Die Dunkelheit in mir von phean ================================================================================ Kapitel 2: Licht braucht keine Hoffnung --------------------------------------- Müde sah ich aus dem Fenster. Ich hatte nicht wirklich schlafen können. Der Flug war mitten in der Nacht gegangen und die ganze Zeit hatte so eine Kröte von Kind, welches sich für besonders hielt, schreien müssen. Am liebsten wäre ich aufgestanden, hätte es angeschrien und ihm dann den Hals umgedreht. Als es sich dann endlich erbarmt hatte, waren wir auch schon fast da und ich total am Ende und viel zu müde um zu schlafen. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust nach Hause zurück zu gehen. Es war doch irgendwie ein befremdlicher Ort geworden. Ich fuhr mir durch meine Haare, die ein gutes Stück gewachsen waren. Sie gingen mir jetzt bis über die Schultern. Einmal hatte ich sie mir schneiden lassen und dann hatte ich gleich noch einen Pony bekommen, einen der quer über meine Stirn fiel und mir mehr ins Gesicht hing als mein alter. Schließlich landete das Flugzeug. Langsam erhob ich mich und holte mein Handgepäck aus dem Fach über mir. Ich folgte der Menge langsam in Richtung Ausgang. Kurz vor dem Gepäckband blieb ich nochmal kurz stehen, strich mir mein weißes Top glatt und zupfte meine braunen Shorts zurecht. Meine hellgrüne Jacke zog ich aus, es war doch wärmer hier als erwartet. Ich hatte meinem Bruder zwar gebeten am Ausgang zu warten, aber da ich ihn auch anders kannte, seufzte ich einmal tief und setzte mir dann ein Lächeln auf. Ich suchte schnell meinen Koffer und machte mich dann auf die Suche nach ihm. „Schwesterherz“, lachend kam er auf mich zu und drückte mich fest an sich. Er hatte überraschenderweise am Ausgang gewartet. Seine Haare waren etwas wilder als das Jahr zuvor und er roch nach einem typischen Männerparfum – oder Deo oder was es war. Ich drückte ihn auch. „Ich hab dich vermisst“, nuschelte er in meinen Hals und drückte mir schließlich einen Kuss auf die Haare. Ich lächelte, „ich dich auch.“ „Komm, lass uns gehen, du musst müde sein.“ Er nahm mir den Koffer ab und umfasste meine Hand. Verwundert hielt er inne. Ich trug Handschuhe, welche am ersten Fingergelenk aufhörten, dafür aber meinen halben Unterarm verdeckten. ► ▼ ▼ ◄ Wir liefen schweigend nebeneinander her. Mir war es ganz recht, ich hatte sowieso keine Lust zu reden, wobei ein kleiner Teil von mir schon wissen wollte, was in den letzten Monaten hier geschehen war. Ich bemerkte die immer wiederkehrenden neugierigen Blicke meines eigentlich geliebten großen Bruders. „Ich weiß ich sollte dich nicht gleich bedrängen, aber ich muss es wissen, wie war es?“ „Toll“, antwortete ich kichernd, kurz und knapp. „Und wieso sollte ich den anderen nicht erzählen, dass du heute wieder kommst?“, er musterte mich nachdenklich. Ich seufzte, lächelte aber immer noch, „ich wollte kein großes Aufsehen und früher oder später sehe ich sie ja immer noch.“ Er nickte, aber es schien ihn nicht wirklich zu befriedigen. „Wir sollten uns beeilen“, meinte er dann schließlich, „Mum wartet sicher schon mit dem Essen.“ „Super“, lachte ich und lief auch sogleich schneller. ► ▼ ▼ ◄ „Ich würde noch schnell duschen gehen“, sagte ich, nachdem ich eine zehn-minütige Umarmung hinter mir hatte und meine Mutter mich schon zum Tisch begleiten wollte. Sie nickte und so verschwand ich in meinem alten Zimmer, dass ich mir jetzt wieder mit Tai teilen würde. Ich stellte den Koffer vor den Kleiderschrank und wühlte erst einmal einige Minuten darin herum. Tai kam herein und sah mich neugierig an. Wortlos hielt ich ihm meine Hände entgegen. Verunsichert griff er nach dem kleinen Päckchen welches ich festhielt. Ich lächelte, schnappte mir einige Sachen und verschwand auch schon im Bad. Ich hatte ihm eine Kette mit einem Rubinanhänger mitgebracht. Den hatte ich eigenhändig – mehr oder weniger – gefunden, wenn es überhaupt ein Rubin war. In dem Päckchen war auch noch eine kleine Tonfigur. Es sollte ein Agumon darstellen, aber war etwas krumm geworden – leider. Hinter mir sperrte ich die Badtüre zu. Langsam entledigte ich mich meiner Kleidung und war froh, aus den verschwitzten Sachen raus zu sein. Ich betrachtete mich im Spiegel. Eine müde Gestalt sah mir entgegen. Leichte Augenringe waren zu sehen. Fahle Haut blitzte unter dem Makeup hervor. Die Mundwinkel zeigten nach unten und die Augen glanzlos. Ich seufzte und streifte mir dann die Handschuhe ab. Narben kamen zum Vorschein, welche ich ein paar Sekunden betrachtete. Vorsichtig wischte ich darüber und bekam leichte Gänsehaut bei dem Gefühl. Zuletzt zog ich mir die Kette über den Kopf. Ein spitzer Lavastein, welcher der Verursacher für die Narben war - zumindest von einigen. Ich schüttelte den Kopf und stellte mich dann unter die Dusche. Ich machte sie so kalt wie möglich. Zuerst wusch ich meine Haare und shampoonierte sie. Beim Auswaschen stellte ich die Dusche auf das heißeste was ging. Den Schmerz unterdrückend hielt ich es einige Sekunden aus und dann war ich fertig. Ich schüttelte mich kurz und wickelte dann ein Handtuch um meinen Körper. Wieder trat ich vor den Spiegel und betrachtete mich. Der Anblick wurde nicht besser. Eilig trocknete ich mich ab, rubbelte mit dem Handtuch meine Haare weitgehend trocken und hängte es wieder auf. Frische Unterwäsche und ein Kleid zog ich mir über. Wieder meine weißen Handschuhe und meine Kette. Bevor ich das Bad verließ bürstete ich noch meine Haare durch und schnappte mir einen Haargummi. Ein letzter Blick in den Spiegel sagte mir, dass das Lachen zurück musste. Meine Mundwinkel zogen sich widerwillig nach oben und ich ging zum Küchentisch. Ein dampfender Teller mit Curry stand bereits an meinem Platz und Tai hatte seinen schon fast leer. Ich merkte wie mich der Hunger überkam und fing auch an zu essen. Erwartungsvoll sah mich meine Mutter an. Mir war es etwas unangenehm, ich wollte immer noch nicht darüber reden und wich ihren Fragen mehr oder weniger mit kurzen Antworten aus. Es war toll. Ich hatte viel Spaß. Neue Freunde gefunden. Viel mit den Kindern gearbeitet. Bin brav dort zur Schule gegangen. Habe viel gelernt. Haben viel unternommen. Schwimmen und so. Irgendwann erbarmte sich Tai und sagte ihr, dass er nochmal mit mir rausgehen würde. Einfach etwas an der frischen Luft spazieren. ► ▼ ▼ ◄ Seit wir los waren, betrachtete er mich skeptisch. Dabei lächelte ich ihn nur an und strahlte die ganze Gegend zusammen. „Du bist irgendwie anders“, brachte er es auf den Punkt. „Wieso? Nur weil ich glücklich bin?“, fragte ich zurück und hakte mich bei ihm unter, „ich bin froh wieder da zu sein. Freust du dich etwa nicht?“ „Doch schon, aber so kenne ich dich nicht“, meinte er vorsichtig. Ich lachte, „ich dachte, ihr würdet euch freuen. „Schon, aber Kari, was ist passiert, dass du so plötzlich weg wolltest?“ Ich biss mir auf die Unterlippe, „darüber will ich nicht reden.“ „Hat es mit TK zu tun? Er hatte sich ganz plötzlich anders verhalten.“ „Ich will nicht darüber reden“, meinte ich erneut und wurde etwas scharf im Unterton. Tai schrak zusammen. Dann setzte ich wieder ein Lächeln auf, „sorry. Lass uns weiter gehen.“ Damit war für mich das Thema gegessen. Und ich wollte auch nur noch ins Bett. Wieder zuhause fiel ich auch sofort ins Bett und schlief ein. Traumlos lief ich durch die Dunkelheit. Ich fühlte mich wohl. Es war einfach ruhig und niemand ging mir auf die Nerven. So wachte ich mitten in der Nacht auf. Seufzend stand ich auf und lief etwas im Zimmer auf und ab und strich mir dabei über den Handschuh. Ich war müde, aber irgendwas hielt mich plötzlich vom Schlafen ab. So stellte ich mich vor das Fenster und starrte hinaus. Die Straßen waren ruhig. Die Straßenlaternen strahlten mir ihren Lichtkugeln und erhellten die Nacht. Darüber strahlten die Sterne. Wie sehr ich mir doch wünschte, dass beides erlischen würde. Ich wollte kein Licht mehr sehen. In der Dunkelheit war es ruhig und das erschien so hell. „Kari, wieso bist du denn wach?“, hörte ich einen verschlafene Tai. Ich weckte meine Mundwinkel und sie wanderten nach oben, „bin grad wach geworden und kann nicht mehr schlafen.“ „Soll ich mich zu dir legen? Wie früher?“, grinste er. „Da hattest du aber immer Angst“, erinnerte ich ihn. Das Monster unter dem Bett, wie er es gern genannt hatte. „Na los, Schwesterchen, du wolltest doch morgen wieder in die Schule, also schlaf noch ein bisschen.“ Ich nickte und legte mich wieder ins Bett, sofort kroch Tai mit unter die Decke und legte den Arm um mich. „Schlaf jetzt.“ Er schloss die Augen und war auch sofort wieder weg. Ein leises Grummeln kam ihm über die Lippen. Ich beobachtete ihn eine Weile und fuhr dann mit meinem Finger über seine Lippen. Sie waren so weich und bei der Berührung zog er seine Nase kraus. Ein ehrliches Lächeln huschte über mein Gesicht, dann schloss auch ich die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)