Mein bester Freund Angie von JCZoldyck ================================================================================ Kapitel 4: Armin ---------------- Montag erste Stunde – Sport. Da das Wetter nicht mitspielte, turnten wir in der Halle. Eren nutzte jede kleine Sekunde damit, sich entweder am Reck unter Beweis zu stellen oder die Aufmerksamkeit unseres Lehrers auf sich zu ziehen, was nicht immer klappte, denn Herr Ackerman bevorzugte es, den Mädchen am Schwebebalken zu helfen. An der Stange hangelnd tat Eren so, als bekäme er die Übungen nicht hin. „Herr Ackerman?“, rief er mit einem gespielt verzweifelten Ton. „Ich kriege die Vorwärtsrolle am Reck nicht hin. Können Sie mir helfen?“ Demonstrativ hüpfte er am Gerät auf und ab, doch der Sportlehrer ließ sich nicht davon beeindrucken und blieb bei den Mädchen. Statt seinem armen Schüler zu helfen, schickte er ihm die Referendarin, eine kräftige Nachwuchssportlehrerin mit kurzen braunen Haaren und üppiger Oberweite – genau die Art von Frau, die Eren nicht mochte, das sah man gerade an seinem Gesichtsausdruck. Ohne Probleme hob sie meinen besten Freund an den Hüften die Stange hoch, wo er sich ängstlich festklammerte, denn er wollte, dass Herr Ackerman ihm half und keine Matrone. Der ein oder andere Zuschauer konnte sich bei diesem Anblick das Lachen nicht verkneifen. Während Eren das Reck besetzte, wartete ich gedankenversunken auf der Bank am Rand der Turnhalle. Heute Nachmittag sollte Angie sich mit Mikasa treffen, mit der ich mich eben noch unterhielt, bevor sie sich auf den Schwebebalken stellte und alle anderen Mädchen mit ihren Leistungen alt aussehen ließ. Jemand wie sie ließ sich nicht so schnell täuschen, dieses unsichere Gefühl quälte mich immer wieder, wenn ich sie sah, aber Eren bestand auf diesen Plan. Jean hatte mich am Wochenende zum Glück nicht mehr angeschrieben. Er sagte nur einmal Bescheid, dass er das Wochenende bei einem Freund verbrachte. Als hätte man ihn durch den Fleischwolf gejagt, trottete Eren rüber zur Bank und Connie warf sich an das Turngerät. Verzweifelt blickte er mich an. Ich wusste genau, was das bedeutete – er suchte meinen Rat. „Armin, ich brauch deine Hilfe.“ „Worum geht es?“ Er räusperte sich, bevor er sich setzte und zu flüstern begann: „Was macht man eigentlich, wenn man in eine Person verliebt ist, aber nicht weiß, ob sie dasselbe empfindet?“ Sein Blick wanderte rüber zu den Mädchen. „Ganz einfach, du musst es ihr sagen“, antwortete ich trocken. Unsicher spielte Eren mit seinen Fingern und schaute nach unten. „Aber was ist, wenn nur ich so empfinde?“ „Sag es ihr einfach“, flüsterte ich und legte freundschaftlich einen Arm über seine Schulter. Mein Lächeln schien ihn wirklich zu beruhigen, so wie er es erwiderte. Neuen Mut schöpfend stand er auf. „Danke für den Tipp. Ich denke, ich werde es ihm sagen.“ „Ihm?“, wiederholte ich verwirrt. Sein Blick zeigte doch zu den Mädchen. Unbeirrt steuerte Eren auch die Richtung an, doch statt sich eines der weiblichen Exemplare auszusuchen, tippte er dem Sportlehrer an die Schulter, der sich sofort umdrehte. „Was ist?“ „H-herr Ackerman“, stammelte Eren etwas schüchtern. „Da gibt es etwas, dass ich Ihnen sagen will.“ Auf die Uhr schauend entgegnete er ihm: „Aber beeil dich, die Stunde ist bald vorbei.“ „I-ich … also …“ „Eren, Stopp!“, schrie ich verzweifelt, bevor er unserem Sportlehrer ein Liebesgeständnis machte. „Ich hab dich angelogen!“ „Angelogen?“, fragte er verwirrt. „Äh… ja! Sag es ihm nicht!“ Sofort erhielt ich die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse, die mich verdutzt und geschockt zugleich ansah. Besser konnte es nicht laufen. Herr Ackerman verdrehte nur genervt die Augen und nuschelte: „Kinder.“ Nachdem die Stunde wenige Minuten später endete und sich die gaffenden Blicke von uns lösten, musste mich mein bester Freund nochmals zur Rede stellen, was mir gar nicht gefiel. Wie konnte ich denn ahnen, dass er einem erwachsenen Mann seine Liebe gestehen wollte? „Sag mal, warum erzählst du mir erst, ich soll meine Gefühle frei aussprechen und dann meinst du, du lügst mich an?“, beschwerte er sich aufgebracht. Seufzend antwortete ich: „Ich dachte, es ging um Essen.“ „Um Essen?“ „Ja, ich hab Hunger“, erklärte ich schluckend und hoffte, dass er auf den Themawechsel ansprang. „Ich auch. Lass uns nach dem Sport in die Cafeteria gehen.“ Beruhigt ausatmend folgte ich Eren in die Umkleide. Wenn es um Essen ging, konnte man ihn fast so schnell umstimmen wie Sasha. Wieder versäumten wir die letzte Stunde – diesmal Biologie, eines meiner Lieblingsfächer, da unsere Lehrerin uns die Wissenschaft mit besonderer Leidenschaft beibrachte. Ich ging nur ungern früher. Vor allem ging es wieder um Erens blöde Idee mit Angie, weswegen wir mich verkleiden mussten, bevor Mikasa heimkam, die zum Glück einen anderen Kurs wählte als wir, wodurch sie nicht wusste, dass wir schwänzten. Diesmal wurde ich in einen weißen Faltenrock gesteckt, gepaart mit einer zartrosa Bluse. Dementsprechend wählte Eren auch den hellen Lipgloss und ich bekam einen Haarreifen mit einem Schleifchen an der rechten Seite in mein Haar gesteckt. Auch für Schmuck sorgte er, indem er mir zwei Armbänder über die Hand stülpte, welche ebenfalls in Pastellfarben gehalten wurden wie der Rest von mir. Ich kam mir etwa vor wie Zuckerwatte, so rosa wie ich war, aber Eren meinte, das Outfit passte perfekt zu meinen blonden Haaren. Er versuchte noch, Zöpfe zu flechten, wobei er allerdings scheiterte, denn meine Haare waren zu kurz dafür. Selbst ein Pferdeschwanz ging nicht, dafür aber zwei Zöpfchen links und rechts wie bei einem kleinen Mädchen. Er kam sogar noch mit Nagellack, aber das konnte ich meinem Freund zum Glück ausreden. Tatsächlich dauerte diese Prozedur über eine halbe Stunde. Jetzt mussten wir nur noch auf Mikasa warten, die von der Schule heimkam. Eren hatte ihr erzählt, dass Angie ihn am Montagnachmittag besuchte. Die letzten Minuten setzte ich mich erschöpft auf die Couch, doch Eren scheuchte mich wieder auf die Beine. „Du kannst nicht schon hier sein!“ „Warum nicht?“, protestierte ich. „Vielleicht hatte Angie eine Freistunde.“ „Nein, sie hat heute sieben Stunden wie wir und außerdem muss sie sich noch fertig machen, bevor sie zu mir kommt. Kurz nachdem Mikasa also da ist, klingelst du an der Tür und tust so, als warst du gerade auf dem Weg zu mir“, erklärte er mir seinen Plan. Ich seufzte tief, dann schlurfte ich in den Flur, zog die Ballerinas über die weißen Strümpfchen und ging mit ihm gemeinsam noch raus. „Dann sehen wir uns in zehn Minuten?“ Eren nickte. „Geht klar! Bis später, Süße“, grinste er mich an. Ich blickte grimmig weg, denn ich wusste, dass er nur Jean nachahmte, der mich anbaggerte. Auf der einen Seite war es schon witzig, wie der Kerl auf mich reinfiel, auf der anderen Seite gefiel es mir gar nicht, dass er ausgerechnet mich belästigte. Ich bog in eine andere Straße ab, nachdem ich das Wohnhaus verließ und wartete dort einige Zeit, bis ich endlich wieder zurückkehrte. Eine Viertelstunde sollte reichen, dachte ich mir und setzte mich in Bewegung. Niemand war zu sehen. Wenigstens beruhigte es mich, dass mich keiner in dem Aufzug sah. Zaghaft klingelte ich an der Wohnungstür, als ich davorstand und wartete, bis ich die Tür öffnen konnte. Nach dem Signalton drückte ich sie nach innen und sprang rein. Die kleine Treppe im Erdgeschoss führte gleich zur Wohnung der Familie Jäger, wo bereits Mikasa wartete. Mit scharfem Blick betrachtete sie das vermeintliche Mädchen, das draußen im Flur die Ballerinas auszog. „Ernsthaft? Eren?“ Skeptisch drehte sie sich um und suchte nach ihrem Bruder, der sich irgendwo in der Wohnung versteckte. Ich atmete zitternd ein, ihr Ton klang nämlich alles andere als freundlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)