Young Blood. von honey_ (Eine Geschichte über Einsamkeit, Mut und Waghalsigkeit - Riskieren oder nicht?) ================================================================================ Kapitel 2: meet you. -------------------- Seit knapp drei Wochen lebte ich nun hier in Japan. Fremde Eindrücke sowie Kulturen prasselten tagtäglich auf mich ein. Das Zusammenleben mit Kiba funktioniere ebenfalls ganz gut, da wir meistens zu unterschiedlichen Zeiten zuhause waren. Er ging früh morgens aus dem Haus und ich kehrte im Gegensatz erst spätabends von meiner Schicht zurück. In der wenigen Zeit, welche wir zusammen verbrachten, verstanden wir uns trotzdem super. Die Arbeit im Restaurant unterschied sich nicht sonderlich von meiner alten Stelle in New York. Tatsache war, dass ich nicht mehr von kläglichem Trinkgeld leben musste und endlich einen fixen Gehalt hatte.   „Geniesse deinen freien Tag Naruto, bis Montag!“, rief mir Teuchi nach, als ich das Ladenlokal „Ichiraku“ verliess. Ich blickte auf meine Armbanduhr, welche 23 Uhr anzeigte. Seufzend steckte ich meine Hände in die Hosentaschen, eigentlich hatte ich keine Lust nachhause zugehen. Es war Samstagabend und ich wollte Tokio endlich kennenlernen. Von allen Seiten, in sämtlichen Farben. Das Restaurant befand sich in einem beliebten Viertel. Unzählige Clubs und Bars hatten hier ihren Platz gefunden. Feierwütige Jugendliche strömten durch die Strassen, eine Mischung aus unzähligen Bässen dröhnte mir entgegen. Ich steuerte auf die erstbeste Bar zu, welche mir ins Auge stach. Das Gebäude wirkte neben seinen Konkurrenten eher zurückhaltend und hielt sich in einem einfachen Stil. Lediglich eine  Lichterkette sowie ein rotes Neon-Schild mit der Aufschrift „The Heaven“ prägten den Eingangsbereich. Irgendetwas zog mich an. Ja, ich wollte unbedingt da rein.   Der schmale Flur führte mich über eine hölzerne Treppe nach unten. Auf halben Weg hielt ich inne, verschaffte mir einen Überblick. Ganz anders, als ich erwartet hatte. Unweigerlich klappte meine Kinnlade etwas nach unten, ich spürte den Bass in vollen Zügen. Er erfüllte mich, liess mein Herz vibrieren. Die Bar befand sich vorne, in nächster Nähe zur Treppe. Die Tanzfläche zog sich über die ganze restliche Ebene. Zwei Käfige waren jeweils rechts und links auf einem Podest platziert. Halbnackte sowie verdammt muskulöse Männer tanzten und räkelten sich in diesen. In meinem Kopf pochte es, irgendetwas passte hier nicht ins Bild. Meine Hände umschlossen das Treppengeländer, ich musterte die tanzende Menge.   Männer. Nur Männer. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Taumelnd wich ich zurück und verfehlte fast den nächsten Tritt. Ich schluckte und starrte mit geweiteten Augen nach unten. Ich gehörte hier nicht hin, also sollte ich schnellstmöglich die Flucht ergreifen. Doch meine Beine bewegten sich nicht. Keinen Millimeter. Ich betrachtete die Männer, welche in viel zu knappen Jeans und hautengen Tanktops wie wild tanzten. Sie rieben ihre Körper aneinander, als würde nichts um sie herum existieren. Irgendwie faszinierend. Ein Gefühl von Freiheit überkam mich. Ja, hier drinnen schien es niemanden zu kümmern. Es war egal, wer man war oder woher man kam.   Mit zitternden Knien schritt ich die letzten Stufen hinunter und steuerte direkt auf die Bar zu. Ich quetschte mich durch eine Gruppe von Kerlen und liess mich auf einem Hocker nieder. Es dauerte nicht lange und die Bedienung hatte mich im Visier „Na du, bist aber neu hier. Was darf’s denn sein, Süsser?“. Ein wenig perplex schaute ich den rothaarigen Barkeeper an „Ehm“. „Zwei Gin-Tonic“, jemand streifte an mir vorbei und liess sich auf dem Sitz neben mir nieder. Mein Blick richtete sich auf den Unbekannten, ich musterte ihn sprachlos. Schwarze Haare umrundeten seine blasse Haut, zwei Strähnen fielen frech ins Gesicht. Er trug Jeans sowie ein hautenges, weisses T-Shirt. Die Muskeln zeichneten sich deutlich unter dem Stoff ab. Als letztes wanderte mein Blick wieder nach oben, zu seinen Augen.   Unsere Blicke trafen sich. Pechschwarz.   So unendlich tief. Ich starrte ihn an, wusste nicht wie mir geschah. Wieso fesselten mich die Augen eines Fremden auf diese Art und Weise? Vor allem, die eines Mannes! Hastig richtete ich den Blick auf den Boden und räusperte mich. Meine Wangen glühten wie die Hölle. Was zum Teufel war das! Ich spürte, wie er mich von oben bis unten musterte. Wie unangenehm.   Kaum eine Sekunde später hatte er sich nach vorne gebeugt, eine Hand auf meinem Knie abgestützt. Sein Gesicht war meinem plötzlich so verdammt nahe. Ich spürte seinen heissen Atem an meinem Ohr „Lass uns Spass haben, Kleiner“. Unfähig mich zu rühren, atmete ich seinen Duft ein. Ein markanter, bittersüsser Geruch stieg mir in die Nase. Ich schluckte, brachte kaum einen Ton über die Lippen „Spass?“. Der Unbekannte schnaubte amüsiert „Keine Verpflichtungen“. Langsam dämmerte es mir, was hier eigentlich ablief. Mein Herz pochte wie wild, sprang fast aus der Brust „Eh, aber das…das ist ein Missverständnis. Ich bin nicht schwul“. Seine Nasenspitze streifte mein Ohr, ein Schauer jagte über meinen Rücken. „Ahja, was machst du dann hier?“. Dieser Typ brachte mich um den Verstand, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Seine selbstsichere Art liess mich nervös werden. Insgeheim wusste ich nämlich, dass er irgendwie Recht hatte. Wieso war ich noch hier? „Ich wollte nur…etwas trinken“, meinte ich kurzerhand und brachte endlich einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen uns. Grinsend schob er mir den bestellten Alkohol zu „Na dann, trinken wir“. Ich fasste nach dem Glas und leerte es in einem Zug. Um Himmelswillen, ich wusste nicht was ich hier tat. Doch egal was es auch war, ich benötigte definitiv mehr Alkohol. Sofort.   Eine knappe Stunde später dröhnte die Musik immer noch laut in meinen Ohren. Mittlerweile hatte sich auch der Alkoholpegel deutlich gesteigert. Meine klaren Gedanken verabschiedeten sich mit jedem Drink immer mehr, während der Unbekannte schier trinkfest wie eh und je war. Wieviel konnte dieser Bastard vertragen? Das war doch nicht normal. Ich fühlte mich total benebelt und gluckste herum „Du bist komisch und mysteriös und verdammte scheisse, du säufst wie ein Loch“. Er zog seine rechte Augenbraue nach oben, wie so oft in der letzten Stunde. Wieso bemerkte ich das überhaupt? „Tz, nur weil du nichts verträgst und-…“, bevor er seinen Satz beenden konnte, schnappte ich nach seinem Arm und zog ihn auf die Beine. Kurz schwankte ich gefährlich hin und her. Seine Fassade blieb unbeeindruckt, dennoch erblickte ich eine Spur von Überraschung, was mich grinsen liess. „Tanzen. Sofort“, ohne die Antwort des Schwarzhaarigen abzuwarten, zog ich ihn hinter mir her und stolperte zur Tanzfläche. Meine Sinne waren vollkommen vernebelt, der Alkohol übernahm sämtliche Handlungen. Ich liess es geschehen.   Es war egal. Ich liess von seiner Hand ab und tanzte wie wild darauf los. Der Fremde liess mich keine Sekunde aus den Augen. Langsam wippte er nun ebenfalls im Takt mit. Die Musik durchströmte mich, ich fühlte sie ganz deutlich. In diesem Moment war alles vergessen, alle schlechten Erinnerungen und Erlebnisse verbannt. Hier unten zwischen all diesen Menschen fühlte ich mich sicher, weit entfernt von der grausamen Aussenwelt. Hier gab es keine Probleme. Nein, hier konnte ich vergessen. Mich lebendig fühlen. Meine Augen waren geschlossen, als sich zwei Paar Hände auf meine Hüften legten. Sie gehörten ihm. Ich spürte seine ausstrahlende Wärme, während sich sein Oberkörper an meinen drückte. Mein verschleierter Blick erkannte die pechschwarzen Haare, sein Duft durchströmte mich erneut. Noch nie war ich einem Menschen so nahe gewesen. Wie von selbst legten sich meine Hände auf seine muskulösen Arme, spürte seine Kraft unter meinen Fingern. Was war das nur? Wieso liess mich der Alkohol nur so fühlen. Wir bewegten uns im Takt der Musik, die wilden Lichter flackerten über uns. Jeder seiner Bewegungen spürte ich an meinem Körper. Pures Feuer. Jede Stelle brannte, meine Kehle war trocken. Ich hatte keine zehn Sätze mit diesem Menschen gewechselt und dennoch, er zog mich in seinen Bann. Seine Lippen waren ganz nah an meinem Ohr, wanderten langsam über meine Wange. Und plötzlich spürte ich es. Wie eine Bombe, welche in die Luft gejagt wurde. Er presste seine Lippen gegen meine. Ganz bestimmt, als hätte er es schon tausend Mal getan. Es drehte sich alles, ich verlor den Boden unter meinen Füssen. Wusste nicht mehr, wo unten und oben war.   Sehr langsam begriff ich, was hier gerade passierte. Ehe ich mich versah, stiess ich ihn von mir weg und stolperte einige Schritte zurück. Meine Wangen glühten, ich drehte mich um und drängte mich durch die Menge. Ich wusste, er schaute mir nach. Sein Blick bohrte sich förmlich in meinen Nacken. Doch ich musste hier weg und zwar sofort. Mehr schlecht als recht hangelte ich mich die Treppe hoch. Der Alkohol vernebelte nicht nur sämtliche Gedanken, sondern auch meine Sicht. Nach Luft schnappend erreichte ich den Ausgang, die kalte Nachtluft schlug mir entgegen. Ich hielt mich an der nächstbesten Hauswand fest. Mein Herz raste wie wild, ich keuchte. Was hatte ich getan? Oh mein Gott, das durfte nicht wahr sein. Ich schüttelte meinen Kopf, wollte diese Erinnerungen sofort verdrängen. Eine total bescheuerte Situation, einfach dämlich. Ich stolperte nach vorne.   Ich rannte davon.   Vor mir selbst.   Vor ihm. Dem Unbekannten ohne Namen, welcher meinen ersten Kuss gestohlen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)