Sesshoumarus Braut von XdramaX ================================================================================ Kapitel 3: unheilvolle Veränderungen ------------------------------------ Staunend sahen sich die Dämonen und InuYashas Freunde auf dem Hof der Festung um. Nach all den Jahrhunderten hatten sie damit gerechnet, die Mauern und Gebäude in einem schlechten Zustand vorzufinden, doch der Zahn der Zeit schien an dem Gestein und den Holzbalken ohne eine Spur zu hinterlassen vorbeigegangen zu sein. „Das ist atemberaubend.“, flüsterte Kagome anerkennend. „Wie kann es sein, dass diese Gebäude aussehen, als wären sie gerade erst erbaut worden?“ „Ich bin mir nicht sicher, doch meistens sind Banne die Ursache dafür, wenn die Zeit stillzustehen scheint.“, erklärte Miroku und lenkte so die Aufmerksamkeit der Dämonen auf sich. Gorou nickte. „Spürt irgendjemand von euch etwas? Ein unangenehmes Gefühl? Trauer oder Schmerz vielleicht? Oder hört ihr eine Stimme?“, doch alle Anwesenden schüttelten den Kopf. „Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als nach ihr zu suchen. Schwärmt in Gruppen aus und durchsucht alles.“ „Vielleicht ist der Dämon ja schon tot?“, überlegte InuYasha. „Achthundert Jahre ohne Essen und Trinken ist eine lange Zeit...“, er zuckt die Schultern, als hätte sich damit jedes Problem erledigt. „Der Fluch stirbt nicht so einfach.“, entgegnete Sesshoumaru kühl und ging auf das Hauptgebäude dem offenen Tor gegenüber zu. Gorou sah ihm nach und blickte dann zurück zu InuYasha. „Wenn der Dämon verstorben wäre, an den dieser Fluch hängt, dann wäre das Schloss nicht von diesem schwarzen Dunst erfüllt. Die schwarze Braut lebt in diesem Nebel. Man kann sogar den Eindruck gewinnen, dass sie aus ihm besteht.“ Irritiert sahen ihn Sango und Kagome an. „Sie besteht daraus?“, jammerte Shippou und zog den Kopf ein. Gorou lächelte bei diesen Worten und schüttelte den Kopf, ehe er Sesshoumaru folgte. „Abgesehen davon“, begann Miroku und ging ihm nach, sodass die anderen folgen mussten. „fällt ein gebannter Dämon ins Koma und erwacht erst in dem Moment, wo sein Siegel gebrochen wird.“ Sie stiegen die Stufen hinter den beiden Dämonen empor und erreichten die große Flügeltür, hinter der der Thronsaal des Inu no Taishou lag. Sie stand weit offen. „Vielleicht sollten wir dann dort nach ihr suchen, wo sie sich befand, als sich der Bann über der Festung ausbreitete.“, überlegte Sango. „In dem Moment, da der Fürst das Schwert in die Tür rammte, befand ich die Braut auf dem Hof. Sie wollte uns hinaus folgen.“, erklärte Gorou. „So viel also zu dieser Theorie.“, seufzte Kagome enttäuscht und hob den Blick zu den kunstvollen Schnitzereien der Säulen neben der Pforte. „Nicht ganz.“, überlegte Miroku. „Wenn wir davon ausgehen, dass das Schwert sie nicht direkt berührt hat, dann könnte sie noch einige Schritte gegangen sein, ehe sie ins Koma fiel. Die Frage ist nur: Wohin ging sie?“ Sesshoumaru sah stumm zu seinen Begleitern zurück und wandte sich dann wieder dem Thronsaal zu. Der Raum, der sich hinter der offenen Tür erstreckte, war finster. Kein Licht drang hinein und der Nebel in ihm schien wie ein schwarzes Loch, das sie alle verschlingen wollte. Genau so hatte er sich damals diesen Thronsaal vorgestellt, kurz bevor er ging. Doch nun durfte er nicht einmal daran denken. Er war hier, um den Fluch zu beenden und die Festung seines Vaters zurückzuerobern. Sein Vater war vielleicht zu schwach gewesen, um Sesshoumarus Braut zu töten, doch ihm würde es nicht so ergehen. Er würde sich ein für alle mal befreien. „Willst du reingehen?“, fragte Gorou neben ihm und hob die Fackel höher. Sesshoumaru sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an und ging schließlich ohne eine Antwort voraus. Der Soldat mit der Lichtquelle folge und nach ihm InuYasha und dessen Freunde. Vorsichtig erleuchtete Gorou die Umgebung. Vor ihnen – zumindest so weit sie sehen konnten – erstreckte sich ein einsamer Saal. Langsam traten sie tiefer in den Raum und sahen sich um. Eine Diele knarrte. Erschrocken zog Sango ihr Schwert. Den riesigen Knochenbumerang würde sie innerhalb des Hauses lieber nicht einsetzen. Auch InuYasha griff Tessaiga fester und Kagome zog einen Pfeil aus ihrem Köcher. „Ich spüre noch immer nichts.“, bemerkte Gorou nach einigen Sekunden und horchte tief in sich hinein. Er dachte an das letzte Mal, da er dieser schwarzen Braut gegenüber stand. Die Gefühle, die sie aussandte, hatten beinahe jeden Dämonen zugesetzt, doch dieses Mal nahm er nichts wahr, das ihn zur Flucht zwingen wollte. Ob InuYasha doch recht gehabt hatte und Sesshoumarus Verlobte verstorben war? Doch wie hätte das möglich sein sollen? Und wie war dann der Dunst zu erklären, der in diesem Raum eindeutig dichter war, als draußen im Hof? „Vielleicht schläft sie ja einfach weiter?“, überlegte Shippou naiv und versuchte sich bereits mit dem Gedanken anzufreunden, dann es würde bedeuten, dass sie nicht in Gefahr schwebten. „Vielleicht ist sie auch noch etwas benommen. Sie wurde gerade erst geweckt.“, überlegte Miroku. „Oder es ist ein Hinterhalt.“, gab InuYasha verbissen zu bedenken und Shippou jammerte gequält auf. „Gorou“, alle sahen zu Sesshoumaru auf, als dieser endlich ein Wort herausbrachte. „Entzünde die Lampen.“ Gorou nickte und trat schon beiseite. In einer nahegelegenen Ecke stand die erste Feuerschale auf einer schlanken Säule. „Wie sollen wir hier bitte Licht machen, wenn das Öl schon lang...“, weiter kam InuYasha nicht. Die Flamme flackerte auf und erhellte den Bereich neben der Tür. „Hast du nicht zugehört? Durch den Bann blieb die Zeit stehen. Das Öl lag achthundert Jahre an der gleichen Stelle.“, bemerkte Miroku trocken, erleichtert darüber, dass es etwas heller wurde im Raum. Während sich Gorou zur nächsten Feuerschale aufmachte, sahen sich Sesshoumaru und seine Begleiter um. „Sie müssen überstürzt aufgebrochen sein.“, bemerkte Sango, die die unordentlichen, staubigen Kissen rechts und Links an der Wand begutachtete. Sesshoumaru schritt tiefer in den Raum, als bereits das dritte Licht entbrannte. Direkt vor ihm glänzte der Boden auffällig, als sei er gerade frisch poliert worden, darauf die einzigen zwei Kissen im Raum, welche nicht dreckig wirkten. Ihre Farben strahlten, als wollten sie Freude und Zuversicht spenden. InuYasha machte ein ratloses Geräusch und hockte sich neben ihm hin, um diese so anders wirkende Stelle genauer zu betrachten. „Hier lag sie.“, verkündete der Halbdämon nun plötzlich Ernst und sah zu seinem Bruder hinauf. „Da sie weg ist, wird sie noch leben.“ Die drei Menschen sahen sich in dem inzwischen hellen Saal um, doch außer ihnen war niemand zu erkennen. „Die Kissen sind alle auf diese zwei dort in der Mitte ausgerichtet, sehr ihr das?“, fragte Sango plötzlich. Auch InuYasha sah sich nachdenklich um, als er sich wieder erhob. „Hier wurde eine Hochzeitszeremonie abgehalten.“, stellte Kagome überrascht fest, doch Gorou schüttelte den Kopf. „Nein, zur Hochzeit kam es nicht. Aber du hast recht, in dem Moment, da der Inu no Taishou die Braut gebannt hat, sollte sie eigentlich ihrem Bräutigam übergeben werden.“ Alle sahen zu Sesshoumaru, doch der ging auf diese Worte nicht weiter ein. Er hatte eine offene Tür neben dem Podest entdeckt, auf dem seine Eltern früher thronten. Sie stand für gewöhnlich niemals offen und wurde daher sicherlich nicht während der Zeremonie so stehen gelassen. Allein das Fürstenpaar verließ und betrat den Saal durch sie. Gorou folgte seinem Blick. Ihm schossen die gleichen Gedanken durch den Kopf, wie dem Prinzen: Die Braut musste den Raum durch diesen Ausgang verlassen haben, als sie herein kamen. Die Frage war nur, warum griff sie sie nicht an? Als sie damals Nozomi aus dem Schrein befreiten, waren sie umgeben von den bedrückenden Gefühlen des Fluches und den Stimmen, die von dem Leid des tragenden Dämonen sprachen. In dieser Festung allerdings war es vollkommen ruhig. Als sich Sesshoumaru plötzlich bewegte, schnellten alle Blicke zu ihm herum, doch er überwand lediglich die Distanz zu dieser offenen Tür und schob sie weiter auf, um in die Dunkelheit dahinter zu blicken. Die Gänge, die an ihm vorbei führten, waren leer. Nirgendwo war ein Lebenszeichen zu erkennen. Vorsichtig trat er hinaus. Ein Luftzug wehte ihm kaum merklich durch das Haar, als die anderen folgten und ebenfalls die Umgebung sondierten. „Da, hört ihr das?“, flüsterte Shippou und sie alle hielten die Luft an. Ein sanftes Wispern ging durch das Gebäude. „Das ist bestimmt nur der Wind.“, entschied Miroku. In dem Moment schepperte es lautstark. Erschrocken fuhren sie herum. Selbst Sesshoumaru fixierte die nahegelegene Tür zu einem kleinen Vorbereitungsraum mit einem Anflug von Entsetzen, doch er fing sich wieder, ehe jemand diese Schwäche bemerken konnte. Er war sich sicher gewesen, dass dieser Raum einen kleinen Spalt geöffnet war, als er auf den Flur trat, doch nun war er fest verschlossen. Dort drin musste sie auf ihn warten. Bereitwillig ging Sango einen Schritt zur Seite, als er auf sie zukam und nach dem Griff der Tür tastete, um sie aufzuschieben. Still und leer lag das Zimmer vor ihm. Er spähte hinein, so gut es ging, dann trat er über die Schwelle. Gorou hinter ihm hob die Fackel etwas an und erleuchtete so die Kammer. Die Erleichterung darüber das Zusammentreffen mit dem gesuchten Dämonen noch etwas hinauszögern zu können, löste den Knoten der Anspannung in den beiden Frauen. Je tiefer sie kamen, desto weniger wollten sie hier sein. „Dort liegt etwas auf dem Boden.“, bemerkte Gorou und nickte zu dem Aufsteller einer großen Robe, der in einer Ecke stand. Sesshoumaru fixierte den bunten, fröhlichen Stoff. Er kam ihm bekannt vor. „Am Tag der Hochzeit, was war da in diesem Zimmer?“, fragte er an Gorou gewandt. „Sie wurde hier vorbereitet. Auf dem Aufsteller war ihr Brautgewand angerichtet.“ Sesshoumaru sah wieder zurück auf den bunten Haufen, ließ die Distanz hinter sich und ging dann in die Knie. Beinahe vorsichtig griff er nach dem seidigen Stoff und zog ihn auseinander. „Was ist das, Sesshoumaru?“, fragte Kagome alarmiert. Er stand wieder auf, ohne jedoch das Gewand loszulassen. „Das ist Nozomis Kimono.“, stellte Gorou wenig überrascht fest. In dem Moment spürten sie es alle. Verzweiflung und Trauer. Hass. Einsamkeit und Sehnsucht. Sesshoumaru schloss die Augen. „Sieh es mal so: Alles ist besser, als der Fürstin zu dienen. Zumindest in deiner Lage.“, gab Suzume zu bedenken und nahm saubere, zusammengelegte Wäsche von Nozomi entgegen, die auf dem Boden neben ihrem Korb hockte. „Mir wäre es lieber, wenn ich nur dem Fürsten dienen müsste.“, erkläre sie ehrlich und ihre Freundin nickte versehend. „Es gibt aber nur zwei Paläste in dem privaten Garten der Familie. Zum einen diesen hier, in dem der Prinz und sein Harem wohnt, und zum anderen den des Meisters, aber dort lebt auch die Inu no Kami. Selbst wenn der Meister dir befehlen würde, dich ausschließlich mit seinem Gemach zu befassen, würde dich die Fürstin nicht aus den Augen lassen – oder vielleicht auch gerade dann, würde sie es nicht tun.“ „Warum hat er denn nicht sagen können, dass ich etwas anderes machen soll? Ich könnte doch in der Küche arbeiten oder in den Ställen.“ „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat er ja den Eindruck, dass die anderen Aufgaben nichts für eine junge Menschenfrau sind. In der Küche würdest du dabei zusehen, wenn der Koch ein Tier schlachtet und in den Ställen hättest du es mit Drachen zu tun, die mit unter selbst für uns Dämonen nicht allzu leicht zu bändigen sind.“ Nozomi seufzte leise und strich einen Stapel Seidentücher glatt, ehe sie sie an Suzume weiterreichte. „Nun komm, nimm es nicht so schwer.“, bat sie liebevoll. „Sesshoumaru-sama ist wirklich nicht so schlimm, wie du glaubst.“ „Diese Augen...“, flüsterte sie leise verzweifelt. „Ja, er wirkt hart, aber bei ihm ist es leichter diese Art zu ertragen, als bei seiner Mutter.“, Suzume hockte sich vor Nozomi auf den Boden und legte beide Hände auf ihre. „Halt dich einfach an mich, in Ordnung? Und wenn ich mal nicht dabei bin, dann hast du noch Rini und Moe. Passt in jedem Fall auf, dass du niemals in die gleiche Richtung gehst, in die auch er geht – es sei denn er fordert dich dazu auf. Wenn er kommt verschwindest du am besten schnell in einem der Zimmer oder irgendwo im Garten. Wenn du aber doch in seiner Gegenwart sein musst, dann verneige dich und warte einfach ein paar Sekunden. So lange du ihm keinen Grund gibst auf dich aufmerksam zu werden, wird er so tun, als seist du Luft. Das verspreche ich dir.“ Nozomi nicke schwach und zwang sich zu einem Lächeln. Nach dem Zusammentreffen mit dem Prinzen und der Fürstin gefiel ihr diese Aussicht, trotz der gut gemeinten Ratschläge, überhaupt nicht. „Geht es dir jetzt besser?“ Sie stieß wenig begeistert die Luft aus, bestätigt es dann aber. „Ja, doch, ein wenig.“, erklärte sie und Suzume erhob sich wieder mit einem Lächeln im Gesicht, um den letzten Wäschehaufen einzusortieren. „Ich bin fertig.“, erklärte sie anschließend und stellte ihren noch vollen Korb in den Leeren von Nozomi, um so beide gleichzeitig hochzuheben. „Jetzt bringen wir noch die Wäsche des Prinzen in seine Gemächer und dann sind wir fertig. Aber keine Sorge. Um diese Zeit isst er für gewöhnlich mit seinen Frauen – oder einer von ihnen – zu Abend. Das heißt seine Räumlichkeiten sollten leer sein.“ Nozomi stieß wenig freudig die Luft aus, nickte dann aber ergeben und folgte ihrer Begleiterin aus dem Zimmer. Die Information, dass die Frauen des Prinzen wohl gerade mit ihm speisten, erklärte zumindest,warum am Morgen dieses Haus noch voller Leben war, doch sich nun keine der Bewohnerinnen zeigte. Selbst die Gänge waren leer und außer den Stimmen der Dienerinnen, die putzten und die Wäsche zurück brachten, war nichts zu hören. Die beiden Frauen passierten gerade das Gemach der Favoritin direkt neben dem Zimmer des jungen Prinzen, als Moe ihren Kopf heraus streckte und nach Suzumes Ärmel griff. „Kannst du mir schnell helfen?“, raunte sie ihr verlegen zu. Irritiert sah Suzume sie an, sah an ihr vorbei in das Zimmer und seufzte dann aber geräuschvoll. Die Stoffe auf dem Bett waren zerwühlt, als hätte gerade jemand in dem Bett geschlafen, und die Tür des versteckten Schrankes stand auch offen. Die Kleidung in dem Wäschebehälter von Moe war noch nicht einmal Ansatzweise einsortiert „In Ordnung.“, sie ergab sich und drückte dem Menschen an ihrer Seite die Körbe in die Hand. „Nozomi, geh durch diese große Tür dort. Auf der linken Seite befindet sich eine kleine Kammer, in der die Kleidung unseres Herrn aufbewahrt wird. Fang schon einmal mit dem Sortieren an, ich bin gleich bei dir.“ „Ist gut.“, das Mädchen sah ihrer Freundin nach, wie sie mit Moe in dem Schlafzimmer der Favoritin des Prinzen verschwand und wandte sich dann der größten Tür in diesem Gebäude am Ende des Ganges zu. Um ehrlich zu sein fühlte sie sich in diesem Haus furchtbar unwohl. Besonders in diesem Moment, da sie allein auf dem verlassenen Flur stand und sich dazu überreden musste, auf den Eingang der Gemächer des Prinzen zuzugehen. Sie hatte zwar inzwischen bemerkt, dass sich Sesshoumaru die meiste Zeit außerhalb des Gartens aufhielt, doch mulmig wurde ihr dennoch bei dem Gedanken, dass sie sein privaten Räumlichkeiten betreten sollte. Darüber hinaus rechnete sie hinter jeder Ecke mit diesem angsteinflößenden Mann und dieses Gefühl behagte ihr gar nicht. Seine Augen waren es, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Sie waren zwar denen seines Vaters so gleich, doch sie befürchtete, dass er eher nach seiner Mutter kam, der Inu no Kami. Sie war der zweite Grund, warum sie sich in den Gärten der Fürstenfamilie nicht wohl fühlte. Auch der Fürstin konnte sie überall begegnen, wenn sie auch vermutlich niemals den Harem ihres Sohnes betreten würde. Als sie die Tür zu den Zimmern des Prinzen öffnete, erkannte sie zum wiederholten Male – wie bereits die Tage zuvor – dass beide keine angenehmen Zeitgenossen waren. Sie beglückwünschte sich sogar regelmäßig für jeden Schritt, den sie machen konnte, ohne einem von ihnen über den Weg zu laufen. Nozomi sah sich in dem großen, Zimmer des Fürsten um. Ein Tisch stand in der Mitte, darum vier Sitzkissen. Die Feuerschalen in der Ecke erleuchteten die hellen Wände, wodurch der Raum noch größer wirkte. Schnell schlüpfte Nozomi aus ihren Schuhen und tappte auf bloßen Füßen über die Matten auf dem Boden zu der Tür zu ihrer Linken. Wie Suzume prophezeit hatte betrat sie eine längliche Kammer, deren Wände voller Regale waren. In der Mitte der gegenüberliegenden Seite war eine tiefere Einbuchtung, in der sich Aufsteller mit herrschaftlicher Kleidung für diverse Anlässe befand, sowie eine starke Rüstung Vorsichtig, als hätte sie Angst einen Laut von sich zu geben, stellte das Mädchen den Korb beiseite und griff nach der kleinen Öllampe auf einem der Regale direkt neben der Tür, um sie an einer der großen Schalen im ersten Zimmer zu entfachen. So trat sie mit etwas mehr Licht zurück in das Zimmer und begann die frisch gewaschene Wäsche einzusortieren. Angestrengt suchte sie für jedes Stück Stoff nach dem richtigen Platz und dachte dabei zwangsläufig über ihren momentanen Aufenthaltsort nach und die Möglichkeit, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war den Inu no Taishou um Arbeit zu bitten. Sie war sein Gast, wie er gesagt hatte, doch sie hatte das Gefühl gehabt diese Freundlichkeit auszunutzen, wenn sie ohne eine Gegenleistung zu bieten geblieben wäre. Ihre Alternative sah also vor, dass sie ging. Nur wohin? Sie legte gerade einen Stapel Laken in eine Ecke, als ihr Blick auf ihre Finger fiel. Vielleicht sollte die Frage nicht lauten „Wohin“, sondern eher: Warum sollte sie hier weg? Nozomi war die Tochter eines einfachen Mannes gewesen, der zwar viel Einfluss in seinem Dorf genoss, jedoch kein Reichtum besaß. Seit ihrer frühen Kindheit war sie es gewohnt zu arbeiten und ein Bad hatte es kaum gegeben, um sich den täglichen Dreck und Schweiß vom Körper zu schrubben. Hier dagegen gab es eine Fürstin, die sie zwar nicht leiden konnte, doch trotzdem peinlich genau darauf achtete, dass ihre Dienerinnen vorzeigbar waren. So gab es jeden Tag Wasser, mit dem man sich waschen konnte – vermutlich hätten sonst die feinen Nasen der Hundedämonen rebelliert – täglich manikürten sie und Suzume sich gegenseitig und die Kleidung, die sie trug, war vermutlich mehr wert, als alles, was Nozomi jemals besessen hatte. Mit Ausnahme vielleicht von ihrem Brautgewand, immerhin hatte bei diesem ihr Vater keine Kosten gescheut. Was eine Verschwendung es doch war, wenn man bedachte, dass sie es nur zu ihrer Opferzeremonie trug und vermutlich nie wieder. Sie seufzte frustriert und schloss die Augen. Vorsichtig hielt sie sich an dem Regalbrett fest, das sie eben gefüllt hatte. Dunkle Gedanken über das Alleinsein machten sich in ihr breit und sie spürte die Kälte des Winters um ihre Knöchel ziehen, obwohl sie mitten im Innern des Harems vom Prinzen stand, sämtliche Ausgänge des Hauses versperrt waren und durch die vielen Feuer um sie herum so manch eine Dienerin beim Putzen sichtlich schwitzte. War es tatsächlich die Jahreszeit, die sie frösteln ließ? Noch einmal blickt sie auf ihre bleiche Hand hinab, als würde sie mit einer Veränderung rechnen, doch als sie die Fingerspitzen aneinander legte, fühlte sie nur die Kälte, die sich in ihnen auszubreiten begann. Ein leichtes Zittern ging durch ihren Körper und sie schlang die Hände um ihre Oberarme. Sie beschloss, dass es reichte. Sie musste wieder auf andere Gedanken kommen. So griff sie sich einen neuen Stapel und sah sich um. Weitere Stücke dieser Art, wie die Kleidung auf ihrem Arm, befanden sich am anderen Ende der länglichen Kammer. Sie machte gerade einen Schritt darauf zu, als sie bemerkte, dass dieser Wandschrank zwei Eingänge besaß und dieser Zweite stand auch noch eine Hand breit offen. Sie wollte diese Tür gerade vorsichtig und leise zuschieben, wie es sich gehörte, als eine tiefe Männerstimme ertönte. Dem Menschenmädchen lief es eiskalt den Rücken hinunter. Das Gehörte zusammen mit dem hellen Kichern, mit dem es sich nun mischte, konnte nur eines bedeuten: Der Prinz war hier. Sie glaubte zu spüren, wie das Blut aus ihrem Gesicht heraus floss und ihr schwindlig wurde. Sie wusste nicht, warum sie so stark auf ihn reagierte – oder nur auf das Wissen, dass er in der Nähe war – aber es gefiel ihr nicht. Ihre Hände zitterten leicht, als eine Frau vor Freude quiekte, doch das Geräusch verebbte, als würde sie geknebelt werden. Das Mädchen hielt inne und zwang sich dazu durchzuatmen. Sie ahnte, was sich hinter dieser zweiten Tür befand: Das Schlafzimmer Sesshoumarus. Und den Geräuschen nach zu urteilen war nicht nur er darin, sondern auch mehrere seiner Frauen. Nozomi spürt, dass sie den Stoff unter ihren Fingern fester packte und überlegte, wie sie den Stapel auf das Regal brachte, ohne dass die Herrschaften sie bemerken würden. Es wäre wohl einfacher gewesen alles liegen zu lassen und zu gehen, um Suzume davon zu berichten. Doch nun, da sie wusste, dass mehrere Dämonen im Nebenzimmer waren, scheute sie sich davor zu gehen. Sie hatte Angst, sie könnte ein Geräusch verursachen und damit die Aufmerksamkeit dieser Kreaturen auf sich lenken. Besonders wenn der Prinz herausfand, dass sie hier war, würde sie nicht wissen wollen, wie er reagierte. Sie beschloss daher die Luft anzuhalten und zu warten, dass Suzume zu ihr kam. Schwerer Fehler. Sie schloss gerade die Augen und sang in Gedanken ein Kinderlied um sich zu beruhigen, als sie die Stimme einer Haremsdame hörte: „Mein Prinz“, sie klang irritiert. „brennt schon die ganze Zeit in der Kleiderkammer ein Licht?“ Erschrocken riss Nozomi die Augen auf und sah sich um. Natürlich, wie hatte sie nur diese Öllampe vergessen können? Vorher war es in dem Raum stockfinster gewesen, doch nun flackerte eine kleine Flamme. Der spitze Schrei einer weiteren Frau folgte: „Da ist jemand! Ein Spanner!“ Erschrocken ließ Nozomi die Kleidung fallen. Ihr Schatten flimmerte im Schein des Feuers über die Regale gegenüber der offenen Tür. Es war still in dem Zimmer nebenan, doch Nozomi hatte das Gefühl zu spüren, wie sich Sesshoumaru von seinem Bett erhob und auf den Wandschrank zukam - und leider hatte sie damit recht. Eine mit Klauen besetzte, große Hand griff durch den Spalt in das Innere der Kammer. Noch ehe sie sich um die Tür legte und diese weiter öffnen konnte, stolperte Nozomi über den Wäschekorb hinweg, fand gerade so ihre Balance zurück und flüchtete. Vielleicht hätte sie ihm einfach entgegen treten sollen und ihm erklären, dass sie von Suzume geschickt wurde, um seine Wäsche zurückzubringen. Keine von beiden hatte gewusst, dass er da war und sie hatte ihn auch nicht beobachtet, doch auf diese Idee der Wahrheit kam sie nicht. Sie wusste nur eines: Sie hatte Angst und wollte so schnell es ging von dort verschwinden. Wer konnte ahnen, was er mit ihr tun würde, wenn er sie in seinen Gemächern vorfand, während er sich mit seinen Frauen vergnügen wollte? Sie umschiffte gerade noch so das niedrige Tischchen im Vorzimmer und jubelte bereits innerlich, dass sie den Ausgang erreichte, ohne vom Prinzen erwischt worden zu sein, als eine große Gestalt sich ihr entgegen stellt. Es presste ihr die Luft aus den Lungen, als sie mit Sesshoumaru zusammenstieß. Die Frage jedoch, wie er es so schnell geschafft hatte sich ihr in den Weg zu stellen, kam ihr gar nicht erst – da er ein Dämon war erübrigte es sich wohl auch, sich darüber zu wundern. Sie keuchte leicht benommen von dem Zusammenprall mit der plötzlichen Barriere. Als sie die Augen öffnete starrte sie seinen perfekten Brustkorb an, ihre Finger drückten sich in die makellose Haut. Erst verstand sie nicht recht, doch dann sah sie auf. Goldene Augen hatten sich finster auf sie gerichtet. Sie schluckte. War das nun das Ende? „Ich...“, stammelte sie los, doch kam nicht weiter. Eine Hand schlang sich um ihren Hals und schraubte sich unbarmherzig zu. Sie gurgelte gefährlich und legte den Kopf so weit in den Nacken, wie es nur ging, in der Hoffnung so mehr Luft zu bekommen, doch der Griff war gnadenlos. „Nozomi!“, schrie Suzume, die von dem Tumult angelockt wurde und nun entgeistert zusehen musste, wie sich der Arm hob, mit dem Sesshoumaru sein Opfer hielt, und ihre Freundin so den Boden unter den Füßen nahm. Sie zitterte leicht und ihre Hände schlugen panisch nach dem Arm des Prinzen. „Herr, bitte!“, als Moe neben sie trat und fassungslos einen Schritt zurück machte, fühlt sich Suzume dazu berufen einzugreifen. „Meister, bitte, ich bin es gewesen, die Nozomi sagte, dass sie in Euer Gemach gehen soll. Sie brachte Eure Wäsche. Ich wusste nicht, dass Ihr dort seid.“ Die Augen des Prinzen wanderten zu ihr hinüber. „Bitte“, hauchte sie noch einmal verzweifelt. „Es geht nicht darum, dass sie in meinem Zimmer war.“, erklärte er trocken und sah wieder zurück zu Nozomi. „Sie hat mich und meine Frauen beobachtet.“ Eine Träne voller Todesqualen rann über die Wange des Mädchens in seinem Griff und tropfte auf seine Hand hinab. Ihr Gesicht lief bereits blau an, das Strampeln ihrer Füße wirkte unkoordiniert, das Schlagen ihrer Finger war bei Weitem nicht mehr so kräftig wie zuvor. „Bitte...“, krächzte sie in dem Versuch um ihr Leben zu betteln. „Herr, mein Meister, ich flehe Euch an!“, jammerte auch Suzumo noch einmal. „Nozomi hat es sicherlich nicht mit Absicht getan. Sie wollte doch nur die Wäsche zu Euch bringen. Nie hätte sie Euch beobachtet. Sie hat doch solch eine Angst vor Euch, dass sie den Fürsten sogar darum bat, nicht mehr in den Gärten zu arbeiten.“ Das war vermutlich der einzige Weg, wie man Sesshoumaru beruhigen konnte. Das Wissen darum, dass das Menschenmädchen Angst hatte, schmälerte den Verdacht, dass sie ihm und seinen Frauen im Liebesspiel zusah. Immerhin – das musste er zugeben – hatte Nozomi die Tür zum Schlafzimmer nicht allein geöffnet. Sie stand bereits offen, als seine Haremsdamen zu ihm kamen, um ihn zu verwöhnen. Als Mensch ist es ihr wohl auch nicht aufgefallen, dass er da war, als sie dieses Zimmer betrat. Und dennoch: Ein niederes Wesen wie sie in seinen Gemächern? Er wusste von der Entscheidung seines Vaters, dass sie den Dienerinnen in seinem Harem zur Hand gehen sollte, und wie hoch die fürstliche Meinung über dieses Kind war, da sie sich freiwillig als Dienstmagd anbot, obwohl er ihr von Anfang an zu verstehen gab, dass er sie als seinen Gast ansah, doch Sesshoumaru hielt nichts von dieser Brut. Er hatte sie schon nicht ausstehen können, als Gorou ihn dazu überredet hatte, das Mädchen aus dem Schrein mit sich zu nehmen. Er war versucht es hier und jetzt zu beenden. Immerhin hätte dieses Weib bereits sterben sollen, als er den Fluch vernichtete und sie damit – versehentlich – rettete. Unter seiner Hand spürte er, wie das Leben den Körper des Mädchens verließ und ihre Finger an seinem Handgelenk erschlafften. Wenn sie jetzt starb, dann waren seine Mutter und er ihren Anblick los, doch sein Vater... Er schloss kurz die Augen. Er teilte nicht die Zuneigung seines Vaters zu Menschen, doch er verehrte diesen starken Mann. Und leider war der Wunsch dem Fürsten gerecht zu werden und ihm zu gefallen größer, als die Verachtung für Sterbliche, die ihm seine Mutter beigebracht hatte. Er unterdrückte das Knurren, drehte sich mit verächtlichem Blick halb herum und warf das Mädchen in dem Moment seitlich von sich weg in den Gang hinaus, da sie das Bewusstsein verlor. Sie keuchte erstickt, als sie auf den harten Dielen aufschlug. Die Erschütterung weckte sie wieder auf und als sie vor Suzumes Füßen zum Liegen kam, hustete sie lautstark gurgelnd. „Bringt sie raus. Ich will sie nie wieder in meinen Gemächern finden.“, verlange er und sah ein letztes Mal auf die Fünfzehnjährige hinab. Ihre wässrigen, braunen Augen blickten ihn verzweifelt an, doch er wandte sich ab, ehe er Gefahr lief eine ähnliche Schwäche wie sein Vater zu entwickeln. Nicht, dass er es für möglich hielt, doch sicher war sicher. „Nozomi“, flüsterte Suzume besorgt, als Sesshoumaru aus ihrem Blickfeld verschwunden war, und hockte sich neben sie. Eilig versuchte sie ihr aufzuhelfen und sah zu Rini bei den anderen Dienerinnen, als sie sie hoch zog. „Hilf mir mal.“ Sofort kam die Dämonin und schlang sich den zweiten Arm von Nozomi um die Schultern. „Oh, Mädchen, guck dir den Hals an...“, heulte Moe und hob ihr Kinn an. „Wir bringen sie zu Akira. Kümmere du dich um die Wäsche des Prinzen.“, raunte Suzume ihr zu und gemeinsam mit Rini trug sie Nozomi eher hinaus, als dass sie selbst lief. Im Nachhinein empfand es das Menschenmädchen als großes Glück, dass sie bei ihrem Weg durch den Garten nicht in die Arme der Inu no Kami liefen. Die Blicke der Diener und Soldaten auf dem Hof waren ausreichend, um ihr zu zeigen, was für ein schlechtes Bild sie abgab. Doch einen klaren Gedanken zu fassen, war ihr in diesem Moment nicht möglich. Sie glaubte ein Wispern in ihrem Kopf zu hören, gleichsam einem leisen Schluchzen, und spürte tiefe Verzweiflung in ihrem Herzen, wenn sie sich auch nicht sicher war, was genau der Grund dafür war. Mehrere Male wurde Nozomi schwarz vor Augen und jedes Mal hatte sie erneut dieses Gefühl wie damals, als sie in dem Schrein lag und die schwarze Braut sie zu verschlingen versuchte. Dieses Mal jedoch war es anders. Dieses Mal versuchte der Schmerz sie nicht zu bedecken, sondern kam direkt aus ihrem Inneren. Wenn sie die Augen in einem kurzen Moment des Bewusstseins öffnete, hatte sie das Gefühl dichten, schwarzen Dunst um sich herum zu sehen. Jeder, der ihr entgegen kam – und auch die beiden Frauen, die sie stützten – waren nichts als dunkle Schatten, von denen sie wusste, dass sie sie allein ließen. Doch sie wollte nicht allein sein. Sie hatte Angst vor der Einsamkeit. „Hilf mir...“, hauchte ihre eigene, verzweifelte Stimme in ihrem Kopf, doch dann war sie mit einem Schlag hellwach. „So ist gut, Nozomi, trink alles aus.“, man hörte das Seufzen der Erleichterung in Akiras Stimme und dann sah sie bereits seine freundlichen Augen, als er ihr den Krug wieder abnahm, den sie ohne es zu bemerken an ihre Lippen gesetzt hatte. „Geht es dir besser, mein Liebes?“ Sie nickte. „Ein wenig... Was ist passiert?“ Akira legte eine Hand unter das Kinn seiner Patientin und zwang sie so, ihm ihre Kehle zu zeigen. „Der Prinz war wohl nicht begeistert davon, dass du nun in seinen Diensten stehst.“, verkündete er und betastete vorsichtig die geschwollenen Stellen ihres Halses. „Ist es sehr schlimm?“, fragte Sachi an seiner Seite und auch Rini und Suzume beugten sich über seine Schulter, um die Quetschung genauer zu besehen. „Es wird wohl eine Weile brauchen, bis das abgeheilt ist, aber sie wird es schon überleben.“, beruhigte er die Frauen im väterlichen Ton und goss sich und seiner menschlichen Patientin noch etwas Wasser in zwei Schälchen. „Die Gemächer des Prinzen solltest du dennoch meiden.“, beschloss er. „Das war schrecklich, was er getan hat! Selbst für ihn.“, bemerkte Rini und Suzume nickte: „Wir müssen dem Fürsten davon berichten.“ Doch Akira winkte ab. „Er wird es sicher in diesem Moment erfahren. Draußen ist die Hölle los, wegen dem Anblick, den ihr geboten habt.“, erklärte Akira und sah zu Sachi. „Setz doch schon einmal Wasser für Tee auf. Ich bin mir sicher, dass der Inu no Taishou jeden Augenblick hier sein wird.“ Sie nickte und sprang voller Tatendrang auf die Füße. Nozomi sah ihr nach. Seit dem Angriff Sesshoumarus war da eine leere in ihrem Herzen, die sie nicht begreifen konnte. Selbst als Suzume sich neben sie setzte, ihr einen Arm umlegte und begann über ihre Haare zu streicheln, war sie sich sicher, dass sie alleine war. Wie konnte das sein? Wo kam dieses Gefühl her? Immerhin bemühten sich doch so viele Leute um sie... „Ich bin dafür, dass Nozomi von jetzt an nur noch mit uns zusammen die Wäsche wäscht und zum Trocknen aufhängt.“, erklärte Suzume. „Ich nehme sie nicht mehr mit in den Garten und das werde ich auch...“ Akira verzog irritiert das Gesicht und die Dienerin hielt inne. „Was?“ Er stand auf und kam zusammen mit Rini um Nozomi herum. Überrascht sah sie zu ihnen zurück, als sie sich hinter sie knieten, doch Akira legte beide Hände an ihre Schläfen, zwang sie wieder nach vorn zu sehen und drückt sanft ihr Kinn zur Brust. „Nur ganz kurz, Nozomi.“, murmelte er und begann ihr Haar zu durchwühlen. In dem Moment wurde die Tür aufgeschoben und als das Mädchen hoch schielte, erkannte sie den Inu no Taishou, der die Szenerie verwirrt musterte. „Sagt mir nicht, dass sie eine Kopfwunde wegen meinem Jungen hat.“ „Nein, Meister.“, Nozomi spürte, wie Akira eine Strähne ihres langen Haares griff und sie durch seine Finger gleiten ließ. Seine Stimme sprach von tiefer Besorgnis: „Ihr Haar wird weiß.“ Sesshoumarus Vater saß auf seinem Kissen im Thronsaal und strich sich gedankenverloren über das Kinn. Es war Nozomi, die in seinen Gedanken herumspukte. Dieses Mädchen bereitete ihm große Sorgen. Er mochte sie. Sie war lieb und ebenso zuverlässig, wie gehorsam. Eine Perle der Weiblichkeit, wie Akira sie beschrieb. Sie mag für die meisten seines Volkes nichts als ein kleiner Mensch sein, doch für ihn war jedes Leben, gleich welcher Abstammung, ein Geschenk. Er konnte nicht verhehlen, wie stolz er auf seinen Sohn gewesen war, als er als Triumphator über den Fluch, der die Menschen heimsuchte, zurückkehrte und Gorou seinem Arzt das junge Leben in die Arme legte, mit den Worten, dass Sesshoumaru sie gerettet hätte. Sein großzügiges Herz überschlug sich vor Stolz und er konnte es nicht abwarten Nozomi kennenzulernen, um zu erfahren, was sein Sohn an ihr sah, um seinen Hass gegen Sterbliche zu vergessen. Doch so begeistert er auch von seinem neuen Gast war, musste er schlussendlich feststellen, dass sein Sohn entgegen seiner Hoffnung nichts bei diesem Auftrag gelernt hatte. Er hatte die Menschen gerettet und er hatte ein junges Mädchen vor dem Tod bewahrt, doch er hatte es nicht getan, weil er ihr Dasein achtete, sondern weil er wusste, dass sein Vater vor Wut getobt hätte, wenn er von ihr erfuhr. Es war schade, dass sein Sohn, sein einziges Kind, solche Missachtung für andere Lebewesen in seinem Herzen trug. Er hatte sich wirklich etwas Besseres für ihn gewünscht und tat auch nach so langer Zeit noch immer alles, um den Hundertjährigen auf den richtigen Weg zu lenken, doch er ahnte, dass ihm dies nicht gelingen würde, dank der Frau, die seine Fürstin war. Es war kein Geheimnis, dass die Ehe des Inu no Taishou und der Inu no Kami seit geraumer Zeit nicht mehr auf Liebe beruhte. Er hatte sie zu seiner Fürstin gemacht und sie hatte ihm den lang ersehnten Thronerben geboren, doch mit dem Erreichen dieses Ziels zeigte seine Gemahlin ihr wahres Gesicht. Nach allem, was er in den vergangenen einhundert Jahren in den privaten Gärten erlebte, würde er sich nicht einmal mehr wundern, wenn irgendwann herauskam, dass all seine anderen Haremsdamen ihm keine Kinder gebären konnten, weil sie es verhinderte. Dabei wünschte er sich doch so sehr ein sanftes Töchterchen, neben seinem harten Sohn. Er schloss die Augen, um sich wieder zur Besinnung zu rufen. Für solche Gedanken hatte er keine Zeit und momentan auch nicht die Kraft. Er saß wegen Nozomi in diesem Saal, dem Mädchen, das vermutlich einer Tochter am nächsten kam. „So geht es nicht weiter, mit diesem Menschen.“, erklärte einer seiner Berater hart. „Sie bringt das Leben in diesen Mauern durcheinander.“ Er sah das alles vollkommen anders. Nozomi hatte niemanden bedroht und sich bemüht sich in ihren Alltag zu integrieren. Es war seine Frau gewesen, die sie offen angefeindet hatte und nun kam sein Sohn mit einer haarsträubenden Geschichte. „Ich bitte Euch, Prinz, schildert uns noch einmal, was gestern Abend geschah.“ „Ich fand sie in meinem Kleiderschrank vor.“, verkündete er und sah mit starren Augen zu seiner Mutter hinüber, die selbstgefällig lächelte und ihm stolz zunickte. „Ich habe bereits mit den Dienerinnen gesprochen.“, erklärte der Fürst hart. „Nozomi wurde von Suzume in die Gemächer meines Sohnes geschickt. Keine von beiden wusste, dass er sich bereits mit seinen Frauen zurückgezogen hatte. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen, doch sie sah nicht hinein, als sie es bemerkte und am Ende warst du es, mein Sohn, der sie – verzeih die Offenheit – grundlos angriff. Sesshoumaru schwieg darauf. Für ihn klang es wie eine Rüge durch seinen verehrten Vater – er hätte ihm auch genauso gut eine Ohrfeige verpassen können. Doch obwohl etwas in ihm sagte, dass er den Kopf respektvoll senken sollte, ihm zustimmen und sich entschuldigen, wog die strenge Erziehung seiner Mutter und der durch sie gefestigte Stolz mehr, sodass er ihm weiterhin ausdruckslos in die Augen starrte, ohne seinen Fehler einzugestehen. „Ich verstehe nicht, wie Ihr sie weiterhin in Schutz nehmen könnt, mein geliebter Gemahl.“, verkündete die Fürstin in diesem Moment mit liebevollem Ton. „Dieses Kind ist nicht in der Lage Befehlen zu folgen, bringt nicht den nötigen Respekt gegenüber der Bewohnerinnen der beiden Harems auf und spioniert sogar Eurem Sohn hinterher. Ich erachte dieses Verhalten als untragbar.“ Der Inu no Taishou sah wenig begeistert von ihr zu seinem zweiten Berater. „Hast du auch etwas gegen Nozomi, nur weil sie ein Mensch ist, Fukita?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Meister, selbstverständlich nicht. Ich denke ebenso wie Ihr, dass sie ein gutes Kind ist. Doch ihr müsst zugeben, dass die jüngsten Ereignisse Grund zu Besorgnis liefern. Ganz ungeachtete dessen, ob sie Eurem Sohn nachstellte oder nicht, frage ich mich, welcher Grund für ihre körperliche Veränderung vorliegt.“ „Verändert sie sich denn wirklich?“, verlangte ein weiterer Berater zu erfahren und Akira nickte. „Ja, das muss ich wohl bestätigen. In der vergangenen Nacht haben Sachi und Suzume mehrmals versucht das Haar von Nozomi zu waschen. Leider verschwand die weiße Strähne nicht und heute Morgen entdeckten sie weitere Haare, die sich vom Ansatz an bis in die Spitzen zu verfärben beginnen.“ „Solch eine Veränderung kann nichts gutes Bedeuten und bringt in den meisten Fällen noch mehr Probleme mit sich.“, erklärte einer der Männer und sie alle nickten, was dem Inu no Taishou nicht gefiel. „Wir müssen in erster Linie an das Leben unserer Leute denken.“, erklärte der erste Berater weiter. „Daher sage ich, dass wir diesen Menschen dorthin zurückschicken sollten, wo sie herkommt. Das ist das Beste für uns alle.“ „Das sehe ich anders.“, der Fürst beugte sich leicht vor. „Wie ihr bereits korrekt bemerkt habt, könnte diese Veränderung des Kindes gefährlicher Natur sein. Um ihr eigenes Leben zu schützen und im Ernstfall auch das vieler Unschuldiger, sollten wir sie hier behalten und herausfinden, was es mit diesem weißen Haar auf sich hat. Akira?“ Der Arzt nickte sofort. „Natürlich, Meister, dem stimme ich voll und ganz zu. Ich werde mich umgehend daran setzen herauszufinden, was...“ „Das ist doch lächerlich.“, verkündete die Inu no Kami. „Wie Ichiro bereits sagte, müssen wir uns vor allem um das Leben unserer Leute kümmern.“ „Das tun wir, indem wir jede Gefahr eindämmen und sie hier unter Beobachtung stellen.“ Für Sesshoumaru schien die Lösung klar auf der Hand zu liegen: Nozomi musste sterben. Doch er würde sich hüten diese Worte auszusprechen. Seinem Vater würden sie nicht gefallen. „Mein Fürst“, die Stimme Ichiros klang nun schneidender. „Ich möchte Euch vorab für meine Offenheit um Verzeihung bitten, doch darf ich Euch daran erinnern, dass dies ein Dämonenhort ist und kein Gnadenhof für Sterbliche?“ Es war still im Thronsaal. Keiner konnte fassen, was dieser Mann gerade gesagt hatte, auch die nicht, die ihm gedanklich zustimmten – Sesshoumaru und seine Mutter. Die Wut über diese Worte stieg dem Fürsten sichtlich ins Gesicht, doch er beherrschte sich, um nicht auszurasten und sah zu Akira. „Geh und versuche herauszufinden, warum sich die Haarfarbe von Nozomi so plötzlich verändert.“, befahl er. „Ich werde das Mädchen nicht gehen lassen, ehe ich nicht weiß, was mit ihr geschieht.“ Er verneigte sich erleichtert – nicht nur, weil der Fürst diesen Entschluss fasste, sondern auch, weil er dieser geladenen Atmosphäre so entfliehen konnte. Schnell sprang er auf und verließ eilig den Thronsaal. Erst als er auf dem Hof stand atmete er tief durch und bemerkte dabei beinahe nicht, wie sich eine schwarzhaarige Gestalt an ihm vorbei drückte. Überrascht sah er ihr nach. Wieso hatte er das Mädchen nicht bemerkt? Sie war nur ein Mensch ohne die Möglichkeit ihre Präsens vor Dämonen zu verbergen, doch er hatte nicht wahrgenommen, wie sie aus einem der Seiteneingänge herausgekommen war und es wäre ihm beinahe entgangen, wie sie an ihm vorüber glitt. „Nozomi?“, rief er ihr nach, doch da hatte sie bereits die Tür zu dem Haus erreicht, in dem sie mit Suzume wohnte. Als sie ihm einen letzten Blick schenkte, hatte Akira das Gefühl, dass ihm das Herz zerrissen würde. So viel Trauer auf einmal hatte er noch nie gefühlt. Er dachte nicht einmal, das dies möglich gewesen wäre. Selbst als Nozomi bereits in dem Gebäude verschwunden war, hatte er noch immer diese leere in seinem Herzen, die ihn von innen zu verschlingen drohte. Er griff nach einer Säule und faste sich verwirrt an den Kopf. Was war das nur? Warum hatte er das Bedürfnis zu schreien und zu heulen? Wie konnte ein Blick auf Nozomi solch ein Gefühlschaos in ihm auslösen? Er war ein alter Dämon und stolz darauf seine Emotionen beherrschen zu können. Doch dieser Moment jagte ihm einen Schauer über den Rücken und blanke Angst brachte seine Nackenhaare zum stehen. Er musste unbedingt herausfinden, was mit ihr geschehen war. Er schluckte die Verwirrung in seinem Innern herunter und eilte davon zu seinem Haus. Dabei verpasste er die junge Braut, die nur Minuten später – verfolgt von einer verzweifelte Suzume – zum Tor schritt und die Festung verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)