Resident Evil von JayEs (Afterlife) ================================================================================ Kapitel 1: Sechs Monate später ------------------------------ „Dritter Mai, genau vier Uhr nachmittags. Hundertsiebenundsiebzig Tage ohne irgendein Lebenszeichen.“ Alice‘s Blick ging zu einer Anzeige, auf der Unmengen an Zahlen zu sehen waren, doch sie fand schnell die zwei, die sie gesucht hatte. Dann schaute sie wieder zu dem kleinen roten blinkenden Licht. „Ich befinde mich 50,37° nördlich, 134,58° westlich. Näher mich den Koordinaten von Arcadia. Die Stadt ist auf keiner Landkarte verzeichnet.“ Ihr kamen wieder die Zweifel in den Sinn. Während sie sich an Umbrella gerächt hatte, hatten sich die letzten Überlebenden mit einem Hubschrauber in Sicherheit gebracht. Sie waren einem Funkruf nach Alaska gefolgt. Über Radio Arcadia wurde auf der Notfallfrequenz Schutz und Sicherheit, Essen und Zuflucht angeboten. Frei von Kontamination. Nur warum zum Teufel hatte sie nichts über diese Stadt herausfinden können? Das Dröhnen des Propellers brachte sie wieder zurück in die Realität. Das rote Licht blinkte immer noch, also war die Kamera weiterhin am aufnehmen. „Ich hoffe, Claire und die anderen haben’s geschafft“, fügte sie noch hinzu, bevor sie die Kamera ausstellte. Vorsichtig verstaute sie das kleine Gerät und konzentrierte sich wieder auf das Fliegen. An ihr nagten Gewissenbisse, da sie es war, die sie alle mit einem geklauten Umbrella Hubschrauber nach Alaska geschickt hatte und sie war es, die zurückgeblieben war. Schließlich hatte sie geschafft das Hauptquartier von Umbrella zu infiltrieren, aber sie erhielt kein Lebenszeichen der anderen. Nur knapp hatte sie den Absturz der Flugmaschine überlebt, in der sie mit einem der hohen Tiere Umbrella’s konfrontiert wurde. Unwillkürlich strich sie sich über die linke Seite ihres Halses und spürte die kleine Narbe unter ihren Fingern. Er hatte ihr ein Serum verabreicht und aus ihr wieder einen Menschen gemacht. Ein größeres Geschenk hätte man ihr nicht machen können. Nachdem sie dann tagelang mit dem Tod gerungen und vor drei Tagen auf einem ausgestorbenen Flugplatz den kleinen Propellerflieger gefunden hatte, war sie aufgebrochen um die restlichen Überlebenden wiederzufinden. Nun befand sich nur noch das endlose Meer unter ihr. Wasser wohin das Auge reichte, doch halt. Sie kniff die Augen leicht zusammen. Dort war Land zu sehen. Riesige Eisberge ragten aus dem Wasser hinaus und Eisschollen zierten die Wasseroberfläche. Sie hatte jetzt sechs Stunden lang nichts anderes als den Ozean gesehen. Ihr entglitt ein Seufzer. Abermals verglich sie die Koordinaten und stellte fest, dass sie noch ein gutes Stück vom Zielort entfernt war. Sie richtete mit dem Steuerknüppel das Flugzeug auf den neuen Kurs aus und bereitete sich darauf vor, noch weitere kuschelige Stunden im engen Cockpit zu verbringen. Nach weiteren dreieinhalb Stunden kam die Maschine endlich sicher zum Stehen und sie fand sich auf einer unendlich weiten Wiese wieder. Sie öffnete die Luke und kletterte auf die Tragfläche. Kälte schlug ihr ins Gesicht, doch etwas anderes ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Unzählige Flugzeuge, ob klein oder groß, standen ungeordnet umher, doch von einem noch lebenden Menschen keine Spur. Vorsichtig und bedacht sprang sie hinunter und schritt zwischen den geisterhaften Flugzeugen umher. Hatten sie auch das Notrufsignal gehört? Sorgen machten sich in Alice breit. Alles roch nach einer Falle und doch musste sie herausfinden, wo die anderen geblieben waren. Schließlich erreichte sie das Wasser, welches die exakten Koordinaten der Stadt darstellen sollte. Und dort stand er. Unangetastet und wahrscheinlich noch voll einsatzfähig; der Umbrella Hubschrauber, mit dem die anderen geflohen waren. Bei genauerem Betrachten sah er dreckig aus, aber es gab keine Anzeichen eines Kampfes. Was war hier vorgefallen? Behutsam strich Alice über die Sitze und stieß dabei an etwas mit ihren Fingern. Das Tagebuch, was sie damals gefunden hatte, in dem das erste Mal die Stadt Arcadia erwähnt wurde, und welches sie an K-Mart, eine junges Mädchen, mitgegeben hatte. Das würde sie niemals zurücklassen, es sei denn, sie wären von irgendetwas überrascht worden. Vielleicht lauerten doch irgendwelche Zombies oder Schlimmeres, wie die Licker, hier im Schatten und warteten auf den richtigen Moment um auch Alice zu überwältigen. Kurz ging ihr Blick über die Schulter, doch nichts war zu sehen. Langsam blätterte sie in dem Buch herum. Die Seiten mit den Koordinaten, mit Bildern aus Zeitungen, Sprüche, die sie schmerzlich an Carlos erinnerten, den sie im Kampf gegen Umbrella verloren hatte. Heldenhaft steuerte er den Truck mit dem Rest Benzin in die Zombiemenge und jagte ihn in die Luft. Ohne seine Aufopferung hätte wahrscheinlich keiner überlebt. Sie schob den Gedanken beiseite, doch dann kam ihr K-Mart in den Sinn. Fliegst du nicht mit? Das waren ihre letzten Worte an Alice gewesen. Die Sorge stand dem kleinen Mädchen ins Gesicht geschrieben, doch zu diesem Zeitpunkt war die Rache an Umbrella Alice wichtiger gewesen, als auf die wenigen Überlebenden aufzupassen. Sie hatte darauf gebaut, dass Claire auf alle achtgeben würde, denn sie war eine der charakterlich stärksten Personen, der Alice je begegnet war. Nur Rain hatte eine noch stärkere Persönlichkeit. Sie schüttelte kurz den Kopf. Seit wann hielt sie so an der Vergangenheit fest? Sie hatte gelernt, dass dank Umbrella die Leute um sie herum wie Fliegen starben und zum größten Teil gab sie auch sich selbst die Schuld, denn hätte sie damals alles im Hive verhindert, dann wäre die Welt noch nicht zerstört. Kinder könnten fröhlich herumspielen, es würden noch wesentlich mehr Bäume wachsen und alles wäre einfach in Ordnung. Alice strich sich durch die Haare. Trotz allem hatte sie K-Mart damals das Buch mitgegeben und mit Claire einen stillen Vertrag geschlossen, der mit einem Blick und einem kurzen Nicken versiegelt worden waren. Doch wo zum Teufel waren sie dann? Wie in Trance ging sie näher zum Wasser und blätterte noch weiter im Buch, doch es brachte die anderen auch nicht wieder zurück. Also machte sie das, was sie immer tat, wenn sie drohte den Mut zu verlieren. Sie hinterließ eine Videoaufzeichnung. Nachdem sie die kleine Kamera auf einen angeschwemmten Baumstamm abgelegt und die Aufnahmetaste betätigt hatte, setzte sie sich daneben und starrte auf das Wasser. „Dritter Mai, neunzehn Uhr dreißig. Arcadia.“ Sie schluckte hart und versuchte ihre Enttäuschung in Zaum zu halten. „Diese Stadt gibt es gar nicht. Ich sitze hier in der Wildnis, an einem Strand.“ Ihr Blick ging kurz zur Seite um sich zu vergewissern, dass sich wirklich keine Mutationen in ihrer Nähe befanden. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass man sie beobachtete, doch seitdem Umbrella sie eine Zeitlang ununterbrochen beobachtet, gejagt und verfolgt hatte, litt sie wahrscheinlich in höchstem Maße an Verfolgungswahnsinn. „Aber wir haben alle diesen Aufruf gehört. Irgendjemand muss ihn gesendet haben. Irgendjemand muss die ganzen Menschen hergelockt haben.“ Abermals beschlich sie ein ungutes Gefühl. Diesmal blickte sie über die Schulter. Doch auch dort war nichts auszumachen, weshalb sie sich wieder dem Meer zuwandte. „Aber wieso? Und wo sind sie alle?“ Eine lange Pause trat ein. Alice hoffte immer wieder, dass sie irgendjemanden finden würde, doch auch dies war wieder ein Misserfolg. Nur wo sollte sie jetzt hin? Nun gab es keine Zielkoordinaten mehr. Sie griff nach der Kamera und gab noch die üblichen Daten hinzu. „Tag hundertsiebenundsiebzig. Das war’s für heute.“ Ihr Finger hielt kurz vor der Austaste inne. Sie seufzte. Dachte wieder an all die Menschen, die in ihrer Umgebung gestorben waren und die sie enttäuscht hatte. So sehr wünschte sie sich, dass sie endlich mit jemanden reden könnte. Die Worte entglitten ihr, ohne dass sie es wirklich wollte. „Keine Ahnung, wie lange ich das noch durchhalte. Was ist, wenn es außer mir niemanden mehr gibt, der sich meine Aufzeichnungen ansieht?“ Der Gedanke, dass sie die einzige Überlebende war, erdrückte sie, denn es wäre nicht fair gewesen. „Ist das die Strafe dafür, dass ich das alles zugelassen habe?“ Das Meer rauschte und die Antwort blieb aus. Doch Moment mal. Hatte sich dort gerade etwas in ihrem Blickwinkel bewegt? Hatten gerade ein paar Äste geknackt? Ihr Blick huschte nach rechts und sie sah gerade noch wie jemand davon rannte. „Hey! Warte!“, schrie sie instinktiv. Für einen Zombie war die Person zu schnell gewesen, also musste es einfach ein Überlebender gewesen sein. Ihre Füße setzten sich wie von selbst in Bewegung und so nahm sie die Verfolgung auf. „Warte! Bitte, bleib stehen!“, rief sie abermals. Doch irgendwann verlor sie zwischen den ganzen Flugzeugen die Person aus den Augen. Sie blieb stehen und schaute sich verzweifelt um. Sie hatte sich das doch nicht eingebildet. „Hallo?“ Keine Antwort. „Hallo?“ Dann erspähte sie eine Einstiegsklappe eines Flugzeuges, welche hin und her schwankte. Diese Bewegung war zu stark um vom Wind hervorgerufen worden zu sein. „Antworte mir!“, forderte sie nun eindringlich auf. Wieder nichts. So sehr sie sich auch wünschte, dass es ein Überlebender war, nun musste sie davon ausgehen, dass es sich um etwas feindlich gesinntes handelte, denn wer wegrannte und nicht antwortete, hatte etwas zu verbergen. Also zog sie ihre beiden Colts. Zum ersten Mal seit der Behandlung von Umbrella spürte sie Adrenalin durch ihren Körper strömen. Es machte sie unsicher und unkonzentriert. Das alles wurde bis vor kurzem, als man ihr das Serum verabreichte, unterdrückt und machte sie selbst zu einer übermenschlichen Kreatur, aber jetzt war sie einfach nur ein Mensch, der Angst und Neugier zugleich empfand. Schritt für Schritt näherte sie sich dem Flugzeug. Ihr Atem ging schneller. Sie versuchte nicht zu blinzeln, doch es gelang ihr nicht. Je näher sie kam, desto mehr fühlte sie die Bedrohung. Nur diesmal würde sie keinen Licker überwältigen können oder was auch immer dort lauerte. Die Hoffnung, dass sie vielleicht einen verängstigten Menschen finden könnte, gewann die Oberhand und so zielte sie langsam in den Rumpf der Maschine. Als sie sich gerade in Richtung des Cockpits wandte, kam ihr plötzlich eine Schar von schwarzen Raben entgegen. Ihr Finger hatte schon am Abzug gezuckt, doch es war keine Gefahr. Vorerst zumindest nicht, es sei denn sie waren auch infiziert. Alice atmete verächtlich aus. Sie hatte wirklich nicht mehr die Nerven wie damals, aber es war gut so. Früher hätte sie schon aus zehn Meter Entfernung gewusst, dass dort nur dämliche Vögel hausten. Erleichtert ließ sie die Waffen sinken und machte kehrt. Wie aus dem Nichts traf sie ein harter Schlag an der Schläfe und ließ sie auf den Rücken fallen. Wo kam das her und wer war das? Die Welt wackelte leicht, denn vermutlich wollte ihr Bewusstsein sich verabschieden, doch als das Messer auf sie zu sauste, half das Adrenalin Alice dabei zu reagieren und so konnte sie den Messerstich abfangen. Sie umgriff die Handgelenke der Person, doch ihre Kraft drohte zu versagen. Die Klinge kam immer näher. Sie musste sich verdammt nochmal etwas einfallen lassen. Also ließ sie der Person kurze Zeit die Oberhand gewinnen, drückte aber dann mit aller Kraft dagegen an und stemmte ihr Knie unter den Angreifer. Damit brachte sie genug Kraft auf um den Bekloppten von ihr wegzutreten und kam selbst schnell wieder auf die Beine. Kaum hatte sie sich umgedreht, attackierte der Angreifer sie erneut mit der Klinge, doch es schien unbeholfen zu sein, schon fast wild und unkontrolliert. Das Messer verfehlte sie nur knapp am Bauch und Hals und als Alice ihre Chance sah, verpasste sie der Person einen gezielten kräftigen Tritt, der sie gegen ein Flugzeug schleuderte. Reglos blieb sie auf dem Boden liegen. Alice’s Herz raste vor Adrenalin. Es gab nur zwei Sorten von Menschen, die ihr schon immer das Leben nehmen wollten. Entweder infizierte Mutationen, die letztendlich aber nichts gegen ihren Trieb tun konnten, und Angestellte der Umbrella Corporation. Alice tippte auf die zweite Sorte und entschied sich dem Typen eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Wütend drehte sie den Menschen mit ihrem Fuß auf den Rücken, doch anstatt eines typischen Forschergesichtes, erkannte sie das Gesicht der Frau, der sie all die wertvollen Leben anvertraut hatte. Claire Redfield. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)