Die Nacht der Krähe von Phinxie (Phinxies Bloodborne Lores) ================================================================================ Kapitel 8: Der Tod ------------------ Gascoigne stürzte auf mich zu. Schnell wich ich aus und ich wusste, ich durfte mich nicht von meiner Angst beherrschen lassen. Im Gegenteil: Ich muss der Herr über sie werden, damit ich die Situation unter Kontrolle bekommen konnte. Wenn ich mich vor Panik nicht bewegen könnte, dann würde Pater Gascoigne mich schneller töten, als mir lieb war… Dabei war ich nicht wirklich auf diesen Kampf vorbereitet. Ich hatte bisher nur ein paar Werwölfe getötet, die Einwohner Yharnams, die mich angegriffen hatten und ein paar Krähen, die mir aufgelauert haben, als ich unter der Brücke hindurch gegangen bin. Aber ich hatte noch nicht gegen einen solchen Gegner wie Pater Gascoigne gekämpft. Und die Kleriker-Bestie?, fragte eine flüsternde Stimme in meinem Kopf. …die Kleriker-Bestie, genau. Aber selbst diese schien im Vergleich zu dem verrückten Pater ein Leichtes gewesen zu sein, denn ich war mir ziemlich sicher, dass dieses Wesen nicht besonders intelligent gewesen ist. Zumindest nicht so intelligent, wie der Pater es war: Jener war ein Jäger, ein Mann, der bereits jahrelang immer wieder Nächte der Jagd mitgemacht hatte. Er war ausgebildet worden, war ein hervorragender Kämpfer, wie ich mit eigenen Augen gesehen hatte, und der Hass, den er auf Bestien verspürte, gab ihm die Kraft, die er benötigte, um immer weiter zu machen, sich nicht allzu leicht besiegen zu lassen… Und gleichzeitig war Gascoigne ein liebender Vater und Ehemann gewesen. Seine Frau hatte ihn wirklich geliebt und ich war mir sicher, würde ich mich mit seinen Kindern unterhalten, dann würden auch sie nur Gutes über ihren Vater sagen, egal, ob er manchmal Anfälle hatte und sie vergaß, oder nicht. Und doch hatte jener Mann eiskalt seine eigene Frau getötet, ohne sie auch nur ansatzweise erkannt zu haben. Das hatte mir den größten Schreck verpasst. Liebe, Sheila, hatte meine Mutter mir einmal gesagt, ist stärker als alles andere auf der Welt. In Yharnam galt dies offensichtlich nicht, das musste ich die letzten Minuten (waren tatsächlich nur Minuten seit Violas Tod vergangen?) feststellen. Pater Gascoigne hatte nichts mehr zurückholen können und jetzt stand ich diesem Monster gegenüber. Seine Axt donnerte direkt neben mir in einen der Grabsteine; ich hörte ein lautes Knacken und jener brach entzwei, so, wie Viola zuvor. Ich schluckte und hielt meinen Dolch fest umklammert, während ich über einen weiteren Grabstein hinweg sprang, um hinter jenem Deckung zu suchen. „Stell dich dem Kampfe!“, brüllte Gascoigne mit entgegen und hob seine Schrotflinte. Gerade noch rechtzeitig bückte ich mich hinter den Grabstein und spürte die Kugeln gegen das Granit hämmern, doch er hielt stand. Doch ich hatte keine Zeit zum Ausatmen, sondern musste schnell handeln. Nicht nachdenken. Zielen und Schießen. Auch, wenn Pater Gascoigne nun nicht besser war als die Werwölfe, die er selbst jagte, so waren mir seine Tipps doch im Gedächtnis geblieben. Schnell schoss ich hinter dem schützenden Grabstein hervor und hob meine Pistole. Ich zielte auf den Pater, der mehrere Meter von mir entfernt stand und drückte ab, verließ mich auf mein Glück… Die Kugeln hätten Pater Gascoigne getroffen, wäre jener nicht zur Seite gesprungen, um der gefährlichen Waffe zu entgehen. Er lachte abfällig und ich hechtete hinter einen weiteren Grabstein, während ich versuchte, mich zu erinnern, ob der Pater irgendeine Schwachstelle besaß. Viola hatte von einer Spieluhr gesprochen, aber sie hatte sie selbst vergessen… und das bedeutete, dass ich den verrückten Jäger ganz ohne Hilfsmittel gegenüber stehen musste. Es war eine Vorstellung, bei der es mir eiskalt den Rücken runterlief, denn ich war bei Weitem nicht so gut im Kämpfen wie Gascoigne, der mir Jahre voraus war. Doch wollte ich einfach hier sitzen bleiben und sterben? Nein… ich war bei der Kleriker-Bestie nicht gestorben und auch bei Pater Gascoigne würde ich es nicht. Der Blick in meinen Augen wurde härter und ich steckte meine Pistole weg und entzweite meinen Dolch. Der Pater war ein großer Mann… für seine Größe war er zwar schnell und wendig, doch nicht so geschickt, wie ich es war. Dank meiner zierlichen Gestalt konnte ich mich besser durch die Grabsteine bewegen, würde mich im Schatten verbergen können und Schutz suchen. In einem direkten Zweikampf würde ich Gascoigne niemals besiegen können, denn ein Schlag seiner Axt würde mich wahrscheinlich direkt töten. Ich musste mit den Nebel und die Dunkelheit zu Nutze machen, musste denken wie ein Meuchelmörder, musste leise sein, mich durch die Nacht schleichen, um den passenden Moment abzuwarten, Pater Gascoigne zu verletzten. …wie eine Krähe. Meine Mundwinkel verzogen sich ein wenig ob des seltsamen Vergleichs, der in meinem Kopf entstanden war und ich setzte vorsichtig einen Fuß nach dem anderen auf. Pater Gascoigne war blind, er musste sich auf sein Gehör und seinen Geruchssinn verlassen, um mich zu finden. „Komm heraus…“, schnurrte der Pater und ich hörte seine Stiefel auf der tiefgefrorenen Erde langsam aufstapfen, während er umherging. Ich schlich weiter, versuchte, den Pater zu umkreisen, um ihn von hinten angreifen zu können. Mein Herz pochte bis zum Hals und ich zwang mich, ruhig zu bleiben, nicht zu überstürzt zu handeln – denn dies würde ebenfalls meinen Tod bedeuten. Durch die Spalte der einzelnen Grabsteine hindurch beobachtete ich Gascoigne, der nun regungslos dastand: Er lauschte. Ich verharrte an meinem Platz und überlegte, ob ich meine Schusswaffe ziehen sollte, um ihn in den Rücken zu schießen, als sich der Pater mit einem Mal umdrehte und auf mich zugestürmt kam. Unmöglich! Ich war doch leise gewesen! Doch augenscheinlich nicht leise genug… Gascoigne war mit einem Satz bei mir und er schwang seine Axt horizontal, als wolle er mir den Kopf mit einer geschmeidigen Bewegung abhacken. Ich duckte mich unter de surrenden Schlag hinweg, dann nutzte ich die Kraft und sprang nach oben, während ich beide Dolche in meinen schwitzigen Händen hochriss. Ich sprang den Pater regelrecht an und rammte ihm beide Dolche in den massigen Brustkorb – sein schwerer Ledermantel hielt das meiste ab und ich war mir sicher, seine Haut nur angekratzt zu haben, trotzdem heulte Gascoigne wütend auf, nahm seine Schrotflinte und zielte damit direkt auf mich. Ich wollte mich noch zur Seite werfen, aber dann hätte ich meine Dolche in seinem Körper stecken lassen müssen. Also versuchte ich, mich fallen zu lassen und hoffte, meine Waffen würden durch mein Gewicht herausgleiten, als ich den brennenden Schmerz in meiner Schulter spürte und gleichzeitig den ohrenbetäubenden Lärm hörte. Ein Schrei verließ meine Lippen und ich rollte auf den Boden; eine Hand lag krampfhaft an der Wunde an meiner Schulter, die Gascoigne mit zugefügt hatte, doch meine Dolche, die hatte ich nicht verloren. Über mir hörte ich Gascoigne lachen. „Du hast noch so viel zu lernen… so viel…“ Ich spürte, wie er sich zu mir herabbeugte. „Eigentlich bist du zu jung zum Sterben… aber du musst… ich werde dich erlösen, von allem, und-“ Der Rest ging in einem fürchterlichen Schrei seinerseits unter, denn ich hatte meinen gesunden Arm gehoben und Gascoigne den Dolch direkt in die Wange gestochen. Der Jäger taumelte zurück, brüllte wie wahnsinnig und hielt sich das Gesicht. Schnell kroch ich von ihm fort und kramte in meiner Tasche nach einer Blutphiole, die ich mir sofort in den Oberschenkel injizierte. Ich spürte die Kraft des Blutes in meinem Körper, spürte, wie sich meine Wunde schloss und ich mich besser fühlte. Der Schmerz verschwand, die frische Energie zum Kämpfen kam und Sekunden später stand ich bereits auf den Beinen. „Ich weiß genug“, knurrte ich Gascoigne an und spuckte vor ihm auf die Füße. Gascoigne knurrte zurück und steckte seine Schrotflinte in den Bund seines Gürtels. Dann nahm er seine Axt in beide Hände, betätigte den Mechanismus und verlängerte ihren Schaft um mindestens das Doppelte. Ich schluckte. Gascoigne mit der einhändigen Axt war schon gefährlich genug. Gascoigne mit der zweihändigen Axt war jedoch der Tod persönlich, denn ich hatte gesehen, wie jener mit ihr umgehen konnte. Gleichzeitig erkannte ich noch, wie sich Gascoigne irgendetwas (eine Tablette?) in den Mund steckte und darauf rumkaute… Ich konnte mir keine Gedanken darüber machen, denn schon stürzte er wieder auf mich zu und dieses Mal entkam ich seiner Axt nur schwer. Die Grabsteine, die sich hinter mir befunden hatten, wurden unter dem heftigen Schlag zertrümmert und ich bekam große Augen, während die Panik in mir stieg. Nein!, befahl ich mir innerlich. Ich musste ruhig bleiben. Ich huschte durch den Nebel, während Gascoigne mir hinterherwetzte; es schien kaum noch ein Hindernis zu geben, das ihm standhalten konnte und notgedrungen verschmolz ich meine beiden Dolche wieder zu einem und holte meine Waffe hervor. Ich war vor Gascoigne weggerannt, doch plötzlich blieb ich stehen und wandte mich um. Der Pater keuchte, ich konnte seinen Atem als weiße Wolken vor seinem Mund sehen, während er einen mächtigen Satz auf mich zu machte. Ich hob die Pistole und schoss. Der Schuss knallte in meinen Ohren und mein gesamter Arm vibrierte, doch dies war nichts im Vergleich zu dem Hohegefühl, das ich verspürte, als der Jäger vor mir zu Boden fiel und einen Schmerzensschrei ausstieß. Ich musste ein wenig lächeln, doch ich wusste, ich durfte mich noch nicht in Sicherheit wiegen: Noch lebte Pater Gascoigne und es schien, als würde er sehr… sehr wütend werden. Ich runzelte ein wenig die Stirn, als Gascoignes Schrei sich in ein gefährliches Knurren verwandelte… sein gesamter Körper zuckte und verkrampfte sich und aus seinen Händen, die er sich vor das Gesicht geschlagen hatte, schienen… Haare zu wachsen. Mir gefror das Blut in den Adern und ich stolperte einen Schritt zurück, als Pater Gascoignes Verwandlung geendet hatte: Vor mir stand kein Mann der Heilenden Kirche, kein Jäger, mehr. Vor mir stand eine Bestie. Ich hatte nicht gewusst, dass sich Jäger auch in Bestien verwandeln konnten, aber anscheinend war es bei Pater Gascoigne schon so weit; er war dem Wahnsinn zu sehr verfallen und das war nun das Ergebnis. Ich befeuchtete mir die Lippen mit meiner Zunge und versuchte, ruhig und klar zu denken. Immerhin hatte ich schon mehrere Bestien bekämpft und gesiegt, doch Pater Gascoigne schien… anders zu sein. Wahrscheinlich, weil er immer noch das Denken eines Jägers in sich hatte, gepaart mit der unmenschlichen Kraft und Schnelligkeit der Werwölfe… Er stürzte auf mich zu. Ich wich aus und schoss noch einmal mit meiner Pistole, doch dieses Mal wich Gascoigne geschickt aus, duckte sich unter meinem Schlag mit dem Dolch hinweg und sprang mich an. Ich spürte Krallen in meinem Gesicht und der Schmerz explodierte augenblicklich in meinem Körper. Ich kreischte auf und versuchte, die Bestie von mir runterzustoßen, vergaß dabei alles, was ich gelernt hatte. Ich wollte nur noch weg. Die Krallen blieben nicht in meinem Gesicht - die Schnitte loderten auf, zogen sich weiter hinab, meinen Hals entlang, bis hin zum Brustkorb. Ich hatte das Gefühl, als wolle Pater Gascoigne mich bei lebendigem Leibe häuten, doch der Schmerz war zu groß, als dass ich mich noch bewegen könnte - stattdessen schrie ich meine Pein in den Nachthimmel hinaus, während die Krallen sich weiterhin tief in mein Fleisch bohrten, die Sehnen und Muskeln zerrissen und sogar ein, oder zwei Knochen brachen.. Ich spürte das Blut über meinen Körper fließen und merkte, dass ich mit jedem Atemzug schwächer wurde. Der Schmerz vernebelte mir meine Sinne, der Blick verschwamm vor meinen Augen und selbst meine Stimme ließ mich im Stich. Ich röchelte, schnappte vergeblichst nach Luft und bekam gar nicht mehr so richtig mit, wie Gascoigne von mir abließ. Die Welt erschien mir, als sei ich in Watte gepackt worden. Langsam wurde das Bild vor meinen Augen schwarz-weiß und die Ränder verdunkelten sich, wurden immer breiter und breiter. Mein Körper schien nur noch aus Schmerz zu bestehen, gleichzeitig spürte ich eine plötzliche, vollkommene Ruhe, so, als sei es gar nicht schlimm, was passiert war. Als sei es schon in Ordnung, denn da draußen gab es jemanden, der mich willkommen heißen würde… Ich starb, das wusste ich. Gascoigne sagte irgendetwas, doch nur ein einziges Wort blieb mir im Gedächtnis, als ich das Bewusstsein verlor und es endgültig schwarz vor meinen Augen wurde: „Umbasa.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)