicht mehr.“, kam von Kratos.

„Nein nicht aufgeben!“, schrie ich verzweifelt. Doch schon fielen wir.

Ich spürte, dass wir uns auf einmal ruckartig drehten. Nun war Kratos unter mir. Wir landeten sehr unsanft auf dem Boden. Ich bemerkte allerdings nicht viel, da Kratos den Sturz abfederte.

Schwer atmend sah ich ihn an.

„Kratos? Geht es dir gut?“, fragte ich völlig besorgt. Der Engel war voll auf den Boden geknallt. Er hatte sich bestimmt was getan.

„Mir geht es gut. Wie geht es dir und dem Baby?“, fragte Kratos mit schmerzerfüllter Stimme.

„Bei mir ist alles in Ordnung. Du bist hier auf den Boden geknallt. Warum machst du auch immer eine Bruchlandung?! Hast du Schmerzen? Kannst du deine Beine spüren?“, fragte ich unruhig. Was wenn er sich was gebrochen hatte oder sogar querschnittsgelähmt war?

„Ja kann ich. Schmerzen habe ich aber trotzdem, aber es geht schon. Wir müssen hier weg. Die Desians werden nicht lange brauchen, um uns hier zu finden.“

„Ja meinst du, dass du laufen kannst?“, fragte ich.

Kratos drückte seine Arme in den Boden, aber er konnte scheinbar nicht aufstehen. Ich half ihm auf, allerdings konnte er sich nicht auf den Beinen halten.

„Es geht nicht.“, sagte er.

„Dann trag ich dich.“, meinte ich. Kräftig genug müsste ich ja sein. Ich versuchte Kratos also auf meinen Rücken zu laden.

Plötzlich durchfuhr mich ein Zucken. Mein Bauch tat auch weh.

„Hör auf damit!“, zischte Kratos. „Du bist hochschwanger. Mich durch die Gegend zu schleppen ist das letzte was du tun solltest. Lass mich einfach hier zurück.“

„Nein. Auf keinen Fall!“, schrie ich, ließ Kratos aber wieder runter.

„Es nützt uns nicht, wenn die Desians uns beide erwischen. Denk doch an unser Baby. Willst du das es in der Farm aufwächst.“, erwiderte der Engel.

Ich schüttelte vehement den Kopf. „Ich lass dich nicht hier. Wie soll ich das denn ohne dich schaffen.“

Ich bemerkte wie sich ein paar Tränen mein Gesicht entlang bahnten.

„Das kannst du Anna. Du hättest mich schon einmal fast wegen dem Baby verlassen und das kannst du jetzt auch.“, erklang Kratos Stimme.

Ich wollte es einfach nicht hören. „Ich kann das nicht ohne dich. Ich liebe dich doch. Das Baby braucht doch auch seinen Vater.“

„Anna. Das Baby wird keine Eltern mehr haben, wenn du jetzt nicht verschwindest. Vermutlich wird es nach kurzer Zeit auf der Farm sterben. Bitte Anna. Geh jetzt. Tu es für unser Baby.“

Mir liefen nur immer mehr Tränen durchs Gesicht. Das schlimmste war, Kratos hatte Recht. Ich musste gehen. Für unser Baby. Ich musste Kratos im Stich lassen. Auch wenn sich mein ganzer Körper dagegen sträubte.

„Hey da drüben.“, erklang eine Stimme. Waren die Desians etwa schon hier. Wie konnten sie so schnell hier sein?

„Anna, bist du das?“

Ich erkannte die Stimme. Es waren zwei Jäger aus Luin.

„Bruno, Rosko.“, rief ich, als die beiden etwas über dreißigjährigen zu uns rüber kamen.

„Ihr müsst hier verschwinden. Die Desians sind auf den Weg hierher. Und nehmt Anna mit.“, befahl Kratos.

Die beiden sahen sich kurz an.

„Du kommst auch mit.“, sprach einer der beiden. Er ging zu Kratos und hob ihn mühelos hoch.

„Super! Könnt ihr ihn nach Luin bringen.“, rief ich überglücklich.

„Klar. Brauchst du auch Hilfe?“, fragte Rosko nun.

„Nein ich kann laufen, danke.“

Bruno trug Kratos also nach Luin, während ich neben ihm herlief.

„Und wehe du verlangst nochmal, dass ich dich zurück lassen soll, Kratos Aurion!“, schrie ich außer mir vor Wut.

„Weißt du eigentlich wie scheiße es mir jetzt geht?!“, meckerte ich.

„Stell dir mal vor ich hätte das von dir verlangt. Du Sturkopf hättest das auch nicht gemacht. Ich sollte dir! Warte nur bis wir in Luin sind. Da kriegst du dein Fett weg!“, schrie ich in einer Tour.

„Der arme Kratos. Du tust mir echt Leid.“, sprach Bruno zu Kratos.

„Ja, bringt mich lieber wieder zurück zu den Desians. Das ist nicht so schlimm.“, entgegnete Kratos.

„Das habe ich gehört, Aurion!“, fauchte ich und gab Kratos eine Kopfnuss.

„Tut mir Leid.“, entschuldigte er sich kleinlaut.

Auch noch während des gesamten Weges nach Luin ging das so weiter. Ob Kratos das störte oder ob er die Augen verdrehte, war mir dabei relativ egal.

Verliebt, Verlobt...(Kratos Sicht)

Es war wirklich ein langer Weg bis nach Luin. Vor allem wenn einem die Freundin rundlaufen ließ. Anna hatte wirklich eine Ausdauer. Diesmal war sie auch wirklich wütend. Was ich durchaus verstehen konnte.

Als wir Luin erreicht hatten, schwieg sie. Jetzt spielte sie die beleidigte Leberwurst. Das war auch nicht gerade besser. Hoffentlich konnte ich sie beschwichtigen. Und so viel zu dem Thema in der Schwangerschaft soll man sich nicht aufregen. Bei Anna ein Ding der Unmöglichkeit.

„Was ist denn passiert?“, fragte nun Annas Tante. Sie kam sofort auf uns zu gerannt.

„Norman dieses hinterhältige Stück Dreck hat uns an die Desians verkauft.“, schimpfte Anna nun immer noch voll in Rage.

„Geht es dir gut, Anna? Was ist mit dem Baby?“, fragte Sandra besorgt.

„Uns geht es gut. Aber dieser dreckige Engel hier hat sich was getan.“, schnaubte Anna.

Jetzt waren wir also wieder beim „dreckigen Engel“.

„Wir sollten ihn behandeln und Norman sollte sofort festgenommen werden.“, sprach Annas Tante. Durchsetzungsvermögen lag bei Anna eindeutig in der Familie.

Bruno brachte mich zum Arzt. Anna kam mit, wechselte aber wieder kein Wort mit mir.

Auch während wir auf den Arzt warteten war Funkstille.

„Es tut mir Leid.“, unterbrach ich die unangenehme Stille.

Anna gab nur ein „Mhmpf“ von sich.

„Jetzt sei doch nicht so. Es gab halt keine andere Möglichkeit. Mit Rosko und Bruno hat ja keiner gerechnet.“, sprach ich immer noch etwas kleinlaut. Ich mochte es nicht wenn Anna böse mit mir war. In solchen Sachen hatte sie in unserer Beziehung echt die Hosen an.

Leider erbarmte sich Anna immer noch nicht mit mir zu sprechen. Sie sah mich nicht mal an. Ihren Rücken hatte sie zu mir gedreht.

„Es ist doch nichts passiert. Mir geht es gut und dir auch. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?“, fragte ich

„Was weiß ich. Dich nicht so in Gefahr bringen in dem du einfach meinen Sturz gefedert hast z.B.“, zischte sie nun. Dabei sah sie mich auch böse an.

„Dann hättest du dir was getan. Und dem Baby wäre auch was passiert. Ich musste es tun.“, verteidigte ich mich.

Anna schnaubte nur.

„Norman hat an allem Schuld. Er hat uns beide reingelegt.“, sprach ich schon fast etwas beschämt. Dass ich mich von diesem Mistkerl habe reinlegen lassen, war echt eine Schande.

„Ja das stimmt. Der kann was erleben, wenn ich ihn in die Finger kriege!“, schrie Anna nun wieder voll erzürnt. Wenigstens richtete sich ihr Zorn nun auf Norman und nicht auf mich.

Jetzt kam auch der Arzt und behandelte mich. Zum Glück war es nichts Ernstes. Ich hatte ein paar angeknackste Wirbel, aber keine Brüche oder ähnliches.

Nach ein paar Tagen konnte ich wieder laufen.

Norman war in der Zwischenzeit eingesperrt wurden. Er durfte sich auch mit Anna auseinander setzten. Strafe genug wie ich fand.

Ich war gerade auf dem Weg nach Hause von einem meiner täglichen Rundgänge.

„Anna? Wo bist du?“, fragte ich als ich die Braunhaarige nicht in der Küche oder im Wohnzimmer fand.

„Hier oben.“, rief sie.

Ich ging in ihr ehemaliges Kinderzimmer. Sie saß auf dem Bett und sah sich etwas an. Schien eine Kette oder so was zu sein.

„Na alles Desian-frei?“, fragte Anna lächelnd. Sie war nicht mehr böse auf mich.

„Ja alles ruhig. Und wie sieht es bei dir aus?“

„Auch alles ruhig. Bis auf ein paar Tritte. Unser kleines ist ein richtiger Kämpfer wie sein Vater.“

„Oder streitsüchtig wie seine Mutter.“, gab ich zurück.

„Hey!“, zischte Anna und stupste mich

„Was ist das?“, fragte ich und deutete auf Annas Kette. Es war ein blauer Tropfen in einem roten Stern.

„Die habe ich von meinem Vater bekommen. Er hat sie von meiner Mutter.“, erklärte sie.

„So etwas wie ein Familienerbstück?“, fragte ich und setzte mich neben Anna aufs Bett.

„Fast. Ist so was wie eine Verlobungskette. Meine Mutter hat sie meinem Vater als Verlobungsgeschenk gegeben. Das ist in ihrer Familie Tradition.“

„Hattest du sie Norman geschenkt?“, fragte ich nun

„Nein. Ich habe Norman nie geliebt. Er hat meinen Schatz gar nicht verdient.“, antwortete sie und sah die Kette an. Sie war wirklich schön.

Nun sah sie mich an. „Ich möchte, dass du sie trägst.“

„Was? Moment mal, Anna. Wir sind doch nicht verlobt.“, sprach ich perplex.

„Heißt das du willst mich nicht heiraten.“, gab sie beleidigt zurück.

„Eh…wir können nicht heiraten. Sie würden unsere Namen verzeichnen und dann wäre Luin oder der Ort wo wir heiraten in Gefahr, wenn die Desians das herausfinden würden.“, plapperte ich immer noch völlig überfordert. Mit so was hatte ich jetzt nicht gerechnet.

„Wenn wir Cruxis irgendwann mal besiegt haben, würdest du mich dann heiraten?“, fragte Anna.

Ich kratzte mich verlegen am Kopf. „Sicher.“

„Das klang jetzt nicht sehr überzeugend.“, sprach Anna etwas schmollend.

Ich seufzte. Dann stand ich auf und kniete vor Anna nieder. Sie sah mich nun völlig verblüfft an.

„Hiermit gelobe ich Kratos Aurion, dich Anna Irving zu meiner Frau zu nehmen sobald wir Cruxis besiegt haben.“, schwor ich.

Annas Hände wanderten vor Begeisterung zu ihrem Mund.

„Ehrlich?“

„Ehrlich.“, antwortete ich.

„Oh Kratos!“, schrie sie und sprang mir entgegen wodurch ich mit ihr nach hinten fiel.

„Ich liebe dich! Du bist einfach der beste.“, meinte sie und küsste mich.

Ich lächelte sie nur an. „Dasselbe könnte ich zu dir sagen.“

Anna hängte mir nun die Kette um. „Sie steht dir.“

„Willst du sie mir wirklich geben?“

„Klar wir sind doch verlobt. Du hast mir doch gerade einen Antrag gemacht.“

Ich setzte mich nun mit Anna auf. „Wenn du meinst.“

„Du Kratos. Wenn Cruxis besiegt ist können wir dann hier in Luin leben? Mit unserem Baby. Dann wären wir eine Familie mit einem normalen Leben. Unser Kleines könnte dann hier zur Schule gehen. Du könntest als Wache hier arbeiten oder so und ich werde Fischer so wie mein Vater. Wäre das nicht toll.“, schwärmte Anna. Ihre Augen funkelten richtig. Sie vermisste ein normales Leben. So wie es eine normale Frau oder Mutter leben würde. Nicht ständig auf der Flucht sein und gegen irgendwelche Desians oder Engel kämpfen.

„Anna, ich…ich verspreche dir, dass ich Cruxis und Yggdrasill aufhalten werde. Ich werde alles für dich und unser Baby tun, damit ihr in Sicherheit seid.“, gab ich ihr mein Wort.

„Du bist süß Kratos.“, sprach sie und umarmte mich.

Ich würde die Welten retten und Mithos aufhalten. Für Anna und unser Baby.

Hurra er ist da(Kratos Sicht)

Nervös lief ich vor dem Haus hin und her. Ich war völlig angespannt. Und das lag nur an Anna. Es konnte nun jeden Moment soweit sein. Dass…ich Vater wurde. Schon allein der Gedanke ließ meine Knie weich werden. Was war nur aus mir geworden. Früher konnte mich nichts erschrecken. Ich hatte im Krieg gekämpft, hatte viele Leute auf dem Gewissen und hab dem Tod auch selbst dutzende Male ins Auge gesehen. Und dann…kam Anna. Sie hatte mein Leben total auf den Kopf gestellt. Nichts war wichtiger als sie. Ihr Kichern steckte mich immer an und ich fühlte mich lebendiger als in meiner ganzen Zeit als Engel. Sogar Gefühle wie Liebe konnte ich für sie entwickeln. Das was ich vorher immer als unsinnig und völlig unlogisch ansah, passierte nun mit mir. Und das war noch nicht alles. Aus unserer Liebe entstand auch noch neues Leben. Unser Baby.

Darüber machte ich mir in letzter Zeit öfters Gedanken. Ich hätte mir nie vorgestellt einmal Vater zu werden.

„Du siehst aber nervös aus.“, erklang eine Stimme.

„Lass das und erzähl mir lieber was du herausgefunden hast, Yuan.“, zischte ich angespannt. Vielleicht konnte ich mich etwas ablenken, wenn ich mit Yuan sprach.

Der Halbelf trat hinter einem Haus hervor.

„Mithos ist so langsam ziemlich wütend, dass du immer noch nicht wieder zurückgekommen bist. Er wird dich wohl nicht mehr lange gewähren lassen. Daher ist es wahrscheinlich unklug noch länger hier zu bleiben.“, sprach er ernst.

„Ich weiß. Wir werden Luin bestimmt bald verlassen. Trotzdem sind das nicht gerade erfreuliche Neuigkeiten.“

Mithos würde wohl Engel losschicken, um uns zu suchen. Die Desians zu umgehen war eine Sache, mit Engeln klar zu kommen eine andere. Die konnten uns auf Grund ihrer Engelssinne besser aufspüren. Auch waren ihre Kampffertigkeiten besser als die der Desians. Zudem kamen sie durch ihre Flügel besser voran. Und das gerade jetzt wo das Baby auf die Welt kam. Es war aber unvermeidbar. Früher oder später musste Mithos ja so handeln.

„Ach werdet ihr. Ich dachte du wolltest bei deiner Geliebten bleiben solange sie schwanger ist.“, sprach Yuan abfällig. Er war wohl immer noch sauer, dass ich mich für das Baby entschieden hatte.

„Das Baby wird bald auf die Welt kommen. Es kann jeden Moment soweit sein.“, entgegnete ich und atmete tief durch.

„Das waren nie und nimmer neun Monate.“, rief der Blauhaarige sichtlich verwirrt.

„Durch den Exphere ist das Baby schneller gewachsen.“, erklärte ich.

„Deswegen bist du auch so nervös. Dann bist du ja bald Vater, was.“, sprach Yuan etwas spöttisch. Der Halbelf wollte mich aufziehen. Was auch funktionierte. Ich war wieder völlig nervös.

„Danke dass du mich daran erinnerst.“, meckerte ich wobei ich leicht zitterte.

„Schön dich mal so nervös zu sehen, alter Freund. Dass ich das noch erleben darf. Den sonst so ruhigen Kratos Aurion mal so neben der Spur zu sehen.“

Ich brummte nur etwas.

Nun wurde Yuan wieder ernst. „Wie lange willst du das eigentlich noch weiter führen. Du weißt was getan werden muss, wenn wir alle Materialien für den Ring des Paktes haben.“

Ich antwortete nicht, wusste aber worauf Yuan hinaus wollte.

„Ohne einen Pakt mit Origin ist es sinnlos. Und du weißt genau was das für dich bedeutet. Wie denkt Anna denn darüber.“, sprach Yuan weiter.

„Sie weiß es noch nicht.“, antwortete ich nur. Sie würde vermutlich ausflippen, wenn sie erfahren würde, dass ich sterben müsste, um Origin zu befreien.

„Du hast Geheimnisse vor ihr. Nicht sehr schön.“, sprach Yuan vorwurfsvoll.

„Was soll das?! Was geht dich das an. Ich werde es ihr schon noch sagen. Erst mal brauchen wir den Ring.“, knurrte ich.

„Wie du meinst. Ich hoffe nur sie behindert dich nicht noch länger.“, meinte der Halbelf.

„Man sieht sich.“ Damit verschwand der Blauhaarige auch wieder.

Ich dachte über das nach was er gesagt hatte. Er hatte Recht. Irgendwann musste ich Anna sagen, was mit mir passieren würde. Nur wie? Sie würde es nicht hinnehmen. Sie würde mich anschreien und alles versuchen, um es zu verhindern.

„Kratos!“, schrie jemand von drinnen. Es war Anna. Ich fühlte mich schlecht, da ich sie so belog. Ich wollte momentan gar nicht zu ihr. Ich hatte ein schlechtes Gewissen.

„Kratos! Wo bist du?!“, schrie sie erneut.

Ich blieb einfach stehen und starrte zu Boden.

„Kratos! Das Baby. Es kommt!“

Mein Blut gefror förmlich. Jetzt war Yuans Gespräch völlig vergessen. Ich stürmte nach drinnen.

„Anna, Anna!“, schrie ich außer mir. Sie lag auf dem Bett und hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht.

Ihre Tante war auch da. Sie übernachtete hier um Anna bei der Geburt zu assistieren.

Ich eilte zu Annas Seite und kniete neben ihr.

„Wie geht es dir?“, fragte ich besorgt.

„Scheiße! Es tut weh!“, antwortete sie und krallte sich am Bett fest.

„Ganz ruhig, Anna. Versuch gleichmäßig zu atmen.“, meinte ihre Tante.

Ich war völlig überfordert. Was sollte ich tun. Konnte ich Anna denn nicht helfen?

Nun schrie sie laut auf. Ihre Beine hatte sie aufgestellt.

„Vielleicht sollte ich lieber…rausgehen.“, fragte ich. Es konnte Anna unangenehm sein, dass ich hier war. Es war ja nicht unüblich, dass die Männer bei der Geburt ihrer Kinder nicht dabei waren.

„Das wäre vielleicht besser“, meinte Sandra. Gerade als ich aufstehen wollte hielt mich Anna am Arm.

„Nein. Bitte bleib bei mir Kratos!“, schrie Anna.

„Ok. Wenn du das willst.“, sagte ich nur und kniete mich wieder neben ihr.

Anna schrie erneut auf. Sie hatte große Schmerzen. Ihre Tante sagte, was zu ihr, aber ich nahm nicht wahr was es war. Ich war zu nervös. Ich war fast wie in Trance. Gebannt starrte ich auf Anna.

Vorsichtig griff ich ihre Hand. Mit der anderen Hand strich ich sanft über ihr Gesicht.

Nur schwer brachte ich ein paar Worte raus. „Du schaffst das schon, Anna.“ Es war das erste was mir in den Sinn kam.

Die Braunhaarige schrie erneut heftig auf und packte meine Hand. Sie drückte fest zu, was mich aber nicht störte.

Dann spürte ich einen starken Schmerz in meiner anderen Hand. Sie hatte in diese gebissen. Sie drückte ihre Zähne zusammen, was sehr unangenehm war, aber bestimmt nicht so schlimm wie das was Anna gerade durchmachte.

Ich hatte sie noch nie so leiden sehen und ich wünschte mir so sehr was gegen ihre Schmerzen tun zu können. Es gab aber keine Möglichkeit.

Es kam mir wie eine Ewigkeit in der ich nur Anna ansah. Ich machte mir schreckliche Sorgen um sie. Was wenn die Geburt zu viel für sie war?

Plötzlich wurde ich von einem lauten Geräusch aus den Gedanken gerissen. Ich sah zu der Quelle des Geräusches. Es war…das Baby.

Annas Tante hatte es gerade im Arm und wusch es. Es schrie laut. Wie gebannt starrte ich es an. Annas Hand ließ ich dabei nicht los.

Sandra wickelte das Baby nun vorsichtig in eine Decke.

Nun lächelte sie mich an. Dann sah sie zu Anna.

Ich sah ebenfalls zu der Braunhaarigen. Sie hatte aufgehört zu schreien, atmete aber noch schwer. Sie sah sehnsüchtig zu ihrem Baby. Ihre Haare waren nass geschwitzt und klebten ihr im Gesicht. Sie wirkte sehr erschöpft.

Ihre Tante stand nun neben ihr auf der anderen Seite des Bettes.

„Herzlichen Glückwunsch. Es ist ein Junge.“, sagte sie und gab Anna das Baby. Ich sah die beiden völlig begeistert an. Anna strahlte richtig. Sie sah den Kleinen voller Freude an.

„Ist ja gut. Du brauchst nicht mehr zu weinen. Mama ist ja hier.“, sprach Anna ruhig und liebevoll. Der Kleine hörte auf mit weinen, als Anna ihn leicht im Arm wiegte.

Es war ein unglaublicher Anblick. Ich konnte meine Gefühle kaum beschreiben. Ich war völlig überwältigt. Mein ganzer Körper zitterte.

Anna sah mich nun lächelnd an. Ihr Lächeln war noch nie so schön gewesen. Auch wenn sie erschöpft aussah so wirkte sie doch stärker wie je zuvor.

„Ist er nicht wundervoll, Kratos?“, fragte Anna sanft.

„Ja das ist er.“, antwortete ich ohne nachzudenken. Ich sah den kleinen an. Er schien schon eingeschlafen zu sein. Er war so klein, winzig würde es besser beschreiben. Und er sah so friedlich aus wenn er schlief.

„Willst du ihn nicht auch mal halten, Papa.“, sagte Anna fröhlich.

Mir wurde ganz warm ums Herz. Papa. Ich war jetzt Papa. Das war so unbegreiflich für mich und doch war es so.

Unsicher sah ich den Kleinen an. Er sah so zerbrechlich aus. Ich hatte Angst ihm weh zu tun.

„Ich weiß nicht ob das gut ist. Ich…könnte ihm wehtun.“, gestand ich.

„So ein Unsinn. Das wirst du nicht.“

Immer noch verunsichert sah ich Anna an.

„Ist es so schwer deinen Sohn zu halten?“, fragte sie und hielt ihn mir entgegen.

Zunächst wusste ich nicht wie ich ihn halten sollte. Ich sah wie Anna es machte und versuchte es so. Ich legte vorsichtig eine Hand unter seinen Kopf und hielt die andere unter seinen Rücken. Dann zog ich ihn vorsichtig zu mir heran und drückte ihn sanft gegen meinen Oberkörper. Ich war dabei total nervös. Aber auch glücklich. Ich hielt meinen Sohn im Arm. Es war unglaublich. Ich hielt ihn nun mit der rechten Hand gänzlich fest und berührte mit meinem Finger vorsichtig seine Nase. Sie war ganz weich und wirklich sehr klein. Er schien es zu spüren, da er mit der Nase wackelte.

„Wie soll er denn heißen unser Kleiner?“, fragte Anna nun.

Ich sah den Kleinen eindringlich an. Wie sollte ich ihn nennen? Ich hatte mir ja schon einen Namen ausgedacht. Und irgendwie passte er auch zu ihm.

„Lloyd. Er heißt Lloyd.“, sagte ich und lächelte weiter meinen Sohn an.

„Das ist ein schöner Name.“, sprach Anna.

Ich gab ihr Lloyd wieder und strich ihr nun die Strähnen aus dem Gesicht.

„Wie geht es dir?“, fragte ich und legte mich neben sie.

„Erschöpft. Aber es ging mir nie besser. Ich bin überglücklich.“, sagte sie. Sie nahm Lloyd noch weiter in den Arm und kuschelte sich an mich.

„Ich auch.“, entgegnete ich und legte einen Arm um Anna.

Sie schloss zufrieden die Augen.

Ich beobachtete sie und Lloyd noch eine Weile bis ich ebenfalls einschlief.

Ein liebevoller Vater(Kratos Sicht)

Es war schon spät, aber trotzdem war ich noch wach. Anna lag neben mir. Sie schlief bereits tief und fest. Lloyd hatte sie im Arm.

Es war schon über einen Monat seit seiner Geburt vergangen. Wir befanden uns in einem Gasthaus in Palmacosta. Morgen würden wir wohl weiter reisen.

Natürlich war Anna nicht begeistert gewesen. Sie hatte aber nicht viel protestiert. Ich konnte es allerdings in ihren Augen lesen. Sie wollte einfach nur ein normales Leben führen. Etwas was ich ihr nicht bieten konnte. Nicht so lange die Welt noch so war wie sie war. Und wohl auch danach hätte ich ihr nicht das geben können was sie wollte. Immerhin bedeutete es meinen Tod, wenn wir Origin befreiten. Aber wie konnte ich Anna jetzt alleine lassen? Mit einem Baby? Ich wollte Mithos aufhalten, aber ich wollte Anna auch nicht im Stich lassen.

Ich saß in einem Dilemma aus dem ich keinen Ausweg wusste. Bisher hatte ich es immer gemieden mir darüber Gedanken zu machen. Oder vielmehr es war mir nicht bewusst, dass es ein Problem war.

Eigentlich hatte ich nie ein Problem gehabt zu sterben. Ich hatte lange genug gelebt, zu lange. Das Leben verlor nach so einer langen Zeit einfach seinen Wert. Ob ich in Welgaia lebte oder starb, war mir einerlei. Es bedeutete dasselbe für mich. Und wenn ich mit meinem Tod noch etwas Gutes bezweckte so war es das doch alle mal Wert, aber jetzt?

Seit wann hatte ich angefangen mein Leben wieder so zu schätzen, es zu genießen?

Ich sah auf Anna.

Sie hatte mich dazu gebracht. Durch sie war ich wieder wirklich am Leben und jetzt war es nicht nur Anna allein, die mich ans Leben band. Lloyd gehörte auch dazu.

Gerade erst ein paar Wochen alt und schon übte er so eine Macht auf mich aus. Unglaublich.

Wie er wohl war, wenn er größer war. Bestimmt wie seine Mutter. Fröhlich und hilfsbereit.

Ich wünschte mir so sehr ihn aufwachsen zu sehen. Seine ersten Schritte. Seine ersten Worte. Wie er fröhlich durch die Gegend tollte. Ich sah mich schon wie ich ihm Schwertkampf beibrachte. Er wäre bestimmt ein guter Kämpfer, aber als Krieger sollte er nicht aufwachsen.

Er sollte ein friedliches Leben leben.

Ich seufzte. Ich wollte all das sehen. Aber war mir das überhaupt vergönnt bei all dem Leid was ich zugelassen hatte? Hatte ich überhaupt ein Recht darauf so glücklich zu sein, wie ich es jetzt war?

Ein Geräusch unterbrach meine Gedanken. Es war ein Quengeln von Lloyd. Der Kleine verzog eine Miene und fing an zu schluchzen.

„Hey mein Kleiner. Ist ja gut.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Er machte aber keine Anstalten aufzuhören.

Ich stand leise auf, um Anna nicht zu wecken. Vorsichtig nahm ich Lloyd auf den Arm und wiegte ihn hin und her.

Ich verließ mit ihm das Zimmer und ging in die Küche.

Lloyd weinte nun etwas lauter.

„Hey du kleiner Schreihals. Was hast du denn?“, fragte ich sanft. Dabei strich ich mit einem Finger über sein Gesicht.

Lloyd drückte sein Gesicht zunächst an meinen Finger. Dann nahm er ihn in den Mund und…nuckelte daran.

„Du hast wohl Hunger, was? Mama schläft aber gerade.“, meinte ich und sah zu wie Lloyd kläglich versuchte aus meinem Finger Milch zu bekommen.

„Warte mal.“, sprach ich und wühlte in unseren Rucksäcken. Wir hatten vorsichtshalber Milchpulver und eine Trinkflasche besorgt.

Ich nahm beides heraus. Dann erhitzte ich etwas Wasser.

Lloyd war aber sehr ungeduldig. Er hatte bemerkt, dass mein Finger keine Milch gab und fing an zu schreien.

„Ganz ruhig.“, versuchte ich ihn zu beruhigen, während ich ein paar Löffel Milchpulver in die Nuckelflasche gab.

Ich schaukelte Lloyd etwas hin und her. Er sah mich an. Sein Blick wirkte unzufrieden.

„Papa beeilt sich ja.“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.

Lloyd streckte nun die Arme aus. Er wollte nach etwas greifen. Erreichte es aber nicht.

Ich hob ihn weiter hoch, sodass er nun direkt vor meinem Gesicht war.

Der Kleine tatschte direkt in mein Gesicht. Ganz erstaunt berührte er es mit den Händen. Ich freute mich richtig darüber. Mein Sohn erkundete mein Gesicht. Und hatte nun eine meiner Strähnen am Wickel. Von diesen schien er auch völlig begeistert zu sein.

„Papas Haare.“, erklärte ich ihm und prompt nahm er sie in den Mund.

Ich musste lächeln. Kaum zu glauben, dass ich mal lächeln würde, wenn ein Baby meine Haare vollsabberte.

Endlich war auch das Wasser heiß und ich versuchte es in die Flasche zu füllen. Das war ziemlich schwierig mit einer Hand. Es ging eine Menge daneben, aber ich schaffte es die Flasche zu füllen. Dann schloss ich sie und spritze ein paar Spritzer auf meine Hand. Das hatte ich schon mal bei einer Mutter so gesehen. Anna hatte das Problem ja noch nicht. Sie stillte Lloyd.

Die Temperatur schien richtig zu sein.

Ich hielt Lloyd die Flasche hin. Er sah sie nur an, machte aber keine Anstalten sie in den Mund zu nehmen.

„Nicht so verlockend wie Mamas Brust was.“, sprach ich und sah fragend auf die Flasche. Was sollte ich jetzt machen?

„Guck mal da ist Milch drin Lloyd. Das schmeckt gut.“, meinte ich und nahm den Nuckel der Flasche in den Mund. Ich nahm selber einen kleinen Schluck. Schmeckte ja nicht gerade berauschend.

Lloyd sah mich mit großen Augen an. Sie waren braun so wie die seiner Mutter.

„Jetzt du. Papa hat auch getrunken.“, forderte ich und hielt Lloyd die Flasche erneut hin.

Lloyd schien skeptisch zu sein, trank dann aber.

Das hatte echt funktioniert. Hätte ich gar nicht gedacht.

Ich sah Lloyd beim Trinken zu. Der Kleine sah mich dabei auch an.

„Das machst du gut. Das schmeckt wohl doch was?“, meinte ich. Lloyd trank genüsslich weiter.

„Immer schön trinken. Dann wirst du groß und stark wie Papa.“, sagte ich nun.

Nach ein paar Minuten war Lloyd fertig. Die Flasche war halb leer. Für so einen kleinen Kerl hatte der einen Hunger. Da schlug eindeutig Anna durch.

Völlig unerwartet schrie Lloyd los.

Ich erschrak und ließ die Flasche fallen. Warum weinte er denn jetzt? Er war doch satt oder nicht.

„Ganz ruhig, Lloyd. Es ist alles gut.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Was hatte er denn nur?

Er schrie sehr ungewöhnlich. Er unterbrach manchmal und gab ein Hicksen von sich.

Jetzt wusste ich auch was mit ihm nicht stimme.

Ich klopfte ihm Sanft gegen den Rücken. Wie erwartet machte er ein Bäuerchen. Er hatte auch aufgehört zu weinen.

„Das hatte ich ganz vergessen. Papa ist doof, was?“, rief ich.

Lloyd fing an zu grinsen. Das schien ihm zu gefallen.

„Das findest du auch noch lustig, ja?“, regte ich mich gespielt auf, was Lloyd noch mehr begeisterte.

„Da macht er sich schon über Papa lustig, der kleine Knirps.“, machte ich weiter. Lloyd wackelte fröhlich mit den Armen.

„Jetzt bin ich beleidigt, puh!“ Dabei plusterte ich die Backen auf.

Lloyd streckte seine Arme nach mir aus. Ich hob ihn wieder so hoch, dass er direkt vor meinem Gesicht war.

Er legte seine Hände auf meine Backen. Ich pustete ihn daraufhin leicht an.

Lloyd schien geschockt. Er sah mich mit großen Augen an. Dann freute er sich wieder und wir wiederholten die Prozedur.

Nach einer Weile fing Lloyd an zu gähnen.

„Da ist wohl einer müde.“, meinte ich und drückte Lloyd wieder gegen meinen Oberkörper. Ich wiegte ihn leicht hin und her, worauf er auch bald einschlief.

„Ihr seid beide unbeschreiblich süß.“, sprach Anna. Sie stand hinter mir in der Küchentür und grinste mich an.

Ich wusste nichts zu erwidern und kratzte mich etwas verlegen am Kopf. Hatte sie mich etwa beobachtet?

„Ich wollte dich nicht wecken.“, sagte ich schließlich.

„Ich bin wach geworden, als du das Zimmer verlassen hast.“

„Tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich.

„Das brauch dir nicht leidtun. Für nichts auf der Welt hätte ich das verpasst. Es war echt unbeschreiblich schön euch zu beobachten. Vor allem wie unbeholfen du warst, als Lloyd geschrien hat. Da musste ich mir ein Lachen verkneifen.“

Ich brummte etwas unzufrieden. Da machte sich meine Verlobte über mich lustig.

„Jetzt sei nicht beleidigt. Du hast das sehr gut gemacht. Und du hast gedacht, du wärst kein guter Vater.“, sprach Anna.

Ich sah Lloyd an. Der kleine war echt süß.

„Ich hab eigentlich nichts gemacht. Ich denke ein Vater sollte wohl wenigstens sein Kind füttern können. Da ist ja nicht viel dabei.“, meinte ich.

„Natürlich. Nicht jeder bekommt das so gut hin. Bis jetzt kann Lloyd ja auch noch nicht Krabbeln. Warte nur bis das anfängt. Dann haben wir als Eltern noch mehr zu tun.“, sprach Anna kichernd.

„Wenn er so energiegeladen ist wie du auf jeden Fall.“, gab ich zurück. Dabei gab ich Lloyd an Anna weiter.

Sie nahm ihn entgegen und wiegte ihn sanft hin und her. Der Kleine Schlief unbekümmert weiter.

Wir gingen wieder in unser Zimmer. Dort legte Anna Lloyd ins Bett.

„Wir sollten auch langsam ins Bett.“ Sprach die Braunhaarige lächelnd.

Sie kam zu mir und küsste mich. „Du bist echt süß. Ich steh auf Männer, die gut mit Kindern können.“

„Seit wann das?“, fragte ich und sah Anna schief an.

„Seit eben. Jetzt komm schon!“, forderte sie und zog mich ins Bett.

Wir legten uns hin. Es war ja auch die letzte Nacht bevor wir Palmacosta verlassen würden.

Verfolgung durch die Engel(Annas Sicht)

„Pass bloß auf, Kratos.“, bat ich.

Der Rothaarige stand vor mir und Lloyd. Ihm gegenüber standen einige Engel.

Sie hatten uns beim Ossa-Pfad den Weg abgeschnitten. Hier gab es ja nur einen Bergpass. Dort hatten sie uns aufgelauert.

„Anna, lauf weiter. Ich komme nach.“, forderte Kratos. Sein Schwert hielt er in der Hand bereit zum Angriff.

„Nicht ohne dich.“, widersprach ich.

„Mir passiert nichts. Denke an Lloyd.“, meinte Kratos. Er stand mit dem Rücken zu mir.

Ich war nicht begeistert, aber er hatte Recht. Ich sah auf Lloyd. Der Kleine hing in einer Baby-Tragetasche vor mir. Er quengelte etwas, schrie aber nicht. Er merkte wohl, dass ich aufgeregt war.

„Ok aber pass auf dich auf.“, sprach ich und setzte mich in Bewegung.

Der Weg war ziemlich steinig und steil. Daher kam ich nicht besonders schnell voran. Ich tat allerdings mein Bestes.

Lloyd fing nun an zu weinen.

„Ist ja gut mein Kleiner. Hör bitte auf zu weinen. Sonst finden sie uns noch.“, versuchte ich meinen Sohn zu beruhigen. Mit mäßigen Erfolg. Er schluchzte weiter vor sich hin.

Ich erreichte eine kleine Höhle. Sie war nicht sehr tief gerade mal ein paar Meter. Vielleicht übersahen mich die Engel hier?

Schnell ging ich mit Lloyd hinein.

„Alles wird gut mein Kleiner.“, sprach ich ruhig und wiegte den Kleinen hin und her. Er sah mich mit seinen großen braunen Augen an.

„Daddy kommt auch gleich wieder.“

Das hoffte ich zumindest. Kratos war stark und ein hervorragender Kämpfer. Er wurde bestimmt gut mit den Engeln fertig. Trotzdem machte ich mir Sorgen. Was wenn dieser Yggdrasill auftauchte und Kratos angriff. Was wenn die Engel extrem starke Magie beherrschten? Was wenn Kratos vor Hunger zusammenbrach?

Mein Magen knurrte. Ok das würde wohl eher mir passieren.

Plötzlich hörte ich Schritte. Es kam jemand. Ein Desian? Ein Engel? Oder Kratos?

Vorsichtig legte ich Lloyd ab und griff nach meinem Stab. Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen. Ich konnte mich auch verteidigen. Das würden die Engel schon zu spüren bekommen.

Ich drückte mich an die Wand und wartete auf die Person. Vielleicht bemerkte mich der Engel auch nicht? Vielleicht lief er weiter. Schien so zu sein. Die Schritte wurden leiser. Doch dann blieb die Person wohl stehen. Ich traute mich nicht um die Ecke zu lugen aus Angst gesehen zu werden.

Jetzt kam die Person auf mich zu. Wie hatte der bemerkt, dass ich hier war?

Ich hielt meinen Stab angespannt fest und machte mich bereit. Die Person war nun ganz nah.

Ich sprang heraus und wirbelte meinen Stab herum, um meinem Gegenüber zu schlagen. Leider wurde mein Schlag scheinbar geblockt. Allerdings ließ ich mich davon nicht aufhalten. Ich ließ mein Knie nach vorne sausen um es meinem Gegner zwischen die Beine zu rammen. Mit vollen Erfolg.

„Au!“, erklang es. „Mensch Anna, das tut weh.“, sprach ein nun vor mir kniender Kratos.

„Kratos?! Das tut mir leid!“, entschuldigte ich mich.

Er verzog sein Gesicht vor Schmerzen.

„Bist du verletzt? Wie geht es dir?“, fragte ich besorgt und suchte nach Verletzungen an Kratos Körper.

„Wie jemand der gerade ein Knie zwischen die Beine gerammt bekommen hat. Nicht sehr angenehm. Ansonsten gut.“

„Ich dachte du wärst ein Engel.“, rechtfertigte ich meine Reaktion.

Kratos sah mich wenig begeistert an.

„Ich meinte einer von den bösen Engeln.“, korrigierte ich mich.

Kratos stand nun wieder halbwegs gerade da. Ich hatte wohl ordentlich zugetreten.

„Wir müssen weiter. Es kommen bestimmt noch mehr.“, meinte der Rothaarige.

Ich nickte und holte Lloyd aus der Höhle.

Wir rannten weiter den Pfad hinauf, als uns Noishe entgegen kam. Kratos hatte ihn voraus geschickt, um zu spähen.

Noishe jaulte aufgebracht.

„Mist! Unten am Fuß warten die Engel schon. Sie kommen von beiden Seiten. Wir müssen uns irgendwie durch die Berge schlagen ohne den Pass zu nehmen.“, rief Kratos.

„Du meinst klettern? Das schaffe ich nicht.“, lehnte ich ab. Dazu war ich auch viel zu erschöpft. Den Pass zu nehmen war schon schwer genug, aber jetzt noch zu klettern oder sonst irgendetwas ging nicht.

„Ich werde dir helfen.“

Noch bevor Kratos weiter sprechen konnte, verschränkte ich protestierend die Arme. „Wir werden nicht fliegen!“

Kratos seufzte. „Es würde aber vielleicht helfen. Und ist leichter als Klettern. Zumindest für dich.“

„Nein. Lass uns klettern.“, sprach ich bestimmt.

„Noishe erkunde weiter die Gegend.“, meinte Kratos. Dieser gab ein zustimmendes Jaulen von sich und verschwand.

Kratos schien auch ziemlich aus der Puste zu sein. Kam bei ihm ja selten genug vor. Der Kampf war bestimmt schwierig. Ein Marsch selbst durch die Berge würde ihn ja nicht so anstrengen.

Er ging voraus. Es ging ziemlich steil bergauf. Wir überquerten auch teilweise ziemlich schmale Felsvorsprünge.

Zumindest passte Kratos das Tempo an. Er wurde etwas langsamer.

„Geht es dir gut, Anna?“, fragte er und blieb stehen.

„Etwas erschöpft, aber ich kann noch weiter.“, sprach ich.

„Das ist gut.“, sagte erschwer atmend. Das war seltsam. Selbst ich war nicht so aus der Puste. Vielleicht hatte Kratos sich mal verausgabt. Das kam zwar bisher nicht vor, wäre aber möglich.

„Geht es dir gut?“, fragte ich.

„Geht so.“, kam als Antwort. Das hieß wohl so viel wie nicht so besonders. Sonst kam immer ein „Gut“ „Mir geht es gut“ oder sowas.

„Brauchst du eine Pause?“

„Nein. Wir können weiter.“, sprach er ohne mich anzusehen. Dann ging er weiter.

Was hatte er denn? Ging es ihm nicht gut? Verletzt schien er nicht zu sein. Bis auf ein paar kleine Kratzer am Arm. Die schienen auch nicht sehr tief zu sein.

War er besorgt? Wegen den Engeln? Oder war was passiert?

Nach ca. einer halben Stunde machten wir kurz Rast. Lloyd hatte Hunger.

Ich stillte ihn während Kratos gegen eine Felswand lehnte.

Ich musterte ihn etwas. Er hatte den Kopf weggedreht und sah zum Berg hoch. Überlegte er wie weit es noch war?

Sein Brustkorb hob und senkte sich ziemlich unregelmäßig. Er war anscheinend noch ziemlich außer Atem.

Lloyd war wieder beim Trinken eingeschlafen. Das machte er immer. Ich legte ihn sanft ab und ging zu Kratos.

„Wir sollten weiter. Wir haben den Gipfel fast erreicht.“, sprach er wieder ohne mich anzusehen.

„Wir können doch etwas Pause machen.“, bat ich wohl eher um Kratos willen.

„Noch ein bisschen. Wenn du müde bist, kann ich dich auch tragen.“, meinte er.

„Du wirkst erschöpfter als ich. Da brauchst du mich nicht zu tragen.“, sagte ich.

„Mir geht es gut.“, sagte Kratos sein Blick immer noch abgewandt.

Ich merkte, dass er schnaufte. Was hatte er? Wir waren doch nicht gerannt oder dergleichen.

Wieso war er so aus der Puste?

Ich sah ihm nun ins Gesicht. Er wollte sich zwar wegdrehen, aber ich bemerkte bereits warum er mich nicht ansah.

Sein Gesicht war knallrot und ihm liefen Schweißperlen durchs Gesicht. Außerdem schnaufte er heftig.

„Kratos was ist los?“, fragte ich besorgt und strich ihm übers Gesicht. Wie zu erwarten war es knallheiß. Die Haare in seinem Gesicht waren total durchnässt.

„Es ist nichts.“, versuchte er abzuwinken.

„Nichts sieht anders aus. Du hast Fieber und bist völlig fertig. Bist du krank? Auf jeden Fall brauchst du eine Pause.“, rief ich.

Der Engel schüttelte den Kopf. „Nein. Wir müssen weiter.“

„Wir müssen gar nichts. Du musst Pause machen.“, protestierte ich und drückte Kratos gegen die Wand, da er Anstalten machte weiter zu gehen.

Er schien mir nicht viel entgegenzusetzten haben. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass es ihm nicht gut ging.

„Was ist denn mit dir?“, fragte ich erneut und musterte dabei den Engel.

Er hatte auf jeden Fall Fieber. Anzeichen für eine Erkältung oder Grippe zeigte er nicht. Kein Husten oder Schnupfen.

„Gift nehme ich an.“, beantwortete Kratos meine Frage.

„Die haben dich vergiftet?! Oh nein. Ist es sehr ernst? Ich kenne mich mit sowas nicht aus.“, rief ich schon hysterisch. Ich machte mir wahnsinnige Sorgen um den Rothaarigen. Was wenn ihm das Gift sehr zusetzte?

Kratos schwieg. Er sah erneut weg. Nicht gut. War es so ernst?

„Kann ich dir helfen? Wir müssen zu einem Arzt. Der kann dir bestimmt helfen.“, plapperte ich nervös.

„Das bezweifle ich. Cruxis Wissenstand ist viel höher als der eines Quacksalbers. Sie setzten bestimmt keine Nullachtfünfzehn-Gifte ein.“

„Dann hat nur Cruxis das Gegenmittel?“, fragte ich perplex.

„Ist sehr wahrscheinlich.“, kam als Antwort.

„Wie sieht es mit der Wirkung des Giftes aus?“, fragte ich nun.

„Es war sehr wahrscheinlich nicht für mich bestimmt. Die Engel wollten dich damit treffen. Da Mithos keine große Vorliebe für Menschen hat, ist es wohl…“

Kratos hielt inne. Ich merkte ihm an, dass er mehr gesagt hatte als er wollte.

„Ist wohl was?“, schrie ich.

Kratos schwieg.

„Kratos!“

„…“

„Rede mit mir!“

„…“

Der Engel brachte mich zur Weißglut. Warum sagte er mir nicht was Sache war?

„Wir müssen weiter, Anna. Hier sind wir nicht sicher!“, forderte Kratos.

„Du kannst nicht…“, protestierte ich.

„Wir müssen weiter, solange ich noch kann!“, schrie Kratos bestimmt. Er drückte sich von der Wand weg und lief weiter.

Ich folgte ihm stumm. Lloyd schlief zum Glück noch. Ich wiegte ihm sanft hin und her, während ich besorgt Kratos ansah.

Was konnte ich nur tun, um ihm zu helfen? Tragen konnte ich ihn nicht. Ich hatte zwar die Kraft ihn ohne Probleme hoch zu heben, aber nicht die Ausdauer, es lange durch zu halten.

Außerdem war das Terrain schwierig. Hier konnte ich mich schon kaum allein halten geschweige denn Kratos durch die Gegend zu schleppen. Noishe war leider auch nicht hier. Sonst hätte er Kratos ja tragen können.

Plötzlich passierte es. Kratos brach zusammen. Er fiel nach vorne und landete scheinbar unsanft auf dem Boden.

„Kratos!“, schrie ich was Lloyd leider aufweckte.

Ich kniete zu dem Engel. Er sah mich erschöpft an. Ihm fiel es wohl schwer bei Bewusstsein zu bleiben.

Ich drehte ihn zunächst auf den Rücken.

„Wie geht es dir?“, fragte ich und strich ihn über die Stirn. Sie war kochend heiß. Sein Fieber war schlimmer geworden.

Lloyd schrie nun los. Immerhin hatte ich ihn geweckt. Das passte ihm jetzt gar nicht.

Kratos legte seine Hand auf den Kopf seines Sohnes. Er lächelte leicht.

Lloyd war augenblicklich ruhig.

„Hey mein Kleiner. Mach deiner Mutter nicht so viel Ärger, ja?“, sprach Kratos. Dann fielen seine Augen zu. Seine Hand fiel von Lloyds Kopf auf den Boden.

„Kratos?!“, schrie ich und rüttelte ihn leicht.

Er reagierte nicht. Allerdings atmete er noch schwer und unregelmäßig.

War das Gift so fatal? War es etwa tödlich. War es das was Kratos mir verschwieg.

Das durfte nicht sein. Er durfte nicht sterben. Was sollte ich denn ohne ihn machen? Was sollte Lloyd ohne seinen Vater machen. Wir brauchten ihn doch.

Ich legte Lloyd auf Kratos Bauch. Der Kleine war ganz still. Ob er wohl wusste, dass es seinem Vater nicht gut ging?

Ich lehnte mich zu Kratos und musterte ihn. Er schien Schmerzen zu haben. Sein Brustkorb hob sich unregelmäßig während er ein Stöhnen von sich gab.

„Bitte Kratos. Du darfst nicht sterben. Lass mich nicht alleine!“, schrie ich nun unter Tränen.

Kratos zeigte keine Reaktion.

Dann hörte ich Gebüschrascheln. Hatten sie uns entdeckt?

Schnell sprang ich auf und nahm meinen Stab zur Hand. Allerdings waren es keine Gegner.

Es war Noishe. Der Protozoan kam aus einem Busch und sah mich verwirrt an. Immerhin weinte ich noch.

„Ach Noishe.“, schluchzte ich und sank auf die Knie. Der Terranis kam zu mir und leckte mir durchs Gesicht.

„Kratos wurde vergiftet.“, brachte ich hervor. Noishe gab ein kurzes Winseln darauf.

„Er wird sterben!“, sprach ich heulend.

Noishe ging zu Kratos. Er lief aufgeregt um den Engel herum. Er wusste wohl auch nicht was er machen sollte.

Er stupste Kratos an, wohl in der Hoffnung der Engel würde aufstehen, aber ohne Erfolg.

Dann legte er sich hin. Sein Kopf lag zwischen seinen Vorderpfoten. Dabei gab er ein Fiepen von sich.

Warum taten diese Engel nur sowas. Kratos war doch einer von ihnen. Ich dachte Mithos wollte nicht, dass Kratos starb. Warum wusste ich auch nicht, aber Kratos war sich dessen immer so sicher und jetzt? Jetzt lag Kratos im Sterben. Er würde an einem Gift verenden, was von seinem ehemaligen Freund kam. Und nur Cruxis kannte das Gegenmittel.

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.

„Cruxis.“, sagte ich.

Noishe sah mich fragend an.

„Kratos muss nach Cruxis. Die sind die einzigen, die ihm helfen können.“, sagte ich und stand auf.

Noishe sah mich immer noch fragend an.

„Ich werde Kratos zu den Engeln bringen.“, sprach ich bestimmt.

Nun stand Noishe auf und knurrte. Zwischendurch winselte er auch.

„Ich weiß, du bist dagegen, aber wenn ich es nicht mache, stirbt er!“, verteidigte ich mich.

Ich nahm Lloyds Tragetasche und setzte den Kleinen hinein.

„Noishe, bitte kümmere du dich um Lloyd.“, bat ich.

Der Terranis legte die Ohren an und fiepte. Er war absolut nicht begeistert. Soweit konnte ich ihn auch verstehen

„Bitte, Noishe. Ich kann Lloyd schlecht mitnehmen. Er würde wahrscheinlich auf einer Menschenfarm landen.“, bat ich und hing Noishe die Tasche, um den Hals.

Lloyd sah mich mit großen Augen an. Der Kleine wusste ja noch nicht, was los war.

„Ach mein Kleiner.“, schluchzte ich und drückte ihn.

„Bitte finde eine schöne Familie für ihn Noishe.“, bat ich erneut.

Noishe winselte, nickte aber.

Ich hob Kratos nun hoch und hievte ihn über meine Schulter. Er schien es nicht mal zu merken.

Bis zum Lager der Engel würde ich wohl kommen. Wir waren auch schon fast am Fuße des Berges. Beim Pass waren die Engel ja. Ich musste es einfach schaffen.

Noishe lief dann in einer anderen Richtung weiter, während ich auf den Weg zu den Engeln war. Ihr Lager war in der Tat nicht weit. Wenn man das als Lager bezeichnen konnte. Sie hatten ja keine Zelte oder ähnliches.

Zunächst beäugtem sie mich mit ihren Leblosen Augen.

„Ich will nicht kämpfen, aber bitte heilt Kratos. Ihr habt ihn vergiftet.“, sprach ich.

Ich kam mir so dämlich vor. Warum sollten sie ihm überhaupt helfen? Vielleicht wollte Yggdrasill ihn ja tot sehen. Und jetzt hatten sie mich auch noch. Kvar war bestimmt begeistert.

Auf mich kam ein Engel zu, der mir Kratos abnahm. Zwei weiter hielten mich fest und fesselten mich.

„Bitte helft ihm!“, flehte ich. Sie sagten kein Wort. Nicht mal beachten taten sie mich. Sie zogen mich nur hinter sich her. Wir gingen auf ein Licht zu. Dann wurde alles weiß.

Zurück in Welgaia(Kratos Sicht)

Ich fühlte mich seltsam schwer. Meine Glieder taten höllisch weh. Mir war etwas kalt. Trotzdem nahm ich Schweißperlen auf meinem Gesicht wahr.

Was war mit mir? Wo war ich?

Nur mit Mühe konnte ich die Augen öffnen. Es war weiß. Grau weiß. Ich lag in einem Bett in einem grauen Raum. Die Architektur kam mir seltsam vertraut vor. Ich schenkte ihr zunächst keine Beachtung.

„Anna?“, rief ich, da ich alleine war. War sie nicht bei mir? Was war eigentlich passiert? Ich rief mir die letzten Geschehnisse zurück ins Gedächtnis.

Mir fiel es wieder ein. Ich war doch vergiftet. Ich dachte, dass das Gift tödlich war. Wieso lebte ich noch?

Ich setzte mich auf, was meinem Körper nicht gefiel.

Ich sondierte das Zimmer. An der Wand lag mein Schwert. Meine Sachen lagen daneben. Momentan trug ich weiße Klamotten. Eine lange Hose und ein T-Shirt.

Weiter erkannte ich ein Bücheregal und ein Schreibtisch.

Nun erkannte ich auf einmal wo ich war. Das war mein Zimmer in Welgaia. Wie war ich hierhergekommen?

Sofort sprang ich auf. Allerdings verlor ich das Gleichgewicht und landete wieder auf dem Bett. Mein Kopf tat weh und mir war schwindelig.

Was machte ich hier? Wo waren Anna und Lloyd? Hatten sie uns gefunden und mich hierhergebracht? Was war dann mit meiner Familie?

Erneut stand ich auf, aber diesmal langsamer. Ich konnte mich diesmal halbwegs auf den Beinen halten.

Ich taumelte zu meinem Schwert und machte es mir um. Wenn Mithos mich gefangen genommen hatte, warum ließ er mir mein Schwert?

Ich ging zur Tür. Entgegen meiner Erwartungen öffnete sich diese. Ich war nicht eingesperrt? Wieso ließ Mithos mich frei umher laufen?

Vorsichtig lugte ich um die Ecke. Keiner zusehen. Keine Wachen oder Engel. Seltsam.

Allerdings schien sich ein Engel zu nähern. Ich hörte Schritte.

Ich griff mein Schwert und machte mich kampfbereit. Ich versteckte mich hinter der Tür und wartete. Auch wenn ich noch nicht wieder ganz fit war, so würde ich wohl doch mit einem oder zwei Engeln klar kommen.

Der Engel klopfte an der Tür. Wieso tat er das?

„Lord Kratos, seid ihr schon wach?“, frage er.

Ich sprang zur Tür hinaus und drückte den Engel gegen die Wand. Mein Schwert hielt ich an seine Kehle.

„Ah ihr seid erwacht, Lord Kratos.“, sagte der Engel unbekümmert. Das war auch nicht sarkastisch oder herablassend. Der Engel war gefühllos. Es war ihm egal, ob ich ihm die Kehle durchschnitt oder nicht.

„Was willst du?!“, zischte ich bedrohlich.

„Lord Yggdrasill bat mich euch zu ihm zu bringen, sobald ihr wach seid.“

„Was will er von mir?“, sprach ich, ließ den Engel aber noch nicht los. Was wollte Mithos? Das war wirklich seltsam. Immerhin war ich ein Feind von Cruxis. Mal eben schnell ein Kaffeekränzchen mit mir abzuhalten war bestimmt nicht in seinem Sinne.

„Zu diesem Thema habe ich keine Informationen.“, kam eine Standartantwort eines Engels.

Ich schnaubte und ließ ihn los. Er schien nicht bewaffnet zu sein. Außerdem hätte Mithos keinen Grund gehabt mich zu töten.

„Darf ich euch zu Lord Yggdrasill führen?“

„Ich kenne den Weg selbst!“, fauchte ich und ging in Richtung Mithos Kammer.

Ich wollte wissen wo Anna und Lloyd waren. Hoffentlich ging es ihnen gut.

Ohne anzuklopfen betrat ich Mithos Halle. Für Förmlichkeiten hatte ich keine Lust.

Wie zu erwarten saß der Blonde auf seinem Thron. Mit seinem selbstgefälligen Lächeln sah er mich an.

„Ah Kratos. Schön dass du wohlauf bist.“, sprach er übertrieben freundlich.

Mir gefiel das ganz und gar nicht. Wieso war er so zufrieden?

„Spar dir das! Was willst du? Was mache ich hier?!“, fragte ich etwas aufgebracht. Die Sorge um meine Familie machte mich reizbar.

„Spricht man so etwa mit einem Freund. Das hier ist doch dein Zuhause. Ich möchte nur, dass du hier bleibst.“

„Das glaube ich dir. Ich habe aber keinen Grund hier zu bleiben.“, entgegnete ich. Was dachte sich Mithos dabei? Hatte er nicht schon längst eingesehen, dass ich nicht wieder zu ihm zurückkehre?

„Es gibt sicherlich gute Gründe hierzubleiben.“

„Und die wären?“, widersprach ich.

„Unser Gast wünscht sich sicherlich deine Gesellschaft.“, sprach Mithos immer noch sehr von sich überzeugt.

„Welcher Gast?“, fragte ich verwirrt.

„Ich kenne ihren Namen nicht. Sie war auch nicht gewillt mit mir zu kommunizieren. Aber ich bin ihr wohl zu Dank verpflichtet. Immerhin hat sie dich hierher gebracht. Wäre sie nicht gewesen, wärst du an dem Gift gestorben.“

„Anna? Sie ist hier?!“, rief ich geschockt.

„Ja so war ihr Name. Ich musste ihr ein Zimmer im Gefängnis geben, aber das stört sie sicher nicht.“

„Was hast du mit ihr vor? Lass sie sofort frei. Sie hat nichts damit zu tun!“, schrie ich.

„Ich denke es wird ihr hier gefallen. Du wirst sie ja wohl nicht alleine lassen oder?“

Ich knurrte, drehte mich um und stürmte aus dem Saal.

Dieser Mistkerl! Er hatte mich in der Hand. Wenn er Anna gefangen hatte, konnte ich nichts gegen ihn ausrichten.

Ich lief zum Gefängnis. Hoffentlich ging es ihr gut.

In einer der Zellen erkannte ich Anna. Sie saß am Boden, hatte die Beine angewinkelt und sah zu Boden. Sie schien nicht glücklich zu sein, war aber anscheinend nicht verletzt. Ich hoffte nur Mithos hatte ihr nichts getan.

„Anna!“, schrie ich und lief zu ihrer Zelle. Sie sah auf und sah mich überrascht an. Dann sprang sie freudig auf.

„Kratos! Du lebst. Gott sei Dank!“, rief sie. Dabei bildeten sich Tränen in ihren Augen. Stimmt ich war ja vergiftet.

„Mir geht es gut. Was ist mit dir? Und Lloyd, wo ist er?“, fragte ich besorgt, da ich den Kleinen nirgends sah. Mithos hatte ihn doch nicht etwa getötet? Er brauchte ja nur eine Geisel, aber…Das durfte nicht sein. Lloyd durfte nicht tot sein.

„Es geht ihm gut. Ich habe ihm Noishe gegeben. Er wird bestimmt jemanden finden. Mir geht es gut. Verglichen mit einer Menschenfarm ist das hier ein Viersterne-Hotel. Ich bekomme regelmäßig zu essen, wenn auch nicht gerade das Leckerste und habe eine Matratze mit Bettzeug.“, erzählte sie, wobei sie versuchte ihre Traurigkeit zu überspielen. Sie vermisste Lloyd. Das merkte ich sofort. Aber zumindest war er in Sicherheit.

„Was ist überhaupt passiert?“, fragte ich nun.

„Na ja. Du…Ich dachte du würdest sterben. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Du meintest Cruxis wären die einzigen, die ein Gegenmittel hätten. Also…“, stammelte sie wobei sie zu Boden sah.

„Du hast dich freiwillig gestellt?! Bist du wahnsinnig?!“, schrie ich außer mir. Wie konnte sie nur sowas Dummes machen. Da probierte ich mit allen Mitteln sie von Cruxis fernzuhalten und sie macht sowas.

„Was hätte ich denn tun sollen? Du lagst im Sterben.“, verteidigte sich die Braunhaarige.

„Mich einfach zurücklassen und fliehen!“, rief ich außer mir.

„Das könnte ich nicht! Verlang sowas erst gar nicht. Du könntest es doch selbst nicht. Mich sterben lassen, um deine eigene Haut zu retten.“

Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Sie hatte Recht. Das hätte ich in der Tat nicht gekonnt.

„Ich bin nur froh, dass es dir gut geht.“, sprach Anna. Dabei liefen ihr Tränen durchs Gesicht.

Ich streckte meine Hand zwischen die Gitterstäbe und wischte Anna die Tränen weg.

„Schon gut. Lass uns nicht deswegen streiten.“, beruhigte ich sie.

„Aber was machen wir jetzt?“, fragte sie und sah zu einem Engel. Dieser schien wohl die Zelle zu bewachen.

„Ich habe schon alles versucht. Mich krank stellen, ihn beschimpfen oder irgendwelche Flüche erfinden. Er reagiert nicht mal.“, beschwerte sich Anna.

Ich musste lächeln. „Was hast du erwartet? Das sind Engel. Die lassen sich von nichts beeindrucken.“

„Stimmt. Ist ja bei dir nicht anders.“, kam als Antwort, worauf ich sie nicht gerade begeistert ansah.

„Was? Stimmt doch. Oh…vielleicht sollte ich dem Engel vorgaukeln, dass ich ein Kind von ihm bekomme. Oder ihn anbaggern. Das hat dich ja auch überfordert.“, ärgerte mich meine Freundin.

„Sehr witzig.“, brummte ich und musterte Anna. Ich bemerkte auch gleich einen schwarzen Ring um ihren Hals. Das konnte ich mir denken. Mithos nahm ihre Bewachung ziemlich Ernst.

„Selbst wenn du die Wache dazu gebracht hättest die Tür zu öffnen, hätte dir das nicht viel gebracht. Deine Zelle ist mit einem Manafeld umgeben. Solange du diesen Ring da trägst, kommst du da nicht raus.“, erklärte ich.

„Und nun? Vielleicht nimmt mir der Engel das ab, wenn ich ihn ganz lieb Frage?“, schlug sie vor. Ich hob fragend eine Augenbraue. Das hatte sie jetzt nicht wirklich vor, oder?

Anna ging zur anderen Seite der Zelle und sprach den Engel an: „Hallo lieber Herr Engel, könnten sie mich wohl aus dieser Zelle lassen?“

Ich schüttelte nur ungläubig den Kopf.

„Es ist mir nicht gestattet dies zu tun.“, sprach der Engel monoton.

„Mach doch mal eine Ausnahme. Für mich.“

Ich wusste nicht ob das noch Bitten oder Flirten war. Es war auf jeden Fall sehr amüsant zu zusehen wie Anna versuchte einen Engel um den Finger zu wickeln. Natürlich ohne Erfolg.

„Es ist mir nicht gestattet dies zu tun.“

„Scheiß Engel!“, fluchte Anna nun.

„Wie höflich.“

„Halt die Klappe! Was hast du denn für einen Plan?!“, fauchte sie nun mich an.

„Ich habe keinen. Tut mir Leid.“, antwortete ich und sah leicht zu Boden. Ich schaffte es nicht mal meine Verlobte zu beschützen.

„Nein es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anschreien.“, entschuldigte sich Anna.

„Ich werde eine Möglichkeit finden, dich da raus zu holen.“, meinte ich. Nun sah ich zu der Wache.

„Ich befehle dir sie rauszulassen!“, befahl ich.

„Es ist mir nicht gestattet dies zu tun.“

„Aber ich bin ein Seraphim. Ich stehe über dir.“, sprach ich. Vielleicht klappte es ja. Sonst konnte ich auch Engel befehligen. Ich hatte ja die zweithöchste Position in Cruxis inne.

„Sie sind nicht autorisiert mir solche Befehle zu erteilen.“

Daran hatte Mithos wohl schon gedacht. Etwas anderes fiel mir momentan leider nicht ein.

„Dann lass mich in die Zelle gehen.“

„…“

„Was ist los? Darfst du diesen Befehl auch nicht ausüben?“, fragte ich den nun sprachlosen Engel.

„Meine Befehle bezüglich dieser Anforderung sind nicht klar definiert.“

„Dann lass mich da rein!“, fauchte ich.

Der Engel schritt zu Zellentür und öffnete sie. Ich ging hindurch, worauf der Engel die Tür hinter mir wieder schloss.

„Kratos, was willst du denn hier drinnen?“, fragte Anna nun überrascht.

„Na bei dir sein. Ist doch wesentlich angenehmer als sonst irgendwo an diesem Ort.“, antwortete ich und umarmte Anna.

„Das ist süß. Du lässt dich freiwillig einsperren, um bei mir zu sein.“, sprach sie und küsste mich.

„Und du lässt dich freiwillig einsperren, um mich zu retten.“, erwiderte ich nur.

„Das ist ja wohl was anderes. Mein Leben ist ja nicht gefährdet, bloß weil du nicht bei mir bist.“

„Aber meins. Mein Körper braucht dich halt.“, meinte ich und küsste Anna erneut.

„Wow und das von dir. So langsam hast du den Dreh raus was flirten angeht.“

„Danke.“

Nun drückte ich Anna gegen die Wand und küsste sie am Hals.

„Kratos nicht. Da bekommt man Lust auf mehr.“

„Und was spricht dagegen?“, nuschelte ich, während ich Annas Hals weiter liebkoste.

„Der Zuschauer da.“, meinte Anna. Dabei sah sie zu der Wache, die wieder ihre Ausgangsposition eingenommen hatte.

„Den kümmert es nicht, was wir hier treiben. Er wird wahrscheinlich nicht mal wissen, was wir tun. Und es wird ihm egal sein. Er ist nur ein Engel.“, entgegnete ich darauf und zog ihr Top aus.

„Na ich weiß ja nicht.“, sprach Anna unsicher, ließ mich aber gewähren.

„Ich aber. Lass dich von dem nicht stören.“

„Und was wenn Mithos hierher kommt und uns sieht. Oder Yuan.“, sagte sie nun, wobei sie sich nervös umsah.

„Dann haben die halt was zu gucken.“

„Kratos? Das Gift hat dir wohl sämtliche Hemmungen genommen. So kenne ich dich gar nicht. Was ist mit dem Typen dem Sex peinlich ist? Jetzt ist es dir sogar egal wenn wer zuguckt."

„Ich sehne mich halt nach dir. Außerdem hatten wir in letzter Zeit wenig Zeit für derartige Zärtlichkeiten.“, sprach ich ehrlich. Ich wusste auch nicht genau warum ich gerade jetzt so ein Verlangen nach ihr hatte. War ja wirklich nicht gerade der beste Zeitpunkt. Vielleicht weil ich Angst um sie hatte, oder weil ich dachte ich würde nie wieder so etwas mit Anna tun können. War mir aber auch egal warum.

„Kratos wird wild, wenn er seine Triebe nicht befriedigen kann. Das gefällt mir irgendwie.“, sprach Anna nun verführerisch. Sie schlüpfte unter meinen Armen hindurch und stellte sich neben mich.

„Mal langsam Mister Aurion.“, tadelte sie mich nun mit ausgestreckten Zeigefinger.

„Lass diese Spiele, Anna!“, murrte ich nun unzufrieden.

„Es macht aber Spaß.“, rief sie nun kichernd.

Ich packte sie nun an den Hüften und zog sie zu mir ran. Anna ergriff daraufhin beide meiner Arme und hielt sie zwischen uns.

„Jetzt sei doch nicht gleich so wild, mein Kratos.“, sagte sie schelmisch.

„Ich kriege dich schon noch, Miss Irving.“, spielte ich nun mit. So ging unser Kampf hin und her. Anna versuchte jedes Mal mich davon abzuhalten ihr näher zu kommen. Irgendwann unterlag sie mir aber trotzdem und wir verbrachten die Nacht gemeinsam ungeachtet unseres stillen Beobachters.

Unheilvolle Experimente( Kratos Sicht)

Am nächsten Morgen war ich natürlich wieder als erstes wach. Anna schlief noch neben mir. Es hatte sich noch nichts geändert. Der Engel stand noch immer dort. Er hatte sich keinen Millimeter bewegt.

Allerdings hörte ich Schritte und Gespräche. Das war auch der Grund warum ich aufgewacht war. Jemand schien hierher zu kommen. Verstehen konnte ich leider nichts. Die Stimmen erkannte ich allerdings.

Wie zu erwarten betraten Yuan und Mithos bzw. Yggdrasill den Raum.

„Ich konnte mir ja denken, dass du hier unten bist.“, sprach Mithos. Dann sah er mich ganz erstaunt an.

Anna wachte nun auch auf und sah zu mir und dann böse zu Mithos.

„Ist gemütlicher als in meinem Zimmer.“, antwortete ich nur.

„Das glaube ich dir.“, sprach Yuan nun mit einem neckischen Unterton.

„Ah!“, schrie Anna nun und klammerte sich an mich. Dabei drehte sie mich so, dass ich zwischen Mithos, Yuan und ihr saß.

„Dreht euch um ihr perversen Engel!“, schrie sie. Immerhin war sie ja noch nackt. Das hatte ich schon wieder ganz vergessen.

„Wie ich sehe hattet ihr euren Spaß.“, rief Yuan nun leicht grinsend. Er und Mithos machten keine Anstalten sich umzudrehen, so wie Anna es verlangt hatte.

Die Braunhaarige zog ihre Sachen zu sich und zog sich an.

„Ich bin sicher dein Bett ist gemütlicher als der Zellenboden.“, meinte Mithos nun. Er war wohl etwas irritiert von dem Anblick. Das kannte er ja von mir nicht.

„Ich fand die Nacht außerordentlich angenehm.“, sprach ich. Diese Situation war Mithos sichtlich unangenehm. Er versuchte es zwar zu verbergen, aber mit wenig Erfolg. Das musste ich ja mal ausnutzen. Auch wenn ich gerade riskierte mir von Anna eine einzufangen. Meinen Kommentar ließ sie aber unbeachtet.

„Wie auch immer.“, sprach Mithos nun und rieb sich dabei beschämt die Stirn. „Ich fände es sehr nett von dir wenn du mit hoch kommen würdest. Dort können wir besser reden.“

„Du kannst auch hier mit mir reden.“, erwiderte ich wenig begeistert.

„Deiner Freundin passiert schon nichts. Solange du tust, was ich dir sage.“, meinte Mithos immer noch gespielt freundlich.

„Wie überaus freundlich von dir.“, sprach ich sarkastisch. Ich zog mich nun ebenfalls an und verließ die Zelle.

„Ich komme nachher wieder zu dir, Anna.“, sagte ich und folgte Mithos.

In seinem Thronsaal angekommen bemerkte ich bereits eine weitere Person. Es war der Anführer der Großfürsten der Desians. Lord Nexus. Neben ihn stand eine junge Frau ebenfalls eine Großfürstin. Pronyma. Beide hatten keine Menschenfarm unter ihrer Obhut. Sie beschäftigten sich mit Angelogie, also den Engeln. Daher hatte ich sie auch schon öfters in Derris Kharlan gesehen. Kontakt hatte ich mit ihnen aber bisher nicht so viel gehabt.

„Ich bin sicher, dass du Nexus noch kennst.“, sprach Mithos.

„Ja leider.“, entgegnete ich. Nexus Methoden gefielen mir nicht. Auch wenn es nur Engel waren. Er dachte nur an seine Forschung. Seine Opfer waren ihm dabei egal.

„Sehr erfreut euch wieder zu sehen, Lord Kratos.“, begrüßte mich Nexus genauso heuchlerisch freundlich wie Mithos zuvor mit mir gesprochen hatte.

„Ich werde ein paar Tage nicht zugegen sein. Meine Anwesenheit wird auf den Menschenfarmen benötigt. Ich möchte, dass du Nexus bei seinen Forschungen unterstützt.“, sprach Mithos.

„Hast du nicht genug Haustierchen dafür. Hier fliegen doch genug herum.“, sprach ich abwertend. Jetzt sollte ich schon Nexus Helferlein spielen. Was dachte sich Mithos dabei?

„Nexus könnte etwas Hilfe gebrauchen. Ich bin sicher deine Freundin wird es dir danken.“, erpresste mich Mithos. Da konnte ich kaum widersprechen. Mithos hatte mich in der Hand.

„Das ist sehr freundlich von euch Lord Yggdrasill.“, sprach Nexus loyal und vorbeugte sich vor dem Engel.

Mithos sah ihn nicht mal an.

„Also was hältst du davon Nexus zu helfen?“, fragte Yggdrasill die nun überflüssige Frage.

„Es wäre mir eine Ehre, Lord Yggdrasill.“, sprach ich nun übertrieben unterwürfig. Dabei verneigte ich mich ebenfalls vor Mithos.

„Du brauchst dich nicht vor mir zu verneigen alter Freund. Und mit meinem Titel brauchst du mich auch nicht anzureden.“, meinte Mithos wenig begeistert von meiner Geste. Das passte ich ihm nicht. Genau aus diesem Grund hatte ich das ja auch getan. Wenn ich Mithos schon dienen musste, dann zeigte ich ihm eben so meine Ablehnung.

„Das ist zu freundlich von euch, aber das muss ich leider ablehnen, Lord Yggdrasill.“, entgegnete ich immer noch unterwürfig.

Mithos war verärgert, sagte aber nichts. Er ging dann.

„Wobei kann ich dir helfen?“, fragte ich den Desian unfreundlich.

„Ich möchte ein paar Forschungen bezüglich des Expheres unserer Gefangenen vornehmen.“, sagte der Desians.

„Lass deine Pfoten von Anna!“, schrie ich.

„Du meine Güte, so temperamentvoll kenne ich euch gar nicht.“, rief der Desian

„Ich schwöre dir, ich hacke dir den Kopf ab, wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst!“, drohte ich und zog mein Schwert, welches ich ihm nun an die Kehle hielt.

„Ganz ruhig. Lord Yggdrasill hat mir die Erlaubnis gegeben, an ihr zu forschen, solange sie überlebt.“

„Es ist mir egal, was Lord Yggdrasill dir erlaubt hat und was nicht.“, knurrte ich.

„Er hat auch gesagt, ich dürfe ihn kontaktieren, wenn du dich querstellst. Er würde dann Maßnahmen einleiten. Das gilt übrigens auch falls ich tot sein sollte.“

Ich brummte und nahm mein Schwert weg. „Du kannst von mir aus an jedem anderen Experimente machen, aber nicht an ihr!“

Nun grinste er breit. Das gefiel mir gar nicht. Irgendetwas hatte er vor.

„Wie liebreizend ihr Engel doch seid. Sollten ihr nicht alle Menschen gleich lieben.“

Ich antwortete nicht.

„Natürlich kann ich euer Angebot nochmal überdenken. Der Exphere ist natürlich interessant den deine Freundin da mit sich herum trägt, aber…“

„Aber was?“

„Ein Cruxis-Kristall ist da natürlich etwas ganz anderes.“, sprach er.

„Es gibt hier genug Viehzeug mit so etwas. Jeder dieser verdammten Engel hier trägt so ein Ding. Bedien‘ dich!“, zischt ich.

„Nein, nein. Diese Engel sind völlig von den Cruxis-Kristallen in Besitz genommen. Ich habe genug Daten über sie, aber ein Cruxis-Kristall, der unterdrückt wird ist da natürlich was anderes.“

„Du meinst, du willst an mir forschen?“, fragte ich nun überrascht.

„Na ja. Euer Kristall wird ja schon seit Jahrtausenden unterdrückt. Wie er wohl reagiert, wenn er dieser Unterdrückung nicht mehr unterliegt?“

„Nein! Ich nehme meine Schutzfassung bestimmt nicht ab!“, lehnte ich ab. Darauf wollte dieser Teufel also hinaus.

„Schade. Dann muss ich mich mit unserer Gefangenen begnügen.“, meinte er gespielt enttäuscht.

Ich zuckte zusammen. Was sollte ich tun? Ich konnte ihm Anna nicht überlassen. Auf die Bedingung sie dürfe dabei nicht sterben, konnte ich mich nicht beruhen. Es gab noch weitaus schlimmeres als den Tod. Und das hatte Anna nicht verdient.

„Ok du darfst an mir forschen, solange du dich von Anna fernhältst.“, stimmte ich zu.

„Wie überaus großzügig von euch. Wir sollten in eins der Labore gehen. Wenn ihr mir wohl folgen würdet.“

Ich knurrte und folgte ihm in eins der Labore. Nexus ging an einen der Schränke und holte eine Zange heraus. Mir war ganz unwohl bei dem Gedanken, dass er mir meine Schutzfassung entfernen wollte. Diese schütze mich immerhin vor dem negativen Einfluss des Kristalls. Ohne sie würde ich gänzlich zu einem Engel werden wie die anderen hier. Ich würde lieber die schlimmsten Folterungen über mich ergehen lassen, als meiner Menschlichkeit beraubt zu werden. Selbst der Tod wäre eine angenehmere Alternative. Ich konnte Anna aber nicht diesem Mistkerl überlassen.

Nexus stand nun wartend vor mir. Er kam ja nicht an meine Schutzfassung heran. Sie war unter meinen Klamotten. Nur der rote Stein war sichtbar.

Widerwillig zog ich mein Oberteil aus.

Nexus bewunderte den Kristall zunächst. Er schien völlig begeistert von dem Ding. Ich verstand diese Wissenschaftler einfach nicht.

Dann nahm er die Zange zur Hand und setzte sie an meiner Schutzfassung an. Ganz vorsichtig versuchte er sie zu entfernen.

Mir war wirklich nicht wohl dabei. Ich hatte Angst davor was dieser Stein aus mir machen würde.

Dann hatte er es geschafft. Die Schutzfassung hing an seiner Zange, losgelöst von meinem Cruxis-Kristall.

Zunächst fühlte ich mich nicht anders. Es war wie zuvor. Doch dann bemerkte ich die Kälte die von dem Stein ausging. Sie versuchte vom Stein aus sich in meinem Körper auszubreiten. Ich versuchte dagegen anzukämpfen, wusste aber nicht so recht wie. Es war ein seltsames Gefühl. Die Kälte glitt langsam in sämtliche Teile meines Körpers. Sie betäubte diese Bereiche. Ich konnte dort kaum noch etwas anderes wahrnehmen als diese Kälte. Es schien aber ein schleichender Prozess zu sein. Ich konnte schon noch etwas fühlen, allerdings wurden dies scheinbar von dieser Kälte Stück für Stück verdrängt. Ich merkte wie der Kristall um meine Kontrolle kämpfte. Er gierte förmlich danach. Es war überaus unangenehm etwas in mir zu haben, was mit mir um meinen Körper kämpfte. Ich fragte mich wie lange ich wohl dagegen ankam.

Langsam hob ich meine Hand, um zu überprüfen, ob ich überhaupt noch Kontrolle hatte. Es ging, obwohl ich mir wie gelähmt vorkam. Ich spürte meinen Körper nicht mehr so stark wie vorher. Diese Kälte überdeckte alles.

„Wie fühlt ihr euch?“, riss mich die Stimme des Desians aus meinen Gedanken. Ich sah ihn verwundert an. Alles um mich herum schien seltsam klar, aber auch so fern. Ich fühlte mich so fremd. Als wäre ich nicht mehr in meinem Körper. Meine Umgebung nahm ich aber sehr deutlich und detailliert war. Als hätte sich ein Schleier gelöst. Geräusche, die ich vorher selbst mit meinem gut ausgeprägten Engelssinnen nicht mal wahrnehmen konnte, hörte ich nun, als wären sie neben mir. Ich hörte die Engel durch den Gang gehen. Das Schlurfen ihrer Schuhe oder das Flattern ihrer Flügel. Im Nebenraum schien ein Wasserhahn zu Tropfen. In gleichmäßigen Abschnitten hörte ich ein Plätschern des Wassertropfens.

„Seltsam.“, antwortete ich nur. Meine Stimme klang so seltsam fremd, auch wenn sie sich nicht geändert hatte. Es hörte sich einfach seltsam an wie alles andere auch.

„Ihr scheint etwas neben euch zu stehen.“, sprach Nexus nun neugierig.

„Mhm“, gab ich nur von mir.

„Ich hätte erwartet der Kristall würde euch gleich übernehmen, aber ihr scheint nicht anders zu sein.“

Erschien das so? Für mich fühlte es sich gänzlich anders an. Mein Körper war mir völlig fremd. Eine Tatsache, die mich eigentlich sehr beunruhigen sollte, aber es kümmerte mich nicht so sehr. Ich fühlte fast nichts dabei. Waren meine Gefühle schon verschwunden? Nein das wollte ich nicht. Ich hatte schon etwas Angst. Sie war aber sehr weit weg, aber meine Angst war da. Nur nicht mehr so stark wie ich es in Erinnerung hatte. So nebensächlich wie ein kleines Summen oder ein kleiner Windhauch.

Nexus sah sich nun seine Unterlagen an. Er schien nicht begeistert zu sein, was mich aber nicht kümmerte. Ich wollte zu Anna. Was wenn ich meine Gefühle für sie verlieren würde? Davor hatte ich momentan mehr Angst, als vor dieser seltsam fremden Situation hier. Ich verließ also das Labor und ging in den Kerker. Der Weg dahin war seltsam. Ich nahm zwar alles haargenau wahr, aber irgendwie auch doch nicht. Es löste keine Reaktionen in mir aus. Als wäre alles fremd, obwohl ich alles um mich herum kannte.

Als ich endlich die Zelle erreicht hatte, bemerkte mich Anna auch sofort. Sie sprang auf und sah mich fröhlich an. Sie freute sich? Warum? Ich war durcheinander. Natürlich freute sie sich mich zu sehen, so wie ich mich freute sie zu sehen, oder?

„Oh oben ohne, wie attraktiv.“, sagte sie lächelnd.

Ihre Stimme klang in meinen Ohren auch fremd, obwohl es genau die Stimme war, an die ich mich erinnerte. Seltsam.

„Ist wer zuhause?“, sagte sie und stupste mich an. Ich hatte ja auch nicht reagiert.

„Mhm“, brachte ich nur hervor. Ihre Berührung schien schwach und ungewohnt zu sein.

„Was mhm? Mehr fällt dir nicht ein?“, ärgerte sie mich.

„Nein.“, antwortete ich prompt. Das entsprach auch der Wahrheit. Meine Gedanken schienen unheimlich klar zu sein. Ich brauchte nicht groß überlegen, um eine Antwort zu finden.

„Was hatte Mithos denn mit dir zu besprechen? Warum kommst du nicht wieder rein? Die Wache hat bestimmt nichts dagegen.“, sagte Anna nun… verführerisch? War es das? Ich konnte mich nicht mehr so genau erinnern. Alles Vorherige schien seltsam verblasst. Ich wusste zwar genau was passiert war, aber…irgendwie auch doch nicht.

„Ja.“, sagte ich nur und betrat die Zelle.

Anna umarmte mich. Ich bemerkte es kaum. Ich nahm ihre Berührung kaum wahr. Das durfte nicht sein. Ich versuchte mir wieder ins Gedächtnis zu rufen, wie es sich anfühlte von Anna berührt zu werden. Irgendetwas blockierte meine Erinnerungen aber teilweise. Der Kristall? Hatte er bereits so viel Kontrolle?

Ich drückte Anna an mich. Ich wollte ihre Nähe fühlen. Auch wenn meine Körper dieses Verlangen nicht zeigte. Ich wollte meine Gefühle für sie nicht verlieren. Sie mussten doch noch da sein.

„Nicht so feste. Du tust mir weh.“, bat Anna, worauf ich sie losließ.

„Was ist denn los mit dir. Ist was passiert?“, fragte sie nun besorgt. So konnte man es glaube ich beschreiben. Sicher war ich mir nicht mehr. Wie fühlte sich Sorge nochmal an. Ich konnte mich nicht erinnern. Ich war doch schon öfters besorgt. Vor allem um Anna. Warum war das nun fort?

„Mithos ist momentan nicht da.“, erklärte ich.

„Aha. Willst du den Engeln Konkurrenz machen. Noch monotoner und du klingst wie ein Engel.“, ärgerte mich Anna.

Sie hatte Recht. Meine Stimme klang sehr gleichmäßig. Das war früher anderes oder? Ich war mir nicht sicher.

„Ich sollte einem Desian bei seinen Forschungen helfen.“, sprach ich weiter.

„Und da solltest du dich vor ihm ausziehen. Oder hast du das wegen mir gemacht.“, rief sie nun und strich dabei über meinem Oberkörper.

Ich merkte es fast nicht. Keine Wärme von ihrer Hand. Kein angenehmes Gefühl unter der Haut. Keine Sehnsucht nach Annas Nähe. Es war alles weg.

Ich wollte das nicht. Ich versuchte mich dagegen zu wehren. Ich wollte meine Gefühle behalten, aber es ging nicht.

„Anna ich…habe Angst.“, sagte ich. Meine Stimme klang nun anders. Aufgewühlt?

„Wovor hast du Angst. Was ist passiert, Kratos?“, fragte sie nun besorgt.

„Meine Gefühle…Meine Schutzfassung ist weg. Der Desian hat sie mir abgenommen. Ich fühle fast nichts mehr.“, sprach ich schnell. Ich nahm ein seltsames Gefühl war. Angst, Aufregung, Nervosität? Es war nur ganz schwach, aber es war da. Ich versuchte mich an dieses Gefühl zu klammern. Es war wenigstens etwas. Ich wollte es nicht verlieren.

„Was oh nein!. Du musst sie dir zurückholen!“, schrie Anna. Zumindest war ihre Stimme lauter als eben. Das war wohl schreien.

„Ich kann nicht.“, sagte ich nur.

„Warum nicht?!“, erwiderte sie. Ich sah ihre Hände auf meiner Schulter. Fühlen tat ich es aber nicht.

„Weil er sonst an die experimentiert. Das wollte ich nicht.“, sprach ich.

„Das ist mir egal. Ich will, dass du deine Schutzfassung wieder bekommst.“

„Mhm“

„Was kannst du denn noch fühlen?“

„Ich…weiß nicht.“, antwortete ich nur. Was sollte ich den fühlen? Sollte ich gerade überhaupt etwas wahrnehmen?

„Spürst du meine Hände? Oder Berührung?“, fragte sie und küsste mich.

„Nein.“, sagte ich trocken. Warum blieb ich dabei so ruhig. Davor hatte ich doch Angst. Zumindest hatte ich davor Angst gehabt. Jetzt war meine Angst fast gänzlich weg.

„Ich will, aber ich kann nicht.“, meinte ich nur.

Anna liefen Tränen übers Gesicht. Warum weinte sie. Ich verstand es nicht, aber ich fühlte mich…betroffen? Es war seltsam.

„Es tut mir Leid. Hol dir deine Schutzfassung zurück, bitte.“, flehte sie.

„Warum?“, fragte ich. Brauchte ich eine Schutzfassung? Mir ging es gut. Oder etwa nicht?. Irgendwas in mir behauptete das Gegenteil. Es war nur noch sehr schwach anwesend.

Jemand näherte sich. Ich konnte Schritte hören. Immer so ein Tappen. Tap, tap tap. Immer lauter.

„Hier bist du also.“, erklang eine Stimme. Ich kannte sie. Nur woher. Wer war das? Wer sprach da?

Ich drehte mich zu einer Blauhaarigen Person um.

„Yuan, bitte tu was!“, bat Anna, immer noch unter Tränen. Stimmt das war Yuan. Er war…mein Freund?

„Was ist los?“, fragte der Angesprochene und musterte mich.

„Irgendjemand hat seine Schutzfassung entfernt.“, kam von Anna.

„Was?! Kratos geht es dir gut?“, fragte Yuan. Der Halbelf sah mich dabei eindringlich an.

„Es geht mir gut.“, antwortete ich. Yuan schien nicht überzeugt. Ich fragte mich warum.

„War das Nexus?“, fragte er.

„Ja.“, antwortete ich.

„Dieser verdammte Sohn von einem…Ach verdammt. Am besten gehst du erstmal in dein Zimmer. Ich rede mit Nexus.“, meinte Yuan.

Ich hörte auf ihn und ging in mein Zimmer.

Ohne Gefühle

Ich lehnte heulend an der Wand. Das durfte nicht sein. Das durften sie nicht mit Kratos gemacht haben. Und es war auch noch meine Schuld.

Was sollte ich denn jetzt tun. Ich kam hier nicht raus. Ich konnte ihm nicht helfen.

Es waren bereits ein paar Tage vergangen seitdem ich Kratos das letzte Mal gesehen hatte. Seine monotone Stimme war immer noch in meinen Gedanken. So als wäre es gerade eben gewesen. Er hatte Angst gehabt, das hatte ich gemerkt. Auch wenn er es nicht so richtig zeigen konnte. Er hatte mir noch nie gesagt, dass er Angst hatte. Zumindest nicht so. Er war besorgt wegen Lloyd und dass er kein guter Vater wäre. Aber so wie er sich jetzt fürchtete war es noch nie. Auch wenn ihm die Schutzfassung fehlte, so kam seine Angst und Panik doch sehr stark zum Ausdruck. So wie ich es noch nie bei ihm erlebt hatte.

Ich hörte Schritte. War das Kratos? Es kam mich hier doch nie jemand besuchen. Außer um mir essen zu geben, aber dafür war es nicht die richtige Zeit.

Es war Yuan. Der Blauhaarige wirkte nervös. Kam bei ihm auch nicht oft vor. Er konnte sich zwar aufregen, aber warum war er nervös?

„Schnell. Du musst hier raus!“, sagte er leise.

„Was? Wie?“, fragte ich perplex. Wie sollte ich hier raus kommen. Ich hatte noch diese Halsfessel da.

Yuan öffnete die Tür und holte einen Schlüssel hervor. Damit öffnete er den Halsring.

„Ich habe Mithos vorgegaukelt, dass er an dir forschen kann, da sich Kratos ja eh nicht daran stören würde. Also sollte ich dich holen. Ich werde dir den Ausgang zeigen.“

„Was ist mit Kratos? Ich gehe nicht ohne ihn.“, rief ich bestimmt.

„Er ist gerade in der Nähe von Hima unterwegs. Du kannst ihn dort treffen.“

„Aber was ist mit seiner Schutzfassung?“, fragte ich. War er etwa wieder normal?

„Ich weiß nicht ob ich da ran komme. Mithos meinte es wäre Ok solange er am Leben ist.“

„Aber er kann doch nicht so bleiben.“, widersprach ich. Konnte Yuan denn nichts tun. War es ihm egal was mit Kratos war?

„Das hättest du dir früher überlegen sollen. Warum hast du ihn überhaupt hierher gebracht?!“

Nun war Yuan aufgebracht. Warum war er auf einmal so sauer?

„Er wäre gestorben, wenn ich es nicht getan hätte.“, fauchte ich.

„Immer noch besser als das was er jetzt ist. Da hast du ihm das schlimmste angetan, was er sich vorstellen konnte. Ich bin sicher er wäre lieber gestorben als so ein Engel zu werden.“

„Aber…“, ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.

„Kratos hatte es immer abgelehnt ein Engel zu sein. Er hatte es gehasst. Ihm war sein Menschlichkeit immer sehr wichtig. Nicht so wie Mithos und mir. Und jetzt hat er sie verloren und es ist allein dein Schuld.“, maulte Yuan.

Ich wusste nichts zu erwidern. Er hatte Recht, aber ich hätte Kratos doch nicht einfach sterben lassen können. Hätte ich gewusst, dass es so kommen würde, wäre es wahrscheinlich besser gewesen. Ich wusste ja das Kratos kein Engel sein wollte. Er hatte mir ja selbst gesagt, dass er davor Angst hatte.

„Können wir ihm seine Schutzfassung nicht wieder anlegen?“, fragte ich nun.

„Im Moment gibt es für mich keinen Weg an sie heran zu kommen. Selbst wenn, weiß ich nicht, ob es nicht schon zu spät ist.“

„Wie zu spät? Was soll das heißen?“, schrie ich fast. Konnte Kratos denn nicht wieder normal werden?

„Einmal ein Engel, immer ein Engel. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist Umkehrung der Angelisierung nicht mehr möglich. Dann bleibt er für immer ein Engel.“, erklärte Yuan.

„Oh nein. Bitte nicht. Das darf nicht passieren.“, schluchzte ich.

„Jetzt musst du erstmal hier weg. Ich werde sehen, was ich machen kann. Wenn du hier aber länger gefangen bleibst, hilft es Kratos auch nicht, selbst wenn er wieder normal werden sollte. Du musst auf jeden Fall versuchen, dass er bei dir bleibt und nicht wieder nach Welgaia zurückkehrt.“, sprach Yuan.

Ich nickte und folgte ihm zu einem Teleporter.

„Wenn du da noch etwas weiter gehst kommst du zu einem weiteren Teleporter, der nach Sylverant führt.“

„Kommst du nicht mit?“, fragte ich unsicher.

„Ich kann nicht. Das wirst du ja wohl alleine schaffen.“, sprach er kurz angebunden.

Da war ich mir nicht so sicher. Würden die Engel nicht versuchen mich aufzuhalten?

Trotzdem nickte ich. Yuan verließ mich dann.

Meine Flucht verlief ohne Probleme. Auf dem Weg waren keine Engel

oder dergleichen. Es hatte wohl noch keiner mitbekommen, dass ich nicht mehr in meiner Zelle war.

In einer Schlucht kam ich heraus. Das musste wohl in der Nähe von Hima sein. Kratos hatte mal erzählt, dass die Teleporter von Welgaia mit dem Turm des Heils verbunden waren. Da der Turm des Heils immer im Gebirge in der Nähe von Hima erschien, musste ich wohl dort sein. Wie kam ich jetzt allerdings durch das Gebirge? Und beeilen musste ich mich auch. Wer wusste schon wie lange Kratos noch in Hima sein würde.

Dann hörte ich ein Jaulen.

Na Klasse. Monster gab es hier auch. Waffen hatte ich natürlich keine. Die hatten mir die Engel abgenommen. Bis auf Kratos Dolch, welcher in meiner Hosentasche war. Ich nahm ihn heraus und zog ihn aus der Scheide. Wie kämpfte man mit so einem Ding? Kratos hatte mal erwähnt Dolche benutzte man größtenteils als Stichwaffe. Ich war nur an den Kampf mit meinen Stab gewöhnt. Damit schlug man eher zu. Wie sollte man aber auch mit so einem kleinen Ding zuhauen?

Nun sprang etwas von weiter oben auf mich zu. Es war… „Noishe?“

Der Protozoan gab ein kleines Jaulen von sich und wedelte mit dem Schwanz.

„Erschreck mich doch nicht so!“, fauchte ich ihn an.

Der Terranis legte nur den Kopf schief und sah auf meinen Dolch. Angst schien er davor nicht zu haben.

„Weißt du wo Kratos ist?“

Noishe jaulte kurz drehte sich zum Eingang der Schlucht. Dann lief er los.

„Hey warte! So schnell bin ich nicht.“, schrie ich und lief ihm hinterher. Natürlich hatte ich ihn schon nach kurzer Zeit aus den Augen verloren. Er war einfach zu schnell.

Zum Glück kam er wieder zurück gelaufen und bellte mich nun ungeduldig an.

„Ich kann nicht so schnell laufen wie Kratos.“, schnaubte ich.

Da kam mir eine Idee. „Ich weiß ja du lässt nur Kratos auf dir reiten, aber es ist ein Notfall. Wir müssen uns beeilen.“

Noishe gab ein unzufriedenes Knurren von sich. Er sah mich an, als würde er überlegen.

Zum Schluss gab er ein Jaulen von sich und kam zu mir.

„Toll!“, schrie ich begeistert und kletterte vorsichtig auf Noishes Rücken. An seinem Fell hielt ich mich fest.

Noishe jaulte kurz, wohl um zu fragen ob ich bereit war.

„Bin soweit!“, sprach ich.

Nun lief Noishe los. Er war schnell. Sehr schnell. Ich konnte mich kaum auf ihn halten. Vor Schreck schrie ich kurz auf und hielt mich krampfhaft an dem Protozoan fest. Mein Kopf vergrub ich zunächst in seinem Fell.

Vorsichtig öffnete ich die Augen und hob den Kopf. Die Landschaft zog förmlich an mir vorbei. Der Wind peitschte in meinem Gesicht, was mein Herz gleich höher schlagen ließ. Es war ein tolles Gefühl.

„Juhuuu!“, schrie ich voller Freude. Ich wusste nicht, dass es so einen Spaß machte auf Noishe zu reiten. Der Terranis ließ mich ja auch sonst nicht auf ihm reiten.

„Wo ist Lloyd? Geht es ihm gut? Hast du einen schönen Platz für ihn gefunden?“, fragte ich nun. Noishe jaulte nur. Schien wohl ja zu bedeuten. Mehr bekam ich momentan auch nicht heraus. So gut wie Kratos verstand ich Noishe leider nicht. Momentan konnte ich Lloyd eh nicht zurückholen. Jetzt galt es erstmal Kratos zu finden.

Es dauerte nicht lange bis wir die Schlucht verlassen hatten. Noishe konnte auch sehr bald Kratos Fährte aufnehmen.

„Ist er in der Nähe?“, fragte ich nervös. Hoffentlich erreichten wir ihn rechtzeitig. Hoffentlich ging es ihm gut. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.

Ich schüttelte den Kopf. Mir jetzt den Kopf zu zerbrechen half auch nicht. Erstmal mussten wir Kratos finden.

Plötzlich blieb Noishe stehen. Das hatte mich aus den Gedanken gerissen. Perplex sah ich mich um. Was ich sah gefiel mir allerdings gar nicht.

Da war Kratos. Um ihn herum lagen etliche Leichen. Vor ihm standen einige Leute, waren wohl Bauern. Sie sahen Kratos ängstlich an.

Der Engel stand mit dem Rücken zu mir. In seiner Hand hielt er sein Schwert, welches voller Blut war.

War Kratos etwa für dieses Massaker verantwortlich? Aber warum sollte er das tun? Diese Leute sahen nicht wie Desians oder Banditen aus. Es waren auch Frauen dabei. Sogar Kinder.

Der Rothaarige rannte auf die verbliebenen Leute zu, schwang sein Schwert, wobei er bei jedem Hieb eine Person traf und tötete.

Zunächst konnte ich nur völlig entsetzt zusehen. Dann schüttelte ich den Schock ab, sprang von Noishe und rannte auf Kratos zu.

„Kratos, hör auf!“, schrie ich. Der Engel schenkte mir keine Beachtung und fuhr ohne eine Reaktion fort.

Noishe lief an mir vorbei und stellte sich vor Kratos. Bedrohlich knurrte er ihn an.

Kratos ließ sich nicht beirren, er griff Noishe an. Der Protozoan wich Kratos Schwerthieb aus, wurde aber von Kratos linker Hand zur Seite geschlagen.

„Noishe!“, schrie ich.

Ich hastete zu Kratos und stellte mich zwischen ihm und den Leuten.

„Lauft weg, schnell!“, forderte ich. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Sie liefen weg.

Kratos wollte ihnen nach aber ich stellte mich ihm in den Weg.

„Hör auf Kratos, bitte.“, bat ich und stellte mich mit ausgestreckten Armen vor ihm.

Er holte mit seinem Schwert aus und schlug nach mir.

Zum Glück konnte ich noch rechtzeitig zurückspringen. Völlig geschockt starrte ich ihn an. Er hatte mich gerade angegriffen. Das würde er doch sonst niemals tun.

„Warum machst du das? Bitte hör doch auf damit. So bist du doch sonst nicht.“, bat ich.

Er reagierte nicht auf meine Fragen sondern setzte zum Angriff an. Erneut musste ich seinem Angriff ausweichen. Doch diesmal ließ er nicht von mir ab. Blitzschnell stürmte er auf mich zu.

Jetzt konnte ich nicht mehr ausweichen. Kratos war zu schnell.

Also sprang ich ihm entgegen und krallte mich an seinen Schultern fest.

„Bitte hör auf!“, flehte ich, wobei ich ein Schluchzen nicht unterdrücken konnte.

„Das bist nicht du. Der Kratos, den ich kenne würde nie unschuldige Menschen angreifen. Du bist doch gutmütig, mutig und stark. Außerdem hast du einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Wenn du etwas Unrechtes getan hast oder tust versucht du es wieder gut zu machen.“, rief ich und sah nach oben in Kratos ausdrucksloses Gesicht.

Ich bemerkte wie er sein Schwert hob. Er wollte mich töten. Meine Worte erreichten ihn nicht.

„Kratos bitte, hör auf.“, bat ich erneut. Nun vergrub ich mein Gesicht in seiner Brust und wartete auf seinen Schlag. Es geschah zunächst nichts. Dann bemerkte ich wie er seinen Arm wieder sinken ließ.

Verdutzt sah ich ihn an. Leider erkannte ich immer noch nichts anderes als diese Leere in seinen Augen. Er hatte aber immerhin reagiert.

Seine Hand lag nun neben ihm, allerdings immer noch mit dem Schwert in seiner Hand.

„Du hast auf mich gehört.“, sprach ich erstaunt und sah ihn fragend an. Ich suchte immer noch verzweifelt nach einem Anzeichen von meinem alten Kratos, aber vergeblich.

„Sag doch was.“, bat ich.

Keine Reaktion. Er sah mich nicht mal an. Sein Blick ging stur geradeaus.

Noishe kam nun auch zu uns. Er sah Kratos schief an und gab ein leises Jaulen von sich. Wieder reagierte der Engel nicht.

Ich seufzte und betrachtete Kratos im Ganzen. Er war über und über mit Blut beschmiert. Auch in seinem Gesicht waren etliche Blutspritzer. So einsauen tat er sich sonst nicht.

„Und nun?“, fragte ich Noishe, welcher mich nur fragend ansah.

Was sollte ich jetzt tun? Bisher war Kratos immer derjenige gewesen der gesagt hat was wir machen oder wohin wir gehen. Ihn konnte ich momentan aber schlecht fragen.

„Wo hast du Lloyd hingebracht. Vielleicht sollten wir dahin? Obwohl ich bezweifle, dass es eine gute Idee ist, ihn jetzt zu holen. Bei Kratos Zustand.“

Nun begann Noishe mit einem Winseln und Jaulen. Eine Wegbeschreibung auf Protozoanisch. Und ich verstand kein Wort.

„Kratos übersetzt mal!“, forderte ich. Natürlich reagierte der Engel nicht.

Ich stöhnte. Das konnte ja heiter werden.

„Da ist er? Wer ist das?“, erklang eine Stimme.

Ich drehte mich um und erkannte…Desians.

„Hey ist das nicht A012?“, sprach einer.

„Ja. Das ist sie. Kvar wird sich freuen.“, rief ein anderer. Sie kamen auf mich zu.

„Bleibt weg!“, schrie ich und wollte nach meinen Stab greifen. Natürlich griff ich ins Leere.

„Verdammt!“, fluchte ich und zückte Kratos Dolch.

Die Desians zogen Schwerter und Peitchen hervor.

Jetzt kam ich mir richtig blöd vor mit meinem Kleinen Dolch. Die hatten eine große Reichweite und ich?

Ich versuchte mein Möglichstes, hatte aber keine Chance. Ein Desian schlug mir den Dolch aus der Hand, während mich zwei andere festhielten. Noishe hatten sie mit einem seltsamen Netz gefangen.

„Lasst mich los!“, schrie ich und versuchte mich zu befreien. Die Desians hatten mich aber fest im Griff.

„Kratos, hilf mir!“, schrie ich. Der Engel tat allerdings nichts. Er stand regungslos da.

Warum tat er nichts? War ich ihm egal? Hatte er bereits alle Gefühle für mich verloren?

„Kratos, bitte!“, rief ich.

„Der wird dir nicht helfen.“, sprach ein Desian kühl. Er nahm die Peitsche zur Hand und schlug sie mir ins Gesicht.

Ich zuckte zusammen, schrie aber nicht auf. Solche Schmerzen war ich eigentlich gewohnt, aber es war doch eine lange Zeit her, seitdem ich das letzte Mal auf der Farm war.

„Das hast du verdient! Kvar wird dich sicherlich noch mehr bestrafen.“

Daran wollte ich erst gar nicht denken. Kvars Strafen waren mir noch sehr gut im Gedächtnis geblieben.

Nun spürte ich wieder eine Peitsche.

Was sollte ich tun? Kratos half mir nicht. So würde ich wieder auf der Farm landen. Das wollte ich nicht noch einmal. Was würde aus Lloyd werden? Ob ich ihn jemals wiedersehen würde?

„Los beweg dich!“, schrie ein Desian. Er schlug mich mit der Peitsche, sodass ich hinfiel.

„Wie soll ich mich bewegen, wenn du mich zu Boden schlägst?!“, fauchte ich.

„Auch noch frech werden? Das können wir ändern.“

Er hob die Peitsche und ließ sie herunter schnellen.

Ich schloss die Augen und spürte den Schmerz schon förmlich, aber er kam nicht. Ich spürte nur einen leichten Windzug.

Vorsichtig öffnete ich die Augen. Ich erkannte zunächst nichts Ungewöhnliches. Der Desian stand immer noch neben mir. Seine Peitsche hatte er allerdings fallen gelassen.

Jetzt bemerkte ich auch sein geschocktes Gesicht. Mir wurde auch langsam klar warum. In seiner Brust steckte ein Schwert. Ein rotes Schwert.

Nun fiel er um und ich erkannte Kratos hinter ihm. Der Engel hatte mir geholfen. Aber warum? War er wieder normal?

Kratos beschäftigte sich nun mit den anderen Desians. Einige flohen auch.

Als er fertig war stand er still da.

„Kratos, du hast mich gerettet!“, schrie ich begeistert. Dabei umarmte ich den Engel.

Er reagierte nicht. Seine Augen waren immer noch ausdruckslos und sein Körper war ohne Regung.

Ich seufzte und nahm Kratos Kopf zwischen meine Hände.

„Ich weiß, dass du immer noch da drinnen bist. Sonst hättest du mich nicht gerettet.“

Der Engel schwieg.

Ich drückte meinen Kopf an seinen.

„Da habt ihr aber ein ziemliches Chaos angerichtet.“, ertönte eine mir bekannte Stimme.

„Yuan!“, rief ich schon fast erfreut darüber ihn zu sehen.

„Du erwartest mich ja schon richtig sehnsüchtig.“, sprach der Halbelf ironisch.

„Hast du Kratos Schutzfassung?“, fragte ich und betete dabei heimlich zu Martel. Helfen würde sie mir wohl nicht, aber egal.

„Ja habe ich.“, meinte er.

Bevor ich ein weiteres Wort sagen konnte, stürmte Kratos auf Yuan zu. Er griff Yuan mit dem Schwert an.

Völlig perplex starrte ich die beiden an. Was war denn in Kratos gefahren. Warum griff er Yuan an? Sah er ihn als Feind an?

Yuan verteidigte sich natürlich. Er kämpfte mit seinem Doppelschwert.

„Ganz ruhig. Du musst mir nicht gleich den Kopf abhacken.“, kam von Yuan.

Ich eilte zu Kratos und versuchte ihn aufzuhalten.

„Kratos, hör auf. Lass Yuan in Ruhe.“

Dabei umarmte ich ihn von hinten und hinderte ihn so am Kämpfen.

Der Rothaarige hielt tatsächlich inne.

„Du hast ihn ja gut im Griff.“, meinte Yuan dazu.

„Ok Kratos, du bleibst jetzt hier schön stehen.“, bat ich und ließ den Engel los.

„Kratos bleib oder mach Platz tut es auch.“, scherzte Yuan.

„Er ist doch kein Hund!“, zischte ich den Blauhaarigen an. Dann ging ich zu ihm.

„Kannst du mir die Schutzfassung geben?“, bat ich, wobei ich die Hand ausstreckte.

Yuan legte die goldene Fassung in meine Hand. Dann erhob er sein Schwert.

Geschockt sah ich ihn an. Hatte er vor mich anzugreifen?

Dann bemerkte ich Kratos, der an mir vorbeischnellte und Yuan angriff.

„Kratos Aurion, wirst du wohl damit aufhören!“, schimpfte ich. Leider hörte der Engel nicht auf mich und setzte seinen Angriff fort.

Erneut packte ich ihn von hinten. „Beruhige dich!“

Wieder hielt er inne.

Ich stellte mich vor ihm und nestelte an seinen Gurten rum. Wie ich die Dinger doch hasste. Sie störten immer, besonders wenn wir mal etwas Spaß haben wollten.

//Ok Anna. Falsches Thema. Konzentrier dich!//

Ich schaffte es die Gurte zu öffnen und Kratos Oberteil auszuziehen. Nun legte ich vorsichtig die Fassung, um den roten Stein.

Erwartungsvoll sah ich nun zu Kratos. Allerdings sah mich der Engel immer noch ausdruckslos an.

„Kratos?“, fragte ich vorsichtshalber nach.

Keine Antwort.

Hatte ich die Fassung nicht richtig angelegt? Ich überprüfte ob sie richtig saß. Schien normal zu sein. Hieß das etwa? Nein das durfte nicht sein. Kratos durfte kein Engel werden.

„Yuan!“, schrie ich hilflos und sah den Halbelfen an. „Yuan, es funktioniert nicht.“

Der Halbelf sah zu Boden.

„Mach doch was!“, brüllte ich nun. Ich lief zu dem Blauhaarigen und packte ihm an seinem Umhang.

„Ich kann nichts tun. Es ist zu spät.“, sprach er meinen schlimmsten Verdacht aus.

„Nein!“, schluchzte ich. „Das ist nicht wahr.“

Ich lief zurück zu Kratos und umarmte ihn.

„Anna, du kannst ihm nicht mehr helfen.“, beteuerte Yuan.

„Nein! Kratos bitte. Ich brauche dich. Bitte komm wieder zu dir.“, rief ich, wobei sich heiße Tränen durch mein Gesicht bahnten.

„Wir gehören doch zusammen. Du hast doch versprochen mich zu heiraten.“

Ich vergrub meinen Kopf in Kratos Brust.

„Und denk doch an Lloyd. Er braucht einen Vater.“

Meine Beine versagten und ich sank auf die Knie. Erneut sah ich in Kratos leere Augen und ließ den Kopf senken.

„Es tut mir so leid. Es ist alles meine Schuld.“

Die Tränen trübten meine Sicht, aber das war mir egal.

„Hätte ich doch nur…“

Mein Hals begann zu schmerzen und es fiel mir schwer zu sprechen. So sollte es also enden. Kratos verlor all seine Gefühle und wurde zu einem willenlosen Diener von Yggdrasill.

Das war nicht fair. Er hatte so viel Gutes getan. Und er musste so viel ertragen. Hatte er sowas verdient?

„Anna, ich weiß es ist schwer für dich, aber wir müssen es beenden.“, sprach Yuan unbeeindruckt. Man konnte aber den Schmerz in seiner Stimme wahrnehmen.

Etwas verwundert sah ich ihn an. Was meinte er mit „ es beenden“? Wollte er Kratos in Yggdrasills Gewalt lassen?

Yuan erhob sein Schwert und kam auf uns zu.

Hatte er vor…Kratos zu töten?

„Was soll das? Was hast du vor?“, sprach ich und stellte mich hin.

„Er würde nicht so weiterleben wollen. Kratos würde lieber den Tod wählen, als so zu enden. Ich will ihm nur seinen Wunsch erfüllen.“

„Indem du ihn umbringst?! Das kannst du nicht machen!“, schrie ich.

„Es ist das Beste, Anna. So müsste er nur weitere Aufträge für Mithos erfüllen, die er niemals machen würde.“

„Aber ihn töten?! Was wenn er noch da drinnen ist. Wenn er nur nicht rauskommen kann. Sein Innerstes nicht zeigen kann. Er hat mich vorhin gerettet. Er muss noch da drinnen sein!“, widersprach ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Anna, Kratos ist fort. Er wird nicht zurückkehren. Sieh das ein!“, sprach Yuan. Er stand nun direkt vor uns.

„Nein. Wie kannst du dir da so sicher sein? Er ist noch da. Selbst wenn nur noch ein Fünkchen von ihm existiert, kann ich ihn nicht einfach töten.“

Yuan seufzte. „Geh beiseite!“

„Nein!“, schrie ich und stellte mich schützend vor Kratos.

Yuan stürmte nach vorne, stieß mich beiseite und griff Kratos an.

Der Rothaarige verteidigte sich. Allerdings schien er Yuan unterlegen zu sein. Kratos dachte nicht nach. Er kämpfte einfach ohne eine Taktik. Wahrscheinlich hatte er sein Fähigkeit zu Planen verloren.

Yuan schleuderte ihn also kurzerhand zu Boden.

Ich rannte vor Kratos und stellte mich erneut schützend vor ihm.

„Wie oft noch?“, fragte Yuan und versuchte erneut mich wegzustoßen. Diesmal ohne Erfolg.

Ich landete zwar auf den Boden, befand mich aber immer noch zwischen ihm und Kratos.

Schnell stellte ich mich wieder hin. Ich würde gegen Yuan kämpfen, wenn es sein musste.

„Willst du unbedingt dein Leben für einen leblosen Engel opfern?“

„Kratos ist nicht leblos! Ich werde ihn beschützen, mit meinem Leben wenn es sein muss.“

„Ich scheue nicht davor zurück dich zu töten.“

„Päh!“ Yuans Drohung kümmerte mich nicht.

„Dann tut es mir leid.“

Mit einem Hieb versetzte mir Yuan eine Wunde am Arm. Ich konnte nur etwas zurückweichen um Schlimmeres zu verhindern, aber leider griff er mich gleich darauf mit einem Blitzangriff an.

Mein ganzer Körper zuckte und ich hatte höllische Schmerzen. Bewegen konnte ich mich auch nicht mehr groß.

Dann setzte Yuan zu Finalschlag an. Mit seinem Schwert zielte er auf meine Brust und…

„Kling!“ Ein Geräusch wie das Aufeinanderschlagen von Metall erklang.

„Yuan, das reicht jetzt.“, hörte ich jemanden sagen.

Immer noch neben mir sah ich zu Yuan. Sein Schwert wurde von einem anderen Schwert geblockt.

Ich sah zu meinem Retter und erkannte Kratos. Der Engel stand neben mir und hatte Yuans Schlag pariert.

Der Blauhaarige ging nun einen Schritt zurück und ließ seine Waffe sinken.

Allerdings schenkte ich ihm keine Beachtung mehr.

Meine Augen waren nun auf Kratos fixiert. Der Engel steckte sein Schwert in die Scheide und sah mich an. Seine Augen wirkten besorgt. Sie waren nicht leer.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. Seine Stimme klang einfach toll. Ich hätte gedacht, ich würde sie nie wieder hören.

„Anna?“, fragte er noch einmal.

„Kratos, du…du bist…bist wieder normal!“, schrie ich und fiel dem Rothaarigen um den Hals.

„Ich glaube schon.“, meinte er.

„Unglaublich. Ich dachte du wärst weg, für immer.“, hörte ich Yuans Stimme.

„Keine Ahnung. Es ist alles so verworren, Ich kann mich kaum erinnern.“, sprach Kratos.

„Ich bin ja so froh, dass es dir gut geht. Kannst du auch wieder alles fühlen?“, plapperte ich nun.

„Ich weiß nicht. Diese ganzen Gefühle sind etwas viel für mich. Ich wusste nicht, dass ich so starke Emotionen habe.“, rief Kratos.

„Das ist bei Menschen halt so.“, meinte ich und schmiegte mich an den Rothaarigen. Ich war so glücklich, dass er wieder normal war.

Kratos lächelte. „Scheint so. Und danke.“

„Heh?“ Was meinte er damit?

„Danke, dass du an mich geglaubt hast.“

Ich kratzte mich verlegen am Kopf. „Natürlich.“ Ich schmiegte mich erneut an Kratos.

Er legte zaghaft einen Arm um mich. Er schien wohl wirklich etwas überfordert. Sein Blick wirkte ziemlich unsicher. Das war einfach nur süß.

Nun sah er zu Yuan. Jetzt war sein Blick ernster.

„Das war nicht in Ordnung, Yuan. Du kannst doch nicht einfach Anna angreifen. Was du mit mir machst ist mir egal, aber nicht mit Anna.“, sprach Kratos zwar ruhig, aber trotzdem verärgert.

„Sie ließ mir ja keine andere Wahl.“, verteidigte sich Yuan.

„Du wolltest Kratos töten. Wie kannst du auch nur daran denken so etwas zu tun!“, fauchte ich ihn an.

Yuan verschränkte die Arme. Diese Geste konnte Kratos auch ganz gut.

„Irgendwann muss Kratos eh sterben. Das hat es nur verzögert.“, antwortete der Blauhaarige kühl.

„Warum sollte er?!“, schrie ich. Dabei ballte ich die Fäuste. Ich war drauf und dran diesem Halbelfen eine zu scheuern.

„Wie lange willst du es eigentlich noch vor ihr geheim halten?“, sprach Yuan nun an Kratos gerichtet.

Ich sah zu dem Rothaarigen. Sein Blick verfinsterte sich. Worum ging es hier?

„Kratos, wovon redet er eigentlich?“

„Nichts.“, gab der Rothaarige von sich.

„Jetzt handelt es sich dabei also um nichts. Sehr interessant.“, sprach Yuan mit einem sarkastischen Unterton.

„Kratos, ich will die Wahrheit! Du verheimlichst wieder was vor mir!“

Der Engel sah zu Boden und schwieg.

„Vielleicht sollte ich es dir erklären?“

„Lass das! Sie muss es nicht wissen.“, unterbrach Kratos nun Yuan.

„Doch muss ich! Was soll das heißen ‚Du musst sterben‘? Erklär mir das und keine Lügen. Sonst frage ich Yuan.“, forderte ich und stellte mich nun mit verschränkten Armen vor dem Rothaarigen.

Der Angesprochene seufzte. Es fiel ihm offensichtlich schwer.

„Du weißt doch, dass Mithos das ewige Schwert benutzt hat, um die Welten zu teilen.“, fing er an.

„Ja das hast du mir erzählt. Deswegen wollen wir ja einen Weg finden, dass ein Mensch dieses Schwert führen kann.“, erklärte ich.

„Da gibt es allerdings ein weiteres Problem.“, sprach Kratos nun.

„Es ist doch hoffentlich nicht die ‚Wer es benutzt, muss sterben‘-Kiste. Dann will ich nicht, dass du es machst. Soll Yuan es machen. Er ist doch auch ein Halbelf. Problem gelöst.“

Kratos seufzte. „So einfach ist es nicht. Das Schwert an sich zu benutzen ist nicht tödlich. Allerdings ist es an Mithos Pakt mit Origin gekoppelt.“

„Dann müssen wir diesen Pakt nur brechen oder wie? Klingt nicht sonderlich schwer.“

„Origin ist versiegelt. Sein Siegel ist an mein Leben geknüpft.“

Völlig entgeistert starrte ich den Rothaarigen an. „Das heißt du musst sterben?“, hauchte ich fast nur noch.

„Um das Siegel zu brechen, muss Kratos all sein Mana freisetzen. Das bedeutet den Tod.“, erklärte Yuan nun.

„Nein, das will ich nicht!“, schrie ich Kratos an. Er sah bedrückt nach unten.

„Wir haben die ganze Zeit auf deinen Tod hin gearbeitet?“, rief ich immer noch aufgebracht.

„Es tut mir leid, Anna. Es geht aber nicht anders. Um die Welten zu retten müssen wir es tun.“, sprach Kratos fast wehleidig.

„Nein. Ich will das aber nicht! Was wird dann aus mir? Und Lloyd. Du kannst uns doch nicht einfach allein lassen. Es muss einen anderen Weg geben!“, sagte ich.

„Es gibt keinen! Du solltest es also nicht ständig hinaus zögern, Kratos.“, meinte nun Yuan

Verwundert sah ich zu Kratos und Yuan.

„Was meinst du mit hinaus zögern?“, fragte ich nun.

„Habt ihr schon irgendeinen Fortschritt gemacht? Irgendeine Zutat für den Ring des Paktes?“

„Wir hatten andere Sachen zu tun. Uns um Lloyd kümmern und vor den Desians und Engeln fliehen. Aber wir tun was wir können.“, konterte ich.

„Tut ihr nicht! Oder besser gesagt, Kratos nicht. Sonst hättet ihr schon längst was gefunden.“, verurteilte er Kratos.

Gerade als ich was sagen wollte, unterbrach mich Kratos. „Es tut mir leid, aber ich kann noch nicht. Ich bin noch nicht bereit zu sterben.“

Nun sah ich ihn völlig entgeistert an. So etwas aus Kratos Mund zu hören war seltsam. Nicht dass ich mich nicht darüber freuen würde. Ganz im Gegenteil. Kratos war doch aber immer der Typ dem sein Leben egal war.

Yuan war sauer. Das konnte man den Falten über seiner Stirn entnehmen.

„Am Anfang hattest du auch kein Problem damit. Und das nur wegen ihr.“, knurrte er.

„Ich? Was habe ich damit zu tun?“, fragte ich perplex.

„Wegen dir macht Kratos jetzt einen auf Familientypen. Die Mission steht nun hinten an.“

Nun sah ich zu Kratos. Der Rothaarige wirkte etwas hin und her gerissen.

„Ich will halt noch nicht sterben. Nicht jetzt.“, rief er.

„Da bin ich voll dafür!“, meinte ich und umarmte Kratos.

„Ob die Welt untergeht ist euch beiden echt egal.“, warf Yuan uns vor.

„Nein aber…ich will Anna und Lloyd nun mal nicht alleine lassen. Ich weiß aber, dass ich das Siegel brechen muss. Das werde ich auch tun, aber noch nicht jetzt.“, erklärte Kratos.

Yuan schnaubte. „Wie du meinst, aber gib mir nicht die Schuld, wenn was schief läuft.“, meinte Yuan. Dann ging er ohne noch etwas zu sagen.

Ich sah zu Kratos. „Warum hast du mir das nicht erzählt!“, fragte ich unzufrieden.

„Ich wollte dich nicht beunruhigen.“, erklärte er.

„Indem du mich anlügst?!“

„Bitte lass uns nicht weiter darüber reden.“, bat Kratos. Ihm war das sehr angenehm. Ob er ein schlechtes Gewissen hatte. Yuan machte ihm ja ziemliche Vorwürfe. Es war aber auch nicht fair, dass Kratos das Schicksal der Welt tragen musste.

Ich seufzte. „Ok fürs erste.“

„Wo ist eigentlich Lloyd?“, wechselte Kratos nun ganz das Thema.

„Ich habe Noishe nicht verstanden. Frag du ihn bitte.“, meinte ich nur.

Kratos befreite den Protozoan. Dieser zeigte uns dann den Weg in eine kleine Siedlung, ganz hier in der Nähe.

An einem Haus blieb er stehen und jaulte kurz.

Ich stürmte zur Tür und klopfte.

Mir öffnete eine ältere Frau, die mich nun skeptisch ansah. Als sie Kratos sah, wollte sie Tür gleich wieder schließen.

„Nein bitte warten sie!“, bat ich und hielt die Tür fest.

„Sie haben doch meinen Sohn bei sich oder?“, fragte ich rasch.

„Das Kind ist von dir?“, fragte sie. Dabei sah sie mich prüfend an.

„Ja. Wir wurden von Desians angegriffen. Da gaben wir ihn unserem…Hund, damit er ihn in Sicherheit bringt.“, erklärte ich.

Noishe jaulte zustimmend.

Sie sah zu ihm und dann zu Kratos.

„Der sieht mir nicht nach einem guten Vater aus. Eher wie ein blutrünstiger Mörder.“

Ich musste mich beherrschen die Frau nicht anzuschreien. Wie konnte sie Kratos nur so bezeichnen. Ich sah zu dem Engel. Mir fiel nun auch der Grund ein. Er war ja noch überall mit Blut bedeckt. Die mittlerweile schon schwarzen Flecken hatte der Engel überall. Kein Wunder, dass er da furchteinflößend aussah.

„Ehm… er musste gegen die Desians kämpfen und…na ja.“, stammelte ich.

„Tut mir leid. Ich hätte mich vorher waschen sollen, aber ich habe mir Sorgen um meinen Sohn gemacht. Geht es ihm gut.“, erklärte Kratos höflich.

Die Frau beäugte ihn argwöhnisch, ging aber hinein und holte Lloyd.

Der Kleine streckte sofort die Arme nach uns aus.

Ich nahm ihn entgegen und drückte den Kleinen. „Hast du Mama vermisst. Mama hat dich ganz doll vermisst.“, sprach ich und knuddelte Lloyd.

Ich sah zu Kratos und hielt ihm Lloyd entgegen. Der Rothaarige sah seinen Sohn zögerlich an. Er machte auch keine Anstalten Lloyd zu nehmen.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte ich verwirrt. Er war doch sonst nicht so. Am Anfang vielleicht aber doch jetzt nicht mehr.

„Ich sehe nicht gerade ansprechend aus. Lloyd hat bestimmt Angst vor mir.“, kam als Antwort.

Ich drehte Lloyd zu Kratos um. Der Kleine sah seinen Vater mit großen Augen an. Ob Kratos wohl Recht hatte.

„Das ist Papa.“, versicherte ich Lloyd.

„Pa…Pa.“, kam nun von Lloyd, der seine Arme nach Kratos ausstreckte und anfing in meinen Armen zu zappeln.

Völlig entgeistert sah ich Lloyd an. Kratos erging es wohl nicht besser.

„Er hat gesprochen.“, rief ich erstaunt.

„Er hat Papa gesagt.“, kam nun auch von Kratos, der Lloyd nun entgegennahm.

„Papa.“, quietsche Lloyd erneut. Der Kleine freute sich und wippte in Kratos Armen hin und her. Dass sein Vater völlig schmutzig war und überall Blut an ihm klebte war ihm egal.

„Jetzt werde ich eifersüchtig. Mama hat er noch nicht gesagt.“, schmollte ich. „Sag mal Mama!“

Lloyd lächelte mich kurz an und drückte sich wieder an Papa.

„Na gut. Das wird schon noch. Hauptsache wir sind wieder alle zusammen.“, sprach ich.

Kratos lächelte und nickte.

So ging unsere Reise weiter. Als Familie.

Das Turnier(Kratos Sicht)

„Versuche es so zu halten, Lloyd“, meinte ich zu dem kleinen Braunhaarigen. Er war schon drei Jahre halt und hielt ein kleines Holzschwert in der Hand, welches ich ihm geschnitzt hatte.

„So Papa?“, fragte er. Der Kleine wollte ständig, dass ich mit ihm Schwertkampf übte. Ich war anscheinend sein großes Vorbild.

„Ja genau. Das machst du gut.“, sprach ich.

„Na sind meine beiden Männer wieder fleißig am Trainieren.“, kam von Anna. Sie hatte essen gemacht. Ihren Spezialeintopf. Wenn sie etwas zubereiten konnte dann das.

„Mama. Ich habe Hunger!“, schrie Lloyd begeistert und rannte zu ihr.

„Es ist noch nicht fertig, Lloyd, aber bald.“, vertröstete Anna ihn.

Ich sah in den Topf und probierte. „Schmeckt doch schon gut.“, sprach ich.

„Kratos! Es ist noch nicht fertig! Pfoten weg!“, fauchte meine Verlobte.

Sie machte Anstalten mir den Kochlöffel überzuziehen. Zum Glück konnte ich ausweichen.

„Warum esst ihr nicht ein paar Tomaten als Vorspeise.“, schlug Anna vor.

Ich verzog mein Gesicht nur bei dem Gedanken daran.

„Ieeh!“, sprach Lloyd meine Gedanken laut aus. Anscheinend hatte mein Sohn meine Abneigung gegenüber Tomaten geerbt.

„Ganz mein Sohn.“, lobte ich Lloyd und nahm ihn hoch.

„Ermutige ihn nicht auch noch, Kratos. Er kann ruhig ein paar Tomaten essen. Die sind gesund.“, fauchte Anna.

„Das bezweifle ich irgendwie.“, erwiderte ich.

„Also wirklich unmöglich!“, schimpfte die Braunhaarige. Sie widmete sich weiter ihrem Eintopf.

Ich entschied mich für etwas Schwerttraining. Ich zog mein Schwert und machte ein paar Übungen. Ich bemerkte wie Lloyd mich imitierte. Zumindest versuchte er es. Ein paar Mal schmiss er sein Schwert weg oder fiel hin. Trotzdem versuchte er es weiter.

Ich konzentrierte mich und kämpfte mit einem imaginären Gegner. Jede Faser meines Körpers war angespannt. Plötzlich spürte ich etwas hinter mir.

Ich wirbelte herum und hielt mein Schwert vor mir.

„Aaahh!“, schrie Anna, welche nun direkt vor mir stand. Mein Schwert war auf ihre Kehle gerichtet, auch wenn noch ein paar Meter Abstand waren. Ich war selbst überrascht.

„Schleiche dich nicht von hinten an mich ran.“, ermahnte ich meine Verlobte.

„Ok das mache ich bestimmt nicht nochmal.“, sprach sie.

„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.“, entschuldigte ich mich.

„Erschrecken war das nicht.“, gab sie von sich.

„Deswegen trainiere ich lieber alleine.“, meinte ich.

Nun fing Lloyd an zu lachen.

„Lachst du mich gerade aus, mein Freund?!“, schimpfte Anna.

„Mama hat Angst gehabt!“, gluckste der Kleine.

„Na warte du!“, zischte Anna und jagte Lloyd.

„Was wolltest du eigentlich, Anna?“, fragte ich.

Sie hielt inne. „Oh ja das Essen ist fertig.“, meinte sie.

Wir aßen also zunächst. Annas Eintopf war immer wirklich köstlich. Das war aber abgesehen von Fisch so ziemlich das einzige was sie zubereiten konnte. Fürs Kochen hatte sie einfach nicht die Geduld.

„Wann kommen wir eigentlich zur nächsten Stadt.“, fragte Anna.

„Es ist eine Stadt in der Nähe. Ist nicht weit.“, antwortete ich. Wir waren schon eine Weile nicht in einer Stadt gewesen. Es war Sommer, da ging das ja. Wir befanden uns in der Nähe des Ossa-Pfades. Hie war noch eine kleine Stadt in den Bergen.

„Oh gut. Ein richtiges Bett, könnte ich echt gebrauchen.“, sprach Anna.

Wir machten uns also wieder auf dem Weg. Lloyd saß auf meinen Schultern. Er summte fröhlich vor sich hin. Der Kleine konnte ja noch nicht so weite Strecken laufen.

„Wow sieh doch!“, schrie Anna, als wir die Stadt erreichten. Es war ziemlich viele Leute da. War wohl ein Fest im Gange oder so.

Anna lief voraus.

„Papa hinterher. Ich will auch was sehen!“, quengelte Lloyd. Der Kleine konnte genauso ein Sklaventreiber sein, wie seine Mutter.

Ich lief Anna also hinterher. Die Braunhaarige stand vor einem Schaufenster und sah in den Laden. Es handelte sich um Schmuck. Überall hingen goldene und silberne Ketten mit oder ohne Juwelen.

„Sind die nicht schön.“, schwärmte Anna.

Ich seufzte. „Anna du weißt…“

„…wir können uns das nicht leisten. Ich weiß“, beendete sie meinen Satz.

„Ich wollte ja nur gucken. Ich weiß wir sind momentan knapp bei Kasse.“, rief sie. Damit hatte sie auch Recht. Im Sommer gab es jede Menge Möchtegern-Abenteurer. So konnte ich meine erbeuteten Schätze nicht so gut loswerden. Dazu kam das Lloyd öfters neue Klamotten brauchte. Er war ja auch im Wachstum.

„Schau mal! Da scheint was los zu sein!“, rief Anna nun wieder. Sie lief zum Marktplatz.

Ich fühlte mich mies, da ich ihr nichts bieten konnte. Ständig waren wir auf der Flucht und übernachteten im Freien. Nur selten kamen wir überhaupt in eine Stadt. Anna beschwerte sich zwar nicht, aber es war mir trotzdem nicht angenehm. Außerdem würde es noch Probleme geben, wenn Lloyd älter wurde. Er musste ja auch in eine Schule. Außerdem sollte er mit anderen Kindern in seinem Alter spielen.

„Kratos!“, schrie Anna nun. Ich folgte ihr und sah auf ein Plakat, welches sie sich ansah. Darauf wurde für ein Turnier geworben. Es sollte heute stattfinden. Man konnte anscheinend mit einer Waffe seiner Wahl antreten. Der Gewinner erhielt 10 000 Gald.

„Das wäre doch was für dich oder?“, fragte Anna begeistert.

„Du meinst ich soll teilnehmen?“

„Nee. Zuschauen. Vielleicht lernst du ja noch was. Natürlich sollst du teilnehmen. Du gewinnst bestimmt.“

Eigentlich gar keine schlechte Idee. Das Preisgeld war nicht zu verachten und ein Wettkampf war mal eine schöne Herausforderung.

„Papa gewinnt!“, schrie Lloyd.

„Das glaubst aber auch nur du. So ein kleiner Wurm soll gegen mich gewinnen.“, sprach jemand. Die Stimme kam von einem Mann, der gut einen Kopf größer war als ich und mindestens doppelt so breit. Er war wohl ein Teilnehmer. Er kämpfte scheinbar mit einem Kriegshammer. Er hielt ihn lässig in der rechten Hand.

Lloyd klammerte sich ängstlich an mich.

„Was bist du denn für ein Großklotz?“, entgegnete Anna.

„Wie hast du mich gerade genannt?!“, schrie der Riese.

„Nicht nur dumm auch noch taub!“, fauchte die Braunhaarige.

„Anna lass gut sein. Das lohnt nicht. Der hat nur Muskeln und kein Gehirn.“, unterbrach ich sie.

„Wie bitte!“, schrie der Grobian darauf. Er packte mich vorne am Hemd.

Ich machte keine Anstalten auszuweichen.

„Mit dir schrubbe ich den Ring! Du kleines Würmchen.“, fauchte er.

„Wenn du so weiter machst, wirst du noch disqualifiziert.“, erwiderte ich ruhig. Das Kämpfen außerhalb des Wettkampfs war nämlich verboten. Soweit hatte ich die Regeln schon verstanden.

Der Riese schnaubte und ließ mich los. „Warte es nur ab. Der letzte gegen den ich gekämpft habe, kam gleich ins Krankenhaus. Der hatte etliche gebrochene Rippen und anderes.“, raunte der Typ. Dann ging er.

„Ehm Kratos. Vielleicht sollten wir lieber wieder gehen. Wir müssen auch nicht im Gasthaus übernachten. Ich meine…“, sprach Anna besorgt. Sie sah nach unten.

„Machst du dir jetzt Sorgen. Es passiert schon nichts.“, entgegnete ich ruhig.

„Natürlich mach ich mir Sorgen. Der Typ ist riesig. Wenn der dich trifft, bist du einen Kopf kürzer.“, meinte Anna.

„Wenn er mich trifft.“, erwiderte ich.

„Jetzt werde nicht arrogant! Hochmut kommt vor dem Fall. Lass uns das mit dem Turnier einfach vergessen.“, schimpfte sie wütend. Wenn ich mal etwas angab, regte sie sich gleich auf. Normalerweise prahlte ich ja nicht, aber es war einfach süß wenn Anna sich aufregte.

„Ich möchte aber gerne daran teilnehmen. Ein bisschen kämpfen wird mir ganz gut tun. Außerdem laufe ich nicht vor einem Kampf davon. Ich bin doch kein Feigling.“

„Besser ein Feigling als verprügelt oder schlimmer.“, erwiderte meine Verlobte.

„Mach dir keine Sorgen. Ich passe schon auf, dass sowas nicht passiert.“, versuchte ich sie zu beruhigen.

„Du und aufpassen, dass ich nicht lache. Bisher habe ich noch nie gesehen, dass du auf deine Gesundheit Acht gibst!“

Das war ein Punkt für sie. Ich war ja in der Tat nicht vorsichtig, was das anbelangte.

„Mir wird schon nichts passieren.“, entgegnete ich.

„Warum bist du so versessen darauf an dem Wettkampf teilzunehmen? Wir brauchen das Preisgeld nicht. Bisher ging es auch so ganz gut.“, stritt Anna.

„Es geht mir nicht um das Geld. Ich finde einfach es ist eine schöne Herausforderung. Bestimmt gibt es ein paar gute Gegner.“, erklärte ich.

„Reichen dir die Desians und Engel nicht? Du kämpfst doch schon eindeutig genug.“, erwiderte sie.

„Das sind doch keine würdigen Gegner. Ich brauche mal wieder einen ebenbürtigen Gegner.“, meinte ich. Die Desians waren ja keine großen Krieger. Sicherlich besser als ein Bauer oder ein normaler Dörfler, aber kein Gegner für mich. Ich konnte es ja auch mit einer Gruppe Desians aufnehmen. Einer allein war nicht besonders stark. Der einzige würdige Gegner, den ich kannte, war Yuan. Allerdings hatte ich schon dutzende Male gegen ihn gekämpft. Immer nur denselben Gegner zu haben, war eher langweilig und nicht wirklich fordernd.

„Schwertkämpfer sind doch bescheuert!“, raunte Anna mit verschränkten Armen.

„Papa gewinnt!“, schrie Lloyd nun wieder. Er sprang von mir runter und nahm sein Holzschwert zur Hand. Dieses schwang er nach vorne und machte eine Pose.

„Genau. Lloyd ist auf meiner Seite.“

„Ihr Kerle seid blöd!“, schnauzte Anna.

Ich ging nun zur Anmeldung.

„Sie wollen teilnehmen. Wie ist ihr Name und mit welcher Waffe treten sie an?“, fragte der Mann bei der Anmeldung.

„Mit seinem Dickkopf!“, brummte Anna.

„Ich heiße Kratos Aurion und kämpfe mit einem Schwert.“, antwortete ich und zeigte meine Waffe.

„Ich muss sie belehren, dass sie ihre Waffe während des Turniers nicht wechseln können. Außerdem dürfen sie keine Hilfsmittel verwenden. Dazu zählen auch Expheres, sollten sie sowas besitzen.“, erklärte der Mann.

„Das ist nur fair.“, sprach ich und griff unter mein Oberteil. Ich entfernte meinen Cruxis-Kristall und wickelte ihn in ein Stück Stoff.

„Passt du bitte solange darauf auf, Anna?“, bat ich und überreichte ihr den Stein.

„Was? Nein! Du kannst deinen Kristall nicht abnehmen. Wie willst du denn ohne das Ding kämpfen?“, beschwerte sie sich.

„Ich kann auch ohne meinen Cruxis-Kristall kämpfen. Meine Schwerttechnik verbessert er nicht. Nur meine Kraft.“, entgegnete ich.

Widerwillig nahm Anna den Kristall entgegen.

„Außerdem ist es strengstens verboten einen Kampfteilnehmer zu töten. Sollte ein Gegner am Boden liegen oder bewusstlos sein, darf er ebenfalls nicht angegriffen werden. Dies gilt auch bei Aufgabe des Gegners.“, erklärte der Mann an der Anmeldung weiter.

„Das ist selbstverständlich.“, gab ich von mir. Dann gab er mir eine Nummer.

„Kratos, bitte kämpfe nicht. Ich will nicht, dass dir was passiert.“, bat Anna. Sie trug nun Lloyd auf dem Arm.

„Keine Sorge. Du hast doch die Regeln gehört. Selbst wenn ich verlieren sollte, darf mich ein Gegner nicht töten oder angreifen. Da passiert schon nichts. Außerdem werde ich nicht verlieren.“, sprach ich selbstsicher.

„Du bist überhaupt nicht eingebildet.“, maulte Anna beleidigt.

„Papa macht sie alle fertig. Papa ist der Stärkste!“, schrie Lloyd.

„Da hast du vollkommen Recht, mein Sohn“, erwiderte ich und wuschelte ihm durchs Haar. Dann gab ich Anna einen Kuss und begab mich zu den anderen Teilnehmern.

Ich musterte diese. Es waren ein paar Schwertkämpfer dabei. Die wirkten allerdings nicht sehr erfahren. Ein Kampfsportler gab es auch. Konnte gefährlich werden, aber trotzdem kein Gegner für eine Waffe. Der Dicke von vorhin stand auch da. Außerdem fiel mir eine Elfe ins Auge. Sie schien mit zwei Peitschen zu kämpfen.

Dann begann das Turnier. Die ersten Gegner waren einfach. Ich besiegte sie spielend. So kam ich Recht schnell ins Halbfinale.

Mein Gegner war diesmal der Dicke mit dem Hammer.

„Was willst du denn mit dem Zahnstocher ausrichten.“, verhöhnte er mich, als wir im Ring standen.

„Das wirst du schon noch sehen.“, erwiderte ich.

Nun schwang er seinen Hammer und rannte auf mich zu. Er schlug zu. Ich wich aus.

Sein Hammer konnte mir echt gefährlich werden. Wenn er mich damit traf, tat das bestimmt weh. Mit meinem Schwert konnte ich seinen Angriff auch nicht einfach abblocken. Dazu war ich nicht stark genug. Zumindest nicht ohne meinen Cruxis-Kristall.

Allerdings war der Typ nicht besonders schnell, was mit dem Umgang mit dem Hammer einherging.

„Was anderes als ausweichen kannst du wohl nicht?!“, schrie mein Gegner und startete einen neuen Angriff. Ich wich aus und griff ihn von hinten an. Allerdings erwischte ich nur seine Rüstung. Nun wirbelte der Typ seinen Hammer herum. Ich hielt schnell mein Schwert schützend vor mich, wurde aber durch die Wucht weggeschleudert. Mein Schwert landete etwas hinter mir. Ich musste es loslassen, sonst hätte der Angriff mir den Arm gebrochen.

Der Dicke wartete natürlich nicht. Er stürmte auf mich zu und ließ seinen Hammer auf mich niederschnellen. Ich rollte schnell nach hinten. Ich war nun wieder bei meinem Schwert und hob es auf.

„Gar nicht schlecht, du kleine Made!“, brüllte er und griff mich an. Ich wich aus und schlug ihn erneut gegen die Rüstung. Dieses Manöver wiederholten wir ein paar Mal bis mein Gegner ziemlich aus der Puste war. Die Rüstung war schwer und es strengte ziemlich an mit sowas zu kämpfen. Außerdem hielt die Rüstung zwar Schnittverletzungen ab, aber meine Schläge musste er trotzdem spüren. Die Rüstung hatte auch schon etliche Dellen.

Nun nahm er seinen Helm ab. Sein Gesicht war puterrot. Unter der Rüstung war es wohl auch sehr heiß.

„Dir ist wohl warm, was?“, ärgerte ich meinen Gegner.

Er schmiss seinen Helm auf mich, welchen ich mit Leichtigkeit mit dem Schwert wegschleuderte.

„Jetzt mache ich dich alle!“, schrie er und rannte auf mich zu. Ich blieb stehen, was ihn wohl verwunderte.

Er holte mit dem Hammer aus. Ich machte einen Schritt nach hinten und wich somit seiner Attacke aus. Fast im gleichen Moment machte ich aber einen Satz nach vorne und rammte ihm meinen Schwertknauf ins Gesicht.

Der Dicke fiel nach hinten um und blieb bewusstlos liegen.

Die Menge begann zu Jubeln. Zufrieden steckte ich mein Schwert in die Scheide.

„Und der Gewinner ist Kratos!“, schrie der Kampfrichter.

Ich sah zu Anna und Lloyd, welche mir zujubelten.

Dann verließ ich den Ring. Ich sah mir den zweiten Kampf des Halbfinales an. Die Elfe kämpfte gegen einen der Schwertkämpfer. Sie war ihm haushoch überlegen. Ihre Peitschen hatte auch eine größere Reichweite als die meisten Schwerter. Das war ein großer Vorteil. Außerdem wusste sie anscheinend gut damit umzugehen.

Sie besiegte ihren Gegner ohne große Probleme. Also war sie mein Gegner. Das würde bestimmt schwierig wären. Ich war im Nachteil wegen der Reichweite.

Die Elfe warf mir nun einen Blick zu.

„Kratos das war toll!“, schrie jemand hinter mir. Es war Anna. Sie umarmte mich.

„Papa ist der beste.“, schrie Lloyd begeistert.

„Ja dem hast du es wirklich gezeigt.“, sprach Anna.

„Das ging zack und dann bumm!“, schrie Lloyd und machte ein paar Kampfbewegungen.

„Das geht schon die ganze Zeit so. Lloyd ist echt von dir begeistert.“, erklärte Anna.

Ich kratzte mir etwas verlegen an den Kopf. Dass mein Sohn zu mir aufsah, war ein angenehmes Gefühl.

„Na ja ich bin auch ziemlich begeistert.“, sprach Anna nun.

„Danke.“, entgegnete ich etwas geschmeichelt.

Dann ging die Finalrunde los.

Ich musterte meinen Gegner erneut. Die Elfe hatte braune lange Haare. Sie trug ein grünbraunes Gewand. Ihre Peitschen waren aus Metall. Aus einer Kette um genau zu sein. Die Kettenglieder waren sehr fein, wohl aber auch sehr stabil.

„Auf einen guten Kampf.“, sprach die Elfe.

Ich nickte. Dann ging der Kampf los.

Die Elfe griff gekonnt mit ihren Peitschen an. Sie hielt mich auf Abstand. Ihre große Reichweite war ihr Vorteil. Würde ich ihr zu nahe kommen, war ich mit meinem Schwert im Vorteil.

Jetzt konnte ich nur ausweichen und versuchen eine Lücke ihrer Verteidigung zu finden. Das gelang mir nicht. Stattdessen fand sie wohl eine Lücke in meiner Verteidigung. Sie traf mich mit ihrer Peitsche. Ich konnte mit meiner linken Hand zwar verhindern, dass ich im Gesicht getroffen wurde, allerdings wickelte die Peitsche nun schmerzhaft um mein Handgelenk. Je mehr ich zog, desto mehr tat es weh. Es handelte sich ja um keine normale Peitsche. Die Eisenglieder schnitten sich förmlich in meine Haut. Es tat so weh, als würde sie mir meine Hand abschneiden.

„Jetzt sitzt du ganz schön in der Falle.“, sprach die Elfe und schlug mich mit ihrer zweiten Peitsche. Ich konnte nicht ausweichen, da sie mich ja noch mit der anderen Peitsche festhielt.

Also steckte ich ein paar Treffer ein, welche nicht weniger schmerzhaft waren.

Ich musste das Blatt irgendwie wenden und ich wusste auch wie.

Trotz des Schmerzes zog ich meine linke Hand mit voller Kraft nach hinten. Somit zog ich die Elfe zu mir. Ich holte mit meiner rechten Hand aus und schlug zu. Allerdings wehrte sie meinen Angriff mit ihren Armschützern ab. Sie schwang ihre Peitsche nun so, dass sie sich von meiner linken Hand löste. Dann sprang die Elfe zurück.

Das war nicht besonders gut verlaufen. Ich konnte mich zwar aus einer brenzligen Situation befreien, aber mein Angriff war ins Leere gegangen. Ich hingegen hatte schon ein paar Treffer einstecken müssen.

„Ziemlich beeindruckend.“, sprach die Elfe.

Ich schnaubte etwas und wir setzten unser Spiel fort. Ich konnte nur ihren Angriffen ausweichen. Sie ließ mir keine Chance zum Angriff.

Ich hatte allerdings schon eine Idee. Ich griff erneut mit meiner linken Hand nach der Peitsche meiner Gegnerin.

Es tat höllisch weh, aber da musste ich jetzt durch.

„Ich falle doch nicht zweimal auf den gleichen Trick rein!“, kam nun von ihr. Gerade als ich sie zu mir ran ziehen wollte, bekam ich einen elektrischen Schlag und ließ die Peitsche augenblicklich los.

Sie hatte Magie angewandt. Blitzmagie um genau zu sein.

Sie setzte ihre Peitschen nun unter Strom. Als würden ihre Peitschenhiebe nicht so schon genug wehtun.

Eigentlich hätte ich damit rechnen sollen. Sie war eine Elfe. Natürlich beherrschte sie Magie und würde sie auch im Kampf einsetzen, wenn sie musste.

Ich stand nun schnaufend vor ihr. Meine linke Hand brannte wie Feuer. Sie blutete schon ziemlich stark. Zum Glück führte ich mein Schwert mit der rechten Hand. Mit diesem blockte ich einen erneuten Angriff der Elfe ab, was allerdings nicht besonders schlau war.

Mein Schwert leitete den Strom natürlich, sodass ich erneut einen Schlag bekam. Auch das setzte mir ganz schön zu.

„Gib auf! Du hast keine Chance!“, sprach die Elfe. Meine Lage sah wirklich nicht besonders rosig aus. Ich kam nicht zum Angriff, während die Elfe mich ununterbrochen angriff. Außerdem konnte ich ihre Angriffe nicht mal blocken, da ich sonst eine gewischt bekam.

Allerdings hatte ich auch noch ein paar Trümpfe im Ärmel. Erneut blockte ich einen Angriff mit meinem Schwert. Diesmal setzte ich allerdings auch Magie ein. Ich setzte ebenfalls Blitzmagie auf mein Schwert ein, wodurch ihre Magie blocken konnte.

Völlig überrascht sah sie mich nun an. Es kam sicherlich nicht oft vor, dass sie einen Menschen traf, der Magie einsetzen konnte.

Mein Schwert blitzte nun genau wie ihre Peitschen.

Jetzt konnte ich zwar ihre Angriffe abblocken, aber angreifen konnte ich trotzdem nicht.

Ich befand mich also weiterhin nur in der Defensive.

Vielleicht sollte ich nochmal einen Angriff probieren. Ich stürmte auf sie zu mit meinem Schwert wehrte ich einen Peitschenhieb ab. Den anderen fing ich erneut mit meiner linken Hand ab. Natürlich merkte ich wieder etliche Blitze durch meinen Körper schießen. Trotzdem ließ ich die Peitsche nicht los. Ich zog sie erneut zu mir.

Doch diesmal ließ die Elfe sich nicht mitziehen. Stattdessen ließ sie ihre Peitsche los. Ich schleuderte diese aus dem Ring.

Meine Gegnerin sah nicht begeistert aus. Ich hatte sie wohl ziemlich in die Enge getrieben. Ohne ihre zweite Waffe hatte sie einen ziemlichen Nachteil. Allerdings war ich auch schon ziemlich fertig. Mein Körper zitterte. Noch so einen Angriff würde ich nicht überstehen. Wenn sie mich noch einmal traf, dann war’s das.

Die Elfe schwang ihre Peitsche bedrohlich. Sie wusste das wohl auch. Ich musste also aufpassen.

Ich konzentrierte mich. Meine Gegnerin sah geschockt zu Boden und sprang sofort nach oben gerade noch rechtzeitig, um den Steinspitzen aus dem Boden zu entgehen. Natürlich hatte sie gemerkt, dass ich Magie angewandt hatte, aber mein Grave hatte sie in die Luft gebracht. Dort wollte ich sie auch haben. Dort konnte sie nicht ausweichen. Ich allerdings auch nicht. Es sei denn ich würde meine Flügel benutzen, was ich momentan eh nicht konnte. Ich sprang also auf die Elfe zu. Sie ließ ihre Peitsche auf mich niedergehen, welche ich mit meinem Schwert blockte. Mit der anderen Hand schlug ich sie dann zu Boden. Sie landete auf dem Rücken. Ich landete neben ihr auf den Füßen und ließ mein Schwert auf sie hinab sausen. Kurz vor ihrer Kehle hielt ich an. Schwer atmend sah sie nun zu mir auf. Ich schnaubte ebenfalls ganz schön.

„Ok fein. Du hast gewonnen. Ich gebe auf.“, gab meine Gegnerin von sich.

Ich steckte mein Schwert zurück in die Scheide.

„Super Kratos!“, hörte ich Anna Jubeln. Ansonsten jubelte aber keiner, was ich etwas verwunderlich fand. Der Kampf war doch bestimmt nicht langweilig. Die Zuschauer sahen ziemlich skeptisch drein.

Nun kam der Kampfrichter auf mich zu.

„Du bist der Gewinner und hier ist dein Preisgeld. Jetzt verlasse bitte unsere Stadt!“, forderte dieser und drückte mir das Geld entgegen. Was hatte der für ein Problem? Wurden alle Gewinner so behandelt?

„Wir wollen hier keine Halbelfen!“, fauchte der Mann nun.

Die Zuschauer wurden nun auch lauter. Sie stimmten dem Kampfrichter zu.

Jetzt wusste ich auch, was los war. Ich hatte im Kampf Magie eingesetzt Jetzt dachten sie natürlich ich wäre ein Halbelf.

„Was soll das?! Kratos ist kein Halbelf. Ihr könnt ihn nicht einfach aus der Stadt schmeißen!“, zischte Anna. Sie kam mit Lloyd zu mir.

„Und warum kann er dann Magie einsetzen?“, erwiderte der Kampfrichter.

„Ehm na ja weil er…das liegt daran, dass…also…“, stammelte Anna. Sie wusste ja eigentlich auch nicht warum ich Magie einsetzen konnte. Ich hatte es ihr ja nicht erzählt.

Es würde die Leute hier wohl aber auch nicht überzeugen, wenn ich ihnen den Grund verraten würde.

„Ist schon gut, Anna.“, meinte ich.

„Aber das ist nicht fair!“, maulte sie.

Die Leute um uns herum sahen uns nun fordernd an. Ich seufzte und ging mit Anna weiter.

„Kratos, du bist verletzt.“, meinte meine Verlobte und machte sich daran meinen Arm zu verarzten.

„Das ist gemein, dass sie dich einfach aus dem Dorf jagen.“, beschwerte sie sich dabei.

„Tut mir leid. Ich hätte wissen müssen, dass das passiert, wenn ich Magie einsetzte. Jetzt können wir wohl doch nicht im Gasthaus übernachten. Das tut mir leid.“, entschuldigte ich mich.

„Du hast nichts Falsches gemacht! Du hast super gekämpft!“, rief sie nun.

Dann ging sie zum Gasthaus. Sie wollte wohl doch fragen ob wir da übernachten konnten.

Ich folgte ihr.

„Wir sind vollkommen ausgebucht. Also verschwindet!“, sagte der Gastwirt. Die Reaktion war zu erwarten. Die Leute hier mochten keine Halbelfen. Immerhin mussten die Menschen von Sylvarant unter den Desians leiden.

„Aber.“, wollte Anna protestieren.

„An Halbelfen vermiete ich keine Zimmer.“, brummte der Mann.

Wir gingen also wieder raus.

„Dann schlafen wir eben wieder draußen. Auch nicht schlimm.“, sprach Anna.

„Du Papa? Was ist ein Halbelf? Ist das was Böses?“, fragte Lloyd. Er lief neben mir her.

„Das ist eine Mischung aus Mensch und Elf. Sie sind nicht grundsätzlich böse, aber es gibt eine Gruppe aus bösen Mitgliedern. Die meisten davon sind Halbelfen.“, erklärte ich.

„Bist du ein Halbelf, Papa?“, fragte er nun.

„Nein bin ich nicht. Ich bin ein Mensch wie du und Mama.“, antwortete ich.

„Papa ist ein Engel. Papa kann fliegen! Wann fliegen wir wieder?“, kam von dem Kleinen. Er liebte es mit mir durch die Gegend zu fliegen, was Anna natürlich nicht begrüßte.

„Jetzt nicht, Lloyd.“, meinte ich.

„Ehm Entschuldigung. Ihr sucht doch bestimmt einen Platz zum Schlafen.“, erklang nun eine Stimme. Sie kam von der Elfe, gegen die ich gekämpft hatte.

„Ihr könnt bei mir übernachten, wenn ihr wollt.“, schlug sie vor.

„Danke, das ist sehr nett von dir.“, sprach ich.

„Warum willst du uns einladen?“, fragte Anna skeptisch. Verwirrt sah ich sie an. Das war so gar nicht ihre Art. Sie vertraute doch allen Leuten recht schnell. Vielleicht lag es daran, dass unsere Gastgeberin eine Elfe war? Viele Menschen waren Elfen gegenüber skeptisch.

„Du hast dich doch nicht etwa in meinen Kratos verguckt oder?“

Das haute mich ja jetzt aus den Socken. Nein Anna war nicht skeptisch, sie war nur eifersüchtig.

Die Elfe sah ziemlich überrascht drein. Wohl verständlich.

„Oh nein. Ich stehe nicht auf Menschen. Du kannst deinen Kratos also behalten.“

„Wirklich. Wehe ich sehe wie du ihn anschmachtest oder so.“, meinte Anna.

„Jetzt hör doch auf, Anna. Ist doch nett, dass wir bei ihr übernachten können.“, versuchte ich zu schlichten. „Oder willst lieber wieder draußen schlafen.“

Noch bevor Anna was sagen konnte, mischte sich Lloyd ein. „Nein nicht draußen schlafen.“

Der Kleine kannte auch den Unterschied zwischen einem Gasthaus und dem Wald.

„Also gut.“, gab Anna nach. Wir folgten der Elfe.

„Glaubst du nicht auch, dass Kratos ein Halbelf ist.“, entgegnete Anna.

„Ein Halbelf. Er? Niemals Das merkt man doch gleich.“, sprach die Elfe. Ihr Name war Taria.

„Wie denn?“, fragte Anna neugierig.

„Elfen können das Mana spüren. Und die Manasignatur bei einem Menschen ist wohl anders als bei Halbelfen.“, antwortete ich.

„Genau. Was mich aber interessieren würde ist, wie du in der Lage bist, Magie einzusetzen.“, fragte Taria.

„Mir wurde früher Aionis injiziert.“, antwortete ich.

Sie sah mich erstaunt an. Anna hingegen schien das nicht ganz zu begreifen.

„Ich dachte es liegt daran, dass du du weißt schon was bist.“, kam nun von meiner Verlobten.

„Nein damit hat das nichts zu tun.“, erwiderte ich. Meine Magie rührte ja nicht daher, dass ich ein Engel war.

„Ist ‚du weißt schon was‘ eine neue Rasse?“, fragte Taria nun.

„Das ist unser Geheimnis.“, sprach Anna.

„Natürlich. Na ja ein reiner Mensch scheinst du mir ja nicht zu sein. Dein Mana ist irgedwie anders. Aber das ist wohl bei allen ‚Du weißt schon was‘ der Fall.“, gab die Elfe von sich.

Ich nahm es einfach mal so hin. Ob sich mein Mana wohl durch meinen Cruxis-Kristall veränderte. Konnte wohl sein.

Nun erreichten wir das Haus von Taria. Es handelte sich um eine Schmiede.

„Du bist Schmiedin?“, fragte ich und bestaunte die Waffen, welche hier herum standen.

„Ja Waffenschmiedin. Allerdings weiß ich nicht ob ich ein Schwert wie deines Schmieden könnte. Ist wohl aber eindeutig Elfenarbeit.“, kam als Antwort.

Mein Schwert wurde wirklich von Elfen geschmiedet. Das hatte sie gut erkannt.

„Was ist schon so toll daran blöde Schwerter schmieden zu können.“, maulte Anna. Sie war wohl immer noch etwas eifersüchtig.

„Ohne diese blöden Schwerter sähe dein Freund bestimmt ziemlich alt aus. So als Schwertkämpfer ohne Schwert.“, konterte Taria.

„Na und. Er hat aber ein Schwert.“, schnaubte Anna.

„Ich hatte auch nicht vor eins zu kaufen, Anna. Warum bist du gleich so eingeschnappt?“

Jetzt sah sie mich wütend an. „Ich bin nicht eingeschnappt. Warum guckst du dir auch so begeistert ihre Schmiede an!“, schimpfte sie.

„Tut mir Leid. Hat mich an die Schmiede meines Vaters erinnert.“

„Dein Vater war mal Schmied. Ich dachte er war Ritter so wie du?“, fragte sie nun.

„Ehm na ja. Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie dir ein anderes Mal.“, meinte ich.

„Wie auch immer. Die Betten sind dahinten.“, meinte die Elfe nun.

Am Abend verbrachte ich wie immer Zeit mit Lloyd. Wir sahen uns die Sterne an. Der Kleine war wie seine Mutter völlig begeistert von den Sternen.

„Guck mal, Papa. Eine Sternschnuppe.“, sprach er. Der Kleine saß auf meinen Schultern und zeigte in den Himmel.

„Dann darfst du dir was wünschen.“, meinte ich.

„Ich…“, fing er an, aber ich unterbrach ihn: „Du darfst es keinem sagen, sonst geht es nicht in Erfüllung.“

„Ok. Papa muss sich auch was wünschen.“, sprach er.

Ich wünschte mir eigentlich nur, dass es meiner Familie gut ging.

„Na was machen meine Männer?“, fragte Anna, welche auch rausgekommen war.

„Mama, da war eine Sternschnuppe. Wir haben uns was gewünscht.“, erzählte Lloyd begeistert.

„Na dann geht es bestimmt in Erfüllung sprach sie und strubbelte Lloyd durchs Haar. Nun schmiegte sie sich an mich. Nun sahen wir uns den Sternhimmel an. Es war der schönste den ich jemals gesehen hatte, weil ich ihn mit meiner Familie betrachten konnte.

„Lass uns ins Bett gehen.“, meinte Anna müde. Lloyd schlief schon in meinen Armen.

„Ich komme gleich nach.“, sprach ich und gab ihr Lloyd. Dann ging sie rein.

Ich ging ebenfalls rein, allerdings ging ich noch nicht ins Bett. Ich ging nochmal in die Schmiede.

„Na noch gar nicht müde?“, kam von Taria. Sie polierte gerade eins ihrer Schwerter. Hatte sie wohl frisch geschmiedet.

„Eigentlich schon, aber ich wollte dich um was bitten.“

„Und was ist das bitte?“

„Könnte ich deine Schmiede benutzen?“, bat ich.

Sie hob eine Augenbraue und sah mich an. „Wozu. Willst du dir doch ein neues Schwert schmieden?“

„Nein ich möchte etwas für Anna machen. Einen Anhänger.“

„Also Schmuck. Weißt du wie man sowas macht? Mein Spezialgebiet ist das nämlich nicht.“

Ich kratzte mich verlegen am Kopf. „Eigentlich nicht. Mein Vater war auch Waffenschmied und nicht mal das kann ich besonders gut, aber vielleicht bekomme ich ja etwas Einfaches hin.“

„Ok sicher. Tu dir keinen Zwang an. Dahinten liegt noch etwas Gold zum Verzieren, falls du das brauchst. Ich kann damit eh nichts anfangen.“, sprach sie.

Ich machte mich also gleich ans Werk. Als Ausgangsmaterial nahm ich Eisen. Recht leicht zu verarbeiten. Ich machte einen Anhänger, den man öffnen konnte. Er hing an einer Metallkette.

Es war ziemlich schwierig wieder etwas zu schmieden. Ich hatte es schon über 4000 Jahre nicht mehr gemacht. Das letzte Mal war ich 15 gewesen. Und Schmuck hatte ich noch nie hergestellt.

Außerdem war meine linke Hand verletzt, was es etwas schwieriger machte die Zange richtig festzuhalten. Trotzdem gelang es mir. Ich hatte einen Anhänger gemacht. Diesen hatte ich noch mit etwas Gold überzogen, damit es schöner aussah. Außerdem rostete Gold nicht. In den Anhänger hatte ich noch etwas eingraviert.

Ich war ziemlich stolz mit meiner Arbeit. Sicher ein geübter Goldschmied hätte etwas Besseres hinbekommen mit mehr Verzierungen. Für meinen ersten Versuch, aber ziemlich gut. Hoffentlich gefiel es Anna auch. Sah nicht so toll aus wie der Schmuck, den sie in dem Laden bewundert hatte, aber es war etwas. Zu guter Letzt klebte ich noch ein Bild hinein. Es war ein Bild von mir und Anna, wie wir Lloyd im Arm hielten. Wir hatten es vor einer Weile machen lassen, Lloyd war also noch etwas kleiner.

Ich klappte den Anhänger wieder zu und ging zu Anna ins Bett. Natürlich schlief sie schon. Ich hatte ja auch ein paar Stunden gebraucht.

Am nächsten Morgen war sie sogar vor mir wach. Das passierte auch nur alle 1000 Jahre einmal.

Als ich die Augen öffnete lag sie auf mir und beobachtete mich.

„Morgen.“, murmelte ich noch etwas verschlafen.

„Du bist süß, wenn du schläfst. So schön friedlich.“, sprach sie kichernd.

„Wie lange habe ich denn geschlafen, dass du schon wach bist?“

„Es ist fast Mittag.“, meinte sie drauf und gab mir einen Kuss.

„Oh Mann, da habe ich aber wirklich lange geschlafen.“

„Wo warst du gestern Abend eigentlich. Du kamst ja ewig nicht ins Bett. Du hast dich doch wohl nicht anderweitig amüsiert.“, sprach sie und zog einen Schmollmund.

„Oh ja sicher. War ganz nett mit Taria.“, ärgerte ich sie, worauf ich eine Kopfnuss erntete.

„Also was hast du wirklich gemacht. Und wehe es hat was mit ihr zu tun!“, fauchte sie nun.

„Ich habe etwas für dich gemacht. Hier.“, antwortete ich und gab ihr den Anhänger.

Sie sah ihn sich an. Jetzt war ich etwas nervös. Hoffentlich bezeichnete sie das Ding nicht als Müll oder so.

„Wow. Ist das wirklich für mich. Ein schöner Anhänger.“, sprach sie und spielte damit rum.

„Du kannst ihn auch öffnen.“, meinte ich.

Sie tat es. Ihre Augen weiteten sich etwas als sie das Innere sah.

„Wow das ist ja toll!“, quiekte sie und umarmte mich stürmisch

„Schön, dass es dir gefällt. Nicht so toll wie der Schmuck in dem Laden…“

„Machst du Witze. Das ist viel schöner. Da habe ich dich und Lloyd immer bei mir. Und der Spruch: ‚Für meine wunderschöne Anna‘, gefällt mir auch. So schön bin ich doch gar nicht.“, plapperte sie völlig außer sich.

„Stimmt du bist viel schöner. Das kann man nicht in Worte fassen.“, rief ich.

„Jetzt wird er zum Charmeur. Das hat die Welt noch nicht gesehen. Kratos Aurion der mir so schöne Komplimente macht.“, erwiderte Anna, worauf ich sie beleidigt ansah.

„So schlimm bin ich auch nicht.“

„Doch!“

„Gar nicht!“

„Papa, Mama! Ich habe Hunger!“, schrie Lloyd, welcher nun ins Zimmer gelaufen kam.

„Ja wir machen gleich was, aber sag mal Lloyd. Meinst du das Papa gut im Komplimente machen ist?“, fragte Anna den Kleinen nun. Ich bezweifelte, dass er überhaupt wusste, was ein Kompliment war.

„Papa ist in allem der Beste!“, gab Lloyd strahlend von sich. Ich musste unwillkürlich lächeln.

„Verräter!“, motzte Anna. Sie jagte Lloyd nach draußen. Ich zog mich an und folgte ihnen ebenfalls.

Engel können doch weinen(Kratos Sicht)

„Lloyd! Nicht so schnell!“, schrie Anna und lief dem kleinen Braunhaarigen hinterher. „Mama zu langsam!“, rief er fröhlich und lief umher.

„Na warte!“, entgegnete sie und sprang auf ihn zu. Lloyd erschrak und fiel beinahe hin.

„Erwischt!“, rief Anna triumphierend.

„Oh“, jammerte Lloyd. Er lief zu mir. Ich stand etwas abseits.

„Jetzt ist Papa dran!“, rief er und umarmte mein Bein.

Ich lächelte ihn an. Nun sah ich mich um, worauf Lloyd mich ungeduldig ansah.

„Sind noch welche in der Nähe?“, fragte Anna besorgt.

Wir waren vor kurzen auf eine Patrouille Desians gestoßen. Daher war ich lieber etwas vorsichtig.

„Momentan nicht.“, antwortete ich.

„Papa macht die bösen Typen alle fertig.“, sagte Lloyd begeistert.

Ich strich ihn leicht durchs Haar. Der Kleine konnte wirklich süß sein.

„Ja Papa passt auf uns auf.“, meinte Anna und umarmte mich. Ich gab ihr einen Kuss, als ich plötzlich etwas hörte: Ein Rascheln. Jemand rannte durch den Wald und kam direkt auf uns zu.

Vorsichtshalber zog ich mein Schwert auch wenn ich bezweifelte, dass es ein Desian war.

Aus dem Wald kam eine Frau Sie brach direkt vor uns zusammen.

Ängstlich sah sie zu uns auf. Wie eine Desian sah sie in der Tat nicht aus. Der Kleidung nach zu urteilen war sie eine Bäuerin. Sie schien nicht schwer verletzt.

„Ihr seid keine Desians oder?“, fragte sie.

Anna ging auf sie zu und kniete neben ihr. „Nein keine Sorge. Wir sind keine Desians. Was ist denn passiert.“, versuchte die Braunhaarige die junge Frau zu beruhigen.

„Mein Mann und mein Sohn. Wir wurden von Desians angegriffen. Ich konnte fliehen. Bitte kann ihnen nicht jemanden helfen.“, wimmerte die Frau. Sie versuchte aufzustehen. Etwas wackelig stand sie nun.

„Wir müssen ihr helfen.“, sprach Anna. Das war zu erwarten. Anna wollte immer gleich helfen. Normalerweise war ich auch nicht jemand, der einfach wegschaute wenn Leute litten, aber irgendwas war hier faul. Allerdings wusste ich nicht was.

„Kratos?“, fragte Anna nun, da ich nichts gesagt hatte.

„Ich weiß nicht. Es könnte gefährlich werden.“, war das erste was mir einfiel.

„Bitte was?! Du willst ihr nicht helfen, weil es gefährlich ist?! Geht’s noch?!“, schnauzte Anna mich an.

„Das habe ich nicht gesagt.“, verteidigte ich mich. Ich wusste nicht so recht was ich machen sollte. Mein Instinkt sagte mir nicht zu gehen, aber Anna wollte, dass ich half.

„Ich kann dich und Lloyd nicht in Gefahr bringen.“, versuchte ich zu argumentieren.

„Ich passe schon auf. Ich kann mich und Lloyd schon verteidigen.“, erwiderte die Braunhaarige. Mit Vernunft kam man bei ihr echt nicht weiter.

„Du bleibst mit Lloyd hier. Ich gehe alleine.“, meinte ich.

Anna wollte gerade protestieren, als ich sie unterbrach. „Ich komme schon klar, aber ich will nicht, dass dir und Lloyd etwas passiert.“, meinte ich und ging zu der Bäuerin.

„Wo wurdet ihr überfallen?“, fragte ich.

„Bei einer Lichtung im Süden.“, sprach die Frau. Sie zeigte in eine Richtung und ging voraus.

Ich sah Anna nochmal an. „Pass auf dich auf.“, bat sie besorgt.

„Du auch. Ich bin gleich wieder da.“, sprach ich und folgte der Frau.

Mich beschlich ein unangenehmes Gefühl. Als würde ich einen Fehler machen. Allerdings konnte ich mir nicht erklären warum.

Nach ungefähr einer halben Stunde Fußmarsch hörte ich Geräusche. Jemand sprach. Klang nach Desians.

Ich spähte durch die Bäume hindurch. Ich sah Desians welche zwei Leute auspeitschten. Einen jungen Mann fast noch ein Teenager und einen älteren Mann.

„Robby! Kai!“, schrie die Frau nun und rannte vor. War sie denn völlig verrückt geworden? Ich kannte ja so ein Verhalten von Anna, aber dass es noch mehr Leute gab, die so rücksichtslos waren.

Ich folgte ihr natürlich und zog mein Schwert. Die Desians sahen uns an.

Es waren nicht viele. Gerade mal fünf. Sie kämpften auch nicht wirklich. Ihr Verhalten war eher defensiv. Wollten die mich nicht angreifen. Es dauerte etwas länger bis ich ihre Verteidigung durchbrach und sie schließlich besiegte.

Die Frau umarmte ihre Familie glücklich.

Ich war etwas verwirrt. Warum wurden die beiden von Desians bewacht? Sie schienen hier ein Lager aufgemacht zu haben. Es brannte noch ein Feuer. Das ergab keinen Sinn. Wieso brachten die Desians die beiden nicht zur Menschenfarm? Hier war doch eine in der Nähe. Die Iselia Menschenfarm.

Es sah auch nicht aus als wären die beiden Flüchtlinge.

„Seid ihr unverletzt?“, fragte ich zunächst.

„Ja“, sagten die beiden Männer.

Die Frau heulte. „Es tut mir leid.“, sagte sie. Warum entschuldigte sie sich?

„Sie haben gedroht meinen Mann und meinen Sohn zu töten, wenn ich es nicht tue.“, kam nun schluchzend.

Mich beschlich ein unangenehmes Gefühl. War das eine Falle?

„Wovon sprichst du?!“, schrie ich.

„Ich sollte einen Mann mit rotbraunen Haaren hierher locken, haben sie gesagt.“, wimmerte die Frau.

„Was wieso?“

„Wieso? Das fragst du noch. Um dich von Anna zu trennen. Deswegen.“, erklang eine mir bekannte Stimme. Oben auf dem Baum stand Yuan. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt. Wie unvorsichtig von mir.

Er sprang vom Baum. Hinter ihm aus dem Wald kam nun Noishe. Der Protozoan musste ihm gefolgt sein. Freudig kam er zu mir.

Meine Augen waren allerdings auf Yuan fixiert.

„Das war eine Falle. Und du bist genau hinein getappt. Kvar ist hier auch in der Nähe. Er wird Anna bestimmt schon gefangen genommen haben. An deiner Stelle würde ich mich beeilen.“, sprach der Halbelf.

„Verdammt!“, zischte ich und rannte so schnell ich konnte zurück. Noishe lief neben mir.

Es dauerte nicht lange bis ich zu der Stelle kam an dem ich Anna und Lloyd zurückgelassen hatte. Allerdings waren sie nicht mehr hier. Auf dem Boden erkannte ich Fußspuren von mehreren Leuten. Desians nahm ich an. Noishes Knurren bestätigte meine Theorie. Hoffentlich war ihr nichts passiert. Und Lloyd auch nicht.

„Noishe kannst du ihre Spur aufnehmen?!“, fragte ich den Terranis. Er schnüffelte am Boden und lief los. Ich folgte ihm.

Hätte ich doch nur auf mein Gefühl gehört. Warum war ich nur so unvorsichtig? Es war doch so offensichtlich. Erst die vermeintlich verletzte Bäuerin, die auf einmal wieder gut laufen konnte. Dann das Lager der Desians. Wie konnte ich nur so blind sein? Wenn Anna irgendwas passiert war, würde ich mir das nie verzeihen. Ich schüttelte meine Selbstvorwürfe beiseite. Jetzt musste ich erstmal Anna retten. So schnell ich konnte lief ich durch den Wald. Ich merkte wie es leicht anfing zu regnen. Da würde bald ein Unwetter aufziehen. Das würde mich aber nicht aufhalten Anna zu retten.

Jetzt verließen wir den Wald. Vor uns war eine Klippe.

Jetzt erkannte ich auch die Desians links von uns. Mein Blick fiel sofort auf Anna, welche von Kvar festgehalten wurde.

„Anna!“, schrie ich und zog mein Schwert.

„Aber, aber.“, gab Kvar von sich. Er hielt ein Messer an Annas Kehle. Sofort hielt ich inne.

Böse sah ich Kvar an. Verzweifelt suchte ich Lloyd. Kvar hatte ihn doch nicht etwa…

Da fand ich ihn. Ein Desian neben Kvar hielt ihn fest. Der Kleine sah mich ängstlich an.

„Ist schon eine Weile her, nicht Kratos.“, gab Kvar gehässig von sich.

Ich erwiderte nichts sondern starrte den Halbelfen nur an. Der griff um mein Schwert festigte sich, aber ich blieb regungslos stehen. Ich konnte ja nichts tun. Wenn ich angriff würde er Anna etwas tun. Ich brauchte einen Plan, aber mir fiel nichts ein.

Es begann nun richtig zu regnen. Die Tropfen, die durch mein Gesicht liefen, störten mich nicht. Mein Blick lag immer noch auf Kvar.

„Nicht sehr gesprächig. Wie auch immer. Ich führe nur Lord Yggdrasills Befehle aus. Auch wenn mir sein Plan nicht ganz gefällt, aber da kann man nichts machen. Trotzdem sollten wir das etwas unterhaltsamer gestalten, findest du nicht?“, gab der Blonde von sich. Er grinste breit.

„Zunächst einmal werde ich mir wieder holen, was mir gestohlen wurde.“, sagte er nun und berührte Annas Exphere.

Das Blut gefror in meinen Adern. Das durfte er nicht tun. „Hör auf!“, schrie ich fast flehend.

Kvar ließ sich aber nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er schien das zu genießen. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht.

Wenn er Annas Exphere entfernte, konnte es gefährlich für die Braunhaarige werden. Das musste ich verhindern. Nur wusste ich nicht wie.

Nun zog Kvar an Annas Exphere und hatte diesen in der Hand.

„Anna!“, rief ich. Ging es ihr gut? Ihr durfte nichts passieren.

Kvar ließ die Braunhaarige los.

Sie fasste sich ans Brustbein. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt und sie schien schwer zu atmen.

Zufrieden sah Kvar den Stein in seiner Hand an und sah dann zu mir. Am liebsten hätte ich diesem Dämon mein Schwert durch die Brust gerammt, aber im Moment war Anna wichtiger.

Doch plötzlich sprang Anna auf ihn zu. Die Braunhaarige riss ihm den Exphere aus der Hand. Dann schlug sie den Desian neben sich nieder, griff nach Lloyd und rannte mit ihm zu mir.

„Anna! Geht es dir gut?“, fragte ich und drückte sie an mich.

Sie schnaufte, sagte aber nichts.

Jetzt sah ich zu Kvar und machte mich kampfbereit. Ich würde Anna und Lloyd beschützen.

Kvar sah zunächst nicht sehr begeistert aus. Doch dann erschien ein zufriedenes Grinsen in seinem Gesicht. Was erfreute ihn daran? Anna hatte sich gerade befreit und ihm eiskalt den Exphere geklaut. Das konnte ihm doch nicht gefallen.

„Aaah!“, hörte ich jemanden neben mir schreien. Anna war auf die Knie gesackt. Sie atmete schwer.

„Anna, ist alles in Ordnung?“, fragte ich und kniete mich zu ihr.

„Es tut weh! Es tut so weh!“, gab sie von sich und schrie erneut auf. Ich erkannte nun dicke Adern von ihrem Hals weggehen.

Das durfte nicht sein. Eben ging es ihr doch noch gut.

„Halte durch!“, schrie ich und griff ihre Schulter.

Die Äderchen breiteten sich nun aus. Annas Haut schien förmlich aufzureißen. Nun trat eine grünlich braune Haut zum Vorschein. Annas Hände rissen auf und es entstanden dort Klauen.

Auch Annas Größe nahm zu. Mit einem Schrei stand sie auf. Sie hatte nun eine gänzliche andere Gestalt. Sie war größer als ich und hatte kaum noch Merkmale eines Menschen. In ihrem Gesicht befand sich ein rotes Auge. Wo vorher ihre Hände und Füße waren, befanden sich nun Krallen. Ihr ganzer Körper war mit einer grünlich braunen Haut überzogen.

Ich stand auf und sah Anna geschockt an. Was war passiert? Anna hatte sich in ein Monster verwandelt. Ich konnte es kaum fassen.

Anna holte mit ihrem Arm aus und schlug mich. Ich war viel zu entsetzt um zu reagieren. Also spürte ich wie sich ihre Krallen in mein Fleisch rammten. Sie schleuderte mich weg.

„Anna, bitte nicht!“ schrie ich. Sie reagierte nicht und kam auf mich zu.

„Bitte komm wieder zu dir!“, bat ich.

Anna kam nur weiter auf mich zu, als ich einen Schrei vernahm. Es klang nach einem Heulen. Ich sah dass es sich um Lloyd handelte. Der Kleine saß immer noch auf der Stelle, wo ich auch eben noch war. Dass er schreite war logisch. Immerhin hatte sich seine Mutter gerade vor seinen Augen in ein Monster verwandelt.

Anna schien ihn auch zu hören. Sie drehte sich um und ging auf ihn zu. Wollte sie ihn etwa angreifen? Das würde sie doch nicht.

„Anna nicht!“ schrie ich. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mein Körper rührte sich nicht. Ich war wie gelähmt. Ich konnte nur Anna anstarren. Nicht mal aufstehen schaffte ich.

Dann hatte sie unseren Sohn erreicht. Sie hob eine Klaue, als Noishe sie plötzlich angriff. Der Terranis hatte sie angesprungen und biss sich an ihr fest. Anna schlug auf ihn ein und schleuderte ihn zurück neben Lloyd. Der Protozoan schien schwer verletzt zu sein. Sein Fell war an einigen Stellen blutverschmiert.

Das hatte mich aus meiner Trance geweckt. Ich sprang auf und rannte zu Anna. Allerdings setzte sie schon wieder zu einem Angriff an. Lloyd war direkt vor ihr und schrie. Ich würde es nicht schaffen ihn rechtzeitig zu erreichen. Konnte ich den gar nichts tun?

„Anna!“, schrie ich nur.

Sie hielt inne. Plötzlich schrie sie auf und fasste sich am Kopf.

Nun hatte ich sie erreicht. Lloyd war noch ein paar Meter von mir entfernt. Der Kleine weinte immer noch.

„Anna! Bitte komm zu dir!“, schrie ich.

„Kratos!“, kam nun von ihr. Auch wenn sie noch ein Monster war, so hatte sie doch gesprochen.

„Kratos, ich kann nicht mehr. Ich kann es nicht mehr aufhalten.“, gab sie von sich.

„Doch versuche es.“, meinte ich.

„Ich…will dir und Lloyd nichts tun.“, gab sie von sich.

„Bitte töte mich!“

Ich schüttelte den Kopf. „Das könnte ich nicht“

Ich merkte wie ein paar Tränen mein Gesicht hinab liefen. Wie könnte ich sie auch töten. Ich liebte sie. Sie war alles für mich. Ich würde mein Leben für sie geben. Nur allein der Gedanke daran sie zu töten, löste in mir Schmerzen aus.

„Kratos, bitte. Ich flehe dich an. Ich will das nicht! Bitte mach das es aufhört!“, bat sie.

Dann schrie sie erneut auf. Jetzt holte sie aus und schlug nach mir. Ich wich aus.

Nun widmete sie sich Lloyd.

Gebannt sah ich auf die beiden.

Anna stand über Lloyd, während der Kleine immer noch heulte.

Was sollte ich tun? Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie ihn tötete. Aber Anna töten konnte ich auch nicht. Aber irgendwas musste ich doch tun.

Anna hob ihre Klaue.

Mein Kopf war wie leergefegt. Ich hatte auch keine Zeit zu überlegen. Ich musste mich entscheiden. Und zwar jetzt.

Mein Körper setzte sich in Bewegung. Ich lief auf Anna zu. Alles wirkte so unreal. Ich hob mein Schwert und stieß es nach vorne. Blut spritzte mir entgegen. Erst jetzt kam ich wieder zu mir.

Vor mir war Anna, welche nun laut schrie. Mein Schwert steckte in ihrem Bauch.

Völlig entsetzt zog ich es heraus und ging ein paar Schritte zurück. Was hatte ich getan?

Anna schrie erneut. Nun sackte sie zusammen und verwandelte sich in ihre normale Gestalt zurück. Ich rannte zu ihr.

„Anna!“, schrie ich nur und legte sie in meine Arme. Sie sah mich schwach an. Lächelte aber sanft.

„Anna, ich, es tut mir Leid.“, sprach ich mit zittriger Stimme. Ich spürte heiße Tränen in meinem Gesicht.

„Ach Kratos.“, gab sie schwach von sich. Ihre Hand wanderte zu meiner Wange.

„Engel können also doch weinen.“, murmelte sie schwach. Dann schlossen sich ihre Augen und ihre Hand fiel zu Boden.

„Anna, nein!“, schrie ich.

Ich hatte sie getötet. Die Frau, die ich über alles liebte. Ich hatte sie getötet. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Meine Anna war tot. Sie lag leblos in meinen Armen und es war meine Schuld.

Plötzlich verspürte ich einen starken Schmerz in der Schulter. Etwas hatte mich dort getroffen. Ein Desian hatte einen Laser auf mich geschossen. Ich sah auf und entdeckte Kvar grinsendes Gesicht. In mir stieg unbändige Wut auf. Ich stand auf. Doch nun stellten sich mehrere Desians in den Weg und griffen mich an. Wie in Trance griff ich sie an. Kvar hatte anscheinend schon die Flucht ergriffen, als ich plötzlich ein Krachen hörte. Sofort drehte ich mich um und bemerkte dass sich ein paar Risse durch den Boden zogen. Der Boden in der Nähe der Klippe gab nach.

Geschockt sah ich zu Lloyd, der immer noch bei Anna lag. Ich musste zu ihm.

Aber es war zu spät. Der Boden stürzte nun endgültig ab. Ich rannte auf Lloyd zu.

Der Kleine sah mich ängstlich an. „Papa!“, schrie er, bevor er mit Anna und Noishe in den Abgrund fiel. Ich versuchte noch ihn zu greifen, schaffte es aber nicht. Er war zu weit weg.

Völlig hilflos stand ich vor dem Abgrund und musste zusehen wie mein Sohn in die Tiefe fiel.

„Lloyd!“, schrie ich und sank auf die Knie.

Nein das durfte nicht sein. Jetzt hatte ich auch Lloyd verloren. Erst Anna und jetzt meinen Sohn. Was war ich nur für ein Versager. Ich konnte nicht mal meine Familie beschützen.

Ich musste ihm schnell nach allerdings wurde ich erneut angegriffen.

Die Desians die nicht hinab gefallen waren, stürzten sich nun auf mich. Ich kämpfte, obwohl ich merkte, dass ich nicht mehr konnte. Die Wunde, die Anna mir zugefügt war ziemlich tief. Ich hatte eine Menge Blut verloren. Das war mir aber alles egal. Ich musste zu meinem Sohn. Er brauchte mich. Nacheinander schlug ich die Desians nieder.

Nachdem ich den letzten besiegt hatte, taumelte ich zum Abgrund. Ich sprang zu einem Vorsprung weiter.

Mein Kopf war benebelt. Ich dachte nicht mal daran meine Flügel zu verwenden. Ob ich überhaupt noch in der Lage war sie zu rufen, war mir nicht klar. Alles was zählte war Lloyd.

Ich kletterte also weiter nach unten. Allerdings war die Wand durch den Regen so aufgeweicht, dass ich abrutschte und nach unten stürzte.

Ich landete direkt mit dem Gesicht auf dem Boden.

Mein ganzer Körper schmerzte. Mit Mühe öffnete ich die Augen. Mir wurde leicht schwarz vor Augen.

Ich musste weiter. Wo war Lloyd? Er musste hier irgendwo sein. Ich durfte jetzt nicht schlapp machen.

Also stand ich auf. Die Schmerzen ignorierte ich.

Als ich mich umsah war ich erschüttert. Hier lagen überall Leichen. Nicht nur das. Auch Monster lauerten hier. Sie hatten sich schon an den Desians genüge getan.

Ein Wolf knurrte mich an.

Ich zog mein Schwert und scheuchte ihn weg. Allerdings hielten die Monster nur Abstand. Sie warteten bis ich nicht mehr konnte.

„Lloyd!“, schrie ich und humpelte nach vorne. Er musste einfach hier sein.

Nach ungefähr zehn Minuten Suche, kam mir ein schrecklicher Gedanke in den Sinn.

Wie sollte ein kleiner Junge so einen Sturz überlebt haben. Und selbst wenn er überlebt haben sollte, hätten die Monster bestimmt nicht Gnade walten lassen.

Alles was ich hier sah waren Leichen, blutüberströmte Leichen.

Ich schüttelte den Kopf. Lloyd war nicht tot. Er musste hier sein. Bestimmt war er hier.

„Lloyd!“, schrie ich und suchte weiter. Dann fand ich etwas.

„Nein. Bitte nicht.“

Bei dem etwas handelte es sich um einen Schuh. Nicht nur irgendein Schuh. Ein Kinderschuh. Lloyds Schuh. Er war blutbefleckt. Er lag zwischen ein paar menschlichen Überresten.

„Lloyd!“, schrie ich noch einmal. Dann sank ich vor dem Schuh auf die Knie. Ich nahm ihn und sah ihn genauer an. Ich suchte nach einem Anzeichen dafür, dass Lloyd, dass mein Sohn noch lebte. Aber vergebens.

Erneut bahnten sich Tränen durch mein Gesicht. Sie tropften von meinem Gesicht und mischten sich mit meinem Blut.

Ich hatte versagt. Ich konnte weder Lloyd noch Anna beschützen. Dabei hatte ich es doch versprochen. Ich hatte doch versprochen Anna zu beschützen.

Ein Dreck hatte ich getan.

„Verdammt!“, fluchte ich und schlug auf den Boden. Es war alles meine Schuld. Hätte ich doch nur besser aufgepasst. Hätte ich doch nur auf mein Gefühl vertraut. Hätte ich doch nur…

„Anna, es tut mir Leid!“, wimmerte ich.

Nun verließen mich endgültig die Kräfte. Ich fiel nach vorne.

Ich merkte, dass sich die Monster näherten. Wahrscheinlich würden sie mir den Rest geben, aber was machte das schon. Es hatte keinen Zweck mehr. Was sollte das Leben noch für einen Sinn ohne Anna und Lloyd haben.

Langsam wurde alles schwarz. Ich gab mich der Schwärze hin und wartete auf das Ende.

Allerdings kam das Ende nicht.

Das nächste was ich mitbekam, war dass ich in einem Bett lag.

Verwirrt sah ich mich um. Wo war ich? Was war passiert?

Dann kamen die schrecklichen Bilder. Ich hatte Anna getötet. Und Lloyd war auch tot.

Mein Körper begann zu zittern.

„Nein!“, jammerte ich. Wo ich war, war mir egal. Alles war egal.

„Du bist wach?“, hörte ich eine Stimme. Ich erkannte sie. Es war Yuan.

Ich reagierte nicht sondern blieb einfach sitzen.

„Ich habe gehört was passiert ist. Tut mir leid.“, rief er.

Seine Worte kümmerten mich nicht. Warum auch. Sie brachten mir Anna und Lloyd nicht wieder. Niemand konnte das.

„Mithos hat dich gefunden. Du wärst beinahe gestorben.“, erklärte Yuan.

Dann war ich wohl in Welgaia. Ein Umstand, der mich eigentlich stören sollte, aber es war mir egal. Ob ich nun hier war oder irgendwo anders. Besser fühlte ich mich dadurch auch nicht.

„Kannst du laufen. Mithos will mit dir sprechen, sobald du wach bist.“, sprach der Halbelf zögerlich.

Ich antwortete nicht, bewegte mich aber auch nicht.

„Du weißt, dass alles sinnlos ist, wenn du jetzt wieder in Mithos Hände fällst.“, meinte er.

Ich sah, dass er sein Schwert zur Hand nahm.

„Tut mir ja Leid. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, würde ich sie nutzen.“, entschuldigte sich mein Freund.

Ich reagierte nicht. Wenn Yuan mich töten wollte, sollte er es tun. Es war mir egal. Wahrscheinlich war es sogar besser. Was sollte ich denn noch hier?

Yuan holte aus.

Ich saß einfach nur da und starrte auf meine Bettdecke. Gleich würde es vorbei sein. Vielleicht hörte dann auch der Schmerz auf. Allerdings passierte nichts.

Yuan seufzte. Scheinbar senkte er seine Waffe.

„Ich…kann dich nicht töten. Du bist bereits tot.“, sprach Yuan trocken.

Seine Worte entsprachen wohl der Wahrheit. Innerlich war ich wohl tatsächlich tot. Alles war so weit weg. Alles was mir wichtig war, war weg.

Yuan verließ nun den Raum.

Nach einer Weile kam jemand anderes herein. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich hier schon so saß. Mein Zeitgefühl war völlig durcheinander.

„Kratos.“

Die Stimme erkannte ich. Es war Mithos oder besser gesagt Yggdrasill.

Ich reagierte nicht auf ihn. Warum auch. Vielleicht hätte ich ihn hassen sollen. Er war wohl Schuld daran was passiert war. Kvar unterstand ihm. Der Desian hatte nur auf seinen Befehl gehandelt, aber…Ich fühlte mich leer. Kein Hass, keine Wut. Gar nichts. Nur ein tiefes Loch. Es war so ähnlich wie damals, als ich keine Schutzfassung mehr hatte. Trotzdem war es anders. Diesmal wehrte ich mich nicht. Meine Fassung trug ich noch. Das wusste ich.

„Bist du jetzt endlich wieder zur Vernunft gekommen, Freund.“, kam von Mithos.

Ich gab ihm keine Antwort.

„Ich hoffe du hast eingesehen, dass es nichts bringt gegen mich aufzubegehren.“

Ich schwieg.

„Sobald Martel wieder erweckt ist, werde ich die Welten sowieso wieder in ihren ursprünglichen Zustand bringen. Es würde mich freuen, wenn du mir wieder helfen würdest. Du könntest ganz einfach wieder zu Cruxis zurückkommen. Was hältst du davon, mein Freund.“

Ich zuckte mit den Schultern. Was hatte es noch für einen Sinn gegen Mithos zu kämpfen. Anna und Lloyd waren gestorben, weil ich mich Mithos widersetzt hatte.

„Ich deute das als ein Ja. Ich werde dich erst mal in Ruhe lassen. Du wirst sicherlich etwas Zeit brauchen.“ Mit diesen Worten ging Yggdrasill.

Neue Hoffnung(Kratos Sicht)

Es vergingen einige Jahre. Ich blieb in Welgaia. Folgte Mithos Befehlen. Der Schmerz und meine Trauer verschwanden nie so ganz. Trotzdem schaffte ich es mich irgendwie abzuschirmen. Zumindest während ich wach war. Allerdings hatte ich jede Nacht denselben Traum. Jede Nacht sah ich dieselben Bilder. Deswegen wachte ich auch jeden Morgen schweißgebadet auf. Irgendwann verzichtete ich einfach darauf zu schlafen. Dank meines Cruxis-Kristalls war das ja möglich. Auch essen tat ich nicht mehr regelmäßig. Wozu auch. Es war einfach nicht mehr dasselbe ohne Annas lächelndes Gesicht. Sie machte sich immer freudig übers Essen her. Auch Lloyd war ihr da sehr ähnlich. Der Kleine konnte auch essen wie sonst was. Bei jeden Gedanken an die beiden verspürte ich einen Stich in meinen Herzen. Das Loch welches ich in mir verspürte ließ sich auch durch nichts wieder füllen. Darum versuchte ich nicht an meine Familie zu denken. Allerdings verging kein Tag an dem ich das schaffte. Trotzdem hatte ich wieder einen halbwegs normalen Tagesablauf. Die ersten Wochen hatte ich nur in meinem Zimmer verbracht. Ich hatte nur im Bett gesessen und war vor mich hin vegetiert. Irgendwann schaffte ich es dann nach draußen. Auch mein Schwerttraining hatte ich wieder aufgenommen. Damit hatte ich am Anfang ziemliche Probleme. Ich konnte mein Schwert kaum ansehen geschweige denn es führen. Immerhin hatte ich damit Anna getötet. Jedes Mal sah ich noch ihr Blut an meinem Schwert kleben. Deswegen nahm ich ein anderes Schwert: ein stinknormales Stahlschwert. Es genügte.

Ich ging gerade durch die Gänge. Mithos hatte nach mir gerufen. Es handelte sich um einen Auftrag, den ich erledigen sollte. Meine Beziehung zu Mithos war nicht die beste. Ich tat was er verlangte, mehr aber nicht. Wir redeten nicht miteinander. Meine Unterhaltungen bezogen sich sowieso nur auf das Nötigste. Auch mit Yuan redete ich nicht. Der Blauhaarige sagte ebenfalls nicht viel.

Ich hatte nun Mithos Raum erreicht. Der Blonde wartete bereits auf mich.

„Ah Kratos. Ich habe einen Auftrag für dich.“, sprach der Anführer von Cruxis.

Ich kniete vor ihm nieder. Warum ich das tat, wusste ich nicht genau. Mithos hatte mich schon des Öfteren darum gebeten mich nicht vor ihm zu verneigen oder ihn mit Lord Yggdrasill anzusprechen. Trotzdem tat ich es Das war wohl der letzte Widerstand den ich noch hatte. Ich hatte weder die Kraft noch den Willen Mithos zu bekämpfen, aber trotzdem machte ich diesen stillen Protest. Etwas in mir widersetzte sich Mithos noch immer.

Die Besprechung dauerte nicht sehr lange. Mithos schickte mich auf eine Reise, um die Auserwählte zu begleiten. Ich sollte sie beschützen und dafür sorgen, dass sie nicht vom Pfad abkam.

Es war nicht, dass erste Mal, dass Mithos mich nach Sylvarant oder Tethe’alla schickte. Allerdings kümmerte es mich wenig. Dieser Auftrag war für mich wie jeder andere. Zumindest dachte ich das.

Ich zog mir andere Klamotten an. Meine anderen Klamotten trug ich nicht gern. Es verhielt sich damit genau wie mit meinem Schwert. Auch wenn sie sauber waren so könnte ich schwören, dass von ihnen noch der Geruch von Blut ausging. Annas Blut.

Ich zog mir stattdessen ein lila Gewand an. Dazu mein Stahlschwert, etwas Geld und Vorräte und ich war fertig. Außerdem hängte ich mir den Anhänger um, den ich Anna geschenkt hatte. Ich hatte ihn damals bei der Suche nach Lloyd unterhalb der Klippe gefunden.

Ich kam in der Nähe von Triet raus. Die Auserwählte lebte in Iselia. Der Ort bereitete mir Unbehagen. Allerdings ließ ich mir nichts anmerken.

Ich machte mich auf dem Weg. Als ich die Wälder vor Iselia erreichte, vernahm ich Vogelzwitchern. Es war ein schöner Tag. Anna hätte sich bestimmt gefreut. Ich verdrängte den Gedanken. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.

Kurz bevor ich Iselia erreichte sah ich es: ein gleißender Lichtstrahl. Er erschien etwas südlich vom Dorf. Das war das Orakel. Ich hatte es noch nie mit eigenen Augen gesehen, aber Mithos hatte es so beschrieben. Als ich Iselia erreichte war das Dorf wie ausgestorben. So verlassen hatte ich es gar nicht in Erinnerung.

Bis auf einen Mann traf ich Niemandem. Der Mann hatte blonde Haare.

„Was ist hier geschehen?“, fragte ich ihn.

„Desians. Sie sind durch das Dorf gekommen. Sie wollen bestimmt Co…ich meine die Auserwählte angreifen.“, erklärte er.

Das passte nicht zusammen. Warum sollten die Desians die Auserwählte töten. Das war nicht in Mithos Sinne. Vielleicht waren es auch keine Desians.

Wie auch immer ich musste mich beeilen. Meine Mission war es immerhin die Auserwählte zu beschützen.

Ich bedankte mich bei dem Mann und eilte zum Tempel. Dort angekommen bemerkte ich, dass gekämpft wurde. Oben auf dem Platz waren mehrere Leute. Ich erkannte in der Tat Desians und ein paar Jugendliche. Ein blondes Mädchen ,ein kleinerer weißhaariger Junge und ein Junge mit braunen Haaren. Sie kämpften gegen einen kräftigen Desian. Dieser schleuderte einen Morgenstern umher.

„Dieser Typ ist echt stark.“, sprach der Weißhaarige. Die drei Kinder waren schon ziemlich angeschlagen.

„Mann, der ist echt knallhart.“, rief der Braunhaarige erschöpft. Er kniete vor dem Desian am Boden. Nun schwang der Desian seinen Morgenstern auf den Jungen. Ich musste eingreifen.

Also machte ich einen Satz nach vorne und blockte den Morgenstern mit meinem Schwert ab. Dank meines Cruxis-Kristall natürlich kein Problem.

„Wer bist du?“, fragte der Braunhaarige hinter mir.

„Geh mir aus dem Weg!“, befahl ich. Immerhin wollte ich nicht, dass die Kinder während des Kampfes verletzt wurden. Dann widmete ich mich dem Desian. Mit einem gezielten Schwerthieb, schleuderte ich ihm seinen Hammer aus der linken Hand. Dem Morgenstern wich ich aus, indem ich mich duckte. Nun stach ich mit meinem Schwert zu. Der Desian sackte zu Boden und blieb reglos liegen.

Nun sah ich zu den anderen Desians. Es waren noch vier weitere. Der eine hatte dunkelbraune Haare. Seine Klamotten deuteten darauf hin, dass er der Führer der Gruppe war.

„Mit dir habe ich nicht gerettet. Verdammt. Wir ziehen uns für heute zurück.“, sprach er.

Er schien mich zu kennen. Allerdings wusste ich nicht woher. Ich hatte ihn auf jeden Fall noch nie gesehen.

Nun ergriffen sie die Flucht.

Ich sondierte die Lage. Hier lagen einige Priester am Boden. Diese Desians hatten sie wohl getötet. Wahrscheinlich sollten die Priester die Auserwählte begleiten.

Am Eingang des Tempels sah ich noch eine alte Frau mit blonden Haaren.

„Einfach unglaublich.“, sprach das blonde Mädchen nun. Ich nahm an, dass es sich um die Auserwählte handeln musste.

„Dieser Typ ist unglaublich stark!“, sprach nun auch der Weißhaarige begeistert.

„Ja allerdings.“, hörte ich die Stimme des Braunhaarigen. Er schien beleidigt zu sein. Wahrscheinlich war er in seinem Stolz verletzt oder so.

Ich drehte mich zu den dreien um.

„Ist mit euch alles in Ordnung?“, fragte ich. Das schien der Fall zu sein. „Mhm …Niemand scheint verletzt zu sein.“

Der Braunhaarige sah mich nun mit großen Augen an. „Ist das ein Exphere?“

Er meinte sicherlich den Exphere an meiner Hand. Den hatte ich mir von Mithos geben lassen. Mein Cruxis-Kristall sah schon anders aus, als ein üblicher Exphere. Ich wollte ihn nicht offen zeigen, um nicht aufzufallen. Da mir der Cruxis- Kristall aber große Kräfte verlieh, würde es wohl auffallen. Daher trug ich einen Exphere als Täuschung. So gingen die meisten davon aus meine Kräfte kämen von dem Exphere.

Nun trat die ältere Frau vor.

„Wie kann ich ihnen nur danken. Sie haben die Auserwählte gerettet.“

Wie ich es mir gedacht hatte. Das blonde Mädchen war in der Tat die Auserwählte.

„Ich verstehe. Dieses Mädchen ist also die nächste Auserwählte.“, bemerkte ich und sah zu ihr.

„Eh ja das stimmt! Aber jetzt muss ich gehen und das Orakel annehmen!“, sprach sie nervös. Sie war wohl etwas durcheinander.

„Großmutter, ich werde mich nun der Prüfung stellen!“, rief sie aber dennoch entschlossen.

„Welche Prüfung?“, fragte der Braunhaarige.

„Ich nehme an sie meint die Monster. Der Tempel ist mit einer bösen Aura verseucht.“, erklärte ich. Das war vielleicht etwas übertrieben. Die Tempel der Siegel waren verlassen und normale Leute kamen meistens sowieso nicht hinein. Aus diesen Grund war es auch normal, dass sich dort Monster versammelten. Besonders die Energie, die vom Siegel ausging, aber auch von den Beschwörungsgeistern in den anderen Tempeln, zog die Monster an.

Die ältere Frau stimmte mir zu. Sie sagte auch, dass die Priester in der Tat die Auserwählte begleiten sollten.

„Dann werde ich Colette eben beschützen!“, sprach der Braunhaarige selbstsicher. Er war mutig. Das musste man ihm lassen. Oder auch nur dumm. Sich mit zwei Holzschwertern einer Horde Monster entgegen zu stellen, war lebensmüde.

„Lloyd? Ich wäre beunruhigt, wenn du sie ganz allein beschützt.“, rief die ältere Dame.

Der Name des Jungen traf mich wie ein Schlag. Hatte sie gerade Lloyd gesagt? Etwa mein Lloyd. Ich versuchte die Gedanken zu vertreiben. Das war sicher nur Zufall. Lloyd war ja nun nicht unbedingt ein unüblicher Name.

Trotzdem kam ich nicht drum herum den Jungen zu mustern.

Er hatte braune hochstehende Haare. Seine Augen waren ebenfalls braun. Seine Klamotten waren bis auf seine Hose rot.

„Dein Name ist Lloyd?“, versuchte ich mit ruhiger Stimme zu sagen. Das gelang mir auch irgendwie.

„Ja aber wer bist du, dass du nach meinen Namen fragst?“, kam eine freche Antwort zurück. Erinnerte mich an Anna. Besonders seine Augen.

Ich fantasierte schon. Wahrscheinlich würde ich meinen Sohn in jeden Jungen mit dem Namen sehen.

„Ich bin Kratos. Ein Söldner. Solange ihr mich bezahlen könnt, werde ich die Auserwählte beschützen.“, sprach ich etwas zu hastig. Ich musste mich etwas beruhigen. Hoffentlich war das Niemanden aufgefallen.

„Unter diesen Umständen habe ich wohl keine andere Wahl. Bitte helfen sie uns.“, bat die ältere Frau.

Anscheinend merkte man es mir nicht an, dass ich etwas neben der Spur war.

„Gut dann ist es abgemacht.“, erwiderte ich.

„Warte. Ich komme mit!“, unterbrach Lloyd uns.

Er hatte echt vor mitzukommen. Das gefiel mir nicht. Ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen. Was wenn er wirklich…Nein das konnte nicht sein! Mein Sohn war tot. Wie hätte er überleben sollen?

„Lloyd du wärst uns nur im Weg. Sei ein guter Junge und warte hier.“, meinte ich, was irgendwie ziemlich hartherzig rüberkam. Was sollte ich auch sagen? Ich will nicht, dass dir was passiert. Warte lieber hier. Das würde total auffallen.

„Was soll das denn heißen!“, schrie er mich an. Jetzt hatte ich ihn wohl ziemlich beleidigt. Meine Wortwahl war auch wirklich nicht die beste gewesen. Mit einer pampigen Antwort hätte ich wohl rechnen müssen. Anna hätte mich wohl auch angeraunt.

Jetzt dachte ich schon wieder an sie. Es tat mir nicht gut, wenn ich das ständig tat.

„Habe ich mich so unklar ausgedrückt?“, entgegnete ich schroff. Ich stand noch etwas neben mir. Außerdem wollte ich nicht, dass der Junge mitkam.

„Du bist nur ein Klotz am Bein. Geh nach Hause.“, machte ich ihn nieder. Hoffentlich hörte er auf mich.

„Ähm….Mister Kratos, kann Lloyd nicht mit uns kommen?“, mischte sich nun die Auserwählte in unseren Streit ein.

„Aber…“, wollte ich widersprechen.

Die Blonde ließ mich aber nicht weitersprechen: „Bitte ich werde nervös, wenn Lloyd nicht bei mir ist.“

„Wenn es dein Wunsch ist.“, sprach ich unzufrieden. Ich hatte mich da viel zu sehr hinein gesteigert. Was interessierte es mich, ob der Junge mitkam. Er war nicht mein Sohn.

Ich ging dann in den Tempel. Drinnen bekämpften wir einige Monster. Ich beobachtete ab und zu den Braunhaarigen. Er schlug sich recht gut gegen die Monster. Allerdings war er sehr rücksichtslos. Er stürzte sich Hals über Kopf in einen Kampf. Jetzt war er schon ziemlich aus der Puste. Erinnerte mich an Anna. Erst loslaufen und dann nicht mehr können.

Der Hellste schien er auch nicht zu sein. Er schien das Herz aber am rechten Fleck zu haben.

Nachdem Colette das Orakel angenommen hatte, gingen wir zurück nach Iselia. Der Bürgermeister und Phaidra, die Großmutter von Colette, besprachen was sie wegen der Reise zur Welterneuerung machen sollten. Auch Lloyd kam kurz vorbei und bestand darauf mitzukommen, was ich ihm aber versuchte auszureden. Der Bürgermeister war zum Glück auf meiner Seite.

Am liebsten hätte ich ihn wegen Lloyd befragt. Das würde aber auffallen. Doch dann kam Colette auf die Idee den Braunhaarigen zu besuchen. Da er etwas außerhalb der Stadt wohnte, bat Phaidra mich sie zu begleiten. Ich stimmte zu. Jetzt konnte ich meine Vermutungen endlich aus der Welt schaffen. Bestimmt traf ich auf Lloyds Familie und ich würde endlich sehen, dass er nicht mein Sohn war.

Auf dem Weg wunderte ich mich warum Lloyd außerhalb der Stadt wohnte. War bestimmt nicht gerade einfach so weit weg zu wohnen.

Nun erreichten wir eine Lichtung. Ich konnte das Haus nun sehen. Es war ein einfaches Holzhaus.

Ich hörte Schreie. Jemand im Haus schien zu brüllen.

„Du warrrst bei der Farrrm?!“ Das kam von einem Mann. Vielleicht Lloyds Vater.

„Ich es tut mir Leid. Es ist so viel passiert und…“, hörte ich Lloyds Stimme.

Er war also bei der Farm gewesen. Der Braunhaarige lebte echt gefährlich.

„Die Desians haben deinen Expherrrre nicht gesehen, oderrr?“, erklang die andere Stimme.

„Nein mach dir keine Sorgen. Darauf habe ich geachtet.“

Lloyd trug einen Exphere. Das war schon etwas ungewöhnlich. Sylveranti verwendeten eigentlich keine Expheres. Es war hier eigentlich nicht üblich.

„Aber warum ist es so wichtig ihn zu verstecken? Der Söldner, der heute ins Dorf kam, trägt seinen ganz offen.“

Das war eigentlich eine gute Frage. Ich war ja sicherlich nicht der einzige, der hier einen Exphere trug.

„Dein Expherrre ist etwas Besonderes.“

Inwiefern war Lloyds Exphere besonders? Der Braunhaarige stellte dieselbe Frage.

„Dieserrr Expherrre ist ein Andenken an deine Mutterrr.“

Ich zuckte unmerklich zusammen. Das war nur Zufall. Vielleicht hatte seine Mutter einen Exphere gefunden oder so.

„Die Desian brachten deine Mutterrr um, weil sie diesen Expherrre haben wollten.“

Das konnte nicht sein oder. Das konnte nicht.

„Das haben sie getan?“

„Ich habe dirrr doch erzählt, dass ich dich unterhalb des Kliffs in der Nähe der Farrrm gefunden habe, oderrr?“

Nein das konnte nicht wahr sein. Nur Zufall.

„Deine Mutterrr war noch bei Bewusstsein und hat mirrr und hat mir alles erzählt. Es gibt keinen Zweifel.“

Doch es gab Zweifel. Bestimmt war das nur… Konnte er wirklich mein Lloyd sein. Sprach dieser Typ da von Anna. Es ergab alles Sinn. Lloyd war auch im richtigen Alter. Er könnte 17 sein. So wie mein Sohn. Der müsste jetzt auch 17 sein.

Den Rest des Gesprächs bekam ich nicht mehr mit. Lloyd kam dann hinaus gelaufen. Er begrüßte Colette, Genis und Raine, welche an mir vorbei gelaufen waren.

Ich sah mich um. Momentan konnte ich Lloyd einfach nicht ansehen. War er wirklich mein Sohn. Hatte er all die Jahre überlebt? Neben dem Haus erkannte ich ein Grab.

Wie von selbst bewegte ich mich darauf zu.

Mein Blick fiel auf die eingravierten Buchstaben.

„Anna“

Mein Kopf war wie leergefegt. Meine Beine fühlten sich ganz schwach an, gaben aber nicht nach.

Dann war Lloyd tatsächlich mein Sohn. Er lebte.

Ich wusste nicht wie ich fühlen sollte. Auf der einen Seite war ich natürlich unendlich froh, dass mein Sohn noch lebte. Andererseits hatte ich mich nicht um ihn gekümmert. Ich hatte ihn im Stich gelassen. Ich hätte es doch wissen müssen, wissen dass mein Sohn noch lebte. Ich hätte für ihn da sein sollen. Er kannte mich ja nicht mal. Wie auch. Er war noch zu klein gewesen.

„Hey eh Kratos?“, riss mich eine Stimme aus den Gedanken. Es war Lloyd. Der Braunhaarige sah mich an.

Ich wusste zunächst nicht was ich machen sollte. Ihn umarmen? Er war ja mein Sohn, aber das konnte ich nicht tun. Ihm zu sagen, wer ich war, würde die Dinge nur unnötig verkomplizieren.

„Wessen Grab ist das?“, fragte ich stattdessen.

„Das meiner Mutter. Stimmt ja, du hast ja alles mit angehört, nicht?“, rief er verlegen.

„Anna, mhm? Was ist…mit deinem Vater?“, fragte ich, wobei ich merkte, dass meine Stimme leicht stockte. Ich wollte wissen, was Lloyd wusste, woran er sich noch erinnern konnte. Was er wohl von mir dachte?

„Keine Ahnung, aber Dirk ist mein Vater.“, sprach er offen. Er meinte offensichtlich den Mann, der ihn aufgenommen hatte.

„Natürlich, wie taktlos von mir.“, gab ich von mir.

Lloyd sah mich lächelnd an. Dann ging er zu Colette.

Es war wohl besser, wenn ich mich aus seinem Leben raushielt. Ich würde ihn nur unnötig in Gefahr bringen. Ich würde meinen Auftrag erfüllen und dann zurück nach Welgaia gehen.

Nur leider war das nicht so einfach. Lloyd schloss sich nämlich der Reise an. Er wollte seiner Freundin helfen die Welt zu erneuern. Wie sollte ich ihn nun beschützen? Wie konnte ich einfach so weiter machen und ihn verraten?

Ich saß draußen und dachte nach. Was sollte ich tun? Die Welterneuerung war nur eine große Lüge. Ich wusste das. Aber alle setzten ihre Hoffnungen in diese Reise. Am Ende würde es bloß den Tod des Mädchens bringen. Nichts würde sich ändern. Nur ein weiteres sinnloses Opfer.

Ich war wütend. Allerdings konnte ich auch nichts ändern. Als ich es versucht hatte, musste Anna darunter leiden. Was sollte es also bringen sich gegen Mithos zu wenden?

„Hey Kratos?“, hörte ich Lloyd sagen. Mein Sohn kam zu mir. Er wirkte etwas nieder geschlagen. Vielleicht hatte er etwas vom Zustand der Auserwählten mitbekommen.

Ich sah ihn fragend an. Was wollte er von mir. Warum schwieg er jetzt. Er schien mit sich selbst zu kämpfen. Anscheinend war er sich nicht ganz sicher.

„Also ehm…weißt du…“, stammelte er.

„Nein weiß ich nicht. Was gibt es?“, fragte ich direkt.

„Also eh…ich muss es ja zugeben. Du bist echt stark und so erfahren.“, murmelte er.

Worauf wollte er jetzt hinaus. Klang nicht so als wollte er sich bei mir einschleimen. Bisher hatte es ihn eher immer gestört, dass meine Kampffertigkeiten besser waren als seine.

„Also ich…wollte dich fragen, ob du mich trainierst?“, kam nun eher kleinlaut von ihm. Er hatte sehr leise gesprochen. Trotzdem hatte ich ihn verstanden.

„Mir liegt nichts daran jemanden zu trainieren.“, gab ich von mir. Als Lehrer war ich wirklich nicht geeignet. Mithos war ja auch meine Schüler gewesen. Wenn ich sah, wie er jetzt war, so hatte ich ihm wohl nicht das Richtige beigebracht.

„Aber! Bitte. Ich könnte deine Hilfe gebrauchen. Meine Schwertechnik ist wirklich nicht besonders gut. So bin ich wirklich nur im Weg.“, machte der Braunhaarige sich nieder.

„Warum willst du stärker werden? Um deine Mutter zu rächen?“, fragte ich.

„Die Desians haben meine Mutter getötet.“, sprach Lloyd wütend. Sein Antrieb war also Rache. Verübeln konnte ich es ihm nicht. Ich selbst war wütend auf die Desians und mehr noch auf mich selbst, aber Rache war nie eine gute Motivation. Was passierte, wenn man aus Hass handelte, hatte ich bei Mithos gesehen. Er tat das alles auch wegen dem Tod seiner Schwester.

„Aber im Moment.“, sprach Lloyd weiter. „Im Moment ist es für Colette.“

Jetzt war ich überrascht. Er tat es für die Auserwählte?

„Ich möchte sie beschützen. Sie tut alles um die Welt zu retten. Sie muss so viel durchmachen. Ich will ihr helfen. Ich weiß auch wenn ich stärker werde, kann ich den Schmerz nicht von ihr nehmen aber…“, rief er schon fast verzweifelt, aber auch entschlossen.

Ich war erstaunt. Lloyd wollte Colette helfen. Er wollte nicht stärker werden, um Rache auszuüben oder andere zurechtzuweisen. Er wollte jemanden helfen. Dafür warf er sogar seinen Stolz weg. Er setzte sein Leben aufs Spiel.

„Mhm. Mit diesen Gefühlen wirst du garantiert stärker werden.“, rief ich ruhig.

„Heh?“, gab Lloyd verwirrt von sich.

„Also gut ich trainiere dich, aber vergiss niemals was du gerade fühlst.“, entgegnete ich und stand auf.

„Eh ok werde ich nicht!“, meinte Lloyd, auch wenn er wohl nicht ganz verstand.

Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. Diese jungen Leute waren alle bereit für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Jeder einzelne. Die Auserwählte würde ihr Leben geben, um den Menschen zu helfen. Raine wirkte zwar streng, war aber nur besorgt. Sie wollte verhindern, dass die anderen sich in Gefahr begaben. Genis war noch jung, aber trotzdem mutig genug, um auf diese Reise zu gehen und Lloyd. Er wollte Leuten helfen, denen Unrecht getan wurde.

Er hatte einen ziemlich ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.

Wenn er und seine Gefährten es schafften zu kämpfen, vielleicht war es die ganze Sache dann doch Wert um dafür zu kämpfen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren verspürte ich wieder Hoffnung. Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Vielleicht war es wirklich an der Zeit etwas zu ändern. Diese Reise war vielleicht doch mehr als ich anfangs angenommen hatte. Wohin sie führen würde war noch ungewiss, aber sie war sicher bedeutend.

Ende

Zusatzkapitel: Engel können doch weinen(Annas Sicht)

„Pass auf dich auf!“

„Du auch. Ich bin gleich wieder da.“

Mit diesen Worten verschwand Kratos im Wald.

„Rettet Papa die Leute?“, fragte Lloyd. Für ihn war Kratos ein richtiger Held. Für mich natürlich auch.

„Aber natürlich. Papa macht das schon.“, versicherte ich dem Kleinen, als ich ein leises Rascheln vernahm. War Kratos schon wieder zurück? Wahrscheinlich hatte er sich wieder Sorgen gemacht und war umgekehrt.

„Kratos, ich habe dir gesagt, dass mir nichts passieren wird.“, entgegnete ich etwas genervt.

„Da bin ich aber anderer Meinung.“, erklang eine Stimme. Aus dem Wald trat nun Kvar. Ihm folgten ein paar Desians.

„Kvar! Oh nein.“, brachte ich hervor.

„Schön, dass du dich noch an mich erinnerst, A012.“, erwiderte er mit einem Grinsen.

„Lloyd bleib hinter mir.“, sprach ich zu dem Kleinen und nahm meinen Stab hervor.

Ich konnte auch kämpfen. Das würde die gleich zu spüren bekommen. Wenn die es auch nur wagen sollten meinen Sohn auch nur ein Haar zu krümmen, würden sie ihr blaues Wunder erleben. Ein paar Desians kamen auf mich zu. Ich schlug sie mit meinem Stab nieder. Mit Technik konnte ich zwar nicht aufwarten, aber ich hatte Kraft. Jede Menge sogar.

„Ihr Stümper!“, schimpfte Kvar. Er griff mich mit Magie an. Ein Blitz schoss auf mich zu. Ich zuckte zusammen, versuchte aber stehen zu bleiben. Jetzt starteten die anderen Desians auch Magieangriffe. Diese zwangen mich in die Knie.

„Mama!“, schrie Lloyd. Ich beugte mich schützend über ihn. Allerdings griffen mich die Desians und zog mich auf die Füße.

Einer nahm Lloyd hoch.

„Nein. Nicht meinen Sohn! Lasst ihn in Ruhe!“, schrie ich, hatte aber nicht die Kraft mich zu wehren. Die Desians brachten uns weg. Zu einer Klippe.

„Kratos wird kommen und uns retten! Dann kannst du was erleben, Kvar!“, drohte ich dem Großfürsten. Dieser hielt mich fest. Ein Messer hielt er an meine Kehle. Ich konnte nichts tun.

„Na das hoffe ich doch. Ich rechne fest damit, dass der Engel kommt. Das ist unser Plan.“, kam von ihm.

Oh nein. Sie wollten Kratos in eine Falle locken. Und das war alles meine Schuld. Warum konnte ich mich auch nicht besser verteidigen. Jetzt würden sie Kratos was tun. Nur wegen mir.

Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende geführt, kam der besagte Engel mit Noishe aus dem Wald.

„Anna!“, schrie er mit gezogenem Schwert. Ich freute mich schon ihn zu sehen, aber besorgt war ich trotzdem. Hoffentlich ging Kvars Plan nicht auf.

„Aber, aber.“, hörte ich Kvar sagen. Kratos Blick wurde zorniger. Jetzt schien er sich umzusehen.

„Ist schon eine Weile her, nicht Kratos?“, fuhr der Desian fort. Kvar schien das zu freuen. Der erfreute sich ja gerne am Leid anderer.

Es begann zu regnen. Auch das noch. Konnte in solchen Situationen nicht mal die Sonne scheinen.

„Nicht sehr gesprächig. Wie auch immer. Ich führe nur Lord Yggdrasills Befehle aus. Auch wenn mir sein Plan nicht ganz gefällt, aber da kann man nichts machen. Trotzdem sollten wir das etwas unterhaltsamer gestalten, findest du nicht?“, rief Kvar gehässig. Was hatte der nur vor?

„Zunächst einmal werde ich mir wieder holen, was mir gestohlen wurde.“. Ich spürte wie seine Hand zu meinem Exphere glitt. Kvar wollte ihn mir doch nicht etwa abnehmen. Was würde dann wohl passieren. Ob ich sterben würde?

„Hör auf!“, schrie Kratos. Der Engel sah ziemlich verzweifelt aus. Er machte sich Sorgen um mich.

Ich hatte ja auch ziemliche Angst. Ich spürte wie ich leicht zitterte. Plötzlich zog der Halbelf hinter mir an meinem Exphere und hielt ihn in der Hand.

Ein starker Schmerz durchfuhr mich. Als Kvar mich losließ, sank ich auf die Knie.

Wieder pulsierten Wellen des Schmerzes durch mich. Sie gingen von meinem Hals aus.

Ich durfte mich davon nicht unterkriegen lassen.

//Reiß dich zusammen Anna!//

Ich musste Lloyd helfen. Ich war doch seine Mutter.

Mit aller Kraft unterdrückte ich den Schmerz, sprang auf und riss diesem Arsch von Großfürsten den Exhphere aus den Händen. Der sollte seinen Willen nicht haben. Schnell erschlug ich den völlig überraschten Desian neben ihn und packte Lloyd. Nun rannte ich so schnell ich konnte zu Kratos, welcher mich in die Arme schloss.

„Anna! Geht es dir gut?“, fragte mein Verlobter.

Ich hatte nicht die Kraft etwas zu antworten. Ich merkte wie Kratos mich langsam losließ und sich wohl Kvar zuwandte.

Ich hatte keine Kraft mehr. Meine Beine konnten mich nicht mehr halten. An meinem Hals schien es zu brennen. Es war unbeschreiblich heiß. Wie Feuer, nein noch heißer.

Diese Hitze breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Mein Blut kochte. Es brannte in meinen Adern wie Lava.

Ich bekam keine Luft mehr. Krampfhaft versuchte ich zu atmen. Die Hitze in meinem Körper war unerträglich.

Kratos Stimme war ganz weit weg.

„Es tut weh! Es tut so weh!“, schrie ich.

Diese Hitze. Sie verbrannte meine Haut, meine Knochen. Alles brannte.

Was um mich herum geschah merkte ich gar nicht mehr. Nur noch diese Hitze. Der Schmerz wurde immer schlimmer. Ich versuchte ihm irgendwie zu entgehen, aber vergebens.

Hoffentlich hörte es bald auf. Ich konnte das nicht länger ertragen.

„Anna! Bitte komm zu dir!“, erklang eine Stimme ganz weit weg. Ich erkannte sie sofort. Es war Kratos. Warum sollte ich zu mir kommen?

Ich konnte nichts sehen. Der Schmerz nahm mir die Sicht.

Ich versuchte den Schmerz zu unterdrücken. Verschwommen sah ich etwas. Kratos stand neben mir. Er war verletzt. Vor mir lagen Lloyd und Noishe. Noishe war verletzt.

Was war passiert? War ich das etwa gewesen. Ich erkannte eine Kralle vor mir. Das war meine Hand. Ich war ein Monster. Hatte ich Kratos etwa angegriffen? War ich zu sowas fähig?

Plötzlich spürte ich wie der Schmerz stärker wurde. Er drohte mich zu übernehmen. Würde ich dann wieder Kratos angreifen oder meinen eigenen Sohn? Das durfte ich nicht.

„Kratos!“, versuchte ich zu sagen. Ob er mich wohl hören konnte?

„Kratos ich kann nicht mehr. Ich kann es nicht mehr aufhalten.“, sprach ich. Der Schmerz wurde wieder etwas stärker.

„Doch versuche es!“, hörte ich Kratos Stimme. Er hatte mich also gehört.

„Ich…will dir und Lloyd nichts tun.“ Der Gedanke daran war schlimmer als alles andere. Wenn ich mir vorstellte, dass ich meinen Sohn tötete oder Kratos. Das wollte ich auf keinen Fall. Da wollte ich lieber…

„Bitte töte mich!“, flehte ich nun. Wenn das die einzige Möglichkeit war Kratos und Lloyd zu schützen, so nahm ich sie gerne in Kauf.

„Das könnte ich nicht.“, erklang Kratos Stimme.

Ich sah in sein gequältes Gesicht. Ich wusste es war schrecklich, was ich da von ihm verlangte aber…

Der Schmerz übernahm wieder die Oberhand. Ich konnte mich nicht mehr wehren. Dabei wollte ich noch mehr sagen, aber alles war wieder weg. Nur noch das Feuer in mir, welches mich immer weiter antrieb. Ich versuchte es zu unterdrücken aber vergebens. Ich durfte Lloyd nichts tun. Und Kratos auch nicht. Was wenn ich sie beide tötete. Nein auf keinen Fall durfte das passieren.

Dann spürte ich einen anderen Schmerz. Nicht so stark wie das Feuer, aber trotzdem ziemlich stark. Dieser Schmerz ließ das Feuer verschwinden. Es ließ nach. Der Schmerz verebbte.

Ich fühlte mich nun schwach aber es war angenehm, da das Feuer nun endlich weg war. Aber was war mit Lloyd und Kratos? Waren sich noch…? Ging es ihnen gut?

„Anna!“, hörte ich eine Stimme. Das war Kratos. Er war also noch am Leben. Martel oder wem auch immer sei Dank.

Ich spürte wie Kratos mich in die Arme nahm.

Ich war so glücklich, dass er noch lebte.

„Anna, ich, es tut mir Leid.“, sprach er. Der Anblick passte gar nicht zu Kratos. Er sah verzweifelt an. Ich sah etwas, was ich noch nie bei ihm gesehen hatte. Tränen. Er weinte. Mein tapferer und sonst so kühler Kratos weinte. Wegen mir. Dass hätte ich nie gedacht. Kratos der um mich weint.

„Ach Kratos.“, sprach ich. Vorsichtig berührte ich seine Wange. Sie war ganz heiß und etwas feucht.

„Engel können also doch weinen.“, meinte ich.

Langsam verließen mich meine Kräfte. Ich würde sterben. Ich wusste es. Allerdings hatte ich immer gedacht, ich hätte Angst, wenn ich sterben würde.

Ein bisschen Angst hatte ich vielleicht, aber eigentlich war ich glücklich.

Ich hatte ein wunderschönes Leben gehabt. Soviel hatte ich gar nicht erwartet. Als ich auf die Menschenfarm gekommen war, hatte ich zwar immer gehofft, dass ich da wieder rauskommen würde, aber… Wie hätte ich ahnen sollen, dass mich dieser dreckige Engel, der mich damals befreit hatte, derartig glücklich machen konnte?

Ich und einen Engel lieben. Das hätte ich mir selbst nicht geglaubt, wenn ich es nicht erlebt hätte. Kratos war aber einfach ein besonderer Mensch. Er hat mir meine Freiheit wiedergegeben, mir Liebe geschenkt und mir meinen größten Traum erfüllt: Eine Familie.

Dieser Engel, der mich in seinen Armen hielt, hatte mich zur glücklichsten Frau der Welt, nein beider Welten gemacht. Ohne ihn wäre mein Leben einsam und sinnlos gewesen. Ich bereute überhaupt nichts. Auch wenn ich jetzt sterben sollte, so war ich doch glücklich Kratos begegnet zu sein. Meinem liebevollen, dreckigen Engel.

Langsam wurde mir schwarz vor Augen. Meine Kräfte verließen mich. Jetzt war es also zu Ende.

Vielleicht auch nicht. Auch wenn ich keine Kraft mehr hatte, so merkte ich noch etwas. Ein Krachen. War das normal, wenn man starb?

Ich hatte das Gefühl als würde ich fallen. Mit viel Kraft öffnete ich die Augen.

Ich fiel tatsächlich. Steine fielen mit mir hinab, aber nicht nur Steine. Auch Noishe fiel einige Meter von mir entfernt und…? Direkt neben mir. War mein kleiner Junge. Lloyd. Er fiel mit mir in die Tiefe. Waren wir von der Klippe gestürzt?

Ich überlegte gar nicht erst weiter. Mit meiner letzten Kraft zog ich Lloyd zu mir und drückte ihn an mich. Vielleicht konnte ich so seinen Sturz abfedern. Ihm durfte nichts passieren. Nicht jetzt.

Nun spürte ich einen starken Schmerz in meinem Rücken. Mir wurde kurz schwarz vor Augen. Dann sah ich ein Monster. Es kam auf mich und Lloyd zu.

Ich hatte nicht mehr die Kraft, um Lloyd zu beschützen. Der Kleine lag bewusstlos in meinen Armen. Er atmete allerdings noch. Den Sturz hatte er wohl überlebt.

Kurz bevor uns das Monster erreichte wurde es von etwas Großem erschlagen. Es war kein Stein sondern ein Hammer. Dieser wurde von einem kleinen bärtigen Mann geschwungen: Ein Zwerg.

„Ist alles in Orrrdnung?“, fragte dieser.

„Mein Sohn.“, sprach ich. Allerdings hatte ich kaum noch Kraft zu sprechen.

„Was ist passierrrt?“, fragte der Zwerg.

„Die Desians. Mein Exphere.“, versuchte ich zu erklären, was mir aber nicht so Recht gelang.

„Bitte passen sie auf meinen Sohn auf.“, bat ich.

Der Zwerg nahm mir meinem Kleinen ab. Ich legte meine Hand auf den Kleinen. Dort hatte ich immer noch meinen Exphere. Dass ich ihn die ganze Zeit in der Hand behalten hatte wunderte mich schon.

„Er heißt Lloyd. Lloyd Irving.“, sprach ich schwach. Ich erinnerte mich daran wie ich mit Kratos wegen Lloyds Nachnahmen gestritten hatte. Ich wollte ihn eigentlich den Namen seines Vaters geben, aber Kratos war dagegen. Er meinte es wäre zu gefährlich, das sie Lloyd so mit ihm in Verbindung brachten. Die Desians würden ihn wohl gefangen nehmen, wenn er Kratos Nachnahmen trug.

Wenn ich es jetzt betrachtete hatte der Engel wohl Recht gehabt. Hoffentlich würden die Desians Lloyd nie finden.

„Hey Lady!“, schrie der Zwerg nun.

Meine Augen schlossen sich langsam. Jetzt konnte ich wohl in Ruhe sterben. Meinem Sohn ging es gut. Er war in Sicherheit. Kratos würde ihn bestimmt finden. Lloyd brauchte seinen Vater, aber noch viel mehr brauchte Kratos seinen Sohn. Lloyd würde ihm sicherlich Kraft und vor allem Hoffnung schenken.

Mit diesen Gedanken verschwamm alles und ich driftete weg bis alles verschwunden war.

Zusatzkapitel: Der Unnahbare Engel(Kratos Sicht)

Die Sonne war bereits untergegangen. Am Himmel konnte man nun die Sterne sehen.

„Wow toll!“, schrie Anna wie immer begeistert. Wie schaffte sie es nur sich für alles zu begeistern?

„Das sind doch nur Sterne. Die sind jede Nacht da.“, sprach ich gelangweilt.

„Bitte?!“

Jetzt war sie empört. Das merkte man gleich.

„Nur Sterne?! Die sind doch einfach fantastisch. Sie funkeln, obwohl es dunkel ist. Man kann sie sehen, obwohl sie so weit weg sind. Sieh sie dir doch genau an.“

Ich sah nach oben. Die Sterne waren wirklich schön und heute sehr gut sichtbar.

„In Nächten wie diesen kommt es mir immer so vor, als würde ich in den Himmel hineingezogen.“

Seltsame Umschreibung wie ich fand, aber doch…

„Wie klein wir doch sind im Vergleich zu den Stern. Wenn man bedenkt, dass auf jeden Stern eine Welt wie unsere sein könnte.“, beschrieb Anna.

So hatte ich das auch noch nie betrachtet. Irgendwie hatte sie Recht.

„Guck mal. Das Sternbild da. Sieht aus wie eine Katze oder?“, rief Anna. Sie kam zu mir gerannt und zeigte in den Himmel.

Ich versuchte es zu finden und tatsächlich mit viel Fantasie konnte man eine Katze erkennen.

„Das da sieht aus wie Noishe.“, sprach ich und zeigte auf ein Sternenbild, was Noishe sehr ähnlich war.

„Du hast Recht. Toll nicht.“

Ich sah zu Anna. Sie starrte immer noch völlig begeistert in den Himmel. So begeistert hatte ich sie bisher noch nie gesehen. Dabei war sie sonst auch immer ziemlich enthusiastisch.

Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Wie sie da stand. Es war einfach. Ich konnte es einfach nicht beschreiben. Mir war auf einmal richtig …anders? Glücklich ohne jeden Grund.

Was war nur mit mir?

„Sind sie nicht einfach wunderschön.“, schwärmte Anna.

„Ja, wunderschön.“, sprach ich wobei ich immer noch Anna ansah. Sie war wirklich wunderschön.

Jetzt sah sie mich an. Ihr Blick war irgendwie…schüchtern. Das passte gar nicht zu ihr. Stand ihr aber ungemein.

„Ehm…“, stammelte sie, wobei sie etwas nach unten sah.

Mir war auf einmal ganz warm, dabei müsste es hier kalt sein. Es kümmerte mich nicht wirklich. Irgendwie war ich ganz benommen.

Nun lehnte ich mich leicht nach vorne und legte meine Lippen vorsichtig auf Annas.

Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus. So etwas hatte ich noch nie gefühlt.

Unser Kuss war nicht von langer Dauer.

Wir sahen uns nun an. Keiner sagte ein Wort.

//Was habe ich bitte gerade getan? Ich habe sie geküsst//

Ich konnte es nicht glauben. Warum tat ich so was? Ich konnte doch keine Gefühle für Anna entwickelt haben. Nein das durfte nicht sein.

Ich drehte mich um und ließ die Braunhaarige einfach stehen. Das musste ich erst mal verdauen.

Ich ging ins Gasthaus. Völlig verwirrt legte ich mich ins Bett. Das war ja nicht mein erster Kuss. Na gut irgendwie schon. Die anderen Frauen hatten mir früher Küsse aufgezwungen, wenn ich nicht aufgepasst hatte, aber das mit Anna.

Meine Wangen wurden rot.

Nannte man das Liebe? Ich war mir nicht sicher. Immerhin war ich noch nie verliebt. Mit viertausend Jahren. Das war schon eine schwache Leistung, aber Liebe war nie was für mich. Warum verliebte ich mich ausgerechnet jetzt?

Viel wichtiger war die Frage was ich jetzt tun sollte. Ob Anna auch etwas für mich empfand? Warum sollte sie? Immerhin war ich sozusagen Schuld an ihrer Situation auf der Menschenfarm damals. Cruxis befehligte ja die Desians. Sie wusste nichts zwar davon.

Trotzdem hatte sie jemanden besseren verdient, als mich.

Zudem wurde ich von Cruxis gejagt. Würden die rauskriegen, dass Anna mir irgendetwas bedeutete, dann wäre sie in großer Gefahr. Das musste ich verhindern. Nur wie?

Anna betrat nun das Gasthaus. Ich lag mit dem Rücken zu ihr.

Vielleicht dachte sie ich würde schlafen? Momentan wusste ich auch noch nicht wie ich reagieren sollte. Ich musste mir bis morgen was einfallen lassen.

Anna schien zu zögern, sprach mich aber nicht an. Dann legte sie sich auch ins Bett.

Es dauerte auch nicht lange bis ich einschlief.

Zusatzkapitel: Annas Entschuldigung(Kratos Sicht)

„Mhm“, erklang es hinter mir. Anna wachte allmählich auf.

Ich ging zu ihr hinüber.

Mit verheulten Augen sah sie mich an.

„Geht es dir etwas besser?“, fragte ich.

Sie nickte leicht. „Ich…“ Ihre Stimme war etwas schwach.

„Schon gut. Trink erst mal etwas.“, forderte ich und hielt ihr die Wasserflasche hin.

Anna nahm einen großen Schluck.

Ich setzte mich neben sie. Für eine Weile schwiegen wir, bis Anna die Stille unterbrach.

„Kratos?“

Ich sah sie an. Das war das erste Mal, dass sie mich bei meinem Namen nannte.

„Ich…danke dir.“

Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Wo kam das auf einmal her?

„Dafür, dass du mich gerettet hast und weil du mir geholfen hast. Und auch weil du…für mich da warst.“

Ich erwiderte nichts.

Nun war ich völlig verwirrt. Warum bedankte sie sich? Verstehe einer diese Frau.

„Ich…war gemein zu dir.“, sprach sie nun.

Das mit den verstehen, bekam ich noch nicht so hin. Sie hatte gerade ihren Vater verloren und sie dachte nur daran, dass sie mich schlecht behandelt hatte.

„Mach dir darum keine Sorgen. Es gab schon unzählige Leute, die mich wesentlich schlechter behandelt haben, als du.“, antwortete ich ruhig.

„Aber ich…Du hast mich gerettet und ich habe dir noch nicht mal gedankt.“, meinte sie nun.

„Mhm“ Mehr fiel mir dazu nicht ein.

Wieder schwiegen wir kurz.

„Wie kommst du eigentlich jetzt auf dieses Thema?“, fragte ich.

Anna lächelte kurz. „Ich bin ziemlich wechselhaft und launisch. Das haben mir schon viele Leute gesagt.“

Sie seufzte, worauf ihr Lächeln verschwand.

„Ich musste daran denken, wie meine Mutter gestorben ist.“

Ich sagte nichts und hörte ihr zu.

„Meine Mutter wurde kurz nach meiner Geburt von den Desians gefangen genommen.“

„Wurdest du da auch gefangen genommen?“

„Ja. Sie brachten an mir diesen Exphere an, als ich gerade mal ein paar Tage alt war. Wie auch immer. Als ich vier war, versuchte meine Mutter mit mir zu fliehen.“

„Die Desians haben sie erwischt?“

Es war eher eine Feststellung als eine Frage.

Anna seufzte. „Wir hatten es fast zu Ausgang geschafft, als…ein Engel erschien.“

Leicht geschockt sah ich sie an. Was hatte ein Engel dort verloren?

„Ich kann mich noch genau an ihn erinnern. Er hatte blonde lange Haare und kalte blaue Augen. Aus seinem Rücken wuchsen lila Flügel.“

Mir war nun sehr unwohl. Ich wusste genau von wem sie da sprach. Es gab gar keinen Zweifel.

„Er hat sie einfach getötet. Mit einer Energiekugel. Obwohl meine Mutter schwer verletzt war griff sie den Engel noch an und ermöglichte mir somit die Flucht.“

Ich sah nur benommen auf dem Boden. Dass Mithos zu so was fähig war, konnte ich nicht glauben. Trotzdem wusste ich, dass Anna die Wahrheit sprach.

„Deswegen…hasse ich Engel so sehr. Als ich dich, dass erste Mal gesehen habe, war ich so wütend. Dabei warst du so nett zu mir. Du hast mich gerettet, dich um mich gekümmert und du wolltest mir sogar helfen meinen Vater zu retten.“

„Letzteres ist mir misslungen.“, sagte ich ruhig, obwohl ich es doch bereute.

„Das war nicht deine Schuld. Du…hast meinen Vater nicht umgebracht. Du warst auch nicht derjenige, der meine Mutter getötet hat. Es tut mir Leid. Ich habe dich für das gehasst, was du bist, dabei habe ich so was immer abgelehnt. Ich habe immer daran geglaubt, dass Menschen, Halbelfen und Elfen, genau wie die anderen Rassen in Frieden miteinander leben können. Dabei habe ich selbst alle Engel verachtet, nur weil der eine etwas Schlimmes getan hatte.“

„Das ist ganz natürlich. So was liegt nun mal im Wesen eines Menschen.“, versuchte ich sie zu beruhigen.

Anna schüttelte den Kopf. „Das war aber nicht fair dir gegenüber. Ich hoffe du verzeihst mir.“

Ich nickte.

Nun war es wieder still.

„Was hast du jetzt vor?“, fragte Anna.

Gute Frage? Was hatte ich vor? Einen richtigen Plan hatte ich noch nicht. Zunächst sollte ich mich wohl um die Menschenfarmen kümmern.

„Ich habe mich entschlossen gegen die Desians zu kämpfen.“, antwortete ich. „Vorher setzte ich dich allerdings in Luin ab.“

Anna sah nicht begeistert aus. Wollte sie nicht nach Hause?

„Ich werde dich begleiten und gegen die Desians kämpfen!“, platzte es nun aus ihr heraus!“

„Nein.“, lehnte ich ohne zu zögern ab. Was dachte sich die Braunhaarige. Dass das ein Spaziergang wird?

„Warum nicht?!“, fragte sie allen Ernstes.

„Es ist viel zu gefährlich. Außerdem wärst du mir nur im Weg.“, erklärte ich.

„Ich kann auch kämpfen. Außerdem habe die Desians meine Eltern getötet. Ich will mich rächen.“, beteuerte sie und sah entschlossen aus.

„Meine Antwort ist Nein und damit basta!“, sprach ich bestimmt.

Nun sah sie beleidigt zur Seite. Allerdings schien sie noch nicht aufgegeben zu haben.

„Dann kämpfe ich gegen alleine gegen die Desians. Das entspricht dann bestimmt deiner Vorstellung mich an einen sicheren Ort zu bringen.“

Jetzt kam sie schon wieder damit. Wie oft wollte sie diesen Trick noch anwenden. Was sollte ich jetzt tun. Ich konnte ja nicht mein Leben lang auf sie aufpassen. Allerdings konnte ich doch auch nicht zulassen, dass sie sich in Gefahr begab. Vielleicht sollte ich sie doch in Luin absetzen. Ohne dass sie es merkte natürlich.

„Wir sollten vorher trotzdem in Luin eine Rast machen.“, schlug ich vor. Wenn wir dort waren konnte ich sie einfach zurücklassen.

„Auf keinen Fall. Du willst mich nur dort zurücklassen. Wir gehen dorthin wo dein nächstes Ziel ist!“, konterte sie. Dumm war sie ja nicht. Ich musste mir was anderes einfallen lassen.

„Die Palmacosta Menschenfarm“, sagte ich trocken. Es hatte auch den gwünschten Effekt. Anna stand förmlich ins Gesicht geschrieben, dass sie nie wieder zu einer Menschenfarm wollte. Bestimmt würde sie es sich noch einmal überlegen.

„Dann wohl doch eher Luin.“, meinte ich nur.

Jetzt schüttelte sie enrgisch den Kopf. „Nein. Wir müssen den Menschen auf der Farm helfen. Also müssen wir zur Farm. Ich schaffe das schon. Alos zum Hakonesia-Pass, richtig?“, widersprach sie.

Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Sie wollte wirklich mitkommen. Ich seufzte. Mir blieb wohl keine andere Wahl. Vielleicht überlegte sie es sich ja noch anders.

Ich ging also vor. Worauf mir meine Begleiterin folgte.

Zusatzkapitel: Wie man einen Engel dressiert (Annas Sicht)

„Auf jeden Fall müssen wir hier weg. Sie werden Kratos bestimmt hier in der Nähe suchen, wenn er nicht zurückkehrt… Du bleibst doch bei uns, oder Kratos?“

Wie immer keine Reaktion.

„Ich nehme das als ‚Ja‘. Also gut wir...“ Ich zögerte kurz und sah mich um. „…gehen nach Izold!“

Dann stiefelte ich los. Allerdings folgten mir weder Noishe noch Kratos.

„Was?“, fragte ich gereizt. Hatten die ein Problem mit meiner Führung?

Noishe jaulte und drehte sich um.

„Lass mich raten. Izold liegt in dieser Richtung.“

Noishe nickte.

Also ging ich in die andere Richtung.

„Kratos komm mit!“, befahl ich.

Der Engel blieb zunächst untätig, setzte sich dann aber in Bewegung.

„Geht doch.“, sagte ich zufrieden.

Auf dem Weg hielten wir am Meer an. Schließlich brauchte mein Engel ein Bad. Und ich auch.

„Auf in die Fluten!“, rief ich voller Begeisterung und stürzte ins Wasser.

Noishe lag weiter weg auf dem Gras und sonnte sich. Kratos stand einfach nur da. Wusste der jetzt nicht wie man sich wäscht?

Ich ging zu ihm und versuchte ihn ins Wasser zu zerren. Ohne Erfolg. Der Engel bewegte sich keinen Millimeter. Egal wie sehr ich an ihm zog.

„Kratos, beweg dich!“, zischte ich, während ich an seinem Arm zog. Dann gab er nach und ich landete im Sand.

Böse funkelte ich den Engel an. „Das hast du doch mit Absicht gemacht!“, fauchte ich, stellte mich vor ihm und stemmte die Hände in die Hüfte.

Leider bewirkte es gar nichts. Der Rothaarige stand unbeeindruckt da. Er hatte sich nur etwas in meine Richtung bewegt.

„Ok. Geh zum Wasser!“, forderte ich. Der Angesprochene tat nichts. Wieso hörte er manchmal auf mich und manchmal nicht? Gab es da einen Trick. Musste ich meine Stimme ändern. Vielleicht so reden wie Yggdrasill? Bloß nicht.

Ich holte einen Stock. „Kratos, hier hol das Stöckchen!“, rief ich scherzhaft und schmiss ihn ein paar Meter weiter. Der Engel tat prompt wie ihm befohlen und brachte mir den Stock.

Völlig baff sah ich ihn an.

„Du kannst apportieren. Ich habe einen Engel das Apportieren beigebracht.“

Ich nahm den Stock und schmiss ihn erneut. „Hol!“

Kratos tat nichts.

„Keine Lust mehr oder wie?“

Den sollte man verstehen. Ich probierte es erneut mit dem Stock.

„So Kratos. Schmeiß ihn ins Wasser!“

Der Engel tat es.

„Dreh dich im Kreis!“

Nichts.

„Was war daran jetzt anders? Der Befehl war genauso wie der davor.“

Ich überlegte. Wo war der Trick? Ich hatte meine Stimme bei beiden Befehlen nicht verändert. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass es an Kratos Willen lag. Er war wohl eher geneigt sich zu drehen, als einen Stock zu apportieren.

„Dreeeeeh dich!“, versuchte ich es erneut. Noishe beobachtete mich interessiert. Ab und zu bemerkte ich, dass er mit dem Schwanz wedelte.

„Kratos, dreh dich verdammt!“, fauchte ich frustriert.

Er drehte sich. Musste ich immer erst wütend werden bis er reagierte? Meine armen Nerven.

Der Engel drehte sich immer noch.

„Du kannst aufhören.“

Er machte weiter.

„Hör auf!“, schrie ich nun wütend. Allerdings hörte er immer noch nicht und drehte sich munter weiter. Ich fragte mich, ob er nicht einen Drehwurm bekam.

Als ich seinen Arm festhielt, um ihn anzuhalten, drehte er mich mit sich.

„Kratos, bleib stehen!“, meckerte ich, was er diesmal auch befolgte.

Ich hatte so langsam eine Idee woran es lag.

„Kratos, leg dich in den Sand!“ Wie erwartet tat es der Rothaarige.

„Kratos, beweg dein Arme und Beine hoch und runter.“

Wieder tat er es.

„Du hast einen Sandengel gebaut. Wie süß. Ich muss wohl immer deinen Namen sagen, wenn ich dir was Befehle.“, stellte ich fest.

„Also gut…Kratos, küss mich!“, befahl ich. Der Engel tat diesmal nichts.

„Was? Ich habe deinen Namen gesagt. Vielleicht liegt es am Befehl.“, murmelte ich.

„Ok. Kratos leg deine Lippen auf meine.“

Das schien er zu verstehen, da er seine Lippen auf meine legte. Allerdings war in dieser Aktion nicht der Hauch von Leidenschaft. Er verharrte auch in dieser Position bis ich mich entfernte.

„Das bringt nichts. Ich will den alten Kratos wieder.“

Traurig ließ ich mich zu Boden sinken und sah den Engel an. Er zeigte wirklich keine Gefühle. Keine Anzeichen von Menschlichkeit.

„Was macht dieser Stein nur mit dir. Ob ich wohl auch so werde?“, fragte ich mich und berührte meinen Exphere. Immerhin hatte ich auch keine Schutzfassung. Ob der Stein mich irgendwann auch übernehmen würde?

„Kratos, tröste mich doch mal.“, bat ich. Der Engel tat nichts. Mit so einem Befehl wusste er nichts anzufangen.

„Kratos, setzt dich neben mich und leg einen Arm um mich.“, befahl ich leise. Der Engel hatte es natürlich gehört und tat wie ihm befohlen.

Es fühlte sich falsch an. Auch wenn er mich jetzt berührte, so tat er es nicht aus freien Willen.

Trotzdem lehnte ich mich an ihn und seufzte. Dann rümpfte ich die Nase.

„Du stinkst!“

Der Engel war ja auch immer noch dreckig.

„Kratos geh dich waschen!“, befahl ich, was er befolgte. Dann wusch ich mich selbst. Es war schwierig kein Trübsal zu blasen. Kratos fehlte mir. Der richtige Kratos. Seine sanfte Art. Auch wenn er unbeholfen war, war er süß. Selbst sein knappes „Mhm“ und seine kurzen Antworten fehlten mir.

Noishe stupste mich ab und zu an, während wir weiter nach Izold gingen. Er merkte, dass es mir nicht gut ging und versuchte mich wohl zu trösten. Das hätte ich mir jetzt mehr von Kratos gewünscht, aber der Engel lief emotionslos neben mir her.

Zum Abendessen gab es Fisch, welchen ich gefangen hatte. Immerhin war mein Vater Fischer. Vom Fischen verstand ich was.

„Hast du keinen Hunger?“, fragte ich Kratos, da er den Fisch vor ihm nicht anrührte. Musste ich ihm selbst das essen befehlen? Wahrscheinlich schon. Engel brauchten ja eigentlich nicht essen. Hatte mir Kratos mal erzählt.

Auch mit dem Schlafen hatte er es nicht so. Er blieb die ganze Nacht stehen. Hätte ich einen Schrank gehabt, hätte man ihn vermutlich darin verstauen können.

„Kratos leg dich neben mich!“, forderte ich. Als der Engel lag sah ich zu den Sternen. Sie waren so schön wie immer, aber sie ohne Kratos anzusehen, war nicht das gleiche.

„Kratos, du solltest die Sterne zählen, wenn du nicht schlafen kannst. Mach ich auch manchmal. Allerdings komme ich nie sehr weit.“, sprach ich und fing an zu zählen.

Nach nicht mal 50 Sternen schlief ich ein.

Am nächsten Morgen wachte ich an Kratos gekuschelt auf. Der Engel hatte sich natürlich nicht bewegt. Er lag noch genauso wie gestern Abend da. Sein leerer Blick starrte in den Himmel.

„Morgen.“, begrüßte ich ihn und streckte mich. Die Sonne stand schon recht weit oben. Kratos hatte mich ja auch nicht geweckt wie sonst üblich.

Nun kam Noishe zu mir und jaulte kurz.

„Willst du jagen oder so? Du kannst ruhig gehen.“, meinte ich. Der Protozoan verabschiedete sich ja häufig um jagen zu gehen oder ähnliches. Was Protozoan eben so machten.

Nachdem Noishe gegangen war, drehte ich mich zu Kratos. Der Engel lag immer noch am Boden.

„Kratos steh auf!“, befahl ich und streckte mich. Ich packte unsere Sachen zusammen und ging mit Kratos weiter.



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