Mogelpackung von Aislynn (Sasuke/Sakura) ================================================================================ Kapitel 7: Ein neues Bild ------------------------- Kapitel 7 Ein neues Bild [Montag, 13 Juli, 07:57 Uhr] Am nächsten Morgen, wie gewohnt auf seinem Platz im Klassenraum, fühlte Sasuke sich im Allgemeinen sehr zufrieden. Der Grund dafür war ziemlich simpel, denn ein ganz bestimmter Sitz war leer. Er konnte nur stillvergnügt in sich hinein grinsen ob des mutmaßlichen Widerwillen des Schülerratvorsitzenden, heute mit einer sicherlich professionell gerichteten und dennoch geschwollenen Nase aufzukreuzen. Zwei seiner Kumpane waren ebenfalls absent, der Rest seiner Clique hielt sich fromm im Hintergrund und durchbohrte ihren schweigsamen, schwarzhaarigen Klassenkameraden nur mit stechend düsteren Blicken. Das störte Sasuke herzlich wenig, nicht ungleich vielen anderen Dingen um ihn herum, auch wenn er davon absah, seine Deckung herunterzunehmen. Man konnte schwer abschätzen, in welche Richtung das Ganze hier noch verlaufen würde, doch er nahm stark an, dass Seiichiros Lakaien ohne die Präsenz ihres Anführer nicht radikal agieren würden. Bis zu den Abschlussprüfungen und der Abschlussfeier blieben kaum ein paar Wochen und ein kleiner Teil von ihm wunderte sich, ob es vielleicht noch zu schaffen war, das alles ohne großartige Exzesse hinter sich zu bringen. Wie unerwartet doch seine ganzen gewaltlosen Pläne über Bord geworfen wurden mit dem unvorhergesehen Eintritt eines spezifischen, lieblichen Geschöpfs in sein einsiedlerisches Leben. Gleich beim Thema bleibend, genau dieses eine liebliche Geschöpf war nunmehr im Vordergrund seiner Bedenken. Seiichiro hegte bereits einen ernstzunehmenden Groll gegen ihn und wenn er erfahren würde, dass Sasuke und Sakura sich näher gekommen waren, als es jemand, sie selbst mit eingeschlossen, je erwartet hätten, würde er es als eine direkte, wenn nicht gar dreiste, Herausforderung ansehen. Sein Nemesis, mit dem Mädchen, das er selbst haben wollte und nicht gekriegt hatte? Einen tieferen Kratzer an seinem Ego könnte man gar nicht setzen, insbesondere wo er es schon mehr oder minder vor der ganzen Schule attestiert hatte, dass Sakura 'seins' war. Sasuke hoffte einfach nur, der Großteil der Verstimmung und Ärgers würde sich auf ihn selbst konzentrieren - er konnte sich mehr als gut und effektiv gegen Seiichiro zu Wehr setzten, Sakura hingegen würde dem Bastard nicht viel entgegenzusetzen haben. Nun... abgesehen von Sasukes schützender Hand über ihr, natürlich. Die Frage, die sich stellte... was war nun besser? Zwischen die Fronten geraten würde sie so oder so, doch welche Herangehensweise würde sie am wenigsten in Gefahr bringen? Dem allgemeinen Verständnis nach gingen sie nun mehr oder weniger miteinander aus, und es gab genau zwei Möglichkeiten, wie man das handhaben könnte. Die erste war, sich offenkundig dazu zu bekennen und allen klar zu machen, dass da jetzt irgendwie irgendwas zwischen ihnen beiden lief und Sakura nunmehr in Ruhe gelassen werden sollte, es sei denn, sie wollten sich Probleme mit ihm einhandeln. Danach würden sie beide sicherlich keine ruhige Minute mehr haben und insbesondere Seiichiro wäre dann mehr als nur eine große Gefahr, es wäre immerhin das krasseste 'fick dich' fett in sein Gesicht geschmissen, das er wahrscheinlich je in seinem ganzen Leben erfahren hatte. Die zweite Option war, das Ganze mehr oder minder verdeckt zu halten und drauf bauen, dass Seiichiro Sakura auch so in Ruhe lassen und die Wucht seiner Aggressionen auf Sasuke konzentrieren würde. Das würde bedeuten, die Kleine wäre weitestgehend auf sich allein gestellt, zumindest in der Schule, und sie beide würden so tun, als ob sie sich kaum kannten und der spontane Rettungsversuch von Samstagnacht das Einzige war, das sie irgendwie verband. Wenn Sasuke die Karten richtig spielte und ein paar Andeutungen fallen ließe, dass es ihm an besagtem Abend weniger um Sakura gegangen war als darum, Seiichiro eins auszuwischen, könnte das durchaus sehr glatt von der Bühne gehen. Der eine große Haken daran war... Sasuke hasste es, sich zu verstellen und fast schon seifenopernreife Szenarien auszuspielen. Er war der direkte Typ und er stand zu allem, was er sagte, tat oder war. Das Problem war nur, hier ging es nicht mehr einzig und allein um ihn, sondern auch um einen anderen Menschen, der viel zerbrechlicher und schutzloser war, als er selbst. Er konnte mit einem Haufen grenzdebiler Wichtigtuer mit viel Muskel und keinen Hirn, diese einzusetzen, in einer dunklen Gasse fertig werden, weder steckte er in einem komplexen sozialen Netz, wo ein falscher Schritt die Verachtung und moralische Schläge unter die Gürtellinie von der Hälfte der Umgebung einhandeln würde. Er hatte keine Schwachpunkte gehabt, auf die er besonders achten musste und jetzt könnte Sakura sehr wohl zu einem werden, denn er würde gewiss nicht mehr untätig daneben stehen können, sollte jemand ernsthaft ihre Integrität bedrohen. Er fühlte sich im gewissen Sinne für sie verantwortlich und abstellen ließ es sich nicht mehr, ganz egal, ob's ihm gefiel oder nicht. Die Stirn in Falten gelegt schaute der zurückgezogene Junge nachdenklich aus dem Fenster. Die ganze Sache fing an, sich als unglaublich kompliziert zu gestalten und Sasuke hasste Komplikationen. Er hatte immer gewollt und war stets darum bemüht gewesen, sich aus den verworrenen Angelegenheiten in der Schule raus zu halten und jetzt würde er sich womöglich bis zum Halse darin versunken finden. Nun, er war aber auch niemand, der über verschüttete Milch jammerte, eher holte er den Lappen und wischte sie auf. Es blieb einfach nur abzuwarten und abzusehen, wie sich alles Weitere entwickeln würde. Sakuras Start in den Schulalltag war in der Hinsicht ein komplett anderer denn Sasukes. Sie hatte keine Gelegenheit, auf ihrem Platz still vor sich hin zu brodeln und ihre Klassenkameraden umringten sie im Gegensatz zu seinigen unmittelbar nach dem Ertönen der ersten Pausenklingel. "Erzähl schon, Sakura! Wie war dein Date mit Seiichiro-sama?" "Wie war es in dem Club?" "Habt ihr getanzt?" "Seid ihr jetzt zusammen?" "Habt ihr euch geküsst?" Sie starrte angestrengt in ihr Schulbuch, während ihr Gehirn fieberhaft daran arbeitete, mit irgendeinem halbwegs plausiblen... Etwas aufzukommen. Lüge, Erklärung, Flunkergeschichte. Sie konnte ja wohl kaum die Wahrheit sagen, oder? Es schien, als hielt Seiichiro zu allem die Klappe und er hatte sich übers Wochenende wohl auch zu niemandem explizit darüber geäußert, wenn noch keiner mit irgendwelchen saftigen Details um sich warf und alle so neugierig drauf waren, irgendetwas zu erfahren. Er musste absolut angepisst sein... Ihr wurde unglaublich mulmig zumute. "Ne, ich hab gehört, der Abend wurde euch versaut!" Sie spitzte die Ohren ob der Aussage und schaute endlich auf zu dem Mädchen, das gesprochen hatte. Begeistert wegen der Tatsache, das alle Aufmerksamkeit nun auf ihr ruhte und völlig aufgeregt darüber, der nach Informationen hungrigen Meute bereitwillig einen Dienst zu erweisen, sprudelten die Worte hastig aus besagter Person heraus, insbesondere da die pinkhaarige Schönheit, um die es ging, nicht sonderlich gewillt schien, mit ihnen zu teilen. "Minamis Bruder war dort gewesen, und sie sagte er hat dich und Senpai nacheinander aus dem Club verschwinden sehen, und dass Sasuke euch gefolgt war. Danach sind weder du noch Senpai wieder reingekommen, obwohl alle seine Freunde noch da waren und irgendwann hat seine ganze Clique ziemlich hastig den Club verlassen! Man hat gemunkelt, der Uchiha und Seiichiro-sama haben sich irgendwie in die Haare gekriegt." Sakuras fein geschwungene Augenbrauen zogen sich zusammen. Minami war eine schreckliche Tratschtante, aber ausnahmsweise war ihre Tratscherei diesmal ziemlich nah an der Wahrheit. Natürlich wusste Sakura selbst, dass es ein reiner und für sie unheimlich glücklicher Zufall gewesen war, dass Sasuke ihnen beiden raus gefolgt war, aber solch eine simple Erklärung würde die gerüchts- und sensationsgeile Herde in der Schule nie und nimmer zufrieden stellen. "Ich hörte, dieser Uchiha-Typ arbeitet doch in dem Club. Hat er euch etwa die Stimmung verdorben, so wie bei Najimura letzte Woche?" "Wieso? Ist er dort die Anstandsdame, oder was?" Gelächter und Gekicher. Es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand- "Was, hat er dich und Senpai beim Rummachen erwischt und versucht, euch rauszuschmeißen?" -irgendetwas Dummes sagen würde. Was alle anderen dennoch unglaublich unterhaltsam finden würden und das- "Vielleicht war er ja einfach nur neidisch." -aus den Proportionen geblasen und ins Lächerliche gezogen werden würde. Mehr höhnisches Gegrunze und dämliches Gegluckse, und es würde sich stets irgendein ausgesprochen forscher Hampelmann finden, der sich das Maul zerreißen und die Sache- "Drauf wett' ich! So wie der drauf ist, kriegt er doch nie eine ab!" -ins Extrem treiben musste. Es donnerte eine weitere Lachsalve, uns Sakuras Hand zuckte spastisch in eine Faust um ihren Bleistift. Wieso taten die Leute das... Wieso nur... wieso mussten sie immer... Wut stieg in ihr auf, Sasuke hatte es nicht verdient, dass man so über ihn redete. Besonders nicht, nachdem er sie vor einem der schlimmsten Dinge, die einem Menschen widerfahren konnten, bewahrt hatte. Spott und Verachtung, war das wirklich der Dank, den er dafür bekam? Wie viele von diesen verwöhnten Mistkröten hatten je etwas Gutes für irgendjemanden getan, geschweige denn, die eigene körperliche Unversehrtheit dafür riskiert, um jemand anderem zu helfen? Das war nicht gerecht... Das war nicht gerecht. Das war nicht gerecht! Doch wenn sie ein Thema zu ihrer Belustigung ausrollten- "Und ich kann mir auch vorstellen, warum! Der hat wahrscheinlich 'nen richtig Kleinen in der Hose!" -ließen sie nicht mehr davon ab. Wie Hyänen, die an einem blutigen Kadaver nagten. Sakura wurde schlagartig übel vor Abscheu und Empörung, die in ihr schon fast überkochten ob der Widerwärtigkeiten und dem ekelhaftem Spottgelächter, die ihre Gehörgänge bestürmten. Sie wusste, dass überall in der Schule wahrscheinlich nicht minder heftig in der gleichen Art und Weise Scheiße auch über sie geschüttet wurde, aber bis jetzt hatte sie nicht gewusst wie unglaublich schmerzhaft es war, zuzuhören, wenn jemand, der dir etwas bedeutete, verbal dermaßen durch den Dreck gezogen wurde. Es tat so weh, sie fühlte sich den Tränen des Jähzorns und der Demütigung nahe. Haltet die Klappe. Haltet die Klappe. Haltet die Klappe. "Den er bestimmt nicht mal hochkriegt, wenn er ein nacktes Mädel sieht! Und irgendwie muss er ja kompensieren!" Unerwartet für alle Beteiligten schoss Sakura im nächsten Augenblick auf die Füße, die abrupte Bewegung schreckte alle um sie herum auf, weil sie dabei ihren Stuhl umgekippte und fast ihren Tisch umgestoßen hatte. Ihr zierlicher Körper wirbelte herum, ein gefährliches Feuer lichterloh brennend in tiefgrünen Augen, die sich in das Gesicht des Jungen bohrten, aus dessen Mund all jene Abscheulichkeiten gekommen waren. Die Faust um ihren Bleistift war so fest, ihre Fingernägel schnitten unangenehm in die Haut der Handfläche, nicht, dass es sie im geringsten kümmerte als sie ausholte. "Schnauze!" Ihre helle, erbitterte Stimme rang durch den Raum und keine Sekunde später schlug sie ihm ins Gesicht mit all der zornverstärkten Kraft, die sie nur aufbringen konnte. Es haute den Jungen von den Füßen und begleitet von den aufgeschreckten Schreien und erschüttertem Gekreische ihrer Mitschüler krachte er zu Boden, wo er sich prompt die Hände über seinem schändliches Maul zusammenschlug. Aus der geplatzten Lippe quoll Blut und der metallische Geschmack füllte auch seinen Mund, in dem wohl der ein oder andere Zahl ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden war. Sakuras wohlgeformte Brust hievte sich schnell und unregelmäßig, die Atmung beschleunigt in überschäumender Wut als sie den Liegenden mit hasserfüllten Blicken erdolchte, während alle anderen sie geschockt anstarrten. "Sakura! Was um Himmels Willen machst du da?!" Der entsetzte Aufschrei der Lehrerin holte sie in die Realität zurück, zusehend, wie die junge Frau zu ihnen hastete und sich durch den Kreis der Schaulustigen zum angeblichen Opfer vordrängte, um sich neben ihm zu knien. "Mein Gott, Azumasa-kun, bist du in Ordnung?!" Sie inspizierte das blutende Gesicht des Jungen, der bis dahin die Schockstarre überwunden hatte und in Tränen ausbrach, scharlachrote Flüssigkeit tropfte ihm dabei auf das weiße Hemd der Schuluniform. Sakura hingegen verspürte bei dem Anblick nichts außer Zufriedenheit und Genugtuung. Hirnloser Schlappschwanz, geschieht dir Recht. Denk das nächste mal nach, bevor du dein dreckiges Maul aufreißt. Wenn sie könnte, würde sie nachtreten wollen. "Hideki, Minoru! Bringt ihn zum Krankenzimmer, schnell!" Forderte die Lehrkraft zwei Jungs auf, und diese beeilten sich, ihren blutenden Klassenkameraden unter die Arme zu greifen und ihn auf die Füße zu helfen, um ihn aus dem Raum zu führen. Die Pädagogin indes stand auf und griff Sakura unsanft am Oberarm, um das Mädchen hinter sich her zu ziehen. "Haruno, du kommst mit mir! Zum Direktor!" Es gab keinen Widerstand von Sakuras Seite, sie ließ sich den Flur Richtung des Schulleiterbüros runter zerren, dabei hörte sie mit zusammengebissenen Zähnen und finsterer Miene den mit Fassungslosigkeit geführten Monolog ihrer Klassenlehrerin zu. "Was hast du dir dabei gedacht?!" Dass er die Fresse halten sollte. "Jemanden einfach so zu schlagen!" Nicht einfach so. Er hat's verdient, das und noch viel mehr. Und nicht nur er. Sie alle. Sie alle. "Was ist in dich gefahren?!" Wut? Abscheu? Rachsucht? Hass. "Ich glaube es einfach nicht! Ich habe so etwas nie von jemandem wie dir erwartet!" Du kennst mich doch überhaupt nicht, woher willst du wissen, wozu ich fähig bin? Was ich durchgemacht habe? Wer ich wirklich bin? Keiner weiß es, nicht mal einen Bruchteil davon. Nur er. Nur Sasuke. Wenige Schritte vom Büro des Direktors entfernt hielt die entgeisterte Frau an und ging vor Sakura in die Hocke, um das Mädchen sanft bei den Schultern zu greifen und in das vor Distanziertheit wie versteinerte Gesicht zu blicken. "Sakura-chan, vielleicht willst du's zuerst mir sagen? Warum hast du das getan? Was ist passiert?" Was, kriegst du jetzt Muffensausen wegen meines ehrenwerten 'Papis'? Sie konnte das nachvollziehen. An ihrer Stelle hätte sie auch Angst vor Sakuras Stiefvater. Sie scherte sich nur einen feuchten Dreck darum, insofern schwieg sie eisern und schaute die Lehrerin nur düster an. Es ging diese nichts an. Es ging niemanden etwas an. Sie alle konnten zur Hölle gehen, Sakura stand es alles bis zum Hals. Die Lehrkraft atmete schwer und verloren aus und erhob sich wieder, um an der Tür anzuklopfen. Der Schulleiter war ein erfahrener älterer Gentleman, wahrscheinlich schon über 50, geruhsam aber streng und rechtschaffend. Super. Sakura unterdrückte ein Seufzen. Das würde ein Spaß werden. "Herein," erklang eine väterliche Stimme aus dem Inneren und die Pädagogin öffnete die Tür, bevor sie Sakura einen sanften Schubser gab, damit das Mädchen als erstes eintrat. Es war eine gute Stunde, die sie in dem Büro verbrachten, jedoch war es weder der Lehrerin noch dem Direktor gelungen, allzu viel aus ihrer jungen Schülerin, die mit abwehrend verkreuzten Armen und einem unbeteiligten Ausdruck auf den schönen Gesichtszügen vor ihnen saß, raus zu bekommen. Ihre Antworten beliefen sich selten auf mehr als ein paar Silben und letztendlich gaben die zwei Erwachsenen auf, durch die solide Wand, die sie vor sich aufgebaut hatte, durchzubrechen. Sakura war sich sicher, das 'Opfer' und auch ihre Mitschüler würden mehr als willig sein, ihre Version des Geschehenen darzulegen aber sie fand sich dem Gedanken gegenüber völlig gleichgültig. Ein dreckiges Gerücht mehr oder weniger, das über sie kursierte und seine Runden durch die Schule machte, war nicht mehr von Bedeutung. "Ich bin überaus enttäuscht von Ihnen, Haruno-san. Sie waren bisher so eine vorbildliche Schülerin gewesen." Angesprochene unterdrückte ein verächtliches Schnauben. Natürlich war sie das gewesen. Stets so ein gutes, braves Mädchen, das all ihre Hausaufgaben und Extraübungen erledigte, hübsch ihre Einsen schrieb und immerzu nett und freundlich allen Lehrern und Mitschülern gegenüber war. Das mit dem Strom schwamm, die Leute reden ließ und Dinge zum eigenen Nachteil und auf eigene Kosten ignorierte. Sie konnten ruhig damit fortfahren, hinter ihrem Rücken zu tuscheln. Sie würde es jedoch nicht mehr länger dulden, dass sie es auch direkt vor ihr taten. Sie würde niemanden mehr vor ihren Augen Dreck ausschütten lassen - nicht über sich selbst, und insbesondere nicht über Sasuke. "Gibt es vielleicht etwas, was Sie uns sagen wollen würden?" Der Schulleiter drehte sich von dem Fenster, an dem er gestanden und herausgeschaut hatte, zu dem kleinen, pinkhaarigen Wölkchen finsterer Verstimmung im Stuhl vor seinem Schreibtisch um. "Nein." "Wir werden Ihre Eltern informieren müssen. Und ich würde Sie heute nachsitzen lassen." Der umsichtige Blick des Veteranpädagogen ruhte auf dem Teenager, die nur kurz mit ihren schmalen Schultern zuckte. "Fein." Seine Brust wölbte sich mit einem tiefen Seufzen. "Sakura, gibt es da vielleicht irgendwelche Probleme? In der Schule? Oder möglicherweise zu Hause?" Startete er einen letzten, informellen Versuch durch ihre Abwehrhaltung zu kommen. Vergeblich. "Nein." "Warum hast du dann deinen Klassenkameraden geschlagen? Was hat er dir getan?" Sie enthielt sich stur einer Antwort. Sakuras Klassenlehrerin neben ihr sah ehrlich verzweifelt aus, sie meinte ihre Musterschülern gut zu kennen und diese war überhaupt kein handgreiflicher Typ. Etwas müsste doch gewaltig nicht mehr stimmen, wenn sie dermaßen austickte. Man schickte das Mädchen raus auf den Flur, nur wozu wusste sie nicht wirklich, sie konnte die Unterhaltung der beiden Pädagogen so oder so hören. "Wirklich, Sakamura-san, ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie war schon immer eine exzellente Schülerin, kontaktfreudig, fleißig, verantwortungsbewusst." Das konsternierte Gemurmel ihrer Klassenlehrerin. "Keine Sorge, Tanaka-san, ich verstehe. Ich werde davon absehen, sie zu suspendieren, ich glaube, wir können die Angelegenheit mit einer Verwarnung und zwei Wochen Nachsitzen auf sich beruhen lassen. Aber Sie sollten auf jeden Fall ein Auge auf sie behalten. Nicht, dass so etwas noch einmal passiert." "Natürlich, Sakamura-san. Wirklich, ich bin zutiefst geschockt. Ich hätte nie erwartet..." Sakura schloss die Augen und versuchte, die Stimmen auszublenden. Sie verstand den ganzen Aufstand nicht wirklich, oder vielleicht wollte sie es nicht verstehen. Irgendwie wollte sie gerade einfach nur wirklich, wirklich gerne Sasuke sehen. Dazu hatte sie aber nicht die Gelegenheit, denn man setzte sie in ein kleines Hinterzimmerchen im Sekretariat, wo sie dann irgendwelche Papiere und Akten sortierte, bis die Schule aus war. Und wenn alle die Klassenräume verlassen hatten, schritt sie in eins rein, wo sie sich an ihren bevorzugten Platz am Fenster setzte und auf ihren Aufsichtslehrer wartete. Frau Tanaka hatte ihr aufgetragen, einen mindestens zehnseitigen Aufsatz über irgendein beliebiges Thema zu schreiben und obwohl Sakura kreatives Schreiben eigentlich genoss, war ihr im Augenblick überhaupt nicht danach. Trübselig starrte sie aus dem Fenster der abendlichen Sonne entgegen, dann und wann einen deprimierten Seufzer verlauten lassend, und spielte lustlos mit dem Kugelschreiber in ihrer Hand. Sie wunderte sich, was Sasuke wohl gerade machte. War er vielleicht schon Zuhause? Verschwendete er einen Gedanken an Sakura, wo sie ihre gar nicht mehr von ihm losreißen konnte? Sie seufzte noch einmal schwer. Wie erbärmlich war es denn, den Jungen bereits so sehr zu vermissen? Sie kannten sich nur ein paar Tage und sie fühlte sich bereits so, als ob könne sie keinen einzigen mehr ohne ihn verbringen. War sie dabei, sich zu verlieben? Oder hatte sie es bereits getan? Sakura senkte ihre Stirn mit einem wehleidigen Aufstöhnen in ihre Handfläche. Sie schlug anderen für ihn die Fresse ein, war da nicht schon alles mehr als offensichtlich? Sie starrte auf das leere Blatt Papier vor ihr. Genauso leer fühlte es sich in ihrem Kopf an, großer Gott, sie würde doch nie im Leben zehn Seiten hinkriegen, es wäre denn, sie schrieb diese mit seinen Namen voll. Just dann hörte sie einen scharfen, hohen Laut. Ein Pfeifen? Sie horchte auf und es ertönte erneut - kein Zweifel, da hat einer gepfiffen. Sie stand auf und ging zum Fenster, um dieses aufzumachen und nach draußen zu lugen. Das Klassenzimmer war über dem Erdgeschoss und somit im ersten Stock, insofern schaute sie runter und die Person, die sie dort erblickte, brachte ihr zutrauliches Herzchen zu einem Hechtsprung aus purer, grenzenloser Freude. "Sasuke-kun!", hauchte sie überglücklich aus und lehnte sich so weit aus dem Rahmen, dass sie beinahe mit dem Gesicht voran aus diesem heraus purzelte. Was tat er hier? Woher wusste er von ihrer Nachsitzmisere? Wen kümmerte es? Die Gründe waren Schnuppe, er war hier! "Ist der Lehrer schon da?", fragte er und Sakura warf einen Blick über die formschöne Rundung ihrer Schulter zu der Tür. "Nein," informierte sie artig und freudig zugleich, Augen zurück auf ihn gerichtet. Wenn's nach ihr ging, könnte der Lehrer überhaupt nicht aufkreuzen oder wahlweise beim Treppensteigen stolpern und sich den Fuß verstauchen. Hauptsache, niemand holte sie jetzt von diesem Fenster weg, auch wenn diese Pläne sich bald zum Positiveren hin durchgekreuzt finden würden. Sasuke trat näher unter das Fenster und streckte mit einmaligem Neigen seines Kopfs zu jeder Seite seine Halsmuskulatur. Arme erhoben, deuteten seine Hände ihr mit einer zuwinkenden Geste das Gleiche, was er kurz darauf auch verbalisierte: "Spring runter." Ein fröhliches Lächeln paradierte über ihr anmutiges Antlitz und Sakura beeilte sich, auf die Fensterbank zu klettern, nachdem sie ihre Schultasche zuerst runter befördert hatte. Ein Sprung aus dem ersten Stock war nicht allzu hoch aber ohne Unterstützung dennoch gefährlich und auch wenn sie solche Unterstützung hatten, würden es sich die meisten wahrscheinlich zweimal überlegen. Sie hingegen überlegte nicht einmal für eine Sekunde, als sie sich aus einer leichten Hocke heraus seiner zuverlässigen Gestalt entgegen fallen ließ, im blinden Vertrauen und ohne einen Fünkchen Angst. Der kurze Augenblick des freien Falls brachte ihren Atem und Herzschlag zum Stocken, nichtsdestotrotz entfloh kein Laut ihren Lippen außer dem abrupten, schweren Ausatmen, wenn jene Arme ihr Fliegengewicht sicher in ihrem festen Griff auffingen. Sasuke taumelte einen Schritt zurück ob des aufgehaltenen Kraftimpulses, blieb aber sicher auf den Füßen und senke Sakura bald darauf behutsam auf ihre eigenen ab, wobei einer seiner Arme um ihre sündig schmale Taille gewunden blieb. "Ich hab gehört, wir haben einen neuen Raufbold an der Schule," sprach er durch ein Grinsen auf den vollen Lippen, während er sie sachte aber bestimmt gegen die Gebäudewand drückte. Sakuras Lächeln mauserte sich in ein keckes Feixen und ihre eigenen Arme blieben nicht tatenlos, geschmeidig erhoben umflocht sie mit diesen bereitwillig seinen Hals. "Mir ist nur klar geworden, dass deine Art, mit großmäuligen Arschlöchern umzugehen, besser ist." Er hob eine dunkle Augenbraue, seine freie Hand lässig an derselben Wand neben ihrem viel zu hübschen Gesicht abstützend und lehnte sich ein wenig mehr vor, was ihre Körper nur noch näher aneinander presste. "Ist das so?" Sein warmer Atem strich aufreizend über ihre süßen Lippen, was einen angenehmen Schauer ihren Rücken runter jagte. "Ich bin in der Hinsicht ein eher schlechtes Vorbild." Stellte er mit Belustigung fest, die samtig tiefe Stimme abgesenkt, um ihre vertrauliche Nähe weiter zu fördern. Seine Aussage jedoch war ziemlich ernst gemeint. Er war nicht die beste Gesellschaft für unschuldige, folgsame Unterklässler, ein dubioser Einfluss. Er kannte den ganzen Hintergrund der Geschichte zwar nicht, aber er war sich weitestgehend sicher, dass Sakura noch nie jemandem aufs Maul geschlagen oder auch nur daran gedacht hatte, bevor sie Sasuke traf. Sie schnaubte mild, indes die feingliedrigen Finger einer Hand sich in die weichen, rabenschwarzen Haare an seinem Hinterkopf vergruben und zärtlich durch die seidigen Strähnen strichen. "Das ist mir Schnuppe..." Sie zog ihn subtil näher zu sich, ein Anreiz, dem er folgte und schon bald vaporisierte sich alle Distanz zwischen ihnen als jene geschickten Lippen ihre eigenen einfingen. Und so wie immer stahl der Kontakt ihr allen Atem aus den Lungen. Sie wusste nicht genau, warum es sich so blendend gut anfühlte, Sasuke zu küssen, oder eher von ihm geküsst zu werden, aber es war immer wieder ein berauschend wundervolles Erlebnis, das akut süchtig machte. Sie konnte sich nicht helfen, die Augen geschlossen zerfloss sie wie delikate Schokolade genüsslich in seinen Fängen, ihr Herz komponierte dabei einen Soundtrack aus hastigem, dumpfen Trommeln zu den sinnlichen, elektrisierenden Bewegungen ihrer beider Lippenpaare. Wenn der starke Körper sich fester an sie drückte und ihren eigenen somit weiter gegen die Wand in ihrem Rücken, keuchte sie vor Nervenkitzel auf, was seiner Zunge die Gelegenheit gab, in den entstandenen Spalt und somit in ihre Mundhöhle zu schlüpfen. Das Resultat war ein weiches, losgelöstes Aufstöhnen ihrerseits und alles flog augenblicklich aus ihrem Kopf: die Wut, und Kränkung, und Sorgen diesen Tages, ersetzt durch wohlige Wärme und aufregendes Prickeln, die sich wie Lauffeuer durch ihr gesamtes Sein verbreiteten. Ihre Atmung ging flach und uneben, wenn sie sich voneinander lösten, das Blut ein heißes Rauschen in Ohren und Gefäßen, während jene geheimnisvollen, nachtschwarzen Augen sie in einer undefinierbaren Weise musterten. Letztendlich schmunzelte Sasuke amüsiert und seine Lippen streiften ihre Stirn in einer sanften Berührung, bevor er sie losließ. "Du bist süß." Sprach er nonchalant aus, was Sakura dazu brachte, verwundert auf ihn zu starrten, auch wenn sie nichts Weiteres außer einem milden Grinsen und einer Aufforderung zum Folgen erhielt, als er sich mit der Absicht, zu gehen, umdrehte: "Komm." Immer noch ein wenig perplex, tat sie bereitwillig genau das, ihm folgend, ganz egal, wohin er beabsichtigte, zu gehen. Sasuke hatte es nicht für nötig gehalten, sein Komplement näher auszuführen, es war eine Notiz, die er mehr für sich selbst gemacht hatte. Sakuras Körpersprache verriet mehr, als die Kleine sich wahrscheinlich bewusst war, aber er hatte es alles sehr wohl mitgekriegt: das aufgeregte Zittern der zierlichen Figur, die reizende Art, wie sie jede seiner Berührungen begrüßte, die beschleunigte Atmung, die sanfte Röte auf den seidig weichen Wangen, die gesamte Verhaltensweise, die verriet, wie sehr sie die körperliche Nähe zu ihm genoss. Es war süß. Unschuldig, und eine Versuchung, das Widerstehen derer mittlerweile einiges an Willenskraft seinerseits erforderte. Er hatte bis dato die gestrigen Geschehnisse zwischen ihnen nicht wirklich mitberücksichtigt und hatte es eher als Nachwirkung ihres bedrückten Zustands und des folgenden Zusammenbruchs abgetan, doch heute bewies, dass sie es wirklich wollte. Ein Zusammensein mit ihm, auf jeder möglichen Ebene. Es war verlockend, aber gleichzeitig auch... bedenklich. Sasuke hätte nicht gedacht, dass jemand die Nähe zu ihm dermaßen genießen und davon dermaßen begeistert sein konnte. Es war... angenehm. Seine dominante Wesensart und verschlossener Habitus waren nicht jedermanns Sache, der Grund, warum die meisten Frauen mit ihm nicht wirklich klar kamen, oder vielleicht kam er nicht mit ihnen klar. Bis er Sakura getroffen hatte. Sie war etwas vollkommen anderes, er konnte keinen Vergleich zu irgendeinem anderen Mädchen ziehen, das ihm bisher begegnet war. Sie war einfach nur... irgendwie unbeschreiblich. Statt Sasukes Verhalten zu verurteilen, schien sie fast verzaubert davon. Nun, der Grund dafür war eher simpel, zumindest wenn man Sakura gefragt hätte. Sicherlich war Sasuke in Wort und Handlung ziemlich dominant, ja, aber was daran so anziehend war, war die tieferliegende Sanftheit und Fürsorge, die mit diesen fast dogmatischen Eigenwillen und Durchsetzungskraft einhergingen. Sie fühlte sich unter seiner Führung weder unterdrückt noch submiss, ganz im Gegenteil - es war behaglich. Es ließ sie sich geschützt und wohlbehütet fühlen. Es ließ sie wissen, dass sie mit ihm sicher war. Es brachte sie dazu, ihm zu vertrauen und Vertrauen war etwas, von dem sie nie gedacht hätte, sie würde es in diesem Ausmaße jemandem entgegenbringen können. Diese Gefühle der Zuneigung wurden umso stärker dank all dieser nonkomformen Dinge, die er für sie tat. Ob Seiichiros gebrochene Nase, eine Schulter zum wortlosen Ausweinen, ein simpler Kuss auf die Stirn oder die Anregung zum und Beihilfe beim Ausbüxen aus dem Nachsitzunterricht, irgendwie fand sie all das viel romantischer, als Abendessen bei Kerzenschein, teure Geschenke und Parkspaziergänge im Mondlicht. Er tat, was er für richtig hielt und wie er es für richtig hielt, ohne sich um die Meinungen anderer zu kümmern. Daran wollte sie sich ein Beispiel nehmen. Sie wollte wenigstens ein bisschen so frei sein, wie er es war, aus den Normen, in die man sie zwängte, raus brechen. Endlich so sein, wie sie sich wirklich fühlte. Mit ihm zusammen zu sein machte sie nicht nur einfach glücklich, es lehrte sie auch eine ganze Menge darüber, wie man sein Leben auf eine bessere Weise leben konnte. Er öffnete Stück für Stück ihre Augen und das Bild, das sie erblickte, gefiel ihr viel mehr, als das triste Gemälde, in dem sie bisher festgesteckt hatte. Eine Weile nachdem Sasukes stylisches Motorrad die Parkplätze samt einem zusätzlichen Passagier verlassen hatte, überschritt die Aufsichtslehrkraft die Schwelle des Klassenraums, der mittlerweile leer und verlassen war. Er zog die Tür hinter sich zu und drehte sich zu den Reihen unbesetzter Tische: "Entschuldige bitte meine Verspätung, Sakura, ich musste noch-" Doch alles, was seine Sicht begrüßte, war ein offenes Heft mit unbeschriebenen Seiten und ein einsam daneben liegender Kugelschreiber. "Hmpf!" War alles an empörter Reaktion, was er zu Stande brachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)