Silent Heaven von YuumaTsukumo (- Nach dem Ende der Welt) ================================================================================ Kapitel 1: 01 - End of the world -------------------------------- Heute war es einer der wenigen Tage, an dem der Himmel völlig klar war und in seiner blauen Farbe erstrahlte. Einer der wenigen Tage, an dem man unbeschwert länger in der Außenwelt bleiben konnte, ohne von irgendwelchen Stürmen oder Schlimmeren überrascht zu werden. Der junge Mann namens Yuuma strecke sich aus der Tür hinaus und atmete die frische salzige Luft. Es tat gut einmal trockene Luft zu riechen, nachdem der Himmel ja immer so süß nach Regen roch. Lang war es her. Der junge Mann mit dem schwarzen Haar und rosenroten Strähnen streckte sich in der warmen Brise dieses Morgens und begrüßte den Tag mit einem lauten Ruf. Es würde ja sowieso keinen stören, von daher konnte er so laut sein wie er wollte. So war das in dieser Welt, sie war tot. Niemand war mehr hier, die Stadt vor ihm ist versunken unter der mächtigen Gewalt des Meeres, an den wenigen Gebäuderesten, die noch aus dem Wasser ragten kletterten Algen und Moos hoch, von dem silbernen Stahl und Eisen war kaum mehr etwas zu sehen, alles war bedeckt von einem dunklen Grün. Hinter der versunkenen Stadt erstreckte sich das weite Wasser des Meeres. Da, wo früher nur Land war war nur noch blaues, wellendes Wasser. Die Ruinen der Stadt, die aus dem Wasser ragten. Das war ihre Welt, ihre untergegangene Welt. Und niemand sonst lebte mehr auf diesem Planeten, nur er und die beiden anderen letzten Menschen auf dieser Erde. „Wunderbares Wetter heute! Das sollten wir ausnutzen, hehe!“ Eine zweite Person kam durch die Tür hinaus, strich sich mit Daumen und Zeigefinger über seine müden Augenlider, die er dann öffnete und die Umgebung betrachtete. „Dass du immer so früh schon Energie bei dir hast. Und das, obwohl wir gestern kaum etwas gegessen haben.“ Es war ein junger Mann mit blondem Haar und grünen Strähnen, der einige Zentimeter größer war als Yuuma und sichtlich etwas älter. Sein Name war Kaito. „Hunger habe ich immer noch! Hoffentlich finden wir heute etwas richtiges zu Essen! Immerhin bin ich noch im Wachstum!“ - „Wachstum? Du bist 17 Jahre alt!“ - „Eben! Ich bin der Jüngste und kaum größer als du! Ich muss noch wachsen, siehst du das nicht?“ - „Schluss jetzt!“ Ein weiterer junger Mann mit blauem Haar und blauen Augen trat aus der Tür hinaus und blickte in den ebenso blauen Himmel. „Nutzen wir das Wetter aus und machen uns auf, bevor es wieder anfängt zu regnen.“ Ryouga, wie er hieß, hatte durchaus Recht. In der jetzigen Welt, in der sie völlig allein lebten hatte sich das Wetter sehr verändert. So etwas wie Schnee gab es schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr und jeden Tag war es warm, sehr warm. Wenn mal die Sonne schien war das ein Glück denn es regnete beinahe jeden Tag im Jahr. Das lag daran, dass die Wärme nun die Pole, wie die Menschen es vor langer Zeit vorausgesagt hatten, dabei waren zu verschwinden und nach und nach stieg der Meeresspiegel immer mehr an. Ihre eigene Stadt, in der sie selbst einmal gelebt haben war inzwischen in dem tiefen Wasser so gut wie verschwunden, nur einige große Wolkenkratzer ragten noch hier und da aus dem Wasser hinaus, an denen sich das bisschen Moos, was noch übrig war von all den vielen anderen Häusern noch heften konnte. Sonst hatte das salzige Wasser des Meeres, des Ozeans alles verschlungen, was von der Menschheit noch übrig war. Yuuma blickte auf die Ruinen und wurde ein wenig wehmütig. Er konnte es sich kaum vorstellen, dass die Menschen allein an alledem Schuld waren, dass sie allein alle Kreaturen dieser Erde vernichtet hatten, aber war er denn besser? Auch er tötete die letzten Lebewesen, achtete nicht darauf, wie viele es von ihrer Rasse noch gab und aß sie, um selbst zu überleben. Der Wind blies in sein Gesicht und spielte mit seinen Haaren. „Es ist komisch...nun leben wir hier schon seit fast 10 Jahren und...dennoch kommt es mir wie gestern vor, als plötzlich alle tot waren und wir allein. Und bisher ist niemand sonst gekommen, niemand ist gekommen um nach Überlebenden zu suchen. Ich frage mich....“ Sollte er es wirklich aussprechen? Es war schon lange klar, dass sie drei die Letzten auf dieser Erde waren, niemand sonst war jemals da, niemand sonst hatte jemals auf ihr Rufen reagiert. Keine Vögel mehr, keine Hunde mehr, keine Insekten, nichts war mehr das, nur einige Fische tanzten noch in einigen Gewässern. Die einzigen Wesen, die atmeten und lebten waren er, Kaito und Ryouga. Eine Hand legte sich auf seine Schulter, beruhigend und verständnisvoll, so auch das Gesicht des Älteren, in welches er blickte. „Leider ja, Yuuma. Aber wir sollten das letzte Leben dieser Erde nicht verschwenden. Außerdem...du bist nicht allein! Wir bleiben bei dir bis zum letzten Atemzug!“ Es erfreute den Rotschopf sehr, dass Kaito das sagte und Ryouga offenbar auch so empfand, es war auf jeden Fall ein großer Trost! „Ihr habt Recht! Leben wir das letzte Leben dieser Erde. Wir haben alle gewusst, dass das Ende der Welt früher oder später kommen wird!“ Nur, dass ausgerechnet er das miterleben würde, das hätte er niemals gedacht und wer wusste schon, wann es wirklich vorbeigehen würde. Yuuma wollte allerdings nicht mehr darüber nachdenken. Seine Finger schnappten nach seiner Angel und er rutschte den feuchten steilen Hügel hinab nach unten in Richtung des Wassers. „Yuuma!“ rief der Blauschopf zu seinem Freund hinunter, der bereits auf dem Weg zu seiner Arbeit war. „Geh nicht soweit weg! Es könnte jederzeit wieder regnen!“ - „Ja ja!“ Manchmal benahmen sie sich wie seine Eltern, dabei waren sie auch nicht älter als er selbst. Ihm war es bewusst wie gefährlich es war im Regen draußen zu sein. Der Boden weicht auf und man kann schnell in dem tiefen Wasser landen, dessen Strömungen einen in den Tod mitreißen, diese Erkenntnis hatten sie vor langer Zeit schon einmal gemacht, als sie noch zu viert waren. Yuuma tat es immer noch Leid um ihn, ihrem alten Freund, aber die Gewalt der Natur durfte man eben nicht unterschätzen. Man hatte es gesehen, wie das Wasser eine ganze Stadt in nur wenigen Momenten völlig ertränken und töten kann. Vector wollte es nicht anders verstehen und nun war er tot. Aber dies lag auch schon ein paar Jahre zurück. Schließlich hatte Yuuma seinen üblichen Platz am Ufer gefunden: Er saß sich auf den bemoosten flach geschliffenen, weißen Ton, holte aus und versenkte den Köder ins Wasser. Durch die Strömungen wurde dieser ab und an ins Wasser gezogen, aber der junge Mann hatte seine Angel schon gut unter Kontrolle, damit ihm diese nicht abhanden kommt. Seine beerenroten Augen streiften über den Horizont vor ihm. Noch immer war es für ihn unvorstellbar, es war einfach völlig surreal...es war einfach unvorstellbar, dass hier einmal viele Menschen gelebt haben. Tausende, Millionen! Dass die Straßen durchflutet waren mit ihnen, die Häuser laut und bunt, überall waren Stimmen zu hören. Und nun hörte Yuuma nichts mehr bis auf das Plätschern des Wassers und das Rauschen des Windes. Kein Vogel war zu hören, wie auch? Es gab ja keine mehr. Wenn er so darüber nachdachte fiel ihm auf, dass er noch nie das Zwitschern eines Vogels gehört hatte, er konnte es sich nur vorstellen vom Hören-Sagen. In seiner kleinen Fantasie spitzte er nun die Lippen und pfiff kleine Lieder und Melodien, die ihm so in den Kopf schwirrten. Die ganze Welt um ihn herum, wie sie sich drehte und bewegte war ihm einfach zu still. So pfiff er seine Lieder, laut und schnell, leise und langsam, auch mal laut und langsam. Er konnte sich einfach an nichts mehr erinnern, er hatte sogar das Gesicht seiner Mutter vergessen. Bedrückt lies er in diesem Moment den Kopf sinken und seinen Körper lose. Es tat ihm so Leid, dass er sie vergessen hatte, ihr Gesicht und ihre Stimme. „Okaa-san....“ Plötzlich zog etwas wild an dem Köder und die Angel flutschte ungehalten aus den Händen Yuumas. „H-Hey WARTE!!!“ Er wollte noch nach diesem greifen, doch stattdessen landete die Angel im Wasser und trieb noch zur Hälfte auf der Oberfläche. Der Junge knurrte. „So ein....verflixt...“ Kaito und Ryouga würden sauer sein, das wusste er jetzt schon! Eine Angel weniger bedeutete weniger Essen und dabei hatten sie doch sowieso schon zu wenig zu Essen. Also musste er sich etwas einfallen lassen. Es war Fakt: Er musste die Angel dringend zurückholen! Yuuma blickte auf die Angel, die im Wasser trieb, das tödliche Meer aus Salzwasser und Ruinen, das vor Strömungen nur so strotzte, unsichtbare Todesfallen. Ängstlich schluckte er die trockene Luft seine Kehle hinab, es ging hier ums überleben! Er brauchte die Angel! So kletterte der Rotschopf den Tonstein runter und weiter hinunter dem Ufer entlang, bis seine Füße beinahe über den Abhang reichten. Er blickte sich nach etwas zum festhalten um., doch er konnte sich nur im Gras festhalten. Ein gewagter Blick nach unten lies deutlich wurden, wie tief das Wasser vor ihm war, es war so dunkel er konnte nicht einmal Gebäude oder Straßen erkennen. Die Finger tief ins Gras geschnitten beugte er sich also weit nach vorne, den Arm gestreckt und die Finger seiner linken Hand versuchten den Griff der Angel zu erreichen., doch sie schien immer mehr fort zu treiben. „Mist! Nein! Komm her! Nicht weg fließen!“ Wieder blickte Yuuma nach unten. Er hatte Angst vor dieser Tiefe, nicht nur, weil es so dunkel war. Da unten waren all die Menschen, die hier ihren Tod gefunden haben, auch Vector..und seine Mutter. Er hatte Angst vor dem Anblick ihres Körpers, wusste nicht, wie sie aussehen würde. Lieber wollte er die wenigen Erinnerungen, die er noch an sie hatte so behalten, wie sie waren. Er wollte sie nicht ersetzen durch einen scheußlichen Anblick eines verrotteten Körpers. Er wollte einfach nur schnell wieder hier weg. So versuchte er sich noch weiter nach vorne zu beugen, merkte nicht, wie sich die Erde unter dem Gras lockerte, das er wie verrückt festhielt. Seine gestreckte Hand zitterte wie Espenlaub, er hatte Angst, wahre Todesangst! „Komm...schon!“ Seine Hand schaufelte in dem eisig kalten Wasser, in der Hoffnung, das Holzstück würde zurückkehren. Und tatsächlich! Es schwamm ihm wieder entgegen nach und nach, immer näher! „Ja!“ Und endlich bekam er es zu fassen. Erleichtert konnte Yuuma aufatmen, als er sich dann wieder zurück beugte und die Angelleine aus dem Wasser hievte. Dabei bemerkte er, dass scheinbar etwas an dem Köder zog. Entweder waren es die starken Strömungen oder er hatte zuvor etwas gefangen. Nach und nach zog er weiter an dem seidenen Seil, bis sich die Wahrheit offenbarte: Es war etwas Goldenes, ein goldener Anhänger..nein!...Eine Art Schlüssel, der so golden glänzte, als wäre er frisch gegossen worden. „Was...ist denn das?“ In ihm war ein Smaragd eingearbeitet, auf seinem Rücken eine Art runde Aushebung, vielleicht um ihn irgendwo anzuhängen? „Auf jeden Fall ist es eine schöne Kette! Vielleicht aus einem Schmuckladen?“ Yuuma betrachtete die Kette eine lange Weile. Ein seltsames Gefühl füllte sein Herz und nach und nach fühlte er sich ruhiger, Er hatte das Gefühl, als könnte er jemanden Flüstern hören...nein! Es war kein Flüstern! Es war ein Geräusch von vielen Dingen! Viele helle Melodien, das Rauschen von Wellen, vom Wind. Raschelnde Töne, die wie ein Flüstern klangen. Es klang...lebendig! Seine Finger umschlossen den Anhänger... Auf einmal gab der Boden unter Yuumas Körper nach und in einem Moment stürzte er ins Wasser hinein. Das kalte salzige Meer umhüllte ihn vollkommen, im Augenblick des Schreckens füllte er beinahe seine Lunge mit Wasser, ehe er aus Reflex die Luft anhielt, die ihm noch übrig war. Es war schwer, denn er hatte den Drang zu atmen und zu husten. Er wurde herum gewirbelt, dass ihm kurz schwindelig wurde und er die Orientierung verlor. Als der Junge im Wasser zum stehen kam schaute er nach oben und sah das Licht der Sonne. ' Ich muss nach oben! Ich brauche Luft!“ Yuuma schwamm! Er nahm all seine Kraft und schwamm nach oben, so gut er konnte. Aber als er gerade fast die Oberfläche erreicht hatte zog ihn ein Sog in die Tiefe und erneut wurde er herum gewirbelt. Er konnte kaum mehr etwas erkennen. Gebäude, das Wasser, das immer dunkler wurde, die Sonne verschwand mehr und mehr. Das war sein Ende, oder? Er würde sterben! Er würde das kostbare Leben durch seine dumme Tat einfach wegwerfen. Er würde Ryouga und Kaito alleine lassen. Er würde sterben, so wie all die anderen auch, er würde zu einer Leiche werden, die durch das Wasser treibt, wie eine leblose Seele. Yuuma wollte nicht so enden, er wollte es nicht. So schloss er die Augen, hoffte, dass es angenehmer werden würde, wenn er vielleicht einschläft, die Luft wurde knapp, seine Finger aber umschlossen weiter den Anhänger, als wäre es eine Art Hoffnung, an die er sich klammerte. Seine Lunge brannte. Das war das Ende... Etwas zog an seinem Arm, war es ein erneuter Strom? Nein...es war stärker! Heftiger! Es zog ihn einen weiten Weg in irgendeine Richtung. Aber Yuuma wollte die Augen nicht öffnen um nachzusehen, wer oder was es war, zu groß war seine Angst. Sein Mund öffnete sich, er schluckte das salzige Wasser, bald würde er das Bewusstsein verlieren. Ein peitschendes Geräusch war zu hören, der Wind glitt kühl an seine nasse Haut und verleitete ihn dazu tief einzuatmen. Er musste wegen dem Reiz stark auf husten und gab das Wasser aus seiner Lunge frei, das aus seinen Mundwinkeln zurück in das Meer tropfte. Er war am Leben, er war gerettet, oder? Yuuma hatte Angst seine Augen zu öffnen, doch er konnte nicht anders, langsam öffneten sich seine Lider. Die Sonne blendete für einen Moment und tat weh, allerdings nicht so sehr wie der Reiz in seiner Lunge, dass er meinen könnte, er würde jeden Moment Blut spucken. Dann aber bekam er die Sicht, die er brauchte, er war über Wasser und er konnte atmen. Er war am Leben! Jemand hielt ihn fest, eine Hand umklammerte sein Handgelenk, eine seltsam aussehende Hand. Sie war bläulich-weiß, leuchtete zart, es war wie eine Geisterhand. Der Rotschopf weitete die Augen und wanderte mit den Pupillen zu dem Gesicht seines Retters. Das Gesicht war ebenso bläulich und strahlte, zwei goldene Augen betrachteten besorgt das Gesicht des Menschenjungen. Sie schwebten über dem Wasser, doch das störte Yuuma am wenigstens, viel mehr war er eingenommen von dieser Kreatur, die ihn nach wie vor am Arm festhielt. „Geht es dir gut?“ hauchte dessen männlich-klingende, schallende Stimme sanft und mit einem Ton der Sorge. Yuuma konnte es nicht glauben. Wie sollte er jetzt darauf reagieren? „J-Ja...ich denke schon.“ - „Das ist gut!“ Leicht wie eine Feder schwebten sie zurück zum höheren Ufer, wo der Mensch abgelegt wurde. Yuuma hustete den letzten Rest des Wasser aus, bis er sich langsam besser fühlte. Der Tag konnte nicht irre genug sein, aber am meisten verrückt war immer noch diese blaue Kreatur, die sich langsam vor ihn ins Gras gesellte. „Warum bist du ins Wasser gesprungen?“ fragte dessen Stimme dann neugierig nach. „Ich bin nicht gesprungen! Ich bin gefallen! Ich wollte meine Angel hinaus holen...und dann war da dieser Anhänger.“ Seine menschliche Hand öffnete sich und sie erblickten den goldenen Schlüssel, den er all die Zeit festgehalten hat. Die Kreatur blickte lange diesen an und schien nachzudenken. Es schien, als wollte er selbst Antworten finden und schien sie nicht zu finden, denn er blickte den jungen Mann dann wieder an. „Hauptsache dir geht es gut...uhm...“ Yuuma blinzelte verwirrt, war er etwa neugierig, wie sein Name war? „Bevor ich dir meinen Namen sage...will ich eines wissen: Wer oder was...bist du?“ Eine berechtigte Frage, wobei der junge Mann sein gegenüber mit Skepsis und Unvertrauen betrachtete. Das geistliche unbenannte Wesen seufzte tief und starrte in verschiedene Richtungen, als würde er antworten suchen wollen. Doch scheinbar sah er sich wirklich die Umgebung an. „Ich bin Astral.“ meinte dieser dann in einem einfachen Satz und erhob sich, betrachtete die gesamte Welt in seinem Augenlicht. Sein Atem ging flach und schnell. „Diese Welt...ist kaum mehr sie selbst...“ murmelte er scheinbar zu sich selbst, ehe er sich zu dem verwirrten Yuuma umdrehte. „Was ist hier Geschehen?...Was sind das für...seltsame schimmernde Steine, die aus dem Wasser ragen? Diese riesigen Felsformationen...und...“ Astral schloss die Augen und legte seine Hände hinter seine spitzen Ohren. „....Wo ist das Zwitschern der Vögel? Wo das Summen der Insekten? Wo...“ Dann öffnete er die Augen und bückte sich ins Gras. Er fand nichts, kein Lebewesen, nicht mal das kleinste Insekt, egal, wie tief er suchte.Seine Hände gruben sich in die Erde, die sich nicht mehr so fest anfühlte, wie er sie in Erinnerung hatte. Eine Art Angst entwickelte sich in seinem Herzen, sodass er schneller atmen musste. „Was ist...mit all den Lebewesen passiert?“ Das war wahrlich eine berechtigte Frage, allerdings wunderte es ihn, wusste dieser Astral denn wirklich nicht, was hier passiert war? Yuuma stand auf und klopfte sich das Gras von seinen Knien. „Sie sind alle schon lange ausgestorben. Die Menschen haben fast alle Lebensarten ausgelöscht, die es auf diesem Planeten gab, bis auf sich selbst. Aber damit haben sie ein großes Ungleichgewicht heraufbeschworen und...somit wurden sie selbst alle ausgelöscht, bis auf ein paar. Aber wir werden auch aussterben, das ist Fakt.“ - „Die Menschen...sollen all das getan haben?“ Astral konnte es nicht glauben und lies die Erde aus seiner Hand fallen. Das war ihm völlig schleierhaft, das hier war ein Paradies! Und es war es immer noch! Aber ohne irgendein Leben war selbst das Paradies nutzlos.Und nun waren alle weg, sie alle waren tot, nichts war mehr übrig. „Und dabei....habe ich mich so sehr gefreut, dass...wenn ich jemals zurückkehren sollte...ich ein Teil dieses Paradieses sein kann...und nun ist alles...zerstört...“ War er verzweifelt? Verzweifelt, dass die Welt so war, wie sie nun war? Und das, obwohl er offenbar von nichts eine Ahnung hatte? Während Astral sich wieder erhob und seine Gedanken über die Situation kreisen lies fragte sich Yuuma tausend Fragen, die er zu gern beantwortet haben wollte. „...Woher kommst du....Astral...?“ Das blaue Wesen drehte sich um und sah den Menschen an. Eine Kreatur voller Leben, war sie wirklich. Seine Wärme der Seele hatte ihn wieder erweckt, das wusste er, mehr wusste er nicht. Irgendetwas schien dieser Junge ihm sagen zu wollen, nur was war es? Dieser wusste es ja selber nicht mal. „Ich bin...“ Astral biss sich auf die Lippen und umklammerte seine Brust mit seinen dünnen Armen. „...das Erste, das mir meine Erinnerungen offenbaren war, das ich hier war, völlig allein auf diesem Planeten. Ich war allein, ich war einsam, alles war still und vor mir erstreckte sich nur das Wasser und hinter mir die viele viele Erde.Und ich war all die Zeit dort und habe mir immer angesehen, wie die Sonne aufgeht und wieder unter und wieder auf...und unter. Ich habe keinen Sinn in diesem Leben gesehen, erkannte mich nicht als lebendiges Wesen sondern nur als einsame Seele. Ich hielt es nicht mehr aus, wollte nicht mehr alleine sein, ich wusste...irgendetwas fehlte mir. S habe ich es begonnen, ich habe begonnen die Welt so zu kreieren, wie ich sie wollte. Ich erschuf das Gras und die Wälder, den Wind und die Wellen, die winzigsten Geräusche in der Nacht und den lauten Krach bei einem Sturm. Und ich genoss es in vollen Zügen.“ Der blaue Geist legte den Kopf in den Nacken und lächele, während er in seinen Erinnerungen schwamm. „Dann erschuf ich all die Lebewesen...erst die kleinen Insekten, dann die Fische, die kleinen Tiere, die großen Tiere...die Vögel, die Füchse, die Löwen, die Katzen...all dies und je mehr sie wurden desto mehr fühlte ich das Glück.“ Doch dann hielt er inne und atmete wieder flach. „Aber dann...als ich glaubte, dass ich endlich mit ihnen zusammen für immer glücklich sein konnte musste ich gehen. Zum Schluss erschuf ich den Menschen nach meinem Abbild...und dann...musste ich sterben.“ Astral öffnete wieder die Augen und sah Yuuma mit einem tiefen Blick an. „Dann war da Nichts...und dann, als ich wieder atmen konnte und die Augen öffnen konnte...habe ich dich gesehen, wie du dabei warst zu sterben und...ich musste dich retten, denn ich wollte nicht, dass du stirbst. Ich weiß nicht, was passiert ist aber...ich bin sicher, dass du mich wieder zum Leben erweckt hast...ich danke dir.“ Yuuma konnte darauf kaum reagieren. Er stand einfach nur da, wie ein angewurzelter Baum, der sich kaum regen konnte. Seine Lippen zitterten. Das alles zu hören, das war ihm beinahe...wahrlich alles zu viel! Hieß das jetzt, das vor ihm der Gott stand, den die Menschheit all die zeit immer und immer wieder gesucht hatte? Der Gott, um den sich die vielen Religionen gestritten und bekriegt haben? Dieses kleine, beinahe traurige Wesen war also derjenige, der sie alle erschaffen hatte? Der für die Existenz von alledem verantwortlich war? „Uhm...“ Yuuma fasste sich an die Stirn und versuchte ruhig zu bleiben. „Was hast du?“ - „Nichts...ich...versuche das nur gerade zu realisieren...das ist wirklich alles ziemlich viel Wahrheit auf einmal.“ Astral entspannte seine Schultern und sah den Menschenjungen vor ihm ruhig an. Dieser blickte ihn wieder an, musterte ihn genau. Es war einfach völlig absurd, ...oder...war es das nicht? Auf jeden Fall übertraf es seine gesamten Wertvorstellungen und die der gesamten Menschheit, wäre die nicht bereits tot. „Ist es das? Die Wahrheit?“ Astral neigte den Kopf zur Seite und suchte mit dem Blick nach einer Antwort. Aber verdammt, die konnte Yuuma ihm nun wirklich nicht geben. „Wenn es stimmt, was du sagst...dann bist du also Gott...“ Die Augenlider des Blauen blinzelten zweimal und er weitete seine Augen in einem Ausdruck der völligen Frage. „Was ist Gott?“ Nein! Nein es ging nicht mehr! Es war wie ein Wettbewerb der verwirrten Verrückten! Der Rotschopf kniete sich stöhnend hin und hielt sich die Hand vor dem Mund. Astral schwebte zu ihm und wollte nach ihm sehen, ob er von dem Beinahe-Tod nicht doch einen Schaden davongetragen hatte, doch Yuuma erbrach in seinem Stress nur ein wenig Salzwasser, das er verschluckt hatte und sich sicher nicht gut in seinem Magen machte. „Mir ist schlecht...“ ~***~ Im Himmel schoben sich die Wolken über die blaue Decke. Es dauerte nicht lang, als sich gleichgesinnte dazu gesellten und die weiße Decke sich in ein tiefes Grau färbte. Nur einen Augenblick später fielen Wassertropfen auf die Erde, erst wenige, dann viele, bis es in Strömen regnete. Ryouga lehnte an den Türrahmen und blickte hinaus in den Wald aus Wasser und Nebel. Er war sichtlich ungeduldig und betrunken in seiner Sorge, knurrte mit jeder gefühlten Sekunde, die verging. „Das reicht! Ich werde ihn jetzt suchen gehen!“ schnaubte er schließlich laut und schnappte sich seine Jacke um nach draußen zu gehen. Aber aus dem Haus kam er nicht raus, denn eine Hand ergriff seinen Oberarm und zerrte ihn zurück in die Trockenheit. „Kaito! Was soll das?!?“ - „Ich lass nicht zu, dass du da raus gehst!“ - „Aber Yuuma wird sterben, wenn er nicht bald zurückkommt!“ Die Hand schloss sich stärker um den Arm. Ryouga zischte durch den Schmerz, dessen Druck ihm beinahe das Blut abschnürte. Die Hand die ihn hielt zitterte, nicht vor Kälte, nicht aus Unsicherheit, sondern aus purer Angst, so sprachen die grauen Nebelaugen Kaitos. „Ich lasse es nicht zu, dass du stirbst...wenn du auch tot bist was...was wird dann aus mir? Ich will nicht, dass du mich allein lässt.“ Ryouga weitete seine blauen Augen und unterließ jegliche Gegenwehr. Zum ersten mal, sah er diese Angst und Schwäche bei seinem ältesten Freund, der hier nun neben ihm stand und ihn so grob festhielt, unbeabsichtigt schmerzhaft. Kaito hatte reine Angst davor, dass er am Ende ganz alleine war. Wie sollte er es aushalten? Wie sollte ein Mensch denn ganz alleine überleben? Dann war ihm selbst das letzte leben dieser Welt so wenig wert. Der jüngere Mann sank den Kopf und wartete darauf, dass er wieder losgelassen wurde. Er verstand ja, er selbst würde das wohl auch nicht aushalten, allein den Gedanken daran nicht. Dennoch war seine Sorge um Yuuma groß. „...Yuuma...er...“ - „Er ist am Leben! Hörst du? Er kommt sicher gleich diese Tür rein und...nervt uns mit seiner lauten Stimme.“ - „...Ja...du hast wohl Recht...“ Sie musste einfach daran glauben, dass er gleich kommen würde. Es war Yuuma! Der Mensch, der sie noch Lachen lies, der noch Fröhlichkeit und Glück als letztes Lebewesen in dieser Welt verteilte. Wenn er jemals stirbt, dann ist diese Welt wahrlich dem Untergang geweiht. Dann aber hörten sie verdächtige Geräusche neben dem Rauschen des Regens. Es waren Schritte, Schritte, die das Wasser klatschen ließen, wenn sie den Boden berührten und ein matschiger Ton war dabei zu hören, als würde jemand versinken. Es war ein unheimliches Gefühl, denn diese Schritte waren schwer, war es wirklich Yuuma? „Ryouga...“ Der junge Mann mit dem blauen Haar nickte leicht und ging ein paar Schritte diesem seltsamen Geräusch entgegen. „Yuuma...bist du das?“ in dem Moment tauchte die Silhouette aus der Dunkelheit des Regens auf. Beerenrote Augen sahen ihren bekannten Freund an, kalte Wassertropfen fielen in Massen von seinem Haar, seiner Nase, seinem Kinn. „Was ist los? Warum schaut ihr so?“ - „Gott...“ Völlig entnervt strich sich Kaito durch sein Haar und zog eine erleichterte Mimik. „Wir haben gedacht du,....tu das nie wieder...Yuuma! Nie wieder!“ - „Tut mir Leid!...ich wurde aufgehalten!“ Und „Gott“ war in diesem Falle das richtige Sprichwort, dieser schwebte dann auch durch den Eingang und betrachtete die anderen beiden Menschen, die völlig entgeistert auf diese geisterähnliche Kreatur blickten. „Was zum...“ murmelte Ryouga mit zitternder Stimme und wich ein wenig zurück. Doch auch Astral war etwas ängstlich und schwebte ein Stück zurück. Er war unsicher, denn es schien soviel zeit vergangen zu sein, dass er nicht wusste, wie die letzten Lebewesen auf ihn reagieren würden. Zumindest schienen sie gerade sehr geschockt zu sein. Dennoch wollte das göttliche Wesen nicht nachlassen, denn auch er hatte Angst allein zu sein. „Ich bin Astral.“ murmelte er dann leise und lächelte leicht. „Wie ich gehört habe...seid ihr die letzten Lebewesen dieser Welt? Ich bin erfreut, dass ihr überlebt habt und dennoch tut es mir um euren Verlust sehr Leid.“ Yuuma hatte ihn aufgeklärt, über sich und über die Welt. Über das, wie die Erde einmal war und was mit ihr und all den Lebewesen geschehen ist. Der Schrecken lag noch tief in seiner Brust, doch es war schon lange klar, dass er etwas tun musste. Die Blicke der beiden Männer gingen zu ihrem jüngsten Gefolge, der ein wenig nervös gestikulierte. „Er...ist Gott! Er hat all das hie erschaffen, wisst ihr? Und ich bin sicher, dass er uns helfen kann!“ Gott also, auf jeden Fall sah er irgendwie aus wie ein Gott, dieser Astral. Dennoch war diese Situation nach wie vor schwer zu begreifen, sodass die beiden nichts mehr sagen konnten. Astral wurde nervös und kaute auf seiner Unterlippe. „Ryouga und..Kaito...Yuuma hat mir eure Namen schon verraten. Habt keine Angst vor mir, ich bin zwar nicht menschlich, aber ich will euch helfen.“ - „Helfen??“ Die Stimme des Blonden raunte laut durch den Raum, dass sogar der Regen übertönt wurde. Der blaue Geist zuckte bei diesem lauten Ruf zusammen und wich erneut zurück. Es schien, als wäre er auf Ablehnung gestoßen. Und dies war wirklich so. „Warum hast du uns nicht geholfen, als mein Bruder noch am leben war? Wo warst du, als unsere Familien und unser Freunde verstarben? Wo warst du bei den kriegen, bei den Katastrophen? Wo warst du da, wenn du angeblich ein Gott bist?“ - „...Es tut mir Leid...ich weiß nicht, was ein Gott ist....“ - „Wunderbar!“ lachte Kaito hämisch und betrachtete Astral mit einem abwertenden Blick. „Göttlich oder nicht...du bist ein Nichts in dieser Welt. Und du wirst dich nicht in unsere Leben einmischen!...Bevor du sie endgültig ruinierst...“ - „Aber Kaito..“ Yuuma konnte seine Reaktion einfach nicht begreifen. War er etwa so voller Verbitterung, dass er ihre letzte Chance zu überleben völlig ablehnte? „Geh jetzt, wer immer du bist. Wir brauchen dich nicht!“ Doch auf dies Ansprache hin stellte sich Yuuma vor dem, in dem er all seine Hoffnung gesetzt hatte. Mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen stellte er sich wie eine Mauer vor seine Freunde. „Er hat mir das Leben gerettet! Und ich lasse nicht zu, dass ihr ihn wegschickt! Ohne ihn wäre ich tot! Wollt ihr wirklich denjenigen wegschicken, der euren Freund gerettet hat?“ Die Stille, die die Beiden von sich gaben lies es wohl zu, zu denken, dass sie nach dieser Erkenntnis kein besseres Argument finden konnten. „Für mich ist Astral das Leben! Das Leben, was wir nun benötigen! Entweder bleibt er bei uns, oder ich gehe!“ Ryouga hatte sich verhört! „Yuuma! Du kannst nicht..“ - „Doch das kann ich! In dieser Welt gibt es weder Regeln noch Normen. Ich kann hingehen, wohin ich will!“ Natürlich wollte er nicht gehen. Er würde niemals seine Freunde verlassen wollen. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass Astral und er zusammen bleiben mussten. Zwar war er sich sicher, dass Kaito sehr enttäuscht war, dass Yuuma wirklich ihre Freundschaft aufgeben würde, für eine Kreatur, von der sie kaum was wussten. Doch Kaito konnte nicht auf Yuuma verzichten, er wollte, dass sie zusammen bleiben. So sank er ein und lies es also zu, wenn auch mit Unbehagen. „Gut...wie du willst...Yuuma...aber erwarte dann nicht, dass ich dir noch irgendetwas zutraue...weder dir noch dieser Gotteskreatur.“ - „Wie du willst...Kaito...“ Demnach war es also besprochen und der älteste der drei ging in sein Zimmer um sich schlafen zu legen. Er war wütend, das ganze Theater wegen nichts könnte man meinen. Aber egal was dieses Geschöpf war und was es vorhatte, er würde Ryouga und Yuuma beschützen. Sie waren seine einzige verbliebene Familie, die er brauchte. Er brauchte sie so sehr. Ryouga blickte seinem Freund nach ehe er sich dem Rotschopf widmete. „Yuuma..bitte...sei nicht so naiv...wir glauben dir..aber wir haben Angst um dich!“ - „Das braucht ihr nicht. Ich werde euch niemals verlassen, aber...ich habe das Gefühl, dass ich genau weiß, was ich tue. Bitte vertraut mir! Und vertraut Astral!“ Hatte er eine andere Wahl? Wohl eher nicht, also nickte er und verabschiedete sich für den Tag um sich in einen wohlverdienten Schlaf zu genehmigen. Der junge Mann bat seinen Retter ihm zu folgen in sein doch recht kleines Zimmer. Auf einem schon etwas vermoderten Tisch stand ein Teller mit gebratenem Fisch, den er in einem Zug verzehrte. Satt wurde er nicht, aber ihm war sowieso noch ein wenig schlecht von dem Meerwasser und diesem Turbulenzen. Dann klopfte er den gesammelten Staub des Tages von seinem Bett ehe er zu Astral sah, der ein wenig überfordert in der Mitte des Raumes schwebte, sein Blick war ruhelos. „Astral...“ - „Ich hätte nie gedacht, dass man mich einmal so sehr hassen wird.“ Yuuma setzte sich auf sein Bett. „Er hasst dich nicht. Es ist nur eine schwere Situation. Auf einmal sind wir allein und...die Menschen, die wir geliebt haben sind fort. Es tut immer noch weh, obwohl es schon so lange her ist. Aber die Menschen die man liebt, die vergisst man nie.“ So etwas hatte Astral noch nie gehört. Aber es belehrte ihn auch sehr in dieser Tatsache. Noch nie hatte er etwas geliebt bis auf die wunderschöne Welt, die er einst erschaffen hatte. Sonst war sein Herz nur gefüllt mit Einsamkeit und mit Trauer über seinen Tod. „Immerzu habe ich mir gewünscht einmal ein menschliches Wesen zu sein. Nur damals...“ - „Ich bin sicher, dass du in diesem leben irgendwann ein Mensch sein wirst, Astral. Lass mich dir dabei helfen!“ Langsam verstand er. Die Wärme, die er spürte, als er erwachte an diesem Tag, es war Yuumas reines Herz, seine reine Seele, die ihm zu leben erweckt hatte, woher er selbst auch kam. Aber es spielte keine Rolle mehr, die Vergangenheit war geschrieben. Es wurde zeit sich um die Zukunft zu kümmern, damit es noch eine Zukunft gab. „Ich danke dir Yuuma...vom ganzen Herzen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)