Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ 44. Kapitel, in dem neue Hoffnung geschöpft wird ------------------------------------------------ Es tat so gut, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren und Ami dabei trotzdem einen Gefallen zu tun. Mit ihr war es so einfach. Kein Nachdenken, keine Gefühle, kein schlechtes Gewissen, keine Verpflichtungen, einfach nur Spaß. Rücksichtslos stieß er immer wieder in sie, wobei es ihm egal war, was sie dabei empfand. Es war einfach ein Glücksfall, dass es ihr so gefiel, doch im Grunde spielte es für ihn keine Rolle, ob sie auf ihre Kosten kam oder nicht. Solange er auf seine Kosten kam, war es in Ordnung. Noch immer erhitzt, zog er sich aus ihr zurück und ließ sich erschöpft in die Kissen fallen. „Das war mal wieder gut“, seufzte Ami glücklich und kuschelte sich an ihn. Ihr langes Haar fühlte sich ganz weich an seiner nackten Schulter an. „Du bist einfach der Beste und dafür liebe ich dich.“ Er erstarrte. Liebe? Was redete sie denn da? „Du liebst mich?“, fragte er und bemühte sich um einen amüsierten Tonfall. Sie veränderte ihre Position ein wenig. „Naja, du weißt schon, wie ich das meine.“ „Klar“, murmelte er und streichelte ihr gedankenverloren über die Schulter. In Wirklichkeit wusste er jedoch nicht, was sie meinte. Er konnte nur hoffen, dass sie es nicht so gemeint hatte, wie er annahm. Dann wäre er in Schwierigkeiten. Sie zog mit ihrem Finger Kreise auf seiner Brust und kitzelte ihn dabei sanft mit dem Fingernagel. „Wir könnten das, was wir jetzt haben, aber auch noch ausbauen, meinst du nicht?“ „Hm?“, machte Takeru irritiert. „Es läuft so gut mit uns und ich habe echt das Gefühl, wir passen super zusammen. Es ist so schön, Zeit mit dir zu verbringen“, erklärte Ami leise, griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Und da dachte ich mir, wir könnten auch einfach was Richtiges draus machen, oder?“   „Und du hast ja gesagt?!“ Ungläubig starrte Hikari ihn an. „Was hätte ich denn machen sollen?“, fragte Takeru trotzig und schob die Hände in die Hosentaschen, während er in Hikaris Zimmer auf und ab ging. „Ihr sagen, dass du nichts für sie empfindest vielleicht?“, entgegnete sie schnippisch. „Ja, ganz toll wäre das geworden. ‚Nee, sorry, ich steh‘ nicht auf dich, will nur Sex. Mach’s gut, das war’s dann.‘“ „Genau das hättest du aber sagen sollen!“ „Kurz nachdem wir Sex hatten und sie mir praktisch sagt, dass sie mich liebt? Wie scheiße ist das denn?“ „Mit ihr eine ernste Beziehung anzufangen, obwohl du keine Gefühle für sie hast, ist noch viel schlimmer als das. Viel, viel schlimmer.“ Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust und starrte ihn vernichtend an, als ginge es hier um ihre beste Freundin und nicht um eine für sie Fremde. „Ich kann doch jederzeit wieder Schluss machen“, antwortete Takeru verständnislos. Offenbar fassungslos hob Hikari die Augenbrauen. „Wann bist du denn so ein Arsch geworden, Takeru?“ „Hey!“ Ein wenig verletzt runzelte er die Stirn. „Ich bin kein Arsch. Ich hab‘ nur ein bisschen Spaß und hab‘ ihr außerdem von Anfang an gesagt, dass das nichts Ernstes werden soll.“ „Dann sag‘ es ihr eben nochmal. Wahrscheinlich denkt sie, du hast in der Zwischenzeit deine Meinung geändert“, sagte Hikari nachdrücklich. „Dann hätte ich das doch wohl gesagt.“ „Sie ist ein Mädchen. Sie hat sich in dich verliebt und versucht eben, dein Verhalten zu interpretieren und sucht nach Anzeichen dafür, dass du sie auch magst.“ „Wenn sie sich in mich verliebt, obwohl ich ihr gleich gesagt hab‘, dass ich nur Spaß will, ist das doch ihre eigene Schuld“, widersprach Takeru bestimmt. Hikaris Blick war eine Mischung aus Unverständnis, Verwirrung und Ungeduld. Schließlich seufzte sie jedoch und ließ sich auf ihr Bett fallen. „Ich geb’s auf. Tu‘, was du nicht lassen kannst. „Mach‘ dir doch nicht so viele Sorgen“, meinte er schulterzuckend und ging zu ihr hinüber. Irgendwie verstand er nicht ganz, warum sie sich so aufregte. Es ging hier doch nicht um sie. „Ich mach‘ das schon irgendwie.“ Sie sah zu ihm herauf und für ein paar Sekunden blickten sie sich in die Augen. „Du hast dich ganz schön verändert“, murmelte sie. „Wie meinst du das?“ „Naja, früher warst du netter. Der alte T.K. hätte das nicht gemacht. Dem waren die Gefühle anderer nicht so egal.“ „Mir sind ihre Gefühle doch gar nicht egal“, protestierte er und war allmählich genervt. Hätte er es ihr doch bloß nicht erzählt. „Doch, sonst hättest du ihr gestern die Wahrheit gesagt, als du die Gelegenheit dazu hattest, anstatt eine Beziehung mit ihr anzufangen.“ „Wir drehen uns im Kreis“, stellte er nüchtern fest. „Weil du nicht einsehen willst, dass du ein egoistisches Arschloch geworden bist“, erwiderte sie genauso nüchtern. „Was?!“ Er starrte sie an. „Netter kann ich das nicht mehr ausdrücken.“ Takeru musste zugeben, dass er tief getroffen war von dem, was sie gesagt hatte. Wieder und wieder wiederholte sich der Satz in seinem Kopf, während er sie weiterhin anstarrte. Egoistisches Arschloch. War ihr überhaupt klar, was sie da sagte? Sie hatte doch keine Ahnung. Und überhaupt hatte sie leicht reden. „Tschüss“, brummte er, drehte sich um und ging.   _   Mit schlechtem Gewissen lag Hikari auch eine halbe Stunde, nachdem Takeru gegangen war, noch immer auf dem Bett und starrte an die Decke. Vielleicht hätte sie ihn nicht so nennen sollen. So schlimm war er ja schließlich gar nicht. Naja eigentlich doch. Was war nur mit ihm los? Seit er nicht mehr mit Mimi zusammen war, hatte er sich komplett verändert. Plötzlich war er nicht mehr der liebe Junge, der er immer gewesen war. Früher hätte er jemanden, der mit einem Mädchen zusammen war, das er nicht liebte, zutiefst verachtet. Und nun? Er könnte ja jederzeit wieder mit ihr Schluss machen, hatte er gesagt. Was diese Ami davon hielt, war ihm total egal. Und überhaupt hatte Hikari keine Ahnung, mit wie vielen verschiedenen Mädels er schon geschlafen hatte. Was war nur aus ihm geworden? Seufzend erhob sie sich vom Bett, setzte sich an den Schreibtisch und schaltete den Computer an. Vor ein paar Wochen hatten sie und Takeru sich auf Facebook angemeldet, weil ihre Klasse neuerdings von nichts anderem mehr sprach. Da waren auch sie neugierig geworden und waren mittlerweile zumindest online mit der ganzen Schule und halb Odaiba befreundet. Hikari loggte sich in ihren Account und suchte Takerus Profil auf. Auf seinem Foto stand er mit ausdruckslosem Gesicht und einem Basketball in den Händen vor einer mit Graffiti besprühten Hauswand. Dieses Foto hatte Hikari von ihm gemacht, als er sie mal wieder dazu gezwungen hatte, mit ihm Körbe zu werfen. Sie klickte das Bild an, fand einen Haufen „voll cool, T.K.!“-Kommentare und sah, dass das Bild inzwischen sechsundfünfzig Leuten gefiel. Sie klickte das Bild weg und warf einen Blick auf seine Pinnwand. Einige Einträge waren von ihm, andere von Mitschülern, die ihn mit haufenweise Smileys fragten, ob er wann auch immer Zeit hatte, was auch immer zu machen. Eine Information jedoch stach Hikari besonders ins Auge. Sie war erst ein paar Minuten alt und lautete: Takeru Takaishi ist jetzt in einer Beziehung mit Ami Matsuda. „Oh mein Gott“, murmelte Hikari und schüttelte den Kopf. Selbst im Internet konnte er es nicht lassen. Sofort musste er diese neue Information über sich verbreiten. Sie klickte auf seine Freundesliste, überflog sie und fand schließlich auch zu ihrer Überraschung Mimis Namen darin. Ob er ihr wohl eins auswischen wollte mit seiner Liebesbekundung? Hikari schnüffelte noch auf ein paar anderen Profilen herum, die sie auf seiner Freundesliste gefunden hatte, bevor sie den Computer wieder ausschaltete und sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte. Nachdenklich betrachtete sie ihr Spiegelbild im schwarzen Bildschirm und fragte sich, warum sie sich in diese Angelegenheit überhaupt einmischte. Eigentlich konnte es ihr doch egal sein. Sie kannte diese Ami ja nicht einmal, nur von ein paar Facebookfotos. Takeru sprach kaum über sie und hatte bisher nicht die geringsten Anstalten gemacht, sie ihr vorzustellen. Für Hikari war sie doch nur irgendeine Fremde. Warum also kümmerte sie sich überhaupt um sie?   _   Wütend kickte Takeru einen Stein aus seinem Weg. Wie konnte Hikari ihn nur so bezeichnen? Sie hatte doch keine Ahnung. Sie war immer beliebt gewesen und hätte, bis auf Yamato, jeden haben können, den sie wollte. Und außerdem hatte sie seit der Erfahrung mit Makoto Angst vor zu viel körperlicher Nähe, weshalb sie Takerus Bedürfnis nach Spaß nicht nachvollziehen konnte. Sie konnte sich überhaupt nicht in seine Lage hineinversetzen und trotzdem verurteilte sie ihn. Das sollte eine beste Freundin nicht tun. Er schloss die Wohnungstür auf, trat ein und sofort fielen ihm die zwei Paar Schuhe auf, die hier nicht zu Hause waren. Er streifte seine eigenen Schuhe ab, hängte seine Jacke in die Garderobe und lief ins Wohnzimmer. Tatsächlich. Dort auf der Couch saßen Hiroaki und Yamato und drehten sich zu ihm um. Natsuko hatte sich in ihrem Sessel platziert und sah ihn an. „Da bist du ja schon wieder.“ „Hey, Großer“, begrüßte Hiroaki ihn lächelnd. Takeru war ein wenig sprachlos. Der Ärger über Hikaris Worte war vorerst verflogen. „Hi. Was macht ihr denn hier?“ „Ich wollte Mama und Papa ein bisschen von den Studiengängen erzählen, die ich mir ausgesucht habe“, antwortete Yamato und Natsuko nickte bekräftigend. Auf dem Tisch standen drei Tassen Kaffee und ein Teller mit Keksen. Alles sah nach einer gemütlichen Familienrunde aus und Takeru hob die Augenbrauen. „Warum wusste ich davon nichts?“, fragte er. Natsuko zuckte mit den Schultern. „Du warst in letzter Zeit so selten zu Hause und ich dachte, du bist jetzt sowieso bei Kari. Aber setz‘ dich doch einfach zu uns.“ Noch immer verwirrt sah Takeru zwischen den dreien hin und her und konnte kaum glauben, sie an einem Tisch zu sehen. Und nun kam er auch noch dazu und die Familie war komplett. Gab es etwa noch Chancen? Er setzte sich neben Yamato auf die Couch und sie fuhren mit ihrem Gespräch fort. Yamato hatte ein paar Broschüren über verschiedene Unis und Studiengänge mitgebracht und erklärte sie. Hiroaki und Natsuko hörten interessiert zu, fragten nach und erzählten sogar von ihrer eigenen Studienzeit. Takeru hatte die Geschichten, genau wie Yamato, bereits mindestens eine Million mal gehört und achtete eher darauf, wie seine Eltern miteinander umgingen, beobachtete Blickkontakte und Gesten. Es war das erste Mal seit einer Ewigkeit, dass er sie normal, ja sogar gut gelaunt miteinander reden sah. Sie lachten viel und Natsuko holte sogar irgendwann Sekt zum Anstoßen. „Auf unseren Großen, der anscheinend doch langsam vernünftig wird“, rief sie fröhlich und vier Sektgläser wurden klirrend aneinander gestoßen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)