Mein bester Freund Angie von JCZoldyck ================================================================================ Kapitel 2: Eren --------------- Wir schwänzten die sechste Stunde und trafen uns bei mir zu Hause, um Armin anständig zu verkleiden. Zum Glück arbeitete mein Vater den ganzen Tag und meine Mutter traf sich mit einer Freundin. Mikasa saß noch immer im Deutschunterricht und fragte sich wahrscheinlich, wo wir steckten. Ich dachte mir später einfach eine simple Story aus, damit sie auf keine komischen Gedanken kam. Schließlich hatte ich Armin versprochen, dass diese Aktion unter uns blieb. Wie ich mir bereits dachte, gab Armin ein recht hübsches Mädchen ab. Mit seinen fünfzehn Jahren besaß er noch sehr kindliche Gesichtszüge, die man auch als weiblich einstufen konnte, wenn man ihn anständig schminkte. Ich gab ihm ein schulterfreies Sommerkleid, das bis zu den Knien reichte und keine Ärmel besaß. Auf dem dunkelblauen Stoff bildeten helle Blümchen ein paar freundliche Tupfen. Obwohl Armin blond war, stand es ihm ziemlich gut. Da es draußen etwas frisch wirkte - für September normal - reichte ich ihm eine dünne Strickjacke im schlichten Schwarz, mit der er die nackten Arme verdeckte. Unter dem Kleid trug er einen kleinen BH, der ihm ganz gut passte. Die Körbchen füllten wir mit Watte aus. Jetzt besaß ich zwar keine dickbrüstige Freundin, doch die Größe passte zu seiner schlanken Statur. "Eren, ich komm mir komisch vor", murmelte Armin, als ich ihn ins Bad zog. "Die Verkleidung ist perfekt", versicherte ich ihm. "Niemand erkennt dich so." Ich drückte ihn vorsichtig vor den großen Badezimmerspiegel über dem Waschbecken, worin er sich genau betrachtete. Skepsis lag in seinem Blick, doch er sagte nichts gegen sein Aussehen. Stattdessen ließ er sich von mir schminken, nachdem er sich setzte. Ich nahm nicht zu viel, schließlich sollte er nicht aussehen wie ein Transvestit. Ein wenig Rouge auf den Wangen, die Augen dezent betont und Lipgloss genügten und er hätte locker mit den Mädels aus unserer Klasse konkurrieren können. Er sah sogar noch hübscher aus, wenn man mich fragte. Mit einem Haarreifen klemmte ich seine blonden Strähnen nach hinten, damit seine Frisur weiblicher aussah und nicht wie ein Topfschnitt, obwohl Mikasa die Haare verdammt ähnlich trug. Ein erneuter Blick in den Spiegel verriet mir, dass auch Armin mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden war. "Ich hoffe nur, dieser Jean lässt sich leicht täuschen." "Komm, so schlecht siehst du nicht aus", bekräftigte ich. "Wir brauchen nur noch einen Namen für dich. Einen, der in Bezug zu deinem eigentlichen Namen steht, aber trotzdem sehr weiblich und exotisch klingt." Ich überlegte eifrig. Armina? Nein, viel zu stumpf. Eher Amanda, Amelie oder Angie. Verspielte Namen mit "A" passten sehr gut zu ihm. Armin verstand anscheinend meinen Gedankengang nicht und rümpfte bereits bei „exotisch“ die Nase. "Kann ich nicht einfach Lisa heißen? Oder Julia? Irgendwas Einfaches." "Nein, das passt nicht zu dir", protestierte ich. "Eren, ich bin keine Dragqueen, deren Name Ausdruck ihrer Seele ist. Ich verkleide mich für zwei Stunden als normales Mädchen, da ist es scheißegal, ob ich Lisa oder Ophelia heiße." "Angie", korrigierte ich. "Gut, dann eben Angie, damit du deine Ruhe hast", seufzte er. Soweit konnte nichts mehr schief gehen. Armin sah aus wie Angie, meine Freundin, klang sogar so, weil er noch nicht in den Stimmbruch kam und er versuchte sich möglichst elegant zu bewegen, was ganz gut klappte. Wir brauchten fast eine ganze Stunde für die Verwandlung, zum Glück nahmen wir uns die letzte Stunde frei. Armin konnte sich Fehlstunden sowieso leisten und ich machte mir nichts draus. Eine Viertelstunde später saßen wir bereits im Park. Ich hatte Armin ein paar Ballerinas geliehen, die ihm überraschenderweise perfekt passten. Jetzt klapperten seine Fußspitzen immer wieder nervös gegeneinander. Angespannt schaute ich auf meine Armbanduhr und fragte mich, wann Jean endlich auftauchte. Der Unterricht endete seit ein paar Minuten. Plötzlich krabbelten zarte Finger über meine Hand. Ich zuckte weg. „Was wird das?“, fragte ich verwirrt. Unsicher blickte sich Armin um und nahm meine Hand. „Wenn wir ein Paar spielen, sollten wir uns auch so benehmen und wenigstens Händchen halten. Außerdem fühl ich mich immer noch komisch in dem Kleid.“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser. „Na gut“, seufzte ich und umfasste seine Hand mit meiner, um ihm ein wenig Halt zu geben. Ich hatte noch nie eine Freundin. Romanzen im Fernsehen schaute ich auch nicht. Daher wusste ich so gut wie gar nicht, wie man mit einem Mädchen umgehen sollte. Armin war sowieso der klügste Mensch, den ich kannte, daher machte ich mir keine Sorgen, ob er etwas Falsches tat. Immer wieder flatterte das dunkelblaue Blümchenkleid um seine Beine, wenn sanfter Wind wehte. Einige Leute gingen an uns vorbei, hielten uns vermutlich für ein normales Teenie-Pärchen und beachteten uns nicht weiter. Ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen lief mit seiner Mutter hier entlang und starrte uns verwundert an, sonst schaute uns keiner hinterher. Ein Typ in zerfledderter Jeans und einem weiten Shirt mit Band-Logo drauf hielt direkt vor unserer Parkbank. Seine Sonnenbrille steckte er in sein kurzes Haar, nachdem er vom Rad stieg. Augenblicklich ließ Armin meine Hand los. Normalerweise hatte ich von Jean ein dummes Grinsen erwartet, aber er schaute völlig dumm aus der Wäsche, als er Armin im Kleid sah. Hoffentlich erkannte er ihn nicht, aber die beiden gingen auf unterschiedliche Schulen und trafen sich bisher immer nur flüchtig. Außerdem gelang uns die Verkleidung sehr gut. Sofort sprangen wir von der Bank auf. „Ach ja, ich hab dir doch von Jean erzählt, der dich unbedingt sehen wollte“, begann ich triumphierend. Armin spielte mit und nickte. Wie ein schüchternes Mädchen streckte er seinen Arm nach Jean aus, der den falschen Gentleman spielte und ihm einen Kuss auf den Handrücken drückte. Ich sah, wie Armin Anstalten machte, zurückzuzucken, jedoch mit aller Mühe ruhig stehen blieb. Wer wollte schon von einem Pferd abgeschleckt werden? Angewidert von Jeans Geste schlug ich dazwischen und stellte mich vor meinen Kumpel, der wie ein Stück Zucker behandelt wurde. „Jetzt grabsch meine Freundin nicht an“, fauchte ich. „Ich glaub, die Süße darf selbst entscheiden, was sie will“, gab Jean bissig zurück. „Sicher nicht von dir abgeknutscht werden!“ Armin räusperte sich und tippte zaghaft gegen meine Schulter. „Ist schon okay“, flüsterte er. „Ich geh dir schon nicht fremd.“ Seine Stimme klang ungewöhnlich lieblich, sodass ich ihn selbst beinahe für ein Mädchen hielt. Beide, Jean und Armin, traten einen Schritt nach rechts, damit sie sich wieder ansahen. „Ich bin Angie“, lächelte Armin das Pferdegesicht an. „Jean“, antwortete er lässig und setzte die Sonnenbrille wieder auf. Wahrscheinlich, damit er wieder cool aussah. „Was macht ihr heut noch so?“ „Ein Date haben, sieht man doch“, warf ich ein, doch Jean ignorierte mich und wartete, bis meine vermeintliche Freundin antwortete. „Nichts Besonderes, ein wenig rumhängen“, meinte Armin etwas schüchtern. „Cool.“ Man hörte an seinem desinteressierten Ton, dass er es nicht so meinte. „Hast du Skype?“ Sofort schüttelte mein Freund den Kopf und legte die Arme etwas verunsichert um seinen Oberkörper, während er einen Blick zu mir warf. „Trifft man sich sonst nochmal?“, fragte er beiläufig. „Ähm… ich komm nicht von hier“, murmelte Armin. „Jetzt spann mir nicht die Freundin aus“, warf ich ein und stellte mich wieder mit provozierender Haltung zwischen die beiden. Es kotzte mich echt an, wie Jean Armin anbaggerte. „Ich wohn hier gleich um die Ecke, bin aber die meiste Zeit draußen.“ Er zeigte in die lange Straße, die zu seiner Wohnsiedlung führte. „Falls es dir mit der Lusche irgendwann zu langweilig ist, weißt du ja, wo du mich findest“, verabschiedete er sich grinsend von Armin, als er wieder auf sein Rad stieg und abzischte. Mich behandelte er wie Luft, als ob unsere Feindschaft, die wir in den letzten Jahren aufgebaut hatten, völlig aufgelöst war. Erleichtert atmete ich aus, als sein Drahtesel irgendwo in der Ferne aus meinem Sichtfeld verschwand. „Das hat doch ganz gut geklappt. Tut mir leid, dass er dich angebaggert hat.“ „Kann ich mich endlich umziehen?“, fragte Armin nur unruhig. Ich nickte nur und trat mit ihm den Heimweg an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)