Alles rein geschäftlich! von Hotepneith (Izayoi und der Höllenhund) ================================================================================ Kapitel 18: Der Tunnel am Ende des Lichts ----------------------------------------- Keine vierzig Minuten später schritt Dr. Mai Kagawa mit einer großen Tasche durch die Gänge der Villa. Schon ihr betonter Schritt verriet, dass sie wütend war. Dass sich lauter Youkaikrieger, männlich und weiblich, um sie befanden, machte die Sache ihrer Meinung nach nicht besser. „Dr. Kagawa?“ Sie drehte sich um und erkannte den Hausherrn. Sie hatte das Regierungsmitglied oft genug im Fernsehen oder in Zeitungen gesehen, wenngleich meist im dunklen Anzug, nicht in der alten Tracht aus weißer, blaubestickter Seide. Immer jedoch diese Fellboas an den Schultern, wohl ein Rangzeichen. Notgedrungen höflich neigte sie den Kopf: „Ratsmitglied Taishou. Sie haben meine Anwesenheit gefordert.“ Der Fürst blieb ruhig: „Aus gutem Grund. Einer junge Dame, menschlich, stieß offenkundig etwas Unschönes zu. Sie wurde entführt und sollte verkauft werden. Sie wirkt auf mich – der zugegeben von menschlichen Wesen wenig Ahnung hat - sehr ungewöhnlich.“ Dr. Kagawa atmete durch: „Dennoch: wir haben eine Ambulanz für solche Fälle. Wenn ich mich hier um jemanden kümmere fehle ich in der Klinik. Ich weiß, dass Sie einer der größten Spender sind, aber....es gibt mehr als nur einen Kranken. Leider.“ Und sie war durchaus nicht sicher, inwieweit das Wesen, der Mann, vor ihr nicht Schuld an der Lage der möglichen Patientin trug. Der Taishou begriff plötzlich, dass man die Sache auch anders sehen konnte als er – und man das, in Anbetracht der Umstände, dass er eine bedeutende Anzahl der Aktien der Fukuwara aufgekauft hatte, und nächsten Dienstag die wichtige Aktionärsversammlung war – auch für den Skandal des Jahrhunderts halten konnte. Er sollte sich wohl besser rechtfertigen, ehe derartige Gerüchte die Runde machten: „Die Prinzessin wurde entführt und ihr Kidnapper ebenso wie die Interessenten sind noch frei. Allesamt unterliegen meiner Rechtsprechung. Meinem Sohn gelang es die junge Dame zu befreien. Ich habe ihrem Vater versprochen mich um sie zu kümmern und kann und werde keinerlei Risiko mehr eingehen. Überdies – Sie müssen ja nicht dauernd hier sein. Ich dachte nur an eine psychologische Notlösung.“ Mai Kagawa, eine Frau Ende der Vierzig, Anfang der Fünfzig, atmete durch: „Nun, werter Taishou, vielleicht habe ich mich zu sehr reizen lassen. - Bitte, können wir irgendwo uns kurz besprechen?“ Der Youkaifürst deutete hinter sich: „Mein Arbeitszimmer.“ Kurz darauf kniete die Ärztin vor ihm: „Nun?“ „Wir wissen nicht, was geschehen ist. Anscheinend wurde Prinzessin Izayoi...Izayoi Fukuwara, entführt und sollte versteigert werden, an Youkai. Diese sollen verhaften werden, aber dies geschah noch nicht. Sie wirkt auf mich sehr mitgenommen. Ihr Leibwächter ist spurlos verschwunden und ich vermute er ist tot, vielleicht musste sie seinen Tod mit ansehen. Sie hat mich weder erkannt noch auch nur gehört, dass sie in Sicherheit sei.“ „Eine große psychische Belastung. Sie hat einen Schock?“ Nun, so nannte man es. Der Fachbegriff einer traumatischen Belastungsstörung war weitaus weniger geläufig. „Ich weiß nicht, wie das bei Menschen ist,“ gab der Taishou zu: „Youkai kennen das nicht.“ Jemand wie er oder auch andere behielten auch im hitzigsten Kampf den nüchternen Überblick – und nichts, was man sah, berührte die Seele verletzend. Aber Menschen waren anders, das wusste er. „Ich verstehe. Sie fürchten, wenn Sie sie, die Prinzessin, in ein Krankenhaus bringen lassen, könnte sie erneut in Gefahr sein. Immerhin dürfte sie wissen, wer sie entführen ließ.“ „Ja.“ „Warum glauben Sie, dass ihr Leibwächter tot ist?“ „Er war ein sehr fähiger Mann. Niemand wäre sonst an seine Herrin herangekommen.“ „Ich verstehe. - Nun, ich werde mir die junge Dame einmal ansehen und sie etwas beruhigen.“ „Gut. Dr. Kagawa. Danach möchte ich Sie noch einmal sprechen.“ Die Psychiaterin richtete sich etwas auf: „Ich werde meine ärztliche Schweigepflicht wahren.“ „Natürlich.“ Menschen! Manchmal waren sie einfach zu emotional: „Ich erwarte nichts anderes. Allerdings, wie ich erwähnte, werden Anklagen erfolgen. Es wäre daher...hilfreich, wenn Sie mir sagen könnten, ob neben der Entführung der Prinzessin auch wirklich eine Mordanklage möglich ist – oder auch eine...andere Straftat an ihr begangen wurde.“ Und dann mochten die Götter diesem Mistkerl gnädig sein. Er wäre es sicher nicht. „Es waren Youkai.“ „Ja.“ Und, was änderte das? „Ich hörte, Sie seien in solchen Fällen der Richter.“ „Ja.“ „Ich werde meine ärztliche Schweigepflicht nicht brechen, Ratsmitglied. Aber ich denke, ich kann Ihnen sagen, welche Anklagen zu erheben sind, ohne damit in Konflikt zu kommen.“ Schließlich konnte vor jedem auch nur menschlichen Gericht die Schweigepflicht aufgehoben werden. „Gut. Dann begleiten Sie mich zur Prinzessin.“ „Izayoi Fukuwara, sagten Sie.“ Die Psychiaterin erhob sich, als es der Hausherr tat. „Der Fukuwara-Clan? Ich meine mich zu entsinnen, dass ihr Vater starb.“ „Vor wenigen Wochen, ja.“ „Und Sie übernehmen nun ein wenig diese Vaterstelle?“ Der Taishou erwiderte sachlich: „Ich versprach Fürst Jiro ein Auge auf seine Tochter zu haben. Wie man sieht war es vergeblich.“ Schuldgefühle bei einem Youkai? Davon hatte sie noch nicht einmal im Studium gehört. „Nun, sie lebt und ist in Sicherheit. - Youkai wissen wenig von Menschen, nicht wahr? Die Reaktion der Prinzessin ist vermutlich vollkommen normal. Sie wird immer wieder Alpträume haben, auch durch bestimmte Dinge an den Schrecken erinnert werden, aber gewöhnlich ist eine menschliche Psyche recht stabil und in drei, vier Wochen wird es besser sein. Zumal natürlich in Behandlung. Es gibt allerdings auch Dinge – und Menschen – bei denen dieses Trauma ein Leben lang anhält. Ich hoffe nicht, dass dies geschehen ist.“ „Das ist Ihr Fachgebiet.“ Der Taishou atmete ein wenig durch. Drei oder vier Wochen...Das schien ihm so kurz, so verstört, wie Izayoi zuvor ausgesehen hatte. Jemand hatte das ihn so faszinierende Lächeln aus ihrem Gesicht genommen und würde dafür bezahlen. Sehr teuer bezahlen. Die Ärztin hob die Brauen als sie die massive Stahltür sah und bemerkte, dass der Hausherr einen Code eingab: „Gefangen oder Gast?“ „Zur Sicherheit. Weder mein Sohn, als er sie herbrachte, noch ich wussten, was ein Mensch in diesem Zustand sich oder anderen antun kann.“ Die Tür glitt beiseite und Dr. Kagawa sagte nur: „Ich sehe. Gehen Sie, werter Taishou.“ Der Herr der Hunde warf einen Blick auf das Mädchen, das noch immer so in der Ecke saß, wie er sie zuletzt gesehen hatte: „Wenn Sie gehen möchten – neben der Tür befindet sich ein Telefon. Drücken Sie die Null.“ Dann wich er zurück. Es war nicht nötig die Prinzessin noch einmal so zu erschrecken. Izayoi zuckte zusammen, als sie bemerkte, dass sich jemand näherte. „Ganz ruhig, Prinzessin,“ sagte die Psychiaterin: „Ich bin Ärztin. Alles wird gut. Sie sind in Sicherheit. - Verstehen Sie mich? Sie sind in Sicherheit.“ Eine Ärztin? Dann war sie ...ja, wo war sie? Hatte dieser Youkai sie in ein Krankenhaus gebracht? Oder war das nur eine Lüge? Sie versuchte die Gestalt zu erkennen, die ihr näherkam. Ein Mensch, dachte sie erleichtert, eine Menschenfrau. „Ich bin Mai Kagawa, Und Sie sind Izayoi Fukuwara, nicht wahr?“ Izayoi nickte. Ihr Name, ja....woher kannte sie ihn? „Ich möchte mich gern zu Ihnen setzen, wenn Sie das erlauben.“ „Ich...das ist ein Krankenhaus?“ Die Psychiaterin zögerte. Man sollte Patienten nicht belügen: „Ich bin Ärztin, Psychiaterin,“ erklärte sie dann: „Und es ist meine Aufgabe Ihnen zu helfen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“ Ein Mensch... „Ja.“ Der Youkaifürst hatte mit gewissem Ingrimm vernommen, dass es Sesshoumaru und den Kriegern gelungen war die Interessenten einzufangen und sie in einen speziellen Raum unter seiner Villa zu bringen, aber Onigumo verschwunden war. Sobald Dr. Kagawa Izayois Aussage brachte, dass dieser Mistkerl sie entführt hatte, würde er die Fahndung ausschreiben lassen. Maseo und die menschliche Polizei würden jeden Stein in Japan umdrehen, Häfen und Flugplätze sichern. Hoffentlich war der nicht so schlau gewesen schon außer Landes zu gehen. Aber warum hätte er sollen? Sesshoumaru hatte die Tarnung gewahrt, es hätte doch nichts geben können, was den Hanyou misstrauisch gemacht hätte? Gleich. Der war weg und er benötigte die Aussage des Opfers – zumindest, was die Polizei anging. So wählte er: „Maseo? Ich will alle Schiffe und Flugzeuge überwacht haben. Onigumo darf das Land nicht verlassen.“ „Onigumo Fukuwara.“ Der Leiter der Sicherheitsfirma klang nur wenig fragend. Er kannte den Inu no Taishou seit Jahrhunderten. Und wenn der mit diesem Unterton sprach war alles andere als ein „Ja“ definitiv die falsche Antwort. „Kennen Sie noch einen?“ kam es scharf. Autsch: „Äh, nein. Noch etwas, oyakata-sama? Dann gebe ich es unverzüglich an alle unsere Leute weiter. Die Polizei auch?“ „Diese informiere ich selbst über den Rat, wenn es nötig wird.“ „Ja, oyakata-sama. Wollen Sie ihn lebend?“ Maseo hielt sich für einen mutigen Mann, aber es lief ihm eiskalt über den Rücken, als der Taishou leise sagte: „Oh, ich bitte darum.“ Es dauerte fast zwei Stunden ehe Dr. Kagawa die Tür öffnen ließ, nicht überrascht, dass ihr im Flur bereits der Hausherr entgegen kam. Sie neigte den Kopf: „Die Prinzessin schläft unter dem Einfluss eines Beruhigungsmittels. Für morgen möchte ich Sie bitten ihr Essen und Trinken zu geben, auch andere Kleidung.“ „Natürlich. Prinzessin Izayoi ist mein Gast. Ich werde ihr eine Dienerin zur Verfügung stellen – eine menschliche, ältere Frau.“ „Ja, eine gute Idee. - Die Anklage können Sie um Mord erweitern, edler Taishou. Soweit ich mitbekam erzählte ihr Cousin ihr, dass er ihren Leibwächter scheinbar durch einen Unfall umbrachte.“ „Ihr Cousin. Onigumo.“ „Den Namen sagte die Prinzessin nicht. - Sie trägt Spuren von Fesseln an den Handgelenken und war offenbar geknebelt, da auch um ihren Mund Hautverfärbungen sind. Sonst fand ich keine Spuren, die...strafrelevant wären.“ Soweit sie ihre Patientin unauffällig hatte untersuchen können. „Wenigstens etwas,“ knurrte der Herr der Hunde. Er hatte ihrem Vater versprochen sie zu beschützen. „Sie scheinen die Sache persönlich zu nehmen.“ „Ich schätze es nicht zum Wortbruch getrieben zu werden. - Ich begleite Sie zur Tür, Dr. Kagawa. Was sollte man im Umgang mit der Prinzessin noch beachten? Und, wann kommen Sie wieder?“ „Morgen gegen vierzehn Uhr, da endet meine Schicht im Krankenhaus. Wissen Sie, wo die Prinzessin versichert ist?“ „Nein. Aber ich werde für alle Auslagen aufkommen.“ Ja, da nahm jemand die Sache sehr persönlich, dachte die Psychiaterin. Und es gab bestimmt etwas Besseres als einen zornigen Inuyoukai auf der eigenen Fährte zu haben. Tatsächlich ahnte Onigumo zunächst nichts von dem Unheil, das sich über ihm zusammenbraute. Er hatte geplant mit den eingenommenen Dollar zur Bank zu fahren und sie dort in seinen Safe zu legen. Erst da sah er, dass in seinem Fach kein Platz mehr war. Ach ja. Das hatte er ganz vergessen. Das Geld aus dem Verkauf einer Gaststätte hatte er in kleine Diamanten umgewechselt, um im Fall der Fälle das Land verlassen zu können. Es wäre womöglich nützlicher diese Sachen bei sich in der Wohnung zu haben, nicht hier im Safe, falls es doch einmal schnell gehen musste. Nun, obwohl – alles, was er jetzt noch plante, war ja vollkommen legal. Aber, wozu unvorsichtig sein. So zog er den Beutel heraus. Ja, man sollte stets einen Notfallplan haben und den nicht ändern. Er würde die echten Diamanten wie kleine Glassteine an einen Kimono anbringen. Und die gebrauchten fünfunddreissigtausend, die der Youkai so großzügig für das kleine Cousinchen ausgegeben hatte, würde er auch mitnehmen. Sicher war sicher. Auf dem Heimweg hielt er noch in einer Bar um sich einen Sake zu gönnen, als Belohnung dafür, dass er jetzt fast schon der Fürst Fukuwara war. Nur noch die Zeit abwarten, bis Izayoi für tot erklärt wurde, und alles gehörte ihm. Endlich. Mehr zufällig warf er einen Blick auf den im Hintergrund laufenden Bildschirm. Die Wettervorhersage interessierte ihn weniger – er musste nicht mehr aufs Meer. Aber dann erstarrte er, denn das untere, durchlaufende, Band erzählte von Verhaftungen von Youkai, die die Verträge gebrochen hatten, Menschenfrauen entführt hatten. Einer sei noch flüchtig. Und er konnte sich ausrechnen, wer. Zum Glück war er nicht in seine Wohnung gefahren, die sicher bereits unter Beobachtung stand. Wer hatte da nur geplaudert? Hatte dieser Verrückte etwa Izayoi reden lassen und war eilig zum Taishou gerannt? Dass der das kaum gern hören würde, war klar. Jetzt musste er schnell nachdenken. Seine Wohnung und seine Geschäfte, sein Büro, würden mit Sicherheit überwacht. Aber er besaß noch ein Haus von dem keiner etwas wusste, da es noch immer unter den Namen seiner verstorbenen Mutter lief. Vorsicht zahlte sich aus. Bis zum Morgengrauen musste er dort sein, denn dann würde der Taishou auch die Aussagen seiner Geschäftspartner haben. Onigumo machte sich keine Illusionen über deren Bereitschaft zur Verschwiegenheit. So oder so drohte ihnen die Todesstrafe – und sie zogen ein rasches Ende sicher vor. Er bezahlte den Sake.: „Rufen Sie mir ein Taxi.“ Sein Auto musste er stehen lassen. Aber am Bahnhof gab es welche zu mieten – sollte der Taishou doch rätseln mit welchem Zug er wohin geflohen war. Den nächsten Schritt konnte er erst in einer Woche wagen, bis dahin musste er eben in dem Haus bleiben. In einer Woche wurde er für eine Nacht zu einem reinen Menschen, und da alle nach einem Hanyou suchen würden und ihn niemand so kannte, bestand eine gute Chance aus Japan verschwinden zu können. Izayoi erwachte verwirrt. Dieses Zimmer...Dann fiel ihr der Schrecken des Freitags ein. Da war da jedoch diese Ärztin gewesen, Dr. Kagawa, genau. Sie hatte sie ins Bett gebracht und ihr versichert, alles käme in Ordnung. Mühsam setzte sie sich auf. Ja, das war wohl das Zimmer in einem Krankenhaus. Das würde auch erklären, warum im Bad alles so ordentlich verpackt gewesen war, als sie...Neben der Tür entdeckte sie ein Tablett mit einer Warmhaltekanne und einem Becher. Tee, beschloss sie. Noch ein wenig zittrig stand sie auf. Sie hatte traumlos geschlafen durch das Mittel, das ihr die Ärztin gespritzt hatte. Und Izayoi war nicht böse darum. Sie hätte sicher immer nur wieder und wieder diese unsägliche Versteigerung vor sich gesehen, ihre Hilflosigkeit gespürt. Sie trank durstig den heißen Tee. Dabei bemerkte sie erst, dass daneben ordentlich Stoff zusammengelegt lag – zwei Kimono, Unterwäsche, ein einfacher Gürtel, den sie selbst binden konnte. Sie zögerte. So gern sie den Yutaka ausgezogen hätte, etwas spüren wollte, das nicht ihr Cousin angefasst hatte – wer hatte das zuvor getragen? Mit gewisser Erleichterung erkannte sie an der Unterwäsche noch die Preisschilder. Neu, ungetragen. Sie atmete tief durch. Jemand kannte anscheinend ihre Sorgen. Dann konnte sie sich duschen gehen, alles abwaschen, was zumindest äußerlich an ihr hing und sich umziehen. Ganz sicher würde man ihr auch etwas zu essen geben. Wann die Ärztin kommen würde? Sie hatte ihr versprochen, dass nur sie sie behandeln würde. Als sie unter die Dusche trat, überfiel sie schmerzhaft die Erinnerung an ihre letzte, als Onigumo...Sie musste sich zwingen dort stehen zu bleiben. Fast wütend schrubbte sie sich ab. Später bestätigte ihr Dr. Kagawa, dass solche „Flash-backs“ nur zu häufig seien: „Schämen Sie sich deswegen nicht. Das hilft Ihrem Verstand bei der Verarbeitung. - Haben Sie etwas zu essen bekommen?“ „Ja. Gemüsebrühe und dann Reisbällchen.“ Als sie aus dem Bad gekommen war, hatten neuer Tee und Essen dagestanden. „Mir wurde gesagt, dass Sie eine Dienerin haben können, wenn Sie sie benötigen oder hier auch nicht allein sitzen wollen.“ „Darf man Dienstboten in einem Krankenhaus haben?“ erkundigte sich Izayoi erstaunt. „Nein. Das ist kein Krankenhaus. Sie befinden sich in der Obhut des Inu no Taishou.“ Die Ärztin bemerkte, dass ihre Patientin blass wurde, sichtlich erneut mit Erinnerungen kämpfte: „Der...der junge Mann, der Sie da wegholte, war sein Sohn.“ „Sein....Sohn...“ hauchte Izayoi: „Aber...er hat nichts gesagt...Er hat nur bezahlt...“ „Soweit ich hörte, waren dort fünf Youkai und Sie waren eine Geisel. Er verstellte sich wohl, um Sie zu befreien.“ „Ich...ich hatte solche Angst.“ „Nur zu verständlich. Aber der Taishou versprach mir wiederholt, dass Sie sein Gast seien und sich erholen können. Hier seien Sie sicherer als in einem Krankenhaus. - Das kann ich mir auch vorstellen. Taishou, Heerführer – und es sind viele Krieger hier. Aber keine Sorge, Sie müssen keine Youkai sehen.“ „Aber...ich muss mich doch bedanken,“ entsann sich die Prinzessin ihrer Manieren: „Bei dem Fürsten und bei Prinz Sesshoumaru, so heißt er, nicht wahr?“ „Da fragen Sie mich etwas....Ich glaube, ja. Möchten Sie jemanden um sich haben? Es wäre eine ältere, menschliche Frau.“ „Wie lange soll ich denn hierbleiben?“ „Bis es Ihnen besser geht,“ erwiderte Mai Kagawa behutsam: „Ich fürchte, einige Tage wird es schon dauern, bis Sie diese Flash-backs nicht mehr haben und auch keine Alpträume. Erst dann können Sie doch wieder Ihr Haus leiten und anderes.“ „Ja, Sie haben wohl Recht.“ „Erzählen Sie mir doch noch ein wenig über Freitag.“ „Das...das tut weh.“ Sie spürte bereits wieder die Tränen als sie an Takemaru dachte. „Es wird Ihnen aber helfen. Seelische Verletzungen sind anders als körperliche. Man kann kein Pflaster drüberkleben und es einfach vergessen. Sie sind durch einen langen, dunklen Tunnel gegangen und müssen nun diesen Weg zurück ans Licht.“ Unter dem Anwesen des Taishou lag ein großer Raum, der bei einigen bereits Neugier erregt hatte, war er doch feuerfest ausgelegt und mit Bannkreisen versehen. Die menschlichen Dienstboten wurden stets darauf hingewiesen, dass der Herr mit seinem Sohn dort Schwertkampf übte, was zu einem gewissen Teil auch stimmte. In der Hauptsache jedoch diente dieser Platz als Gerichtsstätte und die vier Youkai, die sich momentan dort befanden, hätten weder die Wachen um sich noch die Fesseln an ihren Gelenken benötigt, um das zu wissen. Sie saßen in der Klemme. Und, wenn sie sich so umblickten, fehlte der Hanyou, der ihnen das eingebrockt hatte. Er hatte sie nicht gewarnt. Zu allem Überfluss hatten sie die Stimme Sesshoumarus, der sie im Auftrag seines Vaters verhaftet hatte, als die Stimme des Käufers dieser Prinzessin wiedererkannt. Sie waren wie Anfänger in die Falle getappt – und das war durchaus ein Grund zur Sorge. Bruch des Vertrages mit den Menschen nahm der Herr der Hunde stets persönlich. Als Richter zeigte er in solchem Fall bislang nie Gnade oder auch nur Verständnis. Die schwere Tür glitt beiseite und die Krieger neigten die Köpfe. Den Gefangenen war das unmöglich, sie lagen, aber auch sie erkannten mit nichts weniger als großer Begeisterung den Inu no Taishou samt dessen Erben – beide in Rüstung, der offiziellen Garderobe. Zu allem Überfluss trug der Fürst ein Schwert auf dem Rücken, das jeder der Anwesenden erkannte – und nur zu hoffen wagte, dass er nie die Hölle dieser Waffe kennenlernen würde. Allein der Taishou vermochte sie zu meistern. Der sagte nur knapp zu seinen Männern: „Ihr könnt gehen. - Sesshoumaru, die Anklage.“ Dieser hielt sich an die Sprachregelung, die sein Vater wünschte. Niemand sollte den Namen des Opfers je erfahren: „Sie haben am Freitag versucht eine junge Menschenfrau zu ersteigern. Nach den vorliegenden Daten der Handys nicht zum ersten Mal. Was aus den Opfern wurde ist soweit unbekannt, nach der Aussage der jungen Frau gestern wurde ihr gesagt, dass ihre Vorgängerinnen nie mehr auftauchten, also wohl tot sind.“ Der Fürst sah zu den Gefangenen: „Wie viele?“ „Oyakata-sama...das...das ist ein Missverständnis,“ brachte einer hervor: „Ich habe nie den Vertrag gebrochen!“ „Du warst gestern auch dabei,“ erklärte Sesshoumaru kalt. „Ja, gestern, aber das war ja auch etwas anderes....“ Der Gefangene dachte nur mehr daran sich selbst zu retten: „Ich meine, dieser Hakudoshi, das ist natürlich nicht sein richtiger Name, hatte schon öfter Menschen angeboten, ja, Mädchen. Aber sie waren ja nicht aus diesem Land....Ich dachte, das geht oyakata-sama doch nichts an, ich würde doch nie wagen...“ „Ja, genau,“ meinte ein Zweiter: „Sie waren irgendwo von jenseits des Meeres, Obdachlose nach Stürmen. Nie würden wir die Verträge brechen. Gestern war nur ein Versehen, er...also, dieser Hakudoshi sagte doch, es sei eine Prinzessin und so wurden wir neugierig...“ „Wir haben Verträge mit Menschen geschlossen,“ bemerkte der Inu no Taishou eisig: „Nicht ausdrücklich mit denen in diesem Land! - Du kannst gehen, Sesshoumaru. - Genau, gestern war es eine Prinzessin und ein Versehen. Und, falls einer von euch jämmerlichem Abschaum sie erworben hätte, hätte er sie sicher laufen lassen.“ Die Tatsache, dass der Fürst seinen Sohn hinausschickte, der Sarkasmus in seiner Stimme – und nicht zuletzt die Tatsache, dass seine Rechte über seine Schulter zum Schwert griff, jagte Todesangst durch die Adern der Angeklagten. „Oyakata-sama....Gnade...es war wirklich...falsch, ja, aber...Nicht das Höllenschwert!“ Er ließ die Hand sinken, ehe er leise, aber unüberhörbar, sagte: „Genau. Nicht das Höllenschwert. Solches Gelichter wie euch möchte ich nicht einmal als untote Seelen bei mir dulden. Ihr habt mein Wort gebrochen, das gegenüber allen Menschen, aber im Speziellen dieser einen Frau gegenüber. Ihr habt mit euren Opfern vermutlich Sachen angestellt, die mich immer anwidern – und aggressiv machen. Diesmal aber besonders, denn ihr habt jemanden kaufen wollen um dessen Hand ich mich bewerbe!“ Die Youkai begriffen in diesem Moment, dass sie praktisch schon tot waren, noch ehe sie den ungeheuren Anstieg der Energie des Mannes vor sich spürten, genährt von einer einzigen Empfindung: tobenden Zorn. Sie schlossen die Augen um nicht sehen zu müssen, wie der Inu no Taishou seine Rechte hob und versteifte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)