Crossroads von lunalinn (decisions are never easy) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Manche Dinge waren nicht rückgängig zu machen, so sehr man es sich auch wünschte. Natürlich gab es nicht besonders viel, das er bereute, eigentlich nichts außer dieser einen Sache. Diesem Ausrutscher, der dazu geführt hatte, dass er nun hier stand und gezwungen war, aus der Ferne zu beobachten. Die hoch gewachsene Eiche, unter der er stand, ließ ihn im Schatten stehen, verbarg ihn jedoch nicht gut genug. Vermutlich sah sie ihn, schließlich kam sie genau in seine Richtung. Irgendeine blonde Gryffindor lief neben ihr und sie schienen sich angeregt zu unterhalten. Sie sah glücklich aus. Still musterte er sie, wie ihre roten Haare bei jedem Schritt wippten. Wie immer trug sie ein paar Bücher mit sich, die sie fest an ihre Brust gedrückt hielt. Die klugen, grünen Augen funkelten und er hätte alles darum gegeben, jetzt neben ihr gehen zu können. Mit ihr reden zu können. Er wusste, dass er sich um ihre Freundschaft gebracht hatte, in dem Moment, als er sie Schlammblut genannt hatte. Schon vorher war sie nicht davon begeistert gewesen, dass er mit Leuten wie Avery und Mulciber zu tun hatte. Dass er sich so von den dunklen Künsten angezogen fühlte… Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sich ihre Wege trennten, und dennoch…nun, wo es soweit gekommen war, fühlte er wieder die Leere in sich, die nur sie ausfüllen konnte.   Die Blonde, deren Namen er nicht kannte, stieß sie nun an und für zwei Sekunden trafen sich ihre Blicke. Dann wandte sich Lily Evans ab und sie schlugen eine andere Richtung ein. Er konnte ihr nur hinterhersehen, während er feststellte, dass es immer noch wehtat. So sehr er sich auch einredete, dass es ihm gleich sein konnte – das war es nicht. Ihre Abneigung traf ihn jedes Mal hart und es schien nicht besser zu werden. Es waren die ersten Sommerferien gewesen, die er nicht mit ihr verbracht hatte. Gleichzeitig waren es auch die schlimmsten gewesen. Er hatte sich wenig zuhause aufgehalten, sondern mehrmals ihren alten Treffpunkt aufgesucht, doch nie war sie da gewesen. Einmal hatte er sogar bei ihrem Elternhaus geklingelt, doch mehr als einen abschätzenden Blick ihrer Eltern und die Aussage, Lily wäre nicht da, hatte es ihm nicht gebracht. Danach hatte er den Mut verloren und sich nicht mehr gemeldet. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass ihre Freundschaft unrettbar verloren war.   Severus Snape seufzte stumm, ehe er sich abwandte. Anscheinend genau im richtigen Augenblick, denn schon hörte er vertraute Stimmen. „…hast du gesehen, wie sie dich angestarrt hat, Krone?“ „Hat sie? Kann sein…“ „Also, langsam mach ich mir Sorgen. Deine Vernarrtheit in Evans nimmt beängstigende Formen an…“ „Unsinn, Tatze…“ „Na ja, Recht hat er schon…“ „Jetzt fang du nicht auch noch an, Moony!“ Sofern es möglich war, trat Severus noch mehr in den Schatten des großen Eichenbaumes zurück. Hass blitzte in seinen dunklen Augen auf, als er die sogenannten Rumtreiber ein paar Meter weiter an sich vorbei stolzieren sah. Potter und Black an der Spitze, arrogant wie eh und je…jedes Mal wenn Lilys Name aus diesem Mund kam, wollte er ihm direkt einen Fluch aufhalsen – bestenfalls einen, der ihm mehr als eine Nacht im Krankenflügel bescheren würde. Es waren immer diese beiden, die ihm auflauerten, doch nicht selten hatten sie auch den Rest ihres Quartetts mit dabei. Severus wusste nicht, wie sie es anstellten, doch irgendwie schienen sie immer genau zu wissen, wo sie ihn abpassen konnten. Remus Lupin lief direkt hinter den beiden, wie immer erschöpft und müde aussehend. Seit dem letzten Jahr hatte er auch den Grund für die vielen Narben und dieses kränkliche Auftreten erfahren – was ihn beinahe umgebracht hätte. Noch etwas, das er weder Potter, noch Black je verzeihen würde. Und diesem Untier schon gar nicht. Das Vertrauensschüler-Abzeichen prangte auf Lupins Brust und Severus Kiefer malmte bei dem Anblick. Das letzte und schwächste Glied war Peter Pettigrew, ein pummeliger Junge ohne jedes Talent, der stets großen Spaß daran hatte, wenn Potter und Black ihn demütigten. Am besten vor Publikum und unfreiwillig schoss Severus die Szene vom letzten Jahr durch den Kopf.   Nachdem er Lily vor den Kopf gestoßen hatte, war niemand mehr eingeschritten und er hatte die wohl schlimmste Schmach in seinem ganzen Leben erfahren. Trotzdem das Ganze schon einige Zeit zurücklag und sie nun im 6. Jahr waren, zerrissen sich vor allem einige Gryffindors immer noch das Maul darüber. Es war nichts Neues, dass Severus Hänseleien über sich ergehen lassen musste und er wusste schon lange, dass ihn kaum jemand leiden konnte. Jedoch war es dieses Mal schlimmer, denn erstens hatte er seine beste Freundin nicht an seiner Seite und zweitens…waren auch einige Slytherins bei seiner Demütigung anwesend gewesen. Hämische Kommentare begegneten ihm also von allen Seiten, denn obwohl er zeitweise mit solchen wie Mulciber umherzog, sicherte ihm das nicht seinen Ruf. Für ihn war es auch ohne die Streiche der sogenannten Rumtreiber schwer genug, Anerkennung zu finden, denn er gehörte zu den wenigen Schülern seines Hauses, die kein Reinblut waren. Ihr Zaubertränke-Lehrer Horace Slughorn hatte schon in der ersten Stunde dafür gesorgt, dass jeder darüber Bescheid wusste, indem er bedauerte, dass seine angeblich doch recht talentierte Mutter ihr Leben für einen Muggel weggeworfen hatte.   Severus hatte zähneknirschend geschwiegen, denn weder fiel ihm ein Argument ein, mit dem er seine Mutter verteidigen konnte, noch wollte er darüber sprechen. Er hasste seinen Vater, der keinerlei Verständnis für die magische Welt aufbringen konnte, in die sein Sohn nun einmal gehörte, und er verachtete seine Mutter, die für ihr armseliges Leben in Spinner’s End alles aufgegeben hatte. Wenn andere mit ihrem Elternhaus prahlten, saß er stumm da und hoffte, dass ihn niemand ansprach. Nur Lily wusste, wie schlimm es bei ihm daheim wirklich war und mittlerweile wünschte er, er hätte es nicht mal ihr gegenüber erwähnt. Wobei das vermutlich unvermeidbar gewesen war, nachdem sie ihn einmal zuhause abgeholt hatte.   Severus wartete, bis die Vierergruppe weit genug weg war – jedoch hatte er sich diesbezüglich wohl zu früh gefreut. Auf halbem Wege machte einer der vier plötzlich kehrt und zwar genau in dem Moment, in dem Severus den Schatten des Baumes verließ. Reflexartig glitt seine Hand zu dem Zauberstab in seinem Umhang, ansonsten blieb er stocksteif stehen. Es beruhigte ihn mäßig, dass es sich um Lupin handelte, der nun den Kopf hob und seinem Blick begegnete. Normalerweise behandelte ihn der Gryffindor wie Luft, doch Severus konnte nicht sicher sein, dass seine Freunde ihm nicht folgten und somit ebenfalls auf ihn aufmerksam wurden. Dies schien nicht der Fall zu sein. Nur kurz flackerte so etwas wie Unsicherheit in den bernsteinfarbenen Augen auf, ein kurzes Rucken mit dem Kopf…und dann ging er einfach, beachtete ihn nicht weiter. Severus‘ Finger lösten sich unter seinem Umhang von seinem Zauberstab. Während er stumm aufatmete, sagte er sich, dass es ihm hätte klar sein müssen. Remus Lupin hatte nicht den Mut, auf ihn loszugehen. Ob mit oder ohne Freunde…er war und blieb nur ein feiger Mitläufer. Mit einem verächtlichen Schnauben machte er sich ebenfalls auf den Weg zurück zum Schloss. Kapitel 1: Der Sud der lebenden Toten ------------------------------------- Schon als Severus am nächsten Morgen in die große Halle kam, hatte er das miserable Gefühl, dass das kein guter Tag werden würde. Es mochte an dem Auflauf liegen, der sich um den Gryffindor-Tisch versammelt hatte und er erkannte sogar einige Hufflepuffs und Ravenclaws darunter. Sogar am Lehrertisch reckten einige Professoren mit regem Interesse die Hälse – darunter auch sein Hauslehrer Professor Slughorn. Als Severus einen flüchtigen Blick zum Slytherin-Tisch warf, sah er jedoch nur in mürrisch dreinblickende Gesichter. „…ist das…?“ „Ganz genau!“, erwiderte die ihm verhasste Stimme von James Potter in der gewohnt arroganten Tonlage. Zweifellos war Potter das Zentrum des Pulks – so war es immerhin meistens. „Kann ich ihn mal anfassen?“ „Ich möchte ihn auch anfassen!“ „Immer der Reihe nach, Leute...jeder darf mal gucken. Anfassen kostet 5 Sickel, klar?“ Allerdings schien das niemand ernst zu nehmen und natürlich bestand Potter auch nicht wirklich darauf. Als sich die Menge ein wenig lichtete, sah Severus auch endlich den Grund für dieses ganze Theater. „Wow, das ist das neuste Modell!“ „Der Nimbus 1001 soll noch viel schneller sein, als der 1000!“ „…er soll 180 km/h erreichen können!“ „Ich hab gehört, dass sie die Lenkung enorm verbessert haben!“ „Wo hast du den her, Potter?“ „Frühzeitiges Geburtstagsgeschenk von meinen Eltern. Sie meinen, dass er mir beim kommenden Spiel mehr nützt, als nächstes Jahr.“ „Der muss doch unheimlich teuer gewesen sein?“, fragte jemand ehrfürchtig. „Ja, ich weiß…aber meine Eltern sind  da ziemlich spendabel.“ Er zuckte lässig mit den Schultern, wobei er sich mit der freien Hand durch das schwarze Haar fuhr, um es noch mehr durcheinander zu bringen. Angewidert beobachtete Severus, wie zwei Mädchen sich die Hälse verrenkten, um ihn besser sehen zu können. Wenigstens gehörte Lily nach wie vor nicht zu Potters Fanclub, denn sie saß, völlig unberührt von dem Getue um den neuen Besen, auf der Bank ihres Tisches und las scheinbar konzentriert in einem Buch. Selbst wenn sie sich nicht zerstritten hätten, hätte er sich nicht zu ihr setzen können. Da waren zu viele Schüler aus seinem Hause, die ihn dabei sehen könnten, und so wandte er sich mit verächtlicher Miene von Potter und dem Rest ab, um sich neben Mulciber zu setzen, der ihm nur einen kurzen Blick zuwarf, ehe er sich wieder dem Gespräch mit Avery widmete – deutlich leiser als zuvor. Severus ignorierte es, ebenso wie den durchdringenden Blick von Rabastan Lestrange, der ein Jahr über ihnen war.   Seit dem Vorfall im letzten Jahr hatte Severus anscheinend jedes bisschen seiner hart erkämpften Akzeptanz verloren. Dabei war es gerade in dieser Zeit ungemein wichtig, dass er in seinem Hause Kontakte knüpfte. Das Munkeln auf den Fluren über einen Lord, der die dunklen Künste beherrschte, wie kein anderer, wurde immer präsenter. Angeblich sollte dieser Zauberer Dinge vollbringen, die die Fähigkeiten ihres Schulleiters Albus Dumbledore in den Schatten stellen konnten. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich immer mehr ehemalige Schüler aus dem Hause Slytherin diesem dunklen Lord anschlossen. Großes sollte man bei ihm erreichen können…und auch wenn viele von der Grausamkeit dieses Mannes abgeschreckt waren, so hatte der Gedanke daran, von dieser Macht zu profitieren, etwas Verlockendes an sich. Jedoch bevorzugte dieser Zauberer den Gerüchten zufolge Reinblüter – und somit sanken seine Chancen, auch nur in die Nähe der sogenannten Todesser zu kommen. Rabastans Bruder Rodolphus sollte den Gerüchten zufolge bereits einer von ihnen sein und jeder wusste insgeheim, dass sein jüngerer Bruder denselben Weg einschlagen würde, sobald er die Schule verlassen hatte. Neben Rabastan saß Evan Rosier, ebenfalls ein potenzieller Anwärter für die Reihen des dunklen Lords. Schon letztes Jahr hatten Avery und Mulciber auffällig oft mit ihm zusammengesessen und er hatte versucht, sich einzubringen. Dank seiner Begabung für Zaubertränke und seiner recht guten Kenntnisse über die dunklen Künste, hatte er es geschafft, sich einen Platz zwischen ihnen zu sichern. Zumindest für kurze Zeit, denn nach der blamablen Szene am See mieden sie ihn, wenn sie gerade keinen hämischen Kommentar übrig hatten. Das Schlimmste war, dass er Lily ein Schlammblut genannt hatte, damit niemand auf die Idee kam, sie wären Freunde. Schon seit dem vierten Jahr hatte er sie fast ausschließlich heimlich getroffen und in den Stunden kaum mehr mit ihr gesprochen. Die Sommerferien waren dagegen immer eine Erlösung gewesen, denn da musste er niemandem Rechenschaft ablegen. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, schämte er sich. Er hätte sie nicht so behandeln dürfen, doch wahrscheinlich hatte er es ihnen beiden damit im Endeffekt leichter gemacht. Falls er diesem Weg wirklich folgen würde, hätte sie sowieso keinen Platz an seiner Seite gehabt. Jetzt konnte er sich ganz darauf konzentrieren, sich einen Ruf zu machen, der Lestranges Interesse wecken würde. Er durfte sich nur keine Blößen mehr geben, was bedeutete, dass er Potter und seinem Gefolge besser aus dem Weg gehen musste. Oder er wehrte sich auf eine Art, die allen Respekt einflößen würde. Andererseits würde ihm dafür vermutlich der Schulverweis drohen. Doch war er noch darauf angewiesen, wenn er sich den Todessern anschließen würde? Während er darüber nachdachte, waren die Prahlereien von Potter in den Hintergrund getreten. Als Severus mehr durch Zufall zum Lehrertisch sah, traf ihn ein Blick aus hellblauen Augen, die hinter halbmondförmigen Brillengläsern schimmerten. Plötzlich hatte er das Gefühl, bei etwas Verbotenem ertappt worden zu sein und ein kalter Schauer rann seinen Rücken hinab, so dass er sich vielleicht ein wenig zu hastig seinem Frühstück widmete. Von der Seite her warfen ihm Avery und Mulciber skeptische Blicke zu, ehe sie sich wieder flüsternd unterhielten. Severus‘ Appetit war ihm vergangen, so dass er schweigend in seinem Müsli herumrührte.     Später hatten sie zusammen mit den Gryffindors eine Doppelstunde Zaubertränke bei Slughorn. Die Kerker mochten für die meisten unangenehm sein, weil es kalt und düster war, doch Severus mochte gerade das. Lily hatte das nie nachvollziehen können, doch jetzt musste er darüber nicht mehr diskutieren, denn sie gingen den Weg hinunter schon lange nicht mehr gemeinsam. Ihr rot schimmerndes Haar leuchtete selbst hier unten und er kam nicht umher, ihr einen längeren Blick zuzuwerfen, als sie sich neben einem anderen Mädchen an einen der Tische stellte. Er war so abgelenkt, dass er auf nichts anderes achtete – und so traf ihn den Fluch in den Rücken völlig unvorbereitet. Schmerzhaft krachte er gegen seinen Tisch und riss durch den Schwung seinen Kessel herunter, der scheppernd auf dem Boden aufkam. Einige zuckten zusammen, andere lachten, als sie ihn so über dem Tisch hängen sahen, doch Severus ignorierte sie. Mit zornesrotem Gesicht sprang er auf, den Zauberstab bereits in der Hand und einen Fluch auf den Lippen, während er in Potters breit grinsende Visage sah. „Anstatt Evans anzustarren, solltest du vielleicht lieber auf deine Umgebung achten, Schniefelus…“, bemerkte dieser höhnisch. Black stand neben ihm, den Blick lauernd auf ihn gerichtet und wie Potter den Stab in der Hand. „...tu besser nichts Unüberlegtes, Snape“, warnte er ihn. „Wir wollen deine Unterhosen eigentlich nicht nochmal sehen…“ Einige kicherten und es brachte das Fass zum Überlaufen. Dieses Mal würde er schneller sein, er wusste es, als sein Arm hochschnellte, noch bevor Potter und Black soweit waren. Dieses Mal nicht…dieses verdammte Mal nicht! „Sectum-“ „Was ist denn hier los?“ Vielleicht war es ja Glück, dass Slughorn in dem Moment reinkam, als er kurz davor war, James Potters Grinsen aus seinem Gesicht zu schneiden. Dies vor so vielen Zeugen zu tun, wäre sicher kein guter Zug gewesen und dennoch spürte er sein Blut kochen. Slughorn sah von einem zum anderen und sein blonder Schnurrbart erzitterte; natürlich hatten Potter und Black bereits ihre Stäbe weggesteckt. „Missverständnis, Professor“, erwiderte Potter mit einem Lächeln und erntete ein Stirnrunzeln des beleibten Lehrers. „So? Nun, Mr Snape, dann lassen Sie bitte den Zauberstab verschwinden – oh und räumen Sie bitte Ihren Tisch auf. Ein wenig Ordnung muss sein, ja, ja…“ Severus presste die Lippen so fest zusammen, dass es wehtat. Sein hasserfüllter Blick war weiter auf die beiden grinsenden Jungen gerichtet, die Slughorn hinter seinem Rücken nachäfften. „Genau, Schniefelus, Ordnung muss sein…“ „…vielleicht sollte er damit anfangen, seine Haare zu waschen?“ „Na, da warten wir ja schon seit Jahren drauf…“ „…und noch immer trieft das Fett raus.“ „Wartet nur…“, zischte er ihnen zu, ehe er den Kessel aufhob und diesen mit Wut auf den Tisch knallte. „…irgendwann ist Black nicht in der Nähe, Potter, und dann kriegst du alles zurück!“ „Ist das eine Drohung, Snape?!“, bellte Black und machte einen Schritt auf ihn zu. Bevor Severus jedoch darauf antworten konnte, die Hand bereits wieder im Umhang, verschaffte sich Slughorn Gehör. „Nun ist es aber gut! Bitte gehen Sie an Ihren Tisch, Mr Black! Der Unterricht beginnt jetzt…da dulde ich keine weiteren Störungen!“   Tatsächlich kehrte daraufhin fürs Erste Ruhe ein und er beobachtete mit Schadenfreude, wie sich Black zu seinem Tisch neben Potter trollte. Dass er dabei immer noch leise Schimpfworte murmelte, entging Slughorn dabei. Severus wandte sich ab, warf stattdessen einen Blick zu Lily und er bemerkte erst jetzt, dass sie ihn ansah. Als sich ihre Blicke jedoch trafen, wandte sie sich rasch ab, wobei ihre Mimik kühler zu werden schien. Innerlich stöhnte er auf, doch äußerlich verzog er keine Miene, sondern versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Dabei musste er krampfhaft verdrängen, wie schön die Zeiten gewesen waren, in denen sie gemeinsam gebraut hatten, denn Lily war in so ziemlich jedem Fach sehr fähig. „Sehr gut!“, ergriff Slughorn wieder das Wort und sah in die Runde. „Nun, wo ich Ihre Aufmerksamkeit habe, möchte ich Ihnen mitteilen, was wir heute brauen werden.“ Er räusperte sich einmal und bat sie dann, die Bücher aufzuschlagen. „Man nennt diesen Trank den Sud der lebenden Toten. Kann mir einer sagen, was es damit auf sich hat?“ Seine eigene Hand schoss in die Höhe, kaum dass er die Bezeichnung vernommen hatte – aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sich auch Lily meldete. Slughorn zögerte nur kurz, ehe er sich mit einem freundlichen Lächeln an sie wandte. „Ja, Miss Evans?“ Es wunderte Severus nicht, dass er ihr den Vortritt ließ, immerhin war sie einer seiner Lieblinge. Eigentlich hätte es ihn wütend machen sollen, doch wie immer, wenn es um Lily ging, nahm er es ohne Aufregung hin. Sicher ärgerte es ihn, dass Slughorn seine Lieblinge bevorzugte – mehr noch als Schüler seines eigenen Hauses –, aber sie konnte nichts dafür. Verbittert ließ er die Hand sinken, während Lilys klare Stimme den Raum erfüllte. „Der Sud der lebenden Toten ist ein extrem starker Schlaftrunk. Wer ihn trinkt, schläft wie ein Toter und ist durch nichts zu wecken.“ Slughorn nickte ihr wohlwollend zu. „Das ist korrekt, Miss Evans…zehn Punkte für Gryffindor!“ Sie strahlte ihn an und Severus wünschte sich, sie würde ihm nur ein halb so freudiges Lächeln schenken, anstatt dieses kalten Blicks, den er mittlerweile nur noch von ihr bekam. „Wir werden also heute diesen Trank brauen…finden Sie sich bitte paarweise zusammen. Oh, Miss Evans, seien Sie doch so gut und nehmen Sie Mr Pettigrew beiseite, ja? Letztes Mal ist Miss Vance von seinem explodierenden Schrumpftrank schwer verletzt worden…“ Pettigrew wurde so rot wie das Banner seines Hauses und murmelte leise Entschuldigungen. Slughorn ignorierte es und zwinkerte der nicht besonders begeisterten Lily zu. „Mit Ihnen an seiner Seite können wir es sicher verhindern, dass hier jemand den ewigen Schlaf findet…nun ja…haben ansonsten alle ihre Partner? Mr Snape? Was ist mit Ihnen?“ Es wäre ihm lieber gewesen, nicht direkt darauf angesprochen zu werden. Er hatte es schon damals in der Muggelschule gehasst, wenn es um Auswahlverfahren ging. „Ich arbeite allein“, erwiderte er knapp und ohne auf die anderen Schüler zu achten. Das war ihm sowieso lieber, als wenn ihm jemand reinpfuschte.   Slughorn jedoch machte eine abwinkende Bewegung mit der Hand. „Unsinn, Unsinn…ah, Mr Lupin, kommen Sie hier rüber…ja, genau, an den Tisch von Mr Snape. Sehr gut…dann arbeiten Sie beide heute zusammen.“ Ein Zucken ging durch Severus, als er das hörte und er verbiss sich mit Mühe einen abfälligen Kommentar. Er sah zu Remus Lupin, dem Black gerade auf die Schulter klopfte und sein Beileid ausrichtete, doch dieser lächelte nur müde. Das hatte er beinahe vergessen…vor wenigen Tagen war Vollmond gewesen. Severus konnte nicht verhehlen, dass ihm die nur halb verheilten Wunden im Gesicht des Werwolfs ein Gefühl der Genugtuung gaben. Er bedachte Lupin mit einem abschätzenden Blick, als dieser seinen Tisch erreicht hatte, wobei er seinen Blick ruhig erwiderte. „Scheint, als hätten wir keine Wahl, hm?“, wies er ihn auf das Offensichtliche hin und hatte auch noch die Nerven, ihm ein halbherziges Lächeln zu schenken. „Lass uns einfach so gut zusammenarbeiten, wie es möglich ist, ja?“ Severus‘ schwarze Iriden verengten sich und er funkelte sein Gegenüber so hasserfüllt an, dass dessen Lächeln in sich zusammenfiel. Slughorn hatte ihren Tisch längst verlassen und erklärte ihnen gerade, welche Zutaten sie für den Trank benötigten. Severus wusste es ohnehin bereits und wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte er einfach ins Buch geschaut. „Deine geheuchelte Freundlichkeit kannst du dir sparen, Lupin!“, zischte er zurück. „Ich warne dich…wenn du irgendwas versuchst und mir damit meinen Trank ruinierst, wirst du das bereuen!“ Für einen Moment sah ihn der andere nur verdutzt an, ehe er sich fasste. „Das habe ich nicht vor, Snape“, erwiderte er leise. „Und ich möchte mir meine eigene Note auch nicht versauen…können wir das hier also friedlich hinter uns bringen?“ Am liebsten hätte Severus ihm ins Gesicht gebrüllt, dass er sich seinen Frieden sonst wohin stecken könne. Wenn Severus von Lupins Kumpanen drangsaliert wurde, war ihm dieser Frieden immerhin auch nichts wert. Vermutlich stand ihm die Abneigung ins Gesicht geschrieben, denn Lupin seufzte plötzlich leise. „…also gut, lass uns einfach anfangen, in Ordnung?“, meinte er nur und griff nach der Affodillwurzel. „Ich hacke die Wurzel klein und du bereitest den Wermutsud vor?“ Dass Lupin nun auch noch die Arbeit einteilte, passte ihm genauso wenig, wie die Zusammenarbeit an sich, doch er nickte mit zusammengebissenen Zähnen. „Wehe, du hackst die Wurzel nicht fein genug…“, knurrte er nur, ehe er sich daran machte, den Sud vorzubereiten. Lupin enthielt sich eines Kommentars und machte sich stattdessen an die Arbeit.   Generell arbeiteten sie recht still an ihrem Trank, was Severus auch ganz recht war. Während er die richtige Temperatur des Kessels im Auge behielt, hörte er, wie Lily Pettigrew verzweifelt Anweisungen gab. „…Peter, stopp! Da gehören doch gar keine Schlangenzähne rein!“ „Oh…entschuldige, Lily…“ „Schon gut…zerhack bitte die Wurzel…nein, nicht so grob…du musst sie feiner hacken…“ Er empfand wahrlich Mitleid für sie, dass sie mit diesem plumpen Idioten, dem bereits jetzt der Schweiß auf der Stirn stand, arbeiten musste. So gesehen hatte er es doch besser getroffen, denn auch, wenn er Lupin nicht ausstehen konnte, arbeitete dieser wenigstens weitgehend vernünftig. Er beobachtete, wie dieser die Wurzeln in den Kessel fallen ließ, ehe er sich abwandte und den Blick kurz schweifen ließ. Potter und Black waren ebenso weit wie sie beide und mühten sich gerade mit dem Kleinschneiden der Schlafbohne ab. „Verdammtes Mistding…“, hörte er Black murmeln, während Potter die Stirn runzelte. „Da kommt ja fast gar nichts raus…lass mich mal…“ Sein Blick glitt zu ihrer eigenen Bohne und er drehte sie nachdenklich in den Fingern, während auch von den anderen Tischen her leise Flüche ertönten. Ohne auf Lupin zu achten, griff er nach dem Silbermesser, mit dem dieser soeben noch die Wurzeln zerhackt hatte und versuchte die Bohne vorsichtig zu schneiden. Es war nicht nur schwierig, sondern auch sinnlos, so dass er es direkt wieder aufgab. „Soll ich es versuchen?“, fragte Lupin freundlich, doch er würdigte ihn nicht eines Blickes. Stattdessen drehte er die Bohne abermals in der Hand, zog die Stirn in Falten, ehe er stutzte. Vielleicht…war Schneiden viel zu umständlich…er legte die Bohne auf das Brett und zerdrückte sie langsam mit der stumpfen Seite des Messers. Ein Gefühl des Triumphs kam in ihm auf, als die Bohne augenblicklich eine große Menge Saft absonderte. „Das ist eine gute Idee gewesen!“, bemerkte Lupin neben ihm anerkennend, doch Severus warf ihm nur einen kühlen Blick zu. „Das weiß ich selbst – also spar dir dein Lob“, erwiderte er abweisend, was der andere mit einem Seufzen hinnahm. „Schon gut, am besten sage ich gar nichts mehr.“ „Das wäre in der Tat eine Erleichterung.“ „…nur nicht zu freundlich, Snape.“   Auf diesen sarkastischen Kommentar sagte er nichts mehr und kritzelte stattdessen seine neuesten Erkenntnisse in sein Buch. Dabei ließ er zu, dass Lupin, wie in der Anweisung beschrieben, die Baldrianwurzel und den Saft hinzufügte, so dass sich der bisher brombeerähnliche Farbton aufhellte. Soweit hatten sie anscheinend alles richtig gemacht. Er studierte kurz die Anleitung, wobei er sich noch tiefer über sein Buch beugte, was dafür sorgte, dass ihm die Haare ins Gesicht fielen. Er runzelte die Stirn, während er still las und dabei den Rest der Klasse ausblendete. Da stand gegen den Uhrzeigersinn umrühren…allerdings wusste er aus Erfahrung, dass es bei den meisten Tränken effizienter war, wenn man siebenmal gegen Uhrzeigersinn und einmal im Uhrzeigersinn rührte. Als er wieder aufsah, hatte Lupin bereits begonnen – und natürlich hielt er sich an die Anweisung. Der Trank blieb bei seiner fliederfarbenen Farbe, veränderte sich nicht. „Hm…wieso…“, hörte er ihn murmeln. „Finger weg!“, unterbrach er ihn ruppig und Lupin blickte ihn verärgert an. „Das kannst du auch-“ „Die Zeit ist bald um, also fass hier nichts mehr an, wenn du nicht willst, dass der Trank verdirbt.“ Lupin schnappte nach Luft, allerdings war er so klug, ihm tatsächlich Platz zu machen. Severus machte es nun genau so, wie er es schon einige Male getan hatte. Siebenmal gegen, einmal im Uhrzeigersinn… „Du weißt schon, dass das so nicht korrekt ist?“, hörte er Lupin sagen und schnaubte leise. „Ach wirklich…“, meinte er nur und sah zufrieden, wie die Farbe des Tranks langsam blasser wurde. Hatte er es doch gewusst. Das Resultat wurde immer besser und nach einem kurzen Blick durch den Raum stellte er fest, dass es niemandem – nicht einmal Lily – so gut gelungen war wie ihm. Dass Lupin auch seinen Teil beigetragen hatte, ignorierte er. „Woher wusstest du…?“, fragte dieser mit großen Augen und klang beeindruckt. Severus war das unangenehmer, als wenn er ihn beleidigt hätte. Er rührte weiter, den Blick starr auf den Inhalt des Kessels gerichtet, der nun so klar wie Wasser wurde. „Im Gegensatz zu den meisten anderen, dir eingeschlossen, verlasse ich mich eben nicht nur aufs Lehrbuch, sondern benutze meinen Kopf zum Mitdenken!“ Die Arroganz, die in seinen Worten mitschwang, war pure Absicht und zufrieden nahm er zur Kenntnis, wie Lupin ihn sprachlos anstarrte.   „So, die Zeit ist um…dann wollen wir mal sehen…ah, gar nicht mal schlecht, Miss Evans…er könnte natürlich blasser sein…aber in Anbetracht der Tatsache, dass es nicht Ihre alleinige Arbeit war…aber gut, 10 Punkte für Gryffindor für sie beide.“ Lily lächelte schwach, schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann beließ sie es dabei. Pettigrew neben ihr strahlte, als hätte Slughorn ihn direkt angesprochen, anstatt ihn zu übergehen. „Mr Avery und Mr Mulciber…hm…nun, da haben Sie wohl die Wurzeln nicht fein genug gehackt…ja, hier auch nicht schlecht, Miss Vance…“ Auch Potter und Black schienen die Aufgabe Slughorns Urteil nach gut gemeistert zu haben, was vor allem Severus missfiel. Er hätte es den beiden auch gegönnt, wenn der Kessel explodiert wäre.  Als Slughorn jedoch zu ihrem Tisch kam, überschlug er sich beinahe vor Freude. „Oh, vortrefflich!“, rief er aus und beugte sich über den Kessel. „Ja wirklich, ganz hervorragend! Sehen Sie sich nur das großartige Resultat von Mr Snape und Mr Lupin an! Anscheinend sind Sie beide ein gutes Team…jeweils 20 Punkte für jeden von Ihnen für diesen gelungenen Trank!“ Das Lob verlor an Bedeutung angesichts dieser Behauptung und das machten auch die Punkte für sein Haus nicht gut. Sein Lächeln wich einer erzwungenen Grimasse, die Slughorn jedoch nicht zu bemerken schien. Hinter dessen breitem Rücken tat Black gerade so, als würde er sich übergeben müssen. „Danke, Professor, aber die Leistung ist mehr Mr Snape als mir zu verdanken“, ertönte da Lupins Stimme und er traute seinen Ohren nicht. „Ach, Papperlapapp! Sie sind immer so bescheiden, Mr Lupin! Sie haben es beide sehr gut gemacht und können stolz auf sich sein!“ Slughorn winkte ab, ehe er ihnen den Rücken kehrte und verlautete, dass die Stunde zu Ende sei und sie noch schnell aufräumen sollten. Severus kam nicht umhin, Lupin vernichtend anzustarren, doch dieser schien den Grund dafür nicht nachvollziehen zu können. „Ich brauche deinen Zuspruch nicht!“, fauchte er ihn auch sogleich an. „…ich wollte nur-“, versuchte sich Lupin mit leichter Verärgerung zu verteidigen, doch Severus schnitt ihm das Wort ab. „Mir ist egal, was du wolltest, Lupin! Halt den Mund und räum hier auf, wenn du etwas Sinnvolles tun willst!“ Und zum zweiten Mal an diesem Tage schien der Gryffindor sprachlos zu sein.   „Ich-“ „Lass den doch, Moony!“ Es war Potter, dicht gefolgt von Black, der sich nun neben den Werwolf stellte und ihn mit einem Blick kalter Verachtung bedachte. Nun, er empfand nichts anderes für diesen arroganten Mistkerl. Seitdem er wegen ihm Lilys Freundschaft verloren hatte, verabscheute er ihn noch mehr als zuvor. „Ja, ich verstehe nicht, warum du auch noch nett zu sein versuchst…“, pflichtete Black ihm bei. Einen Moment lang zögerte Lupin, doch dann vollführte er einen Schlenker seines Zauberstabs – Severus langte direkt in seinen Umhang, um sich zu verteidigen, sollte es nötig sein. Jedoch hatte er lediglich den Tisch gesäubert, ehe er seine Sachen nahm und sich abwandte. „Ja“, sagte er leise und blickte Severus ein letztes Mal flüchtig an. „Wirklich dumm von mir.“ Und mit diesen Worten zog er mit seinen Freunden von dannen. Severus blickte ihnen nicht lange nach, auch wenn ihn der Zorn innerlich auffraß. Wie sehr er sie hasste…und zwar allesamt. Schweigend räumte er nun ebenfalls seine Sachen zusammen, doch dann sah er aus den Augenwinkeln rotes Haar aufblitzen. Er hob den Kopf und sah Lily nach, die soeben an ihm vorbeigeeilt war, ohne ihn eines Blickes zu würdigen…und plötzlich war sein Zorn verraucht…und er fühlte nur noch dieses unangenehme Gefühl der Leere. Abermals wurde ihm bewusst, wie sehr er sie vermisste. Kapitel 2: Auseinandersetzung ----------------------------- Manchmal kam es Remus so vor, als hätte jeder der Menschen um ihn herum eine bestimmte Rolle eingenommen. James war zweifellos der König in ihrer Mitte. Nicht nur, weil seine Eltern ziemlich wohlhabend waren und er immer das Beste vom Besten bekam, sondern auch, weil er sich genauso verhielt. Natürlich wusste jeder, der ihn näher kannte, dass diese eitle und arrogante Fassade einen guten Kern barg. James Potter mochte überheblich sein, doch er war viel mehr als das. Er war ein wahrer Freund, der für jeden von ihnen dreien einstehen würde, sollte es nötig sein. Er war mutig, clever und viel warmherziger, als es den Anschein machte. Leider verhielt er sich vor allem in Gegenwart seiner Auserwählten wie ein richtiger Dummkopf, was er soeben wieder beobachten konnte. Er wusste nicht, was sie sagten, doch so nervös, wie sich James immer wieder durchs Haar fuhr und so wütend, wie Lilys grüne Augen blitzten, lief es außerordentlich schlecht. Vielleicht war es eine Art Fluch, dass James seine besten Eigenschaften niemals in ihrer Nähe zu zeigen vermochte, sondern sich jedes Mal zum Idioten machte. So auch jetzt, denn schon wirbelte sie herum und ließ ihn einfach stehen, wobei sie ihr rotes Haar mit einer beiläufigen Bewegung über die Schulter warf. Lily hätte sicher eine gute Königin abgegeben, immerhin war sie eine der begabtesten Hexen an der Schule und zudem so freundlich wie gerecht. Nur mit James kam sie nicht zurecht, schien seine Art regelrecht zu verabscheuen. Ein wenig Mitleid kam in ihm auf, als er James wie angewurzelt dort stehen sah, ihr fassungslos hinterher starrend, bis ihm Sirius gegen die Schulter boxte. Kurz überdachte er Sirius‘ Rolle, doch eigentlich war diese schon klar, wenn man ihn und James zusammen sah. Wie Zwillinge klebten sie aneinander, obwohl sie nicht durch Blut verbunden waren. Remus wusste von James, dass Sirius seit diesem Jahr bei den Potters lebte, die ihn wohl als zweiten Sohn adoptiert hatten. Nun, verdenken konnte man es ihm bei seiner Familie nicht und so war es wohl auch kein Wunder, dass Sirius einen regelrechten Hass auf alles Schwarzmagische verspürte. Kurz musste er an Snape denken, der das unangefochtene Lieblingsopfer seiner beiden Freunde war. Sicherlich nicht ganz ohne Grund, denn abgesehen von seinem fragwürdigen Interesse an den dunklen Künsten, war Snape einfach ein unsympathischer Kerl. Remus pflegte sich von solchen Leuten fernzuhalten und sie zu ignorieren, solange sie ihn ebenfalls in Ruhe ließen. Leider hatte Snape bis zu dem Vorfall im letzten Jahr eine Freundschaft mit Lily Evans verbunden und das war schon immer James‘ größtes Problem gewesen. Remus glaubte, dass Lily sich ganz gut selbst verteidigen konnte, sollte Snape irgendwas versuchen, doch James hatte schon seit dem ersten Jahr zusammen mit Sirius darüber spekuliert, wie gefährlich Snape angeblich war. Machte ihn das zum Bösewicht? Die Frage war eigentlich nicht zu beantworten, denn die meisten sahen Slytherin generell als das Haus der dunklen Magie an. Gerade seit den Gerüchten um eine Gemeinschaft, die sich wohl Todesser nannte und einem dunklen Lord diente, hatte sich die Abneigung seiner Freunde gegen Slytherin enorm verstärkt. Remus bezweifelte, dass es so einfach war, die Welt in Gut und Böse einzuteilen, doch seine Einwände stießen bei Sirius und James auf taube Ohren. Sirius benutzte nicht selten seine Familie, die ausnahmslos in Slytherin gewesen war, um seine Meinung zu bekräftigen und dagegen konnte er nicht viel sagen. James war generell immer auf der Seite seines besten Freundes und Peter fehlte der Mut, sich in diese Diskussion ernsthaft einzubringen. Meistens saß er lieber schweigend dabei und nickte, wenn er etwas gefragt wurde. Remus konnte ihm keinen Vorwurf machen, denn es war ermüdend mit den beiden solche Themen zu besprechen. Streiten wollte er natürlich auch nicht, da alle drei seine Freunde waren – und zwar wahre Freunde, die ihn selbst mit dem Wissen um seine Krankheit nicht im Stich gelassen hatten. Zuneigung überkam ihn, ebenso wie tiefe Dankbarkeit, als er daran dachte, was sie für ihn getan hatten. An diesem Punkt kam ihm der Gedanke, welche Rolle er selbst unter ihnen einnahm. James und Sirius nannten ihn nicht selten ihr Gewissen, aber so ganz stimmte das nicht. Obwohl er Vertrauensschüler war, kam er seinen Aufgaben nicht so pflichtbewusst nach, wie er es sollte. Schließlich hatte er weggesehen, als sie Snape damals am See gedemütigt hatten, und auch, wenn er sie im Nachhinein zurechtgewiesen hatte, fühlte er sich deswegen nicht mit sich im Reinen. Er hätte einschreiten sollen, so wie es Lily getan hatte – nun, bis Snape sie ein Schlammblut genannt hatte. Wenn er daran dachte, gönnte er es dem Slytherin fast, so bloßgestellt worden zu sein. Jedoch nur für kurze Zeit, denn, so vorgeführt zu werden, das verdiente eigentlich niemand. Nicht einmal Snape. Remus rief sich die letzte Zaubertrankstunde in Erinnerung, in der sie zusammen hatten arbeiten müssen. Es hatte ihm einiges abverlangt, aber er hatte sich Snape gegenüber freundlich verhalten – trotz seiner bissigen Kommentare. In der Hinsicht hatten James und Sirius schon Recht – der Kerl wollte es anscheinend nicht anders. Dennoch hatte Remus einen Funken Mitgefühl verspürt, als er der Einzige ohne Partner gewesen war. Gut, er hatte auch niemanden gehabt, doch Peter hätte normalerweise an seinem Tisch gesessen, wäre er nicht zuvor anders eingeteilt worden. Snape dagegen war anscheinend selbst in seinem eigenen Haus ein Außenseiter. Ausgenommen von Lily hatte sich noch nie jemand auf seine Seite gestellt und ihn verteidigt oder ihm geholfen. Remus überlegte, ob Snape sein Mitleid überhaupt verdiente und er stellte fest, dass er nicht sicher war. Wenn man sich so furchtbar verhielt, musste man sich nicht wundern, wenn man keinen Anschluss fand. Andererseits gab es doch sicher einen Grund für dieses Verhalten… „…ich verstehe einfach nicht, was sie gegen mich hat!“ „Mann, Krone, jetzt krieg dich mal wieder ein…dass sie dich nicht leiden kann, ist doch wirklich nichts Neues.“ „Ja, aber…warum?! Ich meine, ich habe sie doch nur gefragt, was sie dieses Jahr gewählt hat! Ist das ein Verbrechen?!“ Remus seufzte leise, als er so abrupt aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er hielt immer noch Geschichte der Zauberei in den Händen, hatte aber in den letzten Minuten überhaupt nicht mehr darin gelesen. Viel lieber hatte er über die anderen sinniert und bevor ihm einfiel, dass er Peters Rolle noch gar nicht benannt hatte, ließen sich James und sein treuer Gefährte neben ihn ins Gras fallen. Sie hatten gerade zwei Freistunden und Remus hatte eigentlich geplant, diese sinnvoll mit Lernen zu verbringen, doch anscheinend wurde daraus nichts. „Nun, vielleicht wäre sie besser auf dich zu sprechen, wenn du Snape in der letzten Zaubertrankstunde in Ruhe gelassen hättest“, bemerkte er beiläufig und direkt fuhren beide zu ihm herum. Peter, der neben ihm saß, sah ebenfalls neugierig auf. „Was meinst du, Moony?“, fragte James und war anscheinend ehrlich verdutzt. „Du hast ihm einen Fluch in den Rücken gejagt.“ „Oh…ach das…als ob das so schlimm war.“ James winkte ab und auch Sirius schien nicht zu verstehen, was das Problem war. „Genau und außerdem ist Evans doch nicht mal mehr mit dem Schleimer befreundet.“ Remus seufzte abermals und innerlich schüttelte er den Kopf; wie konnte man nur so stumpfsinnig sein? „Das spielt doch keine Rolle“, erwiderte er und klappte sein Buch zu. „Lily hält dich für einen aufgeblasenen Idioten, Krone – ja, das sind ihre Worte – und sie bezweifelt, dass du jemals erwachsen wirst. Wenn du Snape oder wen auch immer weiterhin direkt vor ihren Augen verhext, bestärkst du sie nur in ihrer Meinung!“ Daraufhin herrschte erst einmal Stille und für einen Moment fragte sich Remus, ob er zu hart gewesen war. Wobei das ja wirklich Lilys Worte gewesen waren…und es netter zu formulieren, kam ihm unehrlich vor. „Also“, brach James nach einer Weile die Stille. „...redet ihr beide über mich?“ Remus stutzte. „Eh…ja, also…gelegentlich…bei den Vertrauensschülertreffen hat sie sich öfter mal über dich aufgeregt – und über Sirius…ob ich euch nicht Vernunft einbläuen könnte…“ Er lächelte schief, als ihn die beiden ungläubig ansahen. „Und du meinst, dass sie mich besser leiden kann, wenn ich Schniefelus und die anderen schmierigen Slytherins hinter ihrem Rücken verhexe?“ „So habe ich das eigentlich nicht gemeint…“, bemerkte Remus trocken, doch das schien bei James nicht mehr anzukommen, denn er strahlte ihn an. „Super, Moony! So einfühlsam wie du mit Mädchen bist, hättest du Tatze schon längst den Rang ablaufen müssen!“ „Hey!“ „Ja, ja, du weißt, wie ich das meine…“ „Ich komme bei den Mädchen immer noch am besten an!“, behauptete Sirius gespielt eingeschnappt und fuhr sich durch sein dunkles Haar. Peter kicherte leise, James grinste breit und auch Remus konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Das war so typisch, aber anders kannte er es ja nicht. „So und jetzt Bücher raus…du kannst dich später mit Lily befassen!“, gebot er streng, was ihm ein Stöhnen von den anderen dreien einbrachte. „Du Spielverderber…“ „…das ist ne Freistunde, Moony!“ „Ja, genau…warum müssen wir jetzt lernen?“ Remus verdrehte nur die Augen, ehe er Peter sein Buch in die Hände drückte. „Weil die Prüfungen für unsere Zukunft entscheidend sind!“ „Aber wir können das alles doch schon…“, maulte Sirius uneinsichtig. „Dann könnt ihr Wurmschwanz helfen…keine Widerrede!“ „Ja, Mutti…“ Tatsächlich schaffte er es, die drei soweit zu bringen, dass sie ihre Nasen in die Bücher steckten. James und Sirius mochten ja recht begabt sein, doch auch die beiden wussten, dass es bei Peter anders aussah. Remus ermutigte ihn mehrmals, einfach zu fragen, wenn er irgendwelche Schwierigkeiten hatte oder etwas nicht verstand, was diesen zu erleichtern schien. Schließlich verabschiedete er sich frühzeitig von den anderen Rumtreibern, da er noch kurz in die Bibliothek wollte. Madam Pince würde ihn vermutlich umbringen, wenn er ihr nicht endlich die geliehenen Bücher zurückbrächte. Tatsächlich schien sie ihn mit ihren Blicken aufspießen zu wollen, doch er machte sich nichts draus. Während sie die geliehenen Bücher genauestens inspizierte, um auch keine eventuellen Schäden zu übersehen, blickte er sich flüchtig um. Als er einen roten Haarschopf zwischen den Regalen ausmachte, wunderte es ihn nicht. Er suchte Lilys Blick, doch sie schien ihn nicht zu bemerken, und hätte er ihr zugerufen, hätte Madam Pince ihn vermutlich erwürgt. Also wartete er, ob sie sich vielleicht doch noch zu ihm drehte, so dass er ihr zuwinken konnte, während er wartete. Dann jedoch stutzte er, denn erst jetzt fiel ihm auf, dass sie gar nicht allein war. Das Bücherregal hatte die andere Person bis eben verdeckt und nun hörte er auch Lilys aufgebrachte Stimme. „…lass es einfach, ja? Ich will nichts mehr davon hören!“ „Lily, ich-“ „Das hier ist eine Bibliothek!“, fauchte Madam Pince, bevor Lilys Gegenüber antworten konnte. „Ruhe da drüben oder ich erteile Ihnen Hausverbot!“ Lily schob das Buch in ihrer Hand ein wenig zu ruppig zurück ins Regal, ehe sie herumfuhr und die Person stehen ließ, wie sie es auch mit James getan hatte. Obwohl ihr die Wut ins Gesicht geschrieben stand, erkannte Remus, dass ihre Augen verdächtig glänzten. Anscheinend war es ihr peinlich, als sie ihn erkannte, denn sie lächelte ihm nur gezwungen zu, ehe sie ohne einen Gruß an ihm vorbeilief. Remus nahm es nicht persönlich, denn er wusste, dass Lily nichts gegen ihn hatte. Eigentlich verstanden sie sich ziemlich gut, wenn sie unter sich waren. Er sah zu der Person, die immer noch so verloren dort stand und noch blasser aussah als sonst. Dem Ausdruck nach zu urteilen, wirkte es, als hätte Lily ihm soeben eine Ohrfeige verpasst. Mental gesehen, stimmte das vermutlich sogar. Dann senkte Snape den Blick, wobei ihm die strähnigen Haare wie ein Vorhang ins Gesicht fielen. Ob er versucht hatte, sich bei ihr zu entschuldigen? So wie es aussah, hatte er da nicht viel erreicht, und Remus bezweifelte, dass er diese Angelegenheit würde bereinigen können. Er konnte auch nicht verstehen, wie man dieses Wort in den Mund nehmen konnte. Zumal Snape den Gerüchten zufolge ja selbst ein Halbblut war. Sirius hatte mal so etwas erwähnt…doch von wem er es aufgeschnappt hatte, wusste er nicht. Ertappt zuckte er zusammen, als Snape plötzlich den Blick hob und ihn abrupt ins Auge fasste. Sofort schalt sich Remus für seine Reaktion, denn schließlich hatte er ja nichts Verbotenes getan. Snape sah das anscheinend anders, denn sofort verzerrte Hass seine soeben noch zerknirschte Miene; als wäre es seine Schuld, dass Lily mit Tränen in den Augen rausgestürmt war. „Achten Sie darauf, dass Sie die Seiten das nächste Mal nicht so schändlich knicken! Diese Bücher sind von großem Wert!“, zischte ihn Madam Pince an und er warf ihr einen irritierten Blick zu. Ach ja…die Bücher…die hatte er beinahe vergessen. „Ja“, murmelte er nur, ehe er wieder zu Snape sah. Während Madam Pince ihn nun keines Blickes mehr würdigte und stattdessen nach hinten verschwand, kam Snape auf ihn zu. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn bei dessen verbissener Mimik und mehr aus Reflex wanderte seine Hand in den Umhang. Genau genommen war er nie persönlich mit Snape aneinander geraten, es waren immer James und Sirius, die sich mit ihm angelegt hatten. Trotzdem war ihm bewusst, dass der Slytherin nicht zu unterschätzen war. Snape schien seine Reaktion als Drohung aufzunehmen, denn er hielt seinen Zauberstab so schnell in den Händen und richtete ihn auf ihn, dass Remus wie erstarrt war. Das war doch nicht sein Ernst? „Nimm den Stab runter, Snape“, sprach er auf ihn ein, die Hand noch immer im Umhang. „Ich will mich nicht mit dir duellieren.“ Doch seine Worte stießen auf taube Ohren. „Sieh an“, schnarrte Snape gehässig. „Ohne Potter und Black an der Front bist du noch ein größerer Feigling als sonst, Lupin.“ Empört sah er den Slytherin an. „Das hat nichts mit Feigheit zu tun“, widersprach er. „Ich sehe nur keinen Grund dafür, dass wir uns gegenseitig Flüche auf den Hals hetzen!“ Snapes Ausdruck schien noch etwas finsterer zu werden. „Keinen Grund, ja?“, fragte er kalt. „Deine ach so tollen Freunde Potter und Black benötigen auch keinen Grund, um auf mich loszugehen, oder?“ Remus öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch was wollte er überhaupt sagen? Es stimmte schon, dass James und Sirius Snape auch schon grundlos angegriffen hatten. Er hatte sich nie eingemischt und die Erkenntnis ließ ihn sich nun unwohl fühlen. „Snape, das-“ „Locomotor Mortis!“ Der Fluch kam so unerwartet, dass Remus es nicht rechtzeitig schaffte, einen Schildzauber zu wirken. Er geriet aus dem Gleichgewicht und kam schmerzhaft auf dem Boden auf, als ihn der Beinklammerfluch traf. Bevor er etwas sagen konnte, stand Snape schon vor ihm, ein höhnisches Lächeln auf den schmalen Lippen. Mit gewissem Grauen bemerkte er, dass sein Zauberstab ein paar Meter entfernt lag…und dass Snape seinen Stab nun auf ihn richtete, machte es nicht besser. „Deine Verteidigung ist erbärmlich, Lupin“, hörte er ihn sagen. Er verzog das Gesicht, während er praktisch hilflos auf dem Rücken lag. „Ich…habe nicht damit gerechnet, dass ich mich verteidigen muss…“, brummte er und versuchte sich wenigstens halbwegs aufzurichten. Snape schien seinen Triumph auszukosten und Remus fragte sich unweigerlich, wo Madam Pince blieb, wenn man sie einmal brauchte. „Nun, das war ausgesprochen dumm von dir“, gab Snape zurück und seine Lippen kräuselten sich. „Aber wenigstens bist du nun da, wo du hingehörst. Du könntest mich passenderweise um Nachsicht anwinseln…“ Remus erbleichte ein wenig mehr, als er die Anspielung vernahm, doch gleichzeitig regte sich Wut in ihm. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein?! Doch er nahm sich zusammen, war sich seiner Position sehr wohl bewusst…und zudem wollte er Snape nicht den Gefallen tun, auf seine Provokation einzugehen. Der andere schien darauf zu warten, dass noch etwas von ihm kam, doch als das Schweigen beständig blieb und die klackernden Schritte von Madam Pince ertönten, wich er von ihm zurück. „Halt dich fern von mir, Lupin…sonst wird es dir leid tun“, drohte er ihm noch, ehe er den Stab zurück in den Umhang schob und an ihm vorbei rauschte. Remus sah ihm ein paar Sekunden nach…dann drehte er sich auf den Bauch und kroch auf seinen Zauberstab zu. Wenn Snape ihn hatte erniedrigen wollen, dann hatte er das geschafft, dachte er grimmig. „Was soll denn dieser Unfug?!“, zischte Madam Pince, die wohl endlich zurückgekommen war. „Nicht mal eine Minute kann man Schüler wie Sie aus den Augen lassen!“ Remus ignorierte sie, während er nach seinem Stab angelte und den Gegenfluch murmelte. Es war ein befreiendes Gefühl, als seine Beine endlich nicht mehr zusammenklebten. Während er sich aufrichtete, fragte er sich, wieso das eben überhaupt passiert war. Trug er die Schuld? Weil er Snape mit Lily beobachtet hatte? Hasste er ihn so sehr wegen der Geschichte in der heulenden Hütte? Oder war es, weil er mit James und Sirius befreundet war? Weil er nie einschritt, wenn sie ihn drangsalierten? Oder war Snape einfach ein Mistkerl? Vielleicht war es ja ein bisschen von allem…und an dem Gedanken haftete ein bitterer Nachgeschmack. Kapitel 3: Konfrontation ------------------------ Als er gegen Abend endlich einmal zur Ruhe kam, wusste er nicht, welches brodelnde Gefühl in ihm die Oberhand gewonnen hatte. Er war froh, als er sich im Gemeinschaftsraum in einen der hohen Lehnstühle fallen lassen konnte, eines der geliehenen Bücher aus der Bibliothek im Schoß liegend. Noch war es recht früh und daher hielten sich die meisten vermutlich noch mit dem Abendessen auf. Umso besser für ihn, denn Gesellschaft war das Letzte, das er sich gerade wünschte, und so genoss er das Alleinsein. Das dämmrige grüne Licht erhellte den düsteren Raum nur spärlich, ebenso wie die Flammen des offenen Kamins, doch er empfand gerade das als angenehm. Unweigerlich musste Severus an Lilys skeptischen Gesichtsausdruck denken, als er ihr damals in ihrem ersten Jahr vom Gemeinschaftsraum Slytherins erzählt hatte. Sie hatte ihn als wenig behaglich kommentiert und ihm von Gryffindor vorgeschwärmt, was er wiederum nicht hatte nachvollziehen können. Er fühlte sich hier unten wohler und konnte dem hochgelobten Raum im siebten Stock aus ihren Erzählungen nichts abgewinnen. Es war nicht das erste und letzte Mal gewesen, dass ihre Meinungen auseinander gingen. Genau genommen war es schon immer so gewesen, schon seit er sie kannte, waren sie immer wieder aneinander geraten. Anfangs wegen Kleinigkeiten, über die sie hinterher lachen konnten, doch mit der Zeit hatten sich Probleme daraus entwickelt. Alles war schwieriger geworden und dennoch hatte er heute abermals versucht, sich bei ihr zu entschuldigen, damit sie wieder Freunde sein konnten. Er hatte es nicht einmal geplant, doch als er sie gesehen hatte, war es einfach über ihn gekommen. Das Verlangen, mit ihr zu sprechen, ihr zu sagen, dass es ihm leid tat…dass er sie nicht hatte beschimpfen wollen und dass er sie gern hatte. Am liebsten hätte er ihr noch mehr gesagt, doch das würde er niemals über sich bringen können. So oft hatte er ihr sagen wollen, wie sehr er sie mochte, doch nie hatte er es über die Lippen bringen können. Nun war es sowieso zu spät, schließlich hatte sie ihn nicht mal richtig zu Wort kommen lassen. Ihre grünen Augen hatten ihn zornig angeblitzt, während sie ihm einmal mehr eine schmerzhafte Abfuhr verpasst hatte. Bei der Erinnerung daran wurde ihm die Kehle eng und er musste hart schlucken. Wenn sie wenigstens nicht auch noch dabei beobachtet worden wären…dann hätte er es mit gespielter Gleichgültigkeit ertragen können. Natürlich hatte er dieses Glück nicht gehabt und nun verdrängte Wut das niederschmetternde Gefühl in seiner Brust. Was fiel Lupin eigentlich ein, ihm nachzuspionieren? Vor allem in so einer Situation…als hätte er sich nicht schon genug geschämt. Er konnte sich regelrecht vorstellen, wie Lupin zu Potter und Black rannte, um ihnen seine Beobachtung mitzuteilen. Sicher zerrissen sie sich gerade das Maul über ihn. Potter amüsierte sich bestimmt köstlich darüber, dass Lily ihn hatte abblitzen lassen…wie sehr er ihn hasste und das nicht nur, weil er ihm das Leben zur Hölle machte. Noch schlimmer war es für ihn, wie er seiner ehemals besten Freundin nachstellte…sie belagerte und angaffte. Der Gedanke daran reichte, um eine Welle des Hasses durch seine Adern zu schicken Wenigstens hatte er sich ein bisschen rächen können und kurz verdrängte süße Genugtuung den Zorn in seinem Inneren. Wie Lupin ihn mit seinen großen, braunen Augen angestarrt hatte…wie ein Kaninchen in der Falle. Es hatte ihm regelrecht Spaß gemacht, ihn mit dem Fluch zu Boden zu schicken. Die Versuchung war groß gewesen, ihm seinen Sectumsempra direkt in sein ohnehin schon vernarbtes Gesicht zu jagen. Er hätte sich gut damit herausreden können, dass der Werwolf die Wunden schon zuvor gehabt habe…wobei, Dumbledore hätte das sicher durchschaut. Es war eigentlich gut gewesen, dass er nicht die Beherrschung verloren, sondern es bei der Demütigung belassen hatte. Zwar hätte er Potter und Black noch lieber zu seinen Füßen kriechen gesehen, doch man musste nehmen, was man kriegen konnte, und Lupin war nun einmal der schwächere Part. Dessen Gefasel von wegen, es gäbe keinen Grund, sich zu bekriegen, war ausgemachter Schwachsinn. Als ob er nicht genau gesehen hätte, wie Lupin nach seinem Stab hatte greifen wollen. Tja, dieses Mal war er schneller gewesen und einen Moment lang bedauerte er doch, dass er die Situation nicht vollends ausgekostet hatte. Vielleicht hätte er Lupin ja auch mal kopfüber hängen lassen sollen? Wobei…es war ja niemand außer Madam Pince in der Nähe gewesen, von daher hätte es den gewünschten Zweck sowieso nicht erfüllt. Wenn er noch mal die Gelegenheit bekommen sollte, würde er diesem Feigling einen Fluch auf den Hals hetzen, der ihn lehren würde, nie wieder den Stab gegen ihn zu erheben. Severus stutzte, als er sich vorstellte, wie Lupin sich in dieser Sekunde bei dem Rest seiner Truppe ausheulte. Was ihn daran beunruhigte, war, dass weder Potter noch Black es auf sich sitzen lassen würden, dass er ihren Freund bloßgestellt hatte. Was das anging, waren sie ekelerregend loyal. Demnach musste er sich in Zukunft wappnen, durfte keine Sekunde unachtsam sein, denn mit Sicherheit würden sie sich etwas besonders Hinterhältiges ausdenken. Ihm graute es dabei, abermals vor allen Anwesenden entblößt zu werden. Noch so eine peinliche Episode und er konnte selbst von seinem eigenen Haus nichts mehr erwarten. Schon jetzt hatte ihm das seine Chancen verspielt… Severus hielt in seinen Gedanken inne, als er bemerkte, dass er nicht länger allein war. Anscheinend war das Abendessen beendet. Sein Blick glitt wieder zu dem Buch in seinem Schoß und er schlug es auf, um wenigstens den Eindruck zu vermitteln, etwas Sinnvolles zu tun. In die Flammen des Kamins zu starren und über Lily und die Rumtreiber nachzudenken, gehörte wohl kaum dazu. Langsam glitten seine schwarzen Augen über das Inhaltsverzeichnis…das Buch handelte von den dunklen Künsten und es wunderte ihn, dass es nicht in die verbotene Abteilung einsortiert worden war. Vielleicht ein Versehen, doch er bedauerte es nicht, das Buch jetzt in den Händen halten zu können. Jedoch wurde sein Interesse getrübt, als er die Stimme von Rabastan Lestrange vernahm. Ohne aufzusehen, warf er ihm und seinem Anhang einen unauffälligen Seitenblick zu. „…mein Bruder hat mir geschrieben…ich erzähle es euch später…“ „Und…er ist wirklich…?“ „Ich habe doch später gesagt!“, betonte Lestrange und die Schärfe in seiner Stimme war unüberhörbar. Severus bemerkte, wie einige Slytherin aus den unteren Klassen in Richtung Schlafsaal gingen – vielleicht ein bisschen zu eilig. Es wunderte ihn nicht, denn die meisten schüchterte Lestranges Ruf ein und dieser genoss es in vollen Zügen. Severus sah erst auf, als Lestrange direkt vor ihm stand und instinktiv spannte er sich an, auch wenn er äußerlich keine Miene verzog. Es war nicht so, dass er Angst hatte, er konnte sich nur einfach nicht vorstellen, dass die plötzliche Aufmerksamkeit etwas Positives bedeuten könnte. Die stahlblauen Augen seines Gegenübers fixierten erst das Buch in seinem Schoß und dann ihn. Ein herablassendes Lächeln begleitete den musternden Blick, während Rosier hinter ihm grinste. „Snape.“ „Lestrange“, erwiderte er in derselben Tonlage und sah genauso kühl zurück. „Interessantes Buch…“, kommentierte Lestrange scheinbar beiläufig und Severus wusste nicht, was er davon halten sollte. Generell gefiel ihm die Situation nicht, da er schon wieder einer Gruppe gegenüberstand. Er war allein, so wie immer. Das Misstrauen war schon natürlich geworden, auch wenn es sich hierbei um seine eigenen Hausgenossen handelte. „Scheinst dich ja ziemlich für die dunklen Künste zu interessieren“, bemerkte Lestrange und Rosier grinste noch bösartiger. „Wenn er sie nur beherrschen würde, anstatt kleinen Schlammblüterinnen hinterher zu laufen…“ „…oder kopfüber herumzuhängen“, fügte Avery hinzu und die anderen lachten. Sie machten sich über ihn lustig. Wut stieg in ihm auf, doch er nahm sich zusammen, durfte hier keine Schwächen offenbaren, indem er die Fassung verlor. Also setzte er ein falsches Lächeln auf und blickte an Lestrange vorbei zu Rosier und Avery. „Erstens habe ich es nicht nötig, irgendwem hinterherzulaufen und zweitens…muss ich mir sowas von dir nicht anhören, Avery“, schoss er scharf zurück. „Nicht, nach letzter Woche, als dir Black’s Furnunculus-Fluch drei Tage im Krankenflügel beschert hat!“ Angriff war definitiv die beste Verteidigung, das bewies sich auch in dieser Situation, denn Avery wurde sofort knallrot und mied nun seinen Blick. Lestrange schien einen Moment lang verdutzt von seiner Schlagfertigkeit zu sein, jedenfalls lachte nun niemand mehr, doch dann fasste er sich. „Zumindest mit Worten kannst du umgehen“, meinte er mit der gewohnten Arroganz und Severus verengte die Augen. „Wie auch immer, wir haben etwas Wichtiges zu besprechen…also…“ Severus konnte sich denken, was genau so wichtig war, und dass ihm soeben gezeigt wurde, wo sein Platz war, war offensichtlich. Es musste nicht ausgesprochen werden, er wusste auch so, dass er verschwinden sollte, weil er eben nicht dazu gehörte. Für wenige Sekunden zog er es in Erwägung, darum zu bitten, bleiben zu dürfen…sein Interesse an diesem Thema zu erläutern, doch dann wurde ihm klar, dass er sich damit lediglich noch lächerlicher machen würde. Wenn er wirklich dazu gehören wollte, durfte er nicht darum betteln, sondern musste beeindrucken. Gerade bot sich ihm dafür keine Gelegenheit und so war es das Klügste, aufzustehen und tatsächlich zu verschwinden. Er ließ sich Zeit dafür, erwiderte Lestranges Blick mit derselben Härte, als er sich schließlich langsam erhob und an ihnen vorbei schob. Zähneknirschend nahm er es hin, dass Rosier ihm beim Vorbeigehen den Ellenbogen in die Seite stieß. Ein Grunzen, das sehr nach Halbblut klang, drang an seine Ohren, doch er ignorierte es und schlurfte Richtung Schlafsaal. Sich so herumschubsen zu lassen, passte ihm nicht, doch Rosier hatte einen guten Draht zu Lestrange und aus diesem Grund musste er vorerst die Füße stillhalten. Irgendwie musste er es schaffen, die anderen diese peinlichen Episoden vergessen zu lassen. Wieder kam ihm in den Sinn, dass er Lupin lieber vor Publikum hätte demütigen sollen…aber gut, die Chance war vertan. Es würden sich andere bieten, er musste nur seinen Verstand gebrauchen und die richtige Gelegenheit abwarten. Wobei es vermutlich das Klügste wäre, wenn er fürs Erste noch mehr Wachsamkeit als sonst an den Tag legen würde. Wahrscheinlich saßen die Rumtreiber im Moment beisammen und überlegten, wie sie am besten Rache üben konnten. Unweigerlich musste er daran denken, dass ihm seine Mutter damals versichert hatte, dass in Hogwarts alles besser werden würde. Er sollte es eigentlich gewohnt sein, dass sie einfach immer Unrecht hatte. Als er ein paar Minuten später in seinem Bett lag, das Gesicht zur Wand gedreht, sah er Lily vor sich, wie sie ihn mit ihren grünen Augen wütend und enttäuscht ansah. Er hatte sie eben schon wieder verleugnet…hatte zugelassen, dass man sie Schlammblut nannte. Er versuchte ihr ständig zu sagen, dass es ihm leidtat, aber in solchen Situationen hielt er stets den Mund…ergriff nie Partei für sie. Erst jetzt fühlte er sich deswegen schuldig, doch was hätte es geändert, wenn er sie verteidigt hätte? Er wäre noch tiefer in Lestranges Gunst gesunken, falls das überhaupt möglich war, und sie hätte sowieso nie davon erfahren. Sie wollte ja kein Wort mehr mit ihm wechseln. Er atmete durch, schloss die Augen, während er das flaue Gefühl in seinem Magen zu verdrängen und zu schlafen versuchte. Etwas anderes blieb ihm ja auch nicht übrig. Jedoch schien er sich zumindest wegen der Rumtreiber umsonst gesorgt zu haben. In den nächsten Tagen bekam er zwar ab und an die üblichen Sprüche zu hören, doch stets so, dass es nicht alle mitbekamen. Besonders wenn Lily in der Nähe war, schien Potter mehr denn je bemüht, sich besonders erwachsen zu verhalten – und diese Farce widerte Severus noch mehr an, als wenn er sie mit eindeutigen Absichten belagern würde. Dadurch dass er sie nicht ständig nach einem Date fragte oder andere Schüler, ihn eingeschlossen, vor ihren Augen verhexte, bekam sie weniger Gelegenheiten, ihm ihre Abneigung zu zeigen. Severus durchschaute den Plan natürlich sofort und er hoffte, dass Lily dies auch tat. Aber sie hasste ihn ja abgrundtief, das wusste jeder, und er konnte sich damit auch einigermaßen beruhigen. Lily war nicht so dumm, auf diese neue Masche reinzufallen, also musste er sich auch nicht sorgen. Viel eher sollte er sich um sich selbst Gedanken machen, denn er konnte diesem seltsamen Frieden nicht trauen. Hatte Lupin etwa doch nicht gepetzt? Oder wollten ihn die vier nur in Sicherheit wiegen, um es ihm richtig heimzuzahlen? Beides empfand Severus als beunruhigend und es sorgte dafür, dass er noch paranoider als sonst wurde. Wann immer ihm einer der vier, vor allem Potter und Black, begegneten, zog er direkt seinen Stab – doch die beiden lachten ihn jedes Mal aus und ließen ihn mit einem abfälligen Kommentar stehen. Pettigrew war kaum der Rede wert, der traute sich nicht, ihn allein auch nur schief anzusehen und Lupin…verhielt sich überraschend freundlich. Severus hatte geglaubt, dass der andere ihn entweder weiter ignorieren oder ihm doch zumindest seinen Unmut über ihr letztes Aufeinandertreffen zeigen würde – nichts von beidem war der Fall. Wenn er dem Werwolf durch Zufall allein begegnete, nickte dieser ihm jedes Mal bemüht freundlich zu. In Gegenwart von Potter und Black beließ er es bei einem entschuldigenden Lächeln…und Severus stellte fest, dass er ihn dafür noch mehr als zuvor hasste. Was sollte denn diese Nummer? War Lupin etwa noch feiger, als er bisher angenommen hatte, und versuchte nun die Wogen zu glätten? Oder hatte er diesem Schwächling tatsächlich Angst gemacht? Nein…das konnte es nicht sein. Doch was war es dann? Fakt war jedenfalls, dass ihn dieses Verhalten wahnsinnig machte. Jedoch trieb Lupin es am Ende der Woche auf die Spitze. Severus hatte seine Aufsätze vor seinem Streit mit Lily oft mit dieser in der Bibliothek geschrieben, doch jetzt saß er meistens allein dort. An sich störte ihn das Alleinsein nicht, es war mehr die Tatsache, dass er seine beste Freundin generell vermisste. Immerhin hatte er hier seine Ruhe und konnte, wenn nötig, direkt auf die richtigen Bücher zurückgreifen. Also setzte er sich an einen der Tische – möglichst weit von Madam Pince entfernt – und breitete seine Sachen darauf aus, ehe er sich an die Arbeit machte. McGonagall hatte ihnen in Verwandlung einen Aufsatz über Inanimatus-Aufrufezauber aufgegeben und da er jedes Mal mindestens eine Rolle Pergament mehr als gewünscht schrieb, fing er am besten frühzeitig damit an. Er hatte gerade das Lehrbuch aufgeschlagen und noch mal schnell das Thema überflogen, als ihn ein Räuspern zusammenfahren ließ. Sein Kopf ruckte hoch und er blickte direkt in ein Paar brauner Augen, die ihn mit der gewohnten Gutmütigkeit anblickten. „Hallo“, begrüße ihn Lupin mit einem höflichen Lächeln, während Severus ihn nur anstarren konnte. „Darf ich mich setzen? Danke.“ Zwar hatte er bisher nicht ein Wort gesagt, doch Lupin schien die Antwort auch gar nicht abwarten zu wollen, denn er ließ sich einfach ihm gegenüber nieder, ehe er sein Buch und das Pergament rausholte. „…was wird das?“, fragte Severus mit so viel Abneigung in der Stimme, dass selbst ein Schwachkopf gemerkt hätte, dass seine Anwesenheit nicht erwünscht war. Lupin hatte wohl beschlossen, so zu tun, als würde er es nicht bemerken, denn er stellte gerade sein Tintenfass auf den Tisch. „Ich schreibe meinen Aufsatz.“ „Ich war zuerst hier!“, zischte er ihn an und Lupin hob eine Braue. „Ja“, sagte er langsam und lächelte dann wieder. „Aber da hier genug Platz ist, können wir bestimmt beide hier sitzen und arbeiten.“ Severus hatte das Gefühl, gleich zu explodieren, doch er presste nur die Lippen fest aufeinander und versuchte Lupin durch seinen hasserfüllten Blick zu vertreiben – erfolglos. „Hat dir das letzte Mal nicht gereicht? Willst du mich provozieren?“, fauchte er ihn an und bemühte sich dabei, leise zu sein. Madam Pince schaute schon so misstrauisch zu ihnen herüber. „Bitte?“, entgegnete Lupin und blinzelte dabei irritiert. „Ich will hier nur sitzen und meinen Aufsatz schreiben, Snape. Wenn du dich durch meine Anwesenheit provoziert fühlst, ist das nicht meine Schuld.“ Gleich würde er ihm an den Hals springen und ihn erwürgen…es fehlte nicht mehr viel. Wobei, nein, er würde ihm einen Fluch aufhalsen, der ihm mindestens eine Woche Krankenflügel bescheren würde. Was fiel diesem Abschaum eigentlich ein?! „Schön!“, fauchte er ihn an und blickte nun verbissen auf sein eigenes Pergament runter, ehe er die Feder ergriff und sie mit zu viel Schwung ins Tintenfass tauchte. Die Kleckse auf dem Tisch ignorierend, setzte er die Spitze aufs Papier. „Dann bleib halt!“ Lupin lächelte immer noch, trotz des garstigen Tonfalls. „Das ist sehr freundlich.“ „Tse!“ Lange konnte er sich über den anderen nicht aufregen, denn dieser verhielt sich tatsächlich still. Abgesehen vom Kratzen der Feder auf dem Papier und dem Umschlagen der Seiten gab er keinen Laut von sich. Sollte das hier also doch keine Schikane werden? Severus konnte sein Misstrauen dennoch nicht einfach ablegen, vor allem da er keinen Grund sah, weswegen sich Lupin sonst mit ihm zusammensetzen wollte. Wohl kaum, weil sie einander so sehr mochten. Fragen konnte er auch nicht, denn damit würde er zugeben, dass er sich Gedanken machte. Da stand er diese Situation lieber aus und ignorierte den Werwolf. Wobei ihn eines schon interessierte…und schließlich überwand er sich, wobei er jedoch nicht von seinem Pergament aufschaute. „Du hast nichts gesagt.“ Lupins Feder stand nun ebenfalls still. „Wie bitte?“, hörte er ihn fragen und seufzte innerlich genervt. „Das letztens“, erwiderte er knapp. „Anscheinend hast du den Vorfall für dich behalten. Warum?“ Ein paar Sekunden kam keine Antwort und als Severus doch aufsah, Lupin abschätzend musternd, sah dieser ihn nachdenklich an. „Du meinst, warum ich nicht zu James und Sirius gerannt bin, damit sie dich meinetwegen verhexen?“ „Das wäre, was ich von jemandem wie dir erwartet hätte.“ Lupin schnaubte leise und legte die Feder nieder, um die Arme zu verschränken und ihn ernst anzublicken. „Jemandem wie mir?“, wiederholte er leise. „Und was genau willst du damit sagen, Snape?“ Severus verbiss sich, was ihm wirklich auf der Zunge lag – und das auch nur, weil Dumbledore ihm verboten hatte, darüber zu sprechen. „Das, was ich dir schon das letzte Mal gesagt habe: Du bist ein Feigling. Potter und Black stehen an der Front, während du und Pettigrew ihnen aus dem Hintergrund den Rücken freihaltet und sie anfeuert. Sehr rühmlich…“ Er hätte damit gerechnet, dass Lupin direkt alles abstreiten würde, doch stattdessen saß er da und schien nachzudenken. Was auch immer es dabei zu überdenken gab… „Ich feuere niemanden an“, antwortete Lupin schließlich ruhig. „…und ich bin nicht mit allem einverstanden, was sie tun. Das habe ich ihnen auch schon gesagt…aber du hast Recht damit, dass ich nicht immer eingreife, obwohl ich es als Vertrauensschüler wohl tun sollte.“ Er seufzte leise und zuckte dann mit den Schultern. „Gerade du müsstest doch wissen, wie unangenehm es ist, allein zu sein, Snape“, sprach er weiter und Severus spannte sich an. „Sie sind meine Freunde…natürlich bin ich nachsichtig mit ihnen. Das ist vielleicht nicht immer korrekt, aber es ist menschlich.“ Es war mit Sicherheit nicht das, was Severus hatte hören wollen. Er wollte nicht von jemandem wie Lupin hören, dass er einsam war. Er war nicht einsam – er brauchte niemanden! Den Gedanken an Lily versuchte er dabei auszublenden, auch wenn es ihm wie immer nicht gelang. Es machte ihn einfach wütend, dass Lupin von ihm Verständnis zu erwarten schien. Sein Kiefer malmte lautlos, während er ihn anfunkelte, doch der andere ergriff erneut das Wort. „Und zu deiner Frage…ich habe ihnen nichts erzählt, weil ich nicht wollte, dass sich die beiden für mich an dir rächen. Das wäre nicht richtig.“ Severus schnaubte verächtlich. „Bei so viel Selbstgerechtigkeit möchte ich mich übergeben…“, kommentierte er trocken, doch Lupin schien es locker zu nehmen. „Nun, du hast uns auch schon ein paar Mal übel mitgespielt, Snape…so einseitig, wie du es darstellst, ist es also nicht.“ Severus Augen wurden schmal, als er das hörte; das konnte nicht sein Ernst sein. Er funkelte Lupin über den Tisch hinweg finster an, doch der andere hielt dem Blick stand. „So…“, sagte Severus langsam und legte die Feder beiseite. „Auf diese Weise redest du es dir also schön, ja?“ „Ich-“ „Oh nein!“, zischte er ihm dazwischen und nun wirkte Lupin alarmiert. „Ich brauche dein selbstgerechtes Getue nicht, Lupin! Deine so genannten Freunde haben versucht, mich umzubringen! Und wer weiß…vielleicht wusstest du ja sogar davon? Vielleicht hätte es dir gefallen, mich in Stücke zu reißen? Oder mir dieselbe Last aufzubürden?“ Er spürte das Gefühl grimmiger Genugtuung, als Lupin leichenblass wurde und ihn mit schreckgeweiteten Augen ansah. Wie ein gehetztes Tier sah er sich rasch um, jedoch schien es ihn nicht wirklich zu beruhigen, dass sie allein und Madam Pince zu beschäftigt war, um auf sie zu achten. „Das ist nicht wahr“, flüsterte er zurück und er klang dabei so aufgelöst, dass Severus noch eins draufsetzen musste. „Du weißt, dass das nicht wahr ist.“ „Ach nein? Du willst mir also sagen, dass dir nicht das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn du an delikates Menschenfleisch denkst?“ „Hör auf…“ Lupins bernsteinfarbene Iriden flackerten und Severus bemerkte, dass seine Finger zitterten. Das war anscheinend ein empfindlicher Punkt, doch es wunderte ihn nicht. Wer wollte sich schon einmal im Monat in eine Bestie verwandeln, die nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte? „Wenn dem nicht so ist, Lupin, wie kannst du sie dann noch Freunde nennen?“ Ob es wohl bei Lupin eine Grenze gab? Severus stellte fest, dass es ihm regelrechtes Vergnügen bereitete, diese auszutesten. Ja, er durfte niemandem davon erzählen, aber Lupin damit zu konfrontieren, das konnte ihm keiner verbieten. „Sie haben einen Fehler gemacht…James hat-“ „Mich gerettet? Er wollte nicht, dass ihr alle von der Schule fliegt – das hat nichts mit Heldenmut zu tun.“ „Es war…ein dummer Streich, Sirius hat nicht-“ „Nein, das war kein Streich…das war der Versuch, mich umzubringen“, fuhr er ihm gnadenlos über den Mund und Lupin schluckte hart. „Und ich frage mich, wie du ihnen verzeihen kannst, wo sie dich doch beinahe zum Mörder gemacht haben. Aber vielleicht spielt das für dich ja keine Rolle mehr? Vielleicht hast du dich damit abgefunden, dass du ein-“ „Halt endlich deinen Mund!!“ Severus war so verblüfft, dass er tatsächlich verstummte und Lupin anstarrte, der so ruckartig aufgesprungen war, dass er seinen Stuhl dabei umgestoßen hatte. Die Situation kam ihm so skurril vor, dass er sich nicht einmal bedroht fühlen konnte. Er musterte Lupin, der schwer atmete und aussah, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er sich auf ihn stürzen oder doch lieber verschwinden sollte. Doch dann packte er hastig seine Sachen zusammen und floh geradezu aus der Bibliothek, ohne sich noch einmal umzudrehen oder Madam Pince zu beachten, die ihm hinterher schimpfte. Severus blieb sitzen, ließ das Geschehene noch einmal Revue passieren…ehe er sich mit einem triumphalen Gefühl in der Brust wieder seinem Aufsatz widmete. Kapitel 4: Gute Ansätze ----------------------- Remus wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er wusste es, sobald er Abstand zwischen Snape und sich gebracht hatte. Eigentlich hatte er nur das Beste im Sinn gehabt, als er den Slytherin in der Bibliothek hatte sitzen sehen. Die vergangenen Tage über hatte er über seine Worte nachgedacht und wiederholt festgestellt, dass Snape gute Gründe hatte, ihm nicht zu trauen. Wie oft hatten James und Sirius ihn auf den Gängen aufgegriffen und bloßgestellt, einfach, weil sie ihn nicht leiden konnten und es ihnen Spaß gemacht hatte. Wie oft hatten er und Peter da gesessen und nichts getan? Viel zu oft, wenn er ehrlich war und er hatte begonnen, sich deswegen schlecht zu fühlen. Dass James neuerdings beschlossen hatte, seinen Rat zu befolgen und sich zumindest in Lilys Anwesenheit zusammenzureißen, war schon mal ein positiver Anfang. Remus selbst hatte sich um Freundlichkeit gegenüber Snape bemühen wollen und dies war auch der Grund gewesen, warum er sich zu ihm gesetzt hatte. Natürlich hatte er gewusst, dass die Angelegenheit nicht so einfach aus der Welt zu schaffen war, doch er hatte den ersten Schritt gehen wollen. Die ersten paar Minuten war es sogar ganz gut gelaufen – an Snapes Bissigkeit hatte er sich längst gewöhnt –, doch dann war es plötzlich eskaliert. Remus wusste nicht mal mehr, wie es so schnell zu dieser Wendung hatte kommen können, doch die Dinge, die Snape ihm an den Kopf geworfen hatte, waren grausam gewesen. So grausam, dass er auch jetzt noch fertig mit den Nerven war. Wie konnte Snape behaupten, er würde es genießen, ein Werwolf zu sein? Dass er es mochte Menschen zu fressen, war so absurd und beleidigend, dass ihm immer noch ganz übel war. Er litt unter seiner Lykanthropie und Snape musste es wissen…er hatte absichtlich seinen wunden Punkt bearbeitet, ihn so hart getroffen, wie es nur ging. Da war so viel Hass in Snapes Augen und auch in seinen Worten gewesen, dass sich Remus wie Abschaum gefühlt hatte. Warum hatte er sich das überhaupt angetan? Er war naiv gewesen, zu glauben, dass man mit Snape vernünftig würde reden können. Was er davon hatte, sah er ja jetzt…und er bereute es, diesen Schritt überhaupt gemacht zu haben. Seine Flucht endete auf der Jungentoilette, wo er seine Tasche fallen ließ und hektisch am Wasserhahn drehte. Sein Puls raste immer noch und verursachte regelrechte Übelkeit, so dass er mehrmals tief ein und ausatmete. Er musste sich beruhigen, doch das war einfacher gesagt, als getan. Er schob die Handflächen unter den eiskalten Wasserstrahl, ehe er sein Gesicht in das kühle Nass tauchte. Erst, nachdem er dies noch zweimal wiederholt hatte und seine Haut brannte, erzielte es den gewünschten Effekt und er kam etwas zur Ruhe. Es war lange her, dass er so außer sich geraten war. Das hätte nicht passieren dürfen. Leise keuchend sah er in den Spiegel vor sich, die feuchten Hände in die Keramik des Beckens gekrallt. Ein vom kalten Wasser gerötetes Gesicht sah ihm entgegen, Tropfen perlten aus seinen Haaren, rannen an Nase und Kinn hinab…durchnässten auch den Kragen seines Umhangs. Die Narben stachen noch stärker als sonst hervor, jedenfalls erschien es ihm so. Er sah furchtbar aus. Gut, dass er allein war und ihn niemand so sehen konnte. Erschöpft fuhr er sich durch das braune Haar, während er immer noch über das Becken gebeugt stand. Bei Merlin…er hatte Snape angeschrien. Er, der sonst immer als besonnen und ruhig galt, war schlichtweg explodiert. Natürlich wusste Remus, warum er so empfindlich gewesen war…warum er sich auf das boshafte Gerede, das er normalerweise ignoriert hätte, eingelassen hatte. Alles, was Snape ausgesprochen hatte, hatte er sich insgeheim auch schon durch den Kopf gehen lassen. Die gemeinen Sprüche über die grausame Natur des Werwolfs hatten die Ängste in Remus erneut wachgerüttelt. Wie oft hatte er nachts im Bett gelegen und sich davor gefürchtet, sich zum Negativen zu verändern, weil die dunkle Kreatur in ihm schlummerte? Und wie entsetzt war er gewesen, als er von Sirius‘ Streich gehört hatte…wie enttäuscht und verletzt, dass dieser es in seinem Leichtsinn in Kauf genommen hatte, dass er jemanden tötete. Er hatte Wochen nicht mit Sirius gesprochen, doch dieser hatte immer wieder beteuert, dass er seine Dummheit bereue und dass es ihm leid tue. Irgendwann hatte Remus ihm verziehen, denn er wusste, dass Sirius kein schlechter Mensch war. Allerdings hatte er ihm nie wirklich auf die Frage geantwortet, ob er Snape hatte umbringen wollen. Er hatte sich immer nur dafür entschuldigt, Remus das angetan zu haben oder dass er beinahe ihr Geheimnis verraten hätte. Auch hatte sich keiner von ihnen je bei Snape entschuldigt – Remus mit eingeschlossen. Viel zu erleichtert waren sie alle vier gewesen, dass nichts Schlimmes passiert war. Wobei auch das nicht stimmte, denn wenn er sich jetzt zurückerinnerte, dachte er daran, dass Snape damals den Schock seines Lebens erlitten hatte. Kein Wunder, schließlich wäre er um ein Haar von ihm zerfetzt worden. Zumindest James hatte ihm geschworen, dass weder Sirius noch er Snape genug hassten, um ihm den Tod zu wünschen. Sirius hatte sich nicht geäußert, aber auch nichts abgestritten. Remus atmete noch einmal durch und fuhr sich dann mit dem Ärmel über das nasse Gesicht, ehe er die Schultern straffte und nach seiner Tasche griff. Auch wenn Snape sich ihm gegenüber ekelhaft wie immer verhalten hatte, konnte er es ihm im Nachhinein nicht verdenken. Werwölfe waren bei den meisten Hexen und Zauberern verpönt und es war ein Wunder, dass er überhaupt in Hogwarts zur Schule gehen durfte. Er sollte dankbar sein, dass er Freunde wie James, Sirius und Peter hatte…und er hatte Sirius verziehen, was er beinahe angerichtet hatte. Es jetzt erneut aufzuwärmen, würde nur ihre Freundschaft belasten, auf die er nicht verzichten wollte. Snape war eine andere Geschichte, die er allein regeln würde. Er nickte seinem Spiegelbild wie zur Bestätigung zu, bevor er sich umdrehte und die Toilette verließ. Jedoch war er immer noch so in Gedanken, dass er nicht aufpasste und auf dem Gang direkt in jemanden hineinlief. Ein Stöhnen ertönte und Lupin taumelte zurück, ließ seine Tasche fallen. Verdutzt sah er zu dem Mädchen runter, deren Bücher nun um sie verstreut lagen, während sie auf dem Boden saß und ihn anklagend ansah. „Oh Lily, das tut mir leid!“, entfuhr es ihm und er reichte ihr sofort die Hand, um ihr aufzuhelfen. Glücklicherweise schien sie ihm nicht wirklich böse zu sein, denn sie nahm seine Hilfe direkt an. „Schon gut“, erwiderte sie mit einem schiefen Lächeln, ehe sie innehielt und ihn musterte. „Meine Güte, Remus…ist alles in Ordnung? Du siehst furchtbar aus…“ Anstatt ihr zu antworten, bückte er sich, um ihre Bücher aufzusammeln; was sollte er darauf auch sagen? Er wollte bestimmt nicht mit Lily über Snape reden oder sich gar bei ihr ausweinen. Als er sich wieder erhob und ihr die Bücher reichte, hatte er ein Lächeln aufgesetzt. „Es ist alles gut…ich habe nur schlecht geschlafen“, wich er ihr aus, doch er sah es in ihren klugen Augen, dass sie ihm das nicht abnahm. Erstaunlich, wo er doch einmal im Monat krank war und sie sein Zustand nicht mehr überraschen sollte. „Na, wenn du das sagst“, gab sie jedoch nur zurück. „Wollen wir ein Stück gehen?“ Er stutzte in der ersten Sekunde, nickte dann aber, da er annahm, dass es um eine Vertrauensschüler-Angelegenheit ging. Davon abgesehen mochte er Lily und unterhielt sich gern mit ihr. Es war also perfekt, um sich von der Sache mit Snape abzulenken. „Sicher.“ Sie lächelte ihn warm an und ging dann mit ihm hinaus, wo die Sonne schien. Es war ein schöner Sommertag und unweigerlich musste er an Snape denken, der jetzt vermutlich immer noch allein in der Bibliothek saß. Er war froh, als ihn Lily aus diesen trüben Gedanken riss – er sollte sowieso nicht so viel über den unfreundlichen Slytherin nachdenken. „Vielleicht kannst du mir ja sagen, was mit Potter los ist.“ Beinahe wäre ihm die Tasche erneut aus der Hand gefallen und er starrte sie an. „Bitte?“ Sie verdrehte die Augen. „Na, was mit Potter ist…warum er neuerdings so…anders ist.“ „Ich verstehe nicht, was du meinst…ich denke, er ist wie immer.“ Eigentlich wusste er genau, was sie meinte, denn James schien ihm zur Abwechslung endlich einmal zugehört zu haben. Er hatte aufgehört, Unfug zu treiben, wenn Lily oder ihre Freundinnen in der Nähe waren, und er fragte sie nicht mehr bei jeder Gelegenheit nach einem Date. Zudem schien er seine Angeberei zu unterdrücken – nur die Haare zerwuschelte er sich nach wie vor, doch das gehörte ja auch irgendwie zu ihm. Dass Lily bereits nach einer Woche auffiel, dass sich James anders verhielt, brachte Remus innerlich zum Schmunzeln; so egal konnte er ihr dann ja nicht sein. „Nein, das ist er eben nicht“, widersprach sie verärgert. „Irgendwas hat er vor…ich meine, sonst hat er nie eine Gelegenheit ausgelassen, mir auf die Nerven zu gehen und gestern ist er einfach so an mir vorbeigegangen! Ohne ein Wort!“ Remus musste sich das Lachen verkneifen, als sie so entrüstet klang, doch er bemühte sich um eine neutrale Miene. „Und dann hat er Mulciber davon abgehalten, eine Erstklässlerin aus Hufflepuff zu verhexen.“ „Na ja, er ist eben kein schlechter Kerl, Lily“, entgegnete Remus. „Vielleicht hast du es bisher nicht gesehen, weil du es nicht sehen wolltest?“ Er sah ihr an, dass ihr seine Erklärung nicht passte, doch er dachte sich das ja nicht mal aus. James war ein Unruhestifter, doch er hatte das Herz am rechten Fleck. Dass er sich nur in Lilys Nähe wie ein kompletter Idiot verhielt, konnte diese ja nicht wissen. „Ich bin mal gespannt, wie lange das anhält, bis er wieder ins alte Muster zurückfällt“, überging sie ihn und reckte leicht das Kinn. „Spätestens nächste Woche wird er wieder beweisen, was für ein Spinner er ist!“ Remus runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“, fragte er und versuchte sich zu erinnern, wann das nächste Quidditch-Spiel stattfinden würde. Dass James sich von einem möglichen Erfolg zu Dummheiten hinreißen lassen würde, konnte selbst er nicht ausschließen. „Ach, ich meine die nächste Party von Slughorn“, erwiderte Lily und winkte ab. „Er hat Black eingeladen und der hat gefragt, ob er nicht Potter mitbringen könne. Du kennst ja Slughorn…er war ganz begeistert, weil er meint, dass Potter eine großartige Quidditch-Zukunft vorherbestimmt ist.“ Sie seufzte leidend und Remus wusste nicht ganz, was er sagen sollte. So Unrecht hatte Slughorn damit wohl nicht, denn James spielte tatsächlich richtig gut. „Vielleicht solltest du einfach abwarten und ihm eine Chance geben?“, wandte er ein und sie verzog das Gesicht, ehe sie ihn in die Seite knuffte. „Dass du sowas sagst, hätte mir klar sein sollen…immerhin seid ihr befreundet.“ Remus lächelte, zuckte dabei mit den Schultern. „Aber wäre ich mit ihm befreundet, wenn er wirklich nur ein unreifer Idiot wäre?“ Sie blickte ihn mit schief gelegtem Kopf prüfend an, dann musste sie grinsen. „Vielleicht…? Ach, ich weiß nicht…wahrscheinlich hast du Recht und ich sollte es abwarten. Hm…danke Remus, also fürs Zuhören und so.“ Sie lächelte ihn an und es brachte ihre grünen Augen zum Strahlen…in diesem Moment verstand Remus sowohl James als auch Snape, warum sie ihr hinterher rannten. Lily war einfach ein tolles Mädchen und ihr Lächeln schaffte es, sogar seine Laune zu bessern. „Wir sehen uns später, ja? Ich muss los, Emmy wartet bestimmt schon auf mich. Wir wollten uns noch wegen dem Aufsatz für Verwandlung zusammensetzen.“ „Ja klar, bis später dann“, erwiderte er und sah, wie sie sich mit wehendem, rotem Haar von ihm entfernte. Und da waren sie wieder, die trüben Gedanken, doch er schüttelte sie ab. Zumindest jetzt konnte er sie nicht gebrauchen. Im Gegensatz zu ihm schien bei seinen drei Freunden Hochstimmung zu herrschen. „Hey Moony, da bist du ja!“, rief James ihm zu, als er sie auf dem Weg in die große Halle traf. „Man, du hättest bei unserem Training dabei sein sollen! Wir waren super! Wenn wir beim nächsten Spiel gegen Ravenclaw genauso spielen, haben wir den Sieg in der Tasche!“ Seine braunen Augen funkelten und seine Stimme überschlug sich fast vor Euphorie, doch Remus schaffte nicht mehr als ein schwaches Lächeln. Auch wenn es schon witzig aussah, wie Sirius hinter seinem besten Freund albern gestikulierte und ihn nachäffte. „Das habe ich gesehen, Tatze!“ Es entstand ein kurzes Gerangel der beiden Freunde, während Peter den neuen Nimbus 1001 halten durfte. Die Ehre schien fast zu viel für ihren kleinen Freund, der mit ehrfürchtigem Blick auf den Besen hinabsah und ihn wie einen kostbaren Schatz hielt. Remus schüttelte derweil den Kopf über die beiden anderen, welche ihm nun endlich wieder ihre Aufmerksamkeit schenkten. „Sag mal, was schaust du denn so traurig aus der Wäsche?“, sprach ihn James auch direkt an, während Sirius ihn mit zusammengezogenen Brauen musterte. „Genau, ist doch noch gar nicht wieder Vollmond…“ Remus sah ihn mahnend an. „Nicht so laut!“ „Ja, ja, lenk nicht ab und sag schon, was mit dir ist…wenn dir jemand dumm gekommen ist…ein Wort und wir knöpfen ihn uns vor!“ Sirius funkelte ihn an und hob dann die Fäuste, als würde er einen unsichtbaren Gegner bedrohen. James und Peter lachten darüber und selbst Remus konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Oder sie…wobei, es wäre ganz schön peinlich, wenn dich ein Mädchen fertig machen würde…“ Remus schnaubte belustigt, ehe er abwinkte. „Weder noch…es ist alles in Ordnung.“ „Na, wenn du das sagst.“ „Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?“, warf James noch ein und Remus entschied sich für die Halbwahrheit. „Ich habe Lily getroffen und mich ein bisschen verquatscht…ihr ist übrigens nicht entgangen, dass du anscheinend die Taktik geändert hast.“ Er warf ihm einen wissenden Blick zu, woraufhin James breit grinste. „Ich weiß nicht, was du meinst…“, flötete er und verschränkte die Arme hinterm Nacken. „Ich war halt schon immer ein netter Kerl! Ihr ist das eben nur bisher nie aufgefallen!“ Sirius gab ein Lachen von sich, das eher wie ein raues Bellen klang. „Ja sicher, Krone“, spottete er ebenfalls grinsend. „Wenn du in ihrer Nähe auch so bescheiden bist, seid ihr bestimmt im Nu verheiratet und habt drei Kinder.“ „Mindestens drei!“, feixte James und nahm Peter nun seinen Nimbus ab, woraufhin der ein wenig enttäuscht wirkte, aber nichts sagte. „Und du wirst Pate und kannst immer drauf aufpassen, wenn wir keine Lust dazu haben!“ „Ich möchte auch Pate werden!“, kam es eifrig von Peter und Sirius schnaubte. „Viel Spaß, Wurmschwanz…“ Remus hob eine Braue, ehe er zu James sah, der den Nimbus schulterte und immer noch grinste. „Zuerst einmal solltest du sie davon überzeugen, dass das keine Phase von dir ist. Sonst kannst du es auch gleich lassen.“ James‘ Mundwinkel sanken bei diesen Worten ein Stück nach unten. „Hey, ich bemühe mich wirklich! Ich habe Schniefelus die ganze Woche in Ruhe gelassen, klar?“ „Das stimmt…und es war gar nicht so einfach“, pflichtete Sirius ihm bei. „Wenn er an einem vorbei schleicht und seine krumme Nase überall rein-“ „Wir haben schon verstanden, Tatze“, unterbrach Remus ihn ein wenig genervt. „Ihr seid Helden, weil ihr Snape nicht verhext habt.“ „Allerdings!“ James gluckste leise über Sirius‘ wichtigtuerische Miene, ehe er sich ernsthafter an Remus wandte. „Ich hab sie nicht einmal nach einem Date gefragt! Gut, oder?“ „So gut, dass sie sich fragt, was mit dir nicht stimmt“, erwiderte Remus und musste bei James‘ Blick lächeln. „Es ist ihr aufgefallen? Ha! Super, Moony!“ Sein Freund schlang den Arm um ihn, wobei er ihn halb erwürgte. „Deine neunmalklugen Ratschläge sind echt was wert! Hätte ich nicht gedacht!“ Remus befreite sich ächzend aus dem Klammergriff und schnaubte leise. „Dass du daran gezweifelt hast…“ „Ist ja gut, oh weiser Moony! Ich stelle dich nie wieder infrage!“ „Das will ich hoffen! Und jetzt Schluss mit dem Unsinn! Wenn du wieder ins alte Muster verfällst, nimmt Lily dich nie für voll!“ „Ich hab’s ja verstanden“, seufzte James und fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar. „Ganz schön anstrengend mit den Mädchen…“ Sie machten sich auf den Weg Richtung Gemeinschaftsraum, da James seinen Besen verstauen wollte, ehe sie zum Mittagessen runtergehen würden. Tatsächlich sorgte die ausgelassene Stimmung seiner Freunde dafür, dass Remus sich besser fühlte. Schon bald hatte er Snapes gehässige Worte verdrängt und das war auch gut so. Eigentlich war es doch nur wichtig, was die Menschen, die einem nahe standen, von einem hielten, und diese standen trotz seiner Lykanthropie zu ihm. Das war viel mehr, als er erwarten durfte. Kapitel 5: Die Slug-Party ------------------------- „Also, wenn du noch länger vorm Spiegel stehst, müssen wir gar nicht mehr losgehen, Krone…dann ist die Party nämlich vorbei.“ Der Angesprochene ignorierte seinen besten Freund einfach und fuhr fort, sein Haar mit der Hand zu durchkämmen, wobei er sich bemühte, es noch zerzauster als sonst aussehen zu lassen. Er mochte es so nun mal, denn er fand, dass es ihn verwegen aussehen ließ – und den Mädchen gefiel es auch gut…na ja, allen außer Lily Evans. Kaum war ihm der Gedanke gekommen, ließ er die Hand sinken und eine steile Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen. Ja, richtig…Evans gab nicht viel auf Äußerlichkeiten – sonst wäre sie kaum mit Snape befreundet gewesen. James musterte sein Spiegelbild kritisch, ehe er befand, dass er ja trotzdem gut aussehen konnte. Er trug einen neuen, scharlachroten Umhang und hatte nur deshalb auf sein Quidditch-Trikot verzichtet, weil Remus gemeint hatte, dass Evans das sicher albern finden würde. Einsehen tat er das zwar immer noch nicht, da er ja aufgrund seines Talents überhaupt erst eingeladen worden war – und weil Sirius ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte –, aber da Remus meistens Recht hatte, würde er sich fügen. „Denk lieber daran, dich vor ihr nicht so aufzuspielen“, brummte der Werwolf, der auf seinem Bett lag und die Nase in einem Buch vergraben hatte. „Das wird dir mehr helfen als dein Äußeres.“ „Hast du gehört, Krone?“, feixte Sirius und schlug ihm auf den Rücken. „Auf die inneren Werte kommt’s an!“ Er lachte dunkel auf und James‘ haselnussbraune Augen blitzten hinter den Brillengläsern belustigt auf, als er sich zu seinen Freunden drehte. „Na und? Dann überzeuge ich Evans eben davon, dass meine inneren Werte vollkommen in Ordnung sind!“ „Viel Glück…“, kam es von Remus zurückgemurmelt, doch anhand seines Tonfalls konnte man erahnen, dass er lächelte. Peter saß ebenfalls auf seinem Bett und blickte unverhohlen neidisch zu ihnen rüber. „Ich würde auch gerne auf eine Party gehen…“ „Ach was, so toll ist das auch nicht, Wurmschwanz“, erwiderte Sirius grimmig. „Ich würde nicht mal hingehen, wenn Slughorn mir nicht schon seit Wochen damit auf die Nerven ginge.“ Jeder von ihnen wusste, warum Sirius seine Einladung nicht positiv aufnehmen wollte; es war kein Geheimnis, dass Slughorn unheimlich stolz darauf war, dass bisher alle Mitglieder der Familie Black in seinem Hause gewesen waren. Sirius hatte insofern eine Art Raritätswert, da er als Einziger in der Sammlung fehlte. „Die hübschen Mädchen dort werden schon dafür sorgen, dass du den Abend genießen kannst“, versuchte James seinen Freund aufzumuntern. „Und das Essen ist auch nicht schlecht!“ Sirius rang sich auch tatsächlich ein schiefes Lächeln ab, woraufhin Peter leise seufzte. Er schien sich wirklich zu wünschen, mitgehen zu dürfen, während es Remus wohl schlicht egal war. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken, war etwas, auf das Remus allgemein gut verzichten konnte. „Geht schon“, meinte dieser und klappte nun sein Buch zusammen. „Sonst kommt ihr wirklich zu spät…“ Ein müdes Lächeln umspielte die Lippen ihres Freundes und James fiel ein, dass kommende Woche Vollmond war. Für Sirius, Peter und ihn war das eher ein Grund zur Freude, denn sie genossen die Abenteuer zu diesen Stunden…doch für Remus stellte es jedes Mal eine Qual dar, sich zu verwandeln. Er verdrängte den Gedanken fürs Erste und setzte stattdessen ein breites Grinsen auf. „Wir hauen ja schon ab! Bis später, ihr zwei!“, rief er und verschwand mit Sirius aus dem Schlafsaal. Die Musik hallte ihnen bereits auf dem Korridor entgegen und James musste unweigerlich schmunzeln; er hatte sich ein-, zweimal aus Neugierde unter seinem Tarnumhang zusammen mit Sirius reingeschlichen, dementsprechend wusste er, was Slughorn bei seinen Partys alles auffuhr. Der köstliche Duft versprach auch an diesem Abend ein Festmahl und Sirius schien das ein wenig versöhnlicher zu stimmen. Sein bester Freund trug einen schwarzen Umhang, wobei er den Hemdkragen darunter offener trug, als es üblich war, und James wusste bereits jetzt, dass er einige Verehrerinnen auf den Fersen haben würde. Er war innerlich froh, dass Evans Sirius anscheinend ebenso wenig ausstehen konnte wie ihn, und dass sein Freund nichts für sie übrig hatte. Somit musste er in Sirius keine Konkurrenz sehen, denn das wäre das Letzte, was er wollte, da sie sich nahe standen wie Brüder. „Er hat sich mal wieder richtig Mühe gegeben, was?“, brummte ihm Sirius von der Seite her zu und James musterte die glitzernden Dekorationen. „Will wie immer Eindruck schinden…“ Tatsächlich war an der Dekoration nicht gespart worden; die Decke und die Wände waren mit smaragdgrünen, karmesinroten und goldenen Behängen drapiert und insgesamt wirkte der Raum, der ursprünglich Slughorns Büro gewesen war, viel größer als sonst. Eine aufwendig verzierte Lampe hing von oben herab und tauchte den Raum in warmes Licht, während laute Musik das Gerede der vielen Leute übertönte. Hauselfen wuselten enthusiastisch mit silbernen Tabletts voller köstlicher Speisen und Getränke umher, um die Gäste zu versorgen. Er hörte Sirius neben sich schnauben, als er sich ein Glas mit Feuerwhisky nahm und ihn der Hauself vor ihm daraufhin glücklich anstrahlte, ehe er weiterlief. „Wenn Kreacher nur halb so freundlich zu mir wäre“, murmelte er ihm zu, ehe er einen Schluck trank. James lächelte mitleidig, ehe er einen Scherz versuchte. „Er ist halt in deinen Bruder verliebt…kein Grund, eifersüchtig zu sein.“ Sirius konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „So, wie er ihm am Arsch klebt, könnte man das wirklich glauben…“ James lachte leise, ehe er den Blick schweifen ließ, um die Leute in den bunten Umhängen zuordnen zu können. Es waren nicht nur Schüler und Lehrer anwesend, sondern auch ein paar Hexen und Zauberer, die ziemlich berühmt waren. James hatte bisher kein bekanntes Gesicht gesehen, das ihm bei seiner Quidditch-Karriere weiterhelfen könnte, und so suchte er stattdessen lieber nach Lily Evans‘ leuchtend roter Haarpracht. Er fand sie auch recht schnell, was nicht nur an der Auffälligkeit ihrer Haarfarbe lag, sondern auch daran, dass sie sich mit Slughorn unterhielt. Während Evans einen eher schlichten, blattgrünen Umhang trug, der ihre schönen Augen zur Geltung brachte, leuchtete Slughorn so auffällig wie seine Dekoration. Anscheinend stellte er sie soeben irgendeiner bekannten Hexe vor…James meinte, ihr Gesicht aus dem Tagespropheten zu kennen, konnte sich aber nicht an den Namen erinnern. Eine Weile beobachtete er sie nur, wie sie da stand, ein Lächeln auf ihren geschwungenen Lippen, das ihm ganz warm werden ließ. Wenn sie ihn doch nur einmal so anlächeln würde… „Anstatt sie wie ein Trottel anzustarren, solltest du zu ihr rübergehen“, riss ihn Sirius‘ Stimme aus den Gedanken und er warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Ich starre sie nicht – okay, vielleicht doch…aber ich kann jetzt nicht zu ihr gehen. Erstmal müssen Slughorn und diese Frau da verschwinden…und dann ergreife ich meine Chance schon noch!“ Sirius hob lediglich eine Augenbraue. „Na, da bin ich ja mal gespannt…und falls sie dich doch wieder abserviert – sieh dich um! Hier sind genug Mädchen, die dich ablenken könnten.“ Und tatsächlich schienen einige hübsche Mädchen dabei zu sein, doch keine kam eben an Lily Evans ran. Es war nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihr Charakter, der ihn wie magisch anzog. Er liebte es, wenn sie sich in Rage redete und ihre grünen Augen dabei so aufgeregt funkelten, auch wenn er sich wünschte, sie hätte zur Abwechslung mal ein nettes Wort für ihn übrig. Sie war anders als die Mädchen, mit denen er sonst ausging…schon allein deswegen, weil sie es ihm so schwer machte. Er hatte einfach einen Narren an ihr gefressen und konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Ja, es war verdammt peinlich, wie er sich verhielt, und dennoch…er würde heute Abend mit ihr reden und versuchen, sie für sich zu gewinnen. Irgendwie musste das doch zu schaffen sein! Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sich Slughorn und die fremde Hexe von Evans losrissen, doch dann verschwanden sie in der Menge. Mittlerweile war der Raum so voll, dass die Luft ganz stickig war. Er warf Sirius einen kurzen Blick zu, doch dieser flirtete bereits mit einer brünetten Ravenclaw aus der Siebten und so konnte er sich ruhigen Gewissens um Evans kümmern, die endlich einmal allein da stand. „Hey Evans!“ Sie blickte irritiert in seine Richtung, doch als sie ihn erkannte, verdunkelte sich ihr Blick. Na klasse…aber was hatte er auch erwartet? Dass sie sich über seine Anwesenheit freuen würde? Wohl kaum, doch genau deswegen würde er sich jetzt ein paar Pluspunkte bei ihr holen. Charmant, wie er war, nahm er zwei Gläser mit Kürbissaft vom Tablett eines Hauselfen und hielt ihr eines davon hin. Gut, dass er keinen Feuerwhisky genommen hatte, sonst würde sie ihn wohl noch skeptischer, als sie es sowieso schon tat, ansehen. „Danke, Potter…“, erwiderte sie reserviert, nahm das Glas aber an. Sie nippte einmal daran, wobei sie den Blick schweifen ließ, doch James forderte ihre Aufmerksamkeit direkt wieder, bevor sie ihn mit einer lahmen Ausrede stehen lassen konnte. „Du siehst hübsch aus“, machte er ihr ein Kompliment, woraufhin sie ihn abschätzend musterte. „Der Umhang steht dir…passt gut zu deinen Augen.“ Es war sein voller Ernst und er wusste, dass er nicht der Einzige war, der das so sah. Ihm war nicht entgangen, dass einige Anwesende sie länger anstarrten, als es James lieb war. Ihre roten Haare umspielten in sanften Wellen ihr hübsches Gesicht, aus dem ihn die mandelförmigen Augen immer noch misstrauisch musterten. „Danke“, wiederholte sie trocken, ehe sie beiläufig hinzufügte: „Du siehst auch…nicht schlecht aus…“ Er merkte, dass ihr die Situation unangenehm war und sie einfach nur höflich sein wollte. Es war ihm egal, denn immerhin hatte sie ihn nicht direkt stehen lassen – das war mehr, als er erwarten konnte. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, während sie wieder an ihrem Kürbissaft nippte. „Wem hat Slughorn dich vorgestellt?“, fragte er, obwohl es ihm vollkommen egal war. Evans runzelte die Stirn, ehe sie ihm eine Antwort gab. „Wendy Hopkins. Sie arbeitet im Ministerium in der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit und hat dort schon einiges erreicht. Ihre Eltern sind Muggel.“ Aus dem letzten Satz hörte er eine leichte Provokation heraus und musste schmunzeln; als würde er es wagen, irgendeinen Muggelstämmigen zu beleidigen. Er machte bei der Abstammung keine Unterschiede. „Hast du vor, im Ministerium zu arbeiten?“, wollte er wissen und war froh, dass sich ihm die Gelegenheit bot, vernünftig mit ihr zu reden. „Hm…ich bin nicht sicher“, erwiderte sie vage und zuckte dann mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht, was genau ich machen möchte, aber was sie mir vorhin erzählt hat, klang eigentlich schon sehr interessant. Und wenn meine Noten so bleiben, habe ich auch die Qualifikation…“ James nickte, während er an ihren Lippen hing. „Aber?“, hinterfragte er ihren zögerlichen Tonfall und sie seufzte. „Es gibt noch andere Berufe, die mich interessieren würden.“ „Und welche wären das?“ Er merkte, dass sie ihm auszuweichen versuchte, doch das stachelte ihn nur noch mehr an, auch wenn er sich nicht erklären konnte, warum sie so ein Geheimnis aus ihren Zukunftsplänen machte. Er grinste, als ihm ein Gedanke kam. „Komm schon, solange du nicht Wildhüterin oder Hausmeisterin werden willst, kannst du es mir doch erzählen?“ „Selbst wenn ich das wollen würde, wäre es nicht deine Angelegenheit, oder?“, gab sie mit etwas mehr Schärfe in der Stimme zurück und er ruderte lieber einen Gang zurück. „Ich habe doch nur Spaß gemacht…Hagrid ist ein toller Kerl, okay? Also nichts gegen ihn…und Filch – na ja, dafür dürftest selbst du keine netten Worte haben, Evans.“ Er sah, wie ihre Mundwinkel zuckten, demnach hatte er sich wohl gerade noch so gerettet. Ein paar Sekunden lang schien sie noch darüber nachzudenken, ob sie es ihm erzählen sollte, doch dann gab sie nach. „Wehe, du lachst, Potter!“, warnte sie ihn und er schüttelte schnell den Kopf. „Das würde ich doch nie wagen!“, beteuerte er und sah erleichtert, wie ihre Augen belustigt funkelten. „Sicher, wo du ja immer ach so ernsthaft bist, nicht wahr? Mr Rumtreiber?“ James musste wieder grinsen, als sie eine Hand in die Hüfte stemmte und das Kinn reckte – dieses Mal schien sie es nicht böse zu meinen, sondern eher scherzhaft. Er spielte mit, indem er eine Hand ans Herz legte und ihren Blick erwiderte. „Ich schwöre dir, dass ich nicht lachen werde, Evans!“, versprach er und sah den Unglauben in ihren Augen. „Na schön“, meinte sie dann aber und räusperte sich. „Vielleicht bewerbe ich mich für einen Posten in Hogwarts.“ James stutzte, als er das hörte. „Du willst Lehrerin werden?“, fragte er verblüfft und sah, wie sich ihre Wangen röteten. „Ja…vielleicht…“, murmelte sie und klang beleidigt. „Warum nicht? Meine Qualifikationen reichen auch dafür und ich kann es mir gut vorstellen, anderen etwas beizubringen…aber sicher ist es noch nicht.“ James lenkte schnell ein, bevor sie noch etwas Falsches dachte. „Ich meinte das doch gar nicht negativ…eigentlich passt es sogar ziemlich gut zu dir und die Schüler würden dich bestimmt vergöttern“, gab er zurück und sah, wie sie sich ihre Wangen noch etwas mehr verdunkelten. Der Anblick einer vor Verlegenheit errötenden Lily Evans ließ sein Herz höher schlagen. Bei Merlin, am liebsten hätte er sie schon wieder nach einem Date gefragt, aber er nahm sich zusammen. Nichts überstürzen, hatte Remus ihm geraten…er sollte es langsam angehen und erst einmal ihre Sympathie gewinnen. „Machst du dich über mich lustig, Potter?“, fragte sie und blitzte ihn aus ihren grünen Augen warnend an. „Nein, das war mein Ernst“, beteuerte er ein weiteres Mal und blickte sie auch ohne jeden Schalk an. Kurz wurde es still zwischen ihnen, dann lächelte sie leicht und…James musste sich abermals zusammennehmen, um sie nicht anzuschmachten wie ein Volltrottel oder ihr sonst irgendwelche Avancen zu machen. „Was ist mit dir?“, nahm sie das Gespräch glücklicherweise wieder auf. „Ich nehme an, du willst professioneller Quidditch-Spieler werden?“ James nickte daraufhin. „Ja, so ist eigentlich der Plan…und McGonagall meint, dass ich ganz gute Chancen hätte.“ Dass sie auch gesagt hatte, er sollte sich einen vernünftigen Plan B zurechtlegen und nicht alles auf eine Karte setzen, verschwieg er Evans lieber. Sicher würde sie ihrer Professorin Recht geben und er war froh, dass sie sich gerade, vermutlich zum ersten Mal, normal unterhielten. „Wenn es dir Spaß macht, wird es wohl das Richtige sein“, meinte sie und zuckte mit den Schultern. „Ich gucke mir die Spiele, hier in der Schule, gern an, aber ansonsten interessiere ich mich nicht besonders dafür…“ Er nickte, auch wenn er es bedauerte, dass sie sich so wenig dafür interessierte. Andernfalls hätte er vielleicht bessere Karten bei ihr gehabt, doch er wollte sich nicht beschweren, denn gerade lief es ja sehr gut. Sie schien sich auch zunehmend wohler in seiner Nähe zu fühlen…jedenfalls sah sie ihn nicht mehr an, als sei er Drachenmist. Das war doch mal ein Fortschritt! Vielleicht hätten sie noch länger miteinander reden können, wenn in diesem Moment nicht Filch reingeplatzt wäre. Der triumphierende Ausdruck im sonst so verkniffenen Gesicht des Hausmeisters konnte eigentlich nichts Gutes bedeuten, doch als James erkannte, wen er da am Kragen hinter sich her schliff, musste er grinsen. Er war nicht der Einzige, den die Situation belustigte, doch als er in Evans versteinerte Miene schaute, bemühte er sich, ernst auszusehen. „Hab den hier herumschleichen sehn‘, Professor!“, knurrte Filch und stieß den Jungen nach vorn. „Hat sicher was Verbotenes vorgehabt!“ Während Filch an einen geifernden Jagdhund erinnerte, wirkte Snape, als würde er am liebsten im Erdboden verschwinden. Zwar sprühte der Hass geradezu aus seinen schwarzen Augen, doch vor Scham und Wut war er unter seiner wächsernen Haut rot angelaufen. Es fiel James wirklich schwer, nicht laut loszulachen, denn er genoss es, den fetthaarigen Slytherin in dieser unangenehmen Lage zu sehen. Und das Beste war – er hatte nicht einmal etwas damit zu tun! „Er sollte bestraft werden!“, grollte Filch, als Slughorn gerade den Mund aufmachen wollte, und seine wässrigen Augen quollen hervor. „Ich habe noch die Peitschen und-“ „Du liebe Güte, Mr Filch!“, rief Slughorn aus. „Eine solche Strafe halte ich doch für etwas übertrieben!“ Er blickte zu seinem Schüler, der die Lippen fest zusammengepresst hatte. „Mr Snape, bitte erklären Sie sich! Soweit ich weiß, sind Sie nicht eingeladen worden…es ist jedoch keine Schande, zuzugeben, dass Sie sich heimlich unter die Leute mischen wollten. Sicher ist es sehr verlockend, sich in diesem Bekanntenkreis zu bewegen und…“ James widerstand dem Drang, sich die Faust in den Mund zu stopfen, um sein Glucksen zu unterdrücken. Nicht in Gegenwart von Evans, ermahnte er sich eisern – doch im Hintergrund hörte er Sirius und ein paar andere kichern. Bei Merlin…wenn Snape jetzt zugeben musste, dass er sich nach einer Einladung zu Slughorns Schleimer-Party gesehnt hatte, würde er diesen das nie vergessen lassen! Snape starrte seinen Hauslehrer im ersten Moment regelrecht entsetzt an und es schien ihm schwer zu fallen, seine Fassung beizubehalten. Egal, was er als Ausrede parat hätte, er würde sich bis auf die Knochen blamieren – und James genoss es in vollen Zügen. „Nun?“, fragte Slughorn in einem väterlichen Tonfall und Snape sah aus, als würde er gleich ersticken. „Ich…wollte nur…“, würgte er hervor und James bekam aus den Augenwinkeln mit, wie Sirius in seinen Feuerwhisky prustete. Leider wurde das peinliche Gestammel viel zu abrupt beendet. „Er ist mit mir hier“, verkündete Evans plötzlich und trat vor. „Ich habe ihn eingeladen.“ James hatte das Gefühl, als würde ihm soeben jemand hart in den Magen boxen und seine Hochstimmung fiel in sich zusammen. Das war doch gelogen! Natürlich hatte sich Schniefelus eingeschlichen, vermutlich auch noch, um Evans nachzustellen, so wie man es von ihm kannte. Er trug ja nicht mal angemessene Kleidung, sondern seinen schmuddeligen, schwarzen Umhang, der ihn wie eine zu groß geratene Fledermaus aussehen ließ. Warum deckte sie ihn? Hatte sie schon vergessen, dass er sie ein Schlammblut genannt hatte? Alle starrten die Rothaarige an, die Slughorn ohne rot zu werden anschaute. „Ich habe nur vergessen, Ihnen Bescheid zu geben…Verzeihung, Professor.“ Vermutlich hätte Evans alles sagen können und Slughorn hätte es ihr geglaubt, immerhin war sie sein Liebling, und so lächelte er unter seinem riesigen Schnurrbart. „Aber natürlich, natürlich, Miss Evans! Das ist doch überhaupt kein Problem! Mr Filch, bitte lassen Sie Mr Snape los, Sie haben ja gehört, dass es sich bloß um ein Missverständnis handelt!“ Filch sah aus, als würde er gleich einen Tobsuchtsanfall bekommen, doch er gehorchte, ehe er fluchend verschwand. Snape stand immer noch da und starrte Evans an, als sei diese das achte Weltwunder – zumindest bis sie ihn am Arm packte und mit sich zog. Während Slughorn gut gelaunt verkündete, dass doch alle bitte weiterfeiern sollten, realisierte James nur langsam, dass Evans ihn soeben hatte stehen lassen. Für Snape. Warum hatte sie diesem ekelhaften Wurm aus der Patsche geholfen, wo dieser sie doch wie das Letzte behandelt hatte? James fühlte sich vor den Kopf gestoßen und erst, als Sirius ihm eine Hand auf die Schulter legte, bemerkte er, dass er vor Wut zitterte. „Sie hat doch nur Mitleid mit diesem Widerling!“ Vermutlich sollte ihn das irgendwie aufmuntern, doch es erfüllte den Zweck nicht ganz. Evans hatte ihn stehen lassen…für Schniefelus, und es war ihm egal, ob es nur Mitleid war. Eigentlich sollte sie diesen Schleimer doch verabscheuen, anstatt ihm zu helfen. Er hätte kotzen können, doch dann nahm er sich zusammen, wischte Sirius‘ Hand von seiner Schulter und ging den beiden hinterher. „Warte, Krone!“, rief sein bester Freund ihm nach und er wusste, dass er ihm folgte. Er würde das Schniefelus sowas von heimzahlen…selbstverständlich nicht vor Evans, aber er würde abwarten. Gerade wollte er nur wissen, was die beiden jetzt besprachen…wehe, Snape ließ seine dreckigen Pfoten nicht bei sich, dann würde er für nichts garantieren können! Zähneknirschend machte er die beiden in einer ruhigeren Ecke aus und näherte sich so unauffällig wie möglich – was hätte er jetzt für seinen Tarnumhang gegeben… Sirius, hinter ihm, ergriff seine Schulter und hielt ihn zurück. „So gern ich Schniefelus seine sowieso schon krumme Nase brechen würde, Krone…mach jetzt nichts Dummes!“ James wollte ihn anfahren, dass er das nicht vorhatte, doch Sirius ließ ihn nicht ausreden. „Warte!“, wiederholte er eindringlich und vollführte einen Schlenker mit seinem Zauberstab. James blinzelte, als er etwas murmelte und plötzlich konnte er sowohl Evans als auch Snape klar und deutlich verstehen, obwohl sie nicht in Reichweite standen. Es war, als hätte man alle anderen Stimmen und die Musik ausgeblendet. Sein bester Freund zwinkerte verschwörerisch und James grinste ihm anerkennend zu. „Du bist genial, Tatze!“, raunte er ihm zu, ehe sie beide dem Gespräch lauschten. Um sich nicht verdächtig zu machen, hatten sie den beiden den Rücken gekehrt und James sah nur flüchtig ab und zu rüber. „…denk nicht, dass das jetzt irgendwas ändert, Severus.“ Das war Evans und sie klang so abweisend, dass sich James sofort etwas entspannte. „Lily…“ Snapes ölige Stimme dagegen hatte einen gequälten Ton angenommen. „Wie oft soll ich mich denn noch entschuldigen?“, fragte er geradezu verzweifelt und es rang James ein grimmiges Lächeln ab. Hoffentlich wurde Evans nicht weich und verzieh diesem Mistkerl. „Ich habe dir schon einmal etwas dazu gesagt.“ „Ich…“ „Nein! Entschuldigungen reichen nicht mehr!“, fuhr sie ihm gnadenlos über den Mund und als James einen Blick über die Schulter warf, sah er Snape wie ein Häufchen Elend da stehen. Geschah ihm vollkommen recht! „…warum hast du mir dann überhaupt geholfen?“, fragte er verbittert. „Und warum stehst du noch hier bei mir, wo du dich doch vorhin so fabelhaft mit Potter unterhalten hast?“ James tauschte einen Blick mit Sirius, der ebenso verärgert wie er selbst darüber wirkte, dass Snape seinen Namen wie ein Schimpfwort aussprach. Evans Reaktion machte das jedoch wieder wett und er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass ihre grünen Augen zornig funkelten. „Ich habe dir geholfen, weil ich nicht wollte, dass du dich noch schlimmer blamierst, Severus. Du solltest mir also danken…und das andere geht dich absolut nichts an! Spionierst du mir nach?“ Eine Ohrfeige wäre angenehmer gewesen, als Evans Worte, wie James fand, doch er gönnte sie Snape aus tiefstem Herzen. „Ich – nein! Ich…wollte nur…mit dir reden…“, versuchte sich dieser zu retten, doch es wirkte erbärmlich. „Und…als ich gehört habe, dass du mit Potter-“ „Ich bin nicht zusammen mit Potter hier!“, zischte sie ihn an. „Und mit wem ich mich unterhalte, ist meine Sache! Davon abgesehen war er heute Abend wirklich anständig.“ Sirius wackelte grinsend mit den Augenbrauen, doch James ignorierte ihn, denn nichts hätte das warme Gefühl in seiner Brust soeben trüben können. Dass er jemals positive Worte von Lily Evans über sich hören würde…heute war definitiv der schönste Tag in seinem Leben! Snape gab ein Geräusch von sich, das klang, als würde er sich gleich übergeben. „Das ist doch nur eine Masche, Lily!“, knurrte er und James wollte ihm den Hals umdrehen. „…er…will sich doch nur wieder an dich ranmachen! Du weißt, dass er ein arroganter Mistkerl ist!“ „Ja, das weiß ich, Severus“, erwiderte Evans und nun klang sie eindeutig genervt. „Ich habe auch nicht gesagt, dass ich ihn jetzt mag – aber selbst wenn es so wäre, ist das nicht deine Angelegenheit!“ Das Glücksgefühl verpuffte mit einem Mal wieder, ließ ein flaues Gefühl in seinem Magen zurück. Daran war nur Snape schuld…Snape, der ihr Gespräch mit seiner bloßen, unerwünschten Anwesenheit gestört hatte. Er würde ihm schon zeigen, dass er sich von Evans fernzuhalten hatte. Dieser machte nun den Eindruck, als hätte sie ihn wirklich geschlagen. „Aber ich-“ „Wenn es dir ernsthaft leid tut, solltest du anfangen, dich zu ändern, anstatt mir nachzustellen, weil du Angst hast, ich könnte mich mit Potter anfreunden! Bis dahin haben wir uns nichts mehr zu sagen!“ Und sie ließ ihn stehen, so wie sie James einfach stehen gelassen hatte. Wobei er fand, dass er noch besser weggekommen war als Snape. Er bemerkte nur nebenbei, wie Sirius den Zauber löste…die Musik und Stimmen um sie herum nahmen wieder ihre normale Lautstärke an, doch er sah wie betäubt Evans nach, die in der Menge verschwand. Dann wanderte sein Blick zu Snape, der dort mit zusammengesunkenen Schultern stand – bis sich ihre Blicke trafen. Hass verzerrte nun die Züge des Slytherin und James begegnete ihm mit derselben Abneigung. Sofort stand Sirius neben ihm, die Augen verengt und Snape fixierend, wie ein Hund ein Kaninchen. Snapes Hand wanderte in seinen Umhang, während er sie beide abwechselnd finster anfunkelte…doch James besann sich. Er stieß Sirius an und schüttelte den Kopf, woraufhin der andere nickte. Nicht jetzt…nicht hier…aber Snape konnte sich auf jeden Fall auf was gefasst machen, so viel war sicher. Der verhasste Slytherin verengte die Augen, ehe er sich sehr eilig umdrehte und aus ihrer Sicht verschwand. Besser war es für ihn. Auch wenn Evans es nicht zu realisieren schien – James wusste, wie dieser schleimige Wurm sie ansah. Er wusste, warum er ihr nachstellte…warum es ihn wirklich so sehr traf, dass sie mit ihm gesprochen hatte. Und weil er es wusste, schürte es die Wut nur noch mehr in ihm. Natürlich hatte Snape keine Chance bei jemandem wie Lily Evans, aber allein die Tatsache, dass er es wagte, dem Mädchen nahe zu kommen, in das er schon so lange hoffnungslos verliebt war, stellte für ihn die pure Provokation dar. Es wurde Zeit, die Fronten zu klären. Kapitel 6: Eskalation --------------------- Es war mal wieder alles schief gelaufen, was nur schief hatte laufen können. Nach all den Jahren hätte Severus eigentlich wissen müssen, dass es nie so funktionierte, wie er es sich vorstellte. Schon damals nicht, als er Lily das erste Mal, im Beisein ihrer schrecklichen Schwester, angesprochen hatte. Er wusste noch genau, wie böse sie ihn angestarrt hatte, als er diesen Ast auf Petunia hatte herabstürzen lassen. Es war ebenso wenig geplant gewesen, wie der peinliche Auftritt am Abend zuvor auf Slughorns Party. Nie zuvor hatte Severus Filch so sehr verabscheut, wie in dem Moment, als er ihn erwischt und vor seinen Hauslehrer geschleift hatte. Alle hatten ihn angestarrt, sich über ihn lustig gemacht oder verärgert ausgesehen. Er erinnerte sich genau an Potters und Blacks breites Grinsen, während Slughorn ihn mit seiner Gutmütigkeit nur noch mehr zum Gespött gemacht hatte. Als wäre er tatsächlich mit den Absichten gekommen, die man ihm unterstellt hatte. Severus interessierte sich nicht für Slughorns berühmten Bekanntenkreis, denn er wusste, dass jemand wie er dort niemals Anklang finden würde. Er war überdurchschnittlich begabt in Zaubertränke, ja, aber ihm fehlten einfach die edle Herkunft und das Charisma, um genügend beachtet zu werden. Eines von beidem war Voraussetzung, um bei Slughorn einen Stein im Brett zu haben, und da seine Mutter lieber einen Muggel geheiratet hatte, anstatt der reinblütigen Familie Prince treu zu bleiben, fiel der erste Punkt schon einmal weg. Charisma war ebenfalls nicht seine Stärke und er konnte nicht mal mit einem herausragenden Äußeren bestechen, so wie zum Beispiel Zabini, eine Slytherin, der die Jungen in Scharen hinterher liefen. Warum auch immer, denn er konnte dem arroganten Biest nichts abgewinnen. Lily hatte viel mehr Ausstrahlung…sie war klüger, freundlicher und bei ihrem Lächeln wurde ihm immer ganz warm. Als sie nach der unangenehmen Eskapade mit ihrer Schwester doch noch Freunde geworden waren, hatte er sich das erste Mal in seinem Leben richtig akzeptiert gefühlt. Sie war nett zu ihm gewesen, hatte ihm gespannt zugehört, wenn er ihr von Hogwarts erzählt hatte. Nie hatte sie ihn ausgelacht, weil seine Kleidung entweder eine Nummer zu groß oder zu klein war…oder weil er in diesem dreckigen Industrieviertel wohnte. Für sie war er keine Lachnummer gewesen, denn sie hatte ihn im Gegensatz zu den Kindern in der Muggel-Schule, in die er bis zu seinem elften Lebensjahr hatte gehen müssen, ernstgenommen. Sie war für ihn da gewesen, wenn er die Streitereien zuhause nicht ausgehalten hatte, und er hatte nie viel sagen müssen, weil sie ihn auch so verstanden hatte. Es war alles erträglicher gewesen, als sie noch befreundet gewesen waren, doch das hatte er sich verspielt. Lily hatte Recht gehabt, denn er war wirklich nur deswegen auf Slughorns Party gewesen, weil ihm das Gerücht zu Ohren gekommen war, dass sie mit Potter dorthin ging. Eigentlich hätte er sich denken können, dass das Unsinn war, aber der Gedanke hatte ihn trotzdem nicht in Ruhe gelassen. Also hatte er versucht, sich heimlich unter die Leute zu mischen – was ihm Filch jedoch zunichte gemacht hatte. Lily hatte ihn vor noch mehr Peinlichkeit bewahrt, indem sie für ihn gelogen hatte, und kurz war die Hoffnung in ihm aufgekeimt, er könne das zwischen ihnen doch noch in Ordnung bringen. Zumindest, bis sie ihn zur Rede gestellt und zusammengestaucht hatte, dass er sich aus ihrem Leben raushalten sollte. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hatte sie Potter auch noch anständig genannt. Potter! Hatte sie schon vergessen, wie oft ihn die so genannten Rumtreiber erniedrigt hatten? Wie sehr sie Potter aufgrund seiner Arroganz und seines infantilen Verhaltens verabscheute? Sicher, sie hatte gesagt, dass sie ihn immer noch nicht leiden konnte, doch warum sprach sie dann überhaupt mit ihm? Es machte ihn innerlich rasend vor Wut und dennoch konnte er nichts tun. Lily hatte ihm ja schon klar gemacht, dass sie Einmischungen seinerseits nicht wünschte…stattdessen sollte er sich ändern. Was erwartete sie denn? Dank Potter und seinen Kumpanen war er bei Lestrange und dem Rest seines Hauses doch sowieso unten durch. Niemand von ihnen redete mehr mit ihm…aber wie sollte er ihr das begreiflich machen, ohne wie ein kompletter Versager zu klingen? Außerdem hatte er die Hoffnung darauf, doch noch zu ihnen zu gehören, nicht gänzlich aufgegeben. Sollte er sie also anlügen? Vielleicht hätte er das tun sollen…doch was war mit den dunklen Künsten? Sie verlangte ja auch, dass er sich von dem distanzierte, was mittlerweile schon zu einer Obsession für ihn geworden war. Es gehörte zu ihm und wenn sie das nicht akzeptieren konnte, was hatte ihre Freundschaft dann für einen Sinn? Er seufzte stumm, während er den leeren Korridor im 6. Stock entlang schlurfte, dabei in seinen düsteren Gedanken versunken. So sehr er sich Lily auch auszureden versuchte, es klappte einfach nie. Egal, welche Argumente er vorbrachte, um sich davon zu überzeugen, dass es besser so war…er wollte sie zurück. Die dunklen Künste waren nicht seine einzige Obsession. Leider, denn es hätte so vieles einfacher gemacht. Severus hielt inne, als ihn ein unangenehmes Gefühl beschlich, und ruckartig drehte er sich um. Nach all den Jahren der Auseinandersetzungen mit Potter und Black hatte er ein Gespür dafür entwickelt, wenn er verfolgt wurde, doch dieses Mal schien er sich getäuscht zu haben. Der Korridor war leer. Niemand außer ihm war hier. Nicht verwunderlich, da die meisten im Unterricht saßen. Allerdings hatten die Rumtreiber ebenso wie er eine Freistunde…so paranoid war seine Befürchtung, dass sie ihm auflauern könnten, daher nicht. Er hatte James Potters Blick nicht vergessen. Die einigermaßen ruhigen Zeiten waren damit wohl vorbei, denn sicher war Potter auf Rache aus, weil er ihm seinen Abend mit Lily ruiniert hatte. So gesehen hatte sein blamabler Auftritt wenigstens einen positiven Effekt gehabt. Andererseits musste er nun mehr denn je auf der Hut sein und das war lästig. Er seufzte innerlich, ehe er seinen Weg fortsetzte – wobei er jedoch die Hand im Umhang ließ, wo sie seinen Zauberstab immer noch umklammert hielt. Vorsicht war besser als Nachsicht. Vor allem da Potter und Black die Angewohnheit hatten, aus dem Nichts heraus aufzutauchen… Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, vernahm er eine Art Schnaufen – und reagierte blitzschnell. „Petrificus Totalus!“ Der Zauber traf die Person, ein paar Meter hinter ihm, frontal, ließ diese zusammenklappen und auf den Boden fallen, steif wie ein Brett und nur die Augen bewegten sich noch. Severus, der seinen Stab immer noch fest umklammert hielt, konnte seinen Triumph nur kurzzeitig genießen. Der pummelige Junge starrte ihn erschrocken an, unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren – im nächsten Moment fuhr er herum, doch es war zu spät. „Expelliarmus!“, bellte es hinter ihm und sein Stab wurde ihm aus der Hand geschleudert, blieb ein paar Meter weiter liegen. Severus wich ein paar Schritte zurück, wagte jedoch nicht, sich umzudrehen und sich auf seinen Stab zu stürzen. Er erinnerte sich noch an das letzte Mal, als es ihn von den Füßen gerissen hatte. Stattdessen legte er so viel Hass wie nur möglich in seinen Blick, als er Potter und Black anfunkelte. Lupin, der mit skeptischem Gesichtsausdruck hinter seinen beiden Freunden stand, beachtete er gar nicht. Von dem musste er weder einen Angriff erwarten noch konnte er mit Hilfe rechnen. „Was wollt ihr?“, knurrte er und spannte sich an, als Potter seinen Stab hob. Allerdings richtete er diesen auf Pettigrew, der immer noch bewegungslos dort lag, und erlöste ihn schließlich von seinem Fluch. „Wenn du ausnahmsweise mal kein Dummkopf bist, Snape, und brav zuhörst, belassen wir es beim Reden“, erwiderte Potter so hochmütig, dass er ihm am liebsten vor die Füße gespuckt hätte. Jedoch wäre das angesichts seiner Lage sehr unvernünftig gewesen und so lächelte er stattdessen kalt. „Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten“, gab er im selben Tonfall zurück, während Pettigrew aufsprang und zu seinen Freunden eilte. Lupin schien etwas sagen zu wollen, doch dann überlegte er es sich wohl anders und schwieg lieber, den Blick zur Seite gewandt. „Du weißt genau, worum es geht“, widersprach Potter und Black neben ihm fixierte ihn scharf. „Stell dich nicht noch dümmer, als du bist, Schniefelus.“ Severus hätte ihm allein für diesen widerlichen Namen einen Fluch aufgehalst, doch noch musste er abwarten. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würde er sich seinen Zauberstab schnappen und sich wehren. „Du wirst dich von Evans fernhalten!“, übernahm Potter wieder das Reden. „Wenn ich noch einmal mitbekomme, dass du ihr in irgendeiner Weise nachstellst und sie mit deinen schleimigen Lügen belästigst, lernst du mich kennen!“ Severus spürte, wie die Wut in ihm hochstieg; wie konnte Potter es wagen, ihm vorzuschreiben, was er zu tun hatte?! Als würde er sich von Potter den Kontakt zu Lily verbieten lassen! „So“, sagte er langsam und seine Lippen kräuselten sich. „…du denkst also ernsthaft, ich würde auch nur eine Sekunde darüber nachdenken, zu tun, was du verlangst, Potter? Wie käme ich dazu? Davon abgesehen, dass es nicht deine Entscheidung ist, wen Lily trifft und wen nicht. Weiß sie, dass du herumrennst und anderen Leuten ihretwegen drohst?“ „Ich drohe niemandem außer dir, Snape!“, knurrte Potter. „Und zwar, weil du schlecht für sie bist!“ „Oh tatsächlich?“, erwiderte er und klang mit Absicht gelangweilt. „Weil das jemand wie du ja auch so gut einschätzen kann…“ Sarkasmus tropfte aus seinen Worten und er genoss es, wie sein Gegenüber ihn zornig anfunkelte. „So ist es!“, gab er bissig zurück. „Weil ich im Gegensatz zu ihr erkenne, was für ein mieser Kerl du bist!“ „Das ist ja auch nicht schwer, Krone“, fügte Black gehässig hinzu. „Man muss ihn ja nur ansehen…“ Ein zutiefst angewiderter Blick traf ihn, von oben bis unten, und Severus‘ Wangen brannten vor Scham und Hass. Seine Finger zitterten, woraufhin er sie in seine Handflächen grub, um es zu verbergen. „…dann weiß man schon, dass er ein schmieriger Gnom ist, der mit seiner krummen Nase abgrundtief in dunkler Magie steckt.“ Er bemühte sich, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn die Worte demütigten. Auch wenn niemand außer den Vieren anwesend war, hatte er es satt, sich solche Sprüche anhören zu müssen. „Mit dunkler Magie solltest du dich ja gut auskennen, Black“, erwiderte er und sah, wie sich dessen Miene verdunkelte. „Bei so einer Familie…wobei dein Bruder ja immer meint, du wärst vermutlich nur adoptiert worden. Muss wehtun, wenn einen die eigene Mutter als Missgeburt bezeichnet…“ Abrupt wurde es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Blacks Gesichtsausdruck nach zu urteilen waren sie nun mindestens quitt und ein hämisches Grinsen legte sich auf Severus‘ Lippen. Was er gesagt hatte, war nicht mal ausgedacht, denn Regulus erzählte tatsächlich überall herum, dass Black das schwarze Schaf der Familie war. Er beobachtete, wie sowohl Potter als auch Lupin einen nervösen Blick zu ihrem Freund warfen – und dann stürzte Black nach vorn, um sich allem Anschein nach auf ihn zu werfen. Severus wich zurück, nicht sicher, ob Black ihn verhexen oder auf ihn einprügeln würde. „Du wagst es?! Du dreckiger, fetthaariger, kleiner Sch-“ „Tatze!“ Es war ein Bild für die Götter, wie Black sich gegen den Griff seiner beiden Freunde wehrte. Mit zornesrotem Gesicht versuchte er sich loszureißen, die grauen Augen fest auf ihn gerichtet, doch Lupin und Potter hatten sich je einen Arm gepackt. „Lasst mich los!!“, bellte Black wie ein Irrer. „Ich bring ihn mit bloßen Händen um!!“ „Beruhige dich!“ „Der ist es nicht wert…Tatze!“ Anscheinend hatte er da einen wirklich wunden Punkt getroffen, so außer sich, wie Black war. Severus nutzte die Situation sofort, indem er herumfuhr und zu seinem am Boden liegenden Stab hechtete. Hinter ihm wütete Black und das war sein Glück, denn dadurch reagierten die drei zu spät. „Passt auf!“ Erst, als Pettigrew durch seinen panischen Aufschrei die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, achteten sie wieder auf ihn. Viel zu spät, denn Severus stand bereits wieder, den Stab in der Hand…dieses Mal würde das hier anders ausgehen. Er ließ sich nicht drohen. „Stupor!“ Der rote Lichtstrahl traf Black frontal in die Brust, riss ihn von den Füßen und ließ ihn mit dem Hinterkopf auf dem Steinboden aufschlagen. Severus hoffte, dass er sich ernsthaft verletzt hatte – doch im nächsten Moment musste er einen Fluch von Potter abwehren. „Conjunctivitius!“ „Protego!“ Pettigrews Schrei hallte durch den Korridor, als Potters Fluch an seinem Schild abprallte und zurückgeworfen wurde…direkt ins Gesicht des Kleinsten von ihnen. Dieser presste sich die dicken Finger auf die plötzlich zugeschwollenen, tränenden Augen und heulte laut auf. Derweil hatte Lupin Black anscheinend mit einem Rennervate geweckt, denn dieser war nun wieder auf den Beinen und hob seinen Zauberstab gegen ihn. „Seid ihr total verrückt geworden?! Hört a-“ Lupins Versuch, das Gefecht zu beenden, endete abrupt, als ihn Severus‘ mit seinem Fluch traf – nicht einmal absichtlich, denn er hatte eigentlich Black treffen wollen. Lupin ließ vor Schreck seinen eigenen Stab fallen, als sich seine Haut zusammenzuziehen begann und tiefe Falten warf. Plötzlich sprossen Haare aus seinem Gesicht, bis sich ein langer, grauweißer Bart gebildet hatte…dann krümmte er sich zusammen, bis er gebückt da stand – Alterungsfluch. „Oh Gott…“, röchelte Lupin mit heiser klingender Stimme und sah fassungslos an sich herab. „Dafür zahlst du, Snape!“, brüllte Black, dessen Hände blutverschmiert waren – vermutlich von einer Platzwunde am Hinterkopf. Als er und Potter gleichzeitig einen Fluch auf ihn schleuderten, konnte er nur einen abwehren. Ein Kribbeln breitete sich in seiner Nase aus und vor Schreck ließ er beinahe seinen Zauberstab fallen. Dann…veränderte er sich…und japste vor Entsetzen auf; seine Nase wuchs…und sie hörte nicht auf zu wachsen, bis sie die zehnfache Größe erreicht hatte und er kaum noch etwas sehen konnte. In blinder Wut schoss er einen Fluch zurück, woraufhin er jemanden aufschreien hörte – Lupin. Abermals folgten Angriffe, wie es schien von allen Seiten, und er verlor den Überblick durch die vielen bunten Lichtblitze. „Sternutatius!!“ „Ratzeputz!!“ Er wusste, dass er getroffen hatte, als er ein Niesen vernahm – doch es war auch der letzte Zauber, den er sprechen konnte. Schaum und Seifenblasen quollen aus seinem Mund, ließen ihn gurgelnd nach hinten taumeln, bis er gegen die Wand stieß. „Stupor!“, jaulte Pettigrew von irgendwo auf, doch der rote Lichtstrahl erwischte nur sein Bein, ließ ihn umfallen und dabei mit der übergroßen Nase auf dem Boden aufschlagen. Kurz wurde ihm schwarz vor Augen, während das Niesen und Stöhnen um ihn herum nicht verstummte. Mittlerweile wusste er nicht mehr, wo oben und unten war. Dazu kam, dass er kaum den Kopf heben konnte, weil ihn das Gewicht seiner verhexten Nase immer wieder nach unten zog. Jedoch wurde der Krieg zwischen ihnen auf der Stelle beendet, als energische Schritte im Korridor ertönten – Severus ahnte Schlimmes…und er sollte Recht behalten. „Was, um alles in der Welt, ist hier los?!“, schallte Minerva McGonagalls Stimme durch den Korridor. „Haben Sie alle völlig den Verstand verloren?!“ Severus hätte sich nicht einmal erklären können, wenn er es versucht hätte, denn noch immer quoll ihm der Schaum aus dem Mund. Seine Sicht war verschwommen und als er sich mühsam aufsetzte, hatte er Probleme damit, seinen Kopf gerade zu halten. Das Gewicht seiner Nase, aus der durch den Sturz nun auch noch Blut tropfte, zog ihn automatisch nach vorn, so dass sein Nacken schmerzte. Während Pettigrew im Hintergrund wimmerte und jemand anderes qualvoll stöhnte, fuhr Professor McGonagall damit fort, sie ordentlich zusammenzustauchen. "...sowas ist mir in meinem Leben noch nicht untergekommen!", fauchte sie, wie die Katze, in die sie sich verwandeln konnte. "Sich in der Schule mitten auf dem Gang und während einer Freistunde zu duellieren, ist eine Frechheit von Ihnen allen! Sie sollten sich lieber auf Ihre Prüfungen konzentrieren und lernen, anstatt sich zu verhalten, wie...wie...eine Horde wildgewordener Zentauren!" Severus konnte ihre grünen Augen vor Wut hinter den eckigen Brillengläsern funkeln sehen und er wusste bereits jetzt, dass sie eine ordentliche Strafe bekommen würden. Das war mal wieder typisch...dabei hatte er sich nur gegen die Schikanen von Potter und seinen Kumpanen gewehrt. Aus den Augenwinkeln sah er Lupin auf dem Boden liegen, sich unter Krämpfen windend und immer noch aussehend wie ein Greis um die 90 Jahre. Geschah ihm ganz recht, auch wenn er hatte einschreiten wollen, immerhin gehörte er zum Feind. "Hatschi!" Dann war da Potter, dessen Gesicht kaum mehr zu erkennen war, da es von einer hüftlangen Welle dunkler Locken fast gänzlich verdeckt war. Sie ringelten sich um sein Gesicht und hörten nicht auf zu wachsen. Jedes Mal, wenn er ansetzen wollte, McGonagall anzusprechen, schüttelte es ihn und er bekam einen erneuten Nies-Anfall. "Prof-hatschi! Wir haben nur – hatschi – es ist...hatschi!! Nur – hatschi!" "Halten Sie den Mund, Mr Potter!", befahl die Professorin hart und sah einmal in die Runde. "Sie alle sollten sich schämen, sich wie unreife Kinder zu verhalten und...zum Kuckuck noch mal, ist denn hier keiner in der Lage, sich zu erklären?! Mr Lupin, Sie sind Vertrauensschüler, schildern Sie also den Vorfall!" Doch alles, was folgte, war ein gepresstes Keuchen in Kombination mit einem Kopfschütteln und dann rollte sich Greis-Lupin wieder zu einem Embryo zusammen. Severus korrigierte sich gedanklich; vielleicht war seine eigene Verfassung doch nicht die schlimmste Demütigung von allen. Lupin sah aus, als würde er gleich wegsterben. "Dann Sie, Mr Black?", fragte McGonagall unüberhörbar gereizt und spießte ihn praktisch mit ihrem Blick auf. Zu ihrem Pech war Black genauso unfähig, sich zu artikulieren...sein Fluch hatte also doch noch getroffen. "P-P-Prof-f-fessor...Sch-Sch-Schnie-f-f-el-i-i-ich m-m-meine S-S-Snape h-h-hat...e-e-es..." "Du liebe Güte, seien Sie bloß still, sonst stehen wir hier noch Wochen, bis ich aus Ihnen herausbekommen habe, was passiert ist!", fuhr sie ihm über den Mund und der stotternder Black verstummte mit einem verärgerten Brummen. "Mr Snape, Sie...Grundgütiger! Wie haben Sie…das ist ja…nun ja...wie auch immer, können Sie den Kopf gerade halten? Und…mir sagen, was vorgefallen ist?" Severus stieg die Röte in die Wangen, als er sich bewusst wurde, wie entsetzt sie ihn ansah. Er fühlte sich bloßgestellt, vor allem als Black und Potter – stotternd und niesend – zu glucksen begannen. Gleichzeitig fühlte er aber auch Wut und öffnete den Mund – doch er spuckte lediglich noch mehr Schaum. "Ich habblbl...nurlblbubb...blassbl..." "Lassen Sie es gut sein", seufzte McGonagall. "Da kommen ja mehr Seifenblasen als Worte aus ihrem Mund. So bringt das nichts und...hören Sie sofort auf zu lachen, Sie beide!" Sie fuhr zu Potter und Black herum, die nun etwas blasser wurden und sie mit großen Augen ansahen. "Das hier ist keinesfalls komisch und ich ziehe jedem von Ihnen bereits jetzt 50 Punkte ab! Ja, Mr Potter, das sind 200 verlorene Punkte für Gryffindor und ich hoffe, Ihnen ist bewusst, wie maßlos enttäuscht ich von Ihnen allen bin!" Sie schnaubte aus und wirkte dabei wie ein Drache, der jeden Moment Feuer spucken würde. Severus konnte sich nicht lange darüber freuen, dass es bei ihm nur 50 Punkte Abzug für Slytherin waren – denn sie wandte sich nun ihm zu. "Ich werde Ihnen allen Strafarbeiten aufgeben – und Professor Slughorn davon in Kenntnis setzen, Mr Snape! Er wird sicher genauso wenig erfreut sein, wie ich es bin! Sie sind fast volljährig und benehmen sich allesamt schlimmer als...als..." "Eine...hatschi...wildge-hatschi! ...wordene Horde...Hatschi..." "Z-Z-Zent-t-tauren?" "In der Tat!", zischte sie und sah dann zu Lupin, der immer noch röchelnd am Boden lag. Direkt daneben stand Pettigrew, der durch die zugeschwollenen Augen längst nichts mehr sah und nur noch mitleiderregend heulte. "Aber erstmal gehen Sie in den Krankenflügel! Sie alle! Mr Potter und Mr Black, helfen Sie Mr Lupin und Mr Pettigrew dorthin…und Mr Snape...nun...Sie versuchen...versuchen Sie einfach, den anderen zu folgen und mit Ihrer Nase...nun ja...Madame Pomfrey wird sich darum kümmern." Sie schien außerordentlich genervt zu sein, doch Severus fand, dass sie dazu weniger Recht hatte, als er. Immerhin spuckte er in einer Tour Schaum und musste seine schnabelartige Nase halten, um nicht nach vorn zu kippen. Mittlerweile waren ein paar schaulustige Schüler dazu gekommen und vor allem zwei Erstklässler konnten nicht aufhören zu lachen – bis McGonagall sie wie ein Raubtier verjagte. Wenigstens, dachte Severus grimmig, während er sich zum Krankenflügel hochschleppte, hatte Lily das nicht mitangesehen. Er wäre im Boden versunken. Doch wie lange würde es dauern, bis sie durch Gerüchte dadurch erfahren würde? Missmutig starrte er über seine Riesennase Potters wallende Lockenmähne an. Es erheiterte ihn nur mäßig, dass dessen Haarpracht immer länger wurde, so dass er nun schon darüber stolperte. Während Lupin aussah, als würde er jeden Moment an einem Herzinfarkt sterben, so wie er schnaufte, führte Black derweil Pettigrew Richtung Krankenflügel, doch der pummelige Junge knallte trotzdem immer wieder vor die Wände und winselte dabei leise. Keiner von ihnen sprach auch nur ein Wort – sah man von dem penetranten Niesen ab, das von Potter kam. Selbst Severus war die Lust vergangen, einen erneuten Streit zu beginnen. Was sollte er auch machen? Die Rumtreiber mit Schaum bespucken? Wichtiger war es, diese enorm große Nase loszuwerden, bevor ihn noch mehr Leute damit sahen. Allerdings machte es Madame Pomfrey zunächst nicht wirklich besser, als sie sie musterte und dabei langsam die Fassung verlor. „Immer“, betonte sie mit strenger Miene. „Immer sind es Sie fünf, die so einen Unfug anstellen!“ Sie schüttelte den Kopf, ehe sie ein Seufzen verlauten ließ und dann auf die Betten deutete. „Setzen Sie sich…wobei…am besten legen Sie Mr Lupin vorher hier ab.“ Sie warf dem nur noch zuckenden Werwolf einen besorgten Blick zu. „Er wirkt ja, als hätte gleich sein letztes Stündchen geschlagen…nun gut, warten Sie hier! Ich bin sofort wieder bei Ihnen.“ Sie eilte davon, vermutlich um die passenden Tinkturen und ein Buch für Gegenflüche zu holen. Währenddessen tat Severus sein Möglichstes, Potter und Black einen besonders hasserfüllten Blick über seine Nase zuzuwerfen – es war schwierig und das brachte sein Blut erneut zum Kochen. Diese verdammten Bastarde! „H-H-Hey…S-S-Snape…j-jetzt k-k-kannst d-du…m-m-mit d-deiner R-Rotz…N-N-Nase L-Leute…er…e-erschlagen…“ „Halbblbt dblein Mablaub, Blablbb!“, fauchte er zurück und die Seifenblasen flogen durch den Krankenflügel. „Lass – hatschi! Lass es g-hatschi…gut sein…Ta-hatschi! Tatze…er ist schon ge-hatschi! Genug gestraft…m-hatschi! Mit dem – hatschi – Zinken!“ „Iblubb werblb diblubb-“ Doch seine Drohung wurde von einem gequälten Stöhnen unterbrochen, als sich Lupin auf dem Bett regte. „Seid endlich still…alle!“, jaulte er und vergrub das Gesicht im Kissen. Daraufhin herrschte tatsächlich Stille…bis Pettigrew wieder zu schluchzen und Potter zu niesen begann. Großartig…wirklich großartig. Kapitel 7: Standpauken ---------------------- Im Endeffekt schaffte es Madame Pomfrey binnen einiger Minuten, seine riesige Nase wieder auf die normale Größe schrumpfen zu lassen. Es tat nicht einmal weh, ließ nur ein unangenehmes Kribbeln zurück. Vermutlich hätte sie es noch schneller geschafft, wenn sie gewusst hätte, welcher Fluch ihn getroffen hatte, doch keiner der Rumtreiber äußerte sich dazu. Natürlich nicht. Severus hatte genauso geschwiegen, als sie ihn danach gefragt hatte. Leider wurden Potter und Black trotzdem so rasch und schmerzfrei wie er selbst von ihr geheilt. Lupin dagegen hatte länger mit seinen Falten zu kämpfen, doch zumindest wurden seine Magenkrämpfe gelindert – nicht, dass Severus darüber erleichtert gewesen wäre. Er hätte es nur viel eher den anderen beiden gegönnt, so wie es eigentlich auch geplant gewesen war. Pettigrew würde als Einziger die Nacht im Krankenflügel verbringen müssen, da seine Augen immer noch eitrig und geschwollen waren. Anscheinend war Potters Bindehautentzündungs-Fluch hartnäckiger als vermutet…das musste er sich merken. Potter jedoch schien darüber immer noch zerknirscht zu sein, denn er saß – mittlerweile mit normaler Haarlänge und ohne zu niesen – neben Pettigrew auf dem Bett und versuchte ihn mit ein paar dummen Sprüchen aufzuheitern. „Ach komm, Wurmschwanz!“, meinte er betont heiter. „Wenn du für immer blind bleibst, musst du nie wieder einen Test schreiben!“ „Genau!“, pflichtete ihm Black bei. „Nie wieder Prüfungen! Stell dir das mal vor!“ Pettigrew, der sich in seine Bettdecke eingewickelt hatte, lächelte eher gezwungen. „Na toll…“, murmelte er wehleidig. „Außerdem ist es immer noch besser als der Fluch, der Moony erwischt hat…sei froh, dass du seine Falten nicht siehst!“, meinte Black feixend und Potter flüsterte grinsend. „Ja, wer weiß, was da jetzt alles rumschwabbelt…“ Black brach in lautes Lachen aus, woraufhin Potter mit einstimmte, und sogar Pettigrew grinste jetzt schwach. „Ich kann euch hören“, brummte Lupin mit beleidigtem Unterton. „Und da schwabbelt gar nichts, klar?“ „Wenn du das sagst, Moony~“, flötete Black immer noch glucksend. „Aber ohne Beweise glauben wir dir gar nichts!“, fügte Potter hinzu. „Ihr spinnt doch…“ Auch wenn Lupin genervt klang, umspielte ein amüsiertes Lächeln seine Lippen. Severus wäre am liebsten verschwunden, denn es zerrte an seinen Nerven, diesem albernen Kindergeplänkel zuzuhören. Zu seinem Missfallen sollten sie hier warten, bis McGonagall kam, um ihnen ihre Strafarbeiten mitzuteilen. Die bisherige Zeit hatte er damit verbracht, an die gegenüberliegende Wand zu starren und diese vier Schwachköpfe zu ignorieren. Ab und zu sah er aus den Augenwinkeln zu ihnen rüber, weil er ihnen nicht traute, doch ansonsten war er froh, dass ihn ebenfalls niemand beachtete. „Hey Schniefelus!“ Zumindest bis jetzt. Er warf Black einen geradezu tödlichen Blick zu, doch dieser grinste ihm gehässig ins Gesicht. „Hat Madame Pomfrey irgendwas mit deiner Nase gemacht? Ich sehe nämlich keinen Unterschied zu der Riesenknolle von vorhin.“ Erneut schallte das Gelächter der Rumtreiber durch den Krankenflügel – Lupin einmal ausgenommen, der schüttelte nämlich nur den Kopf darüber. Severus ballte die Hände zu Fäusten, während er Black fixierte. „Schläge auf den Hinterkopf sollen das Denkvermögen ja angeblich fördern, Black“, zischte er zurück. „Zu dumm, dass man dafür ein Hirn besitzen muss.“ „Pass bloß auf, du widerlicher-“ „Tatze“, unterbrach Lupin ihn warnend. „Wir haben vorhin 200 Punkte verloren und bekommen auch noch Strafarbeiten…fang nicht schon wieder einen Streit an!“ Blacks empörter Gesichtsausdruck war Gold wert, auch wenn Severus Lupin dafür nur einen finsteren Blick sandte; er brauchte keine Unterstützung von diesem Ungeheuer. „Bist du jetzt auf seiner Seite oder was? Wegen dem hast du immer noch graue Haare und Falten am Hintern, Moony!“ „Erstens kannst du gar nicht wissen, ob ich da…Falten habe“, brummte Lupin verärgert zurück. „Und zweitens stecken wir da alle mit drin, also lass es endlich gut sein.“ „Aber er-“ „Moony hat Recht, Tatze“, mischte sich Potter ein, der sich seufzend durch sein strubbeliges Haar fuhr. „Was?! Du auch noch?!“, entfuhr es Black fassungslos, woraufhin Potter schnaubte. „Auch wenn der da an allem schuld ist, wird das McGonagall ziemlich egal sein. Die zerreißt uns in der Luft, wenn wir direkt wieder Ärger machen…“ Lupin sah seinen Freund verdutzt an, welcher das jedoch ignorierte, während Black etwas in seinen nicht vorhandenen Bart murmelte. Severus erkannte die Masche sofort als einen weiteren verzweifelten Versuch, Lilys Unmut nicht auf sich zu ziehen. Bei dem Gedanken, wie sie ihn zusammenfalten würde, wenn sie von dem Punkte-Abzug erfuhr, schlich sich ein schadenfrohes Grinsen auf seine Lippen. „Wisch dir das dreckige Grinsen aus der Visage, Snape, sonst riskier ich den Ärger…und sei’s nur, um dir ohne Zauberei eine zu knallen!“ Severus funkelte Potter kalt an. „Das würde nur beweisen, dass du ein zurückgebliebener, primitiver-“ „Halt dein Maul, Snape!“ Es war Black, der ihn wie ein Köter anbellte, dabei auch direkt aufgesprungen war. Severus blieb ebenfalls nicht ruhig sitzen, war aufgestanden und hatte auch direkt nach seinem Stab gegriffen; er würde sich wehren, wenn es sein musste. „Wie rührend, dass du dich so für Potter einsetzt, Black“, erwiderte er hämisch. „Kann er das nicht selbst oder bist du gern sein kleiner Wachhund?“ „Das reicht!! Ich polier dir deine hässliche Fr-“ „Sie werden gar nichts tun, Mr Black, und ich verbitte mir solch eine vulgäre Ausdrucksweise innerhalb dieser Mauern, haben Sie mich verstanden?!“ Niemand von ihnen hatte Professor McGonagall kommen hören, doch Severus konnte sich darüber nicht beklagen. „Er hat mich provoziert, Professor!“, beklagte sich Black wie ein Kind und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Mich interessiert nicht, wer angefangen hat!“, entgegnete sie kühl. „Wir sind hier nicht im Kindergarten, Mr Black, und es wird Zeit, dass Sie das alle begreifen!“ „Richtig, richtig…ich muss doch sehr bitten, meine Herren!“ Hinter McGonagall tauchte nun auch noch Slughorn auf und das war der Moment, in dem Severus‘ Schadenfreude über Blacks Tadel nicht länger anhielt. Slughorn fasste direkt ihn ins Auge und zog die Brauen zusammen. „Minerva hat mir erzählt, was Sie sich geleistet haben, Mr Snape, und ich bin sehr enttäuscht von Ihnen!“ „Das war nicht meine Schuld, Professor!“, verteidigte er sich zornig. „Die haben mich angegriffen!“ Von Potter kam ein spöttisches Auflachen. „Ja sicher, Snape…lüg doch nicht!“ „Genau! Snape hat Moony zuerst mit einem Fluch getroffen!“ „Das stimmt!“, quiekte Pettigrew vom Bett aus und Severus hoffte, dass er noch lange blind bleiben würde. „Weil die mich zu viert abgefangen haben!“, regte er sich auf, was Black knurren ließ. „Wir wollten nur reden, du miese-“ „Das reicht jetzt!“, unterbrach McGonagall ihn und fixierte sie allesamt scharf aus ihren grünen Augen. „Ich will keine weiteren Beleidigungen oder Anschuldigungen mehr hören! Sie alle haben sich unangemessen verhalten! Ich erwarte, dass Sie sich beieinander entschuldigen – und zwar sofort!“ Das war schlimmer als jede Strafarbeit, die sie sich hätte überlegen können. Severus sah ebenso angewidert drein, wie es Potter und Black taten, während Lupin nach wie vor ganz still war und Pettigrew nur ein Keuchen von sich gab. „Aber Professor-“ „Sofort, habe ich gesagt!“ Keiner wagte es, sich zu widersetzen, jedoch sahen sie einander nicht an, als jeder von ihnen seine Entschuldigung so leise murmelte, dass sie kaum zu verstehen war. Glücklicherweise schien das McGonagall zu reichen, denn sie wandte sich nun Lupin zu, der den Blick bis jetzt gesenkt hatte. „Mr Lupin, Sie sind Vertrauensschüler! Schildern Sie uns, was passiert ist!“, forderte sie ihn auf und alle Augen richteten sich auf ihn. Lupin wurde ein wenig blasser um die Nase, sah von ihr zu seinen Freunden, dann kurz zu ihm und schließlich wieder zu McGonagall und Slughorn. Diese Erklärung dürfte interessant werden. „Also, ich…wir…wir haben geredet und…uns gestritten. Die Situation ist eskaliert…und ich denke, wir haben alle dazu beigetragen…es war nicht richtig und es tut uns leid. So etwas wird nie wieder vorkommen.“ Nicht nur Potter und Black starrten den Werwolf sprachlos an, auch Severus war irritiert. Warum schob dieser Idiot nicht einfach alles auf ihn? Er an seiner Stelle hätte genau das ohne zu zögern getan. Stattdessen versuchte er die Geschichte abzumildern und bei Slughorn funktionierte das auch noch! „Minerva…den jungen Herren tut es leid“, unternahm er ebenfalls einen Versuch, seine aufgebrachte Kollegin zu beschwichtigen. „Wir sollten nicht allzu streng mit ihnen sein, wenn sie schon Reue zeigen.“ Minerva schnaubte lediglich. „Sie verdienen dennoch eine Strafe!“, entschied sie mitleidslos und Potter und Black stöhnten synchron. „Hagrid wird sicherlich sehr erfreut sein, wenn Sie ihm morgen Abend bei der Arbeit im verbotenen Wald helfen.“ Pettigrew gab ein ängstliches Quieken von sich, während Lupin bloß nickte und Potter und Black es in letzter Minute schafften, ihr Grinsen zu unterdrücken und stattdessen betreten drein zu sehen. Strafarbeit bei diesem zu groß geratenen Volltrottel…noch dazu in einem Wald voller Monster. Severus gab sich keine Mühe, seine Abneigung zu verbergen und schaute McGonagall finster an. Diese ignorierte ihn jedoch geflissentlich und herrschte sie stattdessen an, dass sie morgen auch ja pünktlich da sein sollten, wenn sie nicht noch mehr Ärger bekommen wollten, ehe sie mit Slughorn im Schlepptau den Krankenflügel verließ. „Und jetzt erklär mal, was mit dir kaputt ist, dass du so einen Müll quatschst, Moony!“ Severus versuchte Blacks penetrante Stimme auszublenden, während er hinter ihnen die Treppen runterging. Mit Ausnahme von Pettigrew waren sie allesamt von Madame Pomfrey entlassen worden. Der Werwolf schnaubte leise und Severus sandte ihm von hinten einen Blick tiefer Verachtung zu. „Was hätte ich sonst sagen sollen?“ „Die Wahrheit?!“, regte sich Black weiterhin auf. „Er hat uns zuerst angegriffen!“ „Und Krone hat ihn entwaffnet und ihm gedroht“, gab Lupin zurück und warf ihm einen knappen Blick über die Schulter zu, ehe er sich wieder umdrehte. „Es hätte nichts besser gemacht, wenn wir noch weiter diskutiert hätten.“ Auch wenn er damit Recht hatte, gefiel es Severus nicht, dass sie so taten, als wäre er nicht da, während sie über ihn redeten. Ebenso missfiel es ihm, dass Lupin sich mal wieder so edelmütig gab, dass ihm ganz schlecht wurde. „Lass gut sein, Tatze…“, beschwichtigte Potter seinen besten Freund seufzend. „Es ändert ja wirklich nichts daran, dass-“ „Sehr gut erkannt, Potter! Es ändert absolut gar nichts!“ Sie fuhren alle gleichzeitig zusammen, als sich ihnen Lily Evans am Ende der Treppe in den Weg stellte. Die Arme verschränkt, die grünen Augen vor Zorn funkelnd auf sie gerichtet. In dem Moment wirkte sie furchteinflößender als McGonagall. Severus stöhnte innerlich; warum war er nicht auch noch im Krankenflügel geblieben? Soeben bereute er das. „Evans, das ist-“ „Oh nein, Potter!“, fauchte sie ihn an und er schluckte merklich. „Spar dir deine Ausreden! Ich habe schon gehört, was ihr euch geleistet habt! 200 Punkte!“ Selbst Black hielt den Mund, als die Rothaarige sie zusammenstauchte, und Severus war nur noch froh, dass sie nicht im selben Haus waren. Zumindest hatte Lily somit keinen Grund, ihn ebenfalls anzugehen. „Von dir und Black erwarte ich ja schon gar nichts mehr, aber dass du sie nicht aufgehalten hast, enttäuscht mich, Remus.“ Lupin schien sich bei diesen Worten unbehaglich zu fühlen, doch er widersprach nicht, sondern senkte nur schuldbewusst den Kopf. Zum Glück des Werwolfs wandte sie sich direkt wieder Potter zu. „Und ich dachte, du hättest was begriffen, Potter…da habe ich mich wohl geirrt. Du bist immer noch ein unerträglicher Quälgeist!“ Severus spürte, wie sich das unangenehme Gefühl abrupt einstellte. Anscheinend hatte sich Potter ihre Sympathie wieder verspielt und das steigerte seine eigene Laune, die bis eben noch auf dem Tiefpunkt gewesen war, enorm. „Ich…Evans, hör doch mal zu!“, versuchte Potter zu Wort zu kommen. „Es war nicht meine Schuld, Snape hat-“ „Es sind immer die anderen, nicht wahr?“, ließ sie ihn nicht ausreden. „Du kannst nicht einmal Verantwortung für dein Handeln übernehmen…oder nachdenken, bevor du Unsinn machst.“ „Ich wollte nur-“ „Ist mir egal, was du wolltest, Potter! Du und deine Freunde habt dafür gesorgt, dass Gryffindor den Hauspokal dieses Jahr vermutlich vergessen kann…ganz zu schweigen davon, dass euer Verhalten unmöglich ist! Ihr seid im sechsten Jahr und jagt euch Flüche um die Ohren wie ein Haufen Kleinkinder! Ich hoffe, ihr seid stolz auf euch!“ Ihre grünen Augen blitzten kalt auf, erfassten ihn für eine Sekunde…dann fuhr sie mit wehendem Haar herum und stolzierte davon. Wie betäubt sah er ihr nach und die Schadenfreude stellte sich sofort ein. Mochte ja sein, dass sie Potter und den anderen beiden eine Predigt gehalten hatte…aber ihn hatte sie nicht mal beachtet. Als wäre er Luft. Es traf ihn mehr, als es sollte. Ohne den Rumtreibern noch einen Blick zuzuwerfen, wandte er sich ab, schlurfte in Richtung Gemeinschaftsraum. Beinahe wünschte er sich, Lily hätte ihn auch angeschrien…alles war besser, als die Ignoranz, die sie ihm gegenüber zeigte. Er hasste es…und noch mehr hasste er es, dass es ihn so mitnahm. Nur Lily konnte ihn so verletzen, weil er sich insgeheim immer noch nach ihr sehnte. „Snape!“ Er spannte sich an, als jemand seinen Namen rief; schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Obwohl er keine Miene verzog, als er sich umdrehte und Lestrange samt seinen Kumpanen auf sich zukommen sah, verkrampfte sich sein Magen. Lestranges Blick war eisig, als er schließlich vor ihm stand, und Rosier, neben ihm, sah aus, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzen. „50 Punkte Abzug“, stellte Lestrange abschätzig fest. „Und du hast dich mal wieder zum Gespött gemacht…eigentlich sollte mich das mittlerweile nicht mehr wundern, aber trotzdem frage ich mich…“ Severus verfluchte sich selbst, als er aus Reflex an die Wand hinter sich wich, dabei mit dem Rücken gegen diese stieß, als Lestrange ihm näher kam. Rosier und einige andere zeigten nun ein hämisches Grinsen, während sie wie ein Rudel Wölfe um ihn herumstanden. „…hast du eigentlich auch nur einen Funken Slytherin-Stolz in dir?“ Ihm schien, als würden sich Steine in seinem Magen entladen…sein Selbstwertgefühl wurde soeben zermalmt. Das Schlimmste war, dass seine Zunge ihm den Dienst verweigerte. Die Begegnung mit Lily hatte ihn schon hart genug getroffen, doch jetzt auch noch dem Spott seiner Hausgenossen ausgesetzt zu sein, das gab ihm den Rest. „Er ist nur ein Halbblut, Rabastan“, grunzte Rosier abfällig und seine Augen verengten sich. „Bei so einer Herkunft ist es ein Wunder, wenn er weiß, wie das Wort Stolz buchstabiert wird.“ Lestranges Lippen zuckten kurz, zeigten den Ansatz eines Lächelns. „Wohl wahr…“ Er schnalzte mit der Zunge, während Severus nach Worten rang; doch was sollte er schon sagen? Ausflüchte würden nur dafür sorgen, dass er sich noch lächerlicher machte. Lestrange oder einen der anderen in diesem Fall zu beleidigen, wäre unklug – sowohl für potenzielle Chancen, zu ihnen zu gehören, als auch für seine Gesundheit. „Kommt nicht wieder vor“, erwiderte er daher steif. „Ich…habe nicht damit gerechnet, dass-“ „Nein, Snape, du hast dich erwischen lassen“, schnitt Lestrange ihm das Wort ab und die Verachtung war deutlich herauszuhören. „Du hast zugelassen, dass sie dich vorführen.“ „Oh ja!“, mischte sich Rosier ein. „Sogar die Erstklässler machen schon Witze über deinen Riesenzinken!“ Einige lachten und Severus spürte, wie seine Wangen vor Scham brannten. Beherrschung, ermahnte er sich streng, sah Rosier lediglich kalt an. „Das war nur eine unschöne Kleinigkeit“, gab er scharf zurück. „Black hat eine Platzwunde am Hinterkopf abbekommen und Lupin konnte sich vor Schmerzen kaum noch bewegen.“ Kurz blitzte Interesse in Lestranges Augen auf, doch es erlosch viel zu schnell wieder. „Pass auf, Snape“, sagte er leise. „Eigentlich bist du mir egal…genau genommen bist du jedem von uns egal.“ Severus versuchte nicht zu blinzeln, sondern eisern zurück zu starren. „Aber wenn du unser Haus weiter so beschämst, wird das Folgen haben…und ich glaube nicht, dass du dir noch mehr Feinde leisten kannst…oder?“ Ein paar Sekunden lang schwieg er, musste diese offene Drohung erst verarbeiten. Dann nickte er langsam – was blieb ihm auch anderes übrig? „Ich habe verstanden.“ Lestrange lächelte dünn, ehe er wieder Abstand von ihm nahm. „Sehr gut“, meinte er nur und wandte sich dann zum Gehen. Rosier warf ihm einen gehässigen Blick über die Schulter zu, ehe er Lestrange und den anderen folgte. Severus blieb allein zurück. Er hätte sich einreden können, dass es jetzt wenigstens nicht noch schlimmer kommen konnte…doch dann fiel ihm die Strafarbeit mit den Rumtreibern ein. Doch, es konnte noch schlimmer kommen. Manchmal hasste er sein Leben…gerade mehr denn je. Kapitel 8: Im Verbotenen Wald (Teil 1) -------------------------------------- Keiner von ihnen wagte es, am nächsten Abend zu spät zur Strafarbeit zu kommen. Nicht einmal Peter, dessen Augen immer noch von der Bindehautentzündung gerötet waren, doch zumindest konnte er wieder sehen. Zu behaupten, die Stimmung sei gedrückt, wäre untertrieben gewesen. James‘ Laune stand auf dem Tiefpunkt, seitdem Lily ihn auf dem Gang zusammengefaltet hatte und selbst Quidditch oder Sirius‘ Aufmunterungsversuche konnten das nicht ändern. Das wiederrum sorgte dafür, dass Sirius seinen Hass nun mehr denn je auf Snape projizierte und fortwährend darüber sprach, wie er den Slytherin besonders qualvoll umbringen würde. Da Sirius ihm noch immer nachtrug, dass er vor McGonagall und Slughorn nur die halbe Wahrheit gesagt hatte, ließ er ihn reden. Er hatte richtig gehandelt, denn eine Schuldzuweisung hätte ihre Professorin auch nicht umstimmen können. Trotzdem ärgerte er sich insgeheim über sich selbst, denn Tatsache war, dass Snape sie tatsächlich zuerst angegriffen hatte. James und Sirius hatten Dinge gesagt, die nicht in Ordnung waren, doch wenn er daran dachte, was Snape ihm schon an den Kopf geworfen oder wie er sich über Sirius‘ Familiensituation geäußert hatte, schrumpfte sein Mitgefühl zusammen. Außerdem hatten ihm Snapes Flüche schmerzhafte Unannehmlichkeiten bereitet – und er hatte schon genug davon. Sich einmal im Monat in einen Werwolf zu verwandeln reichte ihm, da musste er sich nicht im Körper eines Greises unter Magenkrämpfen auf dem Boden wälzen. Es kostete ihn daher einiges an Überwindung, Snape nur zu ignorieren, anstatt ihn so finster anzublicken, wie James und Sirius es taten. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Sie warteten stattdessen, bis Filch kam, der eine geradezu widerwärtige Freude darüber zeigte, sie zu Hagrids Hütte zu führen. „Habt sicher schon Schiss, was?“, stichelte er und schielte sie von der Seite her an. Im Licht seiner Laterne, die neben dem Mond als einziges die Dunkelheit erhellte, wirkte sein Gesicht noch bösartiger als sonst. „Ja, ja…dachtet wohl, ihr könnt tun, was euch gefällt…Schulregeln brechen wie sonst auch, was? Ich wünschte, ich hätte euch erwischt. Hätte euch verzogenen Blagen gegeben, was ihr verdient…“ Remus sah, wie James einen spöttischen Blick mit Sirius tauschte. Filch träumte vermutlich schon nachts davon, sie vier bei einem ihrer Streiche zu erwischen, doch noch nie war es ihm gelungen. „Ja, grinst ihr nur, ihr Pack!“, zischte Filch sie an, während er sie übers Gelände Richtung Wald führte. „Aber in dieser Nacht geht’s euch an den Kragen! Hoffe, dass die Kreaturen im Wald mindestens zwei von euch holen! Verstümmeln werden sie euch zweifellos…oh ja…“ Remus musste sich nun selbst beherrschen, um nicht zu lachen; er und seine Freunde streunten einmal im Monat im Wald herum. Wovor sollten sie also Angst haben? Zumal Hagrid dabei war und sicher nicht zulassen würde, dass ihnen etwas geschah. Er beobachtete, wie James provokativ gähnte und Sirius die Augen verdrehte, während Peter doch ein wenig Unbehagen zeigte. Was ihn wunderte, war die Tatsache, dass Snape so still war. Als er diesem einen knappen Seitenblick zuwarf, erkannte er, dass der Slytherin soeben einen nervösen Blick Richtung Mond warf. Remus stutzte und in dieser Sekunde trafen sich ihre Blicke, ehe er sich rasch wieder abwandte. Er wollte Snape nicht weiter ansehen, denn soeben wurde ihm klar, was dem anderen durch den Kopf gehen musste. In zwei Tagen war Vollmond. Remus hatte keine Erinnerung an die Nacht, in der Snape von seinem Geheimnis erfahren hatte. Die Nacht, in der er ihn hätte infizieren oder gar töten können. Er mochte Snape nicht, aber er hätte es sich selbst nie verziehen, wenn er ihm etwas angetan hätte. War Snape deshalb so ruhig? Remus‘ Zorn auf ihn legte sich etwas, als er daran dachte, dass der andere in dieser verfluchten Nacht vermutlich Todesängste ausgestanden hatte. Seinetwegen. Na gut, Sirius war auch nicht ganz unschuldig daran, doch das hatten sie ja geklärt. Remus seufzte innerlich, versuchte die Gedanken zu verdrängen. Egal, was passiert war, Snape war einfach kein umgänglicher Mensch. Er wäre auch ohne den Vorfall in der heulenden Hütte ein gemeiner Kerl und daher sollte er sich keinen Kopf darum machen, wie es ihm ging. Er hatte schon genug getan, was er hinterher bereut hatte. „Da seid ihr ja endlich! Wurd‘ ja auch Zeit!“ Hagrid stand dort im Licht seiner Hütte, die Armbrust über der Schulter hängend, und Boney, seine Jagdhündin, neben ihm wedelte freudig mit dem Schwanz. Die schwarzen Augen des Hünen musterten sie eindringlich, dann seufzte er laut. „Ich glaub, ich will gar nich wissen, was ihr mal wieder ausgefressen habt…“ „Haben sich mit Flüchen bekämpft“, krächzte Filch und blickte sie hasserfüllt an. „Hab denen schon gesagt, was sie erwartet…hoffe, sie gehen dir verloren und werden von den Monstern ge-“ „Ach, hör auf!“, fuhr ihm Hagrid ruppig dazwischen. „Das is ne Lektion und gut is…hier passiert keinem was!“ Filch sah nun aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen, doch dann wandte er sich leise schimpfend ab und schlurfte zurück zum Schloss. Keiner bedauerte das, vermutlich nicht einmal Snape. Dieser hatte den Blick konsequent zur Seite gewandt, wobei er noch finsterer dreinsah als sonst. „So und jetzt zu euch!“, wandte sich Hagrid wieder an sie alle. „Habt mal wieder gegen die Regeln verstoß’n und euch auch noch erwischen lass‘n, was?“ „War nicht unsere Schuld, Hagrid“, brummte Sirius und warf einen bösen Blick zu Snape, der jedoch nicht reagierte. Hagrid schüttelte seinen bärtigen Kopf. „Na, Schuld werdet ihr wohl alle ham…sonst wärt ihr ja nich hier, ne?“ Sirius wollte erneut auffahren, doch James schlug ihm gegen die Schulter und bedeutete ihm, es gut sein zu lassen. Dieser murrte nur leise, beließ es aber dabei, während sich sein Freund an den Riesen wandte. „Sehen wir nur nach dem Rechten oder hast du was Bestimmtes geplant?“, wollte er wissen, woraufhin Hagrid abwinkte. „Reine Routine-Runde…müsst euch keine Sorgen machen! Is nix im Wald, das euch gefährlich werden könnt, solang ich dabei bin!“ Remus war sich nicht sicher, ob sie das so einfach glauben konnten. Hagrid hatte eine seltsame Vorliebe für Kreaturen aller Art und würde vermutlich sogar einen Werwolf wie ihn als missverstandenes Wesen darstellen. Außerdem wussten sie vier durch ihre einmal monatlichen Ausflüge sehr gut, dass es Kreaturen in diesem Wald gab, die man nicht grundlos fürchten sollte. Er bekam mit, wie Snape ein abfälliges Schnauben von sich gab, doch Hagrid schien es nicht auf sich zu beziehen. „So, dann mal los, was?“, rief dieser geradezu freudig und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Remus seufzte nur, als Sirius Peter, der wie angewurzelt da stand, einen Schubs gab, woraufhin dieser nach vorn stolperte. „Jetzt piss dich nicht ein, Wurmschwanz“, meinte er mitleidlos, ehe er leiser anfügte: „Ist ja nicht so, als seist du noch nie hier gewesen…“ Peter schluckte merklich. „Das ist aber was anderes…“, nuschelte er und Remus musste ihm Recht geben. Vor Hagrids und schon gar nicht vor Snapes Augen durfte sich keiner von seinen Freunden in seine Animagus-Gestalt verwandeln. Sie hätten Glück, wenn die Konsequenzen lediglich daraus bestehen würden, sie nur der Schule zu verweisen. „Ja, ja…trotzdem“, erwiderte Sirius leichthin, während sie durch den Wald schlichen. Wobei schleichen wohl bei Hagrids Größe unmöglich war. Remus konnte Peters Ängste eigentlich recht gut nachvollziehen; im Wald lauerten trotz allem Gefahren, die er selbst nicht unterschätzen wollte. James und Sirius mochten leichtsinniger sein, doch auch sie mussten das wissen. Remus war unsicher, ob er die Stille, die im Wald herrschte, als Entwarnung verstehen sollte. Er zuckte zwar nicht wie Peter zusammen, doch bei jedem Knacken wurde ihm unwohl zumute. „Hey Snape! Nich zurückbleiben!“, ermahnte Hagrid den Slytherin, der missmutig hinter ihnen her stapfte und den Hünen nun zornig anfunkelte. „Genau, Snape“, fügte Sirius desinteressiert hinzu. „Nicht, dass dich noch ein Monster frisst…wobei dich sowieso niemand vermissen würde.“ „Damit kennst du dich ja aus, Black“, zischte Snape zurück. „Deine Mutter-“ „Jetzt is es aber gut, ihr zwei!“, schalt sich Hagrid ein, bevor der Slytherin seinen Satz zu Ende bringen konnte. Vermutlich war das auch ganz gut so. Sirius sah schon wieder so aus, als würde er Snape gleich an die Kehle springen. „Ich weiß nich, was euer Problem is, aber solang ihr hier bei mir seid, is Ruhe, klar?“ Man konnte den beiden ansehen, dass sie nicht einverstanden waren, doch keiner widersprach. Remus wandte sich ab, beobachtete Boney für einen Moment, die hinter Hagrid herlief, die Rute zwischen die Beine geklemmt; anscheinend war Peter nicht der einzige Angsthase. Wieder knackte es von irgendwo und der Kleinste von ihnen wimmerte leise auf. „Da ist was!“, flüsterte er und sah in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Zwei Sekunden später ertönte Flügelschlagen und ein Rabe brach aus dem Dickicht hervor, verschwand krächzend in der Finsternis des Waldes. „Ernsthaft, Wurmschwanz“, wandte sich nun auch James an ihren Freund. „Krieg dich wieder ein…hier ist doch ni- ach, du Scheiße!“ Etwas Größeres brach plötzlich zwischen den Bäumen hervor und stürzte auf sie zu, stieß dabei ein ohrenbetäubendes Kreischen aus. Rote Augen funkelten auf, während die Flügelspannen durch die Luft schlugen. Hagrid hob seine Armbrust, brüllte gleichzeitig: „Runter!“ Boney jaulte mitleiderregend auf, während sie sich alle gleichzeitig zu Boden warfen und das schwarze Ungetüm James Kopf nur um Zentimeter verfehlte. In der Dunkelheit konnte keiner von ihnen ausmachen, um was es sich tatsächlich handelte – oder warum Hagrid keinen Bolzen abschoss. „Schon gut…is wech“, brummte dieser und schulterte seine Armbrust wieder. „Könnt aufstehn‘…“ Remus grub seine Finger in die weiche Erde, während er sich zu beruhigen versuchte. Das Vieh war verschwunden, dennoch raste sein Herz, als er sich langsam wieder aufrichtete. Er beobachtete, wie sich auch seine Freunde wieder erhoben – wobei Snape zuerst Boney wegschieben musste, da diese ihm das Gesicht abzulecken versuchte. „Was war das?“, fragte Remus, der als Erster seine Sprache wiederfand. Peter neben ihm sah aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen, doch Hagrid schien es nicht zu bemerken. Er wirkte beinahe ein wenig verlegen, scharrte mit einem Fuß in der Erde, während er sich immer wieder umsah. „Nu ja…also…s’is…eine neue Gattung, wisst ihr“, druckste er herum und lächelte sie unter seinem Bart zaghaft an. „Gattung?!“, entkam es James, dessen Haar nun zerzauster war als nach einem Ritt auf seinem neuen Nimbus 1001. „Das Ding war so groß wie Mrs Norris…und es hatte Flügel, die waren doppelt so lang wie sie!“ „Eh…ja…also, das is aber kein Grund zur Beunruhigung, nich“, versuchte Hagrid sie zu beschwichtigen. „Sin‘ eigentlich harmlos, die Kleinen…wern‘ oft missverstanden, diese Vampirfledermäuse…wegen dem Namen un‘ so…“ „Vampirfledermäuse?!“, hörte er Snape zischen, der sich offenbar wieder gefasst hatte. „Das kann keine Vampirfledermaus gewesen sein! Die Viecher werden nicht so riesig!“ Ausnahmsweise schien ihm da keiner widersprechen zu wollen und wieder wirkte Hagrid verunsichert. „Ja…also, wie ich schon sagte…neue Gattung un‘ so…“, murmelte er in seinen Bart und Remus beschlich die Vermutung, dass diese neue Gattung nicht legal war. Es wäre nicht das erste Mal, dass Hagrid aus Zuneigung irgendein Monster im Wald aussetzte…oder es gar in seiner Hütte großzog. „Aber sie sin‘ nich gefährlich! Also…solang keiner blutet, nich…also kein Grund zur Sorge! Sin’ eigentlich zahm…also, wenn sie nich grade hungrig sind…“ Sie starrten ihn nun alle an, als sei er verrückt geworden, doch es war Snape, der den Gedanken auch aussprach. „Oh, wie beruhigend“, erwiderte er und seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Wenn diese…Dinger also zufällig gerade jemand anderen ausgesaugt haben, werden sie nicht versuchen uns umzubringen?“ „Eh…na ja, umbring‘ is’n hartes Wort…sie zapf’n nur n bisschen Blut ab, als Nahrung…“, gab Hagrid langsam zurück. „Aber selbst wenn…solang es nur ein paar sind, habt ihr nix zu befürchten…da wird man mit fertig…jagen eher in klein‘ Gruppen, diese Vampirfledermäuse…“ „Nicht dein Ernst…“, kam es ungläubig von Sirius. Remus hielt es für das Klügste, nichts zu sagen und einfach weiterzugehen. Es gab im Wald sicher noch Schlimmeres als diese Riesenfledermäuse, die einem das Blut aussaugen wollten. Er wollte sich gerade umdrehen, als ihn Peters leises Wimmern innehalten ließ. Dieser starrte mit geweiteten Augen in die Dunkelheit, zitterte mittlerweile wie Espenlaub. „Wurmschwanz?“, fragte er leise und auch die anderen, die soeben noch diskutiert hatten, hielten inne. „Was ist los?“ Der Angesprochene schluckte hart, starrte nun nach oben und Remus stellte fest, dass er sich den Arm hielt. „Ich...hab mir wehgetan…“, kam es ihm schließlich über die bebenden Lippen. Abrupt wurde es still. Remus Blick wanderte über die Schürfwunde an Peters Arm, von dem ein paar Tropfen Blut perlten. Vermutlich hatte er sich verletzt, als er sich zu Boden geworfen hatte. Remus sah in dieselbe Richtung wie sein Freund, wobei er den Kopf in den Nacken legen musste. Er erstarrte, als er die vielen roten Augenpaare in den Bäumen ausmachte. Ihm wurde heiß und kalt, denn von ein paar Viechern konnte längst nicht mehr die Rede sein. Boney jaulte abermals auf und drückte ihren Kopf gegen Hagrids Bein, doch dieser bedeutete ihr, still zu sein. „Keiner bewegt sich“, brummte er und sah sich um. „Wenn alle still sin‘, wern‘ sie schon wieder abhaun…“ Remus ahnte, dass dies nur eine Mutmaßung war, doch keiner von ihnen wagte es, sich zu bewegen. Nun, zumindest bis sich eine der auf dem Kopf hängenden Fledermäuse bewegte und dabei die Flügel ausbreitete…denn in dieser Sekunde verlor Peter die Nerven und kreischte auf. Der Wald, der durch das dichte Geäst sowieso nur spärlich vom Mondlicht erhellt wurde, verdüsterte sich noch, als die Kreaturen ihre Schwingen ausbreiteten und sich kreischend auf sie stürzten. Das Geräusch war ohrenbetäubend und Remus widerstand dem Drang, sich die Hände auf die Ohren zu pressen, nur schwer. Stattdessen griff er nach seinem Zauberstab und schleuderte einen Stupor auf eine der Fledermäuse, die drauf und dran war, Peter anzufallen. „Lauft!!“, brüllte Hagrid, der seine Worte von vorhin wohl vergessen zu haben schien und mit seinen Pranken eines der Viecher im Flug packte und wegschleuderte. „Scheiße!“, hörte er Sirius fluchen, ehe er, dicht gefolgt von James, die Beine in die Hand nahm. „Kommt schon! Stupor!“ Weitere Flüche wurden in die Luft geschleudert und Remus versuchte, seinen Freunden zu folgen. Allerdings spürte er schon im nächsten Augenblick, wie ihn etwas mit scharfen Krallen streifte und zwei blutige Kratzer auf seiner Wange hinterließ. Er schlug nach dem Mistvieh, erwischte es am Flügel und lief weiter. Er konnte sie hören…diese hohen Töne, die einem ganz übel werden ließen…das Schlagen ihrer Schwingen. Gehetzt sah er sich um, während er immer wieder Flüche in die Luft schleuderte, um sich zu schützen. Wo waren James und Sirius? Und wo war Peter abgeblieben? War er bei Hagrid? Hoffentlich, denn einen von ihnen konnte der Hüne sicher schützen. Remus Atem ging abgehackt, während er langsam außer Puste geriet. Wieder ein Kreischen. Etwas zerriss seinen Umhang, riss die Haut darunter auf und hinterließ ein Brennen. Remus schoss einen weiteren Fluch ab, wobei er nicht nach vorn sah und…über eine Wurzel am Boden fiel. Der schmerzhafte Ruck, der durch seinen Knöchel ging, ließ ihn aufstöhnen. Panisch versuchte er sich hochzustemmen, doch es funktionierte nicht. Hilflos tastete er nach seinem Stab, der ihm aus der Hand gefallen war – vergebens. Wieder dieses schreckliche Geräusch…und er blickte mit bangem Blick nach oben, erkannte sechs Fledermäuse, die ihre Kreise über ihm zogen, während er praktisch wehrlos auf dem Boden rumrobbte. Plötzlich hörte er Schritte, sein Kopf ruckte hoch und er erkannte Snape, der mit bleichem Gesicht hektisch an ihm vorbei hastete. „Snape!“, brachte er hervor, was diesen innehalten ließ. „Snape, warte! Hilf mir!“ Ein Blick über die Schulter traf ihn, Snapes Augen funkelten verächtlich…dann rannte er weiter und verschwand in der Dunkelheit. Remus ließ die Schultern sinken, während ihn die Verzweiflung eiskalt umklammerte. Er war kein Animagus wie James, Sirius oder Peter…er konnte sich ohne Vollmond nicht verwandeln, um sich zu verteidigen, und er hatte seinen Stab verloren. Er war allein. Snape würde nicht zurückkommen. Das Blut rauschte in seinen Adern, als er nach oben schaute und zwei der Fledermäuse auf ihn herabschossen. Er rollte sich zusammen, hob schützend die Arme über den Kopf – was blieb ihm auch anderes übrig? Etwas krallte sich an ihm fest, Zähne rammten sich in seinen Nacken und er schrie auf, versuchte es von sich runterzuwerfen. Das Vieh löste sich, hinterließ eine schmerzende Wunde und Remus versuchte sich wegzurollen…in Sicherheit…doch wo war er sicher? Wieder dieses Kreischen und er keuchte auf, wusste nicht mehr, was er tun sollte. „Immobilus!“ Remus zuckte zusammen, als neben ihm etwas regungslos zu Boden fiel. Ungläubig sah er auf die anscheinend gelähmte Fledermaus – und eine weitere folgte auch sogleich. „Stupor!“ Lichtblitze stoben über seinen Kopf hinweg und wieder fielen zwei Kreaturen vom Himmel. Die übrig gebliebenen flatterten verärgert kreischend davon, schienen genug zu haben. Remus spürte, wie ihm das Blut in den Nacken lief, während er die Person vor sich fassungslos anstarrte. „Wie lange willst du da noch so nutzlos rumliegen, Lupin?“ Es war Snape. Remus schaute ihn an, als handelte es sich um eine Erscheinung. Sein Gegenüber sah furchtbar aus, schien ebenfalls etwas abbekommen zu haben. Das fettige, schwarze Haar hing ihm in die Stirn und die Blutspuren auf seinen Wangen bildeten einen krassen Kontrast zu seiner fahlen Haut. Er hielt immer noch seinen Zauberstab umklammert, die dunklen Augen zornig auf ihn gerichtet. „...du bist zurückgekommen!“ Es war alles, was er hervorbringen konnte, und die Verblüffung stand ihm wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben. Snape schnaubte abfällig, bedachte ihn mit einem kühlen Blick. „Wie scharfsinnig von dir“, gab er zurück. „Und jetzt beweg dich endlich!“ Ohne etwas zu erwidern, stand Remus auf – es kostete ihn ziemliche Anstrengung, doch wenigstens schaffte er es diesmal. Vermutlich hatte er sich den Knöchel verstaucht, so weh, wie es noch immer tat. Snape beobachtete ihn, als er ein paar Schritte nach vorn humpelte, und er hörte ihn genervt seufzen. „Ich hätte dich mit diesen Viechern zurücklassen sollen…“ Remus lächelte bitter. „Warum bist du überhaupt zurückgekommen?“ Er blickte sich suchend um, immerhin musste sein Zauberstab hier irgendwo noch liegen. Snape machte keine Anstalten, ihm zu helfen, also zog er sein Bein hinter sich her. Die Antwort ließ ebenfalls auf sich warten. „Lumos“, murmelte der Slytherin schließlich und Remus warf ihm einen dankbaren Blick zu, der selbstverständlich ignoriert wurde. Anscheinend hatte da jemand eins und eins zusammengezählt. Snape mochte nicht sonderlich sympathisch sein, doch seine Klugheit konnte man ihm nicht absprechen. Remus Augen wanderten über das Moos, folgte dem dünnen Lichtstrahl, den Snapes Zauberstab warf – und er spürte nur noch Erleichterung, als er seinen eigenen entdeckte. Er bückte sich mit verzerrter Miene, schloss seine Finger um den Stab und richtete sich dann wieder auf. Snape löschte das Licht sofort, was wohl auch besser war, angesichts dessen dass sie sich immer noch im Verbotenen Wald befanden. Stille. „Ähm…“, räusperte sich Remus, da die Situation langsam unangenehm wurde. „Ich weiß nicht, wie wir zurückkommen…“ Snape schnaubte. „Großartig“, murrte er dann, was wohl bedeutete, dass er es auch nicht wusste. „Vielleicht…sollten wir…einfach losgehen?“ „…“ Snape warf ihm einen finsteren Blick zu, ehe er sich abwandte und irgendeine Richtung einschlug. Remus seufzte innerlich, während er Schritt zu halten versuchte – es gelang ihm nicht. Er strauchelte immer wieder und je öfter er seinen schmerzenden Fuß belasten musste, desto mehr fiel er zurück. Vermutlich war es dem anderen egal, ob er nachkam oder nicht. Remus atmete tief durch, ehe er es sich überlegte und seinen Stolz schluckte. „Snape!“ Der Angesprochene blieb stehen, sah ihn so herablassend an, dass Remus seinen Entschluss noch mal überdachte. „Was?“, wurde er unfreundlich angezischt. „…ich…also…ich brauche deine…ähm….Hilfe.“ „Vergiss es!“ „Ich kann kaum laufen!“, empörte sich Remus. „Das ist nicht mein Problem“, kam es kaltschnäuzig zurück. „Ich halte dich auf.“ „Dann gehe ich eben allein weiter!“ „…bitte.“ „…“ „…“ „Schön!“, blaffte Snape ihn schlussendlich an. „Aber glaub nicht, dass ich dich stütze…zeig mir die Wunde!“ Remus hob eine Braue, gehorchte aber, auch wenn ihm der schroffe Befehlston missfiel. Er setzte sich ins feuchte Moos, legte dann seinen Knöchel frei, der mittlerweile dick angeschwollen war. Snape verengte die Augen, ehe er sich neben ihn kniete und etwas murmelte, das wie eine Beschwörung klang. Remus zog die Brauen zusammen, unterbrach den anderen aber nicht, als dieser fortfuhr und mit seinem Zauberstab, an dessen Spitze sich ein helles Leuchten gebildet hatte, über die Schwellung glitt. Tatsächlich wurde es besser, bis er nur noch ein taubes Kribbeln fühlte. Es war nicht angenehm, aber er konnte den Fuß nun ohne Schmerzen belasten. „Du kannst Heilzauber wirken?“, fragte er erstaunt und Snape zuckte mit den Schultern. „Nicht annähernd so wirksame wie Madame Pomfrey“, brummte er, ohne ihn anzusehen. „Hör auf mich voll zu quatschen und beweg dich! Ich will hier nicht noch länger rumsitzen!“ Unfreundlich wie immer, aber was erwartete Remus auch? Leise seufzte er, ehe er nickte und neben ihm weiterging. „Danke.“ „Das sagtest du bereits. Spar dir den Atem.“ „…du hast mir noch immer nicht gesagt, warum du mich doch nicht zurückgelassen hast“, überging Remus die harsche Antwort und er war sicher, dass Snape soeben die Augen verdrehte. „Herrgott, Lupin!“, grollte er. „Hast du nichts Besseres zu tun, als mich mit sinnlosen Fragen zu nerven?“ „…außer hier rumzuirren und zu hoffen, dass uns diese Viecher nicht finden? Nein. Nicht wirklich“, gab er unberührt zurück und sah ihn von der Seite her an. „Also?“ Eine Weile kam gar nichts, dann rümpfte der Slytherin die Nase. „Bilde dir nichts drauf ein. Potter und Black hätten die Schuld auf mich geschoben, wenn dich Hagrids kleine Lieblinge ausgesaugt hätten…ich wollte mir Ärger ersparen. Das ist alles.“ Remus hob eine Braue; die Ausrede war doch ziemlich fadenscheinig, auch wenn er diesen Gedanken nicht aussprach. Es war wohl das Klügste, wenn er es dabei beließ, anstatt sich noch mehr bissige Kommentare anhören zu müssen. Dass Snape ihn, trotz seiner Abneigung gegen ihn, nicht zurückgelassen hatte, sprach für diesen. Vielleicht war er ja gar kein so mieser Kerl, wie Remus angenommen hatte… Kapitel 9: Im Verbotenen Wald (Teil 2) -------------------------------------- Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, wobei Remus feststellte, dass er keinerlei Orientierung hatte. Snape anscheinend auch nicht, sonst hätte er mit Sicherheit schon etwas gesagt. Remus hoffte, dass Hagrid vielleicht nach ihnen suchen würde…oder dass sie auf einen seiner Freunde treffen würden. Andererseits würde das mit Sicherheit zu einer erneuten Eskalation führen, so wie immer, wenn James oder Sirius auf den Slytherin trafen. Nicht jedes Mal war es Snapes Schuld, aber als Unschuldslamm konnte man diesen auch nicht bezeichnen. Es war kompliziert…und es hing mit Lily und den dunklen Künsten zusammen. Die wunden Punkte seiner beiden Freunde...und Snapes wohl auch. Er sah auf, als dieser unvermittelt ihr Schweigen brach. „Das ist alles nur die Schuld von diesem zurückgebliebenen Riesen-Trottel!“ Remus konnte nicht wirklich widersprechen, denn es stimmte, dass Hagrid nicht ganz unschuldig an dieser Misere war. Dennoch konnte er das nicht so stehen lassen, denn trotz allem war der Wildhüter ein guter Kerl. „Im Wald gibt es sicher noch viel gefährlichere Wesen…und es ist ja nicht so, als hätte er sie uns absichtlich auf den Hals gehetzt“, meinte er daher und blickte in die Finsternis. „Mit gefährlichen Wesen musst du dich ja am besten auskennen, Lupin…“, schnarrte Snape. Er warf dem anderen einen knappen Seitenblick zu, zuckte dann mit den Schultern. Eine Antwort sparte er sich, denn er wusste, dass Snape ihn nur provozieren wollte. Darauf musste er sich nicht einlassen. Im nächsten Moment ertönte ein viel zu bekanntes Geräusch und sie zuckten gleichzeitig zusammen, wobei sie sich versehentlich berührten. „Weg von mir!“, fauchte Snape und wich zurück, doch Remus ignorierte es. „Hast du das gehört?“, fragte er stattdessen alarmiert, den Zauberstab erhoben. „Es klang…wie eine dieser Fledermäuse…“ Snape wirkte angespannt, nickte langsam. „Wir sollten die Richtung wechseln“, murmelte er und wollte sich umdrehen. Remus hätte es dem Slytherin gleichgetan, doch dann hörte er einen hellen Aufschrei. Unweigerlich musste er an Peter denken – hatte er sich möglicherweise auch verirrt? Vielleicht war er in Gefahr? Er schluckte hart, sah zu Snape, der ungeduldig wirkte. „Wenn du da noch länger rumstehst, gehe ich ohne dich weiter!“, fauchte er ihn an, doch Remus hob die Hand. „Da ist jemand…vielleicht einer der anderen“, erwiderte er, doch Snape schnaubte nur. „Und das sollte mich weswegen kümmern…?“ „Vielleicht braucht jemand Hilfe!“ „Und mir liegt natürlich nichts ferner, als Potters oder Blacks Haut zu retten.“ Remus sah ihn verärgert an. „Ich dachte, du willst für nichts verantwortlich gemacht werden?“, schoss er zurück, doch sein Gegenüber schien seine vorige Begründung nicht mehr zu kümmern. „In dem Fall wäre es mir den Ärger wert…und wenn nur einer von ihnen erledigt wird.“ Remus konnte nicht anders, als ihn fassungslos anzustarren; anscheinend war das auch noch sein Ernst. Das Schlimme an der Sache war, dass er nicht bezweifelte, dass zumindest Sirius ähnlich reagieren würde. „Und was Lily dazu sagen würde, wäre dir natürlich auch egal, nicht wahr?“, entgegnete er wütend. Das Argument war ihm spontan eingefallen, doch es schien zu wirken, denn Snape starrte ihn nun entgeistert an. Knurrend wandte sich Remus ab, stapfte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war – er hatte schon viel zu lange gezögert. Den Zauberstab vor sich haltend, näherte er sich so leise wie möglich. Ein Wimmern ertönte und er schauderte, blieb aber nicht stehen. Vielleicht war es wirklich Peter? Er kam noch näher, konnte eine kleine Gestalt am Boden liegen sehen…etwas saß auf ihr. Remus erkannte eine der Fledermäuse…das Vieh saß auf der unbekannten Person und hatte sich anscheinend festgebissen. Eine Art schrilles Schnauben ertönte und er zuckte abermals zusammen…doch dann fasste er sich und schleuderte einen Stupor auf das Vieh. Er traf und schleuderte es in eine Hecke. Zögernd trat Remus näher, verengte die Augen, um besser sehen zu können, ehe er leise „Lumos“ murmelte. Es war nicht Peter, wie er feststellte; die Person war noch kleiner als sein Freund. Sie hatte sich zusammengerollt und den blonden Kopf unter den dünnen Armen vergraben. Der Oberkörper war schmal, geradezu zierlich…handelte es sich um ein Kind? Als er direkt vor dem Kleinen stand, erkannte er, dass es kein normales Kind war. Der schmächtige Oberkörper endete im Leib eines Pferdes…vier schlaksige Beine mit braunem Fell, Hufe und ein Schweif, der ebenso blond wie das Haar des Kleinen war. Remus bemerkte außerdem eine hässliche Wunde oberhalb des Schenkels, aus der Blut über das kurze Fell lief. Das Zentauren-Fohlen hob vorsichtig den Kopf, starrte ihn aus seinen hellblauen Augen ängstlich an…und Remus wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Damit hatte er ganz sicher nicht gerechnet. „Und dafür machst du so einen lächerlichen Aufriss?“, ertönte Snapes Stimme hinter ihm, ließ ihn zusammenfahren. Er hatte nicht erwartet, dass der andere ihm folgen würde. Das Fohlen gab ein klägliches Wiehern von sich, versuchte von ihnen wegzurutschen. Der Kleine konnte nicht älter als 4 Jahre sein…wobei das Alter bei Zentauren vermutlich anders gemessen wurde. „Er ist verletzt“, bemerkte Remus leise, um den Jungen nicht noch mehr zu verstören. Er tat ihm leid, wie er da lag, zitternd vor Angst und Schmerzen. Normalerweise bewegten sich Zentauren doch in der Herde und ließen ihre Jungen nicht aus den Augen…war er ausgebüxt? „Das sehe ich“, erwiderte Snape kalt. „Ich wüsste nur nicht, warum es mich kümmern sollte.“ Remus schnaubte. „Wenn wir ihn hier liegen lassen, wird er vermutlich sterben!“ „Tragisch“, lautete der mitleidlose Kommentar. „Wir können ihn nicht hier lassen!“, beharrte Remus und kniete sich zu dem Fohlen, welches abwehrend die Hände hob. „Scht…ist ja gut…wir tun dir nichts…“ Der Junge sprach immer noch kein Wort, sah misstrauisch zwischen ihnen hin und her. „Dieses Vieh wird uns höchstens behindern.“ „Nicht, wenn du ihm hilfst…“ „Ich sehe aber keinen Grund, das zu tun.“ „Mir hast du auch geholfen!“ „Ja…und das bereue ich gerade zutiefst“, zischte Snape so garstig wie eh und je. Remus fragte sich, wie man so verbohrt sein konnte…und es machte ihn zornig. Jedoch beherrschte er sich, atmete tief aus, ehe er es noch einmal ruhiger versuchte. „Vielleicht weiß er, wie wir zurück zum Schloss, kommen und erzählt es uns, wenn wir ihm helfen.“ Er sah freundlich lächelnd zu dem Jungen, der ihnen zuhörte, aber immer noch angespannt wirkte. Derweil schien Snape die Option zu überdenken, sah von ihm zu dem Fohlen…und schließlich zog er mit einem genervten Laut seinen Stab. „Wehe, wenn es sich nicht lohnt“, murrte er und kniete sich neben ihn. Das Fohlen wieherte schrill, geriet in Panik, als der Slytherin seinen Zauberstab auf die Wunde richtete. Es versuchte sogar, mit den Hinterbeinen auszukeilen, ungeachtet der Schmerzen, die es sich damit zufügte, und Snape wich mit zorniger Miene zurück. „Das war’s!“, grollte er. „Wir lassen dieses Vieh hier liegen! Mir egal, ob es verblutet oder gefressen wird!“ Dass diese Worte nicht gerade zu einer Steigerung der Sympathie führten, war absehbar. Remus seufzte leise, wandte sich dann an den Kleinen, der schwer atmete. Die hellblauen Augen glänzten verdächtig, doch noch hatte er nicht zu weinen begonnen. „Hey…“ Er hielt ihm die offene Hand hin, wollte ihm irgendwie zeigen, dass sie ihm nicht wehtun wollten. „…beruhige dich. Wir wollen dir nur helfen…verstehst du?“ Das Fohlen schluckte hart, sah ihn mit großen Augen an. Remus überwand die Distanz und strich ihm sanft über den Kopf, woraufhin es leicht zuckte, sich aber nicht weiter wehrte. Der unsichere Blick glitt kurz zu Snape, dann wieder zu ihm zurück. „Du musst ruhig bleiben, ja? Mein Freund wird dir helfen…dann tut es gleich nicht mehr so weh.“ Snape kommentierte die Aussage, sie seien Freunde, mit einem Laut der Verachtung. Gut, das war gelogen, aber was sollte er dem Kleinen auch sonst sagen? Wenigstens spielte der andere mit, indem er schwieg und erneut seinen Stab zückte. Das Fohlen hatte mittlerweile den Kopf gegen Remus‘ Hand gelehnt, dabei die Arme um den Oberkörper geschlungen. Es war nervös, doch anscheinend hatte es erkannt, dass es keine andere Wahl hatte. Die Alternative war, allein hier liegen zu bleiben…da nahm es wohl lieber ihre Hilfe in Kauf. Remus beobachtete mit gewisser Faszination, wie Snape wie bereits bei ihm etwas murmelte, woraufhin silberne Funken aus seinem Zauberstab sprühten. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Snape solche Zauber beherrschen würde. Es mochte daran liegen, dass er so in die dunklen Künste vernarrt war, doch Remus wusste, dass das nicht seine einzigen Stärken waren. Er war in Zaubertränke brillant, auch wenn Slughorn das immer nur kurzzeitig honorierte. Generell war er fähig und klug…also warum sollte er keine Heilzauber beherrschen? Weil es nicht zu ihm passte, beantwortete er sich die Frage selbst. Die Blutung hatte mittlerweile aufgehört und ein dünner Schorf hatte sich auf der Wunde gebildet, anscheinend war Snape fertig. Inzwischen war jegliche Anspannung aus dem erschöpften Fohlen gewichen und es lag still da. „Zufrieden?“, fragte Snape entnervt und erhob sich. „Ja“, erwiderte Remus ehrlich und stand ebenfalls auf, wobei er den Blick weiterhin auf das Fohlen gerichtet hielt. „Das heißt, fast…ich denke, wir müssen ihn tragen.“ „Was?!“ Remus blinzelte, als der andere ihn so anfauchte. „Du siehst doch, dass er nicht laufen kann“, gab er zurück. „Dann muss es sich eben zusammenreißen!“ „Es ist ein Kind…“ „Es ist ein verdammter Zentaur!“ „Snape…“ „Oh nein! Das kannst du vergessen! Und das ist mein letztes Wo-“ Der Satz wurde nicht mehr zu Ende geführt, denn in dieser Sekunde begann die Erde unter ihnen zu beben. Remus taumelte ebenso wie Snape, als das Hufgetrappel näher kam…begleitet von lautem Wiehern. Sofort hob das Fohlen den Kopf und stieß sein eigenes, schrilles Wiehern aus. Remus konnte gar nicht so schnell gucken, wie sie von einer Gruppe ausgewachsener Zentauren umzingelt waren. Allesamt Männer, die sie mit ihren grimmigen Gesichtern fixierten und von denen einige mit Pfeil und Bogen auf sie zielten. Er tauschte einen kurzen Blick mit Snape, der noch blasser geworden war und mit verzerrter Miene schützend seinen Zauberstab vor sich hielt. „Weg von dem Fohlen!“, bellte ein Zentaur mit wilder, schwarzer Mähne und zielte auf Remus, der sofort beiseitetrat, die Hände erhoben. „Das…das ist ein Missverständnis!“, brach es aus ihm hervor und er spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn rann. „Wir haben ihm nichts getan…sondern ihm geholfen!“ Die Zentauren tauschten finstere Blicke untereinander aus…Remus zählte zehn von ihnen und ihm wurde doch ein wenig flau im Magen. Hoffentlich tat Snape nichts Unüberlegtes, wie zum Beispiel einen Fluch abfeuern. Die Zentauren waren in der Überzahl…und sie würden sie mit ihren Pfeilen durchbohren, wenn sie irgendwelche Dummheiten machten. „Ihr gehört nicht hierher, Menschen!“, grollte ein anderer Zentaur und schnaubte aus. „Vielleicht haben sie Firenze angegriffen…“ „Nein!“, entfuhr es Remus hastig. „Wir haben uns verirrt und ihn zufällig gefunden! Er wurde von einer Vampirfledermaus angegriffen!“ Abrupt herrschte Stille. Abermals sahen sich die Zentauren an, ein Rappe unter ihnen stieß einen spöttischen Laut aus. „Zufällig…natürlich…“ Er bleckte die Zähne, tänzelte unruhig auf der Stelle. „Es ist die Wahrheit!“, beteuerte Remus erneut, während Snape fest die Lippen aufeinander presste. „Menschen lügen doch immer“, knurrte der schwarze Zentaur. „Wir sollten uns nach den Sternen richten“, äußerte sich ein Fuchs mit gleichfarbigem Haar. „Ja, die Sterne sind weiser als-“ „Oh natürlich, überlasst es doch einfach den Sternen, ob ihr uns umbringt oder nicht! So ein Unsinn!“ Entsetzt sah Remus zu Snape, dem anscheinend der Kragen geplatzt war. Leider im denkbar ungünstigsten Moment, denn die Zentauren zogen ihren Kreis enger um sie, hoben ihre Waffen. „Er verspottet uns!“, rief der Rappe und einige andere wieherten in zorniger Zustimmung. „Er hat es nicht so gemeint!“, beeilte sich Remus zu sagen, doch keiner schien ihm zuzuhören. „Sie sind in unser Gebiet eingedrungen!“ „Wir sollten sie-“ „Sie…sagen die Wahrheit…“, meldete sich eine leise Stimme zu Wort und Remus fuhr herum. Das Fohlen hatte sich aufgerichtet, humpelte nun auf seine Kameraden zu. Obwohl es erschöpft sein musste, war sein Blick klar und fest, als es sprach. „…ich habe mich von der Herde entfernt“, gestand es schuldbewusst. „Und mich verlaufen…diese Menschen haben mir das Leben gerettet...“ „Das war überaus leichtsinnig von dir, Firenze!“, schalt der Fuchs den Jungen, welcher den Blick senkte. „Es tut mir leid…“ „Nun, wenigstens geht es dir gut…“ Die anderen Zentauren brummten zustimmend und einer von ihnen beugte sich hinab, um das Fohlen hochzuheben. Remus wagte nicht, sich zu bewegen, hoffte nur, dass Snape den Mund hielt. Noch so ein Spruch und sie waren geliefert. Immer noch wurden sie scharf fixiert, doch wenigstens hatten sie ihre Waffen wieder sinken lassen. Die aggressive Stimmung war verflogen, auch wenn sie ihnen wohl nicht gänzlich trauten. „Wir sollten sie dennoch nicht davonkommen lassen…“, brach der Rappe die Stille und Remus schluckte. „Sei nachsichtig“, erwiderte der Fuchs gutmütig. „Sie mögen nicht an die Sterne glauben, aber sie haben ein Fohlen aus unserer Herde gerettet.“ „Das ist wahr“, brummte ein braun-weißer Schecke und trat vor. „Ich werde sie aus dem Wald führen.“ Die restlichen Zentauren nickten zustimmend und auch der Rappe gab sich nun geschlagen. Remus atmete auf, als sich die Herde von ihnen abwandte. Sein Blick traf Firenzes, welcher ihm ein dankbares Lächeln zukommen ließ, ehe er mit den anderen in der Dunkelheit des Waldes verschwand. „Folgt mir, Menschen…ich führe euch!“, verkündete der Schecke und trabte voran. Remus folgte ihm rasch, um ihn nicht zu verlieren. Er warf Snape einen Blick zu, stellte fest, dass dieser immer noch ziemlich missgelaunt aussah. „Siehst du?“, murmelte er ihm zu. „Hilfsbereitschaft zahlt sich aus!“ „Die wollten uns gerade eben erschießen“, gab Snape bissig zurück. „Weil du sie beleidigt hast!“ „Falls du es nicht mitbekommen haben solltest, Lupin…die wollten die Sterne fragen, ob sie uns umbringen sollen oder nicht! Hätte ich ihnen sagen sollen, dass das eine tolle Idee ist?!“ „Nein, aber…es war auch nicht besonders clever, ihnen mit Sarkasmus zu kommen.“ „Ich hätte dich von Anfang an liegen lassen sollen“, knurrte Snape vor sich hin. „Dann müsste ich mir deine altklugen Sprüche jetzt nicht anhören…“ Remus atmete tief durch, nahm sich ein paar Sekunden, um seine Antwort zu überdenken. „Hör zu, Snape“, sagte er leise, während er zu dem Zentaur sah, der sie führte. „Ich bin dir wirklich dankbar…du hast mir geholfen und dem Kleinen auch. Ich weiß das zu schätzen, okay? Aber du würdest es uns beiden angenehmer machen, wenn du mal für ein paar Minuten versuchen würdest, dich nicht wie ein Mistkerl zu verhalten.“ Snape schwieg zunächst, schien nicht damit gerechnet zu haben, dass Remus kontern würde. Schließlich schnaubte er, warf ihm einen kühlen Blick zu. „Gut, dass mir vollkommen egal ist, was du von mir hältst, Lupin“, zischte er feindselig zurück. „Du kannst deinen idiotischen Freunden ja später erzählen, wie sehr du unter meiner Anwesenheit gelitten hast.“ „Das habe ich doch gar nicht-“ „Lass es einfach gut sein und halt den Mund!“, wurde sein Versuch, die Wogen zu glätten, vereitelt. Remus seufzte lediglich, ließ es dann auch wirklich sein. Was sollte er machen? Snape wollte ja anscheinend unter keinen Umständen, dass sie auch nur im Entferntesten miteinander auskamen. Dabei wusste er doch, was er dem anderen in dieser Nacht zu verdanken hatte. Leider gab Snape ihm keine Möglichkeit, ihm das auch zu zeigen. Er schüttelte leicht den Kopf, wandte sich ohne ein weiteres Wort ab. Es dauerte nicht halb so lange wie befürchtet, bis sie den Waldrand erreicht hatten. Hagrids riesige Gestalt erkannte man schon von weitem, doch als sie näher kamen, stellte Remus erleichtert fest, dass auch seine drei Freunde dabei waren. Sie alle sahen furchtbar zerrupft aus und hatten die ein oder andere Blessur, jedoch war wohl keiner ernsthaft verletzt. Der Zentaur neigte leicht den Kopf in Richtung Hagrid, der, kaum dass er sie entdeckt hatte, eine seiner Pranken hob und damit herumwedelte. Ohne ein Wort des Abschieds stellte sich der Schecke auf die Hinterläufe und bäumte sich auf, ehe er davon galoppierte. Remus sah ihm nur kurz nach, ehe er sich mit einem erschöpften Lächeln Hagrid und den anderen zuwandte, die nun auf sie zugelaufen kamen. „Du lebst ja doch noch, Moony!“, rief James und schlug ihm gegen die Schulter. Sirius neben ihm hatte eine eingerissene Lippe und grinste ihn mit dieser schief an. „Ja, wir dachten schon, irgendwas hätte dich erwischt! Was hast du so lange im Wald gemacht?!“ Erst jetzt schien er Snape zu bemerken, der mit verschränkten Armen dort stand und finster drein blickte. „…noch dazu mit Schniefelus“, fügte er missbilligend an, doch bevor sich Remus äußern konnte, polterte Hagrid schon dazwischen. „Is nich wahr!“, rief er aus. „Da zerbrech‘ ich mir’n Kopp, was euch zugestoß’n is und ihr taucht hier mit nem verdammten Zentaurn auf! Wollt schon wieder los und euch suchen! Hätts mir nie verziehn, wenn euch was zugestoßen wär!“ Remus rang sich ein müdes Lächeln ab, während Snape nur sein obligatorisches Schnauben verlauten ließ. „Ist eine längere Geschichte…“, murmelte er. „Aber es geht uns soweit gut, also keine Sorge.“ Sein Blick wanderte wieder zu Snape, der ihn ungläubig ansah, sich dann aber nur kopfschüttelnd abwandte. Anscheinend wollte er nichts weiter dazu sagen und Remus war ganz froh darüber. „Da bin ich ja mal gespannt!“, meinte James mit gerunzelter Stirn. „Erzähl ich euch morgen“, wehrte Remus ab und sah zu Peter, der immer noch zitterte. „Außerdem sieht Wurmschwanz nicht besonders gesund aus…“ Sirius winkte ab. „Ach, der steht nur unter Schock…“ Hagrid nickte zustimmend, warf Peter aber einen recht besorgten Blick zu. „Ham ihn wohl erschreckt, die Fledermäuse…dabei sin sie eigentlich ganz putzig…“ Nun, über diese Aussage ließ sich streiten, doch Remus hatte für heute genug von Diskussionen. Er wollte nur noch zurück ins Schloss, duschen und dann ins Bett fallen, um zu schlafen. „Nu ja, ich bring euch dann mal hoch, nich?“, hörte er Hagrid sagen und nickte mechanisch. Während sie hinter seiner hünenhaften Gestalt hergingen, schlossen zwei seiner Freunde zu ihm auf. „Tatze hat den Fledermäusen auf seine Weise gezeigt, wer der Jäger ist“, berichtete James schmunzelnd und Sirius bleckte grinsend die Zähne. „Und Krone hat sie auf die Schippe genommen“, erwiderte er zwinkernd. Remus musste lächeln, auch wenn er an ihrer Stelle vorsichtiger gewesen wäre – wenn sie jemand bei der Verwandlung gesehen hätte, hätten sie ziemlichen Ärger bekommen. „Du siehst aber auch ziemlich mitgenommen aus, Moony…“ „Ach was…sind nur Kratzer“, meinte er abwinkend, ehe er leiser anfügte: „Snape hat mich rechtzeitig gefunden, bevor Schlimmeres passieren konnte.“ Abrupt starrten ihn seine beiden Freunde wie eine Erscheinung an. „…was?!“ „Schniefelus hat…?“ „Niemals!“ „Warum sollte er das tun?!“ „Musst du dir eingebildet haben!“ Remus stoppte die Flut an Worten, bevor sie sich noch mehr in Rage reden konnten. Er wollte jetzt wirklich nicht darüber diskutieren. „Nein, es war so. Ich erzähl euch morgen die ganze Geschichte…“ Seine beiden Freunde tauschten einen Blick, ehe sie kurz über die Schulter zu Snape sahen und dann die Köpfe schüttelten. Remus hörte sie ungläubig murmeln, doch er äußerte sich nicht weiter dazu. Sicher fiel es den beiden schwer, seinen Worten zu glauben, angesichts ihrer gegenseitigen Abneigung füreinander. Remus würde es ihnen aber auch nicht verschweigen. Vielleicht konnte er ja dazu beisteuern, dass die Feindschaft zwischen ihnen nicht mehr ganz so arg war. Auf mehr konnte er nicht hoffen. Kapitel 10: Zauberkunst ----------------------- Im Nachhinein wusste Severus selbst nicht mehr, was ihn geritten hatte, einem der Rumtreiber zu helfen – auch wenn es sich nur um Lupin handelte. Vermutlich hätte niemand davon erfahren, wenn er ihn einfach seinem Schicksal überlassen hätte. Vielleicht wäre er draufgegangen…na und? Was kümmerte es ihn? Sie waren keine Freunde…wie Lupin es dem Fohlen hatte weißmachen wollen. Eher war das Gegenteil der Fall und Severus war sich bis vor kurzem noch hundertprozentig sicher gewesen, dass er die Rumtreiber allesamt verabscheute. Für Potter, Black und Pettigrew traf dies auch immer noch zu und wäre einer von ihnen in so einer Miesere gewesen, er hätte keinen Finger gekrümmt. Nein, da hätte er lieber zugesehen, wie sie auf so erbärmliche Weise zugrunde gingen. Aber verabscheute er Lupin nicht genauso? Für seine Feigheit und seine Doppelmoral? Dafür, dass er ein dreckiger Werwolf war? Allein die Tatsache, dass Potter und Black seine Freunde waren, sollte ausreichen, um ihn zu hassen. Dennoch war er zurückgekehrt, um ihm zu helfen. Bei Merlin, er hatte sogar seinen Knöchel so weit geheilt, dass er wieder hatte laufen können. Und weil dieser vermaledeite Werwolf ihn darum gebeten hatte, hatte er sich auch des Fohlens angenommen. Einem unnützen Zentauren…wobei es am Ende ja doch einen Vorteil für ihre Situation geboten hatte. Immerhin. Severus konnte seine Beweggründe drehen und wenden, wie er wollte, es ergab einfach keinen Sinn. Was er Lupin gegenüber geäußert hatte, war lediglich eine schwache Ausrede gewesen. Die Wahrheit war, dass er nicht einfach hatte weglaufen können. Lupins verzweifeltes Gesicht hatte nicht aus seinen Gedanken verschwinden wollen, so dass er es nicht über sich hatte bringen können, ihn zurückzulassen. Es war nicht so, dass er Lupin mochte, doch er hatte auch nicht vergessen können, wie dieser ihn vor McGonagall und Slughorn gedeckt hatte. Nicht, dass Severus danach gefragt hätte…dennoch hatte er ihm damit das unerträgliche Gefühl vermittelt, in des anderen Schuld zu stehen. Severus wollte in niemandes Schuld stehen! Schon gar nicht in der eines Rumtreibers! Lupins nach außen hin so gerechte Art widerte ihn dermaßen an, dass dieser sich wünschte, er hätte ihn angeschwärzt, wie der Rest der Truppe mit dem Finger auf ihn gezeigt und ihn beschuldigt. Hätte er sich so verhalten, wäre alles in Ordnung und er hätte ihn bedenkenlos verachten können. Doch natürlich machte es ihm dieser Gutmensch nicht so einfach. Nun, wenigstens waren sie jetzt gewissermaßen quitt…wenn Lupin nicht sogar in seiner Schuld stand. Vielleicht war das ja auch ein positiver Aspekt, der irgendwann noch mal hilfreich sein könnte. Zumindest dieser Gedanke hatte etwas Befriedigendes, auch wenn er ihn nicht gänzlich beruhigte. Na ja…ändern würde sich dadurch wohl nichts. Schon als sie auf dem Rückweg gewesen waren, hatte er Potters und Blacks gehässige Blicke auf sich gespürt. Lupin würde vermutlich Stillschweigen über die Sache bewahren, um nicht mit den beiden aneinander zu geraten. Aber darauf gab er ja sowieso nichts, also konnte es ihm gleichgültig sein. Als er schließlich auf dem Weg zum Frühstück in der großen Halle war, rechnete er daher bloß mit der üblichen Ignoranz…nicht aber damit, dass ihm jemand auflauerte. Er konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er am Kragen gepackt und mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt wurde. Ein graues Augenpaar blickte ihn finster an, während sich ein Stab in seine Kehle bohrte und ihn daran hinderte, nach seinem eigenen zu greifen. „Nimm deine Pfoten weg, Black“, knirschte Severus und funkelte den anderen nicht minder hasserfüllt an. Dieser lächelte kalt, lockerte seinen Griff aber nicht. „Keine Sorge, Schniefelus“, zischte er ihn an. „Ich will dir nur was zum Nachdenken geben…“ „Als würde ich über das, was aus deinem Mund kommt, auch nur eine Sekunde nachdenken“, erwiderte er verächtlich. „Jetzt pass mal auf“, grollte Black und bedachte ihn mit einem Blick voll inbrünstiger Abscheu. „Ich weiß nicht, was du hier für ein Spielchen spielst…aber wenn du irgendwas versuchst, bereust du das!“ „Davon abgesehen, dass ich nicht einmal weiß, wovon du redest…lass mich los!“ Es war nicht einmal gelogen, denn er verstand tatsächlich nicht, was dieser primitive Schwachkopf da von sich gab. Was für ein Spielchen? Seit gestern hatten sie sich nicht einmal mehr angefeindet. Nicht mehr als sonst jedenfalls. „Benimm dich nicht dümmer, als du bist, Snape“, grollte Black warnend und der Druck auf seine Kehle wurde verstärkt. „Moony ist ein guter Kerl…ihm magst du ja eintrichtern können, dass du ihm selbstlos geholfen hast, aber ich weiß, dass du ein schmieriger Sack mit Hintergedanken bist!“ Severus hatte ja mit vielem gerechnet, aber das schlug dem Fass den Boden aus. „Wie bitte?!“, entkam es ihm zornig. Jetzt musste er sich schon von Black drohen lassen, weil er diesem minderbemittelten Werwolf das Leben gerettet hatte?! Er wollte keinen Dank, nicht mal, dass sich etwas änderte, aber ebenso wenig wollte er dafür angeprangert werden. Genau das wollte er Black auch drastisch formuliert ins Gesicht spucken, doch bevor er dazu kam, mischte sich unerwarteter Weise jemand anderes ein. „Lass ihn sofort los, Black!“ Severus brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es tatsächlich Lily war, die sich hinter ihnen aufgebaut hatte, den Zauberstab in der Hand haltend. Er konnte nicht anders, als sie anzustarren, immerhin mied sie ihn seit dem Vorfall im letzten Jahr. Warum schlug sie sich jetzt plötzlich auf seine Seite? Ihm wurde ganz schlecht, so heftig pumpte der Muskel in seiner Brust. „Ich war aber noch nicht mit ihm fertig, Evans“, erwiderte Black ungerührt. „Und du weißt doch noch, was letztes Jahr passiert ist, als du diesem Mistkerl helfen wolltest oder?“ Severus schnürte es die Kehle zu, als er das hörte…und vor allem als Lilys Miene eine Spur kühler wurde. Sie wussten beide, was Black meinte. „Er hat Remus das Leben gerettet“, überging sie es jedoch und funkelte ihn an. „Anstatt ihn anzugreifen, solltest du dich bedanken! Sowas gehört sich nämlich, falls dir das noch niemand gesagt hat!“ Black wurde rot vor Wut, doch allein wegen Potter hätte er wohl niemals den Zauberstab gegen sie erhoben. Er selbst wusste nicht, was er davon halten sollte, fühlte sich wie gelähmt. Was hatte Lupin denn bitte erzählt?! Und wem hatte er es erzählt? Vor allem…warum? „Oh, ja sicher…“, spottete Black nun, ohne ihn loszulassen. „Da Schniefelus so ein guter Kerl ist, rettet er natürlich erst einem von uns das Leben und kümmert sich dann noch um ein Zentauren-Fohlen…hast Recht, Evans, wie konnte ich es nur wagen, das zu hinterfragen!“ Severus hatte das Gefühl, sich an seiner Zunge zu verschlucken; was zur Hölle hatte Lupin erzählt, verdammt noch mal?! Anscheinend die Wahrheit ohne unschöne Details, wie zum Beispiel, dass er sich zuerst strikt geweigert hatte…und Lupin hatte liegen lassen wollen. „Deine Meinung über ihn tut hier nichts zur Sache!“, entschied Lily. „Er hat nichts falschgemacht, also lass ihn gefälligst in Ruhe!“ Black sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen, schien nicht zu wissen, wie er sich verhalten sollte. Schließlich warf er ihm einen finsteren Blick zu und ließ ihn los – nicht, ohne ihn dabei gegen die Wand zu schubsen. „Dein Glück, dass Evans hier ist, Schniefelus“, zischte er ihm zu. „Ich behalte dich im Auge, merk dir das!“ Und damit ließ er ihn stehen, wobei Severus nicht mal den Versuch unternahm, ihm einen Fluch in den Rücken zu jagen. Selbst die Drohung war ihm egal, denn Lily stand immer noch vor ihm, schob ihren Stab gerade in den Umhang zurück. Er wusste nicht, was er sagen sollte, starrte sie immer noch an, als sei sie das achte Weltwunder. Gewissermaßen war es auch wie ein Wunder, dass sie ihm soeben beigestanden hatte. „Lily…ich…“, stammelte er und hätte sich am liebsten dafür geohrfeigt. Da hatte er nach Monaten endlich einmal die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, und er bekam kaum einen Ton raus. So wie immer, wenn es um etwas ging, das sie betraf. Es war zum Verrücktwerden! „Danke…“, quetschte er mühsam hervor und sie sah ihn nun direkt an. „Denk nicht, dass das etwas zwischen uns ändert“, antwortete sie distanziert und sein Herz rutschte ihm in die Hose. „Ich fand es nur nicht fair, wie er sich verhalten hat.“ Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn sie ihm verziehen hätte. Innerlich stöhnte er, doch äußerlich bemühte er sich, keine Miene zu verziehen. „…das habe ich auch nicht erwartet“, murmelte er, obwohl das nicht ganz aufrichtig war. Sie musterte ihn prüfend aus ihren grünen Augen. „Stimmt es?“, fragte sie dann ernst und er wusste zuerst nicht, wovon sie sprach. „Dass du Remus im Wald das Leben gerettet hast?“ Musste sie ausgerechnet dieses Thema ansprechen? Verflucht sei dieser dusselige Werwolf…sollten ihn doch die Fledermäuse holen! „…ja“, presste er hervor, deutlich widerwillig. „Auch das mit dem Zentauren-Fohlen?“ Als ihre Lippen dabei leicht zuckten, fühlte er sich noch lächerlicher, als er es sowieso schon tat. Bei Merlin, warum ließ sie ihn nicht einfach damit in Ruhe? Mehr als ein Nicken brachte er nicht zustande, mied nun konsequent ihren Blick – nur für den Fall, dass sie ihn auslachen würde. Das hätte er nicht ertragen. „Das war nett von dir.“ Perplex sah er auf, erkannte das Lächeln auf ihren Lippen und es ließ ihm warm werden, vertrieb alle negativen Gedanken, die er eben noch gehabt hatte. In diesem Moment hätte er zehn verdammte Fohlen geheilt, nur damit sie ihn weiterhin so ansah. Und sei es auch nur für Sekunden, das wäre es wert. Jedoch erfüllte sich diese Hoffnung nicht, denn sie ging an ihm vorbei zur großen Halle. Er sah ihr sehnsüchtig nach, wobei sein Herz immer noch raste. Als er sich jedoch bewusst wurde, was er tat, glättete sich seine Miene und er folgte ihr hinein. In der Halle war es laut wie jeden Morgen, doch für Severus waren die Geräusche stumpf und unwichtig. Sein Blick glitt kurz zum Gryffindor-Tisch, an dem sich Lily soeben neben eine ihrer Freundinnen setzte. Ein paar Plätze weiter entdeckte er die Rumtreiber…Potter und Black schienen zu diskutieren, verstummten jedoch, als sie Lily bemerkten. Daneben saß Lupin, der leicht den Kopf schüttelte, sich dann aber wieder dem Frühstück zuwandte. Lupin, der ausgeplaudert hatte, was im verbotenen Wald geschehen war…der ihn damit zum Gespött gemacht hatte. Wenn die anderen Slytherins jemals davon erfuhren, war er geliefert. Niemand würde ihn je wieder ernstnehmen…wobei das wohl auch jetzt schon keiner mehr tat. Dann sah er flüchtig zu Lily…sah ihr Lächeln vor sich und…seine Wut auf Lupin verrauchte. Immerhin hatte Lupins Geschichte dafür gesorgt, dass Lily wieder mit ihm gesprochen hatte. Sie hatte sich für ihn eingesetzt und ihm gesagt, dass sie das, was er getan hatte, nett fand. Nett…das war besser, als die Ignoranz, die sie ihm sonst zuteilwerden ließ. Nein…er konnte deswegen nicht mehr wütend sein. Nicht, wenn er an Lilys Lächeln dachte. In der ersten Unterrichtsstunde hatten sie Zauberkunst bei Flitwick – mal wieder zusammen mit den Gryffindors. Nun, zumindest würde er Lily dann auch sehen, mehr Vorteile konnte er diesem Umstand aber nicht abgewinnen. Da Black ihm an diesem Tag bereits einmal zu nahe getreten war, war er entschlossen, seine Deckung kein zweites Mal zu vernachlässigen. Anscheinend hatten jedoch weder Potter noch Black einen Angriff auf ihn geplant, denn er traf sie erst mit dem Rest vor dem Klassenraum wieder. Lupin besaß sogar die Dreistigkeit, ihn anzulächeln, woraufhin Severus rasch den Blick abwandte. Soweit kam es noch, dass dieser Idiot sich einbildete, dass es irgendwas ändern würde, nur weil er rumerzählt hatte, was im Wald passiert war. Potters misstrauischer Blick war ihm ebenfalls nicht entgangen, doch wenigstens ließ der ihn vorerst in Ruhe. Sollte er spekulieren, wie er wollte…sie konnten ihm allesamt gestohlen bleiben. Lily war die einzige Gryffindor, die er um sich haben wollte. Nachdem sich alle gesetzt hatten, räusperte sich Flitwick, der hinter seinem Pult wie immer auf einem Stapel Bücher stand, vernehmlich. „Sind alle da? Sehr schön!“, rief er aus und lächelte freundlich in die Runde. „Wir werden heute einen recht simplen Zauber wiederholen, der ihnen allen bekannt sein dürfte.“ Der kleine Professor hob seinen Zauberstab und im nächsten Moment lag vor jedem Schüler und jeder Schülerin eine Feder. „Sie werden heute den Schwebezauber wiederholen.“ Severus runzelte die Stirn, kam sich ein wenig veralbert vor; solche Zauber hatten sie schon im ersten Jahr gelernt. Was sollte dieser Unsinn also? Anscheinend war er nicht der Einzige, der sich das fragte, denn einige murrten leise. Flitwicks Laune schien der allgemeine Unmut jedoch nicht zu trüben, denn er sah sie alle vergnügt an. „Sicher fragen Sie sich, warum ich Sie einen Zauber wiederholen lasse, den Sie mit Sicherheit bereits beherrschen. Nun, ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn Sie werden den Zauber heute ungesagt ausführen.“ Leises Raunen ging durch die Klasse, während Severus die Brauen zusammenzog. Davon hatte er bereits gelesen, es jedoch noch nie ausprobiert. Dabei wäre es sicher sehr praktisch, solche ungesagten Zauber zu beherrschen. „Kann mir jemand sagen, was es damit auf sich hat? Nur zu…Mr Snape?“ Seine Hand war nicht die Einzige gewesen, die nach oben geschnellt war. Ein paar Plätze weiter ließ Lily ihre Hand sinken. „Der Vorteil bei ungesagten Zaubern ist es, dass der Gegner nicht weiß, welche Art von Zauber man verwendet“, antwortete er. „Man braucht dafür allerdings ein gewisses Maß an Willenskraft, das nicht jeder aufbringen kann.“ Sein Blick schweifte kurzzeitig zu Pettigrew, der bei seinen Worten blass geworden war. Bei dem war Hopfen und Malz verloren, so viel war sicher. Er beobachtete, wie Lupin dem pummeligen Jungen aufmunternd auf die Schulter klopfte. Flitwick nickte ihm derweil zufrieden zu. „Richtig, Mr Snape…5 Punkte für Slytherin. Sie werden heute also den Schwebezauber vollführen, ohne den Spruch laut aufzusagen. Ich bin mir sicher, dass Sie es mit ein wenig Übung alle meistern können! Verzagen Sie nicht, wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert…wie bereits gesagt, ist es wirklich nicht einfach.“ Es lag wohl einfach in der Natur ihres Lehrers, selbst den hoffnungslosen Fällen Mut zuzusprechen. Severus war der Auffassung, dass er damit seine Zeit vergeudete. Stirnrunzelnd sah er auf die Feder vor sich herunter, hob dann den Stab. So schwer konnte das doch nicht sein. Man brauchte lediglich Konzentration…musste sich den Spruch genau vorstellen. An Willenskraft konnte es ihm kaum fehlen…an Ehrgeiz schon gar nicht. Zu seiner Enttäuschung passierte zuerst nichts…auch beim zweiten Mal war es mehr Quälerei als Erfolg. Er musste ruhiger werden und es noch einmal probieren…den Stab schwingen, die Worte deutlich im Geiste betonen. Nach zehn Minuten hatte es noch niemand aus der Klasse geschafft, seine Feder stumm fliegen zu lassen. Ohne seine Genugtuung offen zu zeigen, sah Severus zu, wie Avery und Mulciber mit zusammengepressten Lippen mit ihren Stäben wedelten. Avery war schon genauso rot im Gesicht wie Pettigrew, wobei Letzterer auch noch so beschränkt war, seinen Zauber zu flüstern. Schummeln würde dieser Dumpfbacke auch nichts bringen. „Ich pack’s nicht…“ „Wie hast du das denn gemacht?!“ Severus hielt inne, als er die Ausrufe von Potter und Black vernahm. Auch Flitwick, der bis eben durch den Raum gelaufen war und die Schüler ermutigt hatte, hielt nun inne. Lupin hielt seinen Zauberstab auf die Feder gerichtet, die nun immer höher schwebte. Angestrengt hatten sich seine Brauen zusammengezogen, der Mund war fest geschlossen…und dann ließ er die Feder zurück auf den Tisch schweben, wo sie schließlich liegen blieb. „Großartig, Mr Lupin! Wirklich eine beachtliche Leistung!“, rief Flitwick stolz aus und Lupin wurde vor Verlegenheit rot. „20 Punkte für Gryffindor! So…und nun die anderen! Das schaffen Sie doch bestimmt auch…Miss Evans, bitte, versuchen Sie es noch einmal, das sah schon ganz gut aus!“ Severus musste sich erst einmal sammeln; wie hatte Lupin das denn bitte geschafft? Wo hatte dieser Kerl schon Willenskraft? Er schnaubte leise, wollte sich gerade noch einmal selbst an dem Zauber versuchen, als ihn eine Bemerkung von Black innehalten ließ. „Im Ernst, Moony…du hast doch heimlich geübt, oder?“ „Sicher hat unser Vorzeige-Streber das ganze Buch schon in den Ferien durchgekaut“, feixte Potter grinsend und boxte dem Werwolf gegen die Schulter. „Unsinn…“, brummte dieser und klang ein bisschen beleidigt. „Ihr könntet ruhig mal anerkennen, dass ich diesmal besser war als ihr beide.“ „Hast du das gehört, Krone?“ „Ja, klingt, als sei unser Moony eingeschnappt…“ „Ihr seid Idioten“, murmelte Lupin kopfschüttelnd, lächelte aber dabei. „Also ich finde es toll…kannst du mir vielleicht einen Tipp geben, Moony? Wie es vielleicht…leichter geht?“, bettelte Pettigrew und Lupin nickte vage. „Ich kann es versuchen…aber eigentlich kommt es wirklich nur auf die Willenskraft an…und auf die Vorstellungsfähigkeit.“ „Hör dir das gut an, Wurmschwanz!“, mischte sich Potter amüsiert ein. „Unser Moony bringt dir noch richtig was bei!“ „Würde mich nicht wundern, wenn du irgendwann da vorn stehst – natürlich ohne Bücherstapel unter den Füßen“, meinte Black und zwinkerte ihm zu. „Professor Lupin…hey Krone, stell dir das mal vor! So mit Brille…in ner schicken Robe…“ „Und mit ganz wichtiger Miene…so!“, erwiderte Potter und reckte das Kinn, hob den Zeigefinger. „Ihr sollt aufhören, mich zu veralbern!“ Gespielt verärgert sah Lupin seine Kameraden an und Severus wandte sich schließlich ab. Er wusste nicht, was es da zu lachen gab. Lupin hatte einen ungesagten Zauber als Erster gemeistert und seine sogenannten Freunde zollten ihm nicht das kleinste bisschen Anerkennung. Sie schienen ihn nicht ernst zu nehmen, so wie auch Severus nie ernstgenommen wurde. Wie konnte er daneben sitzen und so dümmlich grinsen? Er an seiner Stelle wäre zornig gewesen und hätte ihnen die Meinung gegeigt. Aber vielleicht war er dazu zu feige, das wäre ja nichts Neues. Oder verstand er gar nicht, was Potter und Black dort taten? Sah er es als Spaß an, sich so behandeln zu lassen? Dabei war er anscheinend doch kein Dummkopf, wenn man nach seinen Leistungen ging. Genau genommen war Lupin der Einzige von ihnen, der manchmal in der Bibliothek saß und lernte. Er war fleißig und benutzte seinen Verstand, das konnte selbst Severus nicht leugnen. Warum machte er das also mit? Sei es drum, eigentlich sollte ihn das gar nicht interessieren. Es ging ihn nichts an und er wollte auch nichts damit zu tun haben. Viel eher sollte er sich auf seine eigene Leistung konzentrieren…das konnte doch gar nicht so schwer sein! Er sah wieder auf die Feder, schloss kurz die Augen und sammelte dann erneut seine Gedanken. Wingardium leviosa Und dieses Mal gelang es ihm. Es war also wirklich nur eine Sache des Willens und der Konzentration. Während Flitwick ihn erfreut lobte und ihm ebenfalls 20 Punkte gab, wanderte sein Blick zu Lily. Hatte sie es gesehen? Ihm war, als hätte sie für ein paar Sekunden anerkennend zu ihm herübergeschaut, doch nun hatte sie sich wieder ihrer eigenen Feder zugewandt. Er ließ ein wenig die Schultern sinken, ehe er seine Feder seufzend zurück auf den Tisch beförderte. Er durfte einfach nicht zu viel erwarten. Abermals glitt sein Blick in Richtung der Rumtreiber, wo Lupin die Feder soeben ein weiteres Mal stumm schweben ließ. Nein, dumm war er wohl wirklich nicht. Wer hätte gedacht, dass er einem Gryffindor mal eine positive Eigenschaft zusprechen würde? Er selbst sicherlich nicht. Leider konnte er nicht verhehlen, dass sich Lupin in letzter Zeit ihm gegenüber korrekt verhielt. Einerseits sollte ihn das wohl freuen, andererseits nervte es ihn. Er wollte dem Werwolf eigentlich weder Charakterstärke noch Klugheit zusprechen…er wollte ihn verabscheuen, denn das war leichter. Jemand, der mit Potter, Black und Pettigrew umherzog, musste mit ihnen auf einer Stufe stehen. Oder etwa nicht? Als Lupin seinen Blick auffing und ihn flüchtig anlächelte, wandte er sich wieder ab; das war doch wirklich zum Verrücktwerden! Verdammter Werwolf! Kapitel 11: Hogsmeade --------------------- Der Winter kam schneller als gedacht, ließ die Bäume all ihre Blätter verlieren und tauchte die Landschaft in glitzerndes Weiß. Weihnachten rückte näher und die Schüler diskutierten bereits darüber, ob sie in den Ferien in Hogwarts bleiben oder sie bei ihren Familien verbringen würden. Für Remus gab es da nicht viel zu überlegen; seine Eltern hatten die Sommerferien schon genug damit zu tun, ihn bei Vollmond wegzusperren. Diese Bürde würde er ihnen ersparen, auch wenn er sie natürlich vermisste und ihnen schreiben würde. Außerdem wollte er ihnen ein Päckchen per Eulenpost schicken, weswegen er an diesem Wochenende mit seinen Freunden in Hogsmeade unterwegs war. Das angrenzende Dorf sah um die Weihnachtszeit immer besonders hübsch aus, so wie auch jetzt. Remus betrachtete die riesige Tanne die man auf dem Platz aufgestellt hatte und die mit silbernen, goldenen und roten Kugeln geschmückt war. An den Häusern waren Lichterketten angebracht worden und in der Nähe sang eine Gruppe von Kindern. Der kalte Wind ließ Remus frösteln und er schob die behandschuhten Hände in die Jackentaschen. Dass Sirius nicht viel auf Weihnachten gab, konnte eigentlich jeder von ihnen nachvollziehen. Auch wenn ihr Freund mit seiner Familie abgeschlossen hatte, merkte man ihm durch seine schroffe Art an, dass ihm das Thema immer noch zusetzte. Vor allem wenn sie Regulus begegneten, der stets einen verletzenden Kommentar für seinen älteren Bruder übrig hatte. Aus der Sicht der Blacks war Sirius ein Verräter ihres reinen Blutes. Es wunderte daher keinen, dass sich ihr Freund recht schnell abseilte, weil er wohl ein Date mit einem Mädchen aus Ravenclaw hatte. „Verbringt er Weihnachten bei deinen Eltern?“, erkundigte sich Remus, als Sirius außer Sichtweite war. James schüttelte langsam den Kopf, wirkte nachdenklich. „Ich hab ihm gesagt, dass er bei meinen Eltern herzlich eingeladen ist, aber er meinte, er mache wohl schon genug Umstände. Hab ihm zwar gesagt, dass das Schwachsinn ist, aber na ja…du kennst ihn.“ Remus nickte, während Peter eine betroffene Miene machte. „Also bleibt ihr beide hier?“ „Ja, sieht ganz so aus…“, erwiderte James und grinste dann. „Außerdem können wir dich und Wurmschwanz doch nicht zurücklassen!“ Ein Lächeln überflog Remus‘ Lippen, als er das hörte, doch plötzlich seufzte James schwer. „Ich wünschte nur, Evans würde auch hier bleiben…das war das einzig Gute an ihrer Freundschaft mit Snape.“ Natürlich wusste Remus, was er meinte. Snape blieb jedes Jahr über die Ferien in Hogwarts, was vermuten ließ, dass er sich zuhause nicht besonders wohl fühlte. Lily war bislang ebenfalls geblieben und man hatte sie stets zusammen angetroffen. Remus wusste, dass Lilys Familie aus Muggeln bestand, doch sie betonte immer, dass sie sich sehr gut mit ihnen verstehen würde. Folglich blieb nur Snape als Grund und da sie sich zerstritten hatten, würde sie dieses Jahr wahrscheinlich Weihnachten bei ihrer Familie verbringen. „Wer weiß…vielleicht überlegt sie es sich ja noch“, gab Remus zurück, doch James zuckte nur mit den Schultern. „Na ja, kann man nichts machen. Egal, lasst uns endlich losgehen. Ich brauche noch ein Geschenk für meine Mom...und ich hab keine Ahnung, was ich ihr schenken soll.“ Tatsächlich beanspruchten ihre Einkäufe ziemlich viel Zeit, was vor allem an James lag, der sich nicht entscheiden konnte. Letztendlich hatte aber jeder von ihnen etwas gefunden. Für Remus war es nicht ganz so schwierig, da seine Mutter ein Muggel war und sich generell über alles Magische freute. Obwohl sie seit Jahren die Frau eines Zauberers und Mutter eines Werwolfs war, konnte sie sich immer wieder von neuem von Magie begeistern lassen. Remus liebte seine Mutter und auch seinen Vater…und es tat ihm leid, dass sie seinetwegen so viele Sorgen durchstehen mussten. „Sieh mal, Krone! Ist das da hinten nicht Lily?“ Wurmschwanz‘ Ausruf ließ sie beide innehalten und er hörte James knurren. „Nicht so laut, Wurmschwanz!“ „Tschuldigung…“, nuschelte der Kleinste von ihnen und wurde rot. „Ja, ja…“, meinte James aber nur und winkte ab, die Augen unablässig auf Lilys roten Haarschopf, der unter ihrer Wollmütze hervorlugte, gerichtet. Sie war allein, stand in der Nähe der Absperrung zur heulenden Hütte. Der Anblick ließ Remus innerlich aufstöhnen, denn der letzte Vollmond saß ihm noch in den Knochen. Es war eine Woche her und dennoch bangte ihm schon vor der nächsten Nacht. Zwar war es angenehmer geworden, seitdem seine Freunde bei ihm waren, doch die Verwandlung war und blieb trotzdem schmerzhaft. Er schüttelte den Gedanken ab und beobachtete, wie James die Schultern straffte und durch den Schnee auf sie zu stapfte. Remus seufzte leise, ehe er ihm mit Peter folgte, um einen eventuellen Streit zu schlichten. Vielleicht konnte er James ja ein wenig helfen, damit Lily ihn nicht direkt davonjagte. „Na Evans, so ganz allein unterwegs?“ Remus widerstand der Versuchung, sich die Hand ins Gesicht zu klatschen, nur schwer. Was sollte denn der Spruch? So wie er James kannte, war das seine Art, cool zu wirken, obwohl ihm bei ihrem Anblick mit Sicherheit die Knie weich wurden. Lily verengte ihre grünen Augen und funkelte ihn an. „Es geht dich zwar nichts an, Potter, aber ich treffe mich hier mit Alice.“ „Hallo Lily“, begrüßte Remus sie freundlich, bevor sich James noch weiter reinreiten konnte. Als sie ihn und Wurmschwanz erkannte, lächelte sie. „Oh hallo Remus, hallo Peter…wo habt ihr denn Black gelassen?“, fügte sie ein wenig irritiert hinzu. „Er wollte später dazu kommen“, umging Remus die Wahrheit, bevor James etwas sagen konnte. Es wäre nicht besonders vorteilhaft gewesen, wenn sie erfahren hätte, dass sich Sirius schon wieder mit einem anderen Mädchen traf. Anfang des Schuljahrs hatte er in den Gängen noch regelmäßig mit Florence Masons, einer hübschen Hufflepuff, geflirtet. Lily hätte dieses Verhalten bestimmt auf James projiziert, da die zwei beste Freunde waren. Dabei gab es schon seit einer ganzen Weile nur noch Lily in James Kopf. Lily nickte verstehend, schaute dann wieder zu der heulenden Hütte. „Ich hab mich gerade gefragt, was es wohl damit auf sich hat“, murmelte sie und Remus warf seinen Freunden hinter ihrem Rücken einen nervösen Blick zu. „Ich meine…mal ernsthaft! Es gibt genug Geister im Schloss…und sie sind einigermaßen harmlos.“ „Abgesehen vom blutigen Baron und Peeves“, entgegnete James schief grinsend. „Ja…schon…aber mal ehrlich, diese Gerüchte um die Hütte…angeblich spuckt es dort auch erst seit fünf Jahren.“ Lily legte den Kopf schief, schien zu überlegen. „Also seit wir auf der Schule sind“, schlussfolgerte sie und Remus wurde blass. Das fehlte ihm gerade noch, wenn Lily da einen Zusammenhang zu seiner einmal monatlichen Krankheit sah. Bisher war es glücklicherweise noch niemandem aufgefallen – abgesehen von Snape. „Machst du dir ernsthaft so viele Gedanken wegen dieser alten Hütte, Evans?“, meinte James nun und winkte ab. „Vielleicht hausen da drin ja finstere Kreaturen, die kleine, neugierige Mädchen fressen…“ „Sehr witzig, Potter“, murmelte Lily und klang genervt. „Mich wundert es ja, dass Black und du angeblich noch nie dort wart…ist doch sonst euer Hobby, die Schulregeln zu brechen.“ James zuckte mit den Schultern. „Vielleicht haben sogar wir Schiss vor dem, was in der Hütte lauert?“ „Oh, du überraschst mich, Potter…ich dachte, jemand wie du ist zu überheblich, um das Wort Angst auch nur zu kennen.“ Zwar klang Lily bissig, doch immerhin umspielte ein feines Lächeln ihre Lippen. Anscheinend meinte sie es nicht so ernst, was wohl auch James erkannte, der prompt darauf einging. „Was du nicht alles über mich weißt, Evans…man könnte meinen, du interessierst dich für mich?“ „Das hättest du wohl gern, Potter.“ „Wo du es gerade erwähnst…“ Remus räusperte sich, bevor er gar nicht mehr zu Wort kam. „Also dann, wir müssen noch ein paar Besorgungen machen, Wurmschwanz und ich…“, bemerkte er und stieß den Kleineren neben sich an. Dieser zuckte zusammen, stand in der ersten Sekunde auf dem Schlauch. „Aber wir…oh…oh ja, das stimmt! Wir haben noch viel vor!“ „Dann geht schon mal“, stieg James direkt drauf ein. „Ich warte hier noch mit Evans, bis Alice kommt.“ „Das ist nicht nötig, Potter“, murrte Lily genervt, doch James lächelte großmütig. „Ach was, das mache ich doch gern!“ „Jaah…das habe ich befürchtet“, stöhnte sie und Remus lachte, ehe er die Hand zum Abschied hob. „Wir warten im Drei Besen auf dich.“ Er hörte die beiden schon wieder diskutieren, als er mit Peter zurück Richtung Dorf ging. Aber nun ja, das war wohl normal bei ihnen. Zumindest schien Lily nicht mehr allzu wütend wegen der verlorenen Punkte zu sein – sie hatte es ihnen allen ziemlich lange nachgetragen. „Moony?“ Er sah fragend zu Peter, der ihn soeben in seinen Gedanken unterbrochen hatte. „Ähm…ich glaube, also…sieh mal da drüben!“ Remus hob eine Braue, als er sah, worauf Peter hinauswollte. Etwas abseits, zwischen den Bäumen stand eine dunkle Gestalt und lugte genau in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Es war Snape, der dort in einem nicht sehr warm aussehenden Mantel stand und James und Lily zu beobachten schien. Als er bemerkte, dass sie ihn gesehen hatten, verdüsterte sich seine Miene noch mehr. „Bestimmt hat er was vor!“, sagte Peter leise. „Wir sollten Krone warnen!“ Doch Remus schüttelte nur langsam den Kopf. „Nein…ich glaube nicht, dass er irgendetwas gegen ihn plant.“ „Aber Moony! Es ist Schniefelus!“ Es war nicht so, dass Remus von Peter erwartet hätte, dass dieser anders als James und Sirius reagieren würde, dennoch fühlte er sich unwohl, als er ihn den gemeinen Spitznamen sagen hörte. Die Meinung seiner beiden Freunde hatte auch Peter geprägt und ganz Unrecht hatte dieser ja auch nicht; Snape hatte oft genug gegen James geschossen, vor allem wenn es um Lily ging. „Wenn wir Krone Bescheid geben, wird er nur wütend und nachher bekriegen sie sich wieder. Lily hat grade wieder begonnen, mit ihm zu reden…das sollte er sich nicht kaputtmachen.“ „Aber…“ „Komm, wir gehen hin und sprechen ihn an“, schlug Remus vor, ohne jedoch die Antwort abzuwarten. Er sah wirklich keinen Sinn darin, zu James zu rennen, wenn sie die Sache auch so klären konnten. Davon abgesehen, dass er ahnte, dass Snape wegen Lily hier war. So wie er sie immer ansah, ihr nachstellte, schienen sich James‘ geheime Befürchtungen zu bewahrheiten. Snape hegte definitiv Gefühle für Lily, die über Freundschaft hinausgingen. „Nein, Moony! Es ist doch Snape! Er wird uns sofort wieder angreifen…und ich will nicht schon wieder blind sein!“, wimmerte Peter neben ihm auf und Remus runzelte die Stirn. „Wir werden ihm keinen Grund dafür geben, Wurmschwanz.“ „Als ob der einen Grund bräuchte! Er ist ein gemeiner Kerl!“ Widersprechen konnte Remus da nicht, aber er hatte sich vorgenommen, guten Willen zu zeigen. Immerhin war seit ihrer Strafarbeit im verbotenen Wald nichts Gravierendes zwischen ihnen passiert. Die üblichen Sticheleien, ja, aber sonst verhielten sich beide Seiten relativ ruhig. Allerdings bekam er Zweifel, ob Peter nicht doch Recht hatte, als sie dem Slytherin näher kamen. Dieser zückte nämlich seinen Zauberstab, kaum dass sie in Reichweite kamen. Finster blitzten die schwarzen Augen in ihre Richtung und Peter huschte sofort hinter ihn, schien tatsächlich Angst vor Snape zu haben. „Verschwindet!“, fauchte er ihnen entgegen. Remus seufzte innerlich; das fing ja gut an. „Hallo Snape“, begrüßte er ihn höflich, sah kurz auf den erhobenen Zauberstab seines Gegenübers. „Wartest du hier auf Lily?“ Die schwarzen Augen flackerten flüchtig zu den beiden Personen in der Ferne, dann richteten sie sich wieder auf Remus, der freundlich lächelte. Er hatte bewusst nicht hinterher schleichen gesagt, doch für Snape machte das anscheinend keinen Unterschied. „Das geht dich absolut nichts an, Lupin…und deinen feigen Freund auch nicht!“ Peter japste auf, lugte nun hinter seinem Rücken hervor und sandte Snape einen beleidigten Blick. „Du bist selber feige, Schniefel- ah!“ Als Snape drohend die Stabhand hob, huschte Peter mit einem Aufschrei wieder hinter ihn. Remus schüttelte seufzend den Kopf, kommentierte das aber nicht. „Lily trifft sich gleich mit Alice…James wartet nur, bis sie da ist“, teilte er ihm stattdessen mit. „Wir sind gerade auf dem Weg ins Drei Besen…komm doch mit.“ Peter schnappte hinter ihm nach Luft. „Moony! Bist du übergeschnappt?! Frag den doch nicht!“, fiepte er entsetzt. „Wenn uns jemand mit ihm sieht…“ Die Verwirrung, die Snape im ersten Moment ins Gesicht geschrieben stand, wandelte sich nun in kalte Abscheu. Remus bedauerte es…ebenso wie er bedauerte, dass Peter so dachte. Von James und Sirius war er solch ein Verhalten ja gewohnt, aber gerade der Kleinste von ihnen musste doch wissen, wie man sich in so einer Situation fühlte. Oft genug lästerten andere Schüler über Peter und es war dessen Glück, dass er Freunde wie sie hatte, die für ihn einstanden. Wer stand für Snape ein? Gut, er war kein netter Kerl und Remus fragte ihn sicher nicht, weil er ihm sympathisch war…aber er wollte diese Fehde zwischen ihnen nicht noch weiter anheizen. „Ja, Lupin“, schnarrte Snape gehässig. „Nicht auszudenken, wenn euch jemand mit mir sieht…wie kommst du überhaupt auf die irrsinnige Idee, ich könnte auch nur eine Sekunde darüber nachdenken, mich freiwillig in eurer Nähe aufzuhalten?“ Remus musterte ihn kurz, dann zuckte er beiläufig mit den Schultern. „Nun…du siehst aus, als ob du frierst. Im Drei Besen ist es warm.“ Die Antwort war so lapidar, dass es Snape wohl die Sprache verschlug. Dieser starrte ihn mittlerweile an, als hielte er ihn für geistesgestört. „Ist das ein Trick?“, zischte er, als er sich wieder gefasst hatte. „Wenn Black oder Potter irgendwas damit zu-“ „Meine Güte, Snape“, fiel ihm Remus entnervt ins Wort. „Keiner meiner Freunde hat etwas damit zu tun und ich habe auch keine Hintergedanken. Es ist nur ein Angebot…und es ist in Ordnung, wenn du es ausschlägst.“ Stille. Während Snape ihn weiterhin misstrauisch anfunkelte, konnte er Peters fassungslosen Blick in seinem Rücken spüren. Begriff er denn nicht, dass sie auch James einen Gefallen tun würden, wenn Snape von hier verschwand? Dieser ließ den Stab langsam sinken, auch wenn er nicht überzeugt aussah. „Du könntest aber auch zusagen und dich bei einem Butterbier aufwärmen“, wiederholte er noch einmal und sah, wie Snape überlegte. Wie lange er hier wohl schon stand und Lily beobachtete? Ein paar Schneeflocken schmolzen in seinen Haaren, die ihm wie zwei schwarze Vorhänge um sein Gesicht hingen. Remus stellte abermals fest, dass seine Kleidung ziemlich dünn aussah…aber vielleicht hatte er ja einen Zauber gegen die Kälte gewirkt. „Na schön“, knurrte Snape schließlich und schob seinen Stab zurück in den Umhang. „Ich wollte später sowieso dorthin. Das hat also nichts mit euch zu tun!“ Remus blinzelte, als er diese Behauptung hörte – das war doch jede Wette eine Lüge. Aber gut, sollte er ihnen das ruhig weißzumachen versuchen. Anstatt etwas dagegen zu sagen, lächelte er zufrieden. „Das trifft sich ja dann gut“, erwiderte er nur und wandte sich um. Peter starrte ihn immer noch an, als sei er nicht ganz dicht, doch er reagierte darauf gar nicht. Seine einzige Befürchtung war, dass es eskalieren würde, wenn James dazu kam. Aber vielleicht war Snape dann auch schon wieder gegangen…er verdrängte also seine Sorge und ging mit den beiden los. Im Drei Besen war es tatsächlich angenehm warm, was Remus eindeutig mehr behagte als die Kälte. Er schauderte wohlig, ehe er sich kurz umsah. Es war viel los, aber das war kein Wunder um diese Zeit. Ein paar wenige Tische waren aber noch frei, an den besetzten saßen auch ein paar bekannte Gesichter. Remus nickte einer Vertrauensschülerin aus Hufflepuff flüchtig zu, als diese ihm zuwinkte. Dann stutzte er, denn Snape hatte sich an ihm vorbeigeschoben und steuerte auf einen Tisch in der hintersten Ecke zu. Vielleicht wollte er nicht gesehen werden…er tauschte einen Blick mit Peter, der auf seiner Unterlippe kaute. „Das ist keine gute Idee“, betonte er noch mal und Remus seufzte. „Was stört dich an ihm?“ „…alles? Du kennst ihn doch…er ist ein schwarzmagischer, fetth-“ „Das sind nicht deine Worte, Wurmschwanz“, ermahnte er den anderen, woraufhin dieser rot wurde. „Ja, aber…aber jeder weiß es…und jeder sagt es, Moony…“, verteidigte er sich schwach. „Er hat mir im Wald das Leben gerettet“, erwiderte Remus ruhig. „Und meinen Knöchel soweit geheilt, dass ich wieder laufen konnte…und das mit dem Zentauren ist auch die Wahrheit. Er ist kein netter Kerl, aber er ist auch kein Monster, Wurmschwanz.“ „Hm…ja, vielleicht…“, kam es gezwungen von seinem Freund. „Jetzt komm schon!“ Er klapste ihm gegen die Schulter und ging dann hinüber zu Snape, der sie beide missgelaunt anblickte. Er hatte den Mantel abgelegt, saß nun in seinem Umhang dort und Remus nahm wahr, wie ihm ein paar Tropfen aus den feuchten Haaren perlten. „Ich habe nie gesagt, dass ich mit euch am selben Tisch sitzen will“, murrte er, doch Remus schmunzelte darüber nur. „Tja, da hast du wohl leider Pech gehabt, Snape…denn wir bleiben hier.“ Er hängte seinen eigenen Mantel über die Stuhllehne und lächelte dann Madam Rosmerta zu, die soeben in ihre Richtung geschwebt kam. „Na, Jungs?“, fragte sie freundlich. „Was darf ich euch bringen?“ Ihr Blick schweifte in die Runde und Remus räusperte sich. „Drei Butterbier, bitte.“ „Kommt sofort!“ Sie zwinkerte ihm zu, ehe sie mit wehenden Locken davon schritt. Remus konnte gut verstehen, warum die Frau einigen Männern den Kopf verdrehte. Vermutlich wusste Rosmerta sehr genau um ihre Wirkung, so selbstbewusst, wie sie stets auftrat. Er sah zu Snape, der den Blick jedoch abgewandt hatte und nachdenklich wirkte. Sicher dachte er an Lily…ob sie immer noch dort mit James stand? Es musste Snape ja ordentlich erwischt haben, wenn er ihr immer noch nachlief. Sie sprachen ja nicht mal mehr miteinander und Lily hatte deutlich gemacht, dass sie ihm nicht verzeihen würde. Wobei, als sie die Geschichte vom verbotenen Wald zufällig mitbekommen hatte, hatte sie gar nicht so desinteressiert gewirkt. Vielleicht hatte er sich damit ja ein Stück weit bei Snape revanchiert. Er blickte auf, als das Butterbier gebracht wurde und nachdem Peter seines bezahlt hatte, zückte er seinen Geldbeutel. „Ich zahle die anderen beiden.“ „Na, mir soll’s recht sein“, entgegnete Rosmerta lächelnd und nahm das Geld entgegen, bevor sie wieder zum Tresen verschwand. Snape schien jedoch nicht besonders dankbar dafür, dass er für ihn gezahlt hatte. „Ich brauche deine Almosen nicht!“, fauchte er ihn an und Remus sah ihn irritiert an. „Almosen?“ „Du hast mich schon verstanden, Lupin!“ „…ich wollte mich eigentlich damit bedanken“, brummte er und schob ihm das Glas zu. „Für die Sache im Wald. Ich schulde dir etwas.“ Damit hatte Snape wohl gar nicht gerechnet, denn nun blickte er ihn verdutzt an. Skeptisch sah er zu seinem Getränk, so als befürchtete er eine böse Überraschung. Remus fragte sich allmählich, wie sehr die Fehde mit seinen Freunden den Slytherin geprägt haben mochte, wenn der hinter jeder Aktion eine Falle vermutete. Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass er in der Vergangenheit zu oft weggesehen hatte. „Von mir aus“, hörte er Snape genervt sagen und sah zu, wie dieser nach dem Butterbier griff. Peter schnaubte leise. „Du könntest dich ruhig mal bedanken, Snape“, nuschelte er in sein Glas, verstummte aber unter dem tödlichen Blick. Wortlos begann Snape zu trinken und Remus lehnte sich zurück. Er wollte sich jetzt gar nicht anfeinden. Da war es besser, sie blieben stumm hier sitzen und warteten, bis sie ihre Zehen wieder spüren konnten. Abermals ließ er den Blick schweifen, nickte dem ein oder anderen zu. Wenn er so darüber nachdachte, hatte er Snape bisher immer nur mit Lily hier sitzen sehen. Seit dem letzten Jahr dann gar nicht mehr. War sie wirklich seine einzige Freundin gewesen? Was war mit den Leuten aus seinem Haus? Manchmal hatte er mit Avery und Mulciber zusammengesessen…aber auch das schien nicht mehr der Fall zu sein. Vielleicht war es besser so, denn die zwei hatten einen noch schlechteren Ruf als Snape selbst. „Bleibst du die Winterferien über in Hogwarts?“ Snape drehte den Kopf nur langsam in seine Richtung, so als sei er nicht sicher, ob er überhaupt angesprochen worden war. „Ich wüsste zwar nicht, was es dich anginge, Lupin…aber ja. Ich bleibe.“ Na, das war doch fast eine normale Antwort, wenn man von Snapes Maßstab ausging. Peter rutschte neben ihm auf seinem Stuhl herum, doch er ignorierte ihn. „Du bleibst jedes Jahr hier oder?“, erkundigte er sich und Snape schnaubte. „Du doch auch“, entgegnete er flapsig. Remus lächelte schwach. „Ich will meiner Familie über die Feiertage etwas Ruhe gönnen.“ Erkenntnis blitzte ihn Snapes Augen auf und er nickte zögernd, so als überlegte er, ob er nicht noch eine gemeine Bemerkung fallen lassen sollte. Zu Remus‘ Verwunderung tat er es nicht. „Warum fährst du nicht nach Hause, Snape?“, brummte Peter neben ihm. „Wollen deine Eltern dich nicht sehen?“ Remus blinzelte, war solche Reden von dem anderen nicht gewohnt. Normalerweise stand er immer hinter James und Sirius zurück, stimmte ihnen auch eher im Stillen zu, anstatt auf deren Späße einzusteigen. Dann erinnerte er sich jedoch daran, was Snape über Sirius‘ Familie gesagt hatte…anscheinend wollte Peter jetzt zurückschlagen. Er selbst wusste nicht, was er davon halten sollte, doch der Reaktion nach zu urteilen, hatte sein Freund einen Nerv getroffen. Snapes soeben noch gewohnt miesepetrige Miene hatte sich zu einer Maske blanken Hasses verzerrt. Remus widerstand der Versuchung, nach seinem Stab zu greifen, nur schwer, denn es alarmierte ihn, den Slytherin so zu sehen. Doch gerade als dieser den Mund aufmachen wollte, um sein eigenes Gift zu versprühen, wurde die Tür aufgestoßen und ein gut gelaunter Sirius kam hinein, ein brünettes Mädchen im Arm haltend. Natürlich sah er sie sofort und hob die Hand zum Gruß, ehe er direkt auf sie zukam. „Hey! So ein Zufall, ich wollte gerade…was macht der hier?“ Die Abneigung hätte nicht deutlicher in seiner Stimme liegen können und auch Snape spannte sich an. Das war ganz und gar nicht gut… „Ich hab ihn eingeladen“, erwiderte Remus leise. „Was?! Bist du bekloppt?!“ „Schrei nicht so rum…“ „Ich hab gleich gesagt, dass es nicht gut wäre…“ „Ich setz mich nicht mit dem an einen Tisch! Der soll verschwinden!“, grollte Sirius und seine Verabredung sah irritiert vom einen zum anderen. Snape machte es ihnen leicht, denn er stand so ruckartig auf, dass sein Stuhl laut über den Boden schabte, zog in der gleichen Bewegung seinen Mantel von der Lehne. „Keine Sorge, Black“, spie er aus. „Allein im selben Raum mit dir zu sein, ist eine Zumutung für mich.“ „Deine Existenz ist eine Zumutung!“, knirschte Sirius ebenso hasserfüllt und sie starrten einander an. „Zumindest verschwende ich meine Existenz nicht…im Gegensatz zu dir…“ Ein verächtlicher Blick traf das Mädchen an Sirius‘ Seite, welches scharf die Luft einsog, wohingegen Sirius rot vor Wut wurde. „Verschwinde, bevor ich dir deinen Riesenzinken breche!“ „Deine primitiven Drohungen schüchtern mich nicht ein, Black.“ „Ich warne dich…“ „Nun ist es aber genug!“, mischte sich da jemand weiteres ein und Remus erkannte Madam Rosmerta. Die hübsche Wirtin hatte die Hände in die Seiten gestemmt und sah sie streng an. „In meinem Pub wird nicht gestritten! Benehmt euch oder ich werfe euch raus!“ Snape gab ein Schnauben von sich, das deutlich machte, wie egal ihm ihre Worte waren. „Ich wollte sowieso gehen!“, zischte er und Remus zuckte unter seinem kalten Blick zusammen. So hatte das nicht laufen sollen, doch es war zu spät, um einen Schlichtungsversuch zu unternehmen. Snape fuhr herum und rauschte zur Tür – durch welche James gerade spazierte. Dieser sah empört auf, als ihn der Slytherin grob zur Seite schubste, ehe er aus dem Pub stürmte. „Was hat der denn?“, fragte ihr Freund, nachdem er sich zu ihnen gesetzt hatte. „Frag am besten Moony, warum er den Fettfleck eingeladen hat…“, erwiderte Sirius, der sich zurückgelehnt hatte und sich nicht mal die Mühe machte, seine neue Freundin vorzustellen. „Was?!“, kam es von James und er starrte ihn an. „Ich wusste, dass es eine ganz schlechte Idee war“, nuschelte Peter und sah nervös zwischen ihnen hin und her. Remus zuckte mit den Schultern, sah in sein Butterbier. „Er hat mir geholfen…und ich wollte mich eben revanchieren.“ Sirius machte ein abwertendes Geräusch. „Als ob er das aus reiner Herzensgüte getan hätte, Moony…sei nicht so naiv!“ „Da hat Tatze Recht…pass bei Snape besser auf“, stimmte James seinem besten Freund ernst zu, der sich natürlich dadurch erst recht bestätigt fühlte. „Ich habe nicht vor, mich mit ihm anzufreunden“, murmelte Remus, der eigentlich bereits genug von dem Gespräch hatte. „Ich habe ihm nur ein Butterbier ausgegeben und-“ „Und wir haben gesehen, wie er Lily nachspioniert hat!“, wandte Peter hastig ein, wofür Remus ihn stumm verfluchte. „Was hat er getan?!“ Natürlich war James nun wieder richtig in Fahrt und Sirius schloss sich direkt an, über den Slytherin zu schimpfen. Nun, zumindest ließen sie ihn jetzt in Ruhe. Remus wollte sich auch nicht weiter erklären müssen. Es war keine große Sache gewesen…doch seine Freunde machten ein Problem draus. Sollte er versuchen, sich Gehör zu verschaffen? Nein…sie würden ihn sowieso überstimmen, egal, was er sagte. Manchmal war es ziemlich frustrierend mit den dreien…aber die meiste Zeit über waren sie die besten Freunde, die man sich wünschen konnte. Und es war das, was für Remus zählte…und der Grund dafür, dass er sie reden ließ, obwohl er nicht ihrer Meinung war. Kapitel 12: Weihnachten ----------------------- Soweit sich Severus erinnern konnte, hatte er noch nie etwas für Weihnachten übrig gehabt. In den ersten Jahren seines Lebens war es erträglich gewesen, aber dennoch nichts Besonderes. Seine Familie hatte noch nie viel Geld gehabt, deshalb war das Fest im Hause Snape von jeher recht karg ausgefallen. Sein Vater hatte ohnehin nichts für Traditionen übrig und seine Mutter hatte ihm in dieser Hinsicht nie widersprochen. Erst in den späteren Jahren, nachdem Severus eingeschult worden war, war ihm aufgefallen, wie sehr sich seine Familie von anderen unterschied. Auch heute erinnerte er sich noch daran, wie die Muggel-Kinder aus seiner Klasse von Weihnachten geschwärmt hatten. Sie hatten von einem Festmahl erzählt…von der Verwandtschaft, die mit Geschenken kam, und von einer aufwendig geschmückten Tanne. Severus konnte nicht verhehlen, dass er damals neidisch gewesen war, wenn er ihnen gelauscht hatte. Seine Mutter hatte mit der Familie Prince schon lange abgeschlossen. Folglich gab es auch keine Verwandten, die man einladen konnte – davon abgesehen, dass sein Vater dieses abnormale Pack nicht in sein Haus gelassen hätte. Von der Familie Snape war auch niemand übrig geblieben, denn sein griesgrämiger Großvater, der letzte Verwandte, war gestorben, als Severus sechs Jahre alt gewesen war. Kein großer Verlust, wenn man bedachte, dass der Alte kein gutes Haar an der Familie seines Sohnes gelassen hatte. Weihnachten im Hause Snape bestand daher jedes Jahr aus einem gemeinsamen, schweigsamen Abendmahl zu dritt. Ohne irgendwelchen Firlefanz oder Geschenke, weil das laut Tobias Snape überflüssiger Kinderkram war. Mittlerweile war es Severus egal geworden, denn nun konnte er zu dieser Zeit in Hogwarts bleiben, fern von dem unangenehmen Schweigen, das eigentlich nur von den Streitereien seiner Eltern gebrochen wurde. Es wurde jedes Jahr schlimmer und er sehnte bereits den Zeitpunkt herbei, an dem er endlich ganz von dort verschwinden konnte. Lange würde es nicht mehr dauern, nach diesem Jahr nur noch eines…wobei er sich gewünscht hätte, die letzten beiden Feste mit Lily verbringen zu können. Er würde nie vergessen, wie sie ihm im ersten Jahr eine Schachtel mit selbstgebackenen Plätzchen geschenkt hatte. Da er nicht damit gerechnet hatte, etwas von ihr zu bekommen, hatte er ihr natürlich kein Geschenk besorgt und sich nur mit rotem Kopf bedanken können. Sie hatte es ihm nicht übelgenommen, dennoch hatte er sich geschämt. Danach war es zu einem Ritual geworden, dass sie die Ferien zusammen in der Schule verbrachten und sich gegenseitig beschenkten. Sogar der ganze Firlefanz und die aufgesetzt fröhliche Stimmung waren akzeptabel gewesen, wenn Lily mit ihm durch Hogsmeade spaziert war. Es fehlte ihm, wie sie neben ihm herging und mit diesem Funkeln in den grünen Augen die Schaufenster betrachtete, während er jedes Mal mit sich kämpfte, ob er nicht einfach ihre Hand nehmen sollte. Jetzt war es dafür zu spät. Dieses Jahr würde sie beim Weihnachtsessen nicht mit ihm in der großen Halle sitzen und ihn anlächeln. Sie würde den Rumtreibern keine bösen Blicke zuwerfen, wenn diese sich mal wieder profilierten. Nein, dieses Jahr würde er allein dort sitzen und die feierliche Stimmung aushalten müssen. Dumbledores fröhliches Getue würde seine Nerven sicher noch mehr strapazieren, als es die Jahre zuvor der Fall gewesen war. Vielleicht sollte er einfach auf seinem Zimmer bleiben und sich die Zeit mit etwas Sinnvollem vertreiben, wie zum Beispiel für die Prüfungen zu lernen. Sogleich verwarf er den Gedanken wieder; Dumbledore würde das sicher nicht akzeptieren und ihm Slughorn hochschicken. Allein bei der Vorstellung, wie dieser ihm väterlich eine Hand auf die Schulter legte und ihn ausfragte, was mit ihm nicht stimme, lief es ihm kalt den Rücken runter. Nein, dann biss er lieber in den sauren Apfel und setzte sich für eine Stunde mit diesen Idioten zusammen. Die letzten Male waren nie viele Schüler über Weihnachten in der Schule geblieben, doch in diesem Jahr waren es noch weniger als sonst. Das war wohl der Grund dafür, dass man einen einzelnen runden Tisch in die Mitte gestellt und Stühle drum herum verteilt hatte. Dumbledore, der zwischen McGonagall und Slughorn saß, lächelte ihm freundlich zu. „Ah, Mr Snape! Fröhliche Weihnachten!“, rief er über den Tisch, bevor er einladend auf die noch freien Stühle deutete. „Setzen Sie sich nur zu uns…da wir heute so wenige sind, habe ich mir gedacht, dass dieser kleine Tisch vollkommen ausreichend ist.“ Großartig, dachte er sarkastisch, ehe er einen Gruß brummte und sich dann widerwillig neben ein Mädchen aus Ravenclaw setzte. Zu spät fiel ihm auf, dass es sich um eine von Blacks Verehrerinnen handelte und er bereute seine Wahl daher direkt. „Wo bleiben denn Mr Potter und seine Freunde, Minerva?“, fragte Dumbledore, als hätte er seine Gedanken gelesen und Severus bemühte sich, kein allzu angewidertes Gesicht zu machen. Professor McGonagall schürzte die Lippen. „Das wüsste ich allerdings auch gern!“, erwiderte sie kühl. „Na, hoffentlich hecken sie nicht wieder etwas aus!“, warf Flitwick ein, doch er lächelte dabei vergnügt. „Nun, das wäre ja nichts Neues…diese Rumtreiber!“, ging Sprout direkt darauf ein, jedoch klang auch sie recht heiter. Severus wunderte sich nicht mehr, auch wenn er jedes Mal einen Brechreiz bekam, wenn er die Lehrer über Potter und seinen Anhang reden hörte. Sogar Slughorn sah stets über das infantile Verhalten dieser Idioten hinweg und sprach in den höchsten Tönen von ihnen. Zumindest Potter und Black, die er als begabt und charmant bezeichnete, hatten bei seinem Hauslehrer einen Stein im Brett. „Fröhliche Weihnachten zusammen!“ Innerlich ächzte er, als James Potter durch die Tür stolzierte und gut gelaunt durch die Halle rief. Ihm folgten seine drei Freunde, so dass sie nun mit den beiden Hufflepuff-Schülern und den Professoren insgesamt 13 Leute waren. Als sich Lupin ohne zu zögern auf den freien Platz neben ihm setzte und ihm kurz zulächelte, wandte Severus mit einem Schnauben den Blick ab. Zugegeben, Lupin neben sich sitzen zu haben, war nicht so schrecklich, als hätte es sich um Potter, Black oder Pettigrew gehandelt – was er natürlich niemals laut ausgesprochen hätte. Dennoch verwirrte ihn Lupins Verhalten, denn er konnte es sich nicht erklären. Sein über die Jahre entwickeltes Misstrauen warnte ihn davor, sich in Sicherheit zu wiegen…doch Lupin selbst gab ihm keinen Grund dazu. Es wäre einfacher gewesen, wenn er es getan hätte, denn so musste Severus seine befremdliche Freundlichkeit hinnehmen. Genau genommen war es sogar noch schlimmer, denn seitdem Lupin bei Lily ein gutes Wort für ihn eingelegt und ihn auf ein Butterbier eingeladen hatte, konnte er ihn nicht mehr…hassen. Nicht, dass er ihn mögen würde, doch er verabscheute ihn auch nicht mehr abgrundtief. Dass Pettigrew und Black die seltsam friedliche Stimmung zwischen ihnen mit ihrer Anwesenheit gestört hatten, änderte leider nichts daran. Er wusste selbst nicht, warum er sich auf den Vorschlag, ins Drei Besen zu gehen, eingelassen hatte...oder was ihn davon abgehalten hatte, Lupins Grund, warum dieser über Weihnachten in der Schule blieb, auszunutzen, um ihn zu erniedrigen. Er hätte mit Sicherheit die passenden Worte gefunden, es jedoch in diesem Moment nicht gewollt. Vielleicht hatte ihn das Bild von Lily und Potter, die viel zu nah beieinander standen, zu sehr verstört. Wie auch immer…eigentlich war er ganz froh gewesen, ins Warme zu kommen und ein wenig Ruhe zu haben – zumindest bis Pettigrew seine Eltern erwähnt hatte. Dieser feige Wurm…am liebsten hätte er ihm direkt den nächsten Fluch in die Augen geschossen. Sein Blick glitt zu eben jenem Wurm, der neben Professor Sprout saß und sich soeben den Kürbiskuchen reichen ließ – sollte er dran ersticken! „Mr Snape, greifen Sie doch bitte zu“, forderte Dumbledore ihn unerwartet auf und lächelte ihn über seine Halbmondgläser hinweg an. „Nicht, dass mir am Ende des Jahres vorgeworden wird, ich würde meinen Schülern alles wegfuttern.“ Er zwinkerte ihm zu und Severus griff eilig nach den Würstchen, damit der Schulleiter ihn in Ruhe ließ. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Potter und Black einen spöttischen Blick zuwarfen. Zu allem Überfluss lachte Slughorn nun auch noch dröhnend auf und sein massiger Bauch, der sowieso schon ziemlich unter seine Weste spannte, erbebte. „Oh, das werden sie wohl eher über mich sagen, Albus“, erwiderte sein Hauslehrer schmunzelnd und zwinkerte nun ebenfalls. „Nun ja…nach Weihnachten kann ich meine Diät ja wieder aufnehmen…“ „Was du heute kannst besorgen, Horace…“ „Komm mir jetzt nicht mit deinen Weisheiten!“, unterbrach Slughorn den Schulleiter ein wenig pikiert, woraufhin dieser lächelte. „Entschuldige…“ Alle schienen den Wortwechsel recht amüsant zu finden – sah man von ihm ab…und von Professor McGonagall, die ein wenig die Lippen geschürzt hatte, aber nichts dazu sagte. „Und Sie, Mr Black, sind dieses Jahr wieder nicht bei der Familie?“, sprach Slughorn unvermittelt Black an, der sich daraufhin an seinem Braten verschluckte. Mit Genugtuung sah Severus zu, wie Potter seinem Freund auf den Rücken klopfte und ihm einen Becher mit Kürbissaft reichte. „N-Nein…Sir…“, würgte Black hervor, merklich blass um die Nase. Da Slughorn kein bisschen Feingefühl besaß, sah er darüber hinweg, während sich die anderen Hauslehrer wissende bis mitleidige Blicke zuwarfen. „Nun, Ihr Bruder Regulus erzählte mir, dass Ihre Familie jedes Jahr die ganze Verwandtschaft in das noble Anwesen einlädt. Es muss zweifellos sehr beeindruckend sein, wenn man bedenkt, dass-“ „Ich bin sicher, dass Mr Black sehr wohl darüber Bescheid weiß, wie seine Familie die Feiertage verbringt“, schnitt McGonagall ihrem Kollegen scharf das Wort ab. „Und er wird sicher seine Gründe haben, lieber in Hogwarts zu bleiben!“ Slughorn sah sie für einen Moment verdutzt an, ehe er hastig nickte. „Natürlich, natürlich…ich wollte niemandem zu nahe treten“, beteuerte er schließlich, was Black ein erzwungenes Grinsen abrang. „Schon in Ordnung, Professor…“ Eine Lüge, wenn man bedachte, wie angespannt er immer noch wirkte…und Severus bedauerte, dass McGonagall seinen Hauslehrer gestoppt hatte. Black in dieser unangenehmen Situation zu erleben, hatte seine Stimmung gerade ein wenig angehoben. Missmutig griff er nach seinem Becher, wobei ihm auffiel, dass das Mädchen neben ihm den Kopf auf die Hände gestützt hatte und sehnsüchtig in Blacks Richtung starrte. Angewidert wandte er den Blick ab, hörte aber noch ihr leises Seufzen. „Und Sie Mr Potter?“, nahm Slughorn den Faden nun an anderer Stelle wieder auf. „Wie geht es Ihrer Mutter? Sicher bedauert sie es, dass Sie Weihnachten nicht bei der Familie sind.“ Potter zuckte jedoch nur mit den Schultern, schien das nicht so dramatisch wie der Professor zu finden. „Sie hat sich dran gewöhnt“, erwiderte er. „Und schickt mir die Geschenke immer per Eulenpost.“ „Ah, wo Sie es ansprechen, ich habe schon von Ihrem neuen Besen gehört…ein Nimbus 1001, nicht wahr?“, fragte Slughorn beeindruckt nach. Warum wunderte er sich überhaupt noch? Es drehte sich doch immer alles um Potter und bei diesem Thema sahen auch die anderen Professoren interessiert auf. „Ja, Sir“, bestätigte Potter und klang so unverschämt stolz, dass Severus schlecht wurde. „Momentan das beste Modell auf dem Markt!“ „Und wenn man bedenkt, dass Sie ein überragender Spieler sind…aber nehmen Sie sich in Acht! Auch Slytherin hat ein hervorragendes Team auf die Beine gestellt!“ „Gryffindor ebenfalls, Horace“, schaltete sich McGonagall ein. „Potter ist sicher ein wichtiger Teil des Teams, doch die anderen stehen ihm da in nichts nach!“ „Dann wird das dieses Jahr wohl mal wieder ein spannendes Spiel, Minerva“, gab Slughorn schmunzelnd zurück. „Vergessen Sie nicht Ravenclaw, meine lieben Kollegen!“, quiekte Flitwick und strahlte in die Runde. „Auch wir sind sehr gut aufgestellt!“ „Und Hufflepuff natürlich auch!“ „Das bezweifelt keiner, Pomona.“ „Nun, ein wenig Rivalität zwischen den Häusern ist immer sehr anregend“, bemerkte Dumbledore schmunzelnd, der bisher still lächelnd zugehört hatte. „Solange es Augenblicke wie diese gibt, an denen wir alle vereint an einem Tisch sitzen können.“ Er ließ den Blick einmal in die Runde schweifen, bis zustimmendes Gemurmel von allen Seiten ertönte. Nun ja…von fast allen, denn nicht nur Severus schien eine andere Meinung zu vertreten; Potter und Black verzogen den Mund zu einer Grimasse. „Ja…jedenfalls ein sehr großzügiges Geschenk von Ihren Eltern!“, beendete Slughorn die Stille und lächelte unter seinem Schnurrbart. „Knallbonbons, Horace?“ Es war Dumbledore, der ihm eine Schüssel mit den bunt verpackten Bonbons unter die Nase hielt und ihn somit aus dem Konzept brachte. „Oh, danke, Albus!“ Ein Glück…noch mehr Geschichten vom großartigen Potter, die ohnehin nur aussagten, was für ein verwöhnter Mistkerl er war, wollte sich Severus nicht anhören müssen. Sowieso war er froh, dass ihn alle am Tisch weitgehend in Ruhe ließen. Wenn nur dieses infantile Gör neben ihm aufhören würde, ständig zu seufzen und dabei Black anzuschmachten – der ignorierte sie doch sowieso und unterhielt sich stattdessen lieber mit Potter. „Ähm…“ Wunderbar…ausgerechnet jetzt musste sich Lupin dazu entschließen, mit ihm Konversation zu betreiben. Als er sich mit einem kühlen Blick dem Werwolf zuwandte, begegnete ihm dieser mit einem zaghaften Lächeln. „Und wie ist es so bei dir, Snape?“ Ein Knall ertönte und kurz darauf hörte man Slughorn aufstöhnen. „Grundgütiger…ist das ein scheußlicher Hut!“ Einige kicherten albern. „Oh, sei kein Spielverderber, Horace!“ Severus schenkte dem Schauspiel keine Beachtung, sondern fixierte stattdessen Lupin, der immer noch auf eine Antwort seinerseits wartete. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du redest“, gab er abweisend zurück. „Na ja…wie die Weihnachtszeit halt so ist“, murmelte Lupin zögernd. „Du sitzt oft in der Bibliothek.“ „Im Gegensatz zu einigen anderen hier nehme ich die Prüfungen ernst.“ Es war keine Lüge, allerdings auch nur die halbe Wahrheit. Wenn er sich nicht mit den Büchern oder dem Brauen von Zaubertränken ablenkte, musste er ständig an Lily denken. Sie fehlte ihm. „Verfolgst du mich?“, zischte er, als der Werwolf nichts mehr sagte. Letzterer wurde leicht rot, schüttelte dann hastig den Kopf. „Nein! Ich…es ist mir nur aufgefallen…ich lerne auch viel und…nehme die Prüfungen genauso ernst wie du!“ Eigentlich war die Anschuldigung unberechtigt, wie er innerlich selbst zugeben musste. Warum sollte Lupin ihm auch nachstellen? Wohl kaum, weil sie sich so gut verstanden…und angegriffen hatte er ihn auch noch nie. Der Hass zwischen ihm und den Rumtreibern war nach dem kurzen Aufeinandertreffen im Pub noch gestiegen, doch bisher hatte Severus immer einen Weg gefunden, eine Begegnung mit ihnen allein zu vermeiden. Lupin war allerdings tatsächlich ein- zweimal in der Bibliothek aufgekreuzt, hatte jedoch lediglich ein paar Bücher ausgeliehen. Wieder musste er daran denken, dass Lupin eigentlich gar nicht zu seinen Freunden passte. Er war nicht arrogant, nicht faul und er verhielt sich so freundlich, dass Severus es schon als regelrecht anstrengend empfand. Vielleicht nicht nur, weil er zu Potter und Black gehörte, sondern auch weil er es nicht gewohnt war, dass man so mit ihm umging. Lily war die Ausnahme, doch er konnte niemanden mit ihr vergleichen. Die Gedanken von zuvor brachten erneut das nervige Gefühl mit sich, dass er Lupin zumindest etwas Freundlichkeit schuldete. „Und…wie geht es voran?“ Merlin sei Dank beachtete sie niemand, da sie alle in ihre eigenen Gespräche vertieft waren – Slughorn trug einen pink glitzernden Cowboy-Hut, über den sich die meisten amüsierten. „Bitte?“, fragte Lupin ihn verdutzt und das war schon wieder so nervig, dass er sich wünschte, er hätte nichts gesagt. „Mit dem Lernen“, brummte er und Lupin blinzelte. „Eh…ganz gut, denke ich. In Verteidigung und Verwandlung sollte ich keine allzu großen Probleme haben…und bei dir?“ „Keine nennenswerten Defizite.“ „Na dann…das ist gut.“ „Ist es.“ Es war nicht verwunderlich, dass ihre Konversation ziemlich schnell endete. Sie hatten sich eben nichts zu sagen. Für Severus war das in Ordnung, er wollte sich nicht mal unterhalten, doch Lupin ließ nicht so einfach locker. „Und…was hast du so zu Weihnachten bekommen?“ Die Frage glich einem Schlag ins Gesicht, vor allem nachdem Potter vorhin schon mit seinem Besen geprahlt hatte. Was fiel Lupin ein, ihn so etwas zu fragen? Es ging ihn nichts an, doch aus irgendeinem Grund konnte er ihm nicht mal das an den Kopf werfen. Vielleicht weil ihm gerade klar wurde, dass sogar ein Monster wie Lupin Eltern hatte, die sich um ihn kümmerten – denn sonst hätte er ihn das nicht gefragt. Und selbst wenn es nicht so wäre, hatte er Potter, Black und Pettigrew, die ihn sicher nicht außen vor lassen würden. Severus‘ Eltern hatten ihm nicht mal einen Brief geschrieben…waren vermutlich wieder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie auch nur einen Gedanken an ihn verschwendet hätten. Seine einzige Freundin hatte er vergrault, indem er sie ein Schlammblut genannt hatte. Es blieb niemand übrig, dem irgendwas an ihm lag. Es war nicht so, dass es Severus vorher nicht bewusst gewesen wäre, dennoch traf es ihn in diesem Moment. Und es war kein schönes Gefühl. „Snape?“ Erst jetzt bemerkte er, dass Lupin ihn immer noch abwartend ansah. Es kotzte ihn an. Er schoss ihm einen eisigen Blick zu, ehe er sich wortlos erhob und dem Tisch den Rücken kehrte. Niemand hielt ihn auf und Severus war froh darüber…ohnehin war er vermutlich viel länger geblieben, als er es vorgehabt hatte. Als er die Tür hinter sich schloss, verstummte das Geplapper endlich…und er genoss die Stille, während er hoch zum Gemeinschaftsraum ging. Weihnachten war und blieb eine Tradition, die ihm gestohlen bleiben konnte. Nach diesem Abend erst recht. Kapitel 13: Nachtwanderung -------------------------- „Also…seid ihr soweit?“ „Sind wir.“ „Wo ist Wurmschwanz?“ „In meiner Tasche…hast du die Karte?“ „Als würde ich die Karte vergessen.“ „Ja, ja…Moony, sitzt dein Streber-Abzeichen?“ „Tadellos, Tatze.“ „Gut, dann kann’s ja losgehen!“ Remus schmunzelte, als er zusah, wie seine drei Freunde unter dem Tarnumhang verschwanden. Mittlerweile passten nur noch zwei von ihnen unter James‘ Umhang, doch da Peter in seiner Animagus-Form so klein war, passte er problemlos in die Tasche. Remus war der Einzige von ihnen, der sich nicht verstecken musste, wenn er des Nachts durch die Korridore der Schule schlich. Als Vertrauensschüler war er dazu befugt, auch zu später Stunde Kontrollgänge machen zu dürfen. Natürlich war das in seinem Fall lediglich ein Vorwand und ein bisschen schämte er sich dafür, seine Privilegien auf diese Weise auszunutzen. Andererseits führten sie ja nichts Böses im Schilde, sondern suchten nur nach neuen Geheimgängen, die aus der Schule hinausführten. Gut, ab und an spielten sie Filch einen Streich, aber bei dem schrecklichen Hausmeister fand Remus das vollkommen in Ordnung. Immerhin ließ Filch auch keine Gelegenheit aus, ihnen hinterher zu schleichen und ihnen mit irgendwelchen grausigen Strafen zu drohen. Die Erstklässler konnte er damit vielleicht einschüchtern, aber bei ihnen machte er sich damit nur lächerlich. Niemals würde Dumbledore zulassen, dass Filch Schüler auspeitschte, während sie kopfüber von der Decke hingen. Er wollte gar nicht wissen, was bei dem Kerl schief gelaufen war. „Hey…wisst ihr, was mir gerade einfällt?“ Er blickte seitwärts, als er Sirius‘ Flüstern hörte. Sie hatten soeben den Gemeinschaftsraum verlassen – er hörte die Fette Dame leise hinter ihnen zetern, wie unverschämt es sei, sie zu solch später Stunde zu wecken – und stiegen nun die Treppen runter. „Hm?“, machte er nur abwartend. „Nächsten Monat ist doch Valentinstag…“, erinnerte Sirius sie und Remus stutzte. Sein Freund hatte Recht, denn es war bereits wieder Januar. Die Zeit seit Weihnachten war wirklich wahnsinnig schnell vergangen, nicht mehr lange und sie würden ihr letztes Jahr hier in Hogwarts verbringen. Der Gedanke schmerzte ihn, denn es bedeutete, dass er seine Freunde nicht mehr so häufig sehen würde. Die vergangenen fünf Jahre waren die schönsten seines Lebens gewesen und nun näherte sich diese Zeit dem Ende. Wer würde ihm einmal im Monat beistehen, wenn jeder sein eigenes Leben lebte? Angenommen, James würde mit Lily zusammenkommen, wie er es sich in seinen Träumen bereits ausmalte...und angenommen, er würde sie heiraten und sie hätten Kinder, würden sie dann wollen, dass sie auch weiterhin Kontakt hatten? Sicher, James war sein Freund und auch Lily war nett zu ihm, doch wenn es um den Nachwuchs ging, reagierten viele Menschen verständlicherweise empfindlicher. Außerdem würde James bestimmt zu beschäftigt mit seiner Familie oder auch seiner Quidditch-Karriere sein, als dass er ihm jeden Vollmond als Hirsch beistehen würde. Was Sirius‘ und Peters weiteren Weg anging, war er unsicher, doch auch diese beiden würden möglicherweise eine Familie gründen – wobei sich Sirius noch ein paar Jahre die Hörner abstoßen müsste, ehe er dazu bereit wäre. Und er selbst? Aufgrund seiner Krankheit wäre es viel zu gefährlich, sich auf eine Beziehung einzulassen, was auch der Grund dafür war, dass er bisher jedes Mädchen, das ihm auch nur die kleinsten Avancen machte, ignoriert hatte. Er würde niemals eine Familie gründen können und nur mit viel Glück eine Arbeitsstelle finden – welcher Chef akzeptierte es auch, wenn man einmal im Monat wegen Krankheit ausfiel? Wenn durchsickerte, dass er ein Werwolf war, würde ihm niemand eine Anstellung geben, da machte er sich keine Illusionen. Jahr um Jahr wurden diese Gedanken präsenter, auch wenn er sie zu verdrängen versuchte…und am Ende würde er es akzeptieren müssen. „Und was genau willst du uns damit sagen, Tatze?“, holte ihn James‘ Stimme in die Gegenwart zurück. Er kam nicht umhin, dankbar dafür zu sein. „Wisst ihr nicht mehr?“, erwiderte Sirius ungeduldig. „Unser Streich im vierten Jahr? Als wir den Kürbissaft verhext haben und alle, die davon getrunken haben, für einen Tag rosa Haare hatten?“ Remus musste gegen seinen Willen schmunzeln, als er daran zurückdachte. Sie waren in die Küche geschlichen und James hatte den Saft heimlich verzaubert, während sie die Hauselfen abgelenkt hatten. Viele hatten sich über den Scherz aufgeregt, doch keiner hatte ihnen diesen nachweisen können – schließlich hatten sie nicht jede Kanne verhext und daher waren auch nicht alle betroffen gewesen. Es wäre sonst auch aufgefallen, wenn sie vier als Einzige keine rosa Haare bekommen hätten. „Sogar Dumbledores Bart war rosa…“, hörte er James mit amüsiertem Unterton sagen. Seltsamerweise hatte sich der Schulleiter kein bisschen aufgeregt, sondern schien eher belustigt gewesen zu sein. Tatsächlich hatte er behauptet, dass er es in Erwägung ziehen würde, sich die Haare dauerhaft rosa färben zu lassen. McGonagall dagegen war fuchsteufelswild gewesen…doch nicht nur sie. „Lily hat uns direkt durchschaut und wäre uns am liebsten an die Gurgel gegangen“, fügte er hinzu und von James kam ein Seufzen. „Daran erinnere ich mich leider auch noch…“ „Jaah, aber eigentlich fand sie es auch witzig“, behauptete Sirius leichthin. „Sie konnte es nur nicht zugeben!“ Remus konnte diese Meinung nicht teilen, doch er sagte nichts dazu. „Ich will damit ja nur sagen…wird es nicht mal Zeit für einen neuen Streich?“, fuhr ihr Freund fort und obwohl er unter dem Umhang verborgen war, konnte er sich das Funkeln in seinen grauen Augen lebhaft vorstellen. „Tatze…“, begann er leise, wurde jedoch unterbrochen. „Wir könnten dieses Mal noch einen draufsetzen…zum Beispiel die Dauer des Tranks verlängern…oder wir lassen es rosa Blütenblätter in der großen Halle regnen…oder wir mischen-“ „Sorry Kumpel, aber daraus wird nichts.“ Remus stutzte merklich, als er James‘ resignierte Stimme hörte; was sollte das denn heißen? „Was?! Warum nicht?!“, entrüstete sich auch Sirius, während von Peter ein Quieken kam. Ein weiteres Seufzen ertönte. „Na, wenn wir das machen, wird Evans sofort wissen, dass wir es waren…Beweise hin oder her. Sie wird mir dann wieder vorhalten, wie unreif und kindisch ich bin…tut mir leid, Leute, aber das ist es mir nicht wert, auch wenn ich mir jetzt wie die größte Spaßbremse vorkomme.“ Stille herrschte auf diese Worte hin und sie alle waren stehen geblieben. Remus traute seinen Ohren kaum; war das wirklich James, der da sprach? „Das liegt daran“, grummelte Sirius. „…dass du die größte Spaßbremse bist, Krone. Ist das wirklich dein Ernst?“ „Leider ja…sieh mal, ich will es mir nicht noch mehr mit ihr versauen…versteh das doch.“ „Ich versuch‘s…aber es fällt mir wirklich schwer. Ich meine…wir sind die Rumtreiber!“ „Ich sag ja nicht, dass ich jetzt für immer einen auf Langweiler machen will…aber solche großen Nummern kann ich mir gerade nicht leisten.“ „Hm. Ach Mist…“ Remus hörte der Diskussion immer noch mit absolutem Unglauben zu; er träumte das nicht oder? „Krone“, begann er langsam und sah in die Richtung, in der er seine Freunde vermutete. „Ich glaube…du wirst tatsächlich erwachsen. Dabei habe ich die Hoffnung schon aufgeben wollen…“ Abermals Stille. „Ach, halt die Klappe…“, murrte James dann, was ihn zum Schmunzeln brachte. „Der Vertrauensschüler ist stolz auf dich, Krone…fühl dich geehrt“, brummte Sirius sarkastisch, doch Remus fühlte sich nicht angegriffen. Sicher war Sirius nicht glücklich über die Entscheidung seines besten Freundes, doch er würde sie akzeptieren. Die kleine Spitze nahm er ihm daher nicht übel, sondern belächelte die Worte nur – vor allem, als von Sirius ein „Autsch!“ kam, was darauf schließen ließ, dass James ihn geboxt hatte. „Idiot.“ Remus musste ein Lachen unterdrücken, wandte sich dann kopfschüttelnd ab und ging weiter. „Hey…wartet mal…“ Abermals hielt er inne, warf einen Blick hinter sich. „Was ist denn, Krone?“, flüsterte er zurück. „Ich hab gerade auf die Karte geschaut…“ „Und?“ „…was hat Snape um die Uhrzeit in Slughorns Büro zu suchen?“ „Was?“ „Schniefelus ist in Slughorns Büro?“ „Ja…schau doch selbst nach, Tatze…er ist allein da drin.“ „Oh Mann…was glaubt ihr, hat dieser schmierige Sack vor?“ „Keine Ahnung, aber was Gutes kann es nicht sein.“ „Wahrscheinlich klaut er irgendwas…“ Remus war noch immer zu perplex, um etwas darauf zu erwidern. Er wusste, dass Slughorn als Zaubertränkelehrer allerhand Zutaten in seinem Büro aufbewahrte. Von daher konnte man annehmen, dass Sirius mit seiner Vermutung Recht hatte. „Vielleicht hat er was Schwarzmagisches vor…?“, überlegte Sirius. „Wir sollten der Sache auf jeden Fall nachgehen!“ Ein zustimmendes Quieken ertönte von Peter, der sich ebenfalls unter dem Umhang befand. Remus dagegen befand sich im Zwiespalt; eigentlich wollte er keinen weiteren Streit mit Snape provozieren, doch er konnte seinen Freunden nicht widersprechen. Es war nun mal Tatsache, dass sich Snape für die dunklen Künste interessierte. „Komm schon, Moony…das ist praktisch deine Pflicht als Vertrauensschüler!“, bemerkte Sirius und er schnaubte. „Ich weiß, was meine Pflicht ist…also gut. Gehen wir.“ Während sie sich auf den Weg zu Slughorns Büro machten, ging ihm durch den Kopf, dass sie selbst auch schon Zutaten entwendet hatten. Nur für ein paar harmlose Streiche, doch Diebstahl blieb Diebstahl. Sicher, sie konnten nicht wissen, was Snape vorhatte…aber war es nicht auch unfair, ihm direkt etwas Schlechtes zu unterstellen? „Wenigstens ist Filch nicht in der Nähe…“ „Der hätte mir jetzt noch gefehlt“, gab James zurück. „Wobei es witzig wäre, wenn wir dafür sorgen würden, dass er Schniefelus erwischt…meint ihr, er hängt ihn dann an seiner Nase auf?“ „Möglich wäre es bei dem Zinken ja…“ Remus enthielt sich eines Kommentars, auch wenn es ihn nervte. Es war unnötig, so über Snape zu reden…ob er nun anwesend war oder nicht. Bis zu einem gewissen Grad verstand er den Groll gegen den dunkelhaarigen Slytherin ja, aber andererseits war seit Wochen nichts Relevantes passiert. Snape vergrub sich in seinen Büchern, lernte in der Bibliothek…gut, er stellte nach wie vor Lily nach, doch James buhlte doch ebenfalls um ihre Gunst. Zumal er auch noch bessere Chancen hatte, nun, wo Lily nicht mehr mit Snape befreundet war und ihn größtenteils mied. Aber vielleicht verlangte er auch zu viel, wenn er hoffte, dass sich Jahre des gegenseitigen Hasses so einfach überwinden ließen. Tatsächlich griffen sie Snape direkt vor Slughorns Büro auf, als er soeben die Tür wieder magisch verschloss. James und Sirius verloren keine Zeit, indem sie sich den Tarnumhang herunterzogen und ihre Zauberstäbe auf den Slytherin richteten. „Expelliarmus!“ Der Zauberstab wurde Snape aus der Hand gerissen, als James ihn entwaffnete. „Auf frischer Tat ertappt, Schniefelus!“, kam es triumphierend von Sirius. Remus missfiel, wie der Slytherin erschrocken zu ihnen herumfuhr, dazu noch unbewaffnet. Er trug wie gewohnt seinen schmuddeligen, schwarzen Umhang und die Haare hingen ihm strähnig in die Stirn. Jedoch wandelte sich der Schock sehr schnell in den gewohnten Hass um. „Ihr…“, grollte er erbost und ballte die Hände zu Fäusten. „Ja, Snape…wir“, entgegnete James und funkelte ihn an. „Was hast du in Slughorns Büro gemacht? Geklaut?“ „Das geht euch überhaupt nichts an!“, zischte der Slytherin zurück und Remus fiel auf, dass die rechte Tasche seines Umhangs ausgebeulter war, als die linke. „Oh doch, Schniefelus…es geht uns sehr wohl was an“, erwiderte Sirius genüsslich. „Leer doch mal deine Taschen, hm?“ „Wollen doch mal sehen, was du gestohlen hast…und für was du es brauchst.“ „Tse…das kann man doch direkt erraten, Krone. Sicher benötigt er es für seine schwarzmagischen Tränke…mit denen kann er uns dann vergiften.“ Snape knirschte mit den Zähnen. „Und du wärst der Erste, Black“, schoss er zurück, woraufhin Sirius einen bedrohlichen Schritt auf ihn zumachte. „Das passt zu dir, du feiger Mistkerl...aber wenn es um einen Kampf Mann gegen Mann geht, dann ziehst du den Kürzeren!“, knurrte er, doch James hielt seinen besten Freund an der Schulter fest. „Lass ihn, Tatze. Wir lösen das hier anders…“ Remus, der bisher nur schweigend zugehört hatte, wurde flau im Magen, als James ihn ansah. „Moony, du solltest am besten einen Lehrer holen…McGonagall vielleicht.“ Aus den Augenwinkeln sah er zu Snape, der merklich blass wurde. Kein Wunder…Diebstahl war ein Vergehen, das in Hogwarts nicht geduldet wurde. Snape würde mehr als eine Verwarnung erhalten und McGonagall würde ihm die Hölle heißmachen. „Die Idee ist super, Krone!“, kam es von Sirius und er sah mit blitzenden Augen zu Snape. Dieser ging direkt wieder auf Abwehr, starrte nun auch ihn mit unverhohlener Abscheu an. „Und du nennst mich feige, Black?“, zischte er zurück, doch James schaltete sich ein. „Ich hab ehrlich gesagt keine Lust, mich schon wieder mit dir zu duellieren, Snape…den Ärger spar ich mir und du kriegst trotzdem, was du verdienst.“ Natürlich wusste jeder, dass er diese Lösung wählte, weil er so keinen Ärger mit Lily bekommen würde. Remus seufzte innerlich, da er soeben in einen inneren Konflikt geriet. Einen Moment blieb er still, dachte daran, dass sie selbst auch schon Dinge gestohlen hatten. Was Snape tat, war nicht richtig…aber sie waren keinen Deut besser. Den Slytherin zu verpetzen, erschien ihm einfach…falsch. Er warf ihm einen Blick zu, fühlte sich unter den schwarzen Augen unwohl. Die Vorwürfe, die Snape ihm mehrmals gemacht hatte, schienen auf ihn einzuprasseln. Wenn er Snape jetzt bei einem Lehrer anschwärzte, wäre alles, was ihm der andere im Bezug darauf an den Kopf geworfen hatte, wahr…und noch dazu würde er sich der Doppelmoral schuldig machen. Sein Gewissen quälte ihn bereits jetzt, doch ebenso wollte er sich seinen Freunden ungern entgegen stellen. Was sollte er also machen? „Komm schon, Moony!“, riss ihn Sirius aus seinen Gedanken. „Wir halten Schniefelus hier fest…wenn du mit McGonagall kommst, sind wir längst weg.“ Er reagierte nicht, stand noch immer unentschlossen an Ort und Stelle, ohne einen von ihnen anzusehen. Dennoch spürte er die Blicke der anderen auf sich, auch den von Snape und er wunderte sich, dass der Slytherin so still war. „Moony?“, fragte nun auch James. Remus haderte mit sich, sah dann zu Snape, der ihn lauernd aus seinen dunklen Augen fixierte. Ihm fiel erneut die angespannte Haltung des Slytherins auf, wie ein in die Enge getriebenes Tier…und es weckte Mitleid in ihm. Nach der Weihnachtsfeier und dem kurzen Gespräch war ihm bewusst geworden, dass seine Frage absolut unpassend gewesen war. Er hatte es nicht böse gemeint, aber dennoch einen empfindlichen Nerv bei Snape getroffen. Es lag nahe, dass der Slytherin aus ähnlichen Gründen wie Sirius in Hogwarts blieb…so gesehen war er nicht weniger unsensibel als Slughorn gewesen. Es erinnerte ihn wieder daran, dass er seine Familie und Freunde hatte…und dass Snape allein war. Niemand sollte allein sein, nicht einmal jemand wie Snape. Noch während er Luft holte, wusste er, dass er seine Entscheidung später bereuen würde. „Dir ist bewusst, dass sich Schüler nachts nicht in den Korridoren aufhalten dürfen, Snape?“, sprach er den Slytherin an. Dieser warf ihm einen so gehässigen Blick zu, dass er fast schon Funken sprühte. „Als Vertrauensschüler kann ich dir dafür Punkte abziehen, dir Strafarbeiten aufgeben oder dich bei einem Lehrer melden.“ Ein verächtliches Schnauben folgte, während Sirius‘ Grinsen immer breiter wurde und James ebenfalls ziemlich zufrieden wirkte. „Also schlage ich vor, du gehst lieber so schnell wie möglich zurück in deinen Schlafsaal…das nächste Mal belasse ich es nicht bei einer Verwarnung.“ „Genau, das nächste Mal – Moment…was?!“ „Spinnst du, Moony?!“ Seine beiden Freunde sahen ihn fassungslos an, doch das war nichts im Vergleich zu Snape, dem alles aus dem Gesicht gefallen war. Er stand nur da und starrte ihn an, dabei immer noch in seiner Abwehrhaltung…vermutlich befürchtete er, er wollte ihn nur in Sicherheit wiegen. „Moony, das kann nicht dein Ernst sein!“ „Genau das – hey Snape! Wag‘ es nicht, dich nach deinem Stab zu bücken, du widerlicher-“ „Er nimmt jetzt seinen Stab und verschwindet“, unterbrach Remus ihn, wobei er versuchte, ruhig zu klingen. Snape starrte ihn immer noch an, als zweifelte er an seinem Verstand. Dann verengte er die Augen, sah kurz zu seinem Zauberstab und wieder zurück zu ihm. „…ist das ein Trick?“, zischte er und bestätigte damit Remus‘ Annahme. Er seufzte leise, schüttelte den Kopf. „Kein Trick, Snape…geh einfach.“ Abermals zögerte der Slytherin, doch dann bückte er sich innerhalb von Sekunden nach seinem Stab und sprang wieder auf. Remus reagierte nicht, als die Zauberstabspitze auf sie drei zeigte, doch James und Sirius hoben ihre eigenen sofort. Keiner tat etwas…sie sahen einander nur an. „Moony…willst du den ernsthaft davonkommen lassen?“, fragte James ungläubig. „Er hat gestohlen, verdammt…das ist die Gelegenheit für uns!“ Remus wandte den Blick nicht von Snape ab, machte aber auch keine Anstalten, seinen Stab zu ziehen. „Wie oft haben wir was geklaut? Und ihr beide dürftet auch nicht hier sein, falls ihr das vergessen habt.“ Ganz zu schweigen von Peter, der sich jedoch still verhielt. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich, Moony?“, kam es etwas schroffer von Sirius. Es war genau die Frage, vor der sich Remus gefürchtet hatte. Zumal es der Grund war, aus dem er viele Male nicht eingegriffen hatte, selbst wenn es ihm zu viel wurde. Er wandte sich von Snape ab, der immer noch wie versteinert da stand, sich wohl nicht entscheiden konnte, was er tun sollte. „Ich muss als Vertrauensschüler fair sein“, erwiderte er und versuchte, sich nicht von Sirius kühlem Blick einschüchtern zu lassen. „Ich verpetze euch beide ja schließlich auch nicht.“ „Wir sind auch deine Freunde! Das da ist Schniefelus! Wie kannst du das miteinander vergleichen?!“ Selbst James, der bisher stirnrunzelnd zugehört hatte, schien aufzufallen, dass Sirius‘ Tonfall langsam an der Grenze angekommen war. Remus ahnte, dass es mit dem Gespräch von zuvor zusammenhing. Erst James, der sich weigerte, bei einem Streich mitzuwirken, und nun er, der Snape decken wollte. „Tatze…“, brummte sein bester Freund und sah ihn an. „…du weißt doch, wie rechtschaffen Moony ist…“ Es war herauszuhören, dass James selbst nicht an seine Worte glaubte, ebenso wie ihm der skeptische Blick nicht entging. Um sich davon abzulenken, sah er wieder zu Snape, der langsam seinen Stab sinken ließ. Ihre Blicke trafen sich und Remus konnte den Ausdruck dieses Mal nicht deuten…jedoch fuhr Snape da auch schon herum und verschwand ohne ein weiteres Wort. „Klasse…jetzt ist er weg!“, grollte Sirius und als er sich zu seinem Freund umdrehte, sah er Peter fiepend auf seiner Schulter sitzen. In den schwarzen Knopfaugen schien ein stummer Vorwurf zu liegen…na toll. Er seufzte entnervt, ehe er versuchte, die Wogen zu glätten – vergeblich. „Hör mal, ich-“ „Nein, spar es dir einfach!“, fuhr Sirius ihm über den Mund. „Dass du…diesen ekelhaften Gnom uns vorziehst, ist einfach…ich meine, was hast du dir dabei gedacht?! Wieso bist du auf seiner Seite?!“ „Das bin ich nicht…“ „Ach nein? Sah aber verdammt danach aus!“ „Tatze…“ „Nein, ernsthaft…lass es einfach gut sein!“ Und mit diesen Worten ließ er sie stehen, verschwand – mit Peter auf der Schulter – Richtung Gemeinschaftsraum. Na hoffentlich griff ihn keiner auf dem Weg auf…sonst würde er ihm dafür sicher die Schuld geben. Er seufzte schwer, hatte jetzt ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Freunden. Genau das hatte er doch immer verhindern wollen. Remus drehte den Kopf, sah zu James, der nur da stand und ihn abwartend ansah. „…bist du auch wütend auf mich?“, fragte er resigniert und sein Freund zog die Brauen zusammen. „Ich bin eher verwirrt. Seit wann setzt du dich für Snape ein?“ „Ich…also…Krone, ich…“ „Schon gut.“ Er sah James verdutzt an, welcher sich seufzend durchs Haar fuhr. „Ist vielleicht besser so“, meinte er langsam. „Nicht, dass ich Snape nicht gerne in Bedrängnis gesehen hätte, aber…er hätte sich rächen wollen. Am Ende liefert er mir wieder einen Grund, ihn zu verhexen, dann kriegt Evans das mit…und ich bin wieder bei Null.“ Er schien seine nächsten Worte kurz zu überdenken, sah ihn aus seinen braunen Augen an. „Und du hast das eben wirklich nur der Fairness halber gemacht?“, fragte er noch mal nach. „Ja…du weißt, dass ich als Vertrauensschüler schon viel zu oft ein Auge zudrücke…“ „Stimmt wohl…aber du bist ja auch ein Rumtreiber.“ Er zwinkerte ihm zu und winkte ihn dann mit sich. „Jetzt komm…und mach dir keine Sorgen, Tatze beruhigt sich schon wieder.“ „Meinst du?“, fragte er zweifelnd nach, doch James nickte bloß. „Na klar! Er war sowieso schon sauer, weil ich nicht bei seinem Vorschlag dabei war…dass du Snape entkommen lässt, hat ihm den Rest gegeben.“ Er klopfte ihm auf die Schulter. „Mach dir keinen Kopf, ich werde mit ihm reden, okay? Er hat die Sache bestimmt bald vergessen.“ Remus nickte dankbar, auch wenn er sich immer noch unwohl fühlte. So eine Situation hatte er bisher jedes Mal vermieden, eben weil er nicht streiten wollte. Die drei waren seine besten Freunde und er wollte sich das nicht kaputtmachen. Trotzdem…war es einfach das Richtige gewesen, Snape davonkommen zu lassen. Er erwartete von diesem natürlich keinen Dank, aber vielleicht begegnete ihm der andere nun ein bisschen weniger feindselig. Wobei…warum kümmerte ihn das? Im Gegensatz zu Snape hatte er Freunde…falls Sirius ihm verzieh. Mit einem unguten Gefühl folgte er James nach oben…für heute war die Nacht jedenfalls gelaufen. Kapitel 14: Valentinstag ------------------------ Wenn es einen Tag gab, den Severus Snape noch mehr verabscheute als Weihnachten, dann war es der Valentinstag. Schon eine Woche zuvor hatte dieser Wahnsinn, der sogar vor seinem Haus nicht Halt machte, begonnen. Mit Sicherheit würde Rabastan Lestrange auch in diesem Jahr einen Berg von Geschenken auf dem Tisch vor sich liegen haben. Es war nicht so, dass er neidisch war, denn die Slytherin-Schülerinnen konnten ihm gestohlen bleiben…genau genommen konnte jedes Mädchen in Hogwarts Lestrange hinterherschmachten, solange es nicht Lily war. Nicht zum ersten Mal verfluchte er sich dafür, dass er es in all den Jahren nicht über sich hatte bringen können, ihr ein Geschenk zu machen. Er hätte es ganz subtil anstellen können, wenn er so darüber nachdachte. Es musste ja keine herzförmige Pralinenschachtel sein – das war widerwärtig kitschig. Er hätte ihr ein Buch schenken können, eines, von dem er wusste, dass sie es sich wünschte…oder er hätte ihr einen besonderen Trank zusammengebraut. Lily war keines dieser Mädchen, die den Wert eines Geschenks daran maßen, wie viel es gekostet hatte. Trotzdem hatte ihn jedes Mal der Mut verlassen, so dass er seine Ideen letztendlich verworfen hatte. Dieses Jahr würde es genauso laufen, denn auch wenn Lily ihn nicht mehr zu verachten schien, so mied sie ihn weiterhin und machte somit deutlich, dass sie keine Freunde mehr waren. Sein einziger Trost in dieser Hinsicht bestand darin, dass sie auch Potter die kalte Schulter zeigte. Hass stieg in ihm auf, als er daran dachte, dass dieser arrogante Mistkerl Lily in den letzten Jahren jedes Mal beschenkt hatte. Pralinen, Rosen und was noch für kitschigen Kram, doch sie hatte nie etwas davon angenommen – wenigstens diesen Lichtblick konnte ihm keiner nehmen. Missmutig schweifte sein Blick zur Seite, während er durch die Gänge lief, und blieb kurz an einer Gruppe kichernder Schülerinnen hängen. Eine von ihnen hielt Zaubertränke für Fortgeschrittene in den Händen, plapperte aufgeregt daher und der Rest der Truppe kicherte abermals dümmlich. Er hatte noch nie verstanden, wie man sich für diese Art von Mädchen interessieren konnte. Da konnten sie noch so hübsch sein, wenn sie den Mund aufmachten und es kam nur Schwachsinn raus, hatte sich das damit erledigt. Lily war beides, schön und klug, freundlich ebenfalls und vermutlich war sie deswegen so beliebt. Zumindest waren es die Gründe, wegen denen er nicht aufhören konnte, an sie zu denken. Allerdings gab es doch noch etwas, das ihn zurzeit mehr beschäftigte, als es eigentlich sollte. Severus war gut darin, Leute zu hassen, ihnen seine Verachtung zu zeigen und ihnen die Pest an den Hals zu wünschen. Dagegen war Dankbarkeit Zeigen wie ein rotes Tuch für ihn, zumindest wenn es sich um jemand anderen als Lily handelte. Remus Lupin gehörte jedenfalls definitiv nicht zu den Leuten, denen er etwas schuldig sein wollte. Dennoch war er es, denn Lupin hatte ihn in jener Nacht seinen Freunden vorgezogen, anstatt ihn zu verpetzen – daran gab es leider nichts zu rütteln. Das Resultat war, dass sich die Rumtreiber für fast zwei Wochen gespalten hatten, und auch wenn Severus dies als höchst amüsant empfand, konnte er es nicht vollends auskosten. Einmal weil Black ihm seitdem noch öfter als sonst auflauerte und zweitens…weil er nicht nachvollziehen konnte, warum Lupin es überhaupt getan hatte. Es ergab keinen Sinn, ließ nur einen Schluss übrig und der gefiel Severus fast noch weniger, als wenn der Werwolf irgendeinen Hintergedanken gehabt hätte: Lupin war ein gutherziger Vollidiot. Anders konnte es nicht sein, wenn er Blacks Unmut für ihn in Kauf nahm. Oh und der hatte es ihn spüren lassen, so viel konnte selbst er sagen. In der ersten Woche hatte anscheinend Funkstille geherrscht, denn Lupin und Black hatten sich während des Unterrichts nicht mal mehr angesehen, geschweige denn ein Wort miteinander gewechselt. Einmal hatte er mitbekommen, wie Potter im Gang auf Black eingeredet hatte, doch dieser hatte stur und uneinsichtig gewirkt. Lupin hatte dagegen eher den Eindruck eines geprügelten Hundes gemacht, doch das wunderte ihn nicht. Sicher schlug ihm dieser kleine Streit auf sein sonniges Gemüt…erbärmlich. Da hatte er einmal den Mut, sich gegen seine ach so tollen Freunde zu stellen, und dann zog er wieder den Schwanz ein? Andererseits kam Severus nicht umhin, einen Funken…Mitleid mit ihm zu haben, immerhin war er schuld an Lupins Misere. Warum hatte er nicht wie sonst auch den einfachen Weg gewählt, indem er ihn verpetzt hatte? Wobei das nicht ganz stimmte, wenn er ehrlich zu sich selbst war…Lupin hatte ihn schon einmal gedeckt und zwar, als sie sich alle auf dem Gang duelliert hatten. Allerdings wäre es dieses Mal noch fataler gewesen, wenn man ihn erwischt hätte. Immerhin hatte er einen Lehrer bestohlen und noch dazu war eine der Zutaten ziemlich teuer. Graphorn-Pulver bekam man nicht einfach so auf dem Markt, jedoch verstärkte es viele Tränke um ein Vielfaches. Das Feuersalamander-Blut war auch nicht besonders billig und er benötigte es für einen Trank, den er demnächst zum ersten Mal ausprobieren wollte. Wenn McGonagall davon erfahren hätte, hätte sie ihn direkt vor Dumbledore geschleift und der hätte ihn möglicherweise von der Schule verwiesen. Diebstahl wurde in Hogwarts nicht geduldet, das wusste jeder…und dazu kam Einbruch in das Büro eines Lehrers. Demzufolge hatte er Lupin in diesem Fall ziemlich viel zu verdanken…und das verkomplizierte alles. Warum konnte er sich nicht gewohnt feige verhalten, damit er ihn uneingeschränkt hassen konnte? Im Moment verspürte er nämlich eher das Bedürfnis, sich…zu revanchieren. Nun gut, viel konnte er nicht machen, zumal Potter Black mittlerweile wohl so weit hatte, dass er Lupin nicht mehr sträflich ignorierte. Bald würde sich die Gruppe wieder zusammenschließen…welch immense Erleichterung. Er schnaubte leise, während er um die Ecke bog, wobei er nicht umhin kam, sich kurz nach Black umzusehen. Jedoch schien die Luft rein zu sein, so dass er eigentlich weitergehen wollte…doch dazu kam es nicht. „Snape! Snape, warte!!“ Er zuckte aus Reflex zusammen, als hektische Schritte ertönten und jemand nach ihm rief. Ein Mädchen, das er lediglich vom Sehen kannte, wie er feststellte, als er sich umdrehte. Kein Wunder…was interessierte ihn irgendeine unwichtige Hufflepuff? „Ich…wir müssen…reden!“, stammelte sie und sah sich kurz nach links und rechts um, ehe sie sich wieder ihm zuwandte. „Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten“, erwiderte er abweisend und musterte sie mit unverhohlener Abneigung. Jetzt wusste er auch wieder, warum sie ihm bekannt vorkam; sie hatte vorhin mit ein paar anderen Mädchen im Gang gestanden und so albern gekichert. „Also…es geht darum“, begann sie verschwörerisch und beugte sich zu ihm vor, „…du bist doch gut in Zaubertränke…nicht wahr?“ Severus hob eine Braue, als sie ihm direkt so unverschämt kam. Erstens war er mehr als gut in diesem Fach und zweitens verhieß es nichts Positives, dass sie so anfing. „Und wenn?“, gab er kalt zurück. „Was geht dich das an?“ Das brünette Mädchen wurde rot, presste kurz die Lippen aufeinander, während sie mit sich zu hadern schien. Severus widerstand dem Drang, sie ruppig anzuherrschen, nur schwer. „Du darfst es aber…niemandem weitersagen…“, flüsterte sie und sah ihn ernst an. „Versprich es!“ Er sollte sie wirklich einfach stehen lassen, doch wenn er sich anhörte, was sie zu sagen hatte, konnte er sie im Nachhinein vielleicht noch besser demütigen. „Von mir aus“, meinte er daher knapp und ohne das Versprechen ernst zu nehmen. „Versprich es!“, forderte sie und stemmte die Hände in die Hüften. Severus schwarze Augen wurden schmal. „Du sagst mir jetzt, was du willst, oder ich gehe!“, zischte er sie an, woraufhin sie ganz still wurde. Typisch Hufflepuff, die waren einfach zu nichts zu gebrauchen und einfach nur nervig. Mit einem verächtlichen Blick wollte er sie stehen lassen, doch da öffnete sie doch noch den Mund. „Nein, warte…ich…es geht um einen Trank“, quetschte sie hervor und sah ihn aus ihren braunen Kulleraugen flehend an. Ihm wurde schlecht, dennoch fragte er des Interesses halber nach, wenn auch schroffer als nötig. „Was für ein Trank?“ „Ein…nun ja…es ist doch…bald Valentinstag…und ich…habe mich gefragt…ob du mir nicht…einen…einen Liebestrank brauen könntest…“, rückte sie endlich mit der Sprache raus. Stille. „…ich würde dich natürlich bezahlen!“, fügte sie hastig hinzu, als sie seinen finsteren Blick bemerkte. „Wie bitte?!“ Das wurde ja immer besser. „Ja, wirklich!“, beteuerte sie eilig. „Bitte, Snape…ich würde dich nicht bitten, wenn ich nicht wüsste, dass du so…so…uhm…talentiert bist...“ Jetzt schleimte sie ihm auch noch die Ohren voll…ihm wurde schlecht von dem Getue und das wollte er ihr auch sagen, doch sie war schneller. „…bitte, es…ohne den Trank wird Sirius niemals mit mir ausgehen…“ Oh. Es ging also um Black? Severus’ ablehnende Haltung geriet ins Wanken, kaum dass er den Grund für diese peinliche Unterredung vernommen hatte. Auf der einen Seite wollte er ihr vor die Füße spucken und ihr mitteilen, was er von ihrem Schwarm hielt, für den sie sogar zu ihm kam. Das musste sie bestimmt viel Überwindung gekostet haben, wenn man seinen Ruf bedachte. Auf der anderen Seite eröffnete ihm das ganz neue Möglichkeiten, allem voran die Chance, Black loszuwerden. Na gut, allzu drastisch durfte die Wirkung nicht sein – er wollte nicht wegen des Mordes an Black nach Askaban geschickt werden. Unvorstellbare Schmerzen würden fürs Erste ausreichen…oder doch lieber etwas, das Black so unansehnlich machte, dass ihn kein Mädchen je wieder ansprechen würde? Die Palette an Möglichkeiten war ungemein groß und so verlockend, dass er gar nicht merkte, wie er in seinen Gedanken versank und sich langsam ein berechnendes Lächeln auf seine dünnen Lippen legte. „Ehm…Snape?“ Severus blinzelte, als ihn die Hufflepuff in die Wirklichkeit zurückholte. Erwartungsvoll wurde er angesehen und er haderte innerlich mit sich; sollte er die Gelegenheit ergreifen? Es wäre töricht, würde er sie sich entgehen lassen. Wobei…dieses pubertäre Weibsbild vor ihm würde ihn wahrscheinlich sofort verpetzen, wenn er ihrem geliebten Black irgendwas antat – und wenn ihm nur eine seiner Locken ausfiel. Nein. Wenn er Black vergiften wollte, musste er es ohne potenzielle Zeugen tun, und damit war die Antwort eindeutig…oder? „Wirst du mir helfen?“ Was malte sich diese einfältige Schnepfe eigentlich aus? Dass ein kleiner Liebestrank Black für immer an sie binden würde? Die Dauer war bei den meisten Tränken begrenzt und es würde niemals wahre Liebe sein – doch vermutlich war ihr das egal, solange er ihr für ein paar Tage hörig war. Erbärmlich. Als würde ein Trank die Lösung aller Probleme sein und…er stockte, kaum dass er den Gedanken realisiert hatte. Er korrigierte sich…vielleicht war ein Zaubertrank ja doch die Lösung aller Probleme…oder zumindest eines Problems. Selbstzufrieden grinste er vor sich hin, nahm den misstrauischen Blick seines Gegenübers gar nicht wahr. „Snape? Was ist denn nun?“ „Was?“, murmelte er abwesend, ehe er abwinkte. „Ja, ja…ich denke drüber nach…und jetzt scher dich weg!“ „Valentinstag ist aber schon morgen!“, erinnerte sie ihn empört und er verlor die Geduld. „Das ist mir vollkommen egal!“, blaffte er sie an. „Dann wirf dich Black doch ohne Trank an den Hals! Bei seinem Verschleiß hast du sicher gute Chancen!“ Vermutlich hätte er sie sofort so anblaffen sollen, denn es zeigte Wirkung. Sie sah ihn geschockt an, ehe sich ihre Augen mit Tränen füllten und sie davonlief. Sollte sie doch heulen. Er würde einen Teufel tun und Black noch bessere Chancen bei solch oberflächlichen Dumpfbacken einräumen. Darauf hätte sie aber auch selbst kommen können…oder dachte sie, er würde sich mit Geld bestechen lassen? Wobei er das eigentlich gut hätte gebrauchen können…nun ja, sei es drum, wenigstens hatte sie ihm eine Idee für sein Problem geliefert. Es war nicht seine Art, definitiv nicht, doch es war ja auch kein gewöhnlicher Fall. Grübelnd ging er Richtung Gemeinschaftsraum…schließlich hatte er Arbeit vor sich. Am nächsten Tag bereute er sein Vorhaben schon fast wieder, denn er hatte die halbe Nacht durchgemacht und fühlte sich dementsprechend, als hätte ihn eine Horde Zentauren niedergetrampelt. Hoffentlich lohnte sich die ganze Arbeit wenigstens, doch wenn nicht, wäre es ganz sicher nicht seine Schuld, denn er hatte definitiv alles richtig gemacht. So viel Vertrauen hatte er dann doch in seine Fähigkeiten. Das einzige Problem war jetzt nur noch, wie er es ihm zukommen lassen sollte. Er konnte sich schlecht einfach an seinen Tisch stellen und ihm das Fläschchen in die Hand drücken. Nein, das würde nur neugierige Blicke auf sich ziehen – und das konnte er nicht gebrauchen. Die Große Halle fiel damit schon mal weg, wobei Severus sowieso überlegte, ob er das Frühstück lieber auslassen sollte. Aufgrund seiner Müdigkeit verspürte er keinen besonders großen Appetit...und zudem wollte er sich das Getue seiner Mitschüler und der Lehrer ersparen. Schlussendlich war es der Befürchtung, Potter könnte sich ohne sein Wissen an Lily ranmachen, zu verdanken, dass er sich doch noch in die Große Halle begab. Ein Fehler, wie er feststellte, kaum dass er einen Fuß hineingesetzt und die Dekoration ins Auge gefasst hatte. Rosa Blütenblätter regneten vom Himmel und die Tisch-Dekoration war in derselben Farbe gehalten worden. Ihm wurde schlecht…vor allem, als er Potter und Lily entdeckte. Die beiden saßen nebeneinander und Potter schob ihr soeben eine kleine Box zu, wobei er es auch noch wagte, ihr zuzuzwinkern. Zuerst zog Lily eine Braue hoch, doch dann öffnete sie Potters Geschenk doch noch, warf einen Blick hinein. In seiner Brust krampfte sich etwas zusammen, als er ihren verblüfften Ausdruck sah. Als sie Potter wieder anschaute, lächelte sie flüchtig, sie tauschten ein paar Worte und schließlich wandte sie sich mit leicht geröteten Wangen ab. Hatte sie nicht immer behauptet, dass sie eher den Riesenkraken küssen würde, als etwas anzunehmen, das von Potter kam? Wut und Übelkeit stiegen in ihm auf, als Potter Black über den Tisch hinweg einen triumphierenden Blick zuwarf, der anerkennend erwidert wurde. Merkte Lily nicht, was da vor sich ging? Was Potter vorhatte? Doch als er sie das letzte Mal gewarnt hatte, hatte sie ihn sogar noch angefahren, dass es ihn nichts anging. Also konnte er nichts anderes tun, als schlecht gelaunt zu seinem eigenen Tisch zu schlurfen und es fürs Erste hinzunehmen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Lestrange soeben eine herzförmige Packung Pralinen von einem Mädchen annahm. Konnte der Morgen eigentlich noch schlimmer werden? Er bezweifelte es. Durch seine Wut hätte er im Nachhinein beinahe vergessen, dass er noch etwas vorhatte. Es fiel ihm während der Doppelstunde Verwandlung ein, doch in dieser war es ihm unmöglich, sein Vorhaben diskret in die Tat umzusetzen. Also musste er warten, bis die Stunde vorüber war und McGonagall sie endlich entließ. Während er seinen Becher zurück in eine Ratte verwandelte, dachte er darüber nach, wie er es am besten anstellen konnte. Auch wenn Lupin und Black immer noch nicht besonders gut aufeinander zu sprechen waren, zogen sie schon wieder gemeinsam mit den anderen beiden rum. Nach dem Unterricht konnte er ihn also nicht direkt abpassen, doch wenn er Glück hatte, konnte er ihn später am Nachmittag erwischen. Tatsächlich bot sich ihm die Gelegenheit und er ergriff sie, bevor wieder etwas dazwischenkam. Er wollte diese Sache endlich hinter sich haben, damit sie quitt waren. „Lupin!“ Der Gerufene hielt inne, warf ihm einen überraschten Blick über die Schulter zu. In seinen Armen hielt er ein paar Bücher aus der Bibliothek, war wohl eben auf dem Weg dorthin gewesen – wie erwartet. Zumindest war er endlich mal allein, denn das Letzte, das er gebrauchen konnte, waren die restlichen Rumtreiber. Wobei das händchenhaltende Pärchen, das soeben an ihnen vorbeischritt, auch nicht besser war. In einer anderen Ecke knutschten zwei Gryffindors aus der Unterklasse herum…war ja ekelhaft; hatten die kein Schamgefühl? Er schnaubte leise, ehe er seine Aufmerksamkeit auf Lupin richtete, der ihn fragend anschaute. „Ja, Snape?“, erwiderte er ruhig und Severus zögerte. Was sollte er auch sagen? Er würde es nicht über sich bringen können, sich zu bedanken. Abermals glitt sein Blick von rechts nach links, doch keiner schien auf sie beide zu achten. „Ich…“ Seine rechte Hand steckte in der Tasche seines Umhangs, hielt den kleinen Gegenstand umklammert. Lupin wartete ein paar Sekunden geduldig, schaute ihn abwartend an…und Severus kam sich dadurch noch blöder vor. Schließlich zog er die Hand aus dem Umhang und hielt ihm das Fläschchen mit der goldfarbenen Flüssigkeit ganz lapidar hin. „Hier!“ Stille. Es war unangenehm, dass Lupin keine Anstalten machte, das Gefäß anzunehmen, sondern ihn nur mit großen Augen anglotzte. Dann mischte sich Misstrauen in seinen Blick und er schaute von dem Fläschchen zu ihm. „…damit eins klar ist“, begann er dann langsam. „Auch wenn Sirius und ich gerade…ein paar Differenzen haben, werde ich ihm nichts untermischen, Snape.“ Und abermals herrschte peinliches Schweigen, wobei Severus aber im ersten Moment nicht einmal verstand, was Black jetzt damit zu tun hatte. Anscheinend bemerkte der Werwolf seine Irritation, denn er erklärte sich. „Ich habe gestern mitbekommen, um was dich Serena Ribbons gebeten hat…und ich kenne dich gut genug, so dass ich weiß, dass du niemals einen Liebestrank brauen würdest. Wenn du also denkst, dass ich Sirius dieses Zeug in seinen K-“ „Du denkst, dass ich dich dazu benutzen will, Black zu vergiften?!“, unterbrach Severus ihn scharf. Lupin sah ihn verdutzt an, als er ihm so harsch ins Wort fiel. „Etwa nicht?“ Severus hätte ihm das Fläschchen am liebsten vor die Füße geworfen, doch dafür steckte zu viel Arbeit in dem Trank. „Auch wenn die Idee ungemein reizvoll ist…nein“, entgegnete er kühl. „Black hat damit nichts zu tun. Nicht, dass ich ihn nicht gern tot sehen würde…aber ich lege keinen Wert darauf, deswegen einen langjährigen Aufenthalt in Askaban zu riskieren.“ Lupin sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an, schien nicht zu wissen, was er darauf erwidern sollte. „Was ist das?“, fragte er schließlich und Severus knirschte mit den Zähnen. „Ein Gift gegen dunkle Kreaturen“, spie er aus, bereute es aber sogleich, als Lupin käseweiß wurde und einen Schritt zurückwich. „Herrgott, Lupin, es ist bloß ein Heilungselixier!“ „…was?“ Musste man diesem Idioten denn alles erklären? Er schnaubte verächtlich, hielt es ihm immer noch entgegen, während er mit gesenkter Stimme fortfuhr. „Ein Elixier, das den Heilungsprozess des Körpers um das Doppelte beschleunigt und Linderung bei Knochenbrüchen und Fleischwunden verschafft.“ „…“ „Nimm es endlich!“, zischte er und drückte es ihm nun in die Hände. Er bemerkte, dass Lupins Finger eiskalt waren – hatte er ihn gerade so sehr erschreckt? Dabei hatte er doch deutlich gemacht, dass er keinen Mord riskieren würde. Lupin schien immer noch wie erstarrt zu sein, sah auf das Fläschchen hinunter, während er die Finger darum krampfte. „…aber…warum?“, hörte er ihn murmeln und Severus seufzte, weil das allmählich anstrengend wurde. „Das sollte dir besser bewusst sein als mir…immerhin ist nächste Woche Vo-“ „Das meinte ich nicht“, fuhr ihm Lupin dazwischen und sah ihn nun ernst an. „Warum tust du das?“ Severus wünschte sich, er würde einfach still sein, den Zaubertrank einstecken und gehen. Natürlich konnte es nicht so einfach sein. „Weil wir damit quitt sind“, gab er schließlich zur Antwort und fühlte sich unbehaglich. Vielleicht weil Lupin ihn immer noch aus seinen Bernsteinaugen fixierte. Vermutete er eine List dahinter? Zuzutrauen wäre es ihm, das musste er selbst zugeben. „Wenn du es nicht willst, schmeiß es halt weg!“, fuhr er ihn an, weil ihm Lupins Schweigen auf die Nerven ging. Dieser betrachtete die goldene Flüssigkeit in dem Fläschchen noch einmal eingehend, ehe er sie langsam in seine Tasche gleiten ließ. Dann schaute er ihn wieder an und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Du hättest dich nicht revanchieren müssen, Snape“, sagte er leise. „Ich wollte das Richtige tun…wenigstens einmal, und dich zu verpetzen, wäre falsch gewesen. Trotzdem…danke.“ Konnte der Werwolf nicht einfach den Mund halten? Solche Worte wollte er von seinem Feind nicht hören…wobei Lupin das anscheinend ja nicht mehr war. Bei Merlin, es wurde schon wieder kompliziert. „Ich brauche deinen Dank nicht!“, erwiderte er garstig, doch es brachte Lupins Lächeln nicht ins Wanken. „Das weiß ich…aber ich möchte mich bedanken. Der Trank hat sicher viel Arbeit gemacht…“ Severus schnaubte. „Sieben Stunden.“ Lupin blinzelte, ehe das Lächeln wieder zurückkehrte. „Ich werde ihn auf jeden Fall ausprobieren!“ „…ich dachte, du misstraust mir?“ Severus verschränkte die Arme, funkelte ihn an. „In Bezug auf Sirius schon.“ „Und warum nicht in Bezug auf dich?“ „Nun…vielleicht bin ich einfach Optimist?“ Lupin zuckte mit den Schultern, was Severus abermals schnauben ließ. Was war das für eine Antwort? „Wie auch immer“, lenkte er ein und kehrte ihm den Rücken. „Hiermit sind wir quitt.“ Eigentlich wollte er gehen, doch die Hand, die ihn an der Schulter festhielt, ließ ihn innehalten. Reflexartig zuckte er unter der Berührung zusammen, wollte Lupin schon anherrschen, dass er seine Pfoten wegnehmen sollte, doch der andere war schneller. „Ich weiß dein Valentinstags-Geschenk wirklich zu schätzen, Snape“, hörte er ihn sagen und die Worte, die ihm auf der Zunge gelegen hatten, wurden im Keim erstickt. Er starrte ihn fassungslos an; wie bitte?! Valentinstags-Geschenk? War Lupin noch ganz bei Trost? Er hatte doch eben seine Beweggründe erklärt! Doch der andere schmunzelte nur, schien belustigt über seinen Gesichtsausdruck. Sollte das eine Art dummer Scherz sein? Wenn ja, konnte er darauf verzichten! Seine Schulter wurde leicht gedrückt, dann ließ Lupin ihn stehen…wie einen Idioten. Seltsamerweise konnte er sich nicht mal ernsthaft darüber ärgern…warum auch immer. Verdammt…warum musste Lupin auch jedes Mal alles komplizierter machen?! Das war ja nicht zum Aushalten! Kapitel 15: Mitternacht ----------------------- Nachdenklich betrachtete er das kleine Fläschchen, kippte dieses leicht hin und her. Die goldene Flüssigkeit darin schimmerte hell, schien in der Dunkelheit des Krankenzimmers zu leuchten. Selbst durch das Glas konnte er die angenehme Wärme fühlen, die der Trank ausstrahlte. Irgendwie erschien es ihm surreal, dass ausgerechnet Snape das Elixier gebraut haben sollte. Weder die Farbe noch die versprochene Wirkung passten zu dem Slytherin. Von der Wärme ganz zu schweigen, denn in Snapes Nähe fühlte man sich eher, als würde man mit einem Eimer Eiswasser übergossen werden. Wenn er so darüber nachdachte, gab es kaum eine positive Eigenschaft an ihm. Allein wie er mit diesem Mädchen aus Hufflepuff gesprochen hatte…oder wie vernarrt er in die dunklen Künste war, zeugte davon, dass er ein schlechter Mensch war. Snape war intelligent, sehr sogar, doch er nutzte dies, um andere zu verletzen. Er war selbstsüchtig und einfach ein unangenehmer Zeitgenosse, den die meisten mieden. Ein Außenseiter. Abermals drehte er das Fläschchen in der Hand, während er auf dem Rücken lag und versuchte, sich möglichst wenig zu bewegen. Drei seiner Rippen waren – mal wieder – gebrochen, die Haut an einigen Stellen aufgeplatzt, doch wenigstens hatte er keine Bisswunden. Die Verwandlung war jedes Mal eine Tortur, riss seinen Körper praktisch auseinander und wenn seine Freunde nicht dabei waren, biss und kratzte er sich selbst blutig. Glücklicherweise waren James, Sirius und Peter echte Freunde, was auch der Streit nicht hatte ändern können. Das unterschied ihn von Snape, denn er war nicht allein. Außerdem wurde er von seinen Eltern geliebt, auch wenn er ihnen viel Kummer bereitete. Wie waren wohl Snapes Eltern? Er erinnerte sich an eine hagere, finster drein blickende Frau, die Snape im zweiten Jahr zum Bahnhof gebracht hatte. Es hatte keine große Verabschiedung gegeben, so als wären die beiden Fremde anstatt Mutter und Sohn. Wenn Snapes Vater genauso kühl war, erklärte das einiges und eigentlich war das ziemlich traurig. Sicher ließ sich damit nicht alles rechtfertigen, immerhin hatte Sirius auch ein schlimmes Elternhaus, doch es war eine Begründung für Snapes Verhalten. Davon abgesehen war Sirius zwar ein Feind der dunklen Künste, hatte dafür aber auch recht radikale Ansichten. Demnach waren alle Slytherins bösartig und Feinde der Gryffindors. Remus konnte nicht behaupten, dass er Freunde im grün-silbernen Haus hatte, doch nicht alle waren schlechte Menschen. Mit Sirius darüber zu diskutieren, brachte jedoch wenig, weshalb er meistens schwieg, wenn es zu dem Thema kam. Dass James die Meinung seines besten Freundes teilte und Peter den beiden nacheiferte, machte es nicht einfacher. Doch sie hatten sich anscheinend geirrt, was Snape betraf. Natürlich hatte er ihnen nicht von dem Trank erzählen können. Sirius sprach endlich wieder mit ihm, nachdem er ihn wochenlang ignoriert hatte, das wollte er sich nicht kaputtmachen. Er hatte ihm noch mal ausdrücklich versichern müssen, dass er Snape wirklich nur der Fairness halber entkommen lassen hatte. Auch hatte er auf James’ Drängen hin gesagt, dass er den Slytherin nicht mochte, und das hatte Sirius besänftigt. Nun, wo er den Heiltrank in der Hand hielt, fühlte er sich deswegen verlogen. Gut, er mochte Snape wirklich nicht besonders, doch die Geste zeigte, dass da ein guter Kern sein musste. Tief verborgen, aber er war da. Es berührte Remus, dass sich Snape Gedanken um seinen Zustand gemacht hatte, um sich zu revanchieren. So garstig er auch gewesen war, die Tat sprach für ihn. Dass er ihn vergiften wollte, glaubte Remus nicht…auch wenn Snape dazu fähig war, würde es wohl eher James oder Sirius treffen. Er musste schmunzeln, auch wenn das eigentlich kein bisschen lustig war – und er bekam prompt die Quittung, als der Schnitt an seiner Lippe wieder aufklaffte. Er stöhnte leise, als die Wunden an seinem Rücken ebenfalls wieder zu jucken und zu schmerzen begannen. Madame Pomfrey versorgte ihn nach der Verwandlung immer bestmöglich, aber es war dennoch eine Qual. Er lag hier schon seit dem Morgen nach Vollmond, hatte den Tag komplett verschlafen…und erst jetzt an den Trank gedacht, den er sich vorsorglich in den Umhang gesteckt hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob Snape wirklich gar keine positiven Eigenschaften hatte oder ob die Leute sie nur nicht sehen wollten. Nun, vermutlich konnte es keiner erkennen, weil Snape es mit seiner Feindseligkeit gar nicht erst zuließ. Er war intelligent, wie schon erwähnt…aber was noch? Zielstrebig, fleißig wohl auch...und er würde offensichtlich alles für Lily tun. Selbst jetzt, wo sie ihn mied, versuchte er sich immer wieder zu entschuldigen. Er bereute, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. Remus entkorkte das Fläschchen, betrachtete abermals die schimmernde, goldene Flüssigkeit…ehe er das Gefäß an die Lippen setzte und in einem Zug leerte. Es schmeckte bitter, so dass er schauderte, doch gleichzeitig fuhr ihm eine wohlige Wärme durch den Körper. Sie breitete sich bis in seine Fingerspitzen aus, ließ ihn sich behaglich fühlen und er seufzte leise. Was auch immer Snape ihm da zusammengebraut hatte, es war unheimlich effektiv. Schon nach wenigen Minuten fühlte sich seine gereizte Haut an, als sei sie mit einem schützenden Film überzogen. Er stellte das leere Fläschchen auf den Nachttisch, ehe er sich in die Decke kuschelte und die Augen schloss. Wenn er wieder hergestellt war, würde er sich unbedingt nochmal bei Snape bedanken müssen. Als Remus wach wurde, war es immer noch Nacht…oder schon wieder? Er konnte es nicht sagen, denn es war nicht selten, dass er nach einer Verwandlung ganze Tage verschlief, da sein Körper die Ruhe dringend benötigte. Er streckte sich einmal, ehe er zusammenzuckte…jedoch grundlos. Das gewohnte Brennen seiner Wunde war nicht verschwunden, doch es fühlte sich nicht länger an, als würde er auseinander gerissen werden. Genau genommen fühlte er sich seltsam ausgeruht und viel kräftiger als sonst. Remus tastete im Dunkeln nach dem Schalter der Nachttischlampe und fand diesen schließlich auch. Verblüfft sah er auf seinen Unterarm, wo die Prellungen zu verblassen begannen. Viel schneller als sonst. Remus fuhr sich durch das wirre Haar, schüttelte dann leicht den Kopf, ehe er sich aufsetzte. Es war nicht angenehm und er fühlte deutlich, dass seine Rippen noch angeknackst waren, doch er konnte sich bewegen, ohne dass ihm jedes Mal vor Schmerzen die Luft wegblieb. Das war einfach… „Genial“, murmelte er, war immer noch fassungslos. „In der Tat bin ich das.“ Remus hatte das Gefühl, gleich einen Herzinfarkt zu bekommen, und dementsprechend zuckte er auch zusammen. Ein eiskalter Schauer durchfuhr ihn, als jemand aus der Dunkelheit auf ihn zutrat, und er starrte die Person an. „Bei Merlin, Snape!“, entwich es ihm. „Was…weißt du, wie spät es ist?!“ Der Slytherin erwiderte seinen Blick so ruhig, als sei er sich keiner Schuld bewusst. „Ich weiß nicht, was das zur Sache tut, aber ja…eine halbe Stunde vor Mitternacht.“ „Du darfst gar nicht hier sein!“ Snape schnaubte leise, ehe er sich einen Stuhl nahm und die Nerven hatte, sich neben ihn ans Bett zu setzen. Erst jetzt fiel Remus auf, dass er ein Notizbuch dabei hatte, und er blickte ihn verwirrt an. „Was soll der Blick, Lupin?“, erwiderte Snape kühl. „Denkst du, ich komme mitten in der Nacht hierher, um dir einen Krankenbesuch abzustatten? Verzeih, dass ich deine Erwartungen enttäuschen muss.“ Die Stimme des Slytherin triefte nur so vor Sarkasmus und Remus konnte sich nicht entscheiden, ob er sich zuerst für den Trank bedanken oder ihm sein Notizbuch um die Ohren hauen wollte. Beides wäre in dieser Situation angebracht. „Warum bist du dann da?“, fragte er genervt und rieb sich die müden Augen. Eigentlich ahnte er es bereits und Snape scheute sich auch nicht, seine Vermutung ohne Umschweife zu bestätigen. „Um die Ergebnisse zu notieren…aus welchem Grund denn sonst? Wohl kaum, weil mir dein Wohlergehen so am Herzen liegt.“ „Keine Sorge, das hätte ich niemals angenommen.“ Remus lehnte sich zurück, während er Snapes blasses Gesicht musterte; in dem spärlichen Licht wirkte es noch finsterer als sonst. Hatte er Snape eigentlich jemals lächeln sehen? Nicht, dass er sich erinnerte, doch seine Freunde und er hatten ihm ja auch nie einen Grund dazu gegeben. Sicher hatte er einige Male in Lilys Gegenwart gelächelt. „Anstatt mich anzustarren, könntest du anfangen, die Wirkung des Tranks zu beschreiben. So detailliert, wie es jemandem wie dir möglich ist…immerhin war es der erste Versuch.“ Stille. „Wie bitte?!“, entfuhr es ihm dann. „Du hast mich als Versuchskaninchen missbraucht?!“ Snape hob langsam den Blick, musterte ihn mit seinen schwarzen Augen. „Was genau ist daran jetzt so verwunderlich?“ „Das…das…“ Ja, eigentlich hatte Snape damit vollkommen Recht. Andererseits hatte er doch behauptet, dass er seine Schuld wieder gutmachen wollte? „Und brüll nicht so herum…ich lege keinen Wert darauf, außerhalb des Schlafsaals erwischt zu werden.“ Remus funkelte ihn erbost an, erwiderte aber nichts mehr. Stattdessen verschränkte er die Arme und presste die Lippen fest zusammen. Er fand das kein bisschen amüsant, geschweige denn, dass er dafür Verständnis hatte, dass Snape ihn benutzt hatte. Dieser schien darauf zu warten, dass er sich zu der Wirkung äußerte, als jedoch keine Antwort erfolgte, seufzte er entnervt. „Hast du in deinem Selbstgespräch vorhin nicht erwähnt, dass ich genial sei?“ Remus errötete leicht, als er das sagte. „Indirekt…“, wich er aus, doch Snape ignorierte es. „Dann dürfte dir bewusst sein, dass ich ein gewisses Vertrauen in meine Fähigkeiten habe und aus diesem Grund davon überzeugt war, keinen Schaden anzurichten, als ich dir den Trank gab.“ Die Argumente waren wirklich gut, auch wenn sich Remus insgeheim darüber ärgerte. Allerdings war Snape ja wirklich talentiert, vor allem in Zaubertränke, und letztendlich hatte er ihm damit geholfen. Das Ergebnis blieb also dasselbe und die Intention…na gut, die war bei Snape ja ohnehin immer recht zweifelhaft. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Er wirkt“, gab er zu und blickte in Snapes durchdringende Augen. „Er wirkt ehrlich gesagt sogar ausgesprochen gut…auch wenn er bitter geschmeckt hat.“ Snape zuckte mit den Schultern. „Es ist ja auch Medizin…und dass Zucker die meisten Tränke wirkungslos macht, sollte selbst jemand wie du wissen.“ „Du kannst einfach nicht freundlich sein, oder?“ „Das liegt daran, dass ich es in den meisten Fällen nicht sein will“, erwiderte Snape lapidar. „Schaden würde es aber auch nicht.“ „Da sind wir verschiedener Ansicht.“ „Scheint so…“ Abermals herrschte Schweigen zwischen ihnen und eigentlich wartete Remus nur darauf, dass Snape ihn weiter über den Trank ausfragte. Zu seiner Verwunderung blieb dieser jedoch still, tippte mit der Feder in gleichmäßigem Rhythmus auf die Seite des Notizbuches. „Warum hast du es riskiert?“ Remus sah ihn fragend an, denn er verstand nicht, wovon Snape sprach. Von dem Trank, den er ihm gebraut hatte, wohl kaum. „Was meinst du?“ Ein leises Schnauben ertönte und die schwarzen Augen richteten sich wieder auf ihn. „Deine…zweifelhafte Freundschaft mit Potter, Black und Pettigrew.“ „…du meinst, weil ich mich gegen sie gestellt habe?“ Ein Nicken. Remus fühlte sich unwohl unter Snapes stechendem Blick, auch wenn er eigentlich keinen Grund dazu hatte. Trotzdem hatte Snape diese Eigenschaft, einem das Gefühl zu geben, man sei der verachtenswerteste Mensch auf Erden. „Sie wären keine echten Freunde, wenn sie mich wegen einer…Meinungsverschiedenheit ausgrenzen würden“, wiederholte er die Worte, die James an ihn gerichtet hatte. „Black hat dich ziemlich lange gemieden.“ „Ja…Sirius ist manchmal…schwierig und…impulsiv, aber er meint es nicht so. Er verhält sich wieder ganz normal mir gegenüber.“ „Natürlich…“ Mehr Sarkasmus hätte Snape nicht in seine Stimme legen können und Remus blickte auf. „Er hat seine Gründe, warum er so ist…das verstehst du nicht.“ Snapes‘ Augen wurden schmal, während er die Lippen zu einer dünnen Linie zusammenpresste. Remus wünschte sich sofort, er hätte den Mund gehalten. Snape war auch kein einfacher Mensch, doch die wenigsten hatten dafür Verständnis oder hinterfragten sein Verhalten. Plötzlich kam er sich unfair vor. Zu seiner Verwunderung fauchte Snape ihn nicht an, er sprang auch nicht auf und rauschte davon. Stattdessen blieb er sitzen, pinnte ihn mit seinem Blick fest. „Black interessiert mich nicht.“ Er betonte Sirius‘ Namen wie etwas furchtbar Widerwärtiges, doch Remus konzentrierte sich auf die Bedeutung des Satzes. „Das heißt, ich interessiere dich?“, fragte er, ohne genau zu wissen, warum er so etwas von sich gab. Die Eingebung war genauso spontan wie der Spruch mit dem Valentinstaggeschenk. Remus tat es als vergeblichen Versuch ab, Snape aus der Reserve locken zu wollen. Er konnte wohl froh sein, wenn der andere ihm keinen Fluch ins Gesicht schleuderte. Dieser zuckte zusammen, als hätte er ihn angebrüllt, wirkte kurz irritiert, ehe er sich wieder fing und ihn finster anschaute. „Mich interessiert die Wirkung des Tranks“, wehrte er ab, was Remus schnauben ließ. „Und deshalb fragst du mich über meine Entscheidung aus?“ „Nein, ich frage dich aus, weil ich sichergehen will, dass das kein Trick war!“ „Ein Trick?“ Remus zog die Brauen hoch. „Du hast Sirius’ Reaktion doch mitbekommen, Snape. Sah das für dich nach einem Trick aus? Ernsthaft…ich habe es getan, weil es das Richtige war. Kannst du das nicht einfach akzeptieren? Du bist mir auch nichts schuldig, weil du dich mit dem Trank ausreichend revanchiert hast…also lass es gut sein.“ Und damit nahm er dem Slytherin den Wind aus den Segeln. Fast war Remus stolz auf sich, dass er es geschafft hatte, den anderen sprachlos zu machen. Dieser kratzte mit der Feder ziellos auf den Seiten seines Notizbuches herum, doch auch wenn seine Augen böse funkelten, fand er wohl keinen passenden Widerspruch. „…das ändert nichts zwischen uns“, presste er schließlich scharf hervor und Remus seufzte. „Es hat doch schon längst etwas geändert“, entgegnete er dann. „Du hast dir meinetwegen Gedanken gemacht und mir diesen Trank gebraut…also warst du mir dankbar.“ „Ich war nicht-“ „Doch. Warst du. Sonst hättest du einfach so getan, als wäre ich Luft und diese Nacht nie gewesen.“ Es fühlte sich gut an, in einem Gespräch mit Snape die Oberhand zu haben, ohne dass dieser etwas dagegen tun konnte. „Stattdessen hast du mir den Trank gebraut, was dich viel Arbeit gekostet hat, und nun sitzt du mitten in der Nacht hier, um sicherzugehen, dass er auch gewirkt hat.“ Snape klappte das Buch zu, während Entrüstung und Wut in seinem Inneren kämpften – Remus sah es ihm an. „Das ist kompletter Eigennutz!“ „…nenn es, wie du willst, aber ich weiß zu schätzen, was du für mich getan hast. Und…ich will nicht, dass wir einander hassen. Ich muss nicht um jeden Preis mit dir verfeindet sein.“ „Das hat dich sonst auch nicht gestört!“, schnappte Snape, doch es klang nicht so boshaft wie sonst. „Jetzt tut es das aber“, hielt er dagegen. „Es hat sich nichts geändert! Du kannst mich nicht leiden und ich dich auch nicht. Also tu nicht so, als ob-“ „Das stimmt nicht!“ Sofort bereute Remus seine voreiligen Worte und er stockte ebenso wie Snape, dessen Mund soeben zuklappte. Hatte er nicht noch vor kurzem darüber sinniert, ob Snape überhaupt positive Eigenschaften besaß? Und nun sagte er sowas, ohne zu wissen, warum dies so sein könnte. Andererseits hatte er doch eben genug Argumente genannt, die nicht ausschlossen, dass Snape gar nicht so übel war. „Du lügst.“ Es klang ungemein trocken und Remus hob den Blick, runzelte die Stirn. „Nein“, sagte er dann. „Ich lüge nicht…wir sind keine Freunde, aber ich hasse dich auch nicht oder wünsche dir Schlechtes.“ Er war ehrlich und vielleicht merkte Snape es auch, denn er blieb still. Es gab Remus den Mut, weiterzureden, auch wenn er merkte, dass ihm die Hitze in die Wangen stieg. „Ich denke, du bist gar nicht so furchtbar, wie viele glauben…aber…na ja, du tust auch nicht viel dafür, dass es eben nicht so ist. Außer bei Lily…“ In Snapes Augen flackerte es und Remus rechnete schon mit einer Beleidigung, so dass er schnell weitersprach. „…und mir gegenüber. Zumindest manchmal…du bist nicht wirklich nett, aber-“ Er verstummte, als Snape mit einem Mal sein Notizbuch zusammenschlug, ihn dabei zornig anblickte. Jedoch schienen ihm die richtigen Worte zu fehlen, denn er öffnete und schloss den Mund ein paar Mal. Es wäre amüsant gewesen, wenn es sich nicht um Snape gehandelt hätte, bei dem man nie sicher sein konnte, wie er letztendlich reagierte. „Anscheinend…“, begann er schließlich abschätzend. „…hat der Trank Nachwirkungen, sonst würdest du nicht solch einen Unfug reden.“ Remus sah ihn empört an. „Das ist kein Unfug, es ist-“ „Doch. Ist es. Mein Verhalten dir gegenüber beruht darauf, dass ich es nicht ausstehen kann, jemandem etwas schuldig zu sein.“ Remus fielen viele Argumente ein, um den Widerspruch nichtig zu machen, doch er hatte keine Lust mehr, dagegen anzureden. „Wie du meinst“, entgegnete er daher lapidar. „Wenn du so ein Problem damit hast, dass dich jemand ganz in Ordnung finden könnte…“ „Erspar mir das Gewäsch, Lupin!“, grollte Snape, doch wie er dort stand, die eine Hand um sein Buch gekrampft, die Finger der anderen in seinen Umhang gekrallt, wirkte er unsicher. Es war selten, dass man Snape so erlebte. So hin und her gerissen, weil er nicht zu wissen schien, wie er reagieren sollte. Aber es gab Remus die Hoffnung, dass er ihm vielleicht doch ein kleines bisschen glaubte. „Du solltest schlafen…und wieder klar werden“, hörte er ihn murren und dann drehte sich der Slytherin um. Remus seufzte innerlich, vermied aber ein Kopfschütteln. „Gute Nacht, Snape“, sagte er stattdessen und sah zu, wie der andere davon rauschte. Jedoch hielt er überraschenderweise noch einmal inne. „…Nacht.“ Und mit diesem geraunzten Wort verschwand er in der Dunkelheit. Ohne sich noch einmal umzudrehen…doch Remus fand die Tatsache, dass er sich noch zu einer Erwiderung durchgerungen hatte, erstaunlich genug. Ein feines Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er das Licht ausmachte, sich auf die Seite drehte und die Augen schloss. Kapitel 16: Der Trunk des Friedens ---------------------------------- Etwas hatte sich verändert. Insgeheim wusste er das auch und vielleicht war es unsinnig gewesen, dies vor Lupin zu leugnen. Nein…ganz sicher war es das. Jedoch hatte Severus schon immer die Angewohnheit gehabt, offensichtliche Dinge auszublenden – zumindest, wenn sie ihm missfielen. Allerdings stellte sich da die Frage, was ihm überhaupt daran missfiel, dass Lupin ihn angeblich leiden konnte. Zuerst einmal war er mit Potter, Black und ihrem kleinen Speichellecker befreundet; das sollte eigentlich als Begründung reichen. Seit Lupin sich jedoch auf seine Seite gestellt hatte, reichte die Tatsache eben nicht mehr aus. Punkt zwei: Lupin war ein Werwolf und hätte ihn beinahe gefressen. Doch auch wenn das einen triftigen Grund darstellte, so konnte er nicht gänzlich ignorieren, dass Lupin daran wenig Schuld traf. Wenn er die Wahrheit sagte, hatte er nicht mal davon gewusst – er konnte also nur Black dafür hassen. Na ja und Potter, der den Helden gespielt hatte…vermutlich um vor Lily zu glänzen. Und darüber hinaus? Möglicherweise lag es nicht mal an Lupin, dass ihn die absurde Vorstellung gegenseitiger Sympathie so sehr abstieß. Seine einzige, wirkliche Freundin hatte Severus seit jeher nur in Lily gefunden. Selbst als er eine Weile mit Avery und Mulciber umhergezogen war, hätte er die beiden nicht als Freunde bezeichnet – zu Recht, wenn er bedachte, wie sie sich jetzt bei Lestrange einschleimten, während sie ihn ihre Verachtung spüren ließen. Es hatte es eigentlich nie anders kennengelernt – er war der Außenseiter, den keiner mochte. Ob er jetzt der asoziale Snape-Junge aus dem dreckigen Industrie-Viertel, das wertlose Halbblut oder der böse, schmierige Slytherin war…es machte keinen Unterschied. Damals, in der Muggel-Schule hatten die Beschimpfungen Severus noch verletzt, doch mit der Zeit hatte er gelernt, seine Intelligenz zu nutzen, um sich dagegen zu wappnen. Das oder seine besonderen Fähigkeiten, die er in seiner Wut oftmals nicht hatte kontrollieren können. Nach ein paar kleineren Zwischenfällen hatten die anderen Kinder begonnen, ihn zu meiden und das war zwar nicht schön gewesen, aber besser als die verbalen und körperlichen Angriffe. Dann hatte er Lily getroffen und die Meinung anderer Menschen war ihm egal geworden. Solange sie ihn angelächelt und „Sev“ genannt hatte, hatte er alles halbwegs ertragen können – selbst Potter und Black. Seit er jedoch seine einzige Freundin verloren hatte und ihn sogar die Schüler aus seinem eigenen Haus mieden, hatte er sich eigentlich vorgenommen, sich von niemandem mehr abhängig zu machen. Wer brauchte schon Freunde, wenn man eine Obsession hatte? Die dunklen Künste waren weitaus treuere Freunde als Menschen. Wenn er sich geschickt genug anstellte, konnte er Großes erreichen, und war das nicht viel wichtiger als irgendwelche Bindungen, die sowieso nicht für immer hielten? Eigentlich hätte die Antwort darauf klar sein müssen, doch immer, wenn er Lily sah, sagte ihm etwas, dass es eben nicht wichtiger war. Weil nichts wichtiger war als sie. Weil er sie liebte. Immer noch…und wahrscheinlich würde das auch niemals aufhören. Lily war jedoch eine Sache, während das mit Lupin…anders war. Überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Warum sollte er von Lupin gemocht werden wollen? Warum sollte Lupin ihn plötzlich mögen? Niemand mochte ihn – selbst Lily hatte sich von ihm abgewandt, weil er sie so furchtbar beleidigt hatte. Er war niemand, der einfach so gemocht wurde. Nicht, dass es ihn noch stören würde. Er konnte damit leben, dass niemand etwas mit ihm zu tun haben wollte. Womit er nicht leben konnte, war, zum Gespött gemacht zu werden. Doch traute er Lupin das noch zu? Er hatte sich noch nie aktiv an dem Mobbing seiner Freunde beteiligt, das musste er zugeben. Er hatte sich gegen diese gestellt, ihn nicht bei McGonagall verpfiffen…meinte er das tatsächlich ernst? Wenn dem so war, stellte sich immer noch die Frage, was er selbst wollte. Er brauchte Lupin nicht. Er brauchte niemanden. Dennoch…war Lupin angenehme Gesellschaft, nicht zu aufdringlich, nicht zu laut…er war kein Dummkopf. Severus hasste ihn nicht mal mehr. Es war zum verrückt Werden! Wie konnten Jahre des Hasses so schnell in Vergessenheit geraten? Nur weil Lupin plötzlich meinte, den Samariter spielen zu müssen? Es erschien ihm zu einfach und trotzdem erwischte er sich bei dem Gedanken, es drauf ankommen zu lassen. Der Frieden zwischen ihnen würde sowieso nicht lange anhalten, geschweige denn, dass sich eine Freundschaft daraus entwickeln könnte. Freundschaft…was für ein absurder Gedanke. Lupin war seinen Freunden vielleicht nicht mehr hörig, doch er würde es für jemanden wie ihn nicht riskieren, sie zu verlieren. Irgendwann würde er sich entscheiden müssen und Severus wusste schon jetzt, wie diese Entscheidung ausfallen würde. Er warf einen kurzen, verbitterten Blick in die Richtung des Werwolfs, der dort mit den anderen Rumtreibern saß und Potters Reden mit einem müden Lächeln lauschte. Zumindest bis Slughorn den Raum betrat und um Ruhe bat, da der Unterricht nun beginnen würde. Severus wandte sich zu spät ab – sein Blick traf Lupins und dieser lächelte ihm freundlich zu. Das tat er in letzter Zeit häufiger. Mit finsterer Miene und ohne das Lächeln zu erwidern, schaute er nach vorn, wo Slughorn damit begann, Buchstaben an die Tafel zu zaubern. „Wir werden heute den Trunk des Friedens brauen. Richtig hergestellt kann dieser Trank Ängste und Aufregung lindern – doch allen, die nun gedenken, ihn vor den Prüfungen einzunehmen, rate ich zu äußerster Vorsicht! Dieser Trank ist nicht nur bei der kleinsten Abweichung wirkungslos, er kann im schlimmsten Falle sogar zum Tode führen! Schon manch einer ist eingeschlafen und nie wieder aufgewacht…ich bitte Sie also, sehr sorgfältig zu arbeiten!“ Ein strenger Blick aus stachelbeerfarbenen Augen glitt durch die Klasse, doch Severus konnte das nicht beunruhigen. Er hatte den Trank bereits in der fünften Klasse ausprobiert und sich alles Wichtige notiert, so dass er keine Probleme haben sollte. „…da einige von Ihnen nicht ganz so talentiert sind, wie andere“, sprach Slughorn weiter, wobei sein Blick einen kurzen Moment an Pettigrew hängen blieb. „…werden Sie bei diesem Trank erneut zu zweit arbeiten. Um das Ganze zu beschleunigen, finden Sie sich bitte in derselben Konstellation wie beim Sud der lebenden Toten zusammen!“ Ein entschuldigendes Lächeln traf Lily, die alle Mühe hatte, dieses zu erwidern; kein Wunder, denn das bedeutete, dass sie schon wieder mit diesem dummen Nichtsnutz zusammenarbeiten musste. „Sehr schön…ja, genau, Mr Lupin bitte zu Mr Snape – Ihre Zusammenarbeit war ja bereits beim letzten Mal sehr vorbildlich!“ Severus ächzte innerlich, als er die Worte seines Hauslehrers vernahm; konnte der nicht einfach mal den Mund halten? Er versuchte das spöttische Geflüster der anderen Slytherins zu ignorieren, ebenso wie Black, der so tat, als müsste er in seinen Kessel kotzen. Lupin dagegen schien das gar nicht so tragisch zu finden, denn er begab sich kommentarlos zu seinem Tisch und lächelte dabei so unbeschwert, als würde es ihn tatsächlich nicht stören. Vielleicht tat es das ja wirklich nicht…und Severus konnte nicht verhehlen, dass auch er weit weniger Probleme mit ihrer Zusammenarbeit hatte, als beim letzten Mal. „Hätte uns schlimmer treffen können oder?“, brummte Lupin, zwinkerte ihm im selben Moment jedoch zu. Severus schnaubte leise, ehe er ein grimmiges Nicken von sich gab. „Wenn du damit andeuten willst, dass es innerhalb dieses Raums einige inkompetente Dummköpfe gibt, kann ich dem zustimmen.“ Lupin blinzelte verdutzt. „Eigentlich wollte ich damit andeuten, dass ich die Zusammenarbeit mit dir recht angenehm finde.“ Severus hätte ihn am liebsten durchgeschüttelt und ihn angezischt, dass er die Klappe halten sollte. Warum wurde Lupin neuerdings ständig so verdammt…ach, er hatte nicht mal Worte dafür! Mit dieser aufdringlichen Freundlichkeit konnte er weniger umgehen als mit den Beleidigungen von Black – da wusste man wenigstens, woran man war. „…danke“, quetschte er hervor und Lupin wagte es doch tatsächlich zu schmunzeln. „Du hast wirklich ein Problem damit, einfach mal nett zu sein, oder?“ Severus sandte ihm einen genervten Seitenblick zu. „Würdest du aufhören, mich voll zu quatschen und dich stattdessen an die Arbeit machen?“, murrte er leise und begann die nötigen Utensilien auf dem Tisch auszubreiten. „Ich will deinetwegen keine schlechte Bewertung bekommen.“ Lupin rollte mit den Augen, jedoch folgte er dann seiner Anweisung, sich auf den Trank zu konzentrieren. Wiederholt musste Severus feststellen, dass der Werwolf wirklich nicht unfähig war. Nun gut, er hielt sich etwas zu sehr an die Anweisungen des Buches, aber man konnte nicht von ihm erwarten, ein ähnliches Talent wie er selbst für dieses Fach aufzuweisen. Im gleichen Moment fragte er sich, seit wann er so positiv von Lupin dachte…wenn er nicht aufpasste, wurde das noch zur Gewohnheit. Sie sprachen wenig miteinander, was Severus auch ganz recht war, denn wie Slughorn bereits erwähnt hatte, musste man bei diesem Trank besonders konzentriert arbeiten. Nachdem Lupin das Mondsteinpulver eingerührt hatte, mussten sie das Gebräu genau sieben Minuten lang sieden lassen. „…bist du nachher wieder in der Bibliothek?“ Severus warf dem Gryffindor einen Blick zu. „Möglich“, erwiderte er langsam und Lupin lächelte ihn an. „Ich wollte nachher auch hin…die anderen gehen lieber mit James zum Quidditch-Training, aber ich-“ „Verstehe“, unterbrach er ihn kühl und richtete die schwarzen Augen wieder auf die Sanduhr neben dem Kessel. „Weil Potter und sein Fanclub keine Zeit für dich haben, bin ich die Notlösung.“ Erst als er die Worte ausgesprochen hatte, fiel ihm auf, wie albern sie klangen; beinahe, als wünschte er sich, Lupins erste Wahl zu sein. Allein der Gedanke war so absurd, dass er sich etwas mehr über den Kessel beugte, wobei ihm die dunklen Haare ins Gesicht fielen. „Bitte?“ Am liebsten hätte er seine Worte zurückgenommen, aber das wäre noch peinlicher gewesen, weswegen er stur in die weiße Flüssigkeit schaute. „Also…so habe ich das eigentlich gar nicht gemeint“, sprach Lupin weiter und Severus hoffte, dass ihnen niemand zuhörte. „Ich habe nicht so viel Interesse an James‘ Training und wollte die Zeit lieber zum Lernen investieren…und da du auch oft in der Bibliothek bist…wir können uns gut ergänzen und…na ja…“ Lupin pausierte kurz, schien nachzudenken, wie er sich ausdrücken sollte. „…ich würde halt lieber mit dir zusammen lernen. Das hat wirklich nichts mit Notlösung zu tun.“ Wie konnte er dabei auch noch so ehrlich klingen? Eigentlich hätte er ihn jetzt ziemlich garstig abweisen müssen, doch irgendwas hielt ihn davon ab – vielleicht dieser ernste Blick. Lupin trieb ihn noch in den Wahnsinn. „Ist ja gut“, fuhr er ihm dazwischen, als er schon wieder den Mund aufmachte. „Ich habe es verstanden…meinetwegen treffen wir uns nachher dort.“ Hauptsache, er ließ dieses überflüssige Gerede endlich sein, das wurde ja immer unangenehmer. Lupin dagegen lächelte wie ein Honigkuchenpferd…und Severus stellte fest, dass er diesmal keinen Ekel empfand. Vielleicht lag es gar nicht an Lupin, sondern an ihm selbst? Irgendwas stimmte definitiv nicht mit ihm. „Ähm, Snape?“ „Was denn jetzt wieder?“ „Ich glaube, die sieben Minuten sind um…“ Er fuhr herum und tatsächlich hatte Lupin Recht – verdammt noch mal! Hastig gab er die zwei Tropfen Nieswurzsirup dazu – anscheinend war es noch nicht zu spät gewesen. Zumindest wurde der Trank nicht dunkler, was ein gutes Zeichen war. „Vortrefflich, vortrefflich!“ Das Schicksal hatte sich wohl vorgenommen, ihn zu bestrafen. Mit freudigem Gesichtsausdruck kam Slughorn auf sie zugeeilt, besah sich ihren Trank genauestens und nickte dann zufrieden. „Von Ihnen beiden können sich einige eine Scheibe abschneiden!“, verkündete er, wobei sein Blick kurz zu Pettigrew schwebte, der Lilys Arbeit sichtlich behinderte. Severus fiel auf, dass er bislang kaum auf sie geachtet hatte – daran war nur Lupin und sein irreführendes Gequatsche schuld. Lily wirkte gestresst und schüttelte immer wieder hoffnungslos den Kopf, was darauf schließen ließ, dass ihr Trank nicht mehr zu retten war. Er an ihrer Stelle hätte diesen Vollidioten schon längst im Kessel ertränkt. Bevor Slughorn sie beide noch weiter loben konnte, öffnete sich die Tür und McGonagall rauschte hinein. Es war eines der wenigen Male, bei denen Severus erleichtert war, sie zu sehen, denn so ließ Slughorn sie zumindest in Ruhe. „Horace, ich habe eine Nachricht von-“ „Ah Minerva, komm nur herein!“, fuhr er ihr über den Mund, was sie pikiert zur Kenntnis nahm. Zu seinem Entsetzen trat Slughorn mit offensichtlicher Begeisterung zwischen Lupin und ihn, legte dabei jeweils einen Arm um sie beide. „Sieh dir nur das hervorragende Ergebnis von Mr Snape und Mr Lupin an!“ Severus war wie erstarrt, während er die übrigen Schüler kichern hörte, wohingegen McGonagall kritisch die Brauen zusammenzog. Kurz sah sie zu dem Inhalt des Kessels, in dem die weiße Flüssigkeit waberte, ehe sie wieder ihren Kollegen ins Auge fasste. „Sehr beeindruckend“, erwiderte sie trocken, doch das trübte Slughorns Euphorie leider kein bisschen. „Nicht wahr?“, gab er zurück und klang wie ein stolzer Vater. „Sind die beiden nicht ein wunderbares Beispiel dafür, dass zwischen unseren Häusern keineswegs Feindschaft herrschen muss?“ Severus spürte, wie sich sein Magen umstülpte, doch er presste lediglich die Lippen fester zusammen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Potter und Black angewidert zu ihnen herüber sahen – und sie waren nicht die Einzigen. Gryffindor und Slytherin waren so etwas wie Todfeinde…Slughorn machte sie mit seinem unbedachten Gefasel zum Gespött der Schule. „Nun“, begann McGonagall zögerlich. „…mir scheint, dass zumindest zwei etwas aus der Strafarbeit gelernt haben.“ Dabei streifte ihr strenger Blick Potter und Black, die hastig so taten, als würden sie an ihrem Trank arbeiten. „Wie dem auch sei…der Schulleiter möchte dich nach der Stunde sehen. Er hat alle Hauslehrer in sein Büro beordert.“ Slughorn entließ sie endlich aus dem unangenehmen Griff und nickte mit wichtigtuerischer Miene. „Natürlich, natürlich…ich komme sofort!“ Während McGonagall das Klassenzimmer verließ, stellte sich Slughorn wieder ans Pult und wedelte mit den Händen herum. „Bitte füllen Sie Ihre Tränke ab und beschriften Sie Ihre Proben, bevor Sie sie abgeben! Ich werde Ihre Arbeit entsprechend benoten.“ Severus‘ Kiefer malmte, doch er holte nur stumm seine Phiole heraus – bis er Lupins Blick auffing. „Kein Wort“, warnte er diesen und Lupin schloss seinen Mund sofort wieder. Wenigstens das…doch schon bald wurde ihm klar, dass der Werwolf sein geringstes Problem darstellte…spätestens, als Avery vor ihren Tisch trat. Severus spannte sich an, hielt dem Blick, der voller Verachtung funkelte, stand. „Du bist echt ne Schande für unser Haus, Snape!“, zischte er ihm zu und er sah kurz zu Lupin, der anscheinend sprachlos vor Empörung war. „Warte, bis Rabastan erfährt, mit welchem Abschaum du dich verbrüderst.“ „Als ob Moony der Abschaum von den beiden wäre…“, hörte er Blacks Stimme, noch bevor er sich verteidigen konnte. Aus Reflex fuhr seine Hand direkt in seinen Umhang, umklammerte den Stab darin. Sein Blick traf Blacks graue Augen, die ihn unablässig fixierten, und natürlich stand Potter direkt daneben. „Slughorn hat die zwei zusammengesteckt, klar?“, mischte er sich ein und blickte Avery warnend an. „Und jetzt mach, dass du verschwindest!“ Mulciber, der ebenfalls dazu gekommen war, tauschte einen Blick mit seinem Freund, ehe sie beide Severus ins Auge fassten. „Gehört Potter jetzt auch zu deinem Freundeskreis, Snape? Gut zu wissen…“ Der Angesprochene erzitterte vor Wut, verengte die schwarzen Augen und seine Finger krampften sich um seinen Zauberstab. „Bevor der und ich Freunde werden, trinke ich freiwillig Pettigrews verpfuschten Trank!“, spie er aus. „Und bevor wir dich auch nur eine Sekunde freiwillig in der Nähe haben wollen, schmeißen wir dich in den Schwarzen See, Schniefelus…die Dusche hätten deine fettigen Haare mal nötig!“, bellte Black und Severus zog seinen Stab. Black tat es ihm ohne das geringste Zögern nach und hasserfüllt starrten sie einander an, einen Fluch auf den Lippen. Allerdings schien Potter mal wieder Lily beeindrucken zu wollen, die mit gerunzelter Stirn zu ihnen herübersah, denn er drückte Blacks Zauberstab herunter. „Hör auf damit, Tatze…Slughorn steht da noch und wenn der das mitbekommt, kriegen wir schon wieder eine Strafarbeit.“ „Aber…Krone, er-“ „Der ist es nicht wert, Mann!“ Severus lächelte höhnisch und der passende Spruch lag ihm auf den Lippen, als ihn der plötzliche Griff um seine Schulter innehalten ließ. Als er herumfuhr, sah er Lupin, der ihn ernst anblickte. „Sei vernünftig, Snape…das bringt nur Ärger.“ „Nimm deine Pfoten weg!“, herrschte er den Werwolf an, der ihn daraufhin mit einem undefinierbaren Blick ansah, aber schließlich die Hand zurückzog. Als er sich wieder seinem Widersacher zuwandte, diskutierte dieser immer noch mit Potter, während Avery und Mulciber mit einem letzten, verächtlichen Blick verschwanden. Sie würden nicht die Klappe halten, das war sicher. Lestrange würde ihn umbringen, wenn er davon erfuhr. Ohne Lupin noch in irgendeiner Form Beachtung zu schenken oder sich weiter um den Trank zu kümmern, schnappte er sich seine Sachen und verließ den Raum. So viel dazu, Lupin und er könnten Freunde werden. Wie absurd…wie verdammt lächerlich. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er gewollt hätte – und Severus wollte auf keinen Fall –, wäre es unmöglich. Allein schon wegen der Fehde zwischen ihren Häusern…und der Tatsache, dass er Potter, Black und auch Pettigrew die Pest an den Hals wünschte. Er hatte sie doch nicht mehr alle beisammen, Lupin auch nur einen Funken Sympathie entgegen zu bringen. Nur weil der Werwolf so hartnäckig daran festhielt, dass sie sich verstehen…oder mögen könnten. Nur weil er ihm einmal geholfen und sich gegen seine Freunde gestellt hatte. Gerade eben hatte er ihn schließlich davon abgehalten, einen seiner Todfeinde zu verfluchen. Andererseits hatte er ihn auch davon abgehalten, ziemlichen Ärger zu bekommen und Lily Zeuge eines Duells werden zu lassen. Sicher hätte sie es ihm übel genommen, wenn er Black einen Fluch auf den Hals gehetzt hätte. Er blieb mitten auf dem Gang stehen, ignorierte die anderen Schüler um sich herum und starrte stattdessen die Wand an. Ein paar Sekunden regte er sich nicht…dann seufzte er genervt, schloss kurz die Augen und schlussendlich…schlug er den Weg in Richtung der Bibliothek ein. Nach über einer Stunde, die er allein unter Madam Pinces strenger Aufsicht verbracht hatte, rechnete er nicht mehr mit Lupin. Na ja, wenigstens hatte er seinen Aufsatz für Verwandlung fast fertig, auch wenn er ihn noch einmal überarbeiten müsste. McGonagall war da sehr genau und er wollte der alten Schabracke keine Gelegenheit geben, ihn zu kritisieren. Also legte er die Feder beiseite und beugte sich tief über die vollgekritzelte Rolle Pergament. Er war so konzentriert, dass er die Schritte, die sich ihm näherten, erst wahrnahm, als die Person schon vor seinem Tisch stand. Ein paar Bücher wurden auf die Holzplatte fallen gelassen und Madam Pince ließ ein verärgertes Fauchen verlauten, welches an Mrs Norris erinnerte. Severus fuhr hoch, starrte in Lupins bernsteinfarbene Augen, die ihn regelrecht strafend ansahen. „Damit du es weißt“, fing er an und zog sich einen Stuhl heran. „Ich habe Sirius gesagt, dass seine Worte abscheulich waren.“ Severus wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, weshalb er still blieb. „…und ich habe dich zurückgehalten, weil ich nicht wollte, dass einer von euch verletzt wird oder Ärger bekommt.“ Immer noch brachte er keinen Ton raus; alles erschien ihm unpassend zu sein. „Und ich bin hier, weil ich es möchte.“ Lupin blickte ihn ernst an. „Können wir also in Frieden zusammen lernen? Das ist nämlich der Grund, wegen dem ich hier bin…oder erträgst du einen Gryffindor nicht in deiner Nähe?“ Lupin benutzte so selten Sarkasmus…es fehlte immer noch das Gift in seinen Worten…ebenso wie sein Ausdruck zu weich war. Aber gut. Nicht jeder konnte ihm diesbezüglich das Wasser reichen; er hatte seinen Zynismus lange trainiert. „Eigentlich nicht…aber für dich mache ich eine Ausnahme“, brummte er und auch, wenn er es niemals zugegeben hätte, war er erleichtert, als sich Lupins Miene endlich aufhellte. „Manchmal glaube ich, dass es doch noch Hoffnung für dich gibt, Snape“, meinte er schmunzelnd und Severus schnaubte. „Beschäftige dich mit meinem Aufsatz, wenn du unbedingt kluge Sprüche von dir geben willst…“ Und damit schob er ihm das Pergament zu, beobachtete Lupin, der ihn ungläubig anschaute. „Du willst meine Meinung wissen?“ „Sonst würde ich dir meine Arbeit nicht geben.“ „Okay…“ Lupin lächelte noch einmal flüchtig und man merkte ihm an, dass ihn seine Antwort zu freuen schien. Dass er so eine große Sache daraus machen musste…nur weil Severus einmal anerkannte, dass er etwas im Kopf hatte und aus diesem Grund eine Hilfe sein konnte. Nur weil er einmal Lupins Meinung schätzte…na gut, es hatte sich definitiv etwas zwischen ihnen verändert. Anscheinend zum Positiven…und Severus hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Kapitel 17: Heldenmut --------------------- Das Schuljahr neigte sich langsam dem Ende zu, was der Grund dafür war, dass Severus noch öfter als sonst in der Bibliothek saß. Nicht selten saß er dabei mit Lupin zusammen und allmählich gewöhnte er sich an dessen Anwesenheit. Er hätte es niemals ausgesprochen, doch eigentlich empfand er es mittlerweile sogar als recht angenehm. Lupin verhielt sich meistens still und wenn er etwas sagte, verspürte Severus nicht den Drang, seinen Kopf auf die Tischplatte zu hauen. Manchmal waren Lupins Anmerkungen sogar hilfreich – besonders, wenn es das Fach Verwandlung betraf. Er war nicht schlecht darin, doch ihm fehlte die Faszination, weswegen er sich ganz gut mit Lupin ergänzte, der ein ähnliches Problem mit Zaubertränke hatte. Niemand störte sie, da Potters Prioritäten laut Lupin mehr bei Quidditch lagen – sein Fanclub durfte dabei natürlich keine Trainingsstunde verpassen – und sich auch aus Slytherin kaum einer in der Bibliothek blicken ließ. Ein paar Mal war Lily aufgetaucht, doch sie war nie lange geblieben, geschweige denn, dass sie großartig ein Wort mit ihnen beiden gewechselt hatte. Er wusste nicht, wie er ihr Stirnrunzeln deuten sollte, wenn sie sie beide zusammen antraf…vermutlich positiv, da sie ihnen stets zunickte und flüchtig lächelte. Er wusste, dass sie Lupin sympathisch fand, also konnte es ihr kaum missfallen, wenn er mit diesem zusammen lernte. So gesehen konnte ihm die Gesellschaft des Werwolfs vielleicht noch anderweitig von Nutzen sein. „Snape?“ Er antwortete mit einem Brummen, zum Zeichen, dass er zuhörte. Soeben korrigierte er Lupins Aufsatz über Gegengifte, sah nicht von dem Pergament auf. „Draußen ist ziemlich gutes Wetter…“ „Hm“, machte er nur, da er nicht wusste, was die Aussage bewirken sollte. „…es ist warm, die Sonne scheint…“, sprach der Werwolf weiter und Severus zog die Brauen zusammen. „Und warum sollte mich das interessieren?“, gab er zurück und sah nun doch auf. Lupin druckste ein wenig herum. „Na ja, ist ziemlich stickig hier drin und wir könnten auch draußen lernen…am See zum Beispiel…?“ Severus‘ Gesichtsausdruck sagte wohl genug darüber aus, was er von diesem Vorschlag hielt – gar nichts. Er mochte weder die Sonne noch würde er freiwillig die Gesellschaft der anderen Schüler suchen, die sich mit Sicherheit ebenfalls draußen tummelten. „Kein Interesse“, lehnte er daher ab, ehe er ihm seinen Aufsatz zurückgab. Lupins enttäuschter Ausdruck erinnerte ihn an Hagrids dämlichen Hund – das war ja erbärmlich. Er verschränkte die Arme, wollte deutlich machen, dass seine Entscheidung feststand. Warum sollte er seine Meinung auch ändern? Um Lupin einen Gefallen zu tun? Mit Sicherheit nicht. „Warum nicht?“ Severus schnaubte bei der Frage. „Meine Gründe sind irrelevant. Akzeptier‘ es einfach.“ Man sah Lupin an, dass ihn die Antwort keinesfalls zufrieden stellte, doch er würde nicht mehr dazu sagen. Er konnte weder dem Sommer etwas abgewinnen noch wollte er Gerüchte provozieren, wenn ihn die Leute aus seinem Haus mit dem Gryffindor sahen. Lestrange und der Rest behandelten ihn, als wäre er Luft – das sollte so bleiben. Die Anerkennung hatte er sich ohnehin verspielt, doch deswegen musste er ihnen keinen Grund geben, ihn in die Mangel zu nehmen. „Wenn du unbedingt raus willst, dann geh halt“, fügte er schroff hinzu und Lupin blickte ihn verdutzt an. „Aber ich-“ „Ich werde nicht mehr dazu sagen. Mach, was du willst.“ Lupin sah aus, als haderte er mit sich – das war ja rührend. Als würde er in Tränen ausbrechen, wenn er jetzt ging. Er schlug Verteidigung gegen die dunklen Künste auf, kümmerte sich nicht weiter um den Werwolf, der immer noch zögerte. Dann seufzte er leise und Severus sah aus den Augenwinkeln, wie er zusammenpackte. „Du…also, wenn du es dir anders überlegst, kannst du ja-“ „Das wird nicht der Fall sein.“ „Ähm…gut…also, dann bis später…vielleicht.“ „Sicher.“ Er blickte nicht noch einmal auf, hörte, wie sich Lupin entfernte. Es wurde wieder still in der Bibliothek…gut so, dann hatte er wenigstens seine Ruhe. Na gut, Lupin störte ihn nicht wirklich, eher im Gegenteil, aber…ach, sei es drum. Er schüttelte leicht den Kopf, konzentrierte sich wieder auf seine Unterlagen. Das war wichtiger. Jedoch merkte er schon nach wenigen Minuten, dass er sich nicht mehr konzentrieren konnte. Vielleicht hatte er zu lange hier gesessen und brauchte somit eine Pause – dass seine innere Unruhe an Lupin lag, war ausgeschlossen. Er war ja nicht 24 Stunden mit diesem zusammen und überhaupt konnte er auch gut allein klar kommen – war er bisher immer. Trotzdem bekam er soeben keinen vernünftigen Gedanken mehr hin. Er seufzte entnervt, ehe er ebenfalls zusammenpackte. Dann würde er eben in den Gemeinschaftsraum runtergehen – auf frische Luft konnte er immer noch gut verzichten. Er runzelte die Stirn, als er an Lupins Worte dachte; dieser hatte doch an den See gewollt. Ob er dort mit Potter und dem Rest war? Wobei er ihn dann sicher nicht gefragt hätte…oder? Nein. Sicherlich nicht. Nach wie vor hatten diese Idioten Vorrang und das würde sich auch niemals ändern. An dem Gedanken haftete ein bitterer Beigeschmack, doch er schluckte ihn runter. Es sollte ihm vollkommen gleichgültig sein. Dennoch konnte er sich nicht davon abhalten, einen Umweg zu machen…vielleicht war Lily ja auch am See? Er ging bestimmt nicht wegen Lupin dorthin, niemals! Aber wenn Potter zufälligerweise am See war, wie er vermutete, würde er sicher nichts unversucht lassen, um sich an Lily ranzumachen. Allein bei dem Gedanken knirschte er mit den Zähnen, blickte finster vor sich hin. In letzter Zeit sprach sie öfter mit Potter, schien ihn nicht mehr als Störenfried anzusehen. Manchmal lächelte sie ihn sogar an – Severus drehte sich jedes Mal der Magen um. Er schüttelte den Gedanken unwirsch ab; Lily war einfach nur nett zu ihm, das bedeutete gar nichts! Niemals würde sie sich ernsthaft auf diesen arroganten Mistkerl einlassen. Dazu war sie viel zu klug – Potter lag eindeutig unter ihrem Niveau. Jedoch ließ ihm das Bild, das sich ihm bot, kaum dass er den See erreicht hatte, das Blut in den Adern gefrieren – da half auch die Sonne nicht. Er hielt sich im Schatten der Bäume, wollte nicht direkt entdeckt werden. Lily war tatsächlich dort…und sie trug einen Badeanzug. Der Anblick ließ ihm die Röte in die Wangen schießen, wobei er keinen Blick für ihre Freundinnen hatte, die ähnlich gekleidet waren. Sein Ausdruck verfinsterte sich, als er neben den Mädchen auch Potter und Black erkannte, die sich natürlich profilieren mussten, indem sie mit freiem Oberkörper dort standen. Wie diese dummen Weiber Black angafften…das war ja widerlich. Potter dagegen hielt sich wieder mal nur an Lily, redete grinsend auf diese ein, wobei er sich durchs Haar fuhr. Sah sie nicht, was für ein selbstverliebter Gockel er war? Doch anstatt ihm die kalte Schulter zu zeigen, schmunzelte sie nur mit seichtem Spott und ließ sich auf ein Gespräch ein. Wut packte ihn und er spürte den jahrelangen Hass erneut in sich aufkeimen – am liebsten hätte er Potter direkt einen Fluch auf den Hals gehetzt. Sein Blick glitt flüchtig zu Lupin und Pettigrew, die am Rande saßen und den anderen wohl zuschauten. Direkt wandte er sich wieder ab, sah erneut zu Lily, die nun ein Lachen verlauten ließ – wie konnte sie über Potters Witze lachen? Er ballte die Fäuste, ehe er es sich anders überlegte und sich ein Stück entfernt dem See näherte, um sie besser im Blick zu behalten. Mit grimmiger Miene setzte er sich ans Ufer, war davon überzeugt, dass ihn niemand bemerken würde – die waren doch alle viel zu sehr damit beschäftigt, Potter und Black anzubeten. Ekelhaft. Er würde sie im Auge behalten – und so tun, als würde er lernen. Dabei war die Sonne jetzt schon kaum zu ertragen, doch was sollte er sonst machen? Der Baum, unter den er sich setzte, spendete nur geringen Schatten, ebenso wie die Sträucher. Schlecht gelaunt holte er seine Bücher raus, wobei er aus den Augenwinkeln lieber Lily beobachtete. Wenn sie ihn mal so ansehen würde, mit ihm reden würde…stattdessen stand sie dort mit Potter und ließ sich begaffen. Ihm fiel wieder auf, wie hübsch sie war…ihre gute Figur…seine Wangen röteten sich noch mehr bei diesem Gedanken. „Du bist ja doch gekommen.“ Er zuckte so heftig zusammen, dass ihm das Buch aus den Händen fiel. Hektisch griff er in die Tasche seines Umhangs, umklammerte seinen Stab…ehe er realisierte, dass ihm keine Gefahr drohte. Noch nicht. Zornig blickte er zu Lupin hoch, der hinter ihm stand und ihn amüsiert betrachtete. „Keine Sorge…die anderen haben dich nicht bemerkt“, teilte er ihm mit und setzte sich neben ihn. „Ich habe nicht-“ „Du bist wegen Lily hier, oder?“, unterbrach Lupin ihn ruhig. „Und wenn schon…“, knurrte Severus, weil es ihn ärgerte, dass der andere ihn durchschaut hatte. Sollte der sich doch um seinen Mist kümmern! Er warf ihm einen gehässigen Blick zu, der jedoch ignoriert wurde, so dass er noch eins drauf setzte. „Und warum bist du nicht bei deinen ach so tollen Freunden und vergnügst dich mit ihnen?“, giftete er und Lupin sah ihn irritiert an. „Sind Werwölfe etwa wasserscheu?“ Panik mischte sich in Lupins Mimik und er sah rasch von rechts nach links, nur um erleichtert festzustellen, dass niemand in Hörweite war. Severus wusste das, sonst hätte er es nicht ausgesprochen – er wollte nicht von der Schule fliegen. Dass er Lupin eben dies auch nicht wünschte, mal außen vorgelassen. „Nein“, murrte dieser und funkelte ihn an. „Sind wir nicht…und es wäre nett, wenn du das nicht so rumposaunen würdest.“ „Die einzigen Menschen hier sind anderweitig beschäftigt, was dir nicht entgangen sein dürfte – und jetzt beantworte die Frage“, schoss er zurück, was Lupin entnervt seufzen ließ. Skeptisch beobachtete Severus, wie der Werwolf seine Schuhe auszog und die Hosenbeine hochkrempelte. Was sollte das denn jetzt werden? Sein Blick blieb an der vernarbten Haut hängen…alte und neue Narben, die sich unregelmäßig abzeichneten. Es sah nicht schön aus. Als ihm auffiel, wie auffällig er dorthin starrte, wandte er sich rasch ab, doch Lupin hatte es bemerkt, schenkte ihm ein sarkastisches Lächeln. „Frage beantwortet?“, murmelte er und ließ die Beine im Wasser baumeln, so dass sie fast gänzlich darin verschwanden. „Indirekt“, erwiderte Severus knapp und schaute wieder zu Lily rüber. Er bemerkte, wie Lupin seinem Blick folgte. „…und du?“, erkundigte er sich langsam. „Wenn du dir so sehr wünschst, in ihrer Nähe zu sein…warum gehst du dann nicht rüber? James und Sirius haben dich damals auch nicht aufgehalten, trotz eurer...Auseinandersetzungen.“ Severus presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, während er über eine Antwort nachdachte. Sollte er überhaupt antworten? Er musste nicht, doch wenn er schwieg, gab er vielleicht viel mehr zu, als wenn er sich äußerte. Jedoch kamen ihm die Worte einfach nicht über die Lippen, es wäre ein Zugeständnis, das er Lupin gegenüber nicht machen konnte. Nach ein paar Sekunden des eisernen Schweigens zog er ebenfalls seine Schuhe aus, tat es Lupin gleich und ließ seine dünnen, blassen Beine ins Wasser gleiten. Es war angenehm kühl, vor allem da ihm die Wärme bereits jetzt lästig wurde. „Ich denke, die Antwort erübrigt sich“, gab er leise zurück und Lupin zögerte merklich. „Ich dachte immer, es sei dir egal, was andere von dir halten…?“, fragte er schließlich und Severus ließ daraufhin ein Schnauben verlauten. „Mir ist egal, was die meisten von mir halten.“ „Also alle außer Lily?“ „Hm.“ Das war nicht ganz korrekt, denn wenn ihm Lupins Meinung vollkommen egal wäre, würden sie nicht ständig zusammen in der Bibliothek sitzen. Vermutlich wusste der andere das, auch wenn er nichts dazu sagte. Verstohlen musterte er ihn, nur um festzustellen, was ihm insgeheim schon längst bewusst gewesen war. Lupin mochte Narben haben, wahrscheinlich überall…doch es reichte nicht, um ihn zu entstellen. Er sah immer noch gut aus – seiner Meinung nach viel besser als Potter oder Black. Lupin war äußerlich zwar recht unscheinbar, doch gerade das ließ ihn natürlich wirken. Er strahlte Ruhe aus, hatte was im Kopf, sein Lächeln war echt…und es zwang einen fast schon dazu, ihn sympathisch zu finden. Severus hatte sich aus gutem Grund lange dagegen gesträubt, aber soeben konnte er es nicht mehr verhehlen – auch wenn er es niemals laut ausgesprochen hätte. Severus selbst dagegen…hatte nichts von alldem. Nicht, dass er sich wünschte, wie Lupin zu sein, das würde er nicht aushalten. Doch mit einem passablen Äußeren hätte Lily vielleicht längst mehr in ihm gesehen als nur ihren besten Freund…wobei er ja selbst das nicht mehr war. Missmutig starrte er ins Wasser des Sees, als sich eine Hand auf seine Schulter legte, was ihn reflexartig zusammenzucken ließ. Lupin lächelte ihn schon wieder so an, als er aufblickte, und für einen Moment wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wollte er die Hand von seiner Schulter schieben, tat dies jedoch so zögerlich, dass sich ihre Hände länger als geplant berührten. Lupins Hände waren warm, nicht so kalt wie seine eigenen…seine Haut war gebräunter als seine eigene blasse und auch darauf fanden sich Narben. Es war ein eigenartiges Gefühl und er wusste nichts damit anzufangen. Es war weder richtig unangenehm noch wirklich schön…und er konnte sich nicht erklären, warum ihm schon wieder die Hitze in die Wangen stieg; es gab keinen Grund dafür. Nicht den geringsten…und deshalb sollte Lupin endlich aufhören, ihn so seltsam anzusehen. Er konnte allerdings selbst nicht wegsehen. Vielleicht war es ganz gut, dass in dieser Sekunde ein spitzer Schrei ertönte, denn es ließ sie beide auseinander fahren und zu Lily und den anderen schauen. Das hieß…zu der Stelle, an der Lily soeben noch gestanden hatte. Severus sprang auf, sein Herz raste, als ihm bewusst wurde, dass sie von irgendetwas unter Wasser gezogen worden sein musste. Lilys Freundinnen schrien hysterisch durcheinander und klammerten sich an Black fest, während Potter tief Luft holte und dann untertauchte. Severus erwachte aus seiner Starre und hektisch zog er sich den Umhang aus, wobei er den Stab noch an sich nahm. Er hörte Lupin noch etwas sagen, doch es war ihm egal – gerade gab es nur Lily. Lily, die vermutlich ertrinken würde, wenn er nichts tat – auf Potter würde er sich niemals verlassen. So schnell er konnte, sprang er ins Wasser, machte sich längst keine Gedanken mehr um Hemmungen, sondern holte Luft und tauchte dann ebenfalls unter. Er dachte stumm Lumos und machte die entsprechende Bewegung dazu, woraufhin ein dünner Lichtstrahl erschien. Er war nie erleichterter gewesen, dass einige ungesagte Zauber kein großes Problem mehr für ihn darstellten. Zwar war er kein besonders guter Schwimmer, aber Lilys Leben war Antrieb genug, um ihn tiefer tauchen zu lassen. Er musste sie schnell finden, bevor ihm die Luft ausging. Gerade bereute er wirklich, dass er aufgrund seiner Abneigung gegen das Schwimmen niemals einen Zauber gelernt hatte, mit dem er unter Wasser atmen konnte. Zu seinem Glück stellte das kein Problem dar, denn in diesem Augenblick entdeckte er Potter, der die Arme um die scheinbar bewusstlose Lily geschlungen hatte und versuchte, sie nach oben zu zerren. Vergeblich, denn spindeldürre Finger hatten ihr Bein umschlossen, versuchten, sie weiter in die Tiefe zu ziehen. Potter schien langsam der Sauerstoff auszugehen – doch das hätte ihm egal sein können, wenn Lily dadurch nicht ebenfalls in Gefahr gewesen wäre. Severus zögerte nicht länger, sondern schoss einen roten Lichtblitz auf den Grindeloh ab, der wohl nicht damit gerechnet hatte und prompt davon geschleudert wurde. Potter starrte ihn perplex an, ehe er sich fasste und mit schnellen Bewegungen nach oben schwamm. Severus folgte ihm auch direkt, würde sie ihm sicher nicht so einfach überlassen – bestimmt würde er sich gleich als Held aufspielen, um gut dazustehen. Keuchend durchbrach er die Wasseroberfläche, sah sich hastig um, wobei ihm die nassen Haare im Gesicht hingen. Potter trug die immer noch bewusstlose Lily soeben aus dem See, legte sie im Gras ab, wo sie direkt von allen umringt wurde. Immer noch nach Luft ringend stemmte er sich ebenfalls aus dem Wasser, wollte sich vergewissern, ob es ihr auch gut ging. „…Scheiße, sie atmet nicht!“ „Sie war zu lange unter Wasser…“ „Was machen wir denn jetzt?!“ „Lily?! Lily, hörst du uns?!“ „Verdammt, Evans…“ Keiner schien ihn wirklich zu bemerken, nicht einmal Lupin, der gerade Lilys Puls prüfte, dabei sehr besorgt aussah. Sie würde doch nicht wirklich…nein! Das durfte nicht sein! „Einer muss sie beatmen!“, rief eines der Mädchen und blickte direkt zu Potter, der ausnahmsweise mal nicht so cool wirkte. „…ich…ja…okay…“, stammelte er und Severus hätte ihn am liebsten erwürgt. Das wagte er nicht! Er würde nicht…doch. In dem Moment, in dem Potter seinen Mund auf Lilys drückte, brannte ihm eine Sicherung durch und er stürzte nach vorn. „Was soll das?!“, zischte er, wurde jedoch sofort von Black zurückgestoßen. „Verpiss dich, Schniefelus!“, bellte dieser zornig. „Falls du es nicht kapierst…Krone rettet ihr gerade das Leben, also verzieh dich!“ „Er…das…“ Er war so zwischen seiner Angst um Lily und der Wut auf Potter hin- und hergerissen, dass er nicht mal richtig sprechen konnte, geschweige denn einen Fluch auf die Reihe bekam. Potter war immer noch damit beschäftigt, Lily abwechselnd zu beatmen und ihren Brustkorb zu pumpen. Seine Eifersucht wurde gedämpft, als Lily plötzlich die Augen aufriss, sich aufbäumte und einen Schwall Wasser spuckte. Sie lebte…es war, als würde eine Last von ihm abfallen, und er stieß Black grob beiseite, hatte nur Augen für sie. Das Wasser perlte aus ihren roten Haaren, blass sah sie aus und immer noch hustete sie leicht, während ihr eine Freundin ein Handtuch um die Schultern legte. „Oh Lily, wir haben uns solche Sorgen gemacht!“ „Ja, wenn James nicht gewesen wäre…“ „Er hat dir das Leben gerettet!“ Glühender Zorn kroch in ihm hoch, als er diese dummen Gänse schnattern hörte; Potter hatte ihr also das Leben gerettet? Er verengte die Augen, zitterte vor Wut am ganzen Körper, vor allem als Lily diesem Idioten einen langen Blick zuwarf, woraufhin dieser rot wurde. „Ich…also…Snape hat geholfen“, murmelte er und warf ihm einen widerwilligen Blick zu. „…ich konnte dich nur hochziehen, weil er den Grindeloh mit einem Stupor getroffen hat…und…ich…wollte dir nicht zu nahe treten, Evans, das mit dem Ku – ich meine, mit der Beatmung, ich…“ Keiner sagte etwas. Black starrte seinen besten Freund an, als sei dieser nun komplett durchgeknallt, Lily blinzelte mehrfach ungläubig…und er selbst? Er wusste nicht mehr, was hier gespielt wurde. Potter war ein mieses Schwein, sonnte sich doch sonst auch in seinem Glanz – warum gab er also zu, dass es nicht allein sein Verdienst gewesen war? Er zuckte zusammen, als ihm jemand ebenfalls ein Handtuch um die Schultern legte – Lupin. Als er dessen Blick und das zaghafte Lächeln sah, entzog er sich der Berührung direkt. Niemand anderem schien es aufzufallen, sie waren mehr mit Potter und Lily beschäftigt, die sich immer noch anschauten. Schließlich lächelte Lily…doch es galt natürlich nicht ihm, sondern Potter. Immer nur Potter. „Danke…James.“ Und damit gab sie ihm den Rest; seit wann nannte sie Potter beim Vornamen? Und warum grinste dieser Mistkerl nun so glücklich? Es war nicht richtig, es war unfair und… „…und dir auch, Severus“, fügte sie hinzu, doch für ihn hatte sie nur einen flüchtigen Blick über. Es war ungerecht. Selbst Potter gab zu, dass er sie ohne seine Unterstützung nicht hätte retten können, warum also…sah sie ihn immer noch so an? Es war eine Farce…und er kam sich wie ein Idiot vor. Sicher hatte Potter seine Mithilfe nur erwähnt, damit er noch besser vor ihr da stand…und es funktionierte auch noch. Wie konnte sie es nicht erkennen?! „Das war ziemlich mutig, Snape.“ Es war wie blanker Hohn, als er Lupin die Worte sagen hörte, und er starrte ihn vernichtend an. „Ich brauche deine Anerkennung nicht!“, schnappte er und fuhr herum. „Ich brauche von niemandem Anerkennung!“ Er ignorierte den verletzten Blick des Werwolfs und stapfte davon. Soeben war ihm einfach alles gleich. Sogar Black, der ihm irgendetwas Beleidigendes hinterherrief…sollte er dran ersticken! Was war mit Lily los, dass sie sich nicht einmal darüber aufregte, dass Potter sie beatmet hatte? Das hätte auch eine ihrer Freundinnen übernehmen können, aber natürlich musste es Potter sein! Warum sah sie ihn nicht? Warum bekam er nur einen kurzen Blick und Potter wurde angesehen, als sei er plötzlich ihr Held? Es machte ihn krank. Der Tag war eindeutig gelaufen, er würde nur noch seine Sachen holen und sich dann in seinem Bett vergraben. Sollte sich Potter eine Lungenentzündung holen und daran krepieren! Kapitel 18: Halbblut -------------------- „Seht euch die an…“ Träge hob Remus den Blick von seinem Zaubertränke-Buch, folgte dem Wink seines Freundes und erfasste die beiden Personen, die ein paar Meter weiter standen und sich unterhielten. Die Sonnenstrahlen ließen Lilys rotes Haar noch mehr als sonst leuchten und er beobachtete, wie sie sich eine Strähne hinters Ohr schob. Ein leichtes Schmunzeln umspielte ihre Lippen, während James anscheinend einen Scherz machte und sich dabei durch die Haare fuhr – die Angewohnheit würde er wohl niemals ablegen. Sie schien es jedoch eher amüsant zu finden, zog ihn vermutlich gerade mit seiner Eitelkeit auf…James tat, als würde er schmollen. „…man könnte meinen, sie hätte ihn nie gehasst.“ Remus lächelte bei Sirius‘ Worten; es stimmte, dass Lily ihre Meinung über James anscheinend geändert hatte. Jedoch bezweifelte er, dass das nur an ihrer Rettung aus dem See lag. Dabei musste er an ihr Gespräch denken, als sie ihn über James‘ Beweggründe ausgefragt hatte. „Sie hat ihn nie wirklich gehasst, Tatze“, murmelte er, lehnte sich dabei an den Baum hinter ihm. „Sie fand ihn kindisch und arrogant...aber seitdem er sich vernünftiger verhält, hat sie Interesse an ihm.“ „Bist ja ein echter Frauenversteher, Moony…“, spottete sein Freund und Remus verdrehte die Augen. „Ich habe mich nur ein paar Mal mit ihr unterhalten.“ „Ja, ja…schon klar.“ „Sie sind ein schönes Paar, oder?“, bemerkte Peter und sah mit verträumtem Blick zu den beiden rüber. Nun war es an Sirius, die Augen zu verdrehen. „Ja, sie sind ganz bezaubernd“, erwiderte er übertrieben und ließ sich nach hinten ins Gras fallen. Remus zog die Brauen zusammen. „Das klingt, als würdest du es ihnen nicht gönnen…“, bemerkte er skeptisch und Sirius ließ ein Schnauben verlauten. „Quatsch…Krone hat’s verdient, dass sie ihm endlich mal ne Chance gibt! So lange, wie er ihr schon nachrennt…“ Remus beobachtete, wie er sich eine dunkle Strähne aus der Stirn pustete. „…ich hoffe nur, dass er uns nicht wegen Evans vernachlässigt.“ „Na ja…wenn sie miteinander gehen, dann wird das wohl der Fall sein“, mutmaßte Remus, wobei Sirius das Gesicht verzog und Peter den Kopf hängen ließ. „Dagegen können wir wenig machen.“ „Jaah…ich weiß, aber trotzdem…mir gefällt der Gedanke nicht, dass wir keine Streiche mehr aushecken…nicht mehr nachts umherstreifen…“ „Ich denke nicht, dass er überhaupt keine Zeit mehr für uns hat“, unterbrach Remus ihn ernst, allerdings war er sich selbst nicht sicher. Der Gedanke, zu Vollmond ohne seine Freunde umherzustreifen, machte ihm mehr Angst, als Sirius auch nur ahnen konnte. Generell fand er die Vorstellung, dass alle seine Freunde irgendwann ein eigenes Leben haben würden und er allein blieb, furchtbar, doch es würde wohl unvermeidlich sein. Erneut glitt sein Blick zu Lily und James rüber, die immer noch miteinander sprachen…und zur Abwechslung sah sie mal nicht so aus, als würde sie ihm gleich ihre Bücher um die Ohren hauen. Sie hörte ihm zu, lächelte ab und zu…und Remus stellte beschämt fest, dass er seinen Freund beneidete. Nicht um Lily – sie waren nur Freunde –, sondern darum, dass er jemanden hatte, der ihn mochte…und irgendwann vielleicht sogar lieben würde. So jemanden würde er niemals haben…auch wenn die Hoffnung seit einiger Zeit immer wieder in ihm aufloderte. Vergeblich…aber was erwartete er auch? „Sag mal, Moony…“ Remus blinzelte, ehe er zu Sirius sah, der ihn aus seinem inneren Monolog gerissen hatte. Sein Freund setzte sich auf, funkelte ihn aus seinen grauen Augen an. „…warum sitzt du eigentlich in letzter Zeit so oft mit Snape in der Bibliothek?“ Eigentlich hätte er mit der Frage rechnen müssen, dennoch erwischte es ihn so eiskalt, als hätte Sirius einen Eimer Wasser über seinem Kopf ausgeschüttet. Er nahm sehr wohl wahr, dass sein Freund Snapes Namen aussprach, als handele es sich dabei um etwas Ekelerregendes. Remus machte sich gar nicht erst die vergebliche Mühe, ihn dafür zu tadeln. „Wir lernen“, gab er knapp zurück und sah wieder in sein Buch. „…warum lernst du mit Snape?“, bohrte Sirius weiter. „Genau, Moony“, pflichtete Peter ihm direkt bei. „Er ist ein Slytherin!“ Remus war bereits jetzt genervt von dem Gespräch, einfach weil er wusste, dass er sagen konnte, was er wollte, es würde den beiden nicht recht sein. „Das ist mir bewusst“, gab er daher lediglich zurück und seine beiden Freunde fixierten ihn. „Ist dir auch bewusst, dass er der schleimigste und schwarzmagischste Slytherin ist?“, fragte Sirius kalt. Remus schnaubte daraufhin. „Wenn wir zusammen lernen, dann geht es um Zaubertränke oder Verwandlung…oder irgendein anderes Fach. Er jagt mir keine Flüche auf den Hals und wir lesen auch nicht in der verbotenen Abteilung…also was ist dein Problem, Tatze?“ Es war mehr, als er hatte sagen wollen, doch er hatte sich nicht bremsen können. Vielleicht, weil der Unmut schon so lange in ihm geschlummert hatte, er wusste es nicht, doch Sirius‘ perplexer Gesichtsausdruck war es wert gewesen. Neben ihm schnappte Peter nach Luft, als hätte er etwas zutiefst Anstößiges von sich gegeben. Langsam glättete sich Sirius‘ Mimik wieder und seine grauen Augen wirkten dunkler als noch zuvor. „Er ist der Feind, Moony!“, zischte er und schien es ernst zu meinen. „Er tut doch nur so widerwärtig freundlich, um an Krone ranzukommen…damit er ihm was antun kann!“ Remus zog eine Braue hoch, wusste im ersten Moment nicht, was er sagen sollte…einfach, weil es so lächerlich klang. „Er tut nicht freundlich…die meiste Zeit über ist er sarkastisch und…na ja, unfreundlich.“ Das war nicht gelogen, denn Snape war zwar friedlicher ihm gegenüber geworden, doch seine Art blieb dieselbe. Hätte er sich plötzlich vollkommen gewandelt, wäre das auch unheimlich gewesen. „Warum gibst du dich dann mit so einem ab?!“ Remus seufzte stumm. „Weil er gut in Zaubertränke ist…mehr als gut und das weißt du auch. Außerdem seid ihr meistens bei Krones Training oder anderweitig beschäftigt.“ „Also…nutzt du ihn aus?“, hakte Sirius misstrauisch nach und Remus stockte kurz. „Ich…also…“ „Wahrscheinlich ist er ganz versessen drauf, sich bei dir einzuschleimen…und du benutzt ihn für die Prüfung!“, schlussfolgerte Sirius merklich erleichtert. „Das ist genial, Moony!“ Anscheinend war ihm diese Erklärung weitaus lieber als die Möglichkeit, dass Remus Snape tatsächlich gern um sich haben könnte. Sollte er ihn aufklären? Er entschied sich dagegen. Sirius hatte seine Meinung und würde sich nicht beirren lassen, es würde nur Streit geben und darauf konnte er verzichten. Zumal er an der Freundschaft zu den Dreien hing…und wusste, dass Peter sich sowieso auf Sirius‘ Seite stellen würde. Er konnte nur verlieren…und deshalb schwieg er. „Genial? Ihr redet doch hoffentlich von mir?“ Ein bis über beide Ohren grinsender James stand plötzlich vor ihnen, woraufhin ihr Gespräch abrupt verstummte. Sirius verdrehte die Augen, als er seinen gut gelaunten Freund sah. „Oh ja, Krone…von wem sollten wir auch sonst reden…“ Ihr Freund setzte sich zu ihnen, schmunzelte über die spöttische Antwort. „Meine Rede, Tatze!“ „Okay, du Angeber…klär uns auf – was läuft da jetzt mit Evans? Hast du sie rumgekriegt?“ James fuhr sich abermals durchs Haar und Remus enthielt sich nur mit Mühe eines Kommentars. „Ein Gentleman genießt und schweigt!“ „Also habt ihr ein Date.“ „Nächstes Wochenende in Hogsmeade!“ Nicht mal das hellste Feuerwerk hätte James‘ Strahlen Konkurrenz machen können. Remus konnte nicht anders, als zu lächeln. „Das freut mich für dich“, sagte er ehrlich, auch wenn sich da noch ein anderer Gedanke in seinem Kopf formte. Wenn Snape davon erfuhr, dass Lily mit James ausging, wenn sie gar ein Paar werden würden, was mehr als wahrscheinlich war, würde er ausrasten. Es würde ihn treffen und das tat Remus ebenso leid, wie es den Funken Hoffnung in seiner Brust wieder aufglimmen ließ. Vielleicht war es, weil Snape ein bisschen wie er war…weil sie beide Außenseiter waren, auch wenn er im Gegensatz zu ihm Freunde hatte. Mittlerweile kam er sogar ganz gut mit Snapes Launen klar und vielleicht war es Einbildung, doch er hatte das Gefühl, dass dieser sich gebessert hatte. Nun ja, bis er Lily zusammen mit James gerettet und diese nur Augen für letzteren gehabt hatte. Seitdem war er wieder unausstehlicher und gereizter, ließ sich auch wieder mehr über seine Freunde aus. Er schien nicht zu merken, wie sehr sich Remus um ihn bemühte…doch er konnte auch nicht wirklich ausdrücken, um was es ihm ging. Es war schrecklich verzwickt, er verstand es ja selbst kaum. Vielleicht war es auch nur eine Phase, die es zu überwinden galt. Wenn Remus wenigstens mit jemandem darüber hätte reden können, doch das ging natürlich nicht. Er musste allein damit fertig werden, es entweder verdrängen oder…nein. Nein, das ging auch nicht. Vor allem nicht, wenn er sich selbst so dermaßen unsicher war, was es bedeutete. Bestimmt würde es vergehen, sich irgendwie einpendeln. „Moony? Bist du noch anwesend?“ Er zuckte zusammen, als ihn James so unvermittelt ansprach und er sah zerstreut auf. „Ähm…ja…bin ich…tut mir leid“, stammelte er. „Was hast du gesagt?“ Seine Freunde warfen sich untereinander skeptische Blicke zu, doch dann fuhr James fort. „…ich hab nur gerade gefragt, ob du nicht einen guten Tipp für mich hast?“ „Oh…“, entkam es ihm ein wenig ratlos, doch James grinste nur. „Da du doch unser Frauenversteher bist…“ Remus wusste, dass es nicht spöttisch, sondern mehr neckisch gemeint war, und es brachte ihn zum Lächeln. „Ich denke, du bist jetzt so weit, es auch ohne meine Hilfe zu schaffen, Krone. Ihr beide habt vorhin sehr harmonisch ausgesehen…“ „Ja, nicht wahr?“, erwiderte James und wirkte, als würde er gleich vor Stolz platzen. „Ich habe es nicht versaut – sie hat sogar über einen meiner Scherze gelacht!“ Sirius kippte stöhnend zurück ins Gras, klatschte sich die Hand vor die Stirn. „Kaum hasst Evans ihn nicht mehr, dreht er vollkommen durch…“ „Ach, halt die Klappe, Tatze! Du bist ja bloß neidisch!“ James streckte seinem besten Freund die Zunge raus und schlug ihm gegen die Schulter. Dieser verzog übertrieben das Gesicht und rieb sich die Stelle, als würde diese schmerzen. „Und jetzt verprügelst du deinen besten Freund, Krone…du brichst mir das Herz!“ „Welches Herz?“ „Witzbold…“ Remus belächelte die Zankerei der beiden Spaßvögel, während Peter gespannt von einem zum anderen sah, als würde er einen guten Film schauen. Jedoch lenkte eine Gestalt, die soeben über das Gelände schritt, seine Aufmerksamkeit von seinen Freunden ab. Er runzelte die Stirn, als er die drei Slytherins bemerkte, die Snape doch sehr beharrlich zu folgen schienen. Zufall? Er glaubte es kaum, auch wenn man es hätte vermuten können, und stand deshalb nach kurzer Zeit auf. „Wohin, Moony? Wir haben frei…“, bemerkte James stirnrunzelnd, woraufhin Remus‘ Lächeln wankte. „Ich wollte meinen Aufsatz für Verwandlung noch korrigieren…“ „Wie jetzt?“ „Das fällt dir ja früh ein“, meinte Sirius und man merkte ihm an, dass er ihm nicht glaubte. „Willst du vielleicht wieder in die Bibliothek?“ Remus versuchte krampfhaft, nicht rot zu werden, denn er wusste genau, worauf sein Freund anspielte. Dessen graue Augen blitzten eine Spur zu wissend auf – diese ganzen Anspielungen wurden langsam unangenehm. „Eventuell…wenn ich noch was brauche“, murmelte er und hörte Sirius schnauben. „Wir sehen uns dann später!“ Damit ging er einfach, wartete gar nicht erst die Antwort ab. Er hatte keine Lust, sich auf eventuelle Fragen irgendwelche Lügen ausdenken zu müssen; generell nervte es ihn, dass er das ständig tun musste, wenn es um Snape ging. Es dauerte eine Weile, bis Remus den Slytherin fand – und das auch nur mithilfe eines Aufspürzaubers. Allerdings war er doch recht irritiert, als ihn der Zauber zu einer von Filchs Besenkammern führte. Snape war doch mit Sicherheit nicht hier drin. Er griff kopfschüttelnd nach der Türklinke – und stutzte merklich, als sich diese nicht öffnen ließ. Er versuchte es noch einmal, rüttelte fester – vergebens. Kurz ließ er den Blick schweifen und stellte fest, dass er allein im Korridor war. Wobei, selbst wenn es nicht so gewesen wäre, tat er ja nichts Verbotenes…andererseits würde Filch ihn sicher beschuldigen, irgendeinen Streich ausgeheckt zu haben. Remus seufzte innerlich, ehe er nach seinem Stab griff und einen Gegenzauber murmelte. Ein leichtes Antippen der Klinke und die Tür sprang von allein auf. Ein leises Schnaufen alarmierte ihn, so dass er rasch in die Kammer trat und die Tür hinter sich anlehnte. „Lumos!“, flüsterte er und erstarrte in der nächsten Sekunde. In der hintersten Ecke des kleinen Raumes lag eine zusammengerollte Gestalt auf dem Boden. Remus trat einen Schritt näher, erkannte, dass die Person mit dünnen Seilen gefesselt und geknebelt worden war. „…Snape? Was zum…?!“, entkam es ihm entsetzt. Der Slytherin war unter seinen schwarzen Haaren so blass, dass er beinahe wie eines der Gespenster aus Hogwarts wirkte. Als er sich neben ihn kniete, blitzten die dunklen Augen hasserfüllt auf, was Remus hart schlucken ließ. Dann fing er sich aber und löste mit einem Zauber die fest gezurrten Seile, so dass sich Snape wieder bewegen konnte. Dieser setzte sich zittrig auf, doch sein Blick blieb weiterhin mörderisch, als er sich fahrig über die Stirn strich. „…starr nicht so!“, zischte er so scharf, dass Remus zusammenzuckte. „Ich wollte nur…ist das Blut?!“ Tatsächlich sickerte ein rotes Rinnsal an Snapes Schläfe entlang und Remus verengte die Augen, als sich der andere abermals an die Stirn fasste. Blut klebte an seinen Fingern und er wischte es rasch an seinem Umhang ab. „Nein, es ist Kürbissaft, Lupin!“, wurde er angeblafft, ehe sich Snape taumelnd erhob. Rasch stand auch Remus auf, um den anderen zu stützen, was ihm einen finsteren Blick einbrachte. „Fass mich nicht an!“ Jedoch ließ er sich dieses Mal nicht davon einschüchtern, sondern hob stattdessen den Stab höher, so dass er etwas durch Snapes wirre Haare blitzen sehen konnte. Der Slytherin kniff aufgrund der Helligkeit kurz die Augen zusammen, was Remus nutzte, um ihm die schwarzen Haare aus der Stirn zu streichen. Ein erschrockenes Keuchen entkam ihm, als er das eingeritzte Wort in seiner fahlen Haut sah. Halbblut. Wie entzündet leuchteten ihm die Buchstaben entgegen und er war im ersten Moment nicht fähig, etwas zu sagen – bis Snape heftig seine Hand beiseite schlug. „Bist du nun zufrieden?!“, fauchte er ihn an und seine schwarzen Augen schimmerten voller Hass. „Du…wer…wer hat das-“, stammelte Remus, doch Snape unterbrach ihn. „Niemand!“ „Snape…das ist kein dummer Scherz, du wurdest angegriffen!“ „Als wäre das etwas Neues…“, kam es sarkastisch zurück, doch Remus bemerkte, dass Snape zitterte. „Du musst in den Krankenflügel! Madame Pomfrey kann das bestimmt heilen, ohne dass Narben bleiben! Komm…ich bringe dich hin…und dann erzählst du es Slughorn!“ „…und was soll ich ihm erzählen?“, ätzte der Slytherin, der sich jedoch nicht gegen seinen Griff wehrte. Remus sah ihn verwirrt an. „Dass du angegriffen wurdest!“, erwiderte er. „…es waren welche aus deinem Haus, nicht wahr? Ich habe gesehen, wie sie dir gefolgt sind.“ Snape presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, schien nicht gewillt zu sein, sich dazu zu äußern. Es erleichterte Remus, dass seine Freunde nichts mit der Sache zu tun haben konnten, schließlich waren sie die ganze Zeit zusammen gewesen. James und Sirius wären aber auch niemals so weit gegangen, Snape sowas anzutun. „Snape?“, sprach er ihn erneut an, als sich der Slytherin nicht rührte. „Ich brauche deine Hilfe nicht“, knurrte dieser, doch es klang so halbherzig, dass Remus es nicht ernstnehmen konnte. „Komm…“ Er nahm es als gutes Zeichen, dass sich Snape nicht weiter wehrte, und brachte ihn hoch in den Krankenflügel. Glücklicherweise trafen sie auf keine bekannten Gesichter, was wohl vor allem in Snapes Sinne war. Dieser war ungewohnt schweigsam und gerade das machte Remus Sorgen. Madame Pomfrey machte natürlich einen ziemlichen Aufstand, als sie Snape sah. Allerdings verriet er ihr ebenso wenig wie ihm, wer dafür verantwortlich war, so dass sie ihn schließlich bestimmt auf eines der Betten drückte. „…wenn der Schulleiter davon erfährt…unmöglich! Warten Sie hier!“ Snape blieb mit finsterem Gesichtsausdruck sitzen, während er seinen Blick mied. Ob er sich schämte? Remus fand diesen Streich einfach nur furchtbar…immerhin war er selbst ein Halbblut, doch es hatte ihm nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil, denn seine Muggel-Mutter war eine so warmherzige und tolerante Frau, dass er niemals auch nur auf den Gedanken gekommen wäre, lieber eine Hexe zur Mutter haben zu wollen. „Snape?“, fragte er leise und hörte den Angesprochenen schnauben. „Was willst du?“ „…wieso erzählst du ihr nicht, wer es war?“ „…“ „Wenn du nichts dagegen tust, wird es wieder passieren.“ Snape gab ein verächtliches Geräusch von sich. „Wann immer ich etwas gegen Potter und Black unternommen habe, ist es auf mich zurückgefallen…und danach noch schlimmer geworden.“ Remus warf ihm einen unsicheren Blick zu; eigentlich wollte er widersprechen, denn oft hatte sich auch Snape falsch verhalten, doch wenn er das laut sagen würde, würde es nur wieder zu Streit führen…und er wollte gerade nicht streiten, sondern helfen. „Was passiert wohl, wenn ich Leute aus meinem eigenen Haus verpetze…“, fuhr Snape zynisch fort. Remus konnte es sich gut vorstellen, wenn sie ihn jetzt schon so zugerichtet hatten. Andererseits musste man doch etwas tun können? Was hätte er an seiner Stelle getan? Seine Freunde hätten sich vermutlich für ihn eingesetzt, doch Snape…hatte keine Freunde, nicht mal in Slytherin. „Du bist mit daran schuld.“ Remus fuhr herum, als er das hörte, und er starrte ihn fassungslos an. „Ich?“, entkam es ihm und Snape senkte den Blick auf seine Hände. „Es passt ihnen nicht, dass ich mich mit einem Gryffindor-Halbblut rumtreibe…nachdem ich mich schon mit einem Sch- …mit ihr…“ Remus blinzelte. „Du sprichst von Lily.“ Es brauchte keine Antwort seitens Snape, um zu wissen, dass er richtig lag. Remus konnte nicht glauben, dass man so rassistisch sein konnte, doch leider wusste er es gut genug. Zögernd setzte er sich neben Snape, warf diesem einen Seitenblick zu. Wie er dort saß und mit zusammengepressten Lippen vor sich hin starrte, während das Blut an seinem Kinn herunter tropfte…verspürte Remus einfach nur tiefes Mitgefühl. So unfreundlich Snape auch oftmals war, das hatte er einfach nicht verdient…und er wollte ihm zeigen, dass er nicht allein war. Vorsichtig legte er eine Hand auf seine Finger, die sich in seinen Umhang verkrallt hatten. Im ersten Moment zuckte Snape zusammen und Remus befürchtete schon, er würde aufspringen und ihn anfahren – er tat es nicht. Tatsächlich zog er seine Hand erst weg, als Madame Pomfreys hektische Schritte auf dem Gang ertönten…und Remus konnte sich nicht erklären, warum allein das sein Herz höher schlagen ließ. Kapitel 19: Helfersyndrom ------------------------- Seit jeher hatte Severus gelernt, seine Probleme ausschließlich mit sich selbst auszumachen. Es hatte wenige Jahre gebraucht, bis er realisiert hatte, dass er sich nicht mal auf seine Eltern verlassen konnte. Wann ihm diese Erkenntnis gekommen war, wusste er nicht mehr genau…es musste irgendwann auf dieser Grundschule für Muggel passiert sein. Vielleicht damals, als die anderen Kinder auf ihn losgegangen waren und seine Kleidung dabei in Mitleidenschaft gezogen worden war. Sein Vater hatte ein ziemliches Theater veranstaltet, während seine Mutter nur da gesessen und vor sich hin gestarrt hatte. Immer, wenn sie sich einmischte, wurde es noch schlimmer, von daher konnte er es ihr schlecht nachtragen. Sicher hatte Lily ihm oftmals geholfen, wenn er Probleme gehabt hatte…vor allem, wenn diese Probleme mit den Rumtreibern zu tun hatten. Gewollt hatte Severus dies dennoch nie, denn es hatte ihn jedes Mal beschämt. Hilfe von anderen war etwas, das er nicht gewöhnt war…es war ihm unangenehm, weil es bedeutete, dass er zu schwach war, um sich selbst zu helfen. Und jetzt saß er hier…mit pochender Stirn im Krankenflügel…und mit Lupin, der sich weigerte, endlich zu verschwinden. Madame Pomfrey hatte ihr Bestes getan, um ihm zu helfen, doch der Zauber war wohl hartnäckiger als gedacht, so dass er die Nacht über hier bleiben sollte. Severus war das eigentlich ganz recht, denn das Wort auf seiner Stirn war immer noch nicht gänzlich verschwunden. Was ihm nicht recht war, war Lupins Anwesenheit, doch da dieser anscheinend mittlerweile immun gegen seine Boshaftigkeit war, konnte er nicht viel tun, um ihn zu vertreiben. Noch war es nicht so spät, dass er von Madame Pomfrey rausgescheucht wurde. Im Gegenteil, sie hatte gemeint, dass ihm der Beistand von einem Freund in seiner Situation sicher helfen würde. Als wären Lupin und er auch nur annähernd so etwas wie Freunde. Was zeichnete Freunde überhaupt aus? Lily war seine Freundin gewesen, sie hatte sich um ihn gesorgt, war nett zu ihm gewesen und er war gern mit ihr zusammen und Lupin…verdammt, mit dem war es inzwischen genauso. Nicht, dass er lieber mit diesem Werwolf zusammen gewesen wäre als mit Lily…oder dass er auch nur annähernd ihren Status bei ihm erreichen könnte, aber…er respektierte Lupin. Zur Hölle, er hatte sogar zugelassen, dass Lupin seine Hand länger als drei Sekunden berührte. Warum eigentlich? Besser, er fing gar nicht erst an, darüber nachzudenken…er hatte schon genug Kopfschmerzen. Außerdem würde das bedeuten, dass Lupin wichtig genug war, um komplizierte Gedanken an ihn zu verschwenden. Dabei versuchte er ihn doch die ganze Zeit auszublenden, damit dieses unangenehme Gefühl endlich verging. „War das dein Ernst?“ Das mit dem Ausblenden wurde wohl nichts und er seufzte innerlich. Ohne den Blick von einer besonders hässlichen Vase auf einer der Kommoden zu nehmen, murmelte er nur: „Was?“ „…dass es meine Schuld ist…was dir passiert ist.“ Severus schnaubte leise. „Warum interessiert dich das?“, erwiderte er und machte sich nicht die Mühe, zu verbergen, wie genervt er war. Nicht nur von Lupin oder seinen überflüssigen Fragen, sondern von der gesamten Situation. Sie hatten ihn verfolgt und abgefangen, waren zu dritt gewesen, von daher hatte er keine Chance gehabt…und trotzdem nagte der Vorfall an ihm. So hinterlistig es auch gewesen sein mochte, er hätte besser aufpassen müssen, doch stattdessen hatte er seine Deckung vernachlässigt. Rosiers dreckiges Lachen wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen und er krallte die Finger zornig in die Decke. „Weil…ich das nicht wollte…also, dass sowas passiert.“ Er warf Lupin einen Seitenblick zu…und stellte fest, dass der sich tatsächlich schuldig zu fühlen schien. Zumindest deutete er den Ausdruck in den bernsteinfarbenen Augen so…wie ein getretener Hund, richtig lächerlich. Schließlich war es nicht nur seine Schuld…auch wenn Severus das in seiner Wut behauptet hatte. Musste er das jetzt aufklären? Konnte ihm doch egal sein, was der Werwolf dachte…leider war es das nicht und das war ziemlich frustrierend. „Die haben sowieso schon lange drauf gewartet, mir eins reinzuwürgen“, brummte er nach einer Weile und drehte den Kopf wieder weg. „Ich war halt unvorsichtig…und jetzt lass mich damit in Ruhe. Dein Mitleid ändert auch nichts dran.“ Lily wäre vermutlich stolz auf ihn gewesen, wenn sie solche Worte von ihm gehört hätte; wie oft hatte sie ihm vorgeworfen, engstirnig und nachtragend zu sein? Auf jeden Fall sehr oft. „Ich weiß“, hörte er Lupin sagen. „Aber…ich möchte irgendwas tun. Also…für dich…weil…es ist einfach nicht in Ordnung, was die mit dir gemacht haben.“ Severus wollte ihn anzischen, dass vieles im Leben nicht in Ordnung war, doch das Thema Rumtreiber wollte er nicht schon wieder anschneiden. Außerdem wollte er ausnahmsweise mal keinen Streit anfangen. Nicht jetzt, wo er genug andere Probleme hatte…wobei er nicht glaubte, dass sie ihm so schnell wieder auflauern würden – wenn auch nur aufgrund der Befürchtung, er könnte zu Slughorn oder gar zu Dumbledore rennen. Zwar hatten sie ihm gedroht, doch das war ja keine Garantie für sein Schweigen. Lupin wollte also was für ihn tun? Damit es ihm besser ging? Das war ja richtig rührend…und vollkommen unnötig. Niemand brauchte was für ihn tun. Aber Lupin wollte es. Warum? Ach ja…weil er so ein netter Kerl war…das war ja kaum auszuhalten. Wenn er ihm mit dieser Gutmensch-Tour kam, fiel es ihm wirklich schwer, zynisch zu sein. „Du hast genug getan“, meinte er, bevor er auf Lupins ungläubigen Blick hin ergänzte: „Und nein, das meine ich nicht sarkastisch.“ Igitt…wirkte Lupins Freundlichkeit so ansteckend, dass er jetzt auch schon damit anfing? Andererseits…würde er ohne, dass der Gryffindor ihn gefunden hätte, immer noch in dieser muffigen Besenkammer stecken. Es schauderte ihn bei dem Gedanken, dass er tagelang dort drin hätte liegen können. Wer hätte ihn vermisst? Wenn er Glück gehabt hätte, vielleicht einer der Lehrer – Slughorn ausgenommen, denn der kümmerte sich nur um die wichtigen Schüler. Zudem verhielt sich Lupin in dieser Situation diskreter, als es andere Leute getan hätten. Er fand es weder lustig noch würde er ihn damit aufziehen…dessen war er sich sicher. Eigenartig, wie gut er inzwischen von dem Werwolf dachte. Als er zu Lupin sah, lächelte dieser ihn an…und Severus spürte, wie seine Wangen zu kribbeln begannen. Konnte dieser Idiot nicht mal damit aufhören? Diese Freundlichkeit machte ihn noch ganz krank, sowas war er einfach nicht gewöhnt. „Gern geschehen“, gab er zurück und legte für einen Moment die Hand auf seinen Unterarm. Die warmen Finger berührten seine Haut, ließen ihn reflexartig zusammenzucken; warum tatschte der ihn jetzt schon wieder an? Das war doch nicht normal…oder? Wobei…wenn er so zurückdachte, hatte Lily ihn auch oft flüchtig berührt. Reagierte er also über? Wahrscheinlich…auch wenn er das natürlich niemals laut zugegeben hätte. „Ah, wie ich sehe, sind Sie in bester Gesellschaft, Mr Snape!“ Wie von der Tarantel gestochen, zog Severus beim Klang der vertrauten Stimme seinen Arm weg und auch Lupin zuckte so heftig zusammen, dass er beinahe von der Bettkante gefallen wäre. Albus Dumbledore schien das erfolgreich zu ignorieren, während er mit dem gewohnt freundlichen Lächeln auf den Lippen näher schritt. Wie konnte sich ein alter Mann bitte so geschickt anschleichen, dass keiner ihn bemerkte? Und was fiel Madame Pomfrey überhaupt ein, den Schulleiter zu rufen? Er hatte doch deutlich gemacht, dass er mit niemandem darüber sprechen wollte. „Verzeihen Sie mir die Störung“, fuhr Dumbledore im Plauderton fort. „Es war gewiss nicht meine Absicht, Sie beide zu…nun ja, zu erschrecken.“ Severus wusste nicht einmal, warum ihm bei diesen Worten die Hitze in die Wangen stieg, doch Lupin schien es ähnlich zu gehen. Beruhigend war das zwar nicht, aber immerhin ein schwacher Trost. Dumbledore blickte sie weiterhin aus seinen blauen Augen über die Ränder seiner Halbmondgläserbrille an…und da war so ein seltsames Funkeln, das ihm gar nicht behagte. „Sie haben uns nicht erschreckt!“, log er und versuchte, besonders patzig zu klingen. Lupin runzelte daraufhin die Stirn, besaß anscheinend aber genug Taktgefühl, um nicht zu widersprechen. „Oh, tatsächlich?“, fragte Dumbledore verwundert. „Mir schien, ich hätte Sie beide in einem vertrauten Augenblick überrumpelt…“ Severus wünschte sich, er könnte im Erdboden versinken, doch dies war ihm natürlich nicht vergönnt. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als den Schulleiter so finster wie möglich anzustarren, in der Hoffnung, es möge diesen dazu bringen, wieder zu gehen. „Aber nun gut, ich möchte Sie nicht weiter in Verlegenheit bringen…“ Neben ihm schien Lupin einem Herzinfarkt nahe, zumindest wenn man nach dem Japsen ging, was diesem soeben entwich. Er selbst hatte mehr das Gefühl, er würde gleich explodieren; was faselte dieser alte Mann da von Verlegenheit?! Es gab ja nicht mal einen Grund dafür! „…kommen wir also zum Grund meines Besuchs.“ Obwohl Dumbledore immer noch so freundlich lächelte, wirkte sein Ausdruck beunruhigend scharf und Severus graute es bereits jetzt vor dem unvermeidlichen Gespräch. Der Schulleiter fixierte seine Stirn und es fiel dem Slytherin schwer, nicht einfach den Kopf wegzudrehen. Bringen würde das sowieso nichts. „Madame Pomfrey hat mich bereits über den Vorfall unterrichtet, Mr Snape“, begann er ruhig, doch Severus spannte sich direkt an. „Sie sagte mir, dass Sie sich weigern, ihr mehr darüber zu erzählen…oder diejenigen zu nennen, die Ihnen das angetan haben.“ Severus presste kurz die Lippen zusammen, funkelte den Schulleiter kühl an. „Dann ist ja alles gesagt“, schnappte er, auch wenn er wusste, dass es nicht so leicht sein würde. „Uhm…Snape, vielleicht solltest du ja doch…darüber reden?“ Dass Lupin ausgerechnet jetzt beschloss, sich einzumischen, war keinesfalls hilfreich. Er schoss dem Werwolf einen tödlichen Blick zu, unter welchem der andere zusammenzuckte; hoffentlich reichte das aus, damit er still war. „Ich muss Mr Lupin Recht geben, Mr Snape“, meldete sich Dumbledore wieder zu Wort. „Sie wurden offensichtlich angegriffen und dabei verletzt, so ein Verhalten wird in Hogwarts nicht geduldet.“ War ja klar, dass er nun so klug daher redete, aber wenn seine kleinen Lieblinge Potter und Black involviert waren, kümmerte das den alten Mann nie. Warum sollte er also den Mund aufmachen? Es würde alles nur schlimmer machen und niemand würde ihn mehr ernst nehmen. Dass selbstgerechte Gryffindors das nicht verstanden, sollte ihn wohl nicht wundern. „Ich werde nichts dazu sagen.“ Dumbledore sah ihn mit hochgezogenen Brauen an, doch wenn er hoffte, dass Severus einlenken würde, hatte er sich geschnitten. „Sind Sie sicher?“ Demonstrativ verschränkte der Slytherin die Arme, sah finster zurück. „Ja. Es gibt nichts zu sagen.“ Dumbledore ließ ein Seufzen verlauten. „Nun, das ist bedauerlich, denn ich glaube nicht, dass es sich hierbei um einen Unfall handelt, nicht wahr? Sie müssen die Täter nicht schützen…“ Severus fiel es schwer, dem stechenden Blick standzuhalten, aber er tat es; er war mindestens so stur, wie der alte Mann beharrlich war. Sollte er endlich aufgeben und verschwinden. „Ich schütze niemanden!“, zischte er. „Ich will nur nicht darüber reden!“ Ein paar Sekunden lang schaute Dumbledore ihn nur an, so als erwarte er, dass Severus seine Meinung dadurch ändern würde. Dann wanderte sein Blick langsam zu Lupin rüber, der immer noch neben ihm saß, sich aber wohl nicht noch mal einzumischen traute. „Mr Lupin?“ Der Angesprochene blickte auf und Severus wusste, ohne ihn ansehen zu müssen, dass ihm die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben stand. Wehe, er würde auch nur ein Wort darüber verlieren… „Möchten Sie etwas sagen?“ Lupin hatte jetzt genau zwei Optionen…entweder er erzählte Dumbledore, dass er gesehen hatte, wie ihm die Leute aus seinem Haus gefolgt waren, oder er hielt den Mund. Severus hatte das ungute Gefühl, dass sein lächerlicher Gryffindor-Stolz ihn zu Ersterem verleiten würde – doch Lupin sollte klar sein, dass er von ihm dann nichts mehr zu erwarten hätte. Für ihn selbst sollte das kein großer Verlust sein...umso ärgerlicher, dass es ihm trotzdem widerstrebte, in Zukunft wieder allein in der Bibliothek zu sitzen. Lupin öffnete ein paar Mal den Mund, schloss ihn wieder, sah zu ihm und schlussendlich wieder zu Dumbledore, der geduldig wartete. „Ich…es tut mir leid, Professor…ich weiß auch nicht, wer ihm das angetan hat.“ Das kam doch recht überraschend und dem Schulleiter musste es genauso gehen, auch wenn der lediglich nickte. „So bedauerlich dies auch ist…ich verstehe.“ Noch einmal wurden sie beide eindringlich angesehen, doch da sich keiner von ihnen noch weiter äußerte, gab er endlich auf. „Falls Sie Ihre Meinung ändern sollten, wissen Sie, wo Sie mich finden…ich habe jederzeit ein offenes Ohr für meine Schüler.“ Severus schwieg verbissen, wohingegen Lupin sich leise bedankte. „Bei Madame Pomfrey sind Sie in guten Händen, Mr Snape…ruhen Sie sich aus.“ Das gütige Lächeln nervte ihn allenfalls, doch Dumbledore schien seine finstere Miene zu ignorieren und nickte ihnen beiden zu, ehe er sich umdrehte und den Raum verließ. Eine Weile sagte keiner von ihnen beiden etwas, auch wenn er Lupins Blick auf sich spürte. Sollte er sich jetzt auch noch schuldig fühlen? Es ging keinen etwas an, was passiert war…doch anstatt etwas zu sagen, seufzte Lupin nur resigniert und es kostete Severus einiges an Selbstbeherrschung, ihn nicht anzufauchen. „…was?“, murrte er stattdessen und drehte sich zu ihm. Lupin lächelte schief. „Du bist der komplizierteste und misstrauischste Mensch, den ich je kennengelernt habe.“ Severus schnaubte leise. „Das hat seine Gründe, wie dir vielleicht bekannt sein dürfte.“ Auch wenn Lupin die Andeutung sicher verstand, blieb er weiterhin freundlich; gab es überhaupt etwas, das den Werwolf wütend machen konnte? Wobei, einmal hatte er es ja geschafft, diesen aus der Haut fahren zu lassen. „…ich weiß“, meinte Lupin und sah ihn aus seinen Bernsteinaugen ernst an. „Aber du solltest vielleicht mal versuchen, wenigstens den Menschen zu vertrauen, denen was an dir liegt.“ Die Worte ließen Severus für einen Moment erstarren – nicht mal eine sarkastische Bemerkung wollte ihm einfallen. Soweit er sich erinnern konnte, war Lily die einzige Person in seinem Umfeld, die jemals Vergleichbares zu ihm gesagt hatte…und bei ihr was das was anderes. Da war wieder dieses unangenehme Gefühl von vorhin, bevor Dumbledore plötzlich vor ihnen gestanden hatte. Weil er merkte, wie seine Wangen erneut zu kribbeln begannen, wandte er den Blick ab; irgendwas lief hier doch gewaltig schief. „Hast du eigentlich keine eigenen Probleme, um die du dich kümmern musst?“, erwiderte er abweisend, hielt sich aber mit Bemerkungen über pelzige Kreaturen zurück. Seit wann achtete er auf seine Wortwahl, wenn es um den Werwolf ging? „Einen ganzen Haufen“, gab Lupin zurück. „Aber wir Vertrauensschüler haben dieses Helfersyndrom…“ Als Severus ihm einen Seitenblick zuwarf, lächelte der andere ihn an. Bei ihm zweifelte er nicht mal, dass es ernst gemeint war…Lupins Freundlichkeit war immer sein Ernst, so viel wusste er inzwischen über ihn – auch wenn er ein Feigling war und oft kein Rückgrat hatte. Da hatte wohl jemand sein Helfersyndrom lange unterdrückt, um nicht mit seinen Freunden zu streiten. „…scheint bei dir ja nervtötend stark ausgeprägt zu sein“, brummte er jedoch nur, weil er nicht über die Rumtreiber reden wollte. Lupin schmunzelte, doch bevor er noch etwas sagen konnte, wurden sie erneut unterbrochen – und vielleicht war das gut so. Auch wenn Severus sich ganz sicher nicht Slughorn dafür gewünscht hätte…vor allem nicht, als er dessen Gesichtsausdruck sah. Es war kein Geheimnis, dass sich sein Hauslehrer nur für die Schüler, die durch Beziehungen oder mit außergewöhnlichem Talent herausstachen, interessierte. Für jemanden wie ihn hatte Slughorn eigentlich nichts übrig, weswegen Severus das Bedauern im Gesicht des Professors nicht ernst nehmen konnte. Als würde es diesen Heuchler ernsthaft kümmern, was ihm widerfahren war – obwohl Potter und Black nicht in seinem Haus waren, zollte er ihnen mehr Aufmerksamkeit als ihm. Severus hatte sich schon damit abgefunden, aber es wäre ihm lieber gewesen, Slughorn wäre einfach gar nicht gekommen. Anstatt ihn jedoch direkt zu bemitleiden, wandte er sich überraschenderweise erst einmal an Lupin. „Oh, Mr Lupin…Sie sind auch hier…hm…“, bemerkte er und wirkte dabei ein wenig zerstreut. „Ich hatte nicht damit gerechnet…aber gut.“ Sein erzwungenes Lächeln sah aus, als hätte er Zahnschmerzen. „Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie Mr Snape Gesellschaft geleistet haben…doch ich muss Sie nun bitten zu gehen. Ich…muss mit Mr Snape allein sprechen. Es ist wirklich wichtig…und duldet leider keinen Aufschub.“ Lupin sah Slughorn verdutzt an, ehe er ihm einen zögerlichen Seitenblick zuwarf. „Oh…natürlich, Professor…uhm…“ Die bernsteinfarbenen Augen flackerten kurz zu ihm rüber, als erwarte er eine Erlaubnis. Severus nickte nur steif, war jetzt noch beunruhigter als bei Dumbledores Besuch; was war passiert, dass Slughorn Lupin sogar rausschickte? Es ging doch bestimmt nicht nur um den Angriff auf ihn – das wäre seinem Hauslehrer egal gewesen. „Also…bis später dann, Snape…“, murmelte ihm der Werwolf zu und wieder nickte Severus schon beinahe mechanisch. Erst als Lupin den Raum verlassen hatte, schaute er zu Slughorn, der sich unbehaglich räusperte und dann etwas hervorholte. Einen Brief. Severus bemerkte, wie der Professor ihn eine Weile zwischen den Fingern drehte, wohl nach Worten suchte. Das miese Gefühl in seiner Magengegend wurde schlimmer. „Nun…ich weiß, dass es…ein schlechter Zeitpunkt ist – natürlich gibt es dafür keinen richtigen Zeitpunkt, bei Merlin, das wollte ich damit wirklich nicht sagen! Ich habe vorhin von dem Vorfall gehört…scheußlich, was Ihnen da angetan wurde, wahrlich scheußlich!“ Er schüttelte den Kopf, wobei sein Schnauzbart bei der Bewegung mitwippte. „Dennoch…es duldet keinen Aufschub, Mr Snape, so leid es mir tut…ich…nehmen Sie.“ Severus hatte das Gefühl, als würde ihn jemand würgen, während er den Brief mit zittrigen Fingern entgegennahm. Verdammt…da stimmte etwas ganz gewaltig nicht. Er bekam nie Briefe…von niemandem…und so, wie sich Slughorn verhielt, musste es ziemlich übel sein. Als er den Absender sah, wusste er nicht, ob er den Brief überhaupt öffnen wollte, doch Slughorn nahm ihm die Entscheidung ab. Er trat neben das Bett und legte eine Hand auf seine Schulter, drückte diese fest. „Der Brief ist von Ihrem Vater…er kam vor etwa einer halben Stunde hier für Sie an“, meinte er und blickte ihn so voller Mitleid an, dass es kaum auszuhalten war. „Sie müssen jetzt stark sein…ich bin sicher, Ihre Mutter hätte es so gewollt…“ Es war der letzte Satz, der Severus zu Eis erstarren ließ. Seine Nägel gruben sich in das vergilbte Papier, während er Slughorn wie einen Geist anstarrte. „…was?“, würgte er hervor und spürte, wie das Zittern seiner Hände stärker wurde. Slughorns stachelbeerfarbene Augen bedachten ihn erneut mit diesem ihm verhassten Blick. „Es war ein Unfall, Mr Snape…keiner bezweifelt dies.“ Er seufzte und drückte noch einmal seine Schulter, ehe er von ihm abließ. „…lesen Sie den Brief in Ruhe, mein Junge“, fuhr er dann fort und wandte sich zum Gehen. „Und…mein Beileid. Wenn Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es Madame Pomfrey wissen…“ Damit neigte er den Kopf und verließ den Raum. Severus konnte ihm nur hinterher starren…dann senkte er den Blick auf den Brief in seinen Händen. Er wusste nicht, wie lange er dort gesessen hatte, bis er sich endlich dazu überwinden konnte, ihn zu öffnen. Bis er die Bedeutung der unsauberen Handschrift tatsächlich verstanden hatte, fühlte er sich, als hätte ihn jemand mit einem Schockzauber getroffen. Sein Herz raste, seine Finger waren schwitzig und sein Körper bebte…er hätte nicht gedacht, dass dieser Tag noch schlimmer werden könnte. Wie man sich doch irren konnte…und nun saß er hier. Mit diesem verfluchten Brief…und er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Er saß nur da und wartete darauf, dass ihn die Emotionen überrollten. Doch im Moment…war da nur die schmerzhafte Leere. Kapitel 20: Stille ------------------ „… trotz der erbitterten Boykottmaßnahmen der Kobolde konnten die magischen Menschen schließlich ihre hierarchische Rangordnung aller magischen Wesen durchsetzen. Durch die Koboldaufstände im 16. Jahrhundert konnten sie…“ Remus hörte – wie vermutlich auch seine Mitschüler – nur mit halben Ohr zu, während Professor Binns‘ monotone Stimme durch den Raum schwebte. Mit abwesendem Blick sah er zur anderen Seite des Raums rüber, wo normalerweise auch Snape saß und sich Notizen machte. James und Sirius äfften ihn oft nach, indem sie ihre Nase auf den Tisch drückten und so taten, als würden sie eine sogenannte Schleimspur darauf hinterlassen. Remus hatte noch nie darüber lachen können, doch er hatte auch nie etwas dagegen gesagt. Vielleicht hätte er es tun sollen…irgendwie zeigen sollen, dass es ihm missfiel, was sie taten. Stattdessen hatte er den Mund gehalten und zugesehen…so wie er auch still geblieben war, als Dumbledore nach den Tätern gefragt hatte. Hatte er wieder falsch reagiert? Snape hatte zwar nicht gewollt, dass er die Leute aus seinem Haus verriet, aber dennoch…leise seufzte er, sah auf das leere Pergament auf seinem Tisch. Snape fehlte bereits eine Woche und niemand wusste, wohin er verschwunden war. Am ersten Tag hatte er durch Zufall mitbekommen, wie sich Rosier mit einigen anderen Slytherins darüber amüsiert hatte. Anscheinend glaubten sie, dass Snape aufgrund ihres Streichs die Schule verlassen hatte. Als ob…die kannten ihn wohl gar nicht. Sogar James und Sirius hatten gemeint, dass Snape wie Unkraut sei und sicher irgendwann wieder aus dem Boden sprießen würde, um sie in den Wahnsinn zu treiben. Das war zwar nicht besonders nett, die Kernaussage entsprach jedoch der Wahrheit. Snape ließ sich nicht durch so etwas einschüchtern, auch wenn es schlimm gewesen war. Trotzdem blieb die Frage, wo er steckte, denn wen man auch fragte, keiner schien etwas darüber zu wissen. Auch von den Lehrern konnte man nichts erfahren, Slughorn hatte nur gemeint, dass Snape sich eine Auszeit genommen hätte. Eine Auszeit…jemand wie Snape riskierte nicht, im Stoff hinterherzuhinken, nur weil ihm nicht nach Unterricht war. Remus bezweifelte, dass der Angriff die Ursache war…irgendwas hatte Slughorn Snape gesagt, nachdem er ihn gebeten hatte, den Krankenflügel zu verlassen. Es musste etwas vorgefallen sein…etwas, das persönlich war. Leider hatte Remus keine Vermutung, doch wenn es Snape dazu brachte, eine Woche lang zu verschwinden, konnte es keine Lappalie sein. Remus machte sich Sorgen um den Slytherin…und so seltsam es auch klang, er fehlte ihm. In den letzten Monaten hatte er sich an seine Anwesenheit gewöhnt und selbst der scharfe Sarkasmus konnte ihn nicht mehr verschrecken. Im Gegenteil…Remus vermisste es sogar ein bisschen, da es einfach zu ihm gehörte und zumindest in Bezug auf ihn selbst oftmals gar nicht so böse gemeint war. Vor allem letztens im Krankenflügel hatte er das Gefühl gehabt, sie wären sich…näher gekommen. Der Gedanke reichte, um Remus die Hitze in die Wangen steigen zu lassen…verdammt, was war nur los mit ihm? Dass er seit einer Weile in diese Richtung dachte, kam immer häufiger vor, und er schämte sich dafür. Wenn seine Freunde wüssten, was da in seinem Kopf vor sich ging, würden sie sicherlich kein Wort mehr mit ihm wechseln. Die Vorstellung machte Remus Angst…und er versuchte wirklich, sie einfach zu verdrängen. Sollte er vielleicht dankbar sein, dass Snape nicht da war? Sogleich schalt er sich für diesen Gedanken…er war gern in Snapes Nähe und sollte dazu stehen, anstatt sich einzureden, dass es besser war, wenn sie sich nicht sahen. Es war ihm schon mehrmals vorgeworfen worden, dass er kein Rückgrat besäße, da musste er das nicht auch noch bestätigen. „Also…“ Remus blickte auf, als er eine Stunde später mit seinen Freunden auf dem Weg zum Quidditch-Training war. Da er sich gerade sowieso nicht aufs Lernen konzentrieren konnte, hatte er sich zum Mitkommen entschieden. Es war ja auch nicht so, dass er den Sport nicht mochte, immerhin fand er die Spiele schon sehr spannend und verpasste sie auch nie. Allerdings wusste er auch, wie gern sich James profilierte, wenn sie ihm zusahen…manchmal übertrieb er regelrecht, das meinte sogar Sirius. Eben dieser hatte gerade das Wort ergriffen und seine grauen Augen blitzten dabei auf. „…was glaubt ihr, ist mit Schniefelus passiert?“ Remus zog bei dem schrecklichen Wort die Brauen zusammen, kommentierte es aber nicht. „Ich meine, die dreckige Ratte ist jetzt schon eine Woche wie vom Erdboden verschluckt…da ist doch was faul!“ James zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung…und es wäre mir auch vollkommen egal, wenn Lily sich keinen Kopf darüber machen würde.“ Irritiert schaute Remus ihn an – und das nicht, weil James mittlerweile dazu übergegangen war, die Rothaarige mit Vornamen anzusprechen. Na ja, da sie sich anscheinend während des letzten Wochenendes in Hogsmeade näher gekommen waren, sollte das keinen wundern. Auch wenn James ungewohnt diskret darüber sprach…es musste ihm wirklich viel bedeuten. „Hat sie das gesagt?“, fragte Remus erstaunt, immerhin hatte er gedacht, Lily würde Snape nicht mehr kümmern. Ein grimmiger Ausdruck trat auf James‘ Gesicht, als er antwortete. „Gesagt nicht…aber ich merk halt, dass sie abgelenkt ist und sich Sorgen um den Mistkerl macht. Das nervt, aber ansprechen kann ich’s ja schlecht.“ „Wie kann man sich überhaupt Sorgen um sowas machen…vielleicht hat er ja ne tödliche Krankheit?“, entgegnete Sirius hoffnungsvoll. Peter kicherte leise und Remus musste sich auf die Zunge beißen, um ihn nicht anzublaffen. Dabei war nicht mal Vollmond, er sollte also keinen Grund haben, schnell aus der Haut zu fahren. Dennoch fand er es schäbig, so etwas auch nur zu denken. Snape mochte kein Unschuldslamm sein, aber den Tod hatte er nicht verdient. „Vielleicht Drachenpocken?“, fiepte der Kleinste unter ihnen und Sirius grinste. „Jedenfalls irgendwas, wobei er richtig leidet…kann natürlich auch sein, dass er’s mit seiner schleimigen, fiesen Art übertrieben hat.“ James schnaubte. „Das tut er doch ständig…“ „Ja, aber vielleicht ist jemandem der Kragen geplatzt und er hat ihn in eine Schmeißfliege verwandelt…wäre doch möglich?“ Remus konnte darüber nicht lachen, was wohl auch Sirius auffiel, denn er fasste ihn nun ins Auge. „Wundert mich, dass du nicht weißt, wo er ist, Moony…“ „Hm?“, machte er nur, da er sich eigentlich nicht sonderlich am Gespräch beteiligen wollte. Sirius wackelte vielsagend mit den Brauen. „Na, ihr seid doch mittlerweile sowas wie beste Freunde…nicht wahr? Wette, du wärst nicht mal hier, wenn Snape nicht verschollen wäre…“ Gut, das entsprach der Wahrheit…es gab Sirius aber nicht das Recht, ihn zu verspotten. Remus hätte etwas sagen können, doch er wollte nicht streiten – nicht schon wieder. „Lass ihn in Ruhe, Tatze!“, mischte sich James mit genervtem Unterton ein. „Ist doch egal, warum er hier ist…und ist auch egal, wo Snape ist. Wir sollten die ruhige Zeit einfach genießen.“ „Ich dachte, Evans-“ „Eben“, schnitt James ihm das Wort ab. „Ich hab genug von dem Thema…und jetzt gerade interessiert mich nur, wie viele Quaffel ich gleich durch das Tor schmettern kann. Also überlegt euch schon mal, wie ihr mich am besten anfeuert, klar?“ Es war immer wieder erstaunlich, wie gut James seinen besten Freund im Griff hatte. Sein Grinsen schien ansteckend zu wirken, so dass Sirius es tatsächlich gut sein ließ und stattdessen zu feixen begann. „Vielleicht lassen wir’s auch ganz sein, damit dir dein Hochmut nicht das Genick bricht?“ „Urgh…du hörst dich schon an wie Lily!“ „Vielleicht treffen wir uns ja heimlich hinter deinem Rücken…?“ „Und vielleicht trifft dich in ein paar Minuten versehentlich ein Quaffel...“ „Das würdest du nicht tun!“ „Wenn du weiter solche Sprüche klopfst, kann ich für nichts garantieren!“ Remus musste schmunzeln, als er ihnen so zuhörte; so waren ihm seine Freunde eindeutig lieber. Auch wenn er die Sorge um Snape nicht verdrängen konnte…konnte er leider nichts tun. Er würde schon wieder auftauchen…hoffentlich. Zu seiner Überraschung erschien Snape gleich am nächsten Tag in Verwandlung bei McGonagall. Nachdem er morgens nicht in der großen Halle beim Frühstück gewesen war, hatte Remus nicht damit gerechnet. Allerdings wusste er nicht, ob er sich über Snapes Anwesenheit freuen sollte – der Slytherin sah furchtbar aus. Sonst war er ja auch keine strahlende Präsenz, doch so fertig hatte Remus ihn noch nie gesehen. Seine Haut schimmerte so blass, dass er mit den Geistern in Hogwarts konkurrieren konnte, und die tiefen Ringe unter seinen Augen verstärkten diesen Eindruck noch. Zwei düstere schwarze Löcher blickten starr vor sich hin, doch McGonagall sprach ihn kein einziges Mal an. Hin und wieder warf sie ihm einen knappen Blick zu, der zu seiner Verwunderung aber fast schon…verständnisvoll wirkte. Seit wann fuhr ihre Hauslehrerin nicht aus der Haut, wenn man ihr offensichtlich nicht zuhörte? „Mann…Schniefelus sieht aus wie ausgekotzt, oder? Und ich dachte immer, schlimmer geht’s nicht“, hörte er Sirius flüstern. James brummte zustimmend. „Wo der auch war…hat ihm nicht gut getan…“ „Und gewaschen hat er sich auch nicht.“ „Hat er vermutlich noch nie.“ Remus ignorierte das Gemurmel, das sowieso im nächsten Moment verstummte, da die grünen Katzenaugen McGonagalls bereits in ihre Richtung blitzten. Wenn die beiden noch einen Mucks von sich gegeben hätten, wäre das sicher sehr unangenehm geworden. Remus beobachtete weiterhin Snape, der die Außenwelt immer noch nicht wahrzunehmen schien. Etwas musste passiert sein, so mitgenommen, wie er aussah…als hätte er die ganze Woche nicht geschlafen. Allerdings hatte er die Befürchtung, dass der bittere Zug um Snapes Mundwinkel kein gutes Omen für ein Gespräch war. In Gedanken hörte er den Slytherin bereits wütend zischen, dass er sich nicht in seine Angelegenheiten einmischen sollte. Vielleicht sollte er warten, bis Snape von sich aus auf ihn zukam. Aber würde so etwas überhaupt passieren? Eher unwahrscheinlich bei ihm… Besser, er folgte ihm in die Bibliothek und setzte sich zu ihm…sich vorsichtig herantasten, erschien ihm sicherer. Nach der Stunde blieb er unter dem Vorwand, McGonagall noch etwas wegen der Abschlussprüfungen fragen zu wollen, länger im Raum. Seine Freunde mussten nicht unbedingt mitbekommen, dass er Snape nachrannte, kaum dass dieser wieder da war. Erst als die drei außer Sicht waren - und der Slytherin ebenfalls –, verschwand er Richtung Bibliothek. Tatsächlich fand er den Gesuchten dort, jedoch zögerte er noch einen Moment. Entweder war Snape hier, weil er in seiner Nähe sein wollte oder weil er die Leute aus seinem Haus lieber mied. Remus glaubte nicht, dass der andere gar nicht mit ihm rechnete, wo sie doch sonst auch immer gemeinsam hier lernten. Wieder haderte er mit sich, ob er nicht warten sollte…andererseits hatte Snape eine ganze Woche gehabt, um sich zu sammeln – was auch immer passiert war. War er harsche Sprüche seitens des Slytherins nicht bereits gewöhnt? In dem Fall gab es keinen Grund, hier wie ein Feigling zu stehen. Remus atmete einmal durch, ehe er sich zusammennahm und sich zu dem Tisch bewegte, an dem Snape saß und in sein Buch starrte. Er wirkte wie schon in Verwandlung abwesend, so als würde er gar nicht lesen, was eindeutig seltsam war. Sonst klebte Snape praktisch an den Buchstaben, sog alles wissbegierig und konzentriert auf. Remus setzte sich ihm gegenüber, schwieg erstmal, da er hoffte, dass der andere von sich aus etwas sagen würde. Stattdessen wurde er ignoriert, denn Snape nahm keinerlei Notiz von ihm. Nicht mal das leiseste Anzeichen, ob er ihn überhaupt bemerkt hatte. Kein unfreundliches Zischen oder ein böser Blick – es war unglaublich, doch Remus wäre gerade froh darüber gewesen. Die kalte Schulter gezeigt zu bekommen, war eindeutig schlimmer. Remus entschied sich dennoch zu warten und musterte sein Gegenüber etwas genauer. Vermutlich kam es ihm nur so vor, aber er wirkte noch dürrer als sonst…seine Züge sahen regelrecht eingefallen aus. Irgendetwas musste ihm arg zu schaffen gemacht haben – und wenn man bedachte, dass es sich hierbei um Snape handelte, war das umso bedenklicher. Kurz kam ihm der dämliche Geistesblitz, einfach Snapes verkrampfte Finger von den zerknitterten Seiten seines Buchs zu lösen und seine Hand zu umschließen. Wahrscheinlich die dümmste Idee, die er in dieser Situation haben konnte…und trotzdem hätte er es gern getan. Ihm gezeigt, dass er für ihn da war, denn das wollte er sein…vorausgesetzt, Snape ließ ihn, aber davon war nicht auszugehen. „Uhm…Snape, ist a-“ Bevor er den Satz zu Ende bringen konnte, schlug der Angesprochene mit einem lauten Knall sein Buch zu. Remus starrte ihn an, doch abermals wurde er kein Stück beachtet…Snape stand ruckartig auf, würdigte ihn dabei keines Blickes. Ohne besondere Eile packte er seine Sachen zusammen und…ging einfach. Er kehrte ihm den Rücken und ließ ihn ohne ein Wort sitzen. Remus schluckte hart, als ihm bewusst wurde, dass diese nicht vorhandene Reaktion noch mehr schmerzte, als wenn er ihn angefaucht und beleidigt hätte. Die Hoffnung, dass sich Snapes Verhalten ihm gegenüber normalisieren würde, gab er auf, als sie auch drei Tage später kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. Snape wich ihm aus, so gut er konnte, wenn Remus es endlich einmal schaffte, ihn abzupassen. Es war deprimierend, auf diese Weise behandelt zu werden, nachdem sich ihre Beziehung zueinander so sehr verbessert hatte…und Remus wusste nicht mal den Grund für das plötzlich abweisende Verhalten. Was war passiert? Lag der Fehler bei ihm? Nein, irgendwas musste in den Tagen, in denen er gefehlt hatte, geschehen sein, das Snape aus der Bahn geworfen hatte. Nur was? Und wie sollte er es herausfinden? Ihm fiel nichts Besseres ein, als sich in Geduld zu üben, bis Snape von sich aus entschied, wieder mit ihm zu reden. Ihn zu zwingen, würde nichts bringen, das wusste er einfach. Jedoch musste er schon arg schlucken, als er ihn später in der Bibliothek sah – und er war nicht allein. Die roten Haare fielen ihm sofort auf und er fragte sich unweigerlich, ob James wusste, dass sich seine Freundin wieder mit seinem Erzfeind traf. Im nächsten Moment schalt er sich für diesen unpassenden Gedanken, denn Lily konnte schließlich tun, was sie wollte. Dennoch wunderte es ihn, dass sie auf einmal wieder mit ihm sprach…und wenn er ehrlich war, verletzte es ihn, dass Snape sie nicht abwies. Er fixierte zwar den Boden zu seinen Füßen und sah nur ab und zu flüchtig zu ihr, doch immerhin ließ er sie nicht einfach stehen. Remus wusste, dass es falsch war, hier zu stehen und die beiden heimlich zu beobachten...doch er konnte nicht aufhören. So unauffällig wie möglich schlich er näher und tat dabei so, als suche er ein Buch in den Regalen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Snape den Kopf schüttelte und die Lippen fest zusammenpresste. „…es tut mir wirklich leid, Severus.“ Snape gab ein Schnauben von sich und wich erneut ihrem Blick aus. „Ich brauche dein Mitleid nicht!“, hörte er ihn unfreundlich murren. „Ich wollte nur-“ „Ich weiß, was du wolltest, und es ist unnötig!“, schnappte er und brachte sie damit zum Verstummen. „Slughorn hätte einfach seinen Mund halten sollen!“ „…er hat es sicher nicht böse-“ „Das geht niemanden etwas an!“, fiel er ihr ein weiteres Mal ins Wort. „Hör auf, ihn in Schutz zu nehmen!“ Remus war sicher, dass es Snape später leid tun würde, Lily so scharf angegangen zu sein, doch gerade schien der Zorn die Oberhand zu haben. Dabei hatte er doch gewollt, dass sie endlich wieder mit ihm redete. „Also gut“, erwiderte sie schließlich leise. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ Snape sagte nichts dazu, doch er wirkte plötzlich verunsichert, ehe er abermals den Kopf schüttelte. Remus verstand nicht, was er noch murmelte, aber das Gespräch schien beendet zu sein, denn er ging einfach. Einerseits war er erleichtert, dass Snape sogar Lily abweisend behandelte…und andererseits machte ihm genau das Sorgen. Es musste etwas wirklich Schlimmes passiert sein, wenn er so reagierte. „Remus?“ Bei Merlin, beinahe wäre ihm das Herz stehen geblieben, als er seinen Namen hörte. Er fuhr viel zu ertappt herum und errötete unter Lilys grünen Augen, die ihn viel zu eindringlich musterten. Als Spion wäre er eine richtige Niete, so viel stand fest. „Hast du uns belauscht?“ Natürlich konnte man vor Lily nichts verbergen, das hätte er wissen müssen. Sie war viel zu klug dafür und so brachte leugnen nichts. Beschämt senkte Remus den Blick und zuckte mit den Schultern. „Ein bisschen vielleicht…Lily, ich wollte nicht-“ „Schon gut“, meinte sie, bevor er sich weiter herausreden konnte. „Du machst dir wohl auch Sorgen um ihn, nicht wahr?“ Als er sie daraufhin verdutzt ansah, lächelte sie sanft. „Ich weiß, dass ihr oft in der Bibliothek gelernt habt…auch wenn es mich wundert, dass ihr euch versteht.“ Remus brummte nur, wusste nicht, was er dazu sagen sollte. „Vielleicht hast du ja einen positiven Einfluss auf ihn.“ Leise seufzte er. „Da er nicht mehr mit mir redet, wohl eher nicht“, gab er zurück und sie schaute ihn mitleidig an. „Ich kann dir leider nicht sagen, was mit ihm ist…er war ja schon wütend, weil ich davon weiß. Besser, du fragst ihn selbst.“ Remus wollte ihr zuerst widersprechen, doch dann ließ er es; Lily hatte Recht, sicher würde Snape nie wieder mit ihm reden. Vermutlich drehte er es noch so, als würde er mit ihr hinter seinem Rücken tuscheln. Nein, das würde ihn keinen Schritt voran bringen. „…ja“, murmelte er und sie drückte kurz seine Schulter. Irgendwie empfand Remus dies als wenig tröstend, doch er zwang sich zum Lächeln. Lily konnte schließlich auch nichts dafür und eigentlich war es ziemlich nett von ihr, dass sie ihm Mut machen wollte. Überhaupt sollte er es ihr hoch anrechnen, dass sie nach Snapes Verhalten und ihrem Freundschaftsbruch immer noch die Courage hatte, sich um ihn zu kümmern. Was wieder die Frage aufwarf, was da wohl vorgefallen war. Anscheinend musste er noch etwas mehr Geduld aufbringen…auch wenn es sich unerträglich anfühlte. Kapitel 21: Trost ----------------- Viel änderte sich in den nächsten Tagen nicht und Remus machte es immer unruhiger, nicht zu wissen, was los war. Dass es sich um etwas Gravierendes handeln musste, hatte er ja begriffen, und auch, dass es nicht an ihm lag. Trotzdem wollte er Snape gern helfen oder zumindest wieder den Kontakt zu ihm aufnehmen. Ihm fehlten die Stunden mit ihm in der Bibliothek mehr, als er gedacht hätte, und das war gleich doppelt deprimierend. Seine Freunde bemerkten zwar, dass er niedergeschlagen war, aber keiner sprach ihn glücklicherweise noch einmal auf Snape an. Jeder schien seine eigenen Probleme zu haben, nun, wo sich das Jahr langsam dem Ende neigte. James versuchte zwischen dem Quidditch-Training so viel Zeit mit Lily zu verbringen, wie es ihm möglich war. Vermutlich befürchtete er, dass sie ihre noch recht frische Beziehung in den Sommerferien überdenken könnte – auch wenn er das natürlich niemals zugegeben hätte. Man konnte sagen, was man wollte, aber er war Hals über Kopf in die junge Hexe verliebt. Es war nicht so, dass sich Sirius nicht für seinen besten Freund gefreut hätte, doch dass dieser dank Lily nun kürzer kam, verbesserte seine Laune nicht gerade. Dabei war er so schon schlecht drauf, weil er in sein Elternhaus zurückkehren musste. Peter hatte dagegen ganz andere Sorgen, denn seine Noten waren so schlecht, dass er langsam Panik bekam. Die Abschlussprüfungen würden schon im nächsten Jahr stattfinden und bis dahin würde er den ganzen Stoff niemals aufholen können. Für Remus war es das einzig Positive, denn wenigstens mit Nachhilfe konnte er sich ein bisschen von Snape ablenken. „…oh nein“, seufzte Peter soeben und sah niedergeschlagen auf den von ihm korrigierten Aufsatz. Remus lächelte schief. „Die Ansätze waren gar nicht mal so falsch…du hast die Zusammenhänge nur falsch erfasst.“ Eigentlich war das der Knackpunkt, doch er wollte Peter nicht völlig demotivieren…auch wenn er insgeheim schwarz für dessen Prüfungen sah. „Vielleicht sollten wir lieber ein paar Zaubersprüche üben“, schlug er vor, doch sein Freund ließ weiterhin die Schultern hängen. „Oder was meinst du, Tatze?“ Der Angesprochene blinzelte, hatte anscheinend nicht mal richtig zugehört, was Remus aber auch nicht wunderte. Wäre James nicht mit Lily unterwegs und hätte sein Date für heute nicht abgesagt, wäre er vermutlich nicht mal mit ihnen gekommen. „Ich glaub, ich bin für heute durch“, brummte er und fuhr sich durch die dunklen Haare. Remus seufzte innerlich, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Du hast doch noch gar nichts geleistet.“ „Und?“, kam es missmutig zurück. „Ich kann das Zeug doch eh.“ „Dann kannst du Wurmschwanz ja bestens unterstützen.“ „Du weißt, dass ich für sowas keine Geduld habe, Moony…also noch viel Erfolg euch beiden.“ Zuerst wollte Remus protestieren, aber dann ließ er es doch; es würde sowieso nichts bringen. Außerdem wirkte Sirius schon wieder wie ein bissiger Hund, der auf jede Provokation ansprang. „Okay“, meinte er daher nur ruhig, was Sirius anscheinend aber ebensowenig zufrieden stellte. „Sorry, aber ich hab dafür gerade wirklich keinen Nerv“, murmelte er, nachdem er sein Zeug zusammengepackt hatte. „Wir sehen uns.“ Remus nickte nur, auch wenn er verwundert war; dass sich Sirius für seine schlechte Laune entschuldigte, kam nicht oft vor. Es musste ihm ziemlich mies gehen, wenn er schon so weit war…aber bei solch einer Familie wäre es ihm wohl nicht viel anders gegangen. „Moony? Können wir dann vielleicht noch mal die Verwandlungszauber von Tieren in Gegenstände üben? Bitte…?“, kam es kleinlaut von Peter, kaum dass sie nur noch zu zweit am Tisch saßen. „Ja klar…“, erwiderte er freundlich, weil er es nicht über sich brachte, seinen verzweifelten Freund abzuweisen. „Oh danke!“, freute sich dieser und begann, seinen Aufsatz zusammenzurollen. Na hoffentlich schaute er sich diesen wenigstens noch mal am Abend an. Remus hielt nur kurz inne, als er einen schwarzen Schatten aus den Augenwinkeln heraus bemerkte. Snape. Natürlich. Nur weil sie nicht mehr miteinander sprachen, hielt sich der Slytherin nicht von der Bibliothek fern. Es kam nur selten vor, dass sie einander trafen…als würde der andere ihn meiden. „Moony?“ Er wandte sich ab, als Peter ihn wieder ansprach; gerade war kein geeigneter Zeitpunkt, um ein Gespräch zu suchen. Es brachte nichts, er musste sich weiter gedulden…und Snape entweder allein abfangen oder warten, bis dieser wieder mit ihm reden wollte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass letzteres nie passieren würde. Deprimierend… Jedoch sollte er später in der Nacht unerwartet eine zweite Chance bekommen. Während seine Freunde ausnahmsweise schon schliefen (James hatte am nächsten Morgen ein Quidditch-Spiel gegen Slytherin), lag er noch wach und starrte an die Decke. Nachdem er sich ein paar Mal hin und her gedreht hatte, griff er schließlich zur Karte des Rumtreibers. Wie er es sich gedacht hatte, hielten sich die meisten Personen in ihren Schlafsälen auf. Ein Lächeln überflog seine Lippen, als er den kleinen Punkt, der mit Albus Dumbledore markiert war, in seinem Büro hin und her laufen sah. Der Schulleiter war oftmals noch in der Nacht wach, was auch immer er um die Zeit tat. Auch Filch war kein ungewohnter Nachtwanderer, ebenso wie Mrs Norris…doch mit einem Punkt, der sich gerade in die Richtung des Astronomie-Turms bewegte, hatte er überhaupt nicht gerechnet. Snape schien dasselbe Problem wie er zu haben…oder er hatte wieder mal etwas Verbotenes vor, wie damals, als er die Zutaten aus Slughorns Büro geklaut hatte. Wenn Remus ehrlich war, war ihm das gerade jedoch herzlich egal. Wichtig war nur, dass das die Gelegenheit war, auf die er gewartet hatte; Snape würde ihm dort nicht so einfach ausweichen können. Kurz überlegte Remus, doch dann schob er die Karte in seine Tasche – selbstverständlich als leeres Pergament – und erhob sich, um nach seinem Umhang zu greifen. So leise wie möglich verließ er den Schlafsaal und machte sich auf den Weg zum Turm. Remus brauchte einen Moment, um Snape zu finden; mit seiner dunklen Erscheinung fiel er in dem spärlichen Mondlicht kaum auf. Er fand ihn auf der äußeren Plattform sitzend vor, mit dem Rücken zu ihm, die Beine angezogen und anscheinend in seinen Gedanken versunken. Aus Angst, dass sich der Slytherin erschrecken und in die Tiefe stürzen könnte, räusperte er sich einmal. Viel besser machte es das nicht, denn Snape zuckte heftig zusammen und fuhr zu ihm herum, wobei er den Stab direkt auf ihn richtete. Sie starrten sich ein paar Sekunden lang nur an…dann hob Remus beide Hände, lächelte schief. Es fiel immer noch kein Wort, als der andere zwar die Augen verengte, aber langsam den Zauberstab sinken ließ. „Verschwinde!“, hörte er ihn knurren, ehe er ihm einfach wieder den Rücken kehrte. Wenigstens halste er ihm nicht, wie damals, einen Fluch auf; es gab also noch Hoffnung. Remus seufzte innerlich, dachte aber nicht im Traum daran, jetzt zu verschwinden. Stattdessen trat er vorsichtig an Snape heran und setzte sich in höflichem Abstand neben diesen. Im ersten Augenblick musste er schlucken; die Höhe war gewöhnungsbedürftig, so dass er es Snape gleichtat und die Beine an den Oberkörper zog. „Bist du jetzt auch noch taub?“, schnarrte der Slytherin in seiner üblichen Freundlichkeit. Remus antwortete nicht sofort, sondern musterte ihn von der Seite her; er sah immer noch ziemlich fertig aus. Selbst seine Bissigkeit war nicht so scharf wie sonst, was noch ein Grund dafür war, nicht einfach zu verschwinden. „Was machst du hier draußen?“, fragte er direkt, ohne auf das Gesagte einzugehen. „Wüsste nicht, was dich das anginge.“ Eigentlich hätte sich Remus denken können, dass das nicht einfach werden und Snape wieder auf stur schalten würde. Nun, man sagte ihm doch immer nach, dass er eine Engelsgeduld hätte…wurde wohl Zeit, das mal wieder auf die Probe zu stellen. „Ich will dich nicht stören-“ „Das tust du aber!“ „…ich mache mir Sorgen“, ließ sich Remus nicht beirren und für einen Moment schien Snape innezuhalten. Vielleicht erinnerte er sich ja daran, dass sie vor nicht allzu langer Zeit so etwas wie Freunde gewesen waren. Jedenfalls hatte Remus immer öfter dieses Gefühl gehabt…ein Gefühl, das anders war als das, was er kannte. Es war so verworren und Snape machte es ihm mit seiner abweisenden Haltung nicht einfacher. „Unnötig“, kam es knapp von Snape. „Mir geht es gut.“ Remus konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. „Deshalb sitzt du hier um Mitternacht allein rum und starrst Löcher in die Luft? Weil es dir so gut geht?“ Snapes Blick hätte die Hölle zufrieren lassen können, doch er zeigte nur, dass Remus Recht hatte. Dass es ihm nicht gut ging, war offensichtlich. „Du musst ja nicht mit mir darüber sprechen-“ „Das habe ich auch nicht vor.“ „…ich bin nur hier, weil…weil ich…also, du sollst wissen, dass ich...für dich da bin. Wenn du das willst, meine ich…“ Dass Snape ihn nur ausdruckslos anstarrte, machte es nicht wirklich besser. Remus spürte, wie sein Gesicht an Farbe zunahm und es wurde immer unangenehmer, je länger der andere schwieg. Es war nicht so, dass er tatsächlich geglaubt hatte, dass Snape sein Angebot würdigen oder gar annehmen würde…aber diese Stille machte ihn soeben fertig. Vielleicht hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt…und es war besser, er ließ den Slytherin allein. Wenn dieser wirklich seine Ruhe wollte, musste er das wohl akzeptieren…auch wenn es sich wie ein Rückschlag anfühlte. „Du bist anstrengend, Lupin“, murrte Snape plötzlich, ohne ihn anzusehen. „Was man dir auch an den Kopf wirft…du bist wie ein getretener Hund, der immer wieder zurückkommt.“ Empört blickte Remus den anderen an, denn beleidigen lassen musste er sich nicht. Allerdings gab ihm Snape keine Zeit, etwas dazu zu sagen. „Je mehr ich dir aus dem Weg gehe, umso mehr rennst du mir hinterher.“ Remus musste schlucken und er war froh, dass Snape ihn immer noch nicht ansah, somit nicht merkte, dass er schon wieder rot wurde. Was musste er es auch so formulieren? Er versuchte sich zu fassen, doch es fiel ihm merklich schwer. „Kommst du dir nicht langsam selbst wie ein Idiot vor?“ Wow…man konnte nicht bestreiten, dass Snape sich Mühe gab, ihn zu vertreiben. Die Worte prallten nicht an Remus ab, sie trafen viel mehr einen empfindlichen Punkt. Er hasste das Gefühl, welches Snape ihm soeben mit Absicht vermittelte…als sei er ein unerwünschter Störfaktor. Dass Snape weiterhin in die Tiefe schaute, verstärkte dieses Empfinden nur noch und er spielte mit dem Gedanken, aufzustehen und ihn sitzen zu lassen. Eines wollte er ihm dennoch sagen. „Sogar wie ein ziemlicher Vollidiot“, erwiderte er leise. „Aber manche Menschen sind es mir wert, Snape.“ Der Angesprochene drehte nun doch den Kopf in seine Richtung, maß ihn mit einem undefinierbaren Blick. So, wie Remus ihn kannte, überlegte er mal wieder, ob er seinen Worten trauen konnte. Dabei sollte er doch mittlerweile gemerkt haben, dass er ihm nicht egal war. So war er nun mal und das nicht nur, wenn es um Snape ging. Seine Freunde waren ihm sehr wichtig und er sorgte sich, wenn es ihnen nicht gut ging. Warum konnte Snape das also nicht einfach annehmen…und ihm glauben, dass er ihm nichts Schlechtes wollte? Dieser wandte sich soeben wieder ab und Remus nahm das als Zeichen, dass das Gespräch beendet war…jedenfalls bis Snape den Mund aufmachte. „Meine Mutter ist tot.“ Der Satz kam so schnell und abgeklärt über Snapes Lippen, dass Remus ein paar Sekunden brauchte, um ihn zu begreifen. Kein Muskel zuckte in dem bleichen Gesicht, die schwarzen Augen fixierten einen Punkt in der Ferne, als sei er gar nicht anwesend. Remus spürte, wie ihm unwohl wurde…und obwohl er ahnte, dass Snape kein Mitleid wollte, wallte genau dieses in ihm auf. Er wusste, dass jedes Wort falsch sein würde…vor allem, da er keine Ahnung hatte, wie nahe Snape seiner Mutter gestanden hatte. Natürlich nahm es ihn mit, das sah man ihm an…und immerhin ging es um seine Mutter, wer wäre da nicht fertig mit den Nerven? „Das…Snape, das tut mir leid…“, rang er sich schließlich durch. Er wollte gar nicht fragen, wie es passiert war, denn er konnte sich vorstellen, dass Snape nicht darüber reden wollte. Also war er zuhause gewesen…auf ihrer Beerdigung… „Sie haben mal wieder gestritten…und dann ist sie die Treppe runtergefallen.“ Snape wirkte immer noch so, als spräche er mit sich selbst. „Eine Hexe, die sich das Genick bricht…“ Es klang nicht so abfällig, wie es vielleicht sollte, und Remus schwieg lieber, ließ ihn reden. Gestritten…vermutlich sprach er von seinen Eltern, die wohl keine gute Beziehung gehabt hatten. Hatte sein Vater sie die Treppe herunter gestoßen? Versehentlich oder absichtlich? Remus fand den Gedanken, sich damit auseinandersetzen zu müssen, grauenhaft. „Ist deine Neugierde jetzt befriedigt?“ Remus blickte den Slytherin entsetzt an, als dieser ihn erneut ansprach. Erst jetzt sah er ihn wieder an und Remus fiel auf, dass seine Augen immer noch leblos wirkten. Natürlich musste es ihn quälen, darüber zu reden. „Also…wie gedenkst du mir zu helfen, Lupin?“, fragte er kühl. „Kannst du die Zeit zurückdrehen? Machst du sie wieder lebendig, ja?“ Remus fehlten zuerst die Worte, so dass er nur stumm den Mund öffnen konnte, wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Nur zu…ich bin gespannt!“, machte Snape weiter und allmählich kehrte der Zorn in seine dunklen Augen zurück. Wie ein herannahendes Gewitter blitzte es ihm entgegen…bedrohlich und unaufhaltsam. „Was kannst du schon machen?! Gar nichts! Dass du das jetzt weißt, bringt dir genauso viel wie mir – nämlich absolut nichts! Ich brauche keine Hilfe von dir oder irgendwem sonst! Ich brauche niemanden, der mich bemitleidet! Und was ich als Letztes brauche, ist, dass sich irgendwer das Maul darüber zerreißt! Du kannst also-“ Vielleicht war es gut, dass Snape sich so dermaßen in Rage redete…seiner Wut und Trauer freien Lauf ließ. Bislang schien er ja alles runtergeschluckt zu haben, wenn er jetzt sogar laut wurde. Remus starrte ihn nur an, unfähig, ihn zu unterbrechen. Mit so einer Nachricht hatte er nicht gerechnet, doch es änderte nichts daran, dass er für Snape da sein wollte. Gerade, weil er nun wusste, warum es ihm so schlecht ging. Es war nicht geplant gewesen, doch sein Körper schien sich selbstständig zu machen. Plötzlich hatte er den Abstand zwischen ihnen überwunden und Snape einfach an sich gezogen. Zu seinem Glück war der Slytherin wohl zu perplex, um ihm einen Fluch entgegen zu schleudern – oder ihm eine zu verpassen. Mit etwas Pech hätte er ihn auch einfach vom Turm schubsen können; bei dem Gedanken wurde ihm flau im Magen. Jedoch tat Snape gar nichts. Stocksteif und abrupt verstummend ließ er sich von ihm umarmen, bewegte keinen Muskel. Remus fiel wieder auf, wie dünn er war…doch es störte ihn nicht. Er wusste nicht, wie es Snape ging…ob dieser vor Schreck gelähmt war…aber er selbst genoss die Nähe. Zwar war Snape eiskalt, doch dadurch wurde Remus nur bewusst, wie warm er selbst war, und er umarmte ihn noch fester. Er hörte Snapes abgehackten Atem an seinem Hals, spürte, wie sich die knochigen Finger in seinem Umhang verkrallten…aber er stieß ihn nicht von sich. Remus nahm wahr, wie sein Herz schneller schlug und seine Wangen schon wieder so heiß wurden. Die Situation kam ihm so surreal vor, als passierte es gar nicht wirklich. Er hätte gedacht, dass Snape ihn wegstoßen und anfauchen würde, doch stattdessen lehnte sich dieser an ihn. Keiner von ihnen brach die Stille, die wie ein unsichtbarer Vorhang über ihnen lag. Es war anders als die flüchtigen Berührungen, die er sich bisher getraut hatte. Das, was er schon seit einer Weile in Snapes Gegenwart fühlte, erschien ihm noch intensiver. Schließlich nahm er sich zusammen, auch wenn sich seine Kehle ganz trocken anfühlte. „…macht es…das denn besser?“, murmelte er und hörte Snape schnauben. „Geringfügig.“ Es hörte sich nicht so abfällig an, wie Remus es von dem anderen erwartet hätte, so dass er die Umarmung auch nicht löste. Viel eher klang Snape ein bisschen heiser, als hätte er Mühe zu sprechen. Er merkte, wie der Slytherin schauderte, als er sanft seinen Rücken streichelte. „Was versprichst du dir davon?“ Remus hörte die Frage, doch er hatte keine plausible Antwort darauf; was er sich hiervon versprach? Er hätte für jeden seiner Freunde dasselbe getan und dennoch war es anders. Wie sollte er Snape das begreiflich machen, wenn er selbst nicht die richtigen Worte fand? Seine Finger zogen Kreise auf seinem Rücken, während die Stille über ihnen schwebte. Am liebsten hätte er einfach gar nicht gesprochen, aber er wusste, dass das nicht ging. „…Helfersyndrom?“, versuchte er es und lächelte schief. Snape schien das nicht sonderlich amüsant zu finden, denn er sagte nichts. Schade…er hätte es gern so einfach gehabt, aber das funktionierte wohl nicht. Tief atmete er durch, wobei er sich des mittlerweile vertrauten Geruchs von Snape bewusst wurde. Es war kein unangenehmer Geruch, mehr speziell…nach unterschiedlichen Kräutern, mit denen er des Öfteren arbeitete. Er war Snape so nah wie nie zuvor…und am liebsten hätte er einfach so mit ihm verweilt. „Ich…mag dich eben…“, murmelte er, ohne Snape loszulassen. Dieser spannte sich kurz an, wehrte sich aber immer noch nicht gegen ihn. Wäre es ihm nicht recht, hätte er ihn längst weggestoßen…oder? Der Slytherin war niemand, der auf anderer Leute Gefühle Rücksicht nahm – das hatte er ja vorhin noch unter Beweis gestellt. „Warum?“ Nicht diese Frage…er verbiss sich nur mit Mühe ein gequältes Stöhnen. Was sollte er darauf denn bitte antworten? „Snape…“ „Ich weiß, wie ich heiße, Lupin. Das war nicht meine Frage.“ Sarkastisch wie immer, er hätte mit nichts anderem rechnen sollen. Fest presste er die Lippen zusammen, ehe er entschied, dass er keine Wahl hatte. Oder? Doch, er hatte eine Wahl. Er konnte es einfach schön reden und selbst wenn Snape ihm nicht glauben sollte, musste er es dabei belassen. Das hier war seine Entscheidung…und Snape hatte sie gefälligst zu akzeptieren! Remus zuckte zusammen, als Snape sich plötzlich bestimmt von ihm wegdrückte, woraufhin er ihn verdutzt ansah. Die dunklen Augen bohrten sich prüfend in die seinen…und das höhnische Glitzern darin gefiel dem Werwolf absolut nicht. „Sind wir schon wieder feige, Lupin?“ Die Herausforderung verfehlte ihre Wirkung nicht, obwohl Remus eigentlich niemand war, der sich provozieren ließ. Jedoch…hatte Snape die Angewohnheit, es zu übertreiben. Normalerweise beschränkte sich dies auf seine spitze Zunge und die Gemeinheiten, die er damit vorbrachte. Remus starrte ihn an, als er sich vorbeugte, den Abstand zwischen ihren Gesichtern damit verringerte. „Was ist?“, schnappte er und Remus hatte das Gefühl, sein Herz würde gleich stehenbleiben. „Die Frage ist einfach, nicht wahr?“ Was lief hier eigentlich? Konnte es sein, dass Snape auf etwas…Bestimmtes hinauswollte? Was, wenn er bereits erkannt hatte, was Remus in seinem Inneren immer noch hartnäckig zu verleugnen versuchte. Weil es einfach nicht normal war. Andererseits…was an ihm war bitte schon normal? Abgesehen davon, dass er ein Zauberer war, verwandelte er sich zudem einmal im Monat in eine Bestie. „Lupin!“ Abermals zuckte der Angesprochene zusammen, sah sein Gegenüber beinahe erschrocken an. Wieder fiel ihm die Nähe auf…Snape war definitiv viel zu nahe. Seine schwarzen Augen stachen aus dem blassen Gesicht hervor…Remus kam der Gedanke, dass seine Augen das Eindrucksvollste an Snape waren; sie schienen einen zu durchleuchten. Wenn Snape wütend war, wirkten seine Züge immer sehr hart und hasserfüllt…aber wenn sie allein waren, wich dies oftmals ein wenig. Remus fand, dass der Ausdruck viel ausmachte…und Snape machte es auf jeden Fall ansehnlicher. Vielleicht war er ja auch der Einzige, dem dies überhaupt auffiel. Ein Lufthauch streifte ihn im Nacken, ließ ihn unweigerlich schaudern und sich daran erinnern, dass er immer noch keinen Laut von sich gegeben hatte. Snape sah ihn weiterhin an, beinahe als suchte er die Antwort in seinem Blick…oder wartete er tatsächlich? Remus hörte eine Art Rauschen in seinen Ohren und sein Hals fühlte sich trocken an. Er schob es auf die Nervosität, doch etwas dagegen tun konnte er nicht. „Lupin, wir-“ Obwohl es natürlich keines war, empfand Remus es in diesem Moment wie ein Stichwort. Es überkam ihn einfach…ähnlich wie bei der Umarmung. Bevor er überhaupt realisiert hatte, was er im Begriff war zu tun…hatte er sich schon vorgebeugt…und seine Lippen auf Snapes gedrückt. Sie fühlten sich kühl und spröde an – doch Remus störte das nicht im Geringsten. Im Gegenteil…die Berührung schien ein Feuer in seiner Brust zu entfachen. Die Hitze breitete sich bis in seine Fingerspitzen aus, wärmte ihn von innen…es fühlte sich einfach richtig an. Mehr aus Reflex hatte er die Arme um Snape gelegt, er hielt ihn nicht allzu fest, doch er wollte seine Nähe spüren. Es war das, wonach er sich schon eine ganze Weile sehnte, auch wenn er den Gedanken oftmals direkt im Keim erstickt hatte. Falsch…aber wieso fühlte es sich dann so richtig an? Remus war im ersten Augenblick so überwältigt, dass ihm entging, wie Snape in seiner Umarmung zu Stein wurde. Da er die Lider gesenkt hielt, konnte er nicht sehen, dass er ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Erst, als er aufsah, erkannte er den Schock in Snapes Gesicht…und die Röte auf seinen Wangen. Remus löste sich, wobei er zittrig ausatmete…und er sah, dass es Snape nicht besser ging. Er hing in seiner Umarmung wie ein Schluck Wasser in der Kurve…und machte den Eindruck, als würde er gleich vom Turm fallen. Remus konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, doch er hielt ihn lieber gut fest. Beinahe wünschte er sich, Snape würde seine böse Zunge wiederfinden, anstatt ihn anzustarren, als sei er…ein Monster. Vorsichtig legte Remus eine Hand an seine Wange, woraufhin Snape zusammenzuckte. Wenigstens blinzelte er endlich mal, das war ja schon unheimlich gewesen. Mit einem unguten Gefühl beobachtete Remus, wie sich die dünnen Lippen stumm bewegten, jedoch keinen Ton hervorbrachten. Snape wirkte verstört…und erschöpft, doch als er sich plötzlich gegen seine Hand lehnte, schöpfte Remus kurz Hoffnung, dass sein Handeln keine schlimmen Folgen haben könnte. Dass Snape sich ebenso danach gesehnt haben könnte wie er selbst. „Snape, ich-“ Er hätte die Stille nicht brechen, einfach schweigen sollen. Kaum hatte er dem Mund geöffnet, zuckte der Slytherin abermals zusammen…und da war es wieder. Der Hass…die Wut…alles, was Snapes Züge verhärtete…und was besonders hervorstach, war Abscheu. „Das…ist krank!“, presste er regelrecht angewidert hervor und wich vor ihm zurück. Genauso gut hätte er Remus einen Stupor in die Brust jagen können; obwohl er damit gerechnet hatte, tat es unfassbar weh. „Snape, bitte…lass mich-“ Er versuchte nach seiner Hand zu greifen, doch der Slytherin war schon hektisch aufgesprungen. Ein verächtlicher Blick traf ihn, dann rauschte Snape mit geballten Fäusten die Treppen hinunter…ließ ihn allein zurück. Remus saß nur da…sah ihm wie betäubt hinterher. Es fühlte sich an, als sei er gar nicht körperlich anwesend. Als hätte er das Geschehen von eben nur geträumt…doch in seinem Inneren wusste er, dass es real war. Er hatte es zerstört. Alles, was einer Freundschaft annähernd gleich gekommen war…jegliches bisschen Vertrauen…er hatte es kaputt gemacht. Unwiderruflich. Kapitel 22: Fluch ----------------- Es schien ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass es immer dann schlimmer kam, wenn man meinte, bereits am Abgrund zu stehen. In seinem Fall war das wohl nicht mal ein dummes Sprichwort, denn er hatte vor drei Tagen tatsächlich auf der Plattform des Astronomie-Turms gesessen und in die Tiefe geblickt. Natürlich hatte er nicht vorgehabt, sich runterzustürzen – auch wenn das ein gewisser Jemand vielleicht vermutet hatte –, er hatte einfach nur seine Ruhe gewollt. Nach der Beerdigung seiner Mutter war alles noch viel unerträglicher geworden, vielleicht, weil er langsam den Schock überwunden und realisiert hatte, dass seine Mutter nicht zurückkommen würde. Während er auf das Grab geschaut und der überflüssigen Heuchelei des Geistlichen zugehört hatte, hatte er sich vorgestellt, wie der Körper seiner Mutter von Würmern zerfressen wurde. Sein Vater hatte kein Wort gesprochen, sein Gesicht hatte an eine Totenmaske erinnert. Severus wusste nicht, ob er geweint oder ein Bier zu viel gehabt hatte, doch seine Augen waren rot und geschwollen gewesen. Es hatte nur sie beide gegeben – und den ätzenden Pfarrer, der so gesprochen hatte, als hätte er seine Mutter gekannt. Es gab keine Verwandten oder Freunde, die hätten angerufen werden können, um dem Begräbnis beizuwohnen und Eileen Snape die letzte Ehre zu erweisen. Severus konnte nicht behaupten, darüber betrübt zu sein, denn es war schon schwer genug gewesen, schweigend neben seinem Vater zu stehen. Es hatte kein Essen danach gegeben, keinen Trost von Tobias, geschweige denn eine Erklärung. Nach der Beerdigung war er in seine Stammkneipe verschwunden und war erst am nächsten Morgen vollkommen verkatert wieder aufgetaucht. Severus hatte in seinem Zimmer gesessen, vor sich hingestarrt und die Sekunden gezählt, bis seine Selbstbeherrschung vollkommen den Bach runtergegangen war. Am liebsten wäre er auf seinen Vater losgegangen, hätte ihn geschlagen oder ihm einen Stupor in die Brust gejagt. Er hatte schreien und toben wollen. Er hatte fragen wollen, wie das hatte passieren können, ob es wirklich ein Unfall gewesen war. Nichts hatte er gesagt, nichts getan, sondern es einfach stumm hingenommen und allein in seinem Zimmer geweint. Vielleicht hatte er nichts gesagt, weil er es nicht wissen wollte, auch jetzt nicht, denn das würde es endgültig machen. Es würde bedeuten, dass sein Vater, der ihn, seitdem er erfahren hatte, dass seine Frau und sein Sohn nicht normal waren, kaum noch ansah, der Mörder seiner Mutter war. Severus wusste nicht, was er dann tun würde. Er wusste es wirklich nicht und alles in ihm sträubte sich dagegen, es herauszufinden. Also hatte er zu verdrängen versucht, nichts und niemanden an sich herangelassen, was auch soweit ganz gut funktioniert hatte. Er wollte keinen Trost, kein Mitleid – nicht mal von Lily. Lieber zog er sich wie ein verletztes Tier in eine dunkle Ecke zurück, um seine Wunden zu lecken, bis der Schmerz gelindert war. Er konnte das, er war mental stark genug, um den Tod seiner Mutter allein zu verarbeiten. Darüber zu reden, hätte ihn bloß noch mehr aufgewühlt und das konnte er gerade in der Prüfungszeit nicht gebrauchen. Wieso nur hatte Lupin es nicht wie Lily halten und ihn nach der ersten Abfuhr in Ruhe lassen können? Wieso hatte ihm der Werwolf trotz seiner boshaften Äußerungen nicht den Rücken gekehrt, sondern war geblieben? Und wieso um alles in der Welt hatte er Severus das letzte Stück Boden unter den Füßen wegreißen müssen? Seit drei Tagen durchlebte er die Hölle, denn er konnte einfach nicht vergessen, wie Lupin ihn umarmt hatte. Wobei das ja noch irgendwie auszuhalten gewesen war; wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er es sogar ein kleines bisschen…genossen. Doch dann hatte Lupin alles zerstören müssen, was Severus bislang aufrechterhalten hatte. Genauso gut hätte er ihn vom Turm werfen können, das wäre weniger grausam gewesen, als ihn verflucht noch mal zu küssen. Obwohl er Lupin seit der Beerdigung geschnitten hatte, hatte er nicht vorgehabt, sich dauerhaft von ihm fernzuhalten. Er hatte bloß eine Weile für sich sein wollen, bis er seine Trauer verarbeitet hatte. War das wirklich so schwer zu verstehen? Gut, Lupin litt nun mal an diesem bescheuerten Helfersyndrom, das hatten sie ja bereits mehrmals festgestellt. Logisch, dass er es nicht auf sich beruhen lassen konnte. Verdammt noch mal, er hatte angefangen, den Werwolf leiden zu können. Seit dem Bruch mit Lily hatte er niemanden mehr gehabt, der mit ihm in der Bibliothek saß und lernte. Es hatte niemanden gegeben, der sich um ihn scherte. Mit der Zeit hatte sich Lupins Anwesenheit als angenehm erwiesen, man konnte wohl behaupten, dass er angefangen hatte, ihn zu mögen. Wie auch immer das passiert war, es ließ sich nicht leugnen – auch, wenn er sich eher die Zunge abgebissen hätte, als dies auszusprechen. Warum also, um alles in der Welt, hatte Lupin es zerstören müssen? Am liebsten hätte er den Werwolf einfach gar nicht mehr gesehen, um vergessen zu können, was passiert war. Dies war allerdings unmöglich, denn dazu hätte er den Unterricht schwänzen müssen und das ging nicht, da die Prüfungen bevorstanden. Lupin hatte sich wirklich die beste Zeit ausgesucht, um mit seinen unnatürlichen Anwandlungen daherzukommen. Unnatürlich, verrückt…einfach krank, das war es doch, oder? Solange sich Severus zurückerinnerte, hatte er niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet, einem anderen Jungen auf diese Weise nahe zu kommen. Warum auch? Es hatte immer nur Lily gegeben und auch jetzt gab es nur sie, egal, was da mit Potter lief. Er kannte diesen Mistkerl gut genug, um zu wissen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er das Interesse an ihr verlor. Potter war ein unverbesserlicher Frauenheld und Lily würde nicht so einfältig sein, auf ihn hereinzufallen. Vermutlich wollte sie nur nett sein, weil Potter ihr ja ach so mutig das Leben gerettet hatte; dass er auch seinen Teil dazu beigetragen hatte, spielte ja keine Rolle. Sein Blick schweifte missgelaunt zu seiner Kindheitsfreundin, die soeben einen zusammengeknüllten Zettel entfaltete, herüber. Wenigstens besaß sie noch die Geistesgegenwärtigkeit, die Augen zu verdrehen, doch das sanfte Schmunzeln um ihre Mundwinkel entging ihm nicht. Potter grinste in ihre Richtung, zuckte mit den Schultern, ehe er sich lieber wieder McGonagall, die ihn bereits im Visier hatte, zuwandte. Leider gab es nicht einmal eine Verwarnung für seinen Feind und natürlich konnte Potter seine Münze problemlos in einen Raben verwandeln, wofür er auch noch Hauspunkte bekam. Severus wandte sich ab, jedoch konnte er dabei nicht verhindern, dass sein Blick Lupin streifte. Der Werwolf sah fertig aus und Severus wusste, dass es nicht am Vollmond lag, denn die Zeit stand ihm noch bevor. Normalerweise hatte Lupin mit Verwandlung kein Problem, doch heute wirkte jeder seiner Zauber unvollständig. Er wirkte unkonzentriert und übermüdet, ganz zu schweigen von diesem furchtbaren Ausdruck in seinen bernsteinfarbenen Augen. Anfangs hatte Severus regelrechte Panik bekommen, dass Lupin seinen Freunden etwas von dem Vorfall erzählen würde. Noch paranoider als sonst hatte er sich durch die Korridore bewegt und immer gefürchtet, einer der Rumtreiber würde ihn plötzlich abfangen. Allerdings schien Lupin den Mund gehalten zu haben, denn kein Wort war diesbezüglich gefallen. Damit erwies sich auch seine kurzweilige Befürchtung, Lupin könnte ihn geküsst haben, um etwas gegen ihn in der Hand zu haben, als nichtig. Davon abgesehen, dass sich der Werwolf damit ins eigene Fleisch geschnitten hätte…und einfach kein Typ für solch hinterlistige Aktionen war. Als er ihn jetzt wie ein Häufchen Elend da sitzen sah, kam Severus das erste Mal der Gedanke, dass Lupin ihn geküsst haben könnte, weil er ihn auf dieselbe Art mochte, wie es bei ihm mit Lily der Fall war. Aber das war absurd, nicht wahr? Niemand interessierte sich auf diese Weise für ihn, das war immer so gewesen. Lupin hatte jedoch schon auf dem Turm behauptet, dass er ihn mochte. Bisher war er ehrlich zu ihm gewesen, hatte sich sogar einmal seinetwegen gegen seine Freunde gestellt. Dennoch konnte er es einfach nicht begreifen; was lief mit dem Werwolf schief? Gut, die Frage brauchte er sich wohl nicht stellen, eben weil Werwölfe gar nicht richtig ticken konnten. Doch so boshaft er auch darüber zu denken versuchte, es änderte nichts daran, dass er sich wegen dem Vorfall furchtbar fühlte. Und…es half auch nicht dagegen, dass er sich ohne Lupin allein fühlte. Er hätte sich nie so sehr an den Werwolf gewöhnen dürfen, nein, der Fehler lag bei ihm. Was hatte er sich dabei gedacht? Nichts…und nun war es zu spät. Lupin hatte sich wirklich den besten Zeitpunkt ausgesucht, um sein Leben noch mehr zu verkomplizieren. Er hatte es kaum gedacht, da hob der andere plötzlich den Kopf und erwiderte seinen Blick. Severus spürte, wie seine Wangen zu brennen begannen und sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Es war kaum auszuhalten, wie Lupin ihn ansah – mit einem geprügelten Hund konnte er definitiv mithalten. Hastig beugte er sich über das Pergament auf seinem Tisch, wobei er die Tinte umstieß. Hässliche Kleckse fraßen sich in das dünne Papier, machten einige der Worte unleserlich und in Gedanken fluchte der Slytherin. Zwar konnte er dies mit einem Zauber wiederherstellen, doch es missfiel ihm, dass ihm solche Unachtsamkeiten wegen Lupin passierten. Warum konnte es ihm nicht einfach egal sein? Nach Verwandlung packte er eilig seine Sachen zusammen, wollte keine Sekunde länger als nötig mit Lupin im selben Raum sein. Es ging einfach nicht, er konnte es nicht vergessen und ganz sicher wollte er nicht darüber reden. Schon gar nicht hier, wo es jeder hören konnte. Allerdings schien Lupin das anders zu sehen, denn er wagte es tatsächlich, auf ihn zuzukommen. Severus spannte sich an, setzte aber weiterhin auf Ignoranz, indem er sich vollkommen auf seine Bücher und Abschriften konzentrierte. „Moony, lass den doch!“ Unverkennbar Black, doch er nahm sich zusammen, würde nicht reagieren. Im Stillen hoffte er jedoch – und es war mit Sicherheit das erste und einzige Mal –, dass Lupin auf diesen Mistkerl hörte. Natürlich musste Lupin ausgerechnet in dieser Situation Rückgrat beweisen, indem er vor seinem Tisch stehen blieb. „Snape“, hörte er die vertraute Stimme und ihm entging die Nervosität darin nicht. „Können…können wir bitte reden?“ Severus‘ schwarze Augen hefteten sich starr auf die Tischplatte, während er sich seine Bücher unter den Arm klemmte. Man sah es ihm vielleicht nicht an, doch er hatte alle Mühe, sie nicht fallen zu lassen…oder Lupin anzuschreien, was, um alles in der Welt, er sich dabei gedacht hatte, ihn zu küssen. „Bitte, Snape“, startete der andere seinen zweiten Versuch. „Ich…ich kann das erklären, ich-“ „Lass mich in Ruhe!“, zischte Severus so schneidend, dass Lupin blass wurde und direkt verstummte. Wie konnte er es wagen, das hier anzusprechen? Es auch nur irgendwie anzudeuten! War der Werwolf noch ganz bei Trost?! Mit vor Zorn funkelnden Augen blickte er ihn an, woraufhin sein Gegenüber noch mehr in sich zusammensackte. Ein paar Schüler schauten zu ihnen herüber und Severus wusste bereits jetzt, dass er deswegen wieder zum Gespött seines Hauses werden würde. Ohne noch ein weiteres Wort an Lupin zu verlieren, ließ er diesen stehen, verließ den Raum so schnell wie nur irgendwie möglich. Er würde nicht darüber reden. Er konnte sich nicht damit auseinandersetzen und er wollte es auch nicht. Warum hatte Lupin nicht vorher über den Schaden, den er mit seiner Aktion angerichtet hatte, nachgedacht? Was hatte er bitte von ihm erwartet? Als ob er nicht schon genug Probleme hätte, mit denen er zurechtkommen musste. Er brauchte nicht noch mehr Verwirrung, noch mehr Magenschmerzen und…Schuldgefühle. Es war nicht seine Schuld, dass Lupin ihn geküsst hatte! Es war auch nicht seine Schuld, dass seine Mutter tot war! Er konnte nichts dafür! Und trotzdem musste er darunter leiden. Er bemerkte gar nicht, wo er in seiner Wut hinlief, doch zu seiner Erleichterung hielten sich kaum Leute im Korridor auf. Alleinsein erschien ihm das Beste, um sich zu beruhigen und wieder klar zu werden. Eigentlich hatte er gedacht, dass es nach einer Weile besser werden würde, doch auch nach drei Tagen ebbten die ganzen Gefühle nicht ab. Es wurde eher schlimmer anstatt besser. Er musste es vergessen, aus seinem Kopf verbannen…und Lupin am besten bis ans Ende seiner Tage meiden, so gut es ging. Der Kloß in seinem Hals schwoll bei diesem Gedanken noch mehr an und er spürte wieder dieses Brennen in den Augen. Nein, er würde keine Schwäche zeigen. Es reichte langsam. Dann war er eben wieder allein. Na und? Das war er auch schon nach Lilys Bruch gewesen, was sollte es also? Es war so leicht, sich das alles einzureden, doch wie sollte er das bitte umsetzen, wenn er ständig Lupins Hundeblick vor Augen hatte? Vielleicht hätte er ihn nicht so anherrschen sollen, schließlich hatte er kein Wort über den Kuss verloren. Damit hätte er sich selbst bloßgestellt und so dumm war nicht einmal Lupin. Genau genommen war der Werwolf weit entfernt von Dummheit, wie er schon des Öfteren festgestellt hatte. Severus atmete tief durch, kaum dass er stehen geblieben war. Eine Ravenclaw lief an ihm vorbei, ohne wirklich Notiz von ihm zu nehmen, dann war er wieder allein. Verteidigung gegen die dunklen Künste würde erst in einer Stunde beginnen, er hatte also Zeit. In Anbetracht der Umstände wünschte er sich, er hätte sie nicht, denn so konnte er sich nicht von diesen ätzenden Gedanken abhalten. Sollte er vielleicht doch mit Lupin reden? Möglicherweise wollte sich der Werwolf bloß entschuldigen und ihn darum bitten, dass sie normal miteinander umgingen. Aber war es überhaupt möglich, diesen Vorfall zu vergessen? Severus kannte die Antwort bereits und sie machte es noch schwerer. Es würde nie wieder so ungezwungen zwischen ihnen sein, wie es das in den vergangenen Monaten war. Dieser verdammte Kuss würde immer zwischen ihnen stehen…weil Lupin so etwas bestimmt nicht grundlos tat. Severus lehnte sich an die Wand, während die Erinnerung gegen seinen Willen hochkam. Er hatte sich seinen ersten Kuss immer nur mit Lily vorgestellt. Sie war das einzige Mädchen, das ihn interessierte. Wenn sie allein gewesen waren, hatte er gedanklich durchgespielt, wie es sein würde, sie einfach zu küssen. Lily hatte schöne, rosige Lippen, die sich bestimmt weich anfühlten. Sie hätten süßlich geschmeckt und während er sie ganz fest gehalten hätte, hätte er den Duft ihres blumigen Parfüms vernommen. Viel intensiver als sonst. Es war nie dazu gekommen. Stattdessen hatte Lupin ihn geküsst und obwohl er es vergessen wollte, kam die Erinnerung von ganz allein. Lupin hatte ihn gehalten, nicht so fest, dass es unangenehm gewesen war, denn eigentlich...hatte er sich in der Umarmung sogar geborgen gefühlt. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann ihn das letzte Mal jemand umarmt hatte. Nicht, dass er im Allgemeinen sonderlich erpicht darauf war – es sei denn, es handelte sich um Lily. Da sie aber schon seit geraumer Zeit keine Freunde mehr waren, war Lupin nach langem der Erste und Einzige, der ihn berührte – hinterhältige Angriffe zählten nicht dazu. Unweigerlich erinnerte er sich daran, wie Lupin ihn in den Krankenflügel gebracht hatte, denn dort hatte er nach seiner Hand gegriffen. Jetzt, wo er so darüber nachdachte, hatte ihn der Werwolf ziemlich oft berührt und sei es nur flüchtig. Es war ihm nur nie in diesem Zusammenhang aufgefallen. Lupins Lippen hatten sich warm und weich angeführt, obwohl sie durch seine Verwandlungen ebenso vernarbt und rissig waren wie der Rest seiner Haut. Der Kuss konnte nur wenige Sekunden gedauert haben und wenn er so darüber nachdachte, war er ziemlich unbeholfen ausgefallen. Impulsiv…und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass es auch Lupins erster Kuss gewesen sein könnte. Seine Lippen hatten nicht süß geschmeckt, eigentlich hatten sie keinen richtigen Geschmack und Lupin roch ganz sicher nicht nach Blumenparfüm. Dafür hatten sich Lupins bernsteinfarbene Augen umso mehr in sein Gedächtnis gebrannt. Gegen seinen Willen spürte er, wie seine Wangen zu kribbeln begannen – warum, bei Merlin, wurde er jetzt rot?! Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Es musste die Scham über das Geschehene sein, genau, es war ihm einfach peinlich. Er war so in Gedanken versunken, dass ihm beinahe entgangen wäre, dass er nicht länger allein auf dem Korridor war. Normalerweise konnte Severus auf seinen siebten Sinn, der ihn schon so manches Mal vor unschönen Überraschungen bewahrt hatte, vertrauen. Die widerlichen Streiche seiner Erzfeinde standen dabei ganz oben auf dieser Liste. Im Endeffekt hatte er dennoch oft den Kürzeren gezogen, da sie in der Mehrzahl waren, doch wenigstens hatte er versucht, sich zu verteidigen. Als er nun herumfuhr und den Zauberstab hochriss, um sich zu schützen – stocke er innerlich. Er wusste nicht, warum er instinktiv Lupin erwartet hatte, doch vermutlich war dies der Grund, weswegen er nicht sofort einen Stupor auf sein Gegenüber schleuderte. „Expelliarmus!“ Er hätte ihn nicht einmal sehen müssen, denn der verhasste, ähnlich einem Bellen klingende Ausruf hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Zorn flutete durch seine Adern, kaum dass ihm der Zauberstab aus der Hand gerissen wurde und ein paar Meter hinter ihm im Korridor landete. Severus hechtete ihm in einem verzweifelten Versuch hinterher, denn er wusste, dass er ohne ihn chancenlos war. Bevor er jedoch auch nur in Reichweite kommen konnte, hörte er abermals die widerliche Stimme – und kippte vornüber. Es fühlte sich an, als würde etwas seine Beine fesseln, so dass er nur noch robben konnte, was ihm die Schamesröte in die bleichen Wangen trieb. Schritte ertönten und jemand stellte sich ihm in den Weg, funkelte ihn von oben herab aus seinen grauen Augen an. „Warum die Eile, Schniefelus?“ Black hielt ihm den Zauberstab entgegen, richtete ihn absichtlich direkt auf seine Nasenspitze. Mit Grauen erinnerte sich Severus an den Zauberspruch, der seine Nase lächerlich groß hatte werden lassen. „Fahr zur Hölle!“, zischte er dem Gryffindor entgegen. „Na, so böse Worte in so einer Situation, Snape...keine gute Idee.“ Normalerweise lag stets dieser ekelerregende Spott in Blacks Stimme und normalerweise hatte er wenigstens Potter dabei – dass nichts von beidem zutraf, empfand Severus als noch beunruhigender als sonst. Allerdings hatte er nicht vor, Black dies zu zeigen, so dass er lediglich die Augen verengte. „Was willst du?!“, raunzte er ihn an. „Was will ich will?“, wiederholte Black betont langsam, als müsste er sich erinnern. „Lass mal sehen…seit Monaten schleimst du dich bei Moony ein und nutzt seine Gutmütigkeit für, was auch immer in deinem kranken Kopf vor sich geht, aus. Du bist wie eine Seuche, Snape…und ich hab ihm gleich gesagt, dass er sich von dir fernhalten soll – aber nein, er weiß es ja besser!“ Severus musste sich alle Mühe geben, seine wutverzerrte Miene beizubehalten, denn in seinem Inneren kämpfte ein irres Lachen gegen nackte Angst. Wovon sprach Black?! Hatte Lupin doch etwas durchsickern lassen? Hatte Black sie gesehen? Nein…nein, das war unmöglich. Das durfte nicht sein! „Ich habe keine Ahnung, was vorgefallen ist, dass du ihn plötzlich wie den letzten Dreck behandelst, aber ich schwöre dir…ich werde dich zur Hölle fahren lassen, wenn du ihn noch einmal auch nur schief ansiehst, klar?!“ Im ersten Moment vernahm er nur eines – und zwar, dass Black keine Ahnung hatte. Er wusste nichts von dem Vorfall auf dem Turm und wieso er Lupin mied. Auf diese Erleichterung folgte jedoch glühender Hass – was wusste Black schon? Was mischte sich dieser Kerl überhaupt ein? „Wie ungemein…ritterlich von dir, Black, dass du deinen kleinen Freund so verteidigst“, spie er dem anderen entgegen und seine Stimme enthielt pures Gift. „Und ich nahm an, dein Herz würde ganz und gar Potter gehören…wenn da niemand eifersüchtig wird…“ Er ächzte leise, als Blacks freie Hand vorschoss und ihn am Kragen packte, die Stabspitze bohrte sich in seine Stirn. Die schwarzen Augen glühten finster vor unterdrückter Abscheu, doch es war Severus egal. Er war selbst viel zu wütend, als dass er darüber nachdenken konnte, was Black mit ihm machen würde. „Vorsicht, Schniefelus, sonst-“ „Tatze! Bei Merlin, lass ihn sofort los!“ Natürlich, wie konnte es anders sein, musste nun auch noch der Ursprung der ganzen Miesere auftauchen. Lupin besaß wahrlich ein Talent dafür, dann aufzutauchen, wenn er nicht erwünscht war. „Lass mich, Moony! Der Fettfleck braucht eine Lektion!“, knurrte Black, ohne ihn loszulassen. „Er muss lernen wo sein Platz ist…“ „Sirius!“, kam es deutlich ernster von dem Werwolf und er packte seinen Freund an der Schulter. Severus wusste, dass er ihn ansah, doch er wich den Bernsteinaugen aus, konnte das gerade nicht ertragen. Auch wenn Lupin mal wieder nur helfen wollte, machte er die Situation nur bedingt besser. Er wollte nur seine Ruhe vor allem haben – war das so schwer? Widerwillig ließ Black von ihm ab, nicht ohne ihm noch einen verächtlichen Blick zuzuwerfen. „Er hat es verdient, Moony! Er hat es verdammt noch mal verdient, so, wie er dich behandelt! Ich hab dir gleich gesagt, dass es ein Fehler ist, mit dieser Schlange herumzuhängen, aber du wolltest nicht hören!“ „Er hat nichts getan“, hielt Lupin dagegen, wobei man ihm Erschöpfung anhörte. „Und selbst wenn, geht das nur ihn und mich etwas an.“ Black stampfte vor Wut mit dem Fuß auf, wobei er an ein bockiges Kind erinnerte, aber Severus hielt sich nicht damit auf. Stattdessen nutzte er die Diskussion der beiden, um zu seinem Zauberstab zu robben. Da Black nun mit dem Rücken zu ihm stand und Lupin ganz andere Sorgen hatte, achtete ohnehin keiner mehr auf ihn. „Nichts getan?! Dass er existiert, reicht schon! Du weißt genau, was er für ein ekelhafter, schwarzmagischer, kleiner-“ „Das hier hat nichts mit dir zu tun, Tatze!“, fuhr Lupin ihm dazwischen. „Lass ihn einfach in Ruhe! Ich kann meine Angelegenheiten selbst regeln!“ „Oh ja, das sehe ich, Moony!“, bellte Black zurück. „Du lässt dich von ihm wie ein Köter behandeln, schleichst mit eingezogenem Schwanz davon…was ist los mit dir?! Es ist nur Snape!“ Am liebsten hätte er Black für jedes einzelne Wort erwürgt, aber er war zu sehr damit beschäftigt, seinen Stab zu packen und mit einem gemurmelten Zauber seine Beine zu befreien. Taumelnd erhob er sich, den Stab fest umklammert haltend und den Stupor bereits auf den Lippen. Allein Lupins erschrockener Blick ließ ihn zögern – leider fiel dies auch Black auf, welcher herumfuhr. „Wage es dich, Snape…“, drohte ihm dieser mit ebenfalls erhobenem Stab. „Versuch etwas und ich schwöre dir, deine eigene Mutter wird dich nicht wiedererkennen!“ „Tatze!“, kam es zornig von Lupin. „Lass-“ „Wobei…vielleicht ist sie ja ganz froh darüber?“, ignorierte Black seinen Freund. Severus spürte, wie ihm heiß und kalt zugleich wurde, so viel Hass stieg in ihm auf. Wie konnte er es wagen?! Seine Finger krampften sich so stark um seinen Zauberstab, dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Noch ein Wort, Black…nur ein Wort…“, zischte er warnend, sorgte damit aber nur für ein abfälliges Lachen. „Was denn, Snape? Wunder Punkt? Wusste nicht, dass du ein Muttersöhnchen bist...heulst dich immer bei ihr aus, ja? Weiß sie überhaupt, wie du tickst, oder ist sie genauso eine widerliche, kranke-“ In dieser Sekunde passierte etwas, das Severus erst im Nachhinein realisierte. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er einen Fluch auf Black schleuderte, der diesen zum Verstummen bringen sollte. Es war sein eigener Fluch. „Sectum Sempra!“ Es war nicht Blacks gurgelnder Schrei, der durch den gesamten Korridor hallte. Es war nicht Blacks Blut, das den Boden viel zu schnell rot färbte…dessen Rücken wie von einem unsichtbaren Schwert aufgeschlitzt wurde. Wie betäubt sah er zu, wie Lupin zur Seite kippte, zuckend und ausblutend auf dem kalten Stein liegen blieb. Er hörte Black brüllen und panisch mit dem Zauberstab herumfuchteln, doch da war nur ein Rauschen in seinen Ohren, das alles um ihn herum in Stille tauchte. Selbst, als immer mehr Leute auftauchten, Lehrer und Schüler, er bemerkte nicht mal ihre Blicke, sondern fokussierte sich auf Lupin, der immer noch zuckte. Lupin, der so dumm gewesen war, sich in die Ziellinie zu bringen, um Black anzuherrschen, dass er den Mund halten sollte. Lupin, der vielleicht seinetwegen starb. Kapitel 23: Konsequenzen ------------------------ Es fühlte sich an, als sei ihm jegliches Zeitgefühl abhandengekommen, während er zusammengesunken auf seinem Stuhl saß. Obwohl es bis auf ein leises Surren still in dem runden Raum war, kam es ihm vor, als würden ihn die unzähligen Portraits der Schulleiter beobachten – auch wenn sie vorgaben zu schlafen. Vor ihm erstreckte sich ein gewaltiger, klauenfüßiger Schreibtisch, auf dessen polierter Oberfläche sich nebst einigen anderen Dingen ein silbernes Tintenfass befand. Er wusste nicht, wie lange er die dazugehörige, scharlachrote Feder schon anstarrte, doch es erschien ihm unmöglich, den Blick abzuwenden. Rot wie das Blut, das aus Lupin geradezu herausgespritzt war, kaum dass ihn sein Fluch getroffen hatte. Seine Hände zuckten in seinem Schoß und er ballte sie so fest zu Fäusten, dass es wehzutun begann. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er immer noch zitterte, woraufhin er die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinanderpresste, gedämpft durchatmete. Es erschien ihm alles so unwirklich, als handelte es sich um einen Film…als wäre er gar nicht beteiligt gewesen. Wie hatte es überhaupt angefangen? Black hatte irgendetwas Unverzeihliches über seine Mutter gesagt und dann hatte es bei ihm ausgesetzt. Es war nie geplant gewesen, seinen selbst entwickelten Fluch in Hogwarts zu benutzen. Sicher, er hatte ihn wegen seiner Feinde wie Potter und Black geschaffen, doch ihm war bewusst gewesen, dass dies zu seinem Schulverweis führen würde. Hätte Black ihn nicht auf diese abscheuliche Weise provoziert, hätte er sich unter Kontrolle gehabt – oder zumindest einen etwas harmloseren Fluch benutzt. Wie hätte er ahnen können, dass es schlussendlich Lupin traf? Lupin, der sich von selbst vor Black gestellt hatte und gleich darauf zu Boden gegangen war. Der Anblick hatte ihn regelrecht gelähmt, der gurgelnde Schrei hallte immer noch in seinen Ohren wider. Wie er dagelegen hatte…kalkweiß und zuckend in seinem Blut. Severus spürte, wie sein Magen erneut zu rebellieren begann, so dass er abermals tief durchatmete. Er wusste noch, dass er geistesgegenwärtig neben Lupin auf die Knie gefallen war und einen seiner Heilzauber angewandt hatte. Black hatte ihn angeschrien und ihm mit seinem Zauberstab beinahe ins Auge gestochen, doch er hatte ihn ignoriert. Da war so viel Blut gewesen, dass er nicht sagen konnte, ob Lupin das überleben würde. Dumbledore war aufgetaucht und hatte eine Trage heraufbeschworen, auf der er den Werwolf zum Krankenflügel gebracht hatte. McGonagall und Slughorn waren ebenfalls hinzugekommen, beide hatten wild durcheinander geredet, bis Dumbledore sie unterbrochen hatte. Er konnte sich nicht erinnern, was der Schulleiter zu ihm gesagt hatte, nur dass er Slughorn angewiesen hatte, ihn in sein Büro zu führen. Hier saß er nun und wartete. Allein. Obwohl er bislang geglaubt hatte, von der Schule verwiesen zu werden, sei das Schlimmste, was ihm passieren konnte, war da noch ein anderer quälender Gedanke. Was, wenn er Lupin getötet hatte? Für einen Mord würden sie ihn vors Zaubereigericht führen, wo er verurteilt und nach Askaban gebracht werden würde. Doch anstelle der Dementoren sah er Lupins leichenblasses Gesicht mit den rot geäderten Augen vor sich, wie er, einem Fisch auf dem Trockenen gleich, nach Luft rang. Warum hatte sein Fluch nicht einfach Black treffen können?! Das Geräusch des Wasserspeiers hinter ihm ließ ihn zusammenzucken und er spannte sich an, als sich Schritte näherten. Er versuchte, seine zusammengesunkene Haltung etwas zu straffen, nicht weiter wie ein Schluck Wasser in der Kurve da zu sitzen. Stets hatte er daran festgehalten, seine Angst nicht zu zeigen – jedoch erschien ihm das gerade viel schwerer als sonst. Nervös beobachtete er den Schulleiter, der ruhigen Schrittes zu seinem Schreibtisch ging, um dahinter Platz zu nehmen. Die Stille im Raum war fast noch schlimmer als der durchdringende Blick der hellblauen Augen, die ihn über den Rand der halbmondförmigen Brillengläser anfunkelten. Eigentlich hatte er Dumbledore insgeheim seit jeher einen senilen, alten Gryffindor geschimpft, der ihm gestohlen bleiben konnte. Zum ersten Mal, seitdem er den Schulleiter kannte, nahm er dessen Anwesenheit als einschüchternd wahr. „Ich denke, Sie wissen, warum Sie hier sind, Mr Snape.“ Dumbledore stützte die Ellenbogen auf seinem riesigen Schreibtisch ab, faltete die Finger, während er ihn abwartend anblickte. Severus wusste nicht, ob er etwas sagen oder nicken sollte…oder ob er überhaupt irgendwas tun sollte. Er konnte ihn nur anstarren, ruckte dann einmal mit dem Kopf. „Dieser schwarzmagische Fluch, den Sie verwendet haben, hat Mr Lupin schwer verletzt. Sein Rücken ist geradezu zerfetzt worden und laut Madam Pomfrey hätte nicht viel gefehlt, um seine Wirbelsäule zu beschädigen. Er hat so viel Blut verloren, dass er daran hätte sterben können – ganz zu schweigen von dem Schock, den er erlitten hat.“ Severus hörte zwar zu, aber es fiel ihm schwer, alles richtig zu verstehen. Dabei konnte er sich normalerweise die komplexesten Zaubertrankformeln merken und die waren gerade nicht mal halb so wichtig wie die Information, ob Lupin lebte. Was Dumbledore da sagte…dass Lupin an Blutverlust hätte sterben können…also war er nicht tot? Wie war sein Zustand? Lebensbedrohlich? Stabil? Lupin war ein Werwolf, somit war er schreckliche Verletzungen gewöhnt – machte ihn das nicht robuster? „Madam Pomfrey sagte überdies auch, dass Mr Lupins Zustand weitaus kritischer hätte sein können, wenn Sie die Blutungen mit Ihrem Heilzauber nicht gestillt hätten. Dadurch hat sie wertvolle Zeit gespart, um seinen Zustand zu stabilisieren.“ Severus blickte ihn starr durch den Vorhang schwarzer Haare an, die ihm noch strähniger als sonst ins Gesicht hingen. „Mr Lupin befindet sich außer Lebensgefahr, ist jedoch noch sehr angeschlagen, weswegen er die nächsten Tage zur vollständigen Genesung im Krankenflügel bleiben wird.“ Es sickerte langsam in seinen Verstand: Lupin lebte. Er hatte ihn nicht getötet. Die Erleichterung rann zähflüssig durch seinen Körper, ließ ihn nach Luft schnappen, auch wenn er sich gleich darauf zu fassen versuchte, um sich das letzte bisschen Würde zu bewahren. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Mr Lupin nicht verletzen wollten?“ Langsam hob er den Kopf, sah direkt wieder in Dumbledores stechend hellblaue Augen. Etwas an diesem wissenden Blick gab ihm das Gefühl, als würde der Schulleiter darauf gar keine Antwort brauchen. Severus fühlte sich mehr als unbehaglich und sein Hals war so trocken, dass seine Worte eher wie ein Krächzen klangen. „Nein, ich…versehentlich…wollte ihn nicht…“, kamen sie gebrabbelt aus seinem Mund. Severus war froh, dass Dumbledore die Hand hob, ihn damit zum Verstummen brachte. „Wie Sie sich sicher denken können, habe ich auch mit Mr Black über das Geschehene gesprochen.“ Ein Laut der Verachtung entwich seinen Lippen, denn er konnte sich denken, dass der verdammte Mistkerl alles auf ihn geschoben hatte. „Black hat mir aufgelauert und mich angegriffen!“, zischte er. „Er hat mich absichtlich provoziert!“ Wenigstens hatte er seine Stimme wiedergefunden, denn er musste sich verteidigen. Black war alles andere als unschuldig daran, dass sein Fluch Lupin getroffen hatte. Ob Dumbledore ihm glaubte, konnte er anhand seines Ausdrucks nicht sagen. „Ich bin mir Ihrer schwierigen Situation durchaus bewusst, Mr Snape…und Sie haben mein vollstes Mitgefühl. Dennoch rechtfertigt das nicht Ihre Tat und ich möchte Sie noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich Sie deswegen von der Schule verweisen könnte.“ Severus schluckte Gift und Galle herunter, musste sich zusammenreißen, um nicht erneut über Black zu wettern. Wie immer war allein er für alles verantwortlich, niemals ein Gryffindor. Sein Herz raste in seiner Brust, während er darauf wartete, dass Dumbledore weitersprach. Was würde er tun, wenn ihn der Schulleiter rauswarf? Allein der Gedanke daran ließ ihm schlecht werden… „Nun, ich denke, 100 Punkte Abzug für Slytherin und einen Monat Strafarbeit sollten in diesem Fall ausnahmsweise genügen. Zumal Sie sich wohl zur Genüge selbst bestraft haben…“ Die Welle der Erleichterung wurde durch den letzten Satz gehemmt, so dass er irritiert blinzelte. 100 Punkte Abzug waren nicht wenig und er ahnte, dass ihn Rosier und die anderen Slytherins dafür zur Rechenschaft ziehen würden. Doch das konnte Dumbledore nicht meinen, ebenso wie die Strafarbeit, die bestimmt nicht angenehm ausfallen würde. Als hätte er seine Gedanken gelesen, fuhr der Schulleiter fort. „Eine solche Bindung, wie Sie sie mit Mr Lupin teilen, ist etwas sehr Wertvolles.“ Severus bekam das Gefühl, sein Magen würde sich bei diesen Worten verknoten; direkt musste er an die Szene auf dem Turm denken. Lupin, der ihn hielt, ihn tröstete…und küsste. Seine sonst so bleichen Wangen brannten und er senkte schnell den Blick, versuchte, alle Scham zu unterdrücken. Dumbledore konnte nichts davon wissen. Er durfte nicht überreagieren, immerhin stand er nach wie vor auf dünnem Eis wegen seinem Fluch. Also blieb er mit Mühe still, schluckte jedes garstige Wort herunter, auch wenn es ihm schwer fiel. „Nun denn…um noch einmal auf Ihre Strafarbeit zurückzukommen“, nahm Dumbledore das Gespräch wieder auf. „Sie werden für einen Monat den Hauselfen in der Küche zur Hand gehen und für diese den Abwasch übernehmen. Selbstverständlich ohne Magie, Mr Snape.“ „Wie bitte?!“, entfuhr es ihm und sein Kopf ruckte hoch. „Aber…“ „Empfinden Sie die Strafe als unangemessen?“ Bei Dumbledores durchdringendem Blick wünschte er sich, er hätte den Mund gehalten. Wenn man bedachte, dass er ihn zu seinem Muggelvater zurückschicken könnte, war die Strafe ohne Zweifel das kleinere Übel. „Nein“, würgte er daher hervor. „Natürlich nicht…“ „Sehr schön“, kam es zufrieden von dem Schulleiter, der ihn nun wieder warm anlächelte. „Dann können Sie jetzt gehen – und wenn ich Ihnen noch den Rat eines alten Mannes mit auf den Weg geben darf…Worte können ebenso verletzend wie heilsam wirken. Reden Sie mit Mr Lupin, sobald es ihm besser geht.“ Severus blickte ihn nur starr an, ehe er knapp nickte und sich dann erhob. Trotzdem er erleichtert war, dass Lupin lebte, war da immer noch dieser Knoten in seinem Magen…und er hatte nicht den Eindruck, als würde der sich durch ein paar Worte lösen lassen. Der restliche Tag stellte sich als weitere Tortur heraus, was zum Teil dem unangenehmen Gespräch mit Slughorn geschuldet war. Sein Hauslehrer hatte ihm auch noch einmal unter vier Augen mitgeteilt, wie enttäuscht er von ihm war, wo Lupin und er doch als Paradebeispiel eines guten Teams aus Slytherin und Gryffindor galten. Er sollte sich bitte Gedanken über sein Verhalten machen und er könne immer zu ihm kommen, wenn er Probleme hätte. Severus hatte sich zusammenreißen müssen, um ihn nicht anzufauchen, dass er sein heuchlerisches Getue für sich behalten konnte. Als ob sich Slughorn in irgendeiner Weise um ihn scheren würde – schließlich kam er weder aus einer berühmten Familie noch verfügte er über irgendein herausragendes Talent. Offensichtlich genügte ihm seine Begabung in Zaubertränke ja nicht. Der einzige Grund, aus dem Slughorn ihm ins Gewissen redete, war doch sein eigenes Ansehen als Hauslehrer. Severus hatte Slytherin durch den Vorfall Schande bereitet und nur deswegen war er überhaupt aufgefallen. Es war immer dasselbe und es hing ihm so dermaßen zum Halse raus… Danach war Lily irgendwann zu ihm gekommen, um ihn dasselbe aber mit einer anderen Formulierung wissen zu lassen. Auch sie war enttäuscht von ihm, hatte gedacht, Lupin und er seien so etwas wie Freunde…und dass seine Tat unverzeihlich war. Wenn ihn ihre Worte aufgrund der Tatsache, dass er sie immer noch liebte, nicht so sehr verletzt hätten, hätte er sie angefahren, sie solle ihn gefälligst in Ruhe lassen. Warum war sie ständig der Meinung, sie müsse ihn belehren, wenn er etwas anrichtete? Sonst kümmerte sie sich doch auch nicht mehr um ihn. Sie konnte ihn wunderbar ignorieren, solange er sich lediglich im selben Raum wie sie befand – und in letzter Zeit schienen Potter und sie unzertrennlich. Potter…ausgerechnet Potter. Als hätte sie alles vergessen, was passiert war. Als hätte sie vergessen, dass James Potter ein widerliches Schwein war. „Snape!“ Severus erstarrte sowohl innerlich als auch äußerlich zur Salzsäule, als hinter ihm eine bekannte, herrische Stimme seinen Namen rief. Eigentlich hatte er gehofft, dass ihm wenigstens das vorerst erspart bleiben würde, schließlich hatte er sein Bestes getan, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Er versuchte, seine Mimik unter Kontrolle zu bringen, drehte sich mit kaltem Blick zu Lestrange und seinen Anhängern um. Wenn er ihnen seine Angst zeigte, war er verloren, das wusste er aus Erfahrung; ihm war, als würde seine Stirn brennen, dort, wo sie ihn vor einer Weile gezeichnet hatten. „Lestrange“, erwiderte er knapp und ignorierte Rosiers breites, hämisches Grinsen. Rosier war derjenige, der den größten Spaß daran hatte, ihn zappeln zu sehen – er war nicht wie die anderen Mitläufer, die Lestrange bloß nach dem Mund redeten. Das machte ihn gefährlicher. „100 Punkte Abzug? Ich dachte eigentlich, ich hätte mich klar ausgedrückt…“ Severus entging nicht, wie sie ihn langsam umstellten, so dass er keine Fluchtmöglichkeit haben würde. Nicht, dass ihm Flucht etwas gebracht hätte. Nichts außer noch mehr Gründen, ihn ordentlich in die Mangel zu nehmen. „Ich…kann das erklären…“, brachte er hervor, auch wenn ihn das nicht retten würde. Zwar lief der ein oder andere Schüler an ihnen vorbei, aber niemand würde ihm helfen. Falls sie ihn hier nicht dran bekamen, würden sie es später im Gemeinschaftsraum nachholen. Wer sollte ihn schon schützen? Slughorn? Das war lächerlich. Lestrange gab ein Schnauben von sich, verschränkte dabei die Arme. „Das hoffe ich doch!“, meinte er in seinem typisch arroganten Tonfall. „Nach dem, was ich gehört habe, war dein Fluch wahrlich bemerkenswert. Unerwartet…aber durchaus bemerkenswert.“ „Ja, aber ich – was?“ Severus starrte ihn an, glaubte, sich verhört zu haben und auch Rosier entgleisten die Gesichtszüge. Anscheinend meinte Lestrange seine Worte keinesfalls sarkastisch, denn er nickte noch einmal zur Bestätigung. „Wo hast du diese Art von schwarzer Magie gelernt, Snape? Wer hat sie dich gelehrt?“ Plötzlich leuchtete da etwas Neues in Lestranges sonst so kalten Augen auf und zwar ehrliches Interesse. Interesse an seinem Fluch, für den ihn alle anderen verurteilten. Er sich selbst eingeschlossen, zumindest in Bezug auf Lupin. „Ich…ich habe ihn selbst…entwickelt…diesen Fluch hat mir niemand beigebracht“, krächzte er und verfluchte sich für seine Unsicherheit. „Lüg nicht, Snape!“, zischte Rosier ihn an, doch Lestrange hob die Hand, damit er schwieg. „Ist das die Wahrheit, Snape?“, fragte er ernst. „Ja“, erwiderte er tonlos, woraufhin Rosier wie ein wütender Hund knurrte. „Du wirst ihm diesen Schwachsinn doch nicht glauben, Rabastan?! Er ist nur ein wertloses Halbblut! Niemals war das sein eigener Fluch! Außerdem spielt das keine Rolle, immerhin hat er uns trotzdem 100 Punkte gekostet!“ Lestranges Blick war pures Eis, als er ihn auf Rosier richtete, dem daraufhin der Atem stockte. „Ich kann mich nicht erinnern, dich nach deiner Meinung gefragt zu haben, Evan…und jetzt halt den Mund.“ Im ersten Moment erinnerte Rosier an einen Fisch, der auf dem Trockenen lag, so wie er nach Luft schnappte. Dann wechselte seine Gesichtsfarbe in ein hässliches Purpurrot, doch er wagte es nicht zu widersprechen. Auch die anderen Slytherins, die um sie herum standen, verhielten sich still. Die Genugtuung ging runter wie Öl, auch wenn Severus misstrauisch blieb. Lestrange wandte sich nun wieder ihm zu, musterte ihn einmal von Kopf bis Fuß. „Nun, ich kann nicht sagen, dass ich glücklich darüber bin, dass wir so viele Punkte verloren haben, Snape – und natürlich erwarte ich, dass du jeden einzelnen zurückholst.“ Severus schluckte hart, nickte ohne zu zögern. „Allerdings hat dein Fluch mein Interesse geweckt“, sprach er weiter. „Sie sagen, du hättest Lupin um ein Haar getötet. Ganz Hogwarts redet davon.“ Die Hand, die sich plötzlich auf seine Schulter legte und diese drückte, ließ ihn erschaudern und ungläubig sah er den Älteren an. „Black wäre sicherlich ein größerer Erfolg gewesen, doch seine Zeit wird kommen, nicht wahr?“ „…ja.“ Musste er sich schlecht fühlen, Anerkennung dafür zu bekommen, dass Lupin seinetwegen im Krankenflügel lag? Dennoch tat es einfach so gut, diese Worte zu hören, und er konnte…und wollte sich nicht dagegen wehren. Vor allem da Rosier den Eindruck machte, als würde er gleich vor Wut platzen. „Schön. Anscheinend bist du doch nicht im falschen Haus gelandet, Snape, und ich hoffe, wir sehen noch mehr von deinen Talenten.“ Severus lief es bei Lestranges grausamem Lächeln kalt den Rücken herunter, aber er rang sich zu einem Nicken durch. Mehr von seinen Talenten. Sein Talent wurde anerkannt. Er wurde anerkannt. Von Rabastan Lestrange. Sein Herz schien schon zum zweiten Mal an diesem Tag kurz vorm Zerspringen zu sein, doch diesmal…war es gut. Lestrange schenkte ihm einen letzten zufriedenen Blick, ehe er samt seinem Gefolge an ihm vorbei stolzierte…und Severus fühlte sich, als würden ihm jeden Moment die Beine wegknicken. Als er sich in der Nacht in den Krankenflügel schlich, war das schlechte Gewissen immer noch nicht abgeebbt. Dabei konnte er genau genommen ja nicht einmal etwas dafür, dass er aufgrund seines Fluches in der Gunst von Lestrange gestiegen war. Er hatte das nicht beabsichtigt, es war wie…ein praktischer Nebeneffekt. Das bedeutete nicht, dass er nicht bereute, Lupin das angetan zu haben…und wenn er ehrlich war, graute es ihm vor seinem heimlichen Krankenbesuch. Er fürchtete, dass Potter und Black dort sein könnten, immerhin schlichen diese oft genug nachts im Schloss herum. Und was wäre, wenn Lupin wach war? Was sollte er sagen, nachdem er ihn fast umgebracht hatte? Severus erinnerte das alles an den Vorfall mit Lily, als er sie öffentlich als Schlammblut beschimpft hatte. Was machte er hier eigentlich? Als würde ihm Lupin jemals vergeben...ausgeschlossen, da konnte er auch umkehren und zurück in sein Bett kriechen. Wie lange hatte er Lily angebettelt, sie möge ihm verzeihen – vergeblich. Bei seiner Freundin hatte es sich um eine, zugegeben, schreckliche Beleidigung gehandelt, Lupin hatte er fast getötet. Das war definitiv schlimmer. Tief atmete er durch, als er vor der letzten Tür, die ihn von dem Werwolf trennte, stand. Vielleicht war Lupin ja nicht bei Bewusstsein, dann hätte er eine Ausrede, wegen der er wieder gehen konnte. Er war da gewesen. Soll erfüllt. Punkt. Wäre es nur so einfach… Innerlich ächzte er leise, griff dann nach der Türklinke und schlich sich hinein. Im Krankenflügel war es still und soweit er wusste, war Lupin momentan der einzige Patient. Keine Spur von Potter, Black oder gar Madam Pomfrey. Severus nahm sich zusammen, schloss so gut wie lautlos die Tür, bevor er sich dem Bett näherte, in dem der Gryffindor liegen musste. Vorsichtig schob er sich am Vorhang vorbei, ehe ihm auch schon die auf dem Bauch liegende Gestalt Lupins ins Auge fiel. Das, was unter der Decke von seinem Oberkörper zu sehen war, war ordentlich verbunden worden, die Arme hingen schlaff zu beiden Seiten herab. In dem spärlichen Mondlicht, welches durch das Fenster schien, wirkte Lupins Haut beinahe genauso fahl wie seine eigene – was auch am Blutverlust liegen konnte. Dunkle Schatten zeichneten sich unter den geschlossenen Augen ab, die zahlreichen Narben stachen wie immer hervor. Für wenige Sekunden starrte er den Werwolf einfach nur an, nicht wissend, was er tun sollte; ihn zu wecken, war keine Option. Er hätte einen Heiltrank mitnehmen sollen, um eine Ausrede für seine Anwesenheit zu finden, doch woher die Zeit nehmen? Geschweige denn die Geduld und Konzentration nach allem, was passiert war. Seine Nerven lagen blank und Lupin so zu sehen, wissend, dass dies seine Schuld war, zermürbte ihn mehr, als es ihm recht war. Freunde…waren sie das? Lily war die einzige Freundin, die er je gehabt hatte. Dennoch konnte er nicht abstreiten, dass Lupin wichtig für ihn geworden war. Trotz dieses verwirrenden und natürlich absolut unangemessenen…Kusses. Auch, wenn er diesen Vorfall vergessen wollte, fehlte es ihm, mit dem Gryffindor in der Bibliothek zu sitzen. Ihm fehlte diese Ruhe, die Lupin beim Lernen ausstrahlte, und ja, er wollte, dass dieser ihn wieder so treudoof anblickte…mit diesem nervigen, viel zu freundlichen Lächeln. Er war der Einzige, der ihn auf diese Weise anlächelte und es sogar ernst meinte. Erschrocken über seine eigenen Gedanken, wich er einen Schritt zurück, sah unschlüssig auf den schlafenden Werwolf herunter. Als würde dieser ihn je wieder so anlächeln, geschweige denn ihn in seiner Nähe wollen. Nicht nach dem, was passiert war…oder doch? Lupin verzieh ja normalerweise alles und jedem… Severus schüttelte den Kopf über sich selbst, kehrte dem Bett dann den Rücken. Das hier machte keinen Sinn, vor allem wusste er ja nicht mal, was er sagen sollte, falls der andere aufwachen würde. Nein, das hier war eine ganz dumme Idee. Er würde sich etwas überlegen müssen und später wiederkommen. Ein paar Tage später… „…willst du nichts sagen?“ Die erschöpft klingende Stimme hinter ihm ließ ihn zusammenzucken. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich langsam zu dem Werwolf umwandte. Dieser lag weiterhin im Bett, blinzelte ihn müde an, doch der verbitterte Zug um seinen Mund entging ihm nicht. „Du bist wach“, stellte er überflüssigerweise fest, da ihm zunächst nichts Besseres einfiel. „Sieht so aus.“ Stumm blickten sie einander an und Severus wusste, dass Lupin darauf wartete, dass von ihm etwas kam. Die Sache war nur, dass er sich selten entschuldigte und gnadenlos schlecht darin war. Was sollte er schon sagen? Tut mir leid, dass dich mein Fluch beinahe umgebracht hätte? „Ich…“ Nun, das war ein Anfang, auch wenn er immer noch mit sich haderte, wohingegen Lupin bloß eine Braue hob. Er sah wirklich furchtbar aus. „…was passiert ist…“, rang er sich zum Weitersprechen durch. „…der Fluch…es hätte Black treffen sollen…ich wollte n-“ „Ist das dein Ernst, Snape?“, unterbrach ihn Lupin kälter, als er es ihm zugetraut hatte. Es sorgte dafür, dass er innehielt, ihn unschlüssig ansah, während sich seine Hände in seinem Umhang verkrallten. Begriff Lupin nicht, wie viel ihm das hier abverlangte? Wie sehr er sich bemühte, eine Entschuldigung hervorzubringen? „Das ist es, was du dazu zu sagen hast? Dass du wünschtest, es hätte Sirius getroffen und nicht mich? Verdammt, Snape! Dieser Fluch ist schwarze Magie! Du wusstest, wie er wirkt! Du wusstest, dass er töten kann!“ Lupins Stimme hatte einen harschen Ton angenommen und Severus zuckte wie unter einem Peitschenknall zusammen; als hätte er heute nicht schon genügend Standpauken bekommen. Ihm wurde entsetzlich übel bei den Worten – nicht, weil er Blacks Tod bedauern würde, sondern weil ihm gerade klar wurde, dass Lupin ihm wirklich nicht einfach verzeihen würde. Es traf ihn mehr, als er geglaubt hatte. „Ich…du hast gehört…was er gesagt hat! Ich…war wütend…es ist nicht meine Schuld! Er hat mich zuerst beleidigt und angegriffen!“, entfuhr es ihm. Er würde das hier nicht auf sich sitzen lassen! Black war an allem schuld, Severus hatte nur darauf reagiert! Seine Verteidigung schien Lupin zu ermüden, denn er blickte ihn wieder mit diesem matten Blick an. „Sirius‘ Verhalten ist nicht zu entschuldigen“, gab er leise zu. „Was meinst du, weswegen ich dazwischen gegangen bin? Ich verstehe, warum du das getan hast…aber das rechtfertigt keinen Mord.“ Sein Hals wurde trocken wie Papier, er konnte Lupin in Ermangelung passender Worte lediglich anstarren. Er musste etwas sagen, konnte das nicht so stehen lassen. Es war ungerecht. „Ich-“, krächzte er, wurde aber unterbrochen. „Wenn du dich rausreden willst, dann geh lieber. Ich habe gerade keine Kraft dafür.“ „Aber-“ „Snape, bitte…“ „Es tut mir leid, Herrgott!“, platzte es aus dem Slytherin heraus. Eigentlich musste er so leise wie möglich sein, doch er konnte sich nicht mehr zusammenreißen. Lupin ließ ihm ja nicht mal die Chance, sich zu erklären…oder zu entschuldigen. Eben dieser blickte ihn irritiert an, ehe er hörbar ausatmete. „Es…tut mir leid…ich wollte dich nicht…es war nicht richtig, aber…ich kann es nicht rückgängig machen. Es…ich wollte das nicht…“ Er presste die Lippen so fest zusammen, dass es wehtat, verkrampfte die Hände im Stoff seines Umhangs. Ihm war unheimlich elend zumute und Lupins plötzliche Ruhe half da nicht. Schon wieder fühlte er sich erbärmlich…als würde er zu Kreuze kriechen. Vergeblich, wie es bei Lily der Fall war. „Warum bist du überhaupt hier, Snape?“, fragte der Werwolf leise. „Du meidest mich, seitdem…“ Auch wenn er den Satz unvollendet ließ, wusste Severus sofort, wovon er sprach. Er konnte nur von diesem Vorfall sprechen und so direkt damit konfrontiert zu werden, überforderte ihn. „…was hast du denn erwartet?“, erwiderte er defensiv. „Das ist…widernatürlich…als ob ich…ich kann nichts dafür, dass…“ Lupins Ausdruck brachte ihn zum Verstummen, denn er begriff in diesem Moment, dass es ihm ernst war. Was Severus sagte, verletzte ihn – er sah es in seinen bernsteinfarbenen Augen. So, wie Lily ihn mit ihrer abweisenden Art verletzte. „Verstehe“, murmelte Lupin knapp. „Ich-“ „Ich denke, es ist wirklich besser, wenn du jetzt gehst.“ Das Gefühl der Hilflosigkeit machte sich erneut bemerkbar, lähmte ihn regelrecht. Lupin wollte ihn nicht mehr sehen und er musste das akzeptieren. Lupin wandte sich von ihm ab, so wie Lily sich von ihm abgewandt hatte. Wenige Sekunden stand er nur da, blickte den Werwolf an, ehe er herumfuhr und mit wehendem Umhang aus dem Krankenflügel verschwand. Kapitel 24: Sommerferien ------------------------ Die Sommerferien kamen schneller als gedacht, auch wenn Remus die Zeit im Krankenflügel so zäh wie Druhbels Bester Blaskaugummi vorgekommen war. Zwar waren seine drei Freunde mindestens einmal am Tag zu Besuch gekommen, doch diese hatten immerhin ihre eigenen Verpflichtungen. Zwischen Unterricht, Quidditch und Dates blieb eben nur begrenzte Freizeit, so dass es meistens Peter gewesen war, der bei ihm gesessen hatte. Soweit es in der Möglichkeit seines Freundes stand, hatte dieser ihm die Hausaufgaben gebracht und ihm erzählt, mit was sie sich befasst hatten. Da sich Remus kaum hatte bewegen können und immer noch unter ziemlichen Schmerzen litt, war es schwierig gewesen, sich zu konzentrieren. Seine einmal monatliche Verwandlung, bei der es ihn zusätzlich zerriss, hatte bei seiner Genesung nicht gerade geholfen. Und dann war da noch die Sache mit Snape, die ihn wie ein Geschwür quälte. Dass er mit niemandem darüber reden konnte, machte es bloß schlimmer. Seitdem ihn der Fluch erwischt hatte, ließen alle drei erst recht kein gutes Haar mehr an dem Slytherin. Sirius hatte sich zudem unheimlich darüber aufgeregt, dass Remus ihnen keine Rache an Snape erlaubte. Generell konnten es seine Freunde nicht nachvollziehen, dass er keine Wut darüber empfand, sondern das Thema einfach hinter sich lassen wollte. Sie ahnten ja auch nicht, dass zwischen Snape und ihm mehr als ein lebensgefährlicher Fluch stand. Obwohl Remus nie wirklich daran geglaubt hatte, dass sich der Slytherin auf ihn einlassen würde, war da immer dieser Funken Hoffnung gewesen. Die Hoffnung, dass seine Gefühle kein Grund wären, um die zerbrechliche Freundschaft, die sie in diesem Jahr aufgebaut hatten, in sich zusammenfallen zu lassen. Vielleicht war es naiv gewesen, zu glauben, dass Snape in der Lage war, ihm wenigstens auf eine neutrale Art und Weise mitzuteilen, dass es niemals solch eine Beziehung zwischen ihnen geben würde. Er hätte es verstanden, wenn Snape für eine Weile nicht mehr in seiner Nähe hätte sein wollen, bis sich alles beruhigt hatte. Wenn er ihm gesagt hätte, dass Lily die Einzige war, die er wollte, und er das akzeptieren musste. Wehgetan hätte es trotzdem, doch alles wäre angenehmer gewesen,als Snapes verletzende Worte. Krank…widernatürlich…als würde er sich so nicht bereits sein ganzes Leben lang fühlen. Dass er Hogwarts als Werwolf besuchen durfte und Freunde gefunden hatte, die ihn akzeptierten, wie er war, stellte das größte Geschenk dar, das man ihm hatte machen können. Damit verglichen wirkte Snape so unwichtig…warum konnte er es also nicht vergessen? Weil er sich in diese unrealistischen Idee verrannt hatte, dass aus ihnen ein Paar werden könnte? Es war das erste Mal, dass sich Remus getraut hatte, Gefühle dieser Art zuzulassen. Vielleicht, weil Snape ein Außenseiter war, jemand, der gewissermaßen sein Schicksal teilte – zumindest bevor er James, Sirius und Peter getroffen hatte. Es gab einige Gemeinsamkeiten mit Snape, trotzdem sie vom Charakter her unterschiedlicher nicht hätten sein können. Er hätte wissen müssen, dass es dennoch nicht funktionieren konnte. Weil Snape war, wie er war, und sich nicht ändern würde. Anstatt zu erkennen, wie schrecklich sein Fluch gewesen war, und Abstand von den dunklen Künsten zu nehmen, hatte er nichts daraus gelernt. Was er offensichtlich am meisten bedauerte, war, Sirius nicht erwischt zu haben. Remus glaubte ihm, dass es ihm leid tat, ihn getroffen zu haben…aber das reichte in dem Fall nicht aus, um ihm zu verzeihen. Andererseits hatte auch Sirius einst Snapes Tod in Kauf genommen, indem er ihn zur heulenden Hütte geschickt hatte. War das nicht im Endeffekt dasselbe? Vielleicht…und er hatte Sirius vergeben. Möglicherweise konnte er auch Snape verzeihen, falls seine Reue jemals aufrichtig sein würde. Bevor er nach Hause zurückgekehrt war, hatte es nicht danach ausgesehen… „Seht sie euch an, wie sie um ihn herumschwirren…“ Remus blickte von seinem Buch zu Sirius, der neben ihm im Gras lag, und dann in die Richtung, in die sein Freund schaute. Auch Peter, der bei ihnen saß, hob den Kopf, um die Slytherins besser beobachten zu können. Rabastan Lestrange stand in einiger Entfernung zu ihnen, umringt von seinem Gefolge, doch eigentlich war dies nichts Neues. „…als könnte man bei den Gerüchten stolz sein. Widerlich.“ „Gerüchte?“, fiepte Peter verwirrt, woraufhin Sirius die grauen Augen verdrehte. „Dein Ernst, Wurmschwanz? Die reden doch alle davon, dass Lestrange nach seinem Schulabschluss in diese schwarzmagische Sekte eintritt.“ Remus schwieg, auch wenn ihm bei diesem Thema ganz flau im Magen wurde. Die Erzählungen über einen dunklen Lord und seine Anhänger, den sogenannten Todesser, wurden immer präsenter. Einige hielten ihn für den neuen Gellert Grindelwald, andere vertraten die Meinung, dass man dem zu viel Gewicht beimaß. „Apropos widerlich…“, murmelte Sirius, dem die blanke Abscheu ins Gesicht geschrieben stand. Der Grund war nicht schwer zu erkennen und Remus presste die Lippen aufeinander, kaum dass er ihn entdeckte. Es war ihm nicht entgangen, dass sich Snape seit seinem Fluch häufiger in der Nähe der Slytherins aufhielt. Sie schienen ihm mit weniger Verachtung als zuvor zu begegnen, mieden ihn nicht mehr oder schickten ihn weg, wenn er zu ihnen stieß. Remus empfand nur Unverständnis dafür, schließlich waren das dieselben Leute, die ihn noch vor einer Weile abgefangen und misshandelt hatten. Und nun stand er bei ihnen und lauschte Lestranges arrogantem Gerede von einer neuen Ära? Unweigerlich fragte sich Remus, ob er sich so sehr in Snape getäuscht haben konnte. Und was war mit Lily? Er hatte immer den Eindruck gehabt, dass er bereute, sie als Freundin verloren zu haben. „Ich versteh nicht, warum du ihm das durchgehen lässt, Moony“, hörte er Sirius nicht zum ersten Mal sagen. „Sogar Krone ist der Meinung, dass er eine Lektion verdient. Du hättest sterben können!“ Remus ahnte, dass es seinem Freund nicht nur darum ging, Rache für das, was ihm widerfahren war, zu nehmen. Für Sirius war James‘ Wut die Gelegenheit, mal wieder gemeinsam als Rumtreiber in Aktion zu treten, denn seit er seine Freizeit öfters mit Lily verbrachte, fiel das flach. Remus wollte Sirius nicht unterstellen, dass es ihm gar nicht um ihn ging, doch zweifellos spielte der zweite Grund eine Rolle. Tief seufzte er, ließ sich gegen die Rinde des Baumes in seinem Rücken sinken, wobei er seinen Blick wieder auf die Seiten seines Buches heftete. „Lass gut sein, Tatze“, erwiderte er leise. „Ich möchte ehrlich gesagt einfach nicht mehr daran denken.“ Sirius schaute ihn lange an und auch, wenn er sich nach einer Weile frustriert brummend ins Gras zurückfallen ließ, wusste er, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Bald fingen die Sommerferien an und vielleicht konnte Remus der Abstand tatsächlich helfen, sich mit allem abzufinden. Es konnte nicht ewig wehtun, nicht wahr? Remus wurde aus seinen Gedanken gerissen, als es zweimal dumpf an seiner Zimmertür klopfte. Er stemmte sich von seinem Bett hoch, setzte sich auf, ehe er einen kurzen Blick zum Wecker auf dem Nachttisch warf. Oh…schon so spät… „Junge, deine Mutter hat das Abendessen fertig!“, hörte er seinen Vater von unten. „Komm runter, ja?“ „Ist gut, Dad! Bin gleich da!“ Noch während er dies sagte, fühlte er, wie sein Hals eng wurde. Warum auch immer er es vorher gut hatte verdrängen können, seitdem er wieder zuhause war, kamen die Schuldgefühle in ihm hoch. Was würde er seinen Eltern damit antun, wüssten sie, dass er sich in einen anderen Jungen verguckt hatte…immerhin hatten die beiden schon mit seiner Lykanthropie zu kämpfen. Würde er ihnen damit nicht noch mehr aufbürden? Zumal ihn Mädchen auch nicht abstießen. Es hatte durchaus die eine oder andere Hexe gegeben, die ihm gefallen hatte, nur war er meistens zu schüchtern gewesen, nach einer Verabredung zu fragen. Dennoch war das nicht mit seinen Gefühlen für Snape zu vergleichen, so verrückt es ihm selbst erschien. Was, wenn er sich noch mal zu einem Jungen derartig hingezogen fühlte? Sowas verschwand ja nicht plötzlich, oder? Vielleicht sollte er froh sein, dass Snape ihn abgewiesen hatte, denn das nahm ihm eine Menge Probleme, so feige es auch klang. Seine Freunde hätten das ohnehin niemals akzeptiert und vermutlich hätte er die Fehde mit dem Slytherin nur weiter angestachelt. Möglicherweise, und so bitter das auch war, hatte Snape ihm tatsächlich einen Gefallen getan. Remus atmete ganz tief durch, ehe er von seinem Bett aufstand, um sich nach unten zu begeben. Er brauchte Zeit für sich, um nachzudenken und sich zu erholen. Er würde Snape einige Wochen nicht sehen und Abstand bekommen, um seine Gedanken zu sortieren und sich damit abzufinden. Er wünschte nur, es wäre einfacher… Still blickte Severus aus dem Fenster seines Zimmers, das ganz oben im Dachgeschoss lag, abgeschnitten vom Rest des Hauses. Er hasste es ebenso sehr wie das restliche, ärmliche Industrieviertel, welches an einem schmutzigen Fluss lag. Trist und eintönig, jedes Haus glich dem anderen. Spinner’s End unterschied sich nicht von den übrigen Straßen in Cokeworth, ebenso wie die Menschen einander glichen. Unzufrieden und misstrauisch begegneten sie einander und Severus erinnerte sich daran, wie ungern er in seine frühere Muggelschule gegangen war. Dagegen erschien ihm die Begegnung mit Lily noch heute wie ein Lichtblick in der Finsternis. Nun, er hatte seinen Weg gewählt…daran würde er von jetzt an festhalten, anstatt sich mit all jenem aufzuhalten, das er sowieso nicht haben konnte. Lily hatte sich Potter zugewandt – vermutlich wäre es früher oder später auch ohne ihren Bruch passiert. Selbst wenn der Zeitpunkt kommen würde, an dem Potter sich als das miese Schwein entpuppen würde, das er war, würde sie nicht zu ihm zurückkehren. Nicht mal als seine beste Freundin. Lily hatte nie bemerkt, was er für sie fühlte, und er konnte es ihr nicht sagen. Zu groß war die Angst vor Zurückweisung. Wenn er aber jemand Mächtiges wäre, jemand mit einem gewissen Ruf…möglicherweise würde sie ihn dann endlich sehen? Und falls nicht, würde er zumindest die Anerkennung bekommen, die er verdiente. Er war talentiert, er war klug…er verdiente es, endlich etwas zu erreichen und nicht mehr der gehänselte, unbeliebte Schniefelus zu sein. Den ersten Schritt hatte er für dieses Ziel getan, auch wenn er nach wie vor bereute, Lupin getroffen zu haben. Lupin, der ihn die restliche Zeit in Hogwarts gemieden oder ignoriert hatte. Es verursachte immer noch Übelkeit in ihm, ein Gefühl von…Verlust, welchen er zu häufig in zu kurzer Zeit verspürt hatte. Es machte ihn verletzlich und wenn er etwas nicht gebrauchen konnte, dann Schwäche. Weder vor Lestrange noch vor seinem verhassten Muggelvater, der ihm nicht mal mehr in die Augen sehen konnte. Tobias Snape war nie ein warmherziger Vater gewesen, der viele nette Worte für seinen einzigen Sohn übrig hatte. Kritisieren konnte er weitaus besser als loben, aber gut, damit hatte er sich seit Jahren abgefunden. Er konnte nicht behaupten, dass die Anwesenheit seiner Mutter viel daran geändert hätte, doch sie hatte sich wenigstens nach seinen Fortschritten erkundigt. Tobias hatte aus seiner Verachtung für alles Magische nie einen Hehl gemacht, aber jetzt, wo seine Frau tot war, schien es nicht mal mehr dafür zu reichen, seine Abneigung zu verbergen. Sie teilten keinerlei Gemeinsamkeiten und allein der Gedanke, sein Vater könnte mit ihm über seine Mutter sprechen, etwas Klarheit bringen…undenkbar. Severus würde nie erfahren, was wirklich passiert war – und vielleicht war das gut so. Wie Geister lebten sie aneinander vorbei, sprachen bloß das Nötigste miteinander. Severus zählte die Stunden, die er hier noch ausharren musste, bis er zurück nach Hogwarts konnte. Ein Seufzen entwich ihm, während er vom Fenster zu seinem Bett ging und sich auf die schmuddelige Matratze fallen ließ. Mit mattem Blick starrte er an die mit Rissen gezeichnete Decke, sich unweigerlich fragend, was andere Schüler in ihren Ferien taten. Vermutlich ihre Freunde treffen... und abermals sehnte er sich nach Lilys Anwesenheit. Nach ihrem blumigen Duft und ihrem hellen Lachen…den leuchtend grünen Augen, in denen so viel Lebensfreude stand, dass sie sogar auf einen grimmigen Kerl wie ihn selbst abfärben konnte. Solange sie unter sich waren zumindest. Severus ließ die Arme zu beiden Seiten fallen, während er langsam die Lider senkte. Müdigkeit überfiel ihn allmählich, wobei er nicht einschätzen konnte, ob es Erschöpfung war. Von was sollte er erschöpft sein? Sicher, er lernte und forschte in seiner Zeit in Spinner’s End, ansonsten hatte er nichts zu tun. Diese Monotonie ermüdete ihn zweifellos…und vielleicht resultierte daraus die unsinnige Frage, was Lupin wohl gerade tat. Lupin, von dem er gar nicht so viel wusste, wie man hätte meinen können, wo sie doch das sechste Jahr so oft zusammen gelernt hatten. Sie hatten sich über so vieles unterhalten, doch über nicht viel Persönliches – Severus wusste, dass er selbst der Grund war. Er blockte im Vorfeld alle Themen ab, die ihm das Gefühl gaben, sich eine Blöße zu erlauben. Lupin war nach wie vor einer der Rumtreiber und damit eine potenzielle Gefahr. Wo wohnte Lupin eigentlich? Wie er war er ein Halbblut und wenn er sich recht erinnerte, hatte er seine Eltern einmal am Bahnhof King’s Cross gesehen. Obwohl Lupins Mutter wie Severus‘ Vater ein Muggel war, schien Magie nichts Beängstigendes für sie zu sein. Noch dazu mit einem Werwolf als Kind. Im Gegenteil, Lupins Eltern machten zwar den gleichen erschöpften Eindruck wie ihr Sohn…dass sie ihn liebten, stand bei ihrer innigen Verabschiedung jedoch außer Frage. Die Umarmungen im Hause Snape, wenn es denn welche gab, waren dagegen steif und kurzlebig. Eher eine unangenehme Pflicht, die es hinter sich zu bringen galt. Seitdem sich seine magischen Kräfte bemerkbar gemacht hatten, hing der Haussegen ohnehin schief. Als Lupin ihn auf dem Turm umarmt hatte, war das zuerst befremdlich gewesen. Es war anders als mit seinen Eltern oder Lily. Sein erster Impuls war es gewesen, den Werwolf wegzustoßen…warum hatte er es also nicht getan? Lupin war warm gewesen, die Berührung hatte etwas Tröstliches gehabt, was er in diesem Moment gebraucht hatte. Dringend gebraucht hatte. Wie viele Beleidigungen er ihm an den Kopf geworfen hatte und trotzdem…Lupin war geblieben. Wie ein Hund. Trotz all des Spotts und der Verachtung erwischte er sich ab und an dabei, wie er an den Kuss dachte. Zwei Jungs, die sich küssten. Moment, nein, Lupin hatte ihn geküsst – und natürlich war das falsch gewesen. Falsch und…gar nicht so eklig, wie man hätte meinen können. Nicht, dass er das Lupin gegenüber je zugeben würde. Dennoch war es schlicht und ergreifend falsch. Es durfte niemals wieder passieren und das würde es nach allem, was vorgefallen war, auch nicht. So gesehen hatte er ihnen beiden einen Gefallen getan. Ja, wenn er sich das immer wieder sagte, es auf diese Weise betrachtete, würde es irgendwann aufhören. Dieses vermaledeite Herzrasen... Das penetrant schrille Geräusch der Klingel ließ Severus so abrupt hochschrecken, dass er beinahe aus dem Bett gefallen wäre. War er etwa eingeschlafen? Anscheinend war er das, denn als er nach draußen sah, erkannte er, dass bereits die Abenddämmerung eingesetzt hatte. Er strich sich die Haare aus der Stirn, als er sich aufsetzte. Abermals ertönte die Klingel und Severus fragte sich unweigerlich, wer auf die beschränkte Idee kam, seinen Vater besuchen zu wollen. Die Nachbarn konnten es nicht sein, denn diese hielten sich nur noch konsequenter von ihnen fern, seit das mit seiner Mutter passiert war. Vermutlich waren sie das neue Lieblingsthema der Straße, in der ohnehin nie etwas Spannendes passierte. Ein bitterer Zug legte sich um Severus‘ Mundwinkel, während er sich erhob und seine zerknitterte Kleidung zu ordnen versuchte. Das graue Hemd war ihm wie die meisten seiner Sachen viel zu groß, die schwarze Hose ein Stück zu kurz, so dass man seine dürren Knöchel sehen konnte. Severus konnte es nicht erwarten, irgendwo eine Anstellung zu finden, um finanziell nicht mehr auf seinen Vater angewiesen zu sein. Wenn er in der Zaubererwelt genügend Geld verdiente, etwas aus sich machte…würde er sein armseliges Leben ändern. Er würde nicht so ein Versager wie Tobias Snape werden! Apropos…war sein Vater nicht da? Welchen Grund gab es sonst, dass es erneut schellte, dieses Mal zweimal hintereinander. Dennoch konnte er das Gepolter samt ein paar hässlichen Flüchen nicht vernehmen, woraufhin er hinunter in den Flur ging. Da sich ihrem Haus niemand aus der Umgebung freiwillig näherte und sie keine nennenswerten Verwandten hatten, vermutete er, dass ihnen jemand etwas verkaufen wollte. Irgendein Vertreter, dem er gleich gehörig die Meinung geigen würde, dass er seinen Firlefanz anderen Idioten andrehen konnte. An der Tür angekommen, riss er diese mit einem Ruck auf, die zornig blitzenden, schwarzen Augen verengt, während er Luft holte und…erstarrte. Wenn möglich wurde er noch blasser, konnte einfach nicht fassen, wer da an der Schwelle seiner Tür stand und ihm so hochmütig entgegen blickte. Es gab keinen Zweifel daran, dass er es war. Dieses lange, silberblonde Haar, die fein definierten Züge und der smaragdgrüne Mantel, der zweifellos zu viele Galleonen gekostet haben musste… Lucius Malfoy wirkte in dieser tristen, schmutzigen Muggel-Gegend genausoso fehl am Platz wie ein Knallrümpfiger Kröter am Lehrertisch von Hogwarts. Wie lange war es her, dass er ihn gesehen hatte? Schließlich hatte er schon vor einigen Jahren die Schule verlassen und zu dieser Zeit war Severus noch unbedeutender gewesen, als es jetzt der Fall war. Für einige Sekunden brachte er nicht mal eine Begrüßung zustande, da er diesen, in der Tat, hohen Besuch nicht deuten konnte. „Sei gegrüßt, Severus“, nahm Malfoy ihm dies ab. „Vermutlich überrascht es dich, mich hier zu sehen, in diesem…Ort.“ Severus blickte ihn stumm an, während er bloß ein Nicken von sich geben konnte. Nur Lucius Malfoy konnte die Bezeichnung Ort wie ein Schimpfwort klingen lassen. „Mir wurde zugetragen, dass verborgenes Talent in dir steckt…doch sicherlich möchtest du mich reinbitten in dein…bescheidenes Heim, damit wir uns in Ruhe unterhalten können.“ Das Letzte, das er wollte, war, Lucius Malfoy in das schäbige Haus seines Vaters einzuladen. Ihm entging der Blick nicht, mit dem er bedacht wurde, und es trieb ihm die Schamesröte in die bleichen Wangen, da er sich erneut seiner heruntergekommenen Kleidung gewahr wurde. „Ich…ja. Natürlich“, murmelte er dennoch und deutete hinein, woraufhin der Ältere an ihm vorbeistolzierte. Was wollte Lucius Malfoy von ihm? Severus war wohl bekannt, in welchen Kreisen sich der Blonde bewegte. Man sagte, er stünde diesem neuen Lord sehr nahe…dass er einer der Todesser war, die die Welt in Angst und Schrecken versetzten. Weil sie Macht und die damit einhergehende Veränderung fürchten, wisperte die kleine Stimme in seinem Kopf. Neben Scham und Nervosität fühlte er ebenso Aufregung. Was hatte Lucius gesagt? Er hatte von seinen Talenten gehört? Dass ihm ein Malfoy Interesse entgegenbringen sollte, erschien ihm absurd. Wenig später standen sie sich im Wohnzimmer gegenüber – Lucius hatte abgelehnt, als er ihm einen Platz auf der, zugegeben, schmuddeligen, mit curryfarbenem Stoff bezogenen Couch angeboten hatte. Getränke bot er gar nicht erst an, schließlich hatten sie bloß Wasser und irgendein billiges Bier. Hätte er wenigstens neuen Tee gekauft…aber nun denn, es ließ sich nicht ändern. Das hier war ein überraschender Besuch, auf den er sich nicht hatte vorbereiten können. „Was…kann ich für dich tun?“, fragte er mit krächzender Stimme. Direkt fühlte er sich noch erbärmlicher, als Lucius auf seine aalglatte Weise lächelte. Es wirkte täuschend freundlich, was auch an seinem attraktiven Gesicht liegen konnte, aber dahinter verbargen sich List und Tücke. „Das ist eine sehr gute Frage, Severus“, erwiderte Lucius anerkennend. „Auch wenn ich sie ein wenig umformulieren würde; was kannst du für dich tun?“ Irritiert blinzelte Severus, wusste damit nicht direkt etwas anzufangen. Dabei war er sonst nicht so begriffsstutzig, allerdings kam solcher Besuch nicht alle Tage vor. Natürlich erhoffte er sich etwas Bestimmtes von dem Älteren, wagte jedoch nicht, sich zu viele Hoffnungen zu machen. Meistens wurde er ohnehin enttäuscht. „Für…mich?“, wiederholte er überfordert und Lucius seufzte hörbar. „Dafür, dass du ein so brillanter Kopf sein sollst, bist du bemerkenswert langsam. Ich nehme an, das ist der Nervosität geschuldet. Keine Sorge also, ich sehe es dir nach.“ Severus spürte, wie seine Wangen brannten, doch seine normalerweise spitze Zunge verweigerte ihm den Dienst. Nicht nur aufgrund seiner innerlichen Aufregung, sondern auch, weil er es sich mit diesem Besuch und seiner Bedeutung nicht verscherzen wollte. So sehr ihn Lucius‘ Arroganz auch anwiderte, er musste es herunterschlucken. Jedes giftige Wort. „Nun denn, es liegt nicht in meiner Absicht, dich hinzuhalten, also komme ich direkt zur Sache. Rabastan Lestrange unterrichtete mich über dein herausragendes Talent in Zaubertränke und darüber hinaus erwähnte er einen dunklen Zauber, den du selbst entwickelt hast. Entspricht dies der Wahrheit?“ Diesmal kam die Antwort schneller, vielleicht lag es daran, dass er sich durch das Lob in seiner Annahme bestärkt fühlte, weswegen Lucius hier war. „Ja. Ja, das war…mein Fluch.“ „Interessant…vor allem, dass du den Mut besessen hast, ihn in der Schule gegen einen Gryffindor einzusetzen. Nicht besonders klug, aber dennoch…mutig.“ Lucius lächelte gediegen, doch sein scharfer Blick behielt ihn genauestens im Auge, so als suchte er nach einem Zeichen für Lüge in seinem Gesicht. Diesbezüglich musste sich Severus keine Sorgen machen, niemand wusste, wie er zu Lupin stand. Dass er bedauerte, den Fluch eingesetzt zu haben…und den Werwolf getroffen zu haben. „Dass Dumbledore dich nicht der Schule verwiesen hat, wundert mich, aber nun ja, er war immer ein nachsichtiger Narr, nicht wahr?“ „Scheint so.“ Es fiel ihm nicht schwer, dem zuzustimmen, denn nach wie vor hielt sich seine Sympathie gegenüber dem Schulleiter in Grenzen. Ja, er hatte ihn nicht von der Schule geworfen, aber die Schikanen der letzten Jahre hatte er ebenso wenig unterbunden. Weil die Gryffindors immer seine Lieblinge gewesen waren und es immer sein würden. „Wie auch immer“, kam Lucius auf den Kurs zurück. „Deine Talente sind in unserer Mitte in aller Munde und natürlich weiß auch er davon. Er hat großes Interesse daran, dich kennenzulernen, Severus. Ich muss dir nicht sagen, welche Ehre dies zweifellos für jemanden wie dich darstellt.“ Innerlich wurde Severus heiß und kalt, sein Herz schien vor unterdrückter Aufregung zu zerspringen. Er wusste genau, von wem Lucius sprach…und trotzdem ihn eine leise Stimme warnte, dass es gefährlich war, dem auch nur zuzuhören…es faszinierte ihn. Dass jemand wie dieser mächtige, dunkle Lord Interesse an ihm bekundete, erschien ihm wie ein verzweifelter Traum. „Mir sind die schrecklichen Gerüchte bekannt, die sich um den dunklen Lord ranken“, fuhr Lucius unbeirrt fort. „Doch sei dir gewiss, er verfolgt durchaus edle Ziele, die Zauberer und Hexen an die Spitze bringen werden…gewisse Opfer zu bringen, ist auf diesem Wege selbstverständlich unvermeidlich.“ Der bittere Beigeschmack, der an diesen Worten haftete, reichte überraschenderweise nicht aus, um ihn abzustoßen. Bedenken waren da, doch sie konnten das entfachte Feuer nicht löschen. Lucius schien das Funkeln in seinen schwarzen Augen deuten zu können, denn sein Lächeln wurde eine Spur zufriedener. „Ich verstehe natürlich, dass du zuerst deinen Abschluss machen möchtest…etwas nachdenken musst – und das ist in Ordnung. Auch der dunkle Lord hat Verständnis dafür, wenngleich es ratsam wäre, seine Geduld nicht überzustrapazieren. Das sollte niemand tun.“ Severus nickte mechanisch, innerlich erleichtert, dass er nicht sofort aufbrechen sollte, um sich diesem Lord anzuschließen. So sehr ihn diese unerwartete Wendung seiner Optionen für die Zukunft betreffend auch freute…es gab doch immer ein aber. Er wollte die Möglichkeiten überdenken, bevor er sich entschied…und vor allem warten, bis dieses Hochgefühl verschwand. Wenn es denn verschwand, denn bislang hatte ihm niemand dieses Gefühl gegeben. Nun, Lily und Lupin vielleicht, aber das konnte man nicht vergleichen. „Ich…habe verstanden“, erwiderte er steif. „Ich werde darüber nachdenken und…natürlich bin ich mir der Ehre bewusst. Richte…richte dem dunklen Lord meinen Dank aus.“ Lucius verengte die grauen Augen, während seine Mundwinkel merklich zuckten, doch er nickte bloß. „Das werde ich, Severus“, versprach er ihm. „Doch ich zweifle nicht daran, wie deine Entscheidung ausfallen wird.“ Provokant abwertend ließ er den Blick durch das Zimmer schweifen, ehe er wieder ihn ansah. „Ich höre von dir.“ Im nächsten Moment verschwand er mit einem leisen „Plop“, ließ Severus allein in seiner persönlichen Hölle zurück. Es wunderte ihn nicht im Geringsten, dass sich Lucius so sicher war, was seine Entscheidung anbelangte. Man musste sich hier ja nur einmal umsehen…nein, dieses Leben war kein Grund, sich dem dunklen Lord zu verweigern. Gewisse Opfer, ertönte die misstrauische Stimme erneut in seinem Kopf und ja, das war einer der Gründe, die ihn in seiner Begeisterung drosselten. Es war kein Geheimnis, dass Muggel und Muggelstämmige…Schlammblüter…keinen Platz in den Reihen der Todesser fanden. Sein Magen drehte sich bei dieser Beleidigung um und sofort kamen ihm Lilys grüne Augen in den Sinn. Würde er diesen Weg wählen, würde er sie für immer verlieren. Unweigerlich fragte er sich, was mit Lupin sein würde, wenn er selbst als Halbblut in den Kreis des dunklen Lords aufgenommen werden konnte? Severus hielt in seinen Gedanken inne, als die Haustür ruppig aufgerissen wurde und Tobias Snape wenig später vom Flur ins Wohnzimmer polterte. So, wie er torkelte, schien er getrunken zu haben. Mal wieder. Öfter, seit dem Tod von Severus‘ Mutter. „Was stehs’n da rum…geh mir aus’n Augen…“, hörte er ihn brummen und fühlte grenzenlose Verachtung. Wortlos ging er an seinem Vater vorbei, zurück nach oben in sein Zimmer, in dem er sich nicht weniger gefangen fühlte. In diesem Haus, in diesem Viertel…er verabscheute alles davon…und es wäre so einfach, dem für immer zu entkommen. Plötzlich erschien es ihm so unglaublich einfach. Unglaublich…verlockend. Kapitel 25: Scheideweg ---------------------- „Ich kann es gar nicht glauben, dass wir wirklich das letzte Mal so zusammensitzen…das macht mich richtig traurig.“ James, der bis jetzt damit beschäftigt war, seine Haare möglichst zerzaust aussehen zu lassen, indem er mit den Fingern darin wühlte, blickte zu Peter. „Jetzt lass mal nicht den Kopf hängen, Wurmschwanz“, meinte er und konzentrierte sich dann wieder auf sein Aussehen. „Wir werden uns ja trotzdem noch sehen.“ „Ja, aber es ist nicht dasselbe…“, murmelte der Kleinste von ihnen niedergeschlagen. „Da hat er gar nicht so Unrecht“, brummte Sirius, der neben James in ihrem Abteil saß. „Keine Streiche mehr, keine nächtlichen Ausflüge…ernsthaft, Leute, wir müssen dieses Jahr unvergessen machen! Und – Krone, jetzt lass endlich gut sein! Sonst fallen dir die Haare noch aus und du siehst aus wie ein Troll!“ Ein Ellenbogen traf ihn daraufhin in die Rippen, doch immerhin hörte James tatsächlich auf, ließ sich mit verschränkten Armen zurückfallen. Anscheinend hatte Mrs Potter mal wieder versucht, ihrem Sohn eine Frisur zu verpassen, denn James‘ Haare wirkten ungewohnt geschmeidig. Vermutlich hatte sie dieses Haarmittel, Sleekeazy’s Hair Potion, das die Potters selbst entwickelt hatten, benutzt, um ihn am ersten Tag ordentlich aussehen zu lassen – sehr zu James‘ Missfallen. „Sagt derjenige, der heute Morgen von meiner Mom aus dem Bad gescheucht werden musste…“, brummte dieser, während sich Sirius die schmerzende Seite rieb. „Der Spruch war lahm, Krone.“ „Immerhin stimmt er. Selbst ohne Haare bin ich viel zu gutaussehend für deinen Troll-Vergleich.“ „Unter so viel Bescheidenheit möchte ich mich erbrechen…“ „Mit dem Neid des Pöbels lernt man mit der Zeit umzugehen“, kam es von James und er nickte Sirius wohlwollend zu. Ein Schmunzeln zuckte um Remus‘ Lippen, während er die beiden bei ihren Neckereien beobachtete. Er wusste, dass Sirius mittlerweile bei den Potters eingezogen war, und da die beiden ohnehin unzertrennlich waren, stellte das kein Problem dar. Sirius‘ Laune schien sich in den Sommerferien verbessert zu haben, was vermutlich damit zusammenhing, dass er diese Zeit mit Menschen, denen er etwas bedeutete, verbracht hatte. Für die Potters war er schließlich wie ein zweiter Sohn und so behandelten sie ihn auch. Möglicherweise hing es auch damit zusammen, dass er James nicht ständig mit Lily teilen musste. Soweit Remus wusste, hatten sie sich in den Sommerferien lediglich geschrieben, sich aber nicht getroffen. Nicht unüblich, da sich die Schüler fast das ganze Jahr sahen und die Familie außen vor blieb. Ihm selbst hatte es auch gut getan, seine Eltern zu sehen, mit ihnen zu sprechen…trotz aller Schuldgefühle, die ihn plagten. Mittlerweile konnte er das einigermaßen ausblenden…im Gegensatz zu der Sache mit Snape, die ihn nach wie vor belastete. Darüber zu sprechen, hätte ihm vielleicht geholfen, aber mit wem konnte er das schon? Mit seinen Freunden ebenso wenig wie mit seinen Eltern und Lily konnte er auch schlecht ins Vertrauen ziehen. Undenkbar, nein, damit musste er selbst fertig werden. Innerlich seufzte er schwer, sah auf den verpackten Schokofrosch in seinen Händen, knibbelte jedoch nur an der Pappe. „Moony guckt auch so traurig aus der Wäsche, Krone! Wir müssen auf jeden Fall noch was reißen, damit uns die Schule nicht vergisst!“ Ein müdes Lächeln zuckte um Remus‘ Lippen, doch er schwieg dazu. Ein letzter Streich, huh? Ja, vermutlich hatte Sirius ausnahmsweise mal Recht, denn schließlich waren sie die Rumtreiber. Auch James schien dem nicht abgeneigt und Peter wurde direkt ganz aufgeregt, womit es wohl feststand, dass sie sich für dieses letzte Jahr etwas überlegen würden. Etwas, das ihre Hauspunkte nicht gefährden würde, denn sonst würde darüber wohl kein Gryffindor lachen können. Remus hielt inne, als in diesem Moment eine schwarze Gestalt an ihrem Abteil vorbeihuschen wollte, dann jedoch reflexartig innehielt. Sein Herz schien für wenige Sekunden auszusetzen, während er den Blick erwiderte, allerdings zu keiner Reaktion fähig war. Es tat immer noch weh, Snape zu sehen und an die Worte erinnert zu werden, die er ihm entgegen geschleudert hatte. Remus wusste nicht, ob es ihm ein Trost sein sollte, aber der Slytherin sah nicht gut aus. Seine Wangen wirkten noch eingefallener als sonst, die Haut so blass wie eh und je…vielleicht bildete er es sich auch ein, weil er wollte, dass es dem anderen genauso schlecht ging wie ihm. Der Ausdruck in den schwarzen Augen war schwer zu deuten, doch Abscheu lag nicht darin, trotzdem er mit den anderen hier saß. Eigentlich…wirkte Snape genauso überfordert, wie er sich fühlte…und doch konnte keiner wegsehen. „Schniefelus…“, hörte er Sirius plötzlich zischen und das war der Moment, in dem sich Snape abwandte und verschwand. Auch James‘ Miene verfinsterte sich, Peter japste auf…und er selbst zuckte bloß die Schultern. Seine Meinung hatte sich in den Sommerferien nicht geändert; er wollte keine Rache. „Denkt ihr…er…er hat es auf uns abgesehen?“, fragte Peter ängstlich. „Er hat uns bestimmt nicht grundlos so angeglotzt“, grollte Sirius voller Abscheu. „Vielleicht ist das seine Art, in Erinnerung zu bleiben…indem er einen von uns mit seinen dunklen Künsten umbringt.“ Remus krallte seine Hände in seine Oberschenkel, blickte verbissen vor sich hin. Was Sirius von sich gab, war nachvollziehbar, angesichts dessen, was passiert war. Andererseits war das, was er Snape an den Kopf geworfen hatte, ebenfalls abscheulich gewesen. James blieb ungewohnt still, schien darüber nachzudenken. „Ich versteh nicht, warum der überhaupt noch auf der Schule ist. Eigentlich hätten die den rauswerfen müssen…oder in Askaban einkerkern sollen“, fuhr Sirius fort. Remus presste die Lippen zusammen, blickte starr auf seine Hände und bemühte sich, die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, herunterzuschlucken. Er hatte oft genug versucht, sich für Snape einzusetzen, hatte ihm Chancen eingeräumt…wozu sollte er das noch tun? Der Slytherin würde es ihm nicht danken und er selbst sich wieder zum Idioten machen. Er würde bloß wieder Streit mit seinen Freunden anfangen und darunter leiden, während Snape ihn zum Teufel jagte. Er war erschöpft. Zu erschöpft, um Sirius zu sagen, dass auch er beinahe einen Mord begangen hatte, indem er seinen Todfeind damals zur heulenden Hütte geschickt hatte. Zu erschöpft, um ihm zu sagen, dass er mit seinen verletzenden Worten Snapes kürzlich verstorbene Mutter in den Dreck gezogen hatte. Jeder wäre ausgeflippt, auch wenn sich nicht jeder schwarzer Magie bedient hätte…und je mehr Remus darüber nachdachte, umso mehr Mitleid empfand er für Snape. Vielleicht hatte er sich geirrt und man konnte nicht aus seiner Haut, sich einfach so ändern, obwohl man es sich wünschte. Snape hatte Recht, er war wie ein Hund, der sich treten ließ und dennoch immer wiederkam. Deprimierend. „Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen“, meinte James schließlich ernst. „Dumbledore wird seine Gründe haben, auch wenn sie keiner von uns nachvollziehen kann. Ich meine, ich bin auch wütend darüber, was er Moony angetan hat…aber wir können ihn nur im Auge behalten. Vorsichtig sein. Das ist es, was du möchtest, oder? Moony?“ Remus blickte auf, direkt in die Gesichter seiner Freunde, und er wusste, wonach James ihn fragte. Würde er sagen, dass er Rache wollte, würde keiner seiner Freunde zögern. Sie würden alles für ihn tun, begriff er, und es erzeugte eine beruhigende Wärme in seinem Inneren. Er nickte, zwang sich zu einem schiefen Lächeln. „Ja. Das ist…was ich möchte.“ Und damit musste sich auch Sirius zähneknirschend zufriedengeben. Nach diesem düsteren Thema begannen sie wieder miteinander herumzualbern, auch wenn Remus sich nur mäßig beteiligte. Dass ihn das unvermeidbare Wiedersehen mit Snape nicht kalt lassen würde, war ihm von vornherein klar gewesen…die Heftigkeit, mit der ihn seine Gefühle überschwemmten, warf ihn jedoch völlig aus der Bahn. Wie es nun wohl weitergehen würde? Vermutlich würde Snape ihn ignorieren oder sogar meiden, denn schließlich hatte Remus ihn ja selbst aus dem Krankenzimmer geworfen. Andererseits hatte er nicht gesagt, dass es ausgeschlossen war, dass er ihm verzieh und – Schluss damit! Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt, denn er erkannte sehr wohl, dass er schon wieder kurz davor war, bei Snape den ersten Schritt zu machen. Wofür? Um wieder als krank und abnormal bezeichnet zu werden? Er musste wirklich damit aufhören. „Oh, hey! Hey, da ist Evans! Bin gleich wieder da!“ Remus war regelrecht dankbar dafür, dass James aufsprang, als hätte ihn etwas gestochen. Er musste gegen seinen Willen schmunzeln, während er beobachtete, wie ihr Freund aus dem Abteil hastete, um mit Lily zu sprechen. Diese war ohnehin vor ihnen stehen geblieben, hatte sie wohl grüßen wollen, doch James nahm direkt ihre volle Aufmerksamkeit ein. Der Unterschied zum letzten Jahr war nicht zu übersehen, auch wenn sie nicht genau hören konnten, was die beiden sagten. Anstatt sein machohaftes Gehabe an den Tag zu legen, lächelte James die Rothaarige mal mehr, mal weniger nervös an, während er immer noch in seinen Haaren wühlte. Lily wirkte von seinem Verhalten recht belustigt, der gegenüber James oftmals harte Ausdruck in ihren grünen Augen weicher. Es hatte sich einiges zwischen ihnen verändert und Remus wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die beiden ein Paar sein würden. Er versuchte den unangenehmen Funken Neid zu unterdrücken und sich stattdessen lieber für die zwei zu freuen. Eigentlich tat er das ja auch. Er gönnte es ihnen…nur wünschte er sich dasselbe. „Oh Mann…sie hat ihn total um ihren kleinen Finger gewickelt“, hörte er Sirius brummen, doch es klang amüsiert. „Ihr hättet ihn mal in den Sommerferien erleben sollen. Hey Tatze, denkst du, Evans steht auf Blumen? Oder Schokolade? Oder Schmuck…ach ne, nein, das ist viel zu banal! Fast ein bisschen eklig, wie verschossen er ist.“ Remus unterdrückte ein Lachen, sah seinen Freund dann tadelnd an. „Freu dich doch für ihn, dass sie ihm endlich eine Chance gibt.“ „Das tu ich ja auch – aber wie ein Idiot benimmt er sich trotzdem. Als sein bester Freund ist es meine heilige Pflicht, ihm das jeden Tag unter die Nase zu reiben!“, scherzte Sirius. „Sehr gütig von dir“, erwiderte Remus lächelnd und der andere zwinkerte. „Sie sind wirklich ein schönes Paar“, murmelte Peter verträumt, woraufhin Sirius grinste. „Neidisch, Wurmschwanz?“, fragte er spöttisch, woraufhin der Kleinste von ihnen knallrot anlief. „Ich…nein, ich…ich meine…“, stammelte er, doch Sirius unterbrach ihn. „Wer weiß, wenn du und Moony nett zu mir seid, mach ich euch vielleicht ne Hexe klar? Wie wär‘s?“ Remus hoffte, dass er nicht genauso rot wurde, wie es bei Peter der Fall war. Er erinnerte sich noch gut daran, als er im vierten Jahr einem Mädchrn aus Hufflepuff zu lange nachgesehen hatte. James und Sirius waren nicht müde geworden, ihn dazu zu drängen, er solle sie nach einem Date fragen. Irgendwann hatte Sirius angeboten, er könnte das für ihn in die richtigen Wege leiten…und Remus hatte sich gewünscht, die Erde möge ihn verschlucken. Dieses Thema war eben nicht so einfach für ihn, schließlich konnte er die Sache mit seiner Krankheit ja nicht einfach totschweigen. Bei Snape hatte sich immerhin dieses Problem bereits erledigt. Wobei ihm plötzlich auffiel, dass der Slytherin gar nicht darauf zu sprechen gekommen war. Bei allen verletzenden Dingen, die er ihm an den Kopf geworfen hatte, hatte er nicht wegen einer Ansteckung gefragt. Vielleicht wusste er, dass man nicht durch einen Kuss zum Werwolf wurde…oder die Tatsache, dass er von einem Jungen geküsst worden war, war schlichtweg schockierender. „Moony?“ „Eh, was? Ich…ich meine, nein, schon gut. Ich komme schon zurecht. Danke.“ „Spielverderber!“, brummte Sirius und fasste den immer noch erstarrten Peter ins Auge. „Dann kriegt Wurmschwanz eben meine Hilfe! Kann ja nicht schaden, was?“ „Ich…ich weiß nicht…“ „Vertrau mir einfach!“ Remus lächelte schief, während Peter noch immer stammelnd abzulehnen versuchte. Nun ja, es war schwer, Sirius von solchen Ideen abzubringen, wenn er sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Peter hatte sein Mitgefühl. Die restliche Reise verlief recht ruhig, was ihn schon ein bisschen wunderte, wenn er so an die Jahre zuvor dachte. Aber gut, James unterhielt sich eine ganze Weile mit Lily und Snape bekam keiner von ihnen bis zur Ankunft zu Gesicht. Das Streitpotenzial war daher niedrig genug, um jegliche Eskapaden zu vermeiden. Wenn Remus so darüber nachdachte, war es im Zug oftmals eskaliert, weil Snape und Lily gemeinsam in einem Abteil gesessen hatten. Die Freundschaft der beiden hatte James‘ Eifersucht jedes Mal von neuem angestachelt, was ein Aneinandergeraten unausweichlich gemacht hatte. Tatsächlich schafften sie es ohne große Vorkommnisse in die Große Halle, wo die Lehrer sie bereits erwarteten. Ihm fiel auf, dass die Stimmung ein bisschen gedrückter wirkte, als es in den vorigen Jahren der Fall gewesen war. McGonagall, die sich mit Slughorn unterhielt, machte einen noch grimmigeren Eindruck als sonst, während Slytherins Hauslehrer nervös seinen Walross-Schnurrbart zwirbelte. Unweigerlich musste Remus wieder an die Gerüchte über diesen Dunklen Lord denken, von dem immer mehr Leute sprachen. Ob sie sich darüber unterhielten? Sein Blick schweifte zu Dumbledore, der allerdings nicht erkennen ließ, ob er dieselben Sorgen teilte. Zwar lächelte der Schulleiter, was vor allem die aufgeregten Erstklässler beruhigte, doch die Augen hinter der halbmondförmigen Brille erreichte dieses nicht wirklich. Nun, bei seiner Rede würden sie eventuell mehr erfahren… Während sie sich einen Platz an den Tischen sicherten und ihre Mitschüler begrüßten, wurde der Sprechende Hut geholt, der wie jedes Jahr sein selbst gedichtetes Lied sang. Unweigerlich fragte sich Remus, ob das Lied in den vorigen Jahren auch schon so düster gewesen war. Ratschläge waren immer darin versteckt gewesen, manchmal mehr, manchmal weniger subtil, doch heute steckte eine regelrechte Warnung dahinter. Der Sprechende Hut sang von dunklen Zeiten, von Entscheidungen und Zielen...davon, dass jeder seinen eigenen Weg wählen musste, ihn aber besser nicht bereuen sollte. Keiner wagte es, zu tuscheln, sie alle hörten bedächtig zu, bis das Lied verklungen war…und Remus wusste, dass er nicht der Einzige war, der unweigerlich an diesen Dunklen Lord denken musste. Sollten die Gerüchte etwa doch nicht überzogen sein, wenn sogar der sprechende Hut dies als Zeichen nahm, Alarm zu schlagen? Der Sprechende Hut war nicht parteiisch, verunglimpfte nichts, aber er regte einen zum Nachdenken an. Egal, in welcher Hinsicht…und vielleicht war genau das der Sinn darin. Irgendwann musste jeder Entscheidungen treffen, die das Leben grundlegend verändern konnten. Wie bitter, dass er selbst keine Ahnung hatte, was er mit sich in naher Zukunft anfangen sollte… Es war wohl das erste Mal, dass Remus die Einteilung in die vier Häuser kaum wahrnahm. Normalerweise lauschte er James und Sirius, wie sie flüsternd rieten, wohin die aufgerufenen Erstklässler verteilt wurden, doch diesmal konnte er sich nicht dafür begeistern. Vielleicht lag es an der seltsamen Stimmung, dem Gedicht des Hutes, seinen Selbstzweifeln…oder daran, dass er von seinem Platz einen guten Blick auf Snape hatte, der ebenfalls recht in sich gekehrt wirkte. Eine steile Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet, während er die Tischplatte anstarrte. Schon im Zug war es ihm aufgefallen…Snape schien es nicht besonders gut zu gehen. Lag das daran, dass er die Sommerferien bei seinem Vater hatte verbringen müssen? Obwohl er es sich jedes Mal vornahm, konnte er nicht aufhören, darüber nachzudenken. Über die Sache mit seiner Mutter…den Unfall. Dabei war er nicht mal in irgendeiner Weise betroffen – wie musste es da erst Snape gehen? Trotzdem er so wenig über dessen Beziehung zu seinen Eltern wusste, konnte er sich nicht vorstellen, dass seine Zeit daheim angenehm gewesen sein konnte. Bestimmt nicht…und Snape hatte im Gegensatz zu ihm keine Freunde. Er hatte Lily verloren…und ihn…es war wirklich zum Verrücktwerden! Warum war Snape nur so furchtbar stur? Warum trieb er jeden, dem er etwas bedeutete, von sich weg? Just in diesem Moment hob der Slytherin plötzlich den Kopf und ihre Blicke trafen aufeinander. Remus spürte, wie ihm die Röte in die Wangen schoss, weil er sich unweigerlich ertappt fühlte. Dennoch sah er nicht weg, auch wenn er sich um einen neutralen Ausdruck bemühte. Die Art, wie Snape ihn anschaute, konnte er nicht deuten, was merkwürdig war, denn er hatte entweder Verachtung oder Zorn erwartet. Allerdings drückte Snapes Miene eher Erschöpfung aus und er wandte sich auch nach kurzem ab, sah ohne echtes Interesse nach vorn zu den Lehrern, wo sich Dumbledore für seine Rede erhob. Remus versuchte, sein Herzrasen zu unterdrücken und sich auf den Schulleiter zu konzentrieren, der sich vernehmlich räusperte. „Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts! Bevor wir mit unserem Bankett beginnen, möchte ich ein paar Worte sagen.“ Die älteren Schüler erwarteten nun wohl eine lockere, teilweise belustigende Rede, so wie in den letzten Jahren. Ein paar Warnungen und am Ende eine kleine Weisheit, ehe das Essen beginnen konnte. Allerdings wirkte Dumbledore immer noch ungewohnt ernst und als seine hellblauen Augen durch den Raum wanderten, jeden von ihnen zu durchleuchten schienen, schluckte Remus unweigerlich. „Einige von euch werden in diesem Jahr ihre Prüfungen ablegen und verbringen damit das letzte Mal ihre Zeit in Hogwarts als Schülerinnen und Schüler“, fuhr der Schulleiter fort. „Danach muss jeder von euch seinen Platz in unserer magischen Gesellschaft finden. Ich nehme an, dass einige von euch bereits wissen, was sie nach ihrem Abschluss machen möchten. Andere werden möglicherweise ebenso unsicher sein, wie der ein oder andere Erstklässler bei seiner Zuteilung in das jeweilige Haus. Das ist ganz natürlich beim Prozess des Erwachsenwerdens und ein jeder muss selbst entscheiden, welchen Weg er letztendlich gehen möchte. Manchmal ist es ratsam, genauer darüber nachzudenken, sollte man sich an einer Gabelung befinden…nur ihr selbst könnt entscheiden, welcher Weg der richtige für euch ist.“ Er machte eine kurze Pause, ließ seine Rede damit für einige Sekunden wirken, ehe er weitersprach. „An diesem Punkt möchte ich euch den Ratschlag eines alten Mannes zuteilwerden lassen: Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.“ Abermals schien Dumbledores Blick jeden von ihnen zu streifen, dann legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Es wirkte wärmer als zuvor, doch zumindest Remus drehte sich der Magen um – und anscheinend war er nicht der Einzige, wenn er in die Gesichter der anderen Schüler sah. Selbst James und Sirius, die sich eigentlich über alles lustig machen konnten, waren still, tauschten jedoch skeptische Blicke miteinander. „Und nun möchte ich, dass wir uns dem herrlichen Essen widmen, das für uns vorbereitet wurde.“ Wie auf ein stilles Kommando füllten sich die zuvor noch leeren Tische vor ihnen mit den herrlichsten Speisen und Getränkenund es wurde laut in der Großen Halle, wenn auch nicht so sehr wie in den letzten Jahren. Dumbledores Rede hatte zweifellos ihre Spuren hinterlassen…und als er in Snapes Richtung linste, bemerkte er, dass dieser starr auf seinen leeren Teller sah, ohne Anstalten zu machen, diesen füllen zu wollen. Remus wandte sich ab, bevor sich ihre Blicke erneut treffen konnten; der Appetit war ihm vergangen. Anscheinend ebenso wie Snape. Kapitel 26: Alltag ------------------ Es war beinahe unheimlich, wie schnell der Alltag in Hogwarts einkehrte, trotzdem die unheilverkündenden Worte des Sprechenden Huts immer noch in der Luft lagen. Remus bezweifelte, dass sie ernsthaft jemand vergessen konnte, woran die beunruhigenden Neuigkeiten des Tagespropheten sicherlich nicht unschuldig waren. Er selbst überflog die Artikel meistens nur, hörte mit halbem Ohr zu, denn die Details würden nichts an der Situation ändern. Das Ministerium würde ausgebildete Auroren entsenden, wenn dazu Anlass bestand, während sie sich darum kümmern mussten, die Prüfungen am Ende des Jahres zu bestehen. Für Remus würde es selbst mit guten Noten schwierig werden, als Werwolf eine Anstellung zu finden – zumindest in der magischen Welt. Die Frage war, ob es besser für ihn laufen würde, wenn er unter Muggeln beispielsweise in einer Bücherei arbeitete und sich einmal im Monat wegsperren ließ. Doch wen sollte er überhaupt darum bitten? Seine Eltern hatten schon genügend seinetwegen durchgemacht, als dass er ihnen sein Schicksal noch länger aufbürden wollte. Seine Freunde würden bald ihr eigenes Leben haben, irgendwann eine Familie gründen, während es für ihn kaum vorstellbar war. Er würde sich darüber eingehendere Gedanken machen und dann zu einem Entschluss kommen müssen, der möglichst niemanden belastete. „Hallo Remus!“ Er blickte auf, als jemand seinen Namen rief, und erkannte Lilys roten Haarschopf, der selbst hier unten in den Kerkern leuchtete. Ihre grünen Augen strahlten wie eh und je, trotzdem das neue und letzte Jahr unter keinem guten Stern zu stehen schien. Er ahnte, dass es nicht daran lag, dass Lily die Gerüchte egal waren, sondern vielmehr daran, dass sie sich innerlich eingestanden hatte, dass sie in James verliebt war. Man konnte nicht übersehen, dass sie glücklich war, und Remus freute sich ebenso für sie, wie er sie beneidete. „Warst du noch in der Bibliothek?“ Dort hielt er sich meistens auf…und zu seinem Leidwesen tat es auch Snape. Die Zeiten, in denen sie gemeinsam dort gesessen und gegenseitig ihre Aufsätze korrigiert hatten, schienen unglaublich lang her zu sein. Wenn sie einander nun sahen, wichen sie sich aus oder einer von ihnen verließ den Raum, um der unangenehmen Stimmung zu entgehen. Er zwang sich jedoch bloß zu einem müden Lächeln, wollte nicht, dass Lily etwas bemerkte. „Ja…schätze, mit dem Lernen kann man nicht früh genug anfangen, oder?“ „Da hast du Recht“, stimmte sie ihm ebenfalls lächelnd zu, während sie neben ihm ging. „Ich lerne seit den Sommerferien…“ Das glaubte er ihr sofort, denn Sirius hatte nicht nur ihn oftmals einen Streber genannt. Lily war zweifellos sehr intelligent, aber eben auch fleißig…sie bemühten sich beide für das Ergebnis, während James und Sirius hauptsächlich Talent hatten. Das Meiste schien ihnen leicht zu fallen, sodass sie sich gerade mal halb so viel anstrengen mussten, wie er es tat. „Ich wollte auch anfangen, aber viel habe ich leider nicht geschafft…“, gestand er und verschwieg dabei die Gründe. Es war schwierig, sich auf den Stoff zu konzentrieren, wenn man ganz andere Sorgen hatte. Lily blickte ihn mitfühlend an, dachte vermutlich an die Wunden, die ihn so lange außer Gefecht gesetzt hatten. Nun, seine verletzten Gefühle überstiegen den körperlichen Schmerz bei Weitem, doch das sollte sie nicht wissen. „Ich bin gespannt, was wir heute bei Slughorn brauen“, wechselte sie das Thema, wofür er ihr dankbar war. Die letzten Male hatte es keine Partnerarbeit gegeben und er fragte sich unweigerlich, wer von ihnen beiden darüber erleichterter war. Peter war sein Freund, aber leider ein komplettes Chaos, was Tränke betraf, und da Lily meistens Peter zugeteilt wurde… Er sagte jedoch nichts dazu, sondern ging ein paar mögliche Tränke, die sie noch nicht gebraut hatten, mit ihr durch, bis sie im Raum angekommen waren. Slughorn stand bereits am Pult, die stachelbeerfarbenen Augen fest auf seine Unterlagen geheftet, ohne diese anscheinend richtig zu sehen. Die gelegentliche Unkonzentriertheit war Remus bereits in den vergangenen Stunden aufgefallen, doch warum sollte die Unruhe nur die Schüler betreffen? Als sich der Raum allmählich füllte, schien Slughorn aus seiner Trance zu erwachen und er schenkte ihnen ein schiefes Lächeln unter seinem gewaltigen Schnurrbart. James und Sirius trudelten als Letzte ein, grinsten ihm kurz zu, ehe sie zu ihren Plätzen gingen. Ihm fiel auf, wie James danach einen Blick mit Lily tauschte, welche ihm zulächelte und sich eine Strähne ihres roten Haares hinters Ohr schob. Sirius verdrehte neben ihm die Augen, äußerte sich aber nicht dazu, was Remus zum Schmunzeln brachte – jedenfalls bis sein Blick versehentlich Snape streifte. Abrupt wandte er sich nach vorn, wo Slughorn nun das Wort ergriff, um ihnen das Thema des Unterrichts mitzuteilen. „Nun, da Ihnen allen die Prüfungen bevorstehen, werden wir heute einen Trank mit einem höheren Schwierigkeitsgrad behandeln. Den Trank, um den es heute gehen wird, kann man gewissermaßen als Heiltrank bezeichnen, auch wenn dies nur zum Teil zutrifft. Die Heiler im St. Mungo verwenden ihn häufig, um ihre Patienten am Leben zu erhalten, sollten diese einen massiven Blutverlust erlitten haben.“ Remus fragte sich, ob sie diesen Trank so dringend lernen sollten, weil dies ihr letztes Jahr war oder weil die Welt dort draußen gefährlicher wurde. Es schien sich alles darum zu drehen, sodass es schwieriger wurde, es zu verdrängen. Einige schienen seine Gedanken zu teilen, denn Gemurmel ertönte, welches Slughorn allerdings ignorierte und weitersprach. „Sollten Sie sich einmal in einer brenzligen Lage befinden, kann dieser Trank Ihr Leben retten…dementsprechend ist es sicher nicht verkehrt, stets ein Fläschchen bei sich zu tragen. Nun denn…finden Sie sich bitte paarweise in derselben Anordnung wie im letzten Jahr zusammen und schlagen Ihre Bücher auf. Auf Seite 282 finden Sie die Zutaten und Anleitung, die für diesen Trank nötig sind.“ In derselben Anordnung. Remus wünschte sich, Slughorn würde nicht darauf bestehen; hatte dieser vergessen, dass Snape ihn im letzten Jahr beinahe getötet hatte? Oder war das der Versuch, Frieden zu stiften? Ging es letztendlich nur um ihr gutes Ergebnis? Dass sich Slughorn in den Kopf gesetzt hatte, ihre Häuser zu vereinen? Remus sparte sich die Fragen und trottete zu Snapes Tisch herüber, wobei er diesen keines Blickes würdigte. „Professor! Kann nicht einer mit Remus tauschen?“ Sirius. Natürlich war es Sirius, der aussprach, was bestimmt einige heimlich dachten, und so gut es gemeint war, er wünschte sich, er hätte geschwiegen. Es war unangenehm, dass sie ihn nun alle ansahen. Ihn und Snape. „Ich kann stattdessen mit Snape arbeiten“, unterstützte James seinen besten Freund, woraufhin Remus diesen anblinzelte. James wollte freiwillig mit seinem selbsternannten Erzfeind zusammenarbeiten? Seit wann war dieser so erwachsen, dass er seinen Groll beiseitelegen wollte, um ihm zu helfen? Remus spürte, wie dieses warme Gefühl in ihm aufstieg, das ihn sich automatisch besser fühlen ließ. Das Wissen, nicht allein zu sein…Freunde zu haben, die stets an seiner Seite standen, wenn er sie brauchte. Es gab nur eine Sache…nein, eine Person, die diesen Moment mit einem Satz zerstören konnte. „Nur über meine Leiche, Potter“, zischte Snape nämlich so hasserfüllt, dass es Remus durch Mark und Bein fuhr. „Lieber arbeite ich mit einem Troll als mit jemandem, der über noch weniger Intelligenz verfügt! Wenn überhaupt…“ „Halt dein dreckiges Maul, Schniefelus, bevor ich es dir für immer stopfe!“, fauchte Sirius und sprang auf, schlug die Faust auf den Tisch. Zweifellos würde eine Zusammenarbeit zwischen Snape und James eskalieren, auch wenn dieser jetzt noch nicht laut wurde. In diesem Fall war es ihm wichtiger, seinen Freund vor einem verpfuschten Trank, einem möglichen Fluch und Nachsitzen bis zum Ende des Jahres zu bewahren…als sich selbst zu schützen. Vor Snapes Nähe und dem Gift, das er vermutlich verspritzen würde, sobald sie zusammen am Kessel standen. „Nun ist es aber wirklich genug!“, unterbrach Slughorn den Streit sichtlich aufgebracht. „Solch eine Ausdrucksweise! Ich muss doch wirklich sehr bitten! Sie sind junge Männer, keine Kinder mehr! Also, Mr Snape, wenn es Mr Potter schon anbietet, werden Sie-“ „Schon gut, Professor“, unterbrach Remus diesen ruhiger, als er sich fühlte. „Ich arbeite mit Snape, das ist kein Problem. Wir sind aufeinander abgestimmt, weil wir schon einige Male zusammen gearbeitet haben, wie Sie wissen.“ Die entgeisterten Blicke seiner Freunde versuchte er auszublenden, ebenso wie den Rest der Klasse. Es fühlte sich beschämend an, auf diese Weise Mittelpunkt der Klasse zu sein, doch er schaute Slughorn fest an, um sich davon abzulenken. Dieser runzelte die Stirn, sah von einem zum anderen, ehe er langsam nickte. „Sie sollten sich alle wirklich ein Beispiel an Mr Lupin nehmen, der das Ergebnis seiner Arbeit vor Augen hat, anstelle einer Diskrepanz aus dem letzten Jahr.“ Diskrepanz? Hatte Slughorn nicht mitbekommen, dass er beinahe verblutet war? Anscheinend wollte er die Lage herunterspielen, was Remus einerseits verstand, andererseits aber doch als…bitter empfand. Sirius machte den Eindruck, als würde ihm jeden Moment der Kragen platzen – und Remus wusste nicht, wem er einen Fluch entgegen schleudern würde... Snape oder Slughorn. „Aber Professor-“ „Genug. Damit meine ich auch Sie, Mr Potter. Arbeiten Sie bitte wie schon zuvor mit Mr Black zusammen…und das gilt für Sie alle. An die Kessel, bevor wir wichtige Zeit verlieren!“ Damit war das letzte Wort gesprochen und alle fanden sich zusammen. Remus versuchte, zu ignorieren, dass sich ihm der Magen umdrehte, je näher er Snapes Tisch kam. Er würde das schaffen. Es war nur eine verdammte Unterrichtsstunde. Eine Aufgabe, ein Trank…er würde nicht mehr als nötig mit Snape reden. Es war okay. „Welche Zutaten brauchen wir?“, überspielte er die Situation, indem er den Slytherin immer noch nicht ansah und direkt auf den Trank zu sprechen kam. Um sie herum wurde Gemurmel laut, die anderen schienen sich ihren eigenen Kesseln zuzuwenden, auch wenn Sirius und James weiterhin finster in Snapes Richtung starrten. Peter hatte dafür keine Zeit, da Lily ihn direkt antrieb – anscheinend erinnerte sie sich ebenfalls sehr gut an das letzte Jahr. „…Feuersalamanderblut, Fledermausmilz und Murtlapessenz. Ich hole die Wurzeln und Bohnen.“ Remus nickte nur stumm, ehe er sich daran machte, besagte Zutaten aus dem Schrank zu holen…und sich wunderte. Keine harschen Worte, keine Anschuldigungen…Snapes Tonfall klang im Gegensatz zu gerade eben neutral. Vielleicht sogar resigniert…oder Remus bildete sich dies ein, weil er wollte, dass es Snape wenigstens ein bisschen schlecht ging. Dass es diesem nicht…gleichgültig war, was zwischen ihnen passiert war. Als er wiederkam, schaute er den Slytherin zum ersten Mal an diesem Tag richtig an und stellte fest, dass dieser zwar nicht mehr so fertig wie im Zug aussah, doch etwas stimmte nicht. Remus hatte eigentlich gedacht, dass Snape vor Überheblichkeit strotzen würde, nun, da Lestranges Gefolge überall verbreitete, er hätte beinahe einen Gryffindor umgebracht. Stattdessen wirkte Snape in sich gekehrt und abweisend, ohne die übliche Gehässigkeit, die er ihm sonst um die Ohren gehauen hatte. „Ich schneide die Wurzeln…du die Bohnen.“ Kurz und knapp. Remus hatte nicht erwartet, dermaßen…ignoriert zu werden. Das war beinahe schlimmer als der Zynismus, den Snape nicht mal während ihrer vermeintlichen Freundschaft hatte vollständig ablegen können. „Gut.“ Er würde sich nicht weiter dazu äußern, sondern es einfach durchstehen, seine Arbeit gewissenhaft erledigen. Irgendwann würde die Stunde zu Ende sein und dann konnte er Snape wieder aus dem Weg gehen, wie er es seit Anbeginn ihres siebten Jahres tat. Außerdem konnte er so immerhin arbeiten, ohne dass Snape ständig etwas kritisierte. Er musste bloß das Positive an der Sache sehen… „…du schneidest sie nicht gleichmäßig genug. So entfalten sie nicht die volle Wirkung.“ Wie hatte er auch glauben können, dass ihn der Slytherin nicht kritisieren würde? Remus atmete tief durch, bemüht, sich davon nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Nein. Er war ein Ruhepol und er ließ sich nicht provozieren. „Verzeihung.“ Es klang kein bisschen danach, als würde es ihm leidtun, auch wenn er sich bemühte, die Bohnen gleichmäßiger zu schneiden. Als er Snape einen Seitenblick zuwarf, erkannte er, dass dieser die Lippen fest zusammenpresste. Zweifellos verkniff er sich jeden bösartigen Kommentar, während er starr auf seine Wurzeln sah. Snape riss sich offenbar ebenso zusammen wie er selbst. Gut so. „…du weißt, dass ich Recht habe“, entkam es ihm einige Sekunden später. Remus schaute starr auf seine Bohnen herunter, schnitt eine weitere. „Sicher. Du hast ja immer Recht.“ Hoffentlich hörte man den Sarkasmus gut genug heraus und hoffentlich stopfte er Snape den Mund. Nach monatelangen Selbstzweifeln und Vorwürfen konnte er sich wohl doch nicht so benehmen, als sei nie etwas vorgefallen. „…willst du wirklich jetzt damit anfangen?“, hörte er Snape murmeln. „Hier?“ Natürlich nicht. Nicht, wenn James, Sirius und der Rest ihrer Mitschüler im selben Raum waren und überhaupt… „Ich will überhaupt nicht mehr anfangen. Mit gar nichts“, brummte er so leise wie möglich zurück. Er bemerkte den Seitenblick, den Snape ihm zuwarf – flüchtig und…ja, was? Nervös? Er konnte ihn nicht deuten, aber die tonlosen Bewegungen seiner Lippen ließen Remus stutzen. Was wollte Snape ihm sagen, das er nicht aussprechen konnte? „…gib die Bohnen hinzu, dann dreimal umrühren. Links herum“, war alles, was er schließlich sagte. Remus wusste nicht, ob er froh darüber sein sollte, denn es verschaffte dem unangenehmen Ziehen in seiner Brust keine Linderung. Ihr kurzer Wortwechsel ließ ihn sich elend fühlen, obwohl er sich jedes Mal vornahm, es nicht mehr an sich heranzulassen. Er kam nicht vor und nicht zurück; Stillstand. Die restliche Stunde sprachen sie wenig und wenn, dann ausschließlich über den Trank. Anweisungen, ja, nein…man konnte es nicht wirklich als Dialog bezeichnen. Sie waren erfolgreich, so wie sonst auch, und das reichte Slughorn aus, um sie hochtrabend zu loben…als Beispiel für ein freundliches Miteinander ihrer Häuser zu nennen, obwohl es Differenzen gegeben hatte. Remus fragte sich immer noch, was ihr Lehrer für Zaubertränke damit erreichen wollte, indem er das Geschehen aus dem letzten Schuljahr herunterspielte. Snape hatte etwas getan, für das er von der Schule hätte fliegen können…Schlimmeres, wenn der Fluch tödlich geendet hätte. Aber das war wohl Slughorn und obwohl Sirius sich unheimlich darüber aufregte, sagte Remus selbst nichts dazu. Allerdings konnte er seine Gedanken selbst nachts, als sie alle in ihren Betten lagen, nicht abstellen. Na ja…fast alle, denn James‘ Bett war leer. Remus drehte sich auf die Seite, blickte in die Dunkelheit, während er an James‘ breites Grinsen dachte, als dieser ihnen gesagt hatte, er würde nun seinen Pflichten als Schulsprecher nachgehen. Sirius hatte ein Kissen nach ihm geworfen, das James lachend abgewehrt hatte, bevor er verschwunden war. James Potter. Schulsprecher. Dass er das noch erleben durfte. Obwohl es schon irgendwie bitter war, dass er nicht ausgewählt worden war, glaubte er den Grund zu verstehen. Vermutlich hatten sie ihn damals zum Vertrauensschüler ernannt, damit er seine Freunde ein bisschen unter Kontrolle hielt – gelungen war ihm das nicht wirklich. Dass sich James gemacht hatte, vernünftiger geworden war, lag bloß an einer…und natürlich war Lily Schulsprecherin geworden. Er gönnte es ihr, denn keiner hatte es mehr verdient als sie. Was James anging, so hatten die Lehrer wahrscheinlich die Hoffnung, dass ihn der Posten davon abhalten würde, sich im letzten Jahr einen Streich auszudenken, der in die Geschichte von Hogwarts einging. Remus musste schmunzeln; davon konnte ihn wahrscheinlich nicht mal Lily Evans abbringen. Er blickte weiterhin in die Dunkelheit, lauschte Peters Schnarchen und Sirius‘ dunklem Brummen, das ihn an dessen Animagusform erinnerte. Anscheinend wurde das nichts mit Schlafen, sodass er sich aufsetzte und nach seinem Zauberstab tastete. Dann erhob er sich leise und öffnete den Schrank, suchte nach dem Stück Pergament, welches James wahrscheinlich mitgenommen hatte. Er stutzte, als er die Karte wider Erwarten fand – war James so aufgeregt gewesen, Lily zu treffen, dass er sie vergessen hatte? Schwer vorstellbar. Vermutlich hatte er eher Sorge gehabt, sie könnte erfahren, was es damit auf sich hatte. Als Schulsprecher hatten die beiden mehr Freiheiten und somit konnten sie ein nächtliches Treffen oder gar durch die Schule Streifen als nötige Pflicht auslegen, um zum Beispiel Schüler in ihre Schlafsäle zurückzubringen. Er murmelte ein Lumos und die nötigen Worte, tippte die Karte an und suchte nach den beiden Namen, fand diese auch recht schnell. Remus runzelte die Stirn, als er Lily und James im Astronomieturm fand, und Bitterkeit stieg in ihm auf. Ausgerechnet dieser Ort. Sicher konnte das ziemlich romantisch sein, wenn man nicht fürchten musste, dass die Person, die man mochte, sprang. Oder wenn man einen Korb auf die schlimmstmögliche Art bekam. Remus‘ Eingeweide schienen sich zu verknoteten, als er abgesehen von den beiden Namen noch einen weiteren entdeckte. Ebenfalls beim Turm. Viel zu nah…und ihm wurde heiß und kalt zugleich. Severus Snape Kapitel 27: Mondscheinsonate ---------------------------- Während Remus – versteckt unter James‘ Tarnumhang - durch die dunklen Gänge von Hogwarts schlich, fragte er sich nicht nur einmal, warum er sich dies überhaupt antat. Er war nicht mehr Vertrauensschüler, weswegen es ihm nicht erlaubt war, um diese Uhrzeit außerhalb des Gryffindor-Gemeinschaftsraumes herumzuirren. Davon einmal abgesehen…was konnte passieren, wenn er einfach umkehrte und erneut zu schlafen versuchte? Lily und James trafen sich anscheinend zu einem nächtlichen Date im Astronomieturm…welches Snape möglicherweise stören würde. James würde sicherlich wütend sein, wenn er den Slytherin dabei erwischte…doch er würde vor Lily keinen Kampf beginnen. Er würde sich nicht kaputtmachen, was er so mühsam über Monate aufgebaut hatte. Im Gegensatz zu Sirius war James in der Lage, seinen Hass auf Snape zu bändigen und sich zurückzuhalten – mittlerweile jedenfalls. Bei Snape war er sich diesbezüglich weniger sicher, schon gar nicht, wenn es um Lily ging. Lily, die ein Date mit einem seiner Erzfeinde hatte. Lily, in die Snape hoffnungslos verliebt war…und ja, der Gedanke tat immer noch weh. Sollte der Slytherin James angreifen, würde die Situation vermutlich eskalieren. Jemand konnte verletzt werden oder Schlimmeres, wenn man die Höhe mit in Betracht zog – nein, er konnte es nicht ignorieren. Er konnte nicht so tun, als ginge es ihn nichts an. Lily und James waren seine Freunde und Snape…was auch immer Snape für ihn war, er konnte ebenso wenig riskieren, dass sich dieser abermals in Schwierigkeiten brachte. Ein nervöser Blick auf die Karte zeigte ihm, dass keine der Personen den Turm verlassen hatte, und sein Herz begann zu rasen. Kam er zu spät? Was wollte er überhaupt machen? Einfach die Treppen hinaufsteigen und die beiden möglicherweise selbst stören? Er schluckte hart bei dem Gedanken, wie er das erklären sollte – vor allem den Tarnumhang und die Karte des Rumtreibers, wobei er letztere im Umhang verschwinden lassen konnte. Weder Lily noch Snape durften von den magischen Gegenständen erfahren. Tief atmete er durch, während er fieberhaft überlegte, was er tun sollte – vielleicht konnte er den Umhang irgendwo zurücklassen und ihn später holen. Dann würden sie ihn jedoch direkt sehen…das ging auch nicht. In seinen Überlegungen versunken, näherte er sich der Treppe des Turms…und er hatte immer noch keinen funktionierenden Plan, sondern bloß einen Haufen Probleme. Eines davon löste sich in dem Moment, als die Treppenstufen in Sichtweite kamen – und beinahe wäre er vor Hast über seine eigenen Füße gestolpert. „…wirklich sehr von dir überzeugt, Potter.“ „Oh, komm schon, Evans…nicht mal du kannst meinen Charme leugnen~“ „Mach so weiter und ich überlege mir, ob es ein nächstes Treffen gibt…“ „Das würdest du nicht tun!“ „Wollen wir wetten?“ „Evans…“ Entgeistert stand Remus dort und sah zu, wie James die schmunzelnde Lily an ihrem Handgelenk in seine Arme zog. In den grünen Augen der sonst so kühlen Rothaarigen lag etwas, das er noch nie gesehen hatte…und das keinen Zweifel daran ließ, dass es ein weiteres Treffen geben würde. Ein Date. Das war es doch, was er unfreiwillig beobachtete. Remus spürte seine Wangen brennen, als sich James grinsend zu ihr herunterbeugte, um sie zu küssen. Innig zu küssen…und Lily schien genau das zu wollen, da sie ohne zu zögern die Arme um seinen Nacken schlang und den Kuss erwiderte. Er wollte sich abwenden, nicht weiter bei etwas zusehen, das dermaßen intim war…doch er konnte sich nicht rühren. Bei dem Gedanken, dass sie ihn bemerken könnten, brach ihm der kalte Schweiß aus. „Uns könnte jemand sehen“, hörte er Lily murmeln. „Das wär’s mir wert“, erwiderte James regelrecht verträumt und ohne sie loszulassen. Sirius hätte mit Sicherheit einen passenden Spruch gehabt – irgendwas wie verliebter Trottel. Anstatt ihn zu schelten, lächelte ihn die Rothaarige warm an, drückte ihm dann einen kurzen Kuss auf die Lippen, ehe sie sich aus seiner Umarmung löste. „Nun komm…es ist schon spät, hm? Lass uns noch einmal die Korridore kontrollieren und dann ins Bett.“ „Hach…immer so pflichtbewusst, Evans…die Schule wird untergehen, wenn du nicht mehr durch die Gänge wandelst, um für Zucht und Ordnung zu sorgen“, seufzte James und sie boxte ihn in die Seite. „Komm jetzt!“, murrte sie, doch das amüsierte Flackern in ihren Augen entging Remus nicht. „Au! Stets zu Befehl, Mylady!“ „Potter…“ Sein Herz raste immer noch wie das einer Maus, während die beiden an ihm vorbeigingen, sich dabei weiter neckten. Zumindest konnte er bei dieser heiteren Stimmung davon ausgehen, dass Snape nicht entdeckt worden war – was für ihn an ein Wunder grenzte. Konnte man sich dort oben gut verstecken? Die Plattform bot wenig Möglichkeiten dafür…schwer vorstellbar. Befand sich Snape gar nicht dort oben? Nein, die Karte zeigte seinen Namen immer noch an diesem Ort an. Remus murmelte ein Missetat begangen, tippte die Karte mit dem Zauberstab an und ließ beides im Umhang verschwinden. Für ein paar Sekunden blieb er stocksteif am Fuße der Treppe stehen, ehe er den Blick zur Seite gleiten ließ. Dort neben den Treppenstufen befand sich eine Art Nische…sollte er den Umhang hier lassen? Wenn ihn jemand fand und mitnahm…James würde ihn umbringen. Andererseits, warum sollte hier jemand auf ein altes Stück Stoff achten? Um die Uhrzeit noch unwahrscheinlicher. Warum überlegte er überhaupt, nach Snape zu sehen? Selbst wenn dieser noch dort oben war…allein…am Rande der Plattform… Remus wurde eiskalt, als er daran dachte, wie er das letzte Mal befürchtet hatte, Snape könnte springen. Wenn er Lily und James gesehen hatte…was würde das bei ihm anrichten? Konnte er es verantworten, diesen dort oben allein zu lassen? Eigentlich stellte sich die Frage gar nicht – er würde nicht eine Sekunde ruhigen Schlaf finden, wenn er da jetzt nicht hochging. Nachdem Remus den Tarnumhang so verstaut hatte, dass ihn hoffentlich keiner entdeckte, ging er die Treppenstufen hoch. So sehr er sich auch bemühte, leise zu sein, die alten Stufen knarzten bei so gut wie jedem seiner Schritte. Innerlich machte er sich schon mal auf einen verletzten, mit boshaften Worten (und vielleicht auch Flüchen) um sich werfenden Snape gefasst. Sicherlich war er gerade der letzte Mensch auf Erden, den der Slytherin sehen wollte. Wie bitter…dabei saßen sie mit ihren unerwiderten Gefühlen doch eigentlich im selben Boot. Ein freudloses Lächeln legte sich für einen Augenblick auf Remus‘ vernarbte Lippen, doch es schwand, je näher er seinem Ziel kam. Die letzten drei Stufen fühlten sich an, als hätte er Blei in den Beinen, und alles in ihm schrie danach, wieder umzukehren. Er hatte nicht die Kraft, sich schon wieder mit Snape anzulegen. Schon gar nicht mitten in der Nacht und mit dem glücklichen Paar im Hinterkopf. Bei Merlin, er gönnte es den beiden…aber es erinnerte ihn an das, was er nicht haben konnte. Oben angekommen blickte er sich vorsichtig um, konnte aber niemanden entdecken. Unmöglich, dass die Karte sich irrte, doch die Plattform war leer und verstecken konnte man sich kaum. Würde Snape hinter einem der Vorhänge an den Seiten stehen, würde man wohl seine Füße sehen. Er zuckte zusammen, als er ein Geräusch hörte, das er im ersten Moment nicht zuordnen konnte. Dann war es wieder still, doch Remus glaubte nicht, dass es nur das Pfeifen des Windes gewesen war. Er trat zögernd einen Schritt vor, räusperte sich. „…Snape?“, wisperte er leise, während er auf irgendein Zeichen horchte. Diesmal konnte er das Geräusch besser deuten – ein mühsam unterdrücktes Keuchen. Remus presste kurz die Lippen zusammen, machte einen weiteren Schritt vor. „Snape, ich weiß, dass du hier bist.“ Wie sollte er das überhaupt erklären? Wobei…warum sollte er sich erklären? Snape war es doch, der Lily mal wieder hinterherspionierte…und sicherlich wollte dieser nicht, dass sie davon erfuhr. „...verschwinde.“ Es klang nicht so scharf, wie Remus erwartet hatte, sondern vielmehr…gebrochen? So, als würde Snape…weinen? Er spürte, wie ihm unwohl wurde; ein wütender, scharfzüngiger Snape war ihm bei weitem lieber. Damit konnte Remus mittlerweile umgehen, doch ein Snape, der emotional am Boden war…das letzte Mal war das ganz übel ausgegangen. Er würde nicht stark genug sein, das noch einmal zu ertragen, auch wenn er eigentlich gut im Trösten war…und es meistens auch gern tat. „Snape, komm schon…ich bin nur wegen dir mitten in der Nacht hier“, versuchte er es erneut. „Würdest du dich also bitte zeigen, damit wir zurück in die Schlafsäle können? Ich denke, wir brauchen beide keine Strafarbeit.“ Zumindest klang er ruhiger und gefasster, als er sich fühlte. Vielleicht ließ sich Snape davon täuschen. Eine Weile kam keine Antwort…dann ein Wispern und…Remus konnte Snapes Gestalt nach und nach am anderen Ende der Plattform erkennen. Zusammengesunken, an die Wand gelehnt…sehr nah am Abgrund. Also hatte er einen Zauberspruch verwendet, um nicht gesehen zu werden. Remus‘ Herz schlug ihm bis zum Halse, als er in das bleiche Gesicht des Slytherins sah. Da lag Abscheu in seinen schwarzen Augen, die feucht glänzten. Abscheu…und Schmerz. „Zufrieden, Lupin?!“, zischte Snape mit zitternder Stimme. „…ist es…das, was du sehen wolltest?! Genieß es! Nur zu!“ Remus wusste nicht, was er sagen sollte; das dachte der andere? Dass er sich an…seinem Leid ergötzte? Snape wischte sich mit dem Ärmel über die tropfende Nase, schloss für einige Sekunden die Augen, als müsste er sich sammeln. Er sah wirklich mitgenommen aus, die schwarzen Haare fielen ihm strähnig in die Stirn. „Na los, Lupin…sag schon, dass es mir recht geschieht…“, hörte er ihn murmeln. „Kein…Grund, edelmütig zu tun…sag schon…wie lächerlich es ist, zu denken…zu glauben, sie…“ Remus stand nur da und blickte ihn an, während Snapes Stimme versagte. Sein dürrer Körper zitterte und er war sich nicht sicher, ob das an seinem Zustand oder dem kühlen Wind lag. „Aber…von allen…Potter…warum Potter…ich verstehe nicht…er…er…dieser widerliche…warum…er…?“ Snape wirkte beinahe wie im Wahn, wie er dort saß und vor sich hin murmelte, auf James schimpfte und dann wieder schluchzte. So wütend und verletzt Remus selbst war…gerade spürte er nichts davon. Da war bloß Mitleid, welches er nicht haben sollte. Er konnte nichts dagegen machen. Wenigstens löste sich seine Starre allmählich und er ging auf den Slytherin zu, der die Arme um seinen eigenen Körper geschlungen hatte. Er saß so nahe am Abgrund, dass Remus lieber still blieb, sich langsam näherte. Schritt für Schritt. Snape blieb verkrampft sitzen, während ihm weitere Tränen über die Wangen rollten. Seine dünnen Lippen bebten, doch die Worte waren nur noch unverständliches Gemurmel…und es erstarb erst, als sich Remus zu ihm kniete und die Arme um ihn legte. Snape versteifte sich noch mehr in der Umarmung, die bewusst fest war. Er vernahm den hektischen Atem an seinem Hals, die nasse Wange an seiner Haut…und das Schlimmste daran war, dass Remus es genoss. Nicht Snapes Zustand, doch…die Berührung, die Nähe…und als sich der andere langsam an ihn lehnte, die Spannung aus seinem Körper wich, ging es Remus ebenso. Die Beklemmung fiel von ihm ab, trotzdem er wusste, dass das hier nichts bedeutete. Zumindest wusste sein Kopf das…seine Emotionen kamen nicht mit. Es war genau das, wovor er sich gefürchtet hatte; dass er sich in etwas verrannte, mit dem er eigentlich hatte abschließen wollen. Die wie immer fettig wirkenden Haare waren ihm egal, Snapes triefende Nase war ihm egal. Erst recht, als sich die knochigen Hände in seinen Umhang krallten und der andere komplett gegen ihn sank. Hatte Snape noch abgenommen? Sanft streichelte er diesem über den Rücken, traute sich jedoch nicht, etwas zu sagen. Geschweige denn, dass er noch mal…die Zeichen falsch deuten und Snape küssen würde. Letztes Mal hatte das alles zerstört. „Wieso…?“, hörte er ihn wimmern und Remus fragte sich, was er meinte. Ging es immer noch um Lily und James? Oder wollte Snape wissen, warum er sich trotz allem um diesen kümmerte? Ihn umarmte? Dabei sollte er zumindest die Antwort auf Letzteres längst kennen. „Weil man sich nicht aussucht, für wen man…Gefühle entwickelt“, murmelte Remus. „Darum…“ Ja, darum war er hier, doch er sprach den Satz nicht zu Ende. Es würde ihn nicht weiterbringen, sich zu offenbaren. Er war sicher, dass Snape jederzeit für Lily da sein würde, auch wenn er sie nicht verstehen konnte. Selbst, wenn sie ihn noch so verletzte…in diesem Punkt waren sie sich anscheinend ähnlich. Wieder eine Gemeinsamkeit. Snape war still geworden und Remus wagte zu hoffen, dass er vielleicht verstand, was er meinte. Er hatte beide Fragen beantwortet und Snape war klug – wenn ihm auch das Feingefühl fehlte. Er wusste nicht, wie lange sie schon hier saßen, so eng umschlungen…doch irgendwann wischte sich Snape über das verheulte Gesicht. Er löste sich aus der Umarmung, blieb weiterhin dicht an ihn geschmiegt und Remus ahnte, dass er selten derartige Zuneigung erhielt. Von seinem Vater sicherlich nicht und seit dem Bruch mit Lily…nun ja… Es traf ihn unvorbereitet, als Snape ihn plötzlich ruppig an seinem Umgang packte…und fast glaubte Remus, er würde ihn angreifen. Er rechnete mit boshaft gezischten Beleidigungen oder einem festen Stoß gegen die Brust…nicht aber damit, dass Snape ihn zu sich heranzog und…seine kalten, feuchten Lippen auf seine drückte. Remus entgleisten die Gesichtszüge, während er in eine Art Schockstarre verfiel. Es war keine sanfte Berührung, nicht, wie das erste Mal…Snapes Mund presste sich verzweifelt auf seinen. Seine Lippen schmeckten salzig…sein Geruch nach Kräutern schien überall zu sein, scharf und würzig. Remus´ Lider flatterten, während Snape seine zusammengekniffen hatte, die bleichen Wangen gerötet…und…Remus gab nach. Er drängte sich Snape entgegen, erwiderte den ungeschickten Kuss mit derselben Intensität. Sein Herz raste mehr denn je, seine Gefühle schienen überzusprudeln. Seine Vorsätze, sich von Snape zu distanzieren, ihn nicht mehr an sich heranzulassen…wurden zunichte gemacht. Er keuchte gegen die Lippen des Slytherin, als dieser sich so sehr an ihn presste, dass nichts mehr zwischen sie passte. Remus vergrub eine Hand in Snapes Nacken, verlor sich ganz in dem Kuss…und dem Feuer, welches er entfachte. Bei Merlin, er würde schmelzen… Bevor er sich versah, lag er auf Snape, der sich nicht dagegen wehrte, sondern an seinem Umhang zerrte. Hitze stieg ihm nicht nur in die Wangen, sondern auch in die untere Region…vernebelte seinen Verstand. „Wir…wir sollten ni-“ Snape gab ihm keine Gelegenheit, den Satz zu Ende zu bringen, nahm sofort wieder seine Lippen in Beschlag. Wenn ihm nicht mal Remus‘ Vorbehalte Einhalt gebieten konnten, war es vielleicht wirklich nicht nötig. Vielleicht…wollte Snape das hier tatsächlich…? Snape wollte…ihn? Der Gedanke schickte einen Schwarm Schmetterlinge durch seinen Bauch…und Erregung in seinen Schoß. Sie küssten sich weiterhin, schnell und rücksichtslos…voller Verlangen, während sich Snapes kalte Finger unter seinen Umhang und den Pullover darunter schoben. Remus fiel wieder auf, wie schmal der Slytherin war, als er dasselbe tat…dessen Rippen nachzeichnete. Für einen Moment spannte sich Snape so ruckartig an, dass Remus glaubte, er würde ihn doch von sich stoßen. Er fuhr mit seinen warmen Händen über die kalte Haut, drückte ihm einen sanften Kuss auf den Mundwinkel. Snapes schwarze Augen zeigten Unsicherheit, Nervosität…doch dann lehnte er sich wieder zurück, senkte die Lider. Es war in Ordnung, oder? Remus fuhr fort, ihn zu streicheln und zu küssen, erleichtert, dass Snape ihn nicht zurückwies, sondern darauf einging. Ihre Bewegungen und Berührungen waren nun weniger hektisch als zuvor und…Remus keuchte auf, als er erkannte, dass das hier auch Snape nicht kaltließ. Er schob sein Becken gegen das des anderen, spürte die Erhebung durch den Stoff ihrer Hosen. Nein, er hatte es sich nicht eingebildet…Snape ging es ebenso wie ihm. Es musste für sie beide das erste Mal sein... Er hatte schon einige Male Hand bei sich selbst angelegt, doch das hier war nicht damit zu vergleichen. Sollte er einfach…? War es okay für Snape, wenn er ihn dort berührte? Der Slytherin schien sein Zögern zu bemerken und es wunderte Remus, dass er immer noch nichts sagte. Sonst konnte er irgendwelche scharfzüngigen Kommentare nie zurückhalten. Diesmal drang jedoch kein Wort über seine Lippen, als er eine Hand in seinen Nacken legte, um ihn erneut zu sich herunterzuziehen. So war es besser. Kein Denken, kein Zögern…einfach geschehen lassen. Remus schloss die Augen, während sie sich küssten…sich streichelten…und aneinander rieben. Vermutlich war es aufgrund ihrer nicht vorhandenen Erfahrung recht schnell vorbei, doch Remus hatte sein Zeitgefühl verloren. Er lag immer noch auf Snape, wärmte diesen mit seinem Körper, während er versuchte, das feuchte Gefühl zwischen seinen Beinen zu verdrängen. Es war unangenehm und er würde sich später noch rasch waschen müssen, aber hier mit dem anderen zu liegen, machte es das wert. Immer noch hatte Snape kein Wort gesagt, wenn man sein heiseres Stöhnen wenige Minuten zuvor mal außer Acht ließ. Das hier konnte kein Traum sein, oder? Nein, es war wirklich passiert…und es war so viel besser als in seiner Vorstellung gewesen. Sollte er etwas sagen? Wenn er jetzt die Stille brach, war es vielleicht vorbei…aber sie mussten langsam ohnehin in ihre Schlafsäle zurück. Wenn man sie hier aufgriff…noch dazu so…nicht auszudenken. Also löste er sich widerwillig von dem anderen, der wortlos seine Kleidung richtete, ihn dabei nicht ansah. Wahrscheinlich war er irritiert über sein eigenes Verhalten, denn das war Remus zunächst ebenso ergangen. Schweigend sah er Snape zu, wie sich dieser mit wackligen Beinen erhob, die Miene unleserlich. Bestimmt war er immer noch aufgewühlt, auch wenn das hier mit Trost verbunden war. Jedenfalls hoffte Remus, dass es sich für den anderen so anfühlte. Er hatte Snape nicht ausgenutzt, oder? Dieser hatte angefangen, hatte sich an ihn gepresst und ihn geküsst. Remus wurde flau bei dem Gedanken… „…bist…du okay?“, fragte er leise und suchte seinen Blick. Snape sah nur eine Sekunde zu ihm, ehe er ihm wieder auswich, seinen Umhang richtete. Obwohl sie sich gegenüber standen, immer noch nahe beieinander, fühlte es sich an, als trennte sie eine größere Entfernung. Eine Art…Kluft. „Ich…“, begann Snape schließlich zögernd. „…ich…“ Remus blickte ihn abwartend an, die Haltung angespannt und das Schlimmste befürchtend. Bitte nicht schon wieder… „…muss gehen. Ich sollte…gehen…bis dann.“ Die Worte sprudelten mit einem Mal zerstreut aus seinem Mund, doch wenigstens haftete kein boshafter Ton an ihnen. Remus konnte verstehen, dass das hier schwer für Snape sein musste. Vor allem, wenn man bedachte, dass Lily ihm vorhin noch das Herz gebrochen hatte. Ja, diesmal hatte er Verständnis für Snapes Reaktion, sodass er ihn auch nicht aufhielt, als dieser an ihm vorbei eilte. Remus atmete tief durch, spürte erst jetzt wieder die kalte Nachtluft, die an seiner Kleidung und seinen Haaren riss. Als er sich ebenfalls zum Gehen wandte, hielt Snape noch einmal vor den Treppen inne, drehte sich zu ihm um. „…hiervon wird niemand erfahren. Niemals“, vernahm er die gewisperte Warnung, doch es klang nicht so harsch, wie man es hätte erwarten können. Remus nickte nur, woraufhin Snape ihm einen letzten, prüfenden Blick zuwarf…und dann aus seinem Sichtfeld verschwand. Ein paar Sekunden blieb der Gryffindor so stehen, starrte vor sich hin…ehe er sich ebenfalls daran machte, den Astronomieturm zu verlassen. Was für eine Nacht… Kapitel 28: Versuchung ---------------------- Drei Tage waren seit ihrem Treffen auf dem Astronomieturm vergangen. Drei Tage, in denen er kaum Schlaf gefunden hatte, weil ihn seine Gedanken wahnsinnig machten. Die Erinnerungen an Lupin, der ihn hielt und seinen zitternden Körper wärmte. Lupin, der über sein erbärmliches Verhalten hinwegsah und ihn zu trösten versuchte, obwohl Severus ihn damals weggestoßen und beleidigt hatte. Lupins weiche Lippen, die schwach nach Minze geschmeckt hatten – vermutlich hatte er sich zuvor die Zähne geputzt. Lupins vernarbte, raue Hände auf seinem Körper…in seiner Hose…ihre Bewegungen… Die Scham über das Geschehene wog schwer und jedes Mal, wenn seine Gedanken in diese Richtung schweiften, wollte er am liebsten erneut zum Turm, um sich von diesem herunterzustürzen. Es war abnormal, es war…krank…auch wenn Lupin kein verdammter Werwolf gewesen wäre und…es ging einfach nicht. Was sagte es über ihn aus, dass er das zugelassen hatte? Dass er genauso krank wie Lupin war? Konnte so etwas ansteckend sein? Nein. Soweit er wusste, wurde man so geboren, aber…er hatte noch nie in diese Richtung gedacht. Es hatte immer nur Lily gegeben…wieso war es plötzlich anders? Wieso löste die Erinnerung keine Abscheu in ihm aus, sondern…den Wunsch, es wieder zu tun? So sehr er sich dafür auch schämte…er konnte nicht leugnen, dass es sich gut angefühlt hatte. Wie Lupin ihn angesehen hatte…so hatte ihn noch niemand angesehen. Geschweige denn, dass ihn jemals jemand auf diese Weise berührt hatte. Ihn…gewollt hatte. Ihn, den mageren, blassen Slytherin, über den sich ständig alle lustig machten. Was sah Lupin in ihm, wenn er ihn während des Unterrichts so wehmütig anlächelte? Dass Severus den Gryffindor mied, schien dieser jedenfalls bislang zu akzeptieren. Er versuchte nicht, ihn abzufangen oder ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Dieses vermaledeite Lächeln, das seine Knie erst weich werden ließ und ihn dann in Panik versetzte, war alles, was er bekam. Es ließ ihn begreifen, dass Lupin nicht auf ihn zukommen würde. Dass es das gewesen war, wenn er es dabei belassen würde. Severus wusste, dass solch ein Ende dieser…fragwürdigen Freundschaft für sie beide das Beste sein würde. Er liebte Lily. Egal, was da gerade mit Potter lief…es änderte nichts daran, dass er sie liebte. Immer lieben würde. Es würde niemals lange halten, dafür war Lily zu klug…sie würde merken, was für ein Mistkerl Potter war. Früher oder später. Was er für Lily fühlte, war anders als das, was er für Lupin…empfand. Vielleicht hatte er getan, was er eben getan hatte, damit es aufhörte, wehzutun. Damit der Schmerz wenigstens ein bisschen gelindert wurde. Es hatte geholfen, das konnte er nicht leugnen. Zumindest in diesem Moment…jetzt, im Nachhinein, fühlte es sich wie die Hölle an. Er kam weder vor noch zurück…und er dankte Merlin dafür, dass Slughorn es noch nicht gewagt hatte, sie erneut in Zweierteams aufzuteilen. Das schien ja neuerdings sein liebstes Hobby zu sein… Seine Überlegungen fanden ein jähes Ende, als er die Bibliothek erreichte und ausgerechnet den Grund für sein schreckliches Kopfzerbrechen vorfand. Eigentlich hatte Severus vorgehabt, sich einen ruhigen Platz zum Lernen zu suchen, um sich von seinem inneren Chaos abzulenken. Die Prüfungen standen bevor, was noch ein Grund war, wegen dem er es sich nicht leisten konnte, dieser…schrägen Laune nachzugeben. Die Prüfungen und die Aussicht auf ein ruhmreiches Leben, das ihm dieser dunkle Lord bereit zu geben war, wenn er sich ihm anschloss. Schon allein deswegen musste er sich auf das Wesentliche konzentrieren…und dazu gehörte dieser dumme Ausrutscher mit einem Werwolf ganz sicher nicht! Trotzdem blieb er wie angewurzelt neben einem Regal stehen und beobachtete Lupin, wie dieser sich gerade Notizen machte. Bisher hatte er ihn nur selten hier in Gegenwart seiner Freunde gesehen, aber das sollte ihn nicht wundern. Potter und Black waren sich zu fein fürs Lernen und Pettigrew war so dumm und faul, dass er Lupin sowieso nur behindert hätte. Wie konzentriert der Werwolf arbeitete…seine Finger beinahe sanft die Zeilen der aufgeschlagenen Seite nachfuhren. Eine kleine Falte hatte sich zwischen seinen zusammengezogenen Brauen gebildet, ließ seine Züge weniger weich wirken. Die Unterlippe hatte er zwischen die Zähne gezogen…und Severus spürte, wie sich seine Wangen erhitzten, als er mit dem Blick daran hängen blieb. Der eiskalte Schauer, als Lupin plötzlich aufsah und ihn verdutzt anstarrte, holte ihn jedoch recht schnell in die Realität zurück. Mit Sicherheit glühte sein Kopf feuerrot, das konnte er fühlen. Da half es auch nicht, dass er seine Aufmerksamkeit hastig auf das Regal richtete und so tat, als würde er ein Buch suchen. Verdammt. Als er Sekunden später aufzusehen wagte, hatte sich Lupin schon wieder abgewandt und studierte weiter das Buch. Ernsthaft? So einfach? Würde Lupin zu ihm kommen, wenn er sich an einen anderen Tisch setzte? Wollte er, dass Lupin das tat? Severus würde noch mal den Verstand wegen diesem Gryffindor verlieren! Nach einigem Zögern und einem flüchtigen Schulterblick überwand er sich, sich dem Werwolf gegenüber zu setzen. Er schaute diesen nicht an, sondern holte stur seine Bücher heraus, um sich auf seiner Seite des Tisches auszubreiten. Er war schließlich zum Lernen hier…und nicht wegen Lupin. Wenn er sich woanders hinsetzte, würde Lupin das bloß falsch deuten. Es gab keinen Grund, nicht hier zu sitzen! Allerdings wäre ihm bei Lupins warmem Lächeln beinahe das Tintenfass aus der Hand gefallen – warum in aller Welt lächelte Lupin schon wieder?! Er wollte eine garstige Bemerkung machen, die es ihm aus dem Gesicht wischte, doch…er konnte nicht. Besser gesagt fiel ihm nichts ein, obwohl er sonst so wortgewandt war. Vielleicht wollte er auch nicht, dass Lupin wieder seinen Hundeblick aufsetzte…oder… „Hast du den Aufsatz für McGonagall schon fertig?“ Die Frage traf ihn unvorbereitet, denn bei allem, was Lupin hätte sagen können, war das das Letzte, das Severus erwartet hatte. Er wollte über Verwandlung reden? Über Hausaufgaben? Nicht über das, was niemals zwischen ihnen hätte passieren dürfen? „…halbwegs“, murrte er, während er das Tintenfass auf dem Tisch platzierte. Warum regte es ihn überhaupt so auf? War doch umso besser, wenn sie das Thema nicht ansprachen. Es sollte gar kein Thema geben. „Dann kann ich dir doch dabei helfen?“, redete Lupin ungehindert weiter. „Ich hab Probleme mit dem Aufsatz für Zaubertränke…“ „Von mir aus.“ Und das war es. Die nächste Stunde verbrachten sie ausschließlich damit, ihre Aufsätze zu schreiben und gegenseitig zu korrigieren. Lupin wirkte ruhig und konzentriert, als würde ihn das mit ihnen beiden kein Stück tangieren. Als wäre es nicht seltsam, dass sie nach jener Nacht gemeinsam ihre Hausaufgaben erledigten – und das auch noch ungestört. Ab und an stolzierte Madame Pince an ihnen vorbei, doch da sie eh kaum sprachen, gab es wohl nichts für sie zu beanstanden. Severus wollte nach dem Tintenfass in der Mitte greifen, als Lupin dasselbe tat. Der Gryffindor streifte mit seinen warmen Fingern nur kurz seine kalte Hand, was ihn direkt zurückzucken ließ. Es war eine simple Berührung, aber sie genügte, um ihm die Schamesröte in die bleichen Wangen zu treiben. Und Lupin? Der tat so, als sei nichts geschehen und widmete sich wieder seinem Aufsatz. Gut. Genug war genug. Es reichte. Verdutzt wurde er angesehen, als er sein Buch so lautstark zuschlug, dass Madame Pince sich warnend räusperte. „Alles in O-“ „Nichts ist in Ordnung!“, zischte er einer Schlange gleich und funkelte Lupin böse an. Dieser hob eine Braue, auch wenn er offensichtlich wusste, was nicht in Ordnung war. Natürlich wusste er es, immerhin gab es ja nur diese eine Sache zwischen ihnen. „Du machst mich wahnsinnig mit…mit…allem!“ Er versuchte, leise zu sprechen, immerhin sollte das niemand mitbekommen, doch…er konnte nicht länger schweigen. Es fraß ihn innerlich auf. „Ich liebe Lily! Das habe ich immer und das werde ich immer! Ich bin nicht…ich habe nie…was da passiert ist, es…“ „…ist falsch? Abnormal?“, half Lupin fast schon zu freundlich nach, doch seine Bernsteine loderten. Nein. Auch wenn er es so sah, durfte er nicht wieder den gleichen Fehler machen. Er wollte nicht, dass Lupin ihn wieder mied. Dass es diesem seinetwegen schlecht ging wie beim letzten Mal… „Ich weiß das alles, Snape…und es ist okay. Mach dir keine Gedanken.“ Lupin zuckte mit den Schultern, als würde ihn das nichts angehen. Wie konnte er…so gleichgültig reagieren? Was war die angemessene Reaktion darauf? „Ich…“ „Ich möchte nur eines klarstellen.“ Der Werwolf funkelte ihn an, während seine Stimme ungewohnt fest war. „Und zwar, dass das von dir ausging. Ich erwarte gar nichts von dir…meinetwegen reden wir nie wieder darüber. Nur…schieb es dieses Mal nicht auf mich. Verstanden?“ So einfach war das für Lupin? Warum war der eigentlich schon wieder so selbstbewusst, anstatt den Schwanz einzuziehen? Und…warum war Severus nicht zufrieden, obwohl es das sein sollte, was er wollte? Er war von sich selbst verwirrt. Konnte nicht vor und nicht zurück. Da das Schweigen ihm allmählich unangenehm wurde, nickte er wenigstens. Was sollte er da auch noch leugnen… Lupin lächelte daraufhin wieder und sah schließlich auf sein Pergament runter. „Dann lass uns weitermachen, hm?“ „…“ Abermals ein Nicken, weil er einfach nicht wusste, was er sonst tun sollte. Totschweigen erschien ihm eine vernünftige Idee…und das taten sie auch, sie redeten nur noch das Nötigste, das ihre Hausaufgaben betraf. Severus fragte sich dennoch, was sich der Werwolf dachte. Eigentlich hatte er erwartet, dass dieser ihn mit seinen verqueren Gefühlen bedrängen oder zumindest auf ihn einreden würde – dass er nichts davon tat, war irgendwie…er fand kein Wort dafür. Wollte er es am Ende gar nicht mehr? Wollte er…ihn nicht mehr? Vielleicht war es furchtbar für ihn gewesen und Severus hatte es in seiner Verwirrung nicht mitbekommen? Hatte er etwas falsch gemacht? Falls ja, musste er herausfinden, was es war, denn wenn er irgendwann mit Lily so weit sein sollte…und nicht mal einen simplen Kuss hinbekam… Potter, dieser Widerling, wusste sicher, wie es ging. Bei dem Gedanken daran, was dieser mit seiner Lily machte, wurde ihm übel. Sollten ihn Hagrids blutrünstige Fledermäuse holen! Doch zurück zu seinem Problem…sollte er Lupin fragen? Nein! Nein, das konnte er auf keinen Fall machen! Niemals…danach würde er sich wirklich vom Astronomieturm stürzen müssen! Vielleicht konnte er eine direkte Frage umgehen…irgendwie…er war doch sonst auch klüger als andere. Taktisch denken…er war ein Slytherin, verdammt, und kein verblödeter Hufflepuff! „Snape?“ Als Lupin seinen Namen aussprach, zuckte er zusammen, bemerkte erst jetzt, wie er diesen angestarrt hatte. „Was?“, zischte er ihn an, um von seinen glühenden Wangen abzulenken. Zu seiner Verwirrung sah auch Lupin…peinlich berührt aus. Er räusperte sich, rieb sich den Nacken, ehe er sich daran machte, seine Sachen zusammenzupacken. „…kann sein…dass ich nachher…uhm…“ So undeutlich, wie Lupin nuschelte, bekam er nur einzelne Fetzen mit, was ihn gerade nur noch mehr reizte. Als ob das alles nicht schon unangenehm genug gewesen wäre, musste Lupin jetzt auch noch rumstammeln. „…noch mal in die Kerker gehe…um…Zaubertränke auch praktisch zu verbessern…“ Severus starrte ihn an, als hätte er verkündet, später noch einen Spaziergang durch den Verbotenen Wald unternehmen zu wollen. Was zur…warum sagte Lupin ihm das? Wollte er dort wirklich nur sein Können beim Brauen verbessern oder… Er fing den Blick auf und wusste plötzlich, dass es nicht darum ging. Nein. Lupin malte sich mehr aus, das konnte man nicht missverstehen. Hieß das, dass er eine…Wiederholung wollte? Wenn ja, warum fuhr er ihn dann nicht direkt an, dass er das allein tun konnte. Er wollte nichts von dem Werwolf. Er wollte nicht, dass es sich wiederholte! Er… „Du kannst dir ja überlegen, ob du mir…helfen willst. Sirius und Peter gehen später zu James‘ Training…also…“ Lupins Gesicht war mittlerweile tomatenrot angelaufen, ließ keinen Zweifel an seinen Absichten und endlich wirkte er auch nicht mehr so selbstbewusst. Eher verunsichert und…hoffend? „Bis später dann…oder so.“ Da er immer noch wie festgefroren und noch dazu gelähmt war, bekam er kein Wort heraus, als sich Lupin abwandte und an ihm vorbeilief. „Hier wird nicht gerannt!!“, fauchte Madame Pince ihm wie eine wütende Katze hinterher. Severus blickte auf seinen Aufsatz, ohne die Buchstaben lesen zu können. Sein Herz raste – auch wenn es das nicht sollte. Nein. Nein, er würde nicht hingehen. Wieso sollte er? Das war eine schlechte Idee…eine ganz schlechte. Sollte Lupin doch warten, bis er alt und grau war. Nicht sein Problem. „…dachte…nh…du kommst…ni-mpf…“ Bevor Lupin noch mehr unnötigen Schwachsinn von sich geben konnte, packte Severus diesen an seinem Umhang und drückte ihm wieder die Lippen auf. Er wusste immer noch nicht, was er hier machte. Warum er letztendlich doch hergekommen war und warum sie nun in den kalten Kerkern standen, ohne die Kessel auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben. Das war so nicht geplant gewesen… Er wusste nicht mal mehr, wer angefangen hatte. Severus war reingekommen, hatte die Tür verschlossen…sie hatten einander angesehen und nun…stand er mit dem Rücken zur Wand, während sie sich hektisch küssten. Sollte das so sein? War es gut? Die Gedanken von zuvor kehrten zurück, sorgten dafür, dass er sich nicht ganz darauf einlassen konnte. Übung…genau. Lupin war bloß eine Übung. Für Lily. Damit er sich bei ihr nicht blamierte, wenn es eines Tages so weit war. Bis dahin…hiervon musste niemand erfahren. Es war nur…eine Zwischenlösung und… „Snape…“ Er stockte, sah in Lupins Bernsteinaugen, während dieser ihren Kuss kurz löste. Sie standen so nahe beieinander, dass der Geruch des Gryffindors überall zu sein schien. Lupins angenehm erdiger Geruch… „…ist das…wirklich okay für dich?“, hörte er ihn keuchen. Okay? Ob es okay war? Wusste Lupin nicht, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, hierher zu kommen? Irgendetwas hatte Lupin in jener Nacht in ihm geweckt…und er wollte mehr davon. Er wollte dieses Gefühl wieder spüren…gewollt…begehrt zu werden. Er wollte angesehen werden…wie er…Lily ansah. „Nicht…reden“, murmelte er und zog ihn wieder näher zu sich. Für einen Moment schien es, als wollte der Werwolf noch etwas sagen, doch dann schluckte er es herunter und küsste ihn erneut. Lupins narbige, raue Lippen an seinen lösten etwas in ihm aus, das seinen ganzen Körper erzittern ließ. Seine Knie fühlten sich an wie Kürbispudding, sodass er sich haltsuchend gegen die kalte Steinwand lehnte. Die Arme des anderen schlangen sich um seine Hüften, als befürchte er, Severus könnte es sich anders überlegen und gehen. Er wusste, dass er das sollte…aber er konnte nicht. Severus wollte das hier. Aus welchem banalen Grund letztendlich auch immer wollte er Lupin auf diese Weise nahe sein und diese Gefühle auskosten…und es fiel ihm diesmal noch leichter, die Finger unter den Umhang des anderen wandern zu lassen. Niemand würde hiervon je erfahren. Das war von nun an ihr Geheimnis. Kapitel 29: Zukunftspläne ------------------------- „Habt ihr schon gesehen? Sie haben die Termine für die Prüfungen am Schwarzen Brett ausgehängt!“ „Mann, hör auf, davon zu reden!“ „Ja…ich hab jetzt schon Bammel…“ „Ach was! Wenn man sich genug vorbereitet…“ „Ich weiß noch gar nicht, was ich nach der Schule machen soll…“ „Dafür gibt’s doch diese Gespräche mit den Hauslehrern?“ „Also, ich möchte im Ministerium arbeiten. Meine Mom arbeitet auch da…“ Remus spürte, wie das eigentlich leckere Sandwich mit Schinken plötzlich pappig in seinem Mund wurde. Der Appetit verging ihm direkt bei dem Thema, denn es beschäftigte ihn seit Monaten. Je näher der Abschluss rückte, umso größer wurden seine Existenzängste. Die Gespräche, die sich an diesem Morgen in der Großen Halle nur darum zu drehen schienen, machten es nicht besser. Als Werwolf hatte er nun einmal nicht dieselben Voraussetzungen wie andere Zauberer und Hexen. Da konnten seine Noten noch so gut sein, es würde schwer für ihn werden. Verheimlichen würde er es dauerhaft nicht können, schließlich würde es auffallen, wenn er einmal im Monat für einige Tage verschwand. Nein, ein Geheimnis daraus zu machen, würde nicht möglich sein. Missmutig sah er auf das Sandwich in seinen Händen, ehe er es zurück auf den Teller legte und nach dem Kürbissaft griff. „Wie die sich alle verrückt machen…“, hörte er James sagen, welcher ihm gegenüber saß. „Also ich weiß schon ganz genau, was ich machen werde…“ „Deine Eltern sind reich, Krone…du kannst machen, was du willst“, kam es sarkastisch von Sirius, doch er grinste dabei. „Und?“, erwiderte James schnippisch und fuhr sich durch seine wilden Haare. „Ich will mich ja nicht darauf ausruhen, sondern selbst was erreichen!“ „Und was könnte das nur sein…“ „Bestimmt etwas mit Quidditch!“, meinte Peter neben ihm voller Enthusiasmus. Kurz kam Remus der Gedanke, dass ihr Freund vielleicht mehr Zeit darauf verwenden sollte, sich Gedanken um seine eigenen Ziele zu machen, doch im selben Moment schämte er sich dafür. Es war nicht Peters Schuld, dass ihm dieses Thema so auf den Magen schlug. „Richtig! Sogar McGonagall meint, dass ich Chancen habe, international zu spielen! Stellt euch das mal vor…“ Verträumt blickte James vor sich hin, so als sähe er seine Zukunftsvision direkt vor sich. Sirius verdrehte die Augen, stieß seinem besten Freund den Ellenbogen in die Seite. „Damit du noch arroganter wirst? Nein, danke…und außerdem werde ich sowieso einen viel cooleren Job haben!“ „Ja, klar…ich seh dich schon vor mir, Tatze…so als Filchs Nachfolger“, feixte James und Remus musste trotz seiner Sorgen schmunzeln. „Mit Mrs Norris auf der Schulter…wie so ein Geier. Wette, die überlebt Filch…“ Peter prustete in seinen Kürbissaft, bekleckerte seinen Umhang damit, jedoch schien er es zunächst gar nicht zu bemerken. Sirius dagegen rollte mit den Augen, wobei man merkte, wie er sich das Grinsen verbeißen musste. „Als ob…wobei…dann könnte ich miese, kleine Rotzgören an ihren Daumen aufhängen!“ Er imitierte Filchs Stimme und dessen finsteren Ausdruck erschreckend gut, während er mit den Daumen wackelte. „Aber ernsthaft…ich hab was Besseres vor! Und zwar werde ich Auror!“ Peter blinzelte, ehe wieder dieses Leuchten in seine Augen trat. „Oh, das ist so cool...“, seufzte er, was Sirius stolz das Kinn recken ließ. „Aber doch auch sehr gefährlich, oder?“ „Ach…was ist das Leben ohne Risiko? Aber mal ehrlich, ich glaub, das würde wirklich gut zu mir passen und meine Noten sind auch gut genug“, meinte Sirius nachdrücklich, ehe er noch leiser anfügte: „Außerdem…wer kennt sich mit schwarzmagischen Zauberern und Hexen besser aus als ich?“ Remus nickte leicht, musste zugeben, dass Sirius da nicht Unrecht hatte, wenn man so an dessen Familie dachte. Da ihr Freund mit dieser schon länger gebrochen hatte und inzwischen bei James wohnte, würde ihm diese Verbindung auch keine Gewissensbisse bringen. Jedenfalls schätzte er Sirius nicht so ein, wenn er ihn über seine Familie reden hörte. „Stimmt“, ergriff James das Wort und lächelte seinen Freund an. „Ich glaub auch, dass du dafür geeignet bist – und falls nicht, kann ich bei Filch bestimmt ein gutes Wort einlegen.“ „Wenn du das noch einmal sagst, tunk ich deinen Kopf in den Kürbispudding, Krone…“ „Dafür müsste ich dir Punkte abziehen, Black – und das will, glaube ich, keiner von uns, hm?“ „Du bist und bleibst ein Spielverderber, Evans…“, maulte Sirius, als sich die Rothaarige neben ihren Freund setzte, welcher wie ein Honigkuchenpferd grinste. „Regeln sind Regeln – auch wenn James es bestimmt verdient hat.“ „Hey! Auf welcher Seite stehst du, Lily?!“, empörte sich James, woraufhin sie schmunzelte. „Natürlich auf der Seite der Gerechtigkeit“, antwortete sie und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. Remus lächelte, während er seine Freunde beobachtete…und wieder daran denken musste, dass dies bald vorbei sein würde. Lily und James kapselten sich jetzt schon öfter von der Gruppe ab…wie würde es erst sein, wenn sie getrennte Wege gingen? „Wobei habe ich eigentlich gestört?“, hörte er sie fragen und blickte auf. „Zukunftspläne“, erwiderte er mit einem müden Lächeln. Es war das erste Mal an diesem Morgen, dass er sich an dem Gespräch beteiligte, und das fiel wohl gerade auch James und Sirius auf, denn sie tauschten einen kurzen Blick. Remus wusste, dass keiner von ihnen wollte, dass er sich schlecht fühlte. Da er nicht wollte, dass sie sich schuldig fühlten, wandte er sich Lily zu. „Weißt du schon, was du später machen möchtest?“, fragte er sie freundlich, woraufhin sie stockte. Es kam selten vor, dass Lily Evans keine taffen Worte parat hatte, umso irritierender war es, wie still sie plötzlich wurde. Sie räusperte sich, strich sich eine rote Haarsträhne hinters Ohr. „Na ja…ich hatte überlegt…“ Sie warf einen schnellen Seitenblick zu James, welcher ihr ermutigend zunickte. Daraufhin straffte sie ein wenig die Schultern und lächelte. „…vielleicht werde ich Lehrerin. Ich habe schon mit Professor McGonagall darüber gesprochen und sie meinte, dass ich alle Voraussetzungen erfülle.“ Remus‘ Lächeln wurde wärmer, als er das hörte, denn er musste ihrer Hauslehrerin zustimmen; Lily wäre sicher eine fantastische Lehrerin. Sie war klug genug, diszipliniert und einfühlsam. „Da hat sie Recht. Du wärst sicher eine tolle Lehrerin. Hm…weißt du schon, welches Fach du unterrichten möchtest?“ „Nun…so ganz habe ich mich da noch nicht festgelegt, aber in der engeren Auswahl ist auf jeden Fall Zaubertränke. Ich bin ziemlich gut darin und es macht mir Spaß…“ Remus entging nicht, wie ihr Blick nur für einen Wimpernschlag zum Tisch der Slytherins rüber flackerte. Er hoffte innig, dass es bloß ihm aufgefallen war…andernfalls würde das später Ärger geben. Er konnte Snape nicht sehen, saß mit dem Rücken zu dessen Tisch. James wirkte für einen Moment skeptisch, schien zu überlegen, ob er sich dazu kritisch äußern sollte. Anscheinend hatte er jedoch dazu gelernt, denn er lächelte Lily an. „Das würde jedenfalls gut zu dir passen – immerhin bist du Slughorns Liebling!“ „James…“ „Ist doch so! Wäre er nicht so ein alter Sack und unser Lehrer, wäre ich eifersüchtig, so wie er von dir schwärmt…hach, Miss Evans hier, hach…haben Sie schon gesehen, was Miss Evans da wieder Wundervolles vollbracht hat?“ Während er Slughorns Tonfall nachmachte, klemmte er sich die Serviette zwischen Nase und Oberlippe, was an den buschigen Schnauzbart erinnerte. Sirius und Peter brachen in schallendes Gelächter aus, wohingegen Lily rot wurde und ihren Freund anfauchte, damit aufzuhören. Vermutlich um abzulenken, wandte sie sich dann ihm zu. „Was hast du für Pläne, Remus?“ Remus öffnete den Mund, sah in die Gesichter seiner Freunde…und haderte mit sich. Er wusste nicht, ob er darüber reden wollte. Natürlich hatte er Wünsche und Ziele…nur war er sicher, dass sie sich schwer oder gar nicht umsetzen ließen. Daher setzte er bloß ein schiefes Lächeln auf. „Ich weiß noch nicht genau, in welche Richtung ich möchte“, log er, woraufhin sie die Stirn runzelte. „Wirklich? Also, ich finde, du würdest auch einen richtig guten Lehrer abgeben! Mit deinen Noten…qualifiziert wärst du jedenfalls. Dann könnten wir Kollegen sein!“ Zumindest bis jemand rausfand, was er war, und die Eltern vor der Tür stehen würden, um seine Entlassung zu fordern. Dabei lag Lily gar nicht mal so falsch, denn er hatte diesen Beruf schon mal in Betracht gezogen. „Ja…ich…wie gesagt, ich überlege noch, aber das wäre wirklich schön“, wiegelte er sie ab und auch wenn sie durch seine Zurückhaltung irritiert wirkte, beließ sie es dabei. „Und was habt ihr anderen vor?“, fragte sie an Peter und Sirius gewandt. Während der Kleinste von ihnen herumdruckste, dass er erstmal die Prüfungen würde schaffen müssen, grinste Sirius sie stolz an. Er schien bereits in seiner Vorstellung, ein Auror zu sein, aufzugehen und trotz allem freute es Remus, ihn so zu sehen. Sirius‘ Leben war bisher ebenfalls nicht leicht gewesen. „Ich werde Auror und dann jage ich schwarzmagische Schleimbeutel wie Schn- ja, also…schwarze Magier und Hexen halt.“ Bei Lilys finsterem Blick und dem Ellenbogen, den James ihm reingerammt hatte, hatte er lieber eingelenkt. Remus wusste, was er hatte sagen wollen, so wie sie alle. Auch wenn James seinen besten Freund nur wegen Lily davon abgehalten hatte, Snape zu erwähnen, war er froh darüber. Seitdem das zwischen Snape und ihm lief, fiel es ihm noch schwerer, die gehässigen Kommentare seiner Freunde zu ignorieren. Er hatte jedes Mal das Gefühl, den Slytherin verteidigen zu müssen, doch wenn er es vorsichtig versuchte, bellte Sirius ihn meistens an, ob er jetzt Schniefelus‘ Freund sei und auf wessen Seite er stehen würde. James sah ihn immer so durchdringend an und auch wenn er weniger aggressiv als Sirius war, merkte Remus, dass es ihm missfiel. Peter dagegen fiel meistens in Sirius‘ Anschuldigungen mit ein und ließ nebenbei noch ein paar schlimme Wörter über Snape fallen. Wenigstens beließen sie es mittlerweile bei Wörtern…denn bislang hielt sich sogar Sirius mit Zaubern zurück. Vielleicht war sein neuer Berufswunsch der Grund dafür, sodass er nicht negativ auffallen wollte. Er wusste es nicht, doch Snape verhielt sich genauso. Giftige Wortgefechte, aber ansonsten blieben beide Seiten…ruhig. „Erstmal müssen wir sowieso die Prüfungen bestehen“, lenkte James ein, wohl vor allem, um die Situation zu entschärfen. Glücklicherweise ging Lily auch nicht weiter auf Sirius‘ Worte ein, sondern erwähnte Schwerpunkte, mit denen sie mit Professor McGonagall und Slughorn gesprochen hatte. Remus seufzte innerlich, stützte das Kinn in die Handfläche, während er vor sich hin schaute und die Gedanken schweifen ließ. Die Prüfungen jagten ihm nicht halb so viel Angst ein wie die Aussicht auf seine Zukunft. „Bei Merlin…“ Remus spürte, wie Snape seinen heißen Atem gegen seinen Hals schnaubte, kaum dass die Worte seinen Mund verlassen hatten. Der hagere Körper des Slytherin lag auf seinem, bebte noch leicht vom Orgasmus. Die Finger der freien Hand hatten sich in seinen Umhang gekrallt – Snape weigerte sich strickt, Lupin mehr Haut als nötig zu zeigen –, während er die andere Hand langsam unter seinem Umhang hervorzog. Wie seine eigene war sie feucht, doch mittlerweile hatten sie sich beide daran gewöhnt. Ein kleiner Reinigungszauber würde alle Spuren beseitigen. „Hn…nenn nicht Merlins Namen dabei…“, hörte er Snape murren, doch wenigstens blieb er bei ihm liegen. Nicht selten bei ihren Treffen erhob sich Snape sofort danach, murmelte den Zauber, richtete seine Kleidung und verschwand. Anscheinend hatte der andere heute einen…emotionalen Tag, das sollte Remus wohl ausnutzen. Er ließ die saubere Hand weiterhin unter dessen Umhang liegen, streichelte sanft seinen Rücken, fuhr die Wirbelsäule nach. Snapes Haut war so dünn und blass wie Papier, sodass man jeden Knochen überdeutlich fühlen konnte. Was viele sicher unansehnlich fanden, weckte bei ihm das Interesse. Remus hatte selbst genügend Makel…wie seine Narben. Er war ständig erschöpft von den Nächten als Werwolf…und dass Snape dieses Geheimnis kannte, erleichterte ihn ebenso wie die Tatsache, dass dieser nicht perfekt war. Sie teilten sein Geheimnis, wenn auch unfreiwillig…und sie hüteten ein gemeinsames. Es fühlte sich jedes Mal wieder neu und aufregend an, obwohl Snape ihn zwischendurch von sich stieß. Nach allem, was er über den Slytherin wusste, wunderte es ihn nicht. Trotzdem es manchmal schwer war, wollte er genügend Geduld aufbringen, um Snape näher zu kommen. Näher als nur auf körperlicher Ebene, doch das brauchte nun mal seine Zeit. „…worüber habt ihr gesprochen?“ Remus blinzelte, als er die Frage vernahm, sah runter zu Snape, dessen Gesicht er nicht sehen konnte. „Hm?“ „Heute Morgen. Am Tisch“, brummte dieser mit Nachdruck und ohne sich zu lösen. „Oh…ach das…“, fiel es dem Gryffindor wieder ein und er räusperte sich. „Uhm…über die Prüfungen und…über Zukunftspläne…“ „Tse…also über Potters glänzende Karriere, die seine Selbstüberschätzung und Arroganz ins Unermessliche steigern wird. Black wird sich wohl weiter von ihm aushalten lassen, huh?“ Remus wusste nicht sofort, was er zu so viel Gift sagen sollte, sodass er erstmal schwieg. Seine Streicheleinheiten stoppten, bis er sich gefangen hatte und zu Snape runter sah. „James hat gute Chancen, mit Quidditch erfolgreich zu werden…und Sirius hat ebenfalls ein Ziel. Es wäre wirklich nett, wenn du aufhören würdest, so über meine Freunde zu reden.“ Snapes Antwort bestand aus einem abfälligen Schnauben, ehe er sich zu seinem Leidwesen von ihm herunterrollte und sich aufsetzte, dabei seine Kleidung richtete. Innerlich seufzte Remus, doch er sagte nichts, sondern tat es ihm gleich. Sie hatten einen ungenutzten Raum in den Kerkern gefunden, eine einfache Decke auf den kalten Steinboden gelegt. Morgen würde ihm sicher wieder der Rücken wehtun, aber na ja…kein Unterschied zu sonst. Es war kalt und feucht, aber hier würde sie hoffentlich niemand erwischen. „Welche Pläne hat Lily?“ Remus blickte auf, als Snape die Frage in neutralem Tonfall stellte, so als hätte er gefragt, wann sie wieder in der Bibliothek lernten. Täuschen konnte er ihn damit nicht und auch, wenn es schmerzte, gab er ihm eine Antwort. „Sie möchte Lehrerin werden…möglicherweise für Zaubertränke, aber ganz sicher ist sie noch nicht.“ Snape, der sich soeben die schwarzen Haare aus dem Gesicht gestrichen hatte, hielt merklich inne. Seine dunklen Augen leuchteten und Remus musste Gedanken nicht lesen können, um zu ahnen, dass ihm diese Tatsache etwas bedeutete. Allerdings verschwand dieser Ausdruck recht schnell wieder und er fuhr fort, Haare und Kleidung zu glätten. „Hn. Sie würde es zweifellos schaffen – wenn ihr Potters permanenter schlechter Einfluss keine Steine in den Weg legt.“ „Snape…“, knurrte Remus, doch der andere ging gar nicht darauf ein. Es war so schwierig mit ihm. Remus fragte sich, warum nicht einmal etwas in seinem Leben ganz normal und…leicht verlaufen konnte. Er war ein Werwolf, würde vermutlich keine Anstellung finden, seine Freunde nur noch ein-zweimal im Jahr sehen…und er war in die komplizierteste Person der Welt verliebt. Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. „Was…ist eigentlich mit dir?“, zwang er sich zu fragen und spürte sein Herz schneller schlagen. „Die Zukunft…wie stellst du sie dir vor?“ Und damit meinte er nicht unbedingt die berufliche Zukunft, sondern auch sie beide. Snape würde das hier nicht zulassen, wenn er keine Gefühle für ihn hätte. Wenn es ihm nicht irgendwas bedeuten würde. Sie waren beide anders…teilten Geheimnisse und dieselben Neigungen. Konnte das reichen? Es wäre schön, nicht völlig allein zu sein. Snape war ein Einzelgänger ohne Freunde…vielleicht konnten sie zusammen… „Ich habe viele Ziele“, brach Snape die Stille. „Eine Option wäre es, nach schwarzmagischen Artefakten in fernen Ländern zu suchen und damit zu handeln. Wie viele Zauberer und Hexen sich darum reißen würden, sie in die Hände zu bekommen. Macht und Reichtum…ich werde sicherlich nicht für immer in diesem widerlichen Loch wie ein nichtsnutziger Muggel leben! All jene, die mich unterschätzen und verspotten…werden dies bereuen.“ Remus blickte ihn stumm an, wusste nicht, was er sagen sollte; das hatte er eigentlich nicht gemeint. Allerdings wollte er nicht genauer wegen ihnen beiden nachhaken…die Angst vor einer Abfuhr war zu groß. Vielleicht würde Snape irgendwann ja auch den Wunsch verspüren, sich mit ihm ein gemeinsames Leben aufzubauen. Wenn er jetzt davon anfing…nein, das würde diesen bestimmt nur von ihm wegtreiben. „Na ja…das ist doch…eine Idee…“, murmelte er mit einem schiefen Lächeln. Und es war besser als das, was vor allem Sirius über Snape verbreitete. Dass dieser ein Todesser werden und sich diesem Dunklen Lord anschließen würde. Allein die Vorstellung bereitete Remus Magenschmerzen, von daher war ihm Snapes Antwort eindeutig lieber. Nur weil Snape ab und zu mit Rosier und einigen anderen Slytherins rumhing und sprach, musste er ja nicht gleich dieser Sekte beitreten. Zumal Sirius sowieso nie ein gutes Haar an Snape ließ… „Ich nehme an, du hast keine Ziele.“ Remus zog die Brauen zusammen, sah Snape an, welcher sich gerade an die Wand lehnte. „Du denkst, ich mache mir keine ernsthaften Gedanken über die Zukunft?“, wollte er verärgert wissen. „Nun, das will ich nicht bestreiten…ich glaube nur nicht, dass sie realistisch sind.“ Manchmal fragte sich Remus, ob Snape in Momenten wie diesen überhaupt merkte, wie verletzend seine Worte waren. Natürlich hatte er Recht, doch hin und wieder sollte man nicht alles aussprechen, was man dachte. Zerknirscht lehnte er sich ebenfalls an die Wand, blickte verbittert an die Spinnweben in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes. „Heiler.“ „…bitte?“ „Du hast richtig gehört. Ich möchte Heiler werden“, beharrte Remus und funkelte ihn an. „Ich…wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich Krankheiten heilen…oder Tränke entwickeln, die Schmerzen lindern. Etwas, das den Leuten hilft…Leuten wie mir und…ich denke, dass dein Heiltrank dazu beigetragen hat, Snape. Ich…war so froh damals und…auch wenn ich weiß, wie unrealistisch es ist, dass ich auch nur die Chance erhalte…wäre es das, was ich gern machen würde.“ Snape sah ihn immer noch verdutzt an, doch Remus hatte keine ermutigenden Worte erwartet. Wenn der andere ihn nicht weiter runterziehen würde, wäre es ihm schon genug, doch er rechnete lieber nicht damit. Tatsächlich war Snape recht lange schweigsam. Es war schwer zu sagen, was in seinem Kopf vorging, doch schließlich schnaubte er, wich seinem Blick aus. „Unrealistisch? In der Tat“, murmelte er. „Niemand stellt einen Werwolf als Heiler ein. Das ist paradox, Lupin. Darauf wird sich niemand einlassen, dem sein Ruf ein Fitzelchen wert ist.“ Remus lächelte freudlos, erwiderte nichts darauf; was hatte er sich auch dabei gedacht, seine Träume mit jemandem wie Snape zu teilen? Er war ein Idiot. „…allerdings heißt es auch, dass Werwölfe nicht zur Schule gehen – und dennoch hat mich letztes Jahr beinahe einer gefressen.“ Remus hob den Blick langsam wieder, fixierte Snape, aus dessen Verhalten er nicht schlau wurde. „…ist das der zynische Versuch…mir Mut zuzusprechen?“, fragte er ungläubig. „Falls ja, mache ich mir Sorgen um dich, Snape. Das sieht dir nicht ähnlich.“ Snape schoss ihm einen zornigen Blick zu, doch der leichte Rotschimmer auf den blassen Wangen entging Remus selbst in dem spärlichen Licht nicht. Oh? Hatte er etwa…ins Schwarze getroffen? Er spürte wieder diese Wärme in seinem Inneren…das Glück durch seine Adern strömen. Vielleicht war doch nicht alle Hoffnung bezüglich seiner Beziehung mit Snape verloren? „Nein, jemand hat sich mithilfe von Vielsafttrank in mich verwandelt!“, fauchte dieser ihn an. „Behalt deine lächerlichen Träume für dich, wenn dir nicht passt, was ich- hmpf!“ Remus ließ diesen nicht ausreden, hatte ihn am Kragen seines Umhangs gepackt und zu sich heran gezogen. Das warme Lächeln lag immer noch auf seinen Lippen, als er Snape übermütig küsste. Dieser stemmte erst die Hände gegen seine Brust, schien sich wehren zu wollen…doch dann grub er die Finger in den Stoff seines Umhangs, erwiderte den Kuss nicht weniger intensiv. „Idiot…“, hörte er ihn gegen seine Lippen nuscheln. Remus schmunzelte, ohne den Kuss zu lösen. Das war er wohl. Ein hoffnungsloser Idiot…aber vielleicht meinte es das Schicksal zur Abwechslung ja mal gut mit ihm. Snape hatte eben versucht, ihm Mut zuzusprechen. Zwar auf seine eigene verschrobene Weise…aber dass er es überhaupt getan hatte, grenzte an ein Wunder. Das erste Mal an diesem Tag wurde ihm etwas leichter ums Herz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)