Revenge of Fire von Platan (The Reminiscence) ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- Yrallien: Zedernwälder „... Mmm.“ Es war, als würde Teepo nach langer Zeit aus einem tiefen Schlaf erwachen und gleichzeitig kam es ihm doch nur wie ein kurzer Moment vor, in dem er sich ausgeruht hatte. Träge öffnete er die Augen und erblickte als erstes einen dunklen, mit grauen Wolken bedeckten Nachthimmel, der bald einen heftigen Regenschauer vermuten ließ. In den Augenwinkeln nahm er nur flüchtig die blühenden Äste eines Baumes wahr, in dessen Nähe er im Gras lag. Schnell stieg ihm ein starker, verbrannter Geruch in die Nase und aus irgendeinem Grund war ihm furchtbar schlecht, was aber nichts im Vergleich zu den höllischen Kopfschmerzen war, von denen er nebenbei auch noch geplagt wurde. Eher genervt als aus Schmerz, entglitt ihm deshalb ein Stöhnen. Bestimmt hatte sein gleichaltriger Freund Ryu ihn wieder mit zahllosen, lächerlichen Fragen gelöchert, so dass Teepo nun wie so oft der Schädel davon brummte. Und wegen einem weiteren, misslungenen Versuch durch die nicht vorhandenen Kochkünste seines älteren Freundes Rei, musste er nun von Übelkeit befallen sein, zumindest waren das seine ersten Gedanken. Diese Gedanken wollte er glauben. Bloß einen Augenblick später ahnte er aber bereits, dass es nicht die wahren Gründe für seine Beschwerden waren. Ein schlechtes Gefühl sagte ihm das und es schien sich über ihn lustig zu machen, indem es Teepo noch mehr Schmerzen in den Kopf jagte. „Rei ...? Ryu ...?“, murmelte er leicht benommen vor sich hin, erhielt jedoch keine Antwort. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich aufzurichten. Obwohl das eine äußerst simple Bewegung war, forderte sie einige Kraftreserven seines Körpers, der vor Schwäche zu zittern anfing. Insgesamt fühlte Teepo sich ungewohnt schlapp, so als hätte er zuvor etwas überaus Anstrengendes getan. Da es in der Regel allerdings kaum etwas gab, was ihn so einfach erschöpfte, beunruhigte ihn dieser Zustand. Ein leichtes Schwindelgefühl ließ seine Laune dann erheblich in den Keller sinken. „Verdammt, was ist denn passiert?“ Erst jetzt realisierte er dieses unheilvolle Knistern und Knacken von Holz sowie die Hitze, die überall in der Luft lag und ein perfektes Zusammenspiel mit dem verbrannten Geruch einging, von dem sich seine Nase so gereizt fühlte. Prompt verschlimmerte sich die innere Unruhe und verwandelte sich allmählich sogar in Panik, wovon man Teepo von außen allerdings noch nicht viel ansehen konnte. Sein eigener Herzschlag dröhnte ihm förmlich in den Ohren, kaum dass er seinen Blick erneut in den Himmel lenkte und erkannte, dass dort oben keine gewöhnlichen Wolken zu sehen waren, auf alle Fälle nicht nur. Hastig stand er auf, wohl etwas zu zügig für seinen ausgelaugten Körper, denn er schwankte dabei sehr. An dem Stamm des nahegelgenen Baumes fand er Halt, verweilte dort aber nicht lange. Gekonnt ließ er die Signale außer Acht, die sein Körper ihm durch den Schwindel gab, und bewegte sich einige Schritte Richtung Trampelpfad, der hinauf zu einem großen Baumhaus führte. Mit jedem Schritt hämmerte sein Herz wilder gegen seine Brust. Es wirkte ein bisschen wie ein verzweifelter Versuch, vor etwas fliehen zu wollen. Ja, eine innere Stimme wollte ihn vor dem warnen, was er gleich sehen würde. Kaum hatte er mit den Augen sein Ziel erfasst, verlor Teepo für einige Zeit die Fähigkeit zu atmen. Immer noch ließ sich äußerlich nicht wirklich erkennen, wie dieser Anblick, der sich ihm bot, ihn beeinflusste. Jeder, der nun in ihn hinein gesehen hätte, wäre Zeuge der Zerstörung geworden, die sein Herz ihm zufügte, als es mit nur einem weiteren Schlag förmlich an dem Hindernis zu zersplittern schien und tiefe Wunden hinterließ. ... Nein. Das Baumhaus, seine einzige Heimat, es brannte. Flammen schlugen wie tobsüchtige Bestien aus dem Innenraum hervor und türmten sich in den Himmel hinauf, genau wie der Rauch, den er irrtümlicherweise mit zu den dunklen Gewitterwolken gezählt hatte. Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Alles. Zwei fremde Männer, Tiermenschen mit den Gesichtern von Pferden, silbern und golden, hatten seinen Freunden und ihm hier auf dem Weg aufgelauert, zuvor sogar grundlos ihr Haus angezündet. Vor lauter Zorn hatte Teepo sein Schwert gezogen und war schreiend auf sie losgegangen. Richtig, er hatte gemeinsam mit Rei und Ryu gegen diese Kerle gekämpft, doch sie waren zu stark gewesen. So einen aussichtslosen Kampf hatte er noch nie erlebt, diese Verbrecher verfügten leider über wesentlich mehr Stärke als sie. Rei war zuerst gefallen. Dann Teepo selbst und zuletzt wahrscheinlich auch Ryu, immerhin war er der Schwächste von ihnen. Allein der Gedanke daran ließ Zorn in ihm aufflammen, der genauso unaufhaltsam zu brennen begann wie dieses Feuer, das ihr Baumhaus verschlang. „Warum ...“ In seiner Stimme lag ein Hauch von Verzweiflung verborgen, doch war der Hass gegenüber diesen Gaunern am deutlichsten zu spüren. „Warum haben sie uns das angetan?! Woher nahmen die sich das Recht dazu?! Rei ... Ryu ...“ Rasch legte sich sein Zorn ein wenig, weil sich ihm die Frage aufdrängte, wo Rei und Ryu abgeblieben waren, seine Freunde, die mit ihm gekämpft und verloren hatten. Später würde er seiner Wut schon noch ausgiebig freien Lauf lassen, zuerst sollte er aber lieber nach den beiden suchen. Möglichst schnell, da sie noch in Gefahr sein könnten. Er wandte sich von dem Baumhaus ab und suchte mit den Augen die Umgebung ab. Auf den ersten Blick konnte er niemanden entdecken, auch keine Tiere. Vermutlich waren sie längst wegen des Feuers in einen anderen Teil des Zedernwaldes geflohen, in dessen Mitte das Baumhaus stand. Nicht mal eines von diesen Monstern war zu sehen, von denen sich hier normalerweise stets welche herumtrieben. Trotzdem ließ er den Blick nochmal hin und her schweifen, in der Hoffnung, etwas übersehen zu haben, ohne Erfolg. Hier war niemand. Von den zwei Pferdegesichtern fehlte auch jede Spur. Teepo war vollkommen allein. Nein. Nein! Sie MÜSSEN hier irgendwo sein! Dass diese Gauner die beiden mitgenommen hatten, schloss er von vornherein aus, denn sonst hätten sie sicher auch ihn mitgekommen. Zurücklassen würden Rei und Ryu ihn auch nicht, dafür war ihr Zusammenhalt viel zu groß. Bewusstlos konnten sie aber ebenfalls nicht mehr sein, andernfalls müssten sie hier irgendwo in der Nähe liegen und zu finden sein. Möglicherweise waren sie Hilfe holen oder versuchten gerade das Feuer beim Baumhaus zu löschen, auch wenn es garantiert nichts mehr zu retten gab. Allein vom herumstehen und grübeln werde ich sie nicht finden. Mit großen Schritten setzte er sich in Bewegung, lenkte den Blick noch ein drittes Mal von einer Seite zur anderen und sog erschrocken die Luft ein, als er auf einmal den Boden unter den Füßen verlor. Teepo stürzte in den alten Wassergraben hinab, der sich an dem Baumhaus entlang zog. Glücklicherweise war das Wasser so niedrig, dass er problemlos darin stehen konnte. Ich Idiot! Ich hätte besser aufpassen sollen. Diesmal schaffte er es zwar etwas schneller als vorhin, wieder auf die Beine zu kommen, torkelte dabei aber nach wie vor. Sein Gleichgewichtssinn ließ für seinen Geschmack absolut zu wünschen übrig, doch es musste ausreichen, um aus dem Graben hinausklettern zu können, der nur geschätzte drei bis fünf Meter tief war. Zielstrebig eilte er auf eine zu überwindende Wand neben sich zu und rutschte aufgrund seiner Ungeschicklichkeit, die er dabei an den Tag legte, gleich nach wenigen Sekunden zurück auf den Grund. „Argh! Mist!“ Empört stieß er innerlich einen Fluch aus. „Was ist denn nur mit meinem Körper los?! Ich habe keine Zeit für so was, ich muss Rei und Ryu suchen!“ Bisher hatte es noch nie für ihn ein Problem dargestellt, aus diesem Graben herauszuklettern, solange es nicht regnete. Mit seinem Körper stimmte ohnehin etwas nicht, dieses Gefühl wurde er schon die ganze Zeit nicht los. Etwas fühlte sich komisch an, anders konnte er es nicht erklären. So ungewohnt. Abgesehen davon war es ohnehin ein Wunder, dass er außer Übelkeit und den Kopfschmerzen keinerlei Verletzungen aufzuweisen schien, ansonsten müsste er doch etwas davon spüren. Wenn er daran zurückdachte, wie er von diesen Kerlen verprügelt worden war, musste er mindestens eine Verletzung erlitten haben, wenn nicht sogar mehr, so ungern er es zugab. Während er diesen Gedanken nachging, streifte sein Blick eher zufällig sein eigenes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Umgehend erstarrte er. Was Teepo dort im Wasser sah, konnte nicht wahr sein. Niemals. Überall ließen sich statt Haut dunkelviolette Schuppen finden. Zwei spitze Hörner ragten aus seinem Kopf hervor. Kurze Krallen an Händen und Füßen, die nun eher als Klauen beschrieben werden konnten. Ein winziges Flügelpaar schmiegte sich an seinen Rücken. Die Augen funkelten rot. Und sein Gesicht sowie der Körperbau erst ... „Unmöglich!“, protestierte er ungläubig und bemerkte nun endlich, dass statt seiner Stimme nur ein schrilles Fauchen zu hören war. „Huh? Was ist mit mir passiert? Wie kann das sein? Mein Körper ... ich sehe aus wie ein ...“ ... Drache. Anstelle seines gewöhnlichen Spiegelbildes war dort im Wasser ein kleiner Drache zu sehen, aber das konnte nur ein dummer Scherz seiner eigenen Wahrnehmung sein. Nicht nur, dass Teepo sein bisheriges Leben zweifelsohne als Mensch verbracht hatte, Drachen waren außerdem seit langem ausgestorben. Wie sollte das also möglich sein? Lange konnte er den Blick nicht von diesem falschen Bild abwenden, bis er feststellen musste, dass sich nichts daran veränderte, egal wie stur er darauf wartete. Im Wasser war weiterhin dieses fremdartige Wesen zu sehen und das starrte ihn ebenso zweifelnd an. Nein, es konnte nur Einbildung oder ein Traum sein. Allerdings konnte Teepo nicht leugnen, dass er recht fasziniert davon war. In ihm lag noch dazu eine gewisse Vertrautheit versteckt, die sich nun Stück für Stück bemerkbar machte, je länger er dieses Bildnis des kleinen Drachens ansah. Genau dieses Gefühl bereitete ihm zugleich Unbehagen, daher kniff er letzten Endes die Augen fest zusammen und schüttelte den Kopf. Reiß dich zusammen! Das ist nur deine Einbildung!, sprach er in Gedanken zu sich selbst. Derweil erhellte in der Ferne ein gleißender Blitz für einen Wimpernschlag lang die Nacht, worauf nach wenigen Sekunden ein lauter Donner folgte, den Teepo nicht wahrnahm, so sehr sprach er in Gedanken auf sich selbst ein. Eine Weile später fiel der erste Regentropfen vom Himmel. Dann noch einer. Und noch einer. Immer mehr. Irgendwann durchfuhr schließlich unerwartet ein heftiger Schmerz seinen Körper. Zähneknirschend kippte er leicht nach hinten und riss die Augen auf. Aus einem ihm nicht ersichtlichen Grund waren seine Kopfschmerzen schlagartig schlimmer geworden, viel schlimmer. Als dann auch noch etwas Warmes seine Stirn hinunterglitt, wagte er wieder einen Blick auf sein Spiegelbild ... und er wurde sowohl positiv als auch negativ überrascht: Der positive Punkt war der, dass von einem Drachen nun nichts mehr zu sehen war, sondern er endlich sein normales Spiegelbild begrüßen konnte. Er sah genauso aus, wie es sein sollte. Nämlich menschlich, wie der zehnjährige Junge, der er war. Also war es doch nur Einbildung gewesen. Außer seiner Kleidung, die größtenteils die gleiche Farbe besaß wie die Schuppen des Drachens zuvor, erinnerte nichts mehr an dieses Fabelwesen. Das Funkeln war aus seinen Augen verschwunden, die nicht mehr durch und durch rot, sondern braunrot waren. Langes, lavendelfarbenes Haar hing über seine Schultern nach vorne und war vom Regen schon total durchnässt, genau wie der ganze Rest von ihm. Aus einem Reflex heraus wollte er nach ihnen greifen, um das Wasser auszudrücken, was gewiss bei diesem Regen nicht viel Sinn gemacht hätte, hielt aber inne, da er etwas anderes entdeckte. „Das darf doch nicht wahr sein“, kommentierte er missgelaunt und tastete vorsichtig über die Platzwunde an seinem Kopf. Dies war der negative Punkt: Es hatte sich um Blut gehandelt, das ihm über die Stirn gelaufen war, doch davon war dank der derzeitigen Wetterlage nicht mehr viel zu sehen. Wenigstens war der wahre Grund für seine Kopfschmerzen somit geklärt. Sonst konnte er auf Anhieb keine anderen äußerlichen Verletzungen ausmachen, außer dass seine Kleidung äußerst mitgenommen aussah. So rücksichtslos wie die zwei Typen auf uns eingeschlagen haben, kann ich froh sein, dass es mich nicht schlimmer erwischt hat. Nachdenklich streckte Teepo den Kopf gen Himmel. Zahlreiche Regentropfen prasselten ihm ins Gesicht, darum hob er schützend eine Hand vor dieses, nur half es nicht sonderlich. Das Wetter ging ihm gerade tierisch auf die Nerven, auch wenn er es einerseits erfrischend fand. Rei ist ein starker Kämpfer, um den mache ich mir keine Sorgen. Wenn ich es geschafft habe, dann er sicher auch. Aber Ryu? Stimmt, er sollte weitersuchen. Einer von ihnen konnte eventuell schwerer verletzt sein als er. Entschlossen machte er sich daran, endlich aus dem Graben zu klettern. Bei so einem starken Regen sollte er sowieso nicht länger dort bleiben, der Wasserspiegel konnte an solchen Tagen nämlich erschreckend schnell ansteigen. Mehrere Anläufe später hatte Teepo es geschafft und atmete einige Male tief durch, bevor er anfing zu suchen. So laut er konnte rief er nach seinen Freunden. Einmal. Zweimal. Und noch öfter. Keine Antwort. Alleingelassen wurden seine Rufe von dem stetigen Geräusch des Regens übertönt, dem es langsam aber sicher wie durch ein Wunder gelang, Herr über das Feuer zu werden. Daran, dass er für kurze Zeit wie ein Drache ausgesehen hatte, dachte er keine einzige Sekunde mehr. Für Teepo war es schlicht eine Wahrnehmungsstörung gewesen oder etwas in der Richtung. Einbildung halt. Nichts, worüber man sich unnötig Gedanken machen sollte, jedenfalls nicht jetzt. Momentan war es für ihn wichtiger, seine Freunde zu finden. Woher hätte er auch ahnen sollen, wie sehr dieser schicksalhafte Tag mit all seinen Ereignissen sein Leben vollständig verändern würde? Wie sollte er zu diesem Zeitpunkt wissen, dass an diesem Tag das Blut einer Rasse in ihm erwacht war, die überall als gefürchtet galt? *** Nicht weit entfernt beobachtete jemand heimlich aus den Schatten des Waldes den Jungen, der hartnäckig die Gegend um das Baumhaus herum absuchte. Zwischendurch wandte diese rätselhafte Person ihren Blick aber wieder und wieder dem Kind mit den blauen Haaren zu, das sie in den Armen hielt. Anschließend seufzte sie leise, mit jedem Mal tiefer. „Es hilft nichts. Ich muss den Kleinen loswerden“, flüsterte sie für sich. „Ich sehe schon, das wird ganz schön anstrengend werden.“ Damit zog sich die Gestalt geschickt zurück, ohne von irgendjemandem bemerkt zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)